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Steinkreis 232 - Tir Thuatha

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<strong>Steinkreis</strong> <strong>232</strong><br />

erwiesen. Und von Berg zu Berg erschallten<br />

die großen Alphörner, die denen im Tal<br />

bedeuteten: Die Seele unseres Herrn ist auf<br />

dem Weg zu ihrem Schöpfer! Lorenz von<br />

Taufers ist heimgegangen!<br />

Griseldis aber lächelte unter dem Schleier:<br />

Brenne, Lorenz! dachte sie. Wenn du brennst,<br />

wirst du nie mehr zurückkehren. Und sie legte<br />

den Arm um Walthar und drückte ihn fest<br />

an sich.<br />

„Alles wird gut, mein Schatz. Hörst du?“<br />

„Ja, Mutter, alles wird gut.“<br />

Der Tag des Leichenschmauses begann<br />

für Griseldis mit einem unerfreulichen<br />

Besuch. Sie hatte auf ein wenig Ruhe<br />

gehofft an diesem regnerischen Vormittag,<br />

um sich zu wappnen für die unangenehme<br />

Pflicht des Totengedenkens, zu dem alles<br />

geladen war, was Rang und Namen hatte in<br />

den Tälern am Frühlingspfad. Taufers lag in<br />

nassen Wolken, wie eine Decke dämpften sie<br />

die geschäftigen Geräusche rund um das<br />

Schloß. Griseldis genoß den Gedanken, daß<br />

Lorenz’ Asche schon seit dem Morgen vom<br />

Regen weggespült wurde, daß nichts blieb<br />

von ihm als eine graue Pfütze, daß man ihn<br />

mit Kellen in ein Tongefäß schöpfen mußte,<br />

das man bestatten konnte.<br />

Mitten in diese Gedanken drängte sich<br />

ihre Kammerfrau, die mit ihr in die Berge<br />

gekommen war, die einzige Erinnerung an<br />

ihre Heimat.<br />

„Herrin, es ist Vater Eginhard. Er wünscht<br />

mit Euch zu sprechen.“<br />

Griseldis sah an sich herunter. Sie war<br />

schon wieder in das Schwarz der Trauernden<br />

gehüllt. Das würde für ein Jahr ihr ganzer<br />

Schmuck sein – so hielten sie es hier. Das<br />

würde dem Verkünder in seinem Grau wohlgefällig<br />

erscheinen.<br />

„Bitte ihn herein, meine Liebe. Und bring<br />

mir eine warme Milch, sei so gut. Nach der<br />

kalten Nacht habe ich so ein Kratzen im<br />

Hals …“<br />

Die Kammerfrau verließ das Gemach und<br />

ließ den Verkünder ein. Eginhard war von<br />

20<br />

Die Erben des Krieges<br />

untersetzter Gestalt, kräftig an Schultern und<br />

Armen, mit einem kleinen Bauch, den sein<br />

ärmliches Gewand kaum ahnen ließ. Ein<br />

nachgeborener Sohn, von Brun in die Schule<br />

der Verkünder gegeben, damit er aus dem<br />

Weg sei, aber auch, um dafür zu sorgen, daß<br />

Taufers in Katz eine Stimme habe. Griseldis<br />

wußte, daß das gelungen war: als Landmeister<br />

gehörte Eginhard zum führenden Kreis<br />

des Ordens und natürlich wurde erwartet,<br />

daß er das Amt des Hochmeisters anstrebte.<br />

Seine Züge fand sie streng, aber nicht hart,<br />

eine unbestimmte Traurigkeit lag in seinen<br />

grauen Augen; das kurzgeschorene Haar gab<br />

ihm etwas Duldsames.<br />

„Schwägerin, wie geht es Euch heute?“<br />

„Es ist ein langsames Erwachen, Vater. Ich<br />

versuche mir auszumalen, wie das Leben ohne<br />

den geliebten Gatten wohl sein wird …“<br />

Eginhard runzelte kurz die Stirn und<br />

winkte ab.<br />

„Laßt das. Ihr redet von meinem Bruder,<br />

ich kannte ihn so viel länger als Ihr.“ Er versuchte<br />

ein Lächeln. „Ich bin nicht gekommen,<br />

um Euch auf die Probe zu stellen. Nein,<br />

ich sorge mich um meinen Neffen. Und um<br />

Euch.“<br />

„Wie das? Wir sind im Kreise der Familie<br />

…“ Nun war sie hellwach. Tief in ihrem<br />

Inneren hatte sie befürchtet, daß der Wind<br />

rauher werden würde, der ihr entgegenblies.<br />

Daß der Tanz gleich nach der Bestattung<br />

beginnen würde, das traf sie unvorbereitet.<br />

„Der Vater wird heute verkünden, wie er<br />

die Nachfolge des Hauses Taufers zu regeln<br />

gedenkt.“<br />

Als Eginhard die Bestürzung in ihrem<br />

Gesicht sah, hob er beschwichtigend die<br />

Hände. „Ich will Euch nicht ängstigen. Im<br />

Beisein der Herrschaft wird nichts Unrechtes<br />

verkündet werden. Dem Knaben Walthar<br />

wird jemand an die Seite gestellt, der die<br />

Ämter führt, bis daß er mündig ist …“<br />

„Aber ich bin der Vormund meines Sohnes!“<br />

begehrte Griseldis auf.<br />

„Und so wird es auch bleiben. Doch das<br />

Grafenamt wird man Euch nicht in die

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