Steinkreis 232 - Tir Thuatha
Steinkreis 232 - Tir Thuatha
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<strong>Steinkreis</strong> <strong>232</strong><br />
nickte dem Zwergenherrn zu. „Mit Eurer<br />
Erlaubnis lasse ich Euch mit meinem Sohn<br />
allein. Ich würde gern einige Gäste begrüßen.“<br />
„Hohe Frau.“ Orm verbeugte sich. „Es<br />
wäre mir eine Freude, Eurem Sohn Gesellschaft<br />
leisten zu dürfen.“<br />
Griseldis vermochte nicht zu sagen,<br />
warum, doch sie spürte, daß dieser Zwergenmann<br />
frei von Arglist war. Sie wußte,<br />
was die Edlen über Zwerge sagten, und oft<br />
genug hatte sie die Händler über die Unterirdischen<br />
schimpfen gehört, doch dieser hier<br />
schien ihr nicht in dieses Bild zu passen.<br />
Sie verbeugte sich ebenfalls und trat in die<br />
Menge. Daß sie keine Freunde in Taufers<br />
habe, hatte Eginhard gesagt und diese einfache<br />
Erkenntnis hatte sie getroffen. Wenn sie<br />
es recht bedachte, hatte sie in ganz Calan<br />
keinen Freund. Das wollte sie ändern.<br />
Langsam bewegte sie sich von einem<br />
Tisch zum nächsten. Angemessen traurig<br />
empfing sie die höfliche Anteilnahme der<br />
Gäste, wechselte hier und da ein paar Worte<br />
und näherte sich doch zielstrebig dem anderen<br />
Ende der herrschaftlichen Tafel, wo<br />
etwas abseits, wie es schien, weil niemand<br />
schwatzend dort stehenblieb, der Herzog mit<br />
seinem Gefolge saß. Schließlich war sie so<br />
nahegekommen, daß er sie wahrnehmen<br />
mußte. Ein kahlköpfiger, bulliger Ritter in<br />
Blau sagte etwas in des Herzogs Ohr, er<br />
wandte den Kopf und sah sie an. Griseldis<br />
deutete eine Verbeugung an. Der Herzog<br />
erhob sich.<br />
„Herrin.“ Mit der Hand wies er auf einen<br />
freien Platz zu seiner Rechten. „Erweist mir<br />
die Ehre und setzt Euch zu uns.“<br />
Griseldis nahm an, dankbar, daß er die<br />
Beileidsbekundung vom Tag zuvor, als sie<br />
sich auf dem zugigen Gipfel zuerst begegnet<br />
waren, nicht wiederholte. Sie wußte, daß<br />
Starkhand von Calan ihres Mannes Feind<br />
gewesen war, sie hatte auch gelernt, daß<br />
Lorenz ihm nie verziehen hatte, weil die<br />
Liebe seiner Jugend als Gattin seines Rivalen<br />
jung verstorben war. Es hatte sie unsäglich<br />
angewidert, daß dieser grimmig dreinblik-<br />
Die Erben des Krieges<br />
kende Mann mit dem mürrischen Zug um<br />
den Mund sich zwang, ihr sein Bedauern auszusprechen<br />
über den Verlust, den sie erlitten<br />
hatte. Daß er sich zwang, unredlich zu sein.<br />
„Darf ich Euch meine Begleiter vorstellen,<br />
Herrin? Mein Friedensmann und Herold,<br />
Hentze Blader zu Loon …“<br />
Der Ritter in Blau zu seiner Linken verneigte<br />
sich knapp.<br />
„Der Ritter dort ist Finail von Schnals zu<br />
Pfossen.“<br />
Griseldis mochte das Lächeln in dem<br />
offenen Gesicht des Laighinn, in dessen<br />
dunklen Locken sich erstes Grau zeigte.<br />
„Den Mallgrafen Pirmin werdet Ihr sicher<br />
kennen …“<br />
„Hohe Frau …“ Sie nickten sich zu.<br />
Diese und ein Zug der Ritter in Grün und<br />
Silber waren das kleinste Aufgebot, daß der<br />
Herzog entbieten konnte, ohne gegen die<br />
guten Sitten zu verstoßen. Niemand hatte bei<br />
der Bestattung ein Wort darüber verloren,<br />
daß die Chauda-Gemeinden keinen ihrer<br />
Ältesten entsandt hatten, auch die Abwesenheit<br />
der Cladhinnbarone hatte niemanden<br />
verwundert – Griseldis wußte genug über<br />
den schlechten Leumund der Tauferer, um<br />
das zu verstehen.<br />
„Wie kann Euch dienen, Herrin?“<br />
Höflich bist du, dachte Griseldis, mag<br />
Brun in dir auch einen finsteren Teufel<br />
sehen.<br />
„Meines Sohnes wegen komme ich zu<br />
Euch, Euer Hoheit. Nun, da ihm der Vater<br />
genommen wurde, wird er den Ernst des<br />
Lebens rascher zu spüren bekommen, als mir<br />
lieb ist.“ Als wenn Walthars Leben unter<br />
diesem Vater nicht schon schlimm genug<br />
gewesen wäre, dachte sie. „Ihm bleibt nur<br />
wenig Zeit, bis daß er die Bürde seines Erbes<br />
übernehmen muß, und es gibt noch so viel<br />
zu lernen.“<br />
Starkhand sah sie aufmerksam an; sie<br />
suchte in seinem Blick nach einer freundlichen<br />
Regung, doch für den Augenblick war<br />
da nichts als angespannte Wachsamkeit. In<br />
seinen dunklen Gewändern glich er mehr der<br />
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