Steinkreis 232 - Tir Thuatha
Steinkreis 232 - Tir Thuatha
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<strong>Steinkreis</strong> <strong>232</strong><br />
spürte den dunklen Zorn hinter seiner Stirn<br />
und bereute es sofort, als er sah, wie sie<br />
erschrak. „Verzeiht mir, das habt Ihr nicht<br />
verdient.“<br />
Es dauerte eine Weile, bis daß Griseldis<br />
sich erneut ein Herz faßte.<br />
„Bittet mich nicht um Verzeihung, Herr.<br />
Ich kenne die Geschichte. Ihr habt recht<br />
gehandelt und Lorenz nicht. Es war dumm<br />
von mir …“ Nach ein paar langen Atemzügen<br />
sagte sie leise: „Ihr habt keinen Erben,<br />
Herr, und Ihr habt kein Weib …“<br />
Starkhand schloß die Augen. Er war<br />
dankbar für Orms Anwesenheit. Sonst hätte<br />
er sich vielleicht vergessen und die junge<br />
Frau rüde fortgeschickt. Stattdessen erhob er<br />
sich und ging ein paar Schritte hinüber zur<br />
Brustwehr, und schaute auf das Vorfeld hinaus,<br />
hörte das Wiehern der Pferde und das<br />
Knattern der Wimpel an den Masten und<br />
Zeltstangen. Nun fiel ihm auf, wieviele Vögel<br />
in der Luft waren. Ihr Gesang erfüllte den<br />
jungen Mittag.<br />
Diese Angelegenheit war nichts, das er mit<br />
der jungen Witwe erörtern würde. Aber sie<br />
hatte recht: seine Tochter und sein Enkel<br />
weilten jenseits der Grenze in Clanthon.<br />
Über die Umstände würde Griseldis nichts<br />
wissen. Daß er nie wieder geheiratet hatte,<br />
sorgte für Gerede. Er pflege geheime Liebschaften,<br />
wurde getratscht, doch er hatte sich<br />
die eiserne Regel gegeben, darüber mit niemandem<br />
zu sprechen. Sein Herz war ganz<br />
allein seine Sache.<br />
Er drehte sich um und sagte vernehmlich:<br />
„Ich danke Euch für Eure Offenheit, Herrin.<br />
Ja, ich habe keinen Erben vorzuweisen,<br />
ich habe auch keine Geschwister und keine<br />
Anverwandten, die meine Linie fortsetzen<br />
könnten. Ihr seid klug und könntet wissen,<br />
daß in Wahrheit das Haus Calan und das<br />
Haus Taufers eng miteinander verwoben<br />
sind. Sollte Euer Sohn Walthar also das<br />
Mannesalter erreichen, wird er der nächste<br />
sein, der rechtmäßig Lantfrids Helm tragen<br />
wird, sollte ich einmal nicht mehr sein.“ Er<br />
trat langsam näher an den Tisch heran.<br />
30<br />
Die Erben des Krieges<br />
„Könnte ich dann aber Walthars Freund sein?<br />
Bietet Ihr Euch demnach selbst an, als Preis<br />
für meine Freundschaft? Und was denkt Ihr,<br />
das Lutwin tun wird, wenn der Gewinn ein so<br />
viel größerer ist?“<br />
Er sah sie an. Sie wäre wahrlich ein stolzer<br />
Preis, dachte er. All diese Jugend und Schönheit,<br />
dazu ein gutes Maß Klugheit und Mut.<br />
Er dachte an seine verstorbene Frau: sie war<br />
eine geborene Taufers gewesen, mit ebenso<br />
goldglänzendem Haar wie diese, die nur den<br />
Namen trug, doch hatte sie nicht diesen Geist<br />
und diese Kraft besessen.<br />
Als er sich wieder setzte, wehte eine leichte<br />
Brise ihren Duft zu ihm hinüber. Wahrlich,<br />
was für eine Verführung! dachte er. Ich<br />
müßte bloß zugreifen und sie gehörte mir.<br />
Aber was soll aus Begierde erwachsen, wenn<br />
sie bloß einem Machtspiel dient …<br />
„Ihr würdet Euch für Euren Sohn hergeben,<br />
Herrin? Mir ist nicht nach einer solchen<br />
Buhlschaft. Und mein Weib könnt Ihr nicht<br />
sein.“ Warum hatte er das gesagt? Es ging sie<br />
nichts an. „Plagt Euch nicht mit Gedanken<br />
über Calans Erben, Herrin. Darüber werden<br />
andere befinden. Doch wisset dies: Ihr bittet<br />
mich um meine Freundschaft? Die gewähre<br />
ich Euch gern –“<br />
Da ergriff Griseldis ganz plötzlich seine<br />
Hand mit ihren beiden und küßte sie. Starkhand<br />
richtete sie wieder auf.<br />
„Einer solchen Mutter Sohn wäre jeder<br />
gern. Eure Hingabe beschämt mich und der<br />
Großmut dieses Herrn der Zwerge hier<br />
beschämt mich ebenfalls. Seid Euch also<br />
meines Schutzes gewiß, aber wünscht Euch<br />
bitte nicht, mein Weib zu sein.“ Nun sah er<br />
Orm an. „Zu den Pfründen, die ich Taufers<br />
einst nahm, sind etliche, die ich nicht<br />
zurückgeben kann. Und ich gedenke auch<br />
nicht, den Unzufriedenen Geschenke zu<br />
machen. Vielmehr möchte ich die Getreuen<br />
belohnen. Wenn Ihr, Orm, im Namen Eures<br />
Herrn sprecht, sagt mir, ob Ihr dagegen<br />
sprechen werdet, wenn ich jene minderen<br />
Bergrechte, die ich Taufers einst nahm,<br />
weitergebe, damit die Freunde des jungen