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London Calling - Gymnasium Essen Werden

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<strong>London</strong> <strong>Calling</strong><br />

<strong>Werden</strong>er Gymnasiasten erkunden die britische Hauptstadt<br />

Bereits der britische Schriftsteller Samuel Johnson sagte: „When a man is tired of<br />

<strong>London</strong>, he is tired of life.” Frei übersetzt: Wenn man <strong>London</strong> überdrüssig ist, so ist<br />

man des Lebens überdrüssig. Diese Aussage aus dem Jahr 1777 stimmt auch über<br />

zweihundert Jahre später noch, wie nun 64 <strong>Werden</strong>er Schüler auf ihrer Studienfahrt<br />

in die Stadt an der Themse feststellen konnten.<br />

Die Studienfahrten der Abiturienten sind fester Bestandteil der Oberstufe des Gym-<br />

nasiums <strong>Essen</strong>-<strong>Werden</strong>. Während andere Schulen diese Fahrten abgeschafft ha-<br />

ben, finden sie am <strong>Werden</strong>er <strong>Gymnasium</strong> weiterhin jährlich statt. Die Fahrten wer-<br />

den von Lehrern geplant, organisiert und durchgeführt und haben einen deutlichen<br />

Bezug zum Unterrichtsfach. Sie werden im Unterricht und an einem Projekttag durch<br />

Referate der Schüler vorbereitet.<br />

Am frühen Montagmorgen trafen sich die Englisch- und Kunstleistungskurse mit drei<br />

Lehrern, um mit Bus und Fähre nach Großbritannien überzusetzen. In <strong>London</strong> ange-<br />

kommen wurden die Zimmer bezogen und dann ging es direkt in das Herz der Met-<br />

ropole. Selbst der Streik der <strong>London</strong>er U-Bahn am Montag hielt die <strong>Werden</strong>er nicht<br />

auf. Dank der guten Ortskenntnis des Englischlehrers Karsten Brill erreichte die<br />

Gruppe das Zentrum ohne Probleme mit Vorortszügen. Nach einer kurzen Tour über<br />

den Trafalgar Square und den Leicester Square wurden die Schüler am Piccadilly<br />

Circus in Kleingruppen entlassen, um sich eigenes Bild von der Großstadt zu ma-<br />

chen. Die Besichtigung wurde am folgenden Tag mit einer Bustour vorbei an allen<br />

großen Sehenswürdigkeiten <strong>London</strong>s fortgesetzt. Im weiteren Verlauf der Studien-<br />

fahrt trennten sich die Wege der Englisch- und Kunstleistungskurse.<br />

Die Anglisten erkundeten sowohl historische als auch moderne Seiten der britischen<br />

Hauptstadt. Der erste Stopp war das Globe Theatre am Ufer der Themse, in dem<br />

Shakespeare viele seiner Stücke aufführte. Der Englischleistungskurs hatte im Un-<br />

terricht zuvor Shakespeares Theater und seine Komödie Much Ado About Nothing<br />

behandelt. Bei einer Führung durch das Theater entdeckten die Schüler viele Aspek-<br />

te wieder, die zuvor nur theoretisch anhand von Bildern und Filmausschnitten be-<br />

trachtet wurden. „Alles in Wirklichkeit zu sehen, auch wenn es nur nachgebaut ist,<br />

vermittelt einen tiefen Eindruck“, erläutert Englischlehrer Karsten Brill. Die Führerin<br />

zeigte sich dann auch beeindruckt über das Wissen der Schüler über die elisabetha-<br />

nische Zeit.


Eine weitere Sehenswürdigkeit war die British Library, die Bücherei des britischen<br />

Volkes. Dort findet sich nicht nur eine Kopie von jedem Buch, das jemals im Verei-<br />

nigten Königreich veröffentlicht wurde, insgesamt inzwischen mehr als 140 Millionen<br />

Exemplare. Darüber hinaus können auch seltene Originale und Erstausgaben be-<br />

sichtigt werden. Genau diese Tour erhielten die <strong>Werden</strong>er Schüler und sahen eine<br />

der ältesten Ausgaben der Bibel, ein Original der Magna Carta, Notizen von Jane<br />

Austen, Charlotte Brontë, Beethoven, Händel und den Beatles sowie eine Erstaus-<br />

gabe des First Folio von William Shakespeare.<br />

Über diese Raritäten hinaus stellte Jahrgangsstufenleiterin Ursula Tebart eine weite-<br />

re Besonderheit fest. „Die Aussicht auf eine Führung einer weiteren Gruppe von<br />

nichtmuttersprachlichen Jugendlichen, die von ihren Lehrern zur Tour verdonnert<br />

wurden, schien dem Tourführer zunächst sichtlich schlechte Laune zu bereiten.“<br />

Nachdem die <strong>Werden</strong>er Schüler die ersten Fragen stellten, änderte sich das Verhal-<br />

ten jedoch schlagartig. Als er merkte, dass die Leistungskursschüler wirkliches Inte-<br />

resse hatten und auch durchaus kritische Fragen stellten und diskutierten, öffnete<br />

der Tourführer sich. Als Ergebnis bestürmten einige Schüler den Mitarbeiter der Bri-<br />

tish Library sogar nach dem Ende der Führung, so dass er sich im Anschluss bei den<br />

Lehrern für die „sehr intensive“ Gruppe bedankte.<br />

Neben Klassikern standen für die <strong>Werden</strong>er auch Errungenschaften des modernen<br />

Britanniens auf dem Plan. Dazu gehörte eine Besichtigung des BBC Television Cent-<br />

re, in dem man das Nachrichtenstudio sah, das das größte seiner Art in der Welt ist.<br />

Es übertrifft selbst CNN um ein Drittel. Außerdem konnten die Schüler in verschie-<br />

dene Filmstudios schauen, in denen Fernsehshows und Sitcoms aufgezeichnet wur-<br />

den. Außerdem wurden die Schüler in die Geheimnisse der Wettervorhersage ein-<br />

geweiht und Schüler André durfte vor einem blue screen das britische Wetter vor-<br />

hersagen. Sie erfuhren zudem, dass eine Wettervorhersage nur £64 kostet, während<br />

die Miete für ein Studio über £40.000 beträgt.<br />

In einem kleinen Studio verlasen anschließend die Schüler Sam und Philip die BBC<br />

Weltnachrichten, während Julia, Anastasia und Vivian an einer Sonderausgabe der<br />

Quizshow The Weakest Link teilnahmen. In einem Umkleideraum erfuhren die Gym-<br />

nasiasten schließlich allerlei saftigen Klatsch, z.B. dass Elton John nur eine Packung<br />

Harrods-Kekse vor seinem Auftritt haben wollte, während James Brown alles von<br />

Kaviar bis Champagner auffahren ließ und Jennifer Lopez‘ Raum extra neu gestri-<br />

chen werden musste. Ein Auftritt Madonnas in den 80ern schoss jedoch den Vogel


ab. Sie forderte einen lebensgroßen Pappausschnitt des damaligen Papstes. Die<br />

BBC kam schließlich auf die Idee, bei Madame Tussauds nachzufragen, da dort jede<br />

Wachsfigur zweimal vorrätig ist. Die Kopie wurde Madonna in die Umkleidekabine<br />

gestellt. Angeblich erschreckte sie sich sehr und hielt die Wachsfigur für den echten<br />

Papst.<br />

Ein weiterer Programmpunkt führte die Schüler aus <strong>Werden</strong> zu einem Theaterbe-<br />

such im <strong>London</strong>er West End. Das erfolgreichste und laut Eigenwerbung beste Musi-<br />

cal der bisherigen Dekade des 21. Jahrhunderts stand auf dem Plan: Billy Elliot.<br />

Drehbuch und Film waren dem Englisch-LK bereits aus dem Unterricht bekannt, so<br />

dass er einige Textstellen sogar mitsprechen konnte. Die Aufführung begeisterte<br />

alle, sei es wegen der Handlung, den Kostümen, der Musik, der Technik oder Tatsa-<br />

che, dass gleichzeitig in <strong>London</strong> mehrere Dutzend solcher hochwertigen Produktio-<br />

nen aufgeführt wurden. Der Kunst-Leistungskurs schloss sich dem Theaterbesuch<br />

an, setzte ansonsten aber seine eigenen Schwerpunkte.<br />

Dabei durchwanderten die Abiturienten ungefähr 2500 Jahre Kunstgeschichte auf<br />

dem Weg durch die <strong>London</strong>er Museen. Im Britischen Museum lernten sie am Bei-<br />

spiel der sogenannten Elgin Marbles, dass „alte“ Kunst auch eine ganz aktuelle poli-<br />

tische Dimension haben kann. So sind die Skulpturen des Parthenon, die Anfang<br />

des 19. Jahrhunderts durch Lord Elgin ins Britische Museum gebracht wurden, seit<br />

vielen Jahren ein Streitpunkt zwischen der griechischen Regierung und den Verant-<br />

wortlichen im Vereinigten Königreich.<br />

In der National Gallery erwartete die Schüler ein alter Bekannter: Hans Holbein, der<br />

Hofmaler Heinrichs des VIII. Er ist ein obligatorisches Thema im nordrhein-<br />

westfälischen Zentralabitur und wurde daher lange im Unterricht besprochen. Bevor<br />

die <strong>Werden</strong>er die Werke endlich im Original sehen konnten, verzögerte eine beson-<br />

dere britische Spezialität den Eintritt in die National Gallery: eine Feuerevakuie-<br />

rungsübung. Pünktlich um 10 Uhr warteten die <strong>Essen</strong>er vor der Eingangspforte, doch<br />

diese wollte sich nicht öffnen. Obwohl die Lehrer die Vorliebe der Briten für Feu-<br />

erübungen frühzeitig angekündigt hatten, wurde selbst Kunstlehrer Ralf Gemein von<br />

dieser Übung zur rush hour überrascht. Die Faszination der Holbein-Originale wur-<br />

de jedoch durch etwas Wartezeit nicht getrübt.<br />

Gut vorbereitet durch Referate und mit Raumplänen ausgestattet erkundete der<br />

Kunst-LK darüber hinaus auch noch die Tate Britain und die Tate Modern, in der die<br />

Vorbereitungen zur neuen Großrauminstallation liefen. Der chinesische Künstler Ai


Weiwei zeigt seit dieser Woche 100 Millionen handgefertigte Sonnenblumenkerne<br />

aus Porzellan, die in der Turbinenhalle ausgestreut werden.<br />

Ganz unermüdliche Schüler nutzen selbst ihre Freizeit für Museumsbesuche und<br />

suchten nach den vielleicht zukünftig berühmten Künstlern in der Saatchi Gallery. Ob<br />

Charles Saatchi, diesem unermüdlichen Galeristen, aber noch einmal der große<br />

Wurf gelingt und die nächste Generation der Young British Artist von Schülergruppen<br />

eines Tages in den beiden Tates betrachtet werden kann, wollten Schüler und Leh-<br />

rer nach Besuch der Galerie jedoch nicht so recht glauben.<br />

Fünf Museen in drei Tagen war sicher ein straffes Programm. Der Kurs startete je-<br />

weils gemeinsam, die Schüler hatten obligatorische Exponate und danach beliebig<br />

Zeit, sich noch weiter in der jeweiligen Ausstellung umzusehen. Nicht schlecht staun-<br />

te Lehrer Ralf Gemein über das Durchhaltevermögen seines Leistungskurses. Gut<br />

zwei Stunden nach Betreten des Museums traf er stets noch Schüler vor den Bildern<br />

und Skulpturen.<br />

Nicht nur die Vielzahl und Vielfalt der Kunstwerke faszinierte dabei die <strong>Essen</strong>er Ju-<br />

gendlichen. Auch die Tatsache, dass alle staatlichen Kunstmuseen in England freien<br />

Eintritt haben (Sonderausstellungen ausgenommen) führte zu Verwunderung. „Wenn<br />

es das in Deutschland gäbe, würde ich sicher öfter ins Museum gehen“, war die ein-<br />

hellige Meinung der Schüler.<br />

Neben den zahlreichen Programmpunkten hatten die Schüler selbstverständlich<br />

auch Freizeit. Diese nutzen sie höchst unterschiedlich. Während einige Gymnasias-<br />

ten obligatorische Shoppingtrips rund um die Oxford Street und das Camden Lock<br />

unternahmen, verbrachten andere mehrere Stunden im Natural History Museum.<br />

Eine Gruppe erkundete die Fußballstadien, z.B. das neue Emirates-Stadion vom FC<br />

Arsenal, während eine andere Gruppe das Haus besichtigte, in dem Händel wohnte.<br />

Die britische Hauptstadt bot für jeden Geschmack etwas.<br />

Als sich die Gruppe am Freitag auf die Rückfahrt nach <strong>Werden</strong> machte, waren dann<br />

auch alle Beteiligten höchst zufrieden. Die Schüler lobten die Ausgewogenheit zwi-<br />

schen Programm und Freizeit und stellten fest, dass <strong>London</strong> eine wirklich sehr faszi-<br />

nierende Stadt sei. Auch die Lehrer waren begeistert, dass das Programm so rei-<br />

bungslos funktionierte und bei den Schülern so gut ankam. Lehrerin Tebart fasste<br />

das Ergebnis kurz vor <strong>Werden</strong> über das Busmikrofon zusammen. Sie habe schon<br />

viele Dutzend Studienfahrten gemacht und dies sei ihre letzte – zugleich aber auch<br />

„die beste, die sie je gemacht habe“.

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