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ZEUS Award 2006 Kategorie 1 - Geschwister-Scholl-Gymnasium

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<strong>Kategorie</strong> 1:<br />

Bester Text/beste Recherche<br />

<strong>ZEUS</strong> <strong>Award</strong> <strong>2006</strong><br />

„Gute Journalisten brauchen einen eigenen Kopf (...), müssen Zusammenhänge erkennen<br />

(...), sollen die Wirklichkeit abbilden.“ (Johannes Rau)<br />

Unter diesem Motto werden in vier <strong>Kategorie</strong>n die jeweils besten Beiträge der diesjährigen<br />

<strong>ZEUS</strong>-Herbstrunde ausgewählt und mit einem Preis, dem <strong>ZEUS</strong> <strong>Award</strong> <strong>2006</strong>, ausgezeichnet.<br />

In der Wettbewerbskategorie 1,<br />

der beste Text/die beste Recherche,<br />

wird das informativste oder spritzigste Interview, der bissigste Kommentar oder die sprachlich<br />

schönste Reportage prämiert: Entscheidend ist die stilistische Qualität des Textes; beurteilt<br />

wird dabei auch, wie nah der Text an der Wirklichkeit liegt oder wie sehr er gegen den<br />

Strich gebürstet ist, wie umfassend und informativ der Text für den Leser aufbereitet wurde –<br />

und ob er auf einem überzeugenden journalistischen Konzept beruht.<br />

1. Bedrohlich (Thema: Jugendliche Gewalt)<br />

Azad Adam, Adnan Özgün, Umut Can; Klasse 9c, Hauptschule Lirich<br />

2. Samiras Angst (Thema: Leben als geduldeter Flüchtling)<br />

Khatera Djaihun; Klasse 8e, Holzkamp-Gesamtschule<br />

3. Mit Grubenlampe und Abendkleid (Thema: Musical „Phantom der Oper“)<br />

Claudia Heß, Hannah Kamps, Tina Schumacher, Marlene Jung;<br />

Klasse 10d, <strong>Gymnasium</strong> Holthausen<br />

4. Das Leben hat sich verändert (Thema: Leben mit behindertem Bruder)<br />

Jil Rotterdam; Klasse 8a, Hellweg Schule (<strong>Gymnasium</strong>)<br />

5. Maurice (15): Ich habe den Krebs besiegt (Thema: Erfahrungsbericht)<br />

Maurice Schaffrin; Klasse 10a, Theodor-Heuss-Realschule<br />

6. Stolz darauf, eine Bauerntochter zu sein (Thema: Leben auf dem Land)<br />

Ina-Sophie Pühl; Klasse 9c, <strong>Geschwister</strong>-<strong>Scholl</strong>-<strong>Gymnasium</strong><br />

7. „Einsätze liegen im eigenen Interesse“ (Thema: NATO-Hauptquartier SHAPE)<br />

Tatjana Richter (Klasse 8b), Julia Spillert (Klasse 8b), Viktoria Hogrefe (Klasse<br />

8c); Wilhelm-Kraft-Gesamtschule<br />

8. Nur eine Jugendherberge hinter geschlossenen Türen?<br />

(Thema: Besuch im Jugendknast)<br />

Kim Löser, Lea Reimann; Klasse FOS 5C, Hönne Berufskolleg<br />

9. Grenzenlose Freiheit über den Wolken (Thema: 1. Fallschirmsprung)<br />

Lea Sauerwald; Klasse 10B2, Hauptschule Winterberg<br />

10. Sirenen und Gebet – Interview mit einer Familie in Israel<br />

(Thema: Krieg in Israel)<br />

David Meier; Klasse 8b, St.-Walburga-Realschule


11. Hier in meiner neuen Familie (Thema: Leben als Adoptivkind)<br />

Nicole Netz; Klasse 8c, Freiherr-vom-Stein-<strong>Gymnasium</strong><br />

<strong>ZEUS</strong> <strong>Award</strong> <strong>2006</strong><br />

12. Always look on the bright side ... (Thema: „Ein verkorkster Tag“)<br />

Laura Pauly, Anna Lena Neidmann; Klasse 9b, Elsa-Brändström-<strong>Gymnasium</strong><br />

13. Gefährliche Ferien (Thema: Krieg im Libanon)<br />

Omar Darwisch, Sarah Kötter, Donja Rezali-Dashtmazar;<br />

Klasse 9b, Gemeinschaftshauptschule Markstraße<br />

14. Was wir gewonnen haben (Thema: Fußball-WM)<br />

Lucas Roesler; Klasse 10d, Suitbertus-<strong>Gymnasium</strong><br />

15. „Die Geister kenne ich persönlich“ (Thema: Leben einer Schausteller-Familie)<br />

Alex Knappik, Nergiz Gök, Lucie Will, Kristina Gansel;<br />

Klasse 8b, Landfermann-<strong>Gymnasium</strong><br />

16. Mein Afghanistan sieht anders aus (Thema: Alltag in Afghanistan)<br />

Kaled Wakili; Fritz-Henßler-Berufskolleg


Bedrohlich<br />

Beitrag 1<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ OBERHAUSEN<br />

Da standen wir am Bahnhof, um eine Umfrage zu machen für die Schule. So was<br />

von langweilig!!!<br />

Zuerst schämten wir uns, andere Leute zu fragen, aber dann trauten wir uns doch -<br />

für eine gute Note. Was man nicht alles macht für die Schule!!!<br />

Als wir einen Jungen fragten, was er von Gewalt hält, sagte er: „Ohne Gewalt kann<br />

man nicht leben, es macht Spaß andere zu schlagen, es ist für mich wie eine Droge”.<br />

Es kam wie gerufen für unsere Reportage, zwei Jungs schlugen sich. Wir schauten<br />

uns um, ob jemand helfen würde, doch niemand rührte sich von der Stelle. Anstatt zu<br />

helfen, schauten alle gespannt zu, was passieren würde. Plötzlich rannte unser Interviewpartner<br />

von gerade auf die beiden Schläger zu. Wir dachten, er würde die beiden<br />

trennen, aber stattdessen schlug er auf einen der beiden ein. Es war sicherlich<br />

sehr schmerzhaft für den Betroffenen. Wir wollten uns nicht einmischen, vielleicht<br />

waren wir zu feige. Die Polizisten suchten später nach den Tätern, aber die waren<br />

schon weg.<br />

Ist das ein Zeichen, dass Jugendlichen gewalttätiger werden?<br />

80% der von uns Befragten sagten: „Wir lösen unsere Probleme mit Gewalt”, nur<br />

20% sagten: „Wir lösen das durch Reden.”<br />

Wie wir beobachteten, erleben Jugendliche schlimmste Gewalt auf dem Weg zur<br />

Schule, in den Pausen, auf dem Heimweg oder am Hauptbahnhof. Aus Angst erpresst,<br />

verprügelt oder bedroht zu werden, machen viele Schüler Umwege, um nicht<br />

am Hauptbahhof aussteigen zu müssen und vermeiden so den Kontakt mit gewalttätigen<br />

Jugendlichen. Wie wir noch beobachteten, bezieht sich die Gewalt nicht nur auf<br />

männliche Jugendliche untereinander oder auf Angriffe gegen Lehrer. Auch die Gewalt<br />

unter Mädchen hat zugenommen.<br />

Azad Adam, Adnan Özgün und Umut Can<br />

Klasse 9c, Hauptschule Lirich


Samiras Angst<br />

Beitrag 2<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ WITTEN<br />

15-Jährige aus Afghanistan ist voll integriert. Als nur geduldeter Flüchtling<br />

muss sie mit ihrer Familie immer mit der Abschiebung rechnen.<br />

Samira lebt als geduldeter Flüchtling in Deutschland. Sie ist fünfzehn Jahre alt,<br />

kommt aus Afghanistan und lebt seit fünf Jahren in Deutschland.<br />

Hier geht sie in die Schule. Sie hat viele deutsche Freunde und spricht sehr gut<br />

Deutsch.<br />

Sie fühlt sich sehr wohl hier, weil ihr Leben viel besser als in ihrer Heimat ist. In Afghanistan<br />

konnte sie nicht in die Schule, denn ihre Familie hatte zu wenig Geld. Außerdem<br />

musste sie eine Burka tragen, das ist ein Umhang, der den ganzen Körper<br />

bedeckt und bei dem man nur durch ein kleines Netz vor den Augen sehen kann.<br />

Samira hat Angst, dass sie mit ihrer Familie abgeschoben wird.<br />

Alle drei Monate wird der Aufenthalt verlängert. Der Gang zu den Behörden ist voller<br />

Furcht, nicht hier bleiben zu dürfen. Es ist schwer, das tägliche Leben zu planen,<br />

wenn man nicht weiß, wie es weiter geht. Die Eltern dürfen nicht arbeiten. Manche<br />

Kinder arbeiten nicht für die Schule, weil sie denken, es lohnt sich nicht, wenn sie<br />

doch wieder gehen müssen.<br />

In ihrem Heimatland wäre sie wieder Analphabetin<br />

Die Familie weiß nicht, ob sie sich Möbel oder Hausrat kaufen soll, da sie nichts mitnehmen<br />

dürfen. Die Angst ist besonders groß, wenn Vertreter von Ämtern kommen,<br />

wenn am nächsten Tag Flugzeuge nach Afghanistan gehen. Oft werden Familien in<br />

den frühen Morgenstunden abgeholt und abgeschoben. Sie können kaum etwas mitnehmen,<br />

weil sie nicht rechtzeitig packen können.<br />

Samira wäre in ihrem Heimatland wieder Analphabetin. Die Familie hätte keine Unterkunft,<br />

die Eltern keine Arbeit, und es gibt keine staatliche Unterstützung. Wahrscheinlich<br />

würde sie trotz ihrer fünfzehn Jahre sofort verheiratet, um sofort versorgt<br />

zu sein.<br />

Samira träumt davon, in Deutschland zu bleiben. Hier ist sie ziemlich sicher vor Gewalt<br />

und Verfolgung. Hier hat sie Freundinnen. Gerne möchte sie ihr Abitur machen<br />

und studieren. Deshalb hofft sie, eine längere Aufenthaltsgenehmigung oder Einbürgerung<br />

zu bekommen, damit sie ihr Leben planen und ohne Angst leben kann.<br />

Khatera Djaihun<br />

Klasse 8e, Holzkamp-Gesamtschule


Mit Grubenlampe und Abendkleid<br />

Beitrag 3<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ HATTINGEN<br />

<strong>ZEUS</strong>-Reporter sahen sich hinter den Kulissen des Musicals „Phantom der Oper”<br />

um und fanden dort Marcus Minini, der zusammen mit acht weiteren Dressern<br />

während der Aufführungen für die Kostüme zuständig ist<br />

Essen. 15.05 Uhr. Durchnässt hetzen wir zur „Stage Door” und betreten den Eingangsbereich<br />

zum Musical „Phantom der Oper”. Schon nach kurzer Zeit empfängt<br />

uns Marcus Minini, der Assistent der Kostümabteilung, und führt uns „on Stage”. Leise<br />

huschen wir über den Hinterbereich der Bühne, auf der gerade von Schauspielern<br />

und Tänzern für den Abend geprobt wird. Staunend betreten wir eine „Black Box”, die<br />

Garderobe auf der Seitenbühne, die schnellen Kostümwechseln und der Lagerung<br />

der Kostüme dient.<br />

Stolz präsentiert uns Marcus die schönsten Stücke, die uns in die Zeit der Renaissance<br />

und des Rokoko entführen. Vom 15 Kilogramm schweren Reifrock über ein<br />

eindrucksvolles Abendkleid bis zum Tutu: Alles wird mit größter Sorgfalt behandelt<br />

und ist bis ins kleinste Detail der Epoche nachempfunden.<br />

„Die dafür nötigen Stoffen werden in London ausgesucht.”<br />

Interessiert folgen wir den Worten Marcus über die Designerin Maria Björnsen und<br />

ihre Arbeit: „Noch heute verfolgt uns die Genauigkeit dieser genialen Frau. Jedes<br />

Kostüm wird, wenn es zu verschlissen ist – manche sind schon 20 Jahre alt – in<br />

kleinster Feinarbeit aufbereitet oder auch neu angefertigt. Hierfür braucht das Theater<br />

die Erlaubnis von Jill Parker, die die Rechte der Kostümvorlagen nach dem Tod<br />

von Maria Björnson übernahm. Die dafür nötigen Stoffe werden eigens in London<br />

ausgesucht.”<br />

Später in der Cafeteria erfahren wir, dass in einem neu angefertigten Kleid zwischen<br />

200 und 300 Arbeitsstunden stecken und es dadurch entsprechend teuer wird.<br />

Das Thema, das uns am meisten interessiert hat, war und ist die Arbeit der neun<br />

Dresser. Diese kommen zwei Stunden vor der Show und bereiten die Kostüme vor:<br />

Sie legen sie auf Stühle und ordnen sie auf den Stangen nach Schauspielern. Während<br />

der Show, in der manche Kostümwechsel innerhalb von sechs, sieben Sekunden<br />

ablaufen, gehen die Dresser auf die Bühne und helfen den Schauspielern bei<br />

dem Wechsel. Sobald die Schauspieler aber mehr Zeit haben, gehen sie in die<br />

„Black Boxes”, in der auf den Stühlen die Kostüme schon im „Pre-Set” bereit liegen.<br />

Das bedeutet, dass die Kostüme so gelegt werden, dass die Darsteller sofort hineinspringen<br />

können.<br />

Da es überall auf der Bühne dunkel sein muss, also auch in den „Black Boxes”, tragen<br />

die Dresser kleine Grubenlampen auf dem Kopf. Weil es 400 Kostüme gibt, haben<br />

die Dresser einen sehr verantwortungsvollen Job. Die kostbaren Kostüme sind<br />

sehr teuer, aber es wird auch eine Menge Geld für die maßgeschneiderten Ballettschuhe,<br />

die wöchentlich gewechselt werden, und die Reinigung der Kostüme ausgegeben.<br />

Claudia Heß, Hannah Kamps, Tina Schumacher und Marlene Jung<br />

Klasse 10d, <strong>Gymnasium</strong> Holthausen


Das Leben hat sich verändert<br />

Beitrag 4<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ WATTENSCHEID<br />

<strong>ZEUS</strong>-Reporterin Jil Rotterdam berichtet über den Alltag mit ihrem behinderten<br />

Bruder. Sie streiten, sie ärgern sich, sie vertragen sich – wie ganz normale <strong>Geschwister</strong><br />

halt.<br />

Es war der siebte September, ich war damals fast 3 Jahre alt, als meine Mutter ins<br />

Krankenhaus eingewiesen wurde. Sie war schwanger, es sollte ein Junge werden, er<br />

heißt Marc. Er kam per Kaiserschnitt zur Welt, der Kaiserschnitt verlief gut, doch am<br />

nächsten morgen fiel den Ärzten auf, dass etwas mit Marcs Herz nicht stimmte. Er<br />

wurde untersucht, die Diagnose: ein Herzfehler.<br />

Marc hatte mehrere Löcher in seinem Herz, er wurde sofort mit einem Hubschrauber<br />

in eine Klinik eingewiesen, die spezialisiert auf Herzfehler war. Zu der Zeit habe ich<br />

meine Eltern kaum noch lachen sehen, sie weinten fast nur noch. Er wurde nun operiert,<br />

die Operation verlief gut, aber es stand bereits eine zweite an, eine zweite, die<br />

zwei Möglichkeiten hatte: Bei der ersten Möglichkeit hätte Marc alle vier Jahr am<br />

Herzen operiert werden müssen, bei der zweiten Möglichkeit wäre er nur einmal operiert<br />

worden, aber es bestand das Risiko, dass er bei dieser Operation sterben<br />

könnte. Meine Eltern wollten nicht, dass sich Marcs Leben zum größten Teil auf dem<br />

OP-Tisch abspielte, denn das wäre kein schönes Leben gewesen. Deshalb entschieden<br />

sie sich also für die risikoreichere Variante.<br />

Es war eine lange OP, eine OP, die für meine Eltern überhaupt nicht enden wollte,<br />

die Ärzte kämpften stundenlang um das Leben meine Bruders. Doch dann hörte das<br />

Herz meines Bruders auf zu schlagen. Er war tot. Sie versuchten ihn wieder zu beleben<br />

und es gelang. Mein Bruder fiel ins Koma und die Ärzte führten die Operation zu<br />

Ende. Er kam mit einer geistigen Behinderung und einer Halbseitenlähmung davon,<br />

die sich auf der rechten Seite befand.<br />

Er lag mehrere Wochen im Koma, bis er aufwachte. Er saß im Rollstuhl und konnte<br />

endlich nach Hause. Meine Eltern mussten einen Kurs machen, in dem sie lernten,<br />

wie man einen Menschen reanimiert, nur für den Notfall. Marc krampfte immer wieder,<br />

deswegen war er immer an Geräten angeschlossen, die Alarm schlugen, wenn<br />

etwas nicht stimmte. Mittlerweile braucht er diese Geräte nicht mehr, er ist außer Lebensgefahr.<br />

Er lernt immer mehr dazu, er spricht immer besser und kann alleine mit<br />

seinem Computer umgehen, er isst alleine (bis auf Suppe), aber er kann sich kein<br />

Essen selber machen. Er geht reiten und geht regelmäßig zur Gymnastik und er<br />

macht sogar Musik.<br />

Viele Menschen sagen, ein Leben mit einem behinderten Menschen ist kein schönes<br />

Leben, dabei wissen sie gar nicht wie es ist, einen behinderten Bruder oder<br />

Schwester zu haben. Natürlich hat sich in meinem Leben von da an geändert, aber<br />

nicht unbedingt zum Negativen. Für mich ist mein Bruder Marc wie jedes <strong>Geschwister</strong>kind<br />

auch, er ärgert mich, ich ärgere ihn, wir streiten uns und irgendwann vertragen<br />

wir uns wieder. Ein Leben mit einem behinderten Menschen ist kein schlimmes<br />

Leben, es ist ein schönes Leben, indem man lernt, mit anderen Leuten besser umzugehen.<br />

Jil Rotterdam<br />

Klasse 8a, Hellweg Schule (<strong>Gymnasium</strong>)


Maurice (15): Ich habe den Krebs besiegt<br />

Beitrag 5<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WR DORTMUND<br />

"Wie ist das möglich? - Das kann einfach nicht stimmen. - Ich bin doch erst 14 Jahre<br />

alt - da hat man doch keinen Krebs - ich doch nicht!" So waren meine ersten Gedanken,<br />

als ich von meiner Krankheit durch meine Eltern erfuhr, denn die Ausführungen<br />

des Arztes hatte ich gar nicht verstanden. Das war am 30. Januar <strong>2006</strong>, da stand es<br />

eindeutig fest, dass ich Schilddrüsenkrebs hatte. Meine Eltern, meine Schwester,<br />

meine Verwandten, alle Bekannten und Nachbarn waren geschockt und sehr traurig,<br />

als dieser Befund bekannt wurde.<br />

Es fing alles am 16. Januar ganz harmlos an, als ich mit meiner Mutter zum Hals-<br />

Nasen-Ohrenarzt ging, weil ich schmerzhafte Beulen im linken Halsbereich hatte. Der<br />

Arzt hatte den Verdacht auf eine Halszyste. Am 18. Januar ging ich in die Radiologie<br />

zur Computer-Tomografie. Auch mit diesen Bildern konnte der Arzt nichts anfangen.<br />

Dann musste ich am 19. Januar in die HNO-Ambulanz im Städtischen Klinikum<br />

Dortmund. Dort hat sich der Verdacht auf eine Halszyste nicht bestätigt, und es wurde<br />

beschlossen, dass ich ins Klinikum kommen muss, um eine Probe entnehmen zu<br />

lassen. Am 24. Januar kam ich dann ins Klinikum und wurde am 25. Januar operiert.<br />

Ich kam dann von der HNO-Kinderstation auf die Chirurgie und wurde am 3. Februar<br />

von 8 Uhr bis 20 Uhr nochmals operiert. Als meine Eltern mich an diesem Tag um 22<br />

Uhr auf der Intensivstation besuchten, war meine Mutter so geschockt, dass sie einen<br />

Kreislaufzusammenbruch bekam, als mein Vater mir gerade etwas zu trinken<br />

geben wollte.<br />

Nach drei Tabletten: Ich musste mich dauernd übergeben<br />

Mir ging es nach der 12-stündigen Operation sehr schlecht, ich konnte kaum liegen.<br />

Da mein ganzer Hintern und mein Hinterkopf eine riesige Prellung waren und später<br />

der Hintern dann ganz blau wurde. Am Hinterkopf sind mir auf einem Streifen von 1<br />

cm Breite und 10 cm Länge die Haare ausgefallen. Am 11. Februar wurde ich aus<br />

dem Klinikum entlassen. Zwar war ich darüber sehr glücklich, aber das war noch<br />

nicht alles. Vom 28. Februar bis 6. März musste ich dann für eine Voruntersuchung<br />

für die Radiojodtheraphie in die Uniklinik in Essen. Bei meinem Vater kam jetzt die<br />

ganze Anspannung zum Vorschein, er wurde am 28. Februar mit Verdacht auf einen<br />

Herzinfarkt per Rettungswagen ins Städtische Klinikum Dortmund gebracht. Ich fühlte<br />

mich schlecht, denn jetzt hatte ich auch noch große Angst um meinen Vater, keiner<br />

konnte genau sagen, was mit ihm war. Jetzt konnte ich nur mit meiner Mutter ins Klinikum<br />

Essen fahren, obwohl ich mit beiden Eltern eigentlich dorthin fahren wollte. In<br />

der Uniklinik Essen musste ich auf viele Geräte wie beispielsweise das PET und das<br />

PET - CT und an ein Gerät, das sich Orbiter nennt und an ein Gerät, das den Jodgehalt<br />

in meinem Körper misst. Am 8. März musste ich dann zur Radiojodtherapie<br />

nochmal in die Uniklinik Essen. Meine Eltern durften bis 15 Uhr bei mir bleiben,<br />

mussten dann aber gehen, weil ich die Tabletten einnehmen musste. Es waren drei<br />

Tabletten und nach der Einnahme ging es mir schlecht, ich musste mich dauernd<br />

übergeben. Auch war ich sehr traurig, weil ich jetzt für drei Tage keinen Besuch bekommen<br />

durfte, da ich nach der Einnahme der Tabletten unter Quarantäne stand. Als<br />

ich dann endlich am 11. März aus der Uniklinik Essen raus war, war ich sehr glück-


Beitrag 5<br />

lich. Ich ging wieder in die Schule und fühlte mich sehr wohl. Nie hätte ich gedacht,<br />

dass ich so gerne zur Schule gehen würde. Am 17. Juli war ich nochmal zu einer<br />

Voruntersuchung im Uniklinikum Essen, für die zweite Stufe der Radiojodtherapie.<br />

Da musste ich eine Nacht bleiben und durfte dann nach Hause. Plötzlich klingelte<br />

das Handy meiner Mutter, es war der Arzt. Er teilte uns mit, dass ich nicht zur zweiten<br />

Radiojodtherapie kommen müsste. Meine Eltern und ich freuten sich sehr, als wir<br />

diese Nachricht hörten. Nun warte ich voller Spannung, was die nächste Untersuchung<br />

im Dezember bringen wird. Ich hoffe, dass es weiter so gut für mich läuft, und<br />

ich nie wieder für drei Tage allein im Krankenhaus sein muss. Ich freue mich, dass es<br />

mir so gut geht.<br />

Maurice Schaffrin<br />

Klasse 10a, Theodor-Heuss-Realschule


Beitrag 6<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WR LÜDENSCHEID<br />

Ein Landwirtskind lernt viel über die Natur - Eltern sind immer auf dem Hof erreichbar<br />

Stolz darauf, eine Bauerntochter zu sein<br />

Lüdenscheid. Für viele Leute ist es heute am Sonntagnachmittag ein Vergnügen<br />

aufs Land zu fahren. Bauernhofcafe´s und Märkte laden dazu ein. Der Einkauf<br />

im Hofladen ist ein Muss. Es gibt kaum eine Wochenendausgabe der Zeitung,<br />

in der nicht eine Auswahl von Aktivitäten und ländlichen Ausflugszielen<br />

angepriesen wird.<br />

Ich bin 14 Jahre und lebe auf dem Land - auf einem Bauernhof. Ich bin eine Bauerntochter.<br />

Ist das ein Privileg oder ein Nachteil in meinem Leben? Dieses Thema<br />

stellte sich die ersten 10 Jahre meines Lebens nicht. Meine Eltern waren zu Hause.<br />

Jeden Morgen gemeinsames Frühstück. Aufwachsen mit vielen Tieren wie Kühen,<br />

Kälbchen, Hunden und Katzen. Ich konnte Hundebabys, kleine Katzen, Meerschweinchenkinder<br />

und Kaninchen umsorgen.<br />

Mit 5 Jahren bekam ich zwei Ponys. Einige Freunde beneideten mich. Die Spielkameraden<br />

wohnten um die Ecke, und es gibt keinen besseren Spielplatz als einen<br />

Bauernhof. Kein Straßenverkehr, keine Ampeln, keine Zebrastreifen, keine Raser<br />

weit und breit. Man kann jederzeit draußen spielen.<br />

Als Landwirtskind lernt man viel über die Natur und den Kreislauf der Jahreszeiten.<br />

Ebenso lernt man, dass auch das Leben ein Kreislauf ist. Es werden Tiere geboren<br />

und es kommt vor, dass eines stirbt. Dinge wie Urlaub, Schwimmen, Kino haben<br />

meine Eltern immer möglich gemacht.<br />

Bis zu dem Wechsel auf eine weiterführende Schule in der Stadt hat das Landleben<br />

für mich sicher nur Vorteile gehabt. Ein Nachteil machte sich dann schnell bemerkbar<br />

- die lange Fahrzeit mit dem Bus. Trotz Schulschluss um 13.10 Uhr bin ich erst um<br />

14.25 Uhr zu Hause, nach der 7. Stunde fährt kein Bus mehr und das „Mama-Taxi”<br />

kommt zum Einsatz. Wenn dieses Taxi gut funktioniert, halten sich die fahrtechnischen<br />

Probleme in<br />

Grenzen. Aber auch nur dann!<br />

Vor dem Schulwechsel bekam ich den gut gemeinten Ratschlag von Bekannten: „Erzähle<br />

nicht sofort, dass du vom Bauernhof kommst. Viele Leute haben doch noch<br />

Vorurteile. Du willst doch nicht, dass deine Mitschüler sagen, dass du nach Stall<br />

riechst.” Für mich war dieses Thema allerdings schon nach 2 Minuten erledigt. Die<br />

Englischlehrerin fragte, wer die meisten Tiere hätte. Das war ich. Meine Klassenkameraden<br />

reagierten alle interessiert und positiv. Niemand hat mich je Bauerntrampel<br />

genannt oder Witze auf meine Kosten gemacht.<br />

Meine Mutter erzählte mir, dass das vor 30 Jahren noch anders war. Als sie einen<br />

lateinischen Satz nicht übersetzen konnte, sagte der Lehrer zu ihr : „Das kann doch<br />

sogar der dümmste Bauer.” Meine Mutter verließ den Unterricht. Sie ist auch eine<br />

Bauerntochter.<br />

Ein Vorteil ist die ständige Erreichbarkeit meiner Eltern. Egal ob es ein Problem, eine<br />

Frage oder eine „Taxifahrt” gibt, sie sind fast immer in der Nähe erreichbar. Manche<br />

Kinder wissen gar nicht, was ihre Eltern am Arbeitsplatz machen.


Beitrag 6<br />

Obwohl ich stolz bin, eine Bauerntochter zu sein, ist diese Berufsgruppe immer noch<br />

mit Vorurteilen belastet. Fernsehsendungen wie „Bauer sucht Frau” dienen nicht dazu,<br />

das Bild der Landwirtschaft in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Die jungen<br />

Landwirte von heute haben nicht alle rote Gesichter, grüne Klamotten und Gummistiefel<br />

an. Sie unterscheiden sich nicht von Gleichaltrigen anderer Berufsgruppen<br />

und sind deshalb auch nicht Single. Landleben - Stadtleben, alles eine Sache des<br />

Geschmacks und der Anschauung. Manche mögen die Stadt als Wohnort, andere<br />

das Land. Beides hat sicher Vor- und Nachteile, man muss nur das Beste daraus<br />

machen.<br />

HINTERGRUND<br />

366 600 Höfe in Deutschland<br />

• Die Zahl der Bauernhöfe in Deutschland hat in<br />

den vergangenen 15 Jahren deutlich abgenommen.<br />

• Im Jahr 2005 gab es nur noch 366 600 landwirtschaftliche<br />

Betriebe mit über zwei Hektar<br />

Anbaufläche.<br />

• In NRW gibt es rund 150 Bauernhofcafés.<br />

• In der Landwirtschaft beträgt die jährliche Arbeitszeit<br />

für Vollbeschäftigte laut Tarifvertrag<br />

zurzeit 2088 Stunden.<br />

• Selbstständige Landwirte arbeiten noch mehr<br />

Stunden.<br />

Ina-Sophie Pühl<br />

Klasse 9c, <strong>Geschwister</strong>-<strong>Scholl</strong>-<strong>Gymnasium</strong>


Beitrag 6<br />

Romantisch stellen sich viele Menschen das Leben auf dem Bauernhof vor. Doch es<br />

ist noch immer mit vielen Vorurteilen belastet. (WR-Bild: Barbara Schwetz-Schäfer)


Beitrag 7<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WR ENNEPE-SÜD-KREIS<br />

<strong>ZEUS</strong>-Gespräch mit dem deutschen Brigadegeneral Bernd Hogrefe aus dem Führungsstab<br />

der NATO<br />

„Einsätze liegen im eigenen Interesse”<br />

Brüssel. Die <strong>ZEUS</strong>-Reporterinnen Tatjana Richter, Julia Spillert und Viktoria Hogrefe<br />

stellen die Arbeit von SHAPE, dem Planungs- und Führungsstab des Obersten Befehlshabers<br />

der NATO, vor. Dafür sprachen sie mit dem deutschen Brigadegeneral<br />

Bernd Hogrefe, der im Hauptquartier in Brüssel arbeitet.<br />

Zeus: Herr General, was ist die Aufgabe von SHAPE?<br />

Bernd Hogrefe: In einer großen Firma würde man SHAPE als die Konzernzentrale<br />

bezeichnen. Der Oberste Befehlshaber, ein amerikanischer Viersterne-General, ist<br />

für die Einsätze von Truppen der NATO in Krisenregionen verantwortlich. Einsätze<br />

finden zur Zeit im Kosovo, im Mittelmeer und in Afghanistan statt, Soldaten der<br />

NATO wirken auch bei der Krisenbewältigung im Sudan und im Irak mit. In SHAPE<br />

laufen alle Informationen zusammen, hier werden unter Führung des Chefs des Stabes,<br />

eines deutschen Viersterne-Generals, die Entscheidungen des Obersten Befehlshabers<br />

vorbereitet und umgesetzt. In SHAPE werden auch die Verteidigungspläne<br />

entworfen für den Fall, dass ein Mitgliedstaat der NATO angegriffen werden<br />

sollte.<br />

Symbolische Schlüsselübergabe durch Brigadegeneral Bernd Hogrefe (links) im<br />

Camp der Bundeswehr in Feyzabad (Afghanistan).<br />

(Zeus-Bild: Redaktion Internet Einsatz Bundeswehr)


Beitrag 7<br />

Welchen Zweck haben die Einsätze?<br />

In manchen Ländern finden schreckliche Dinge statt, die von den zuständigen Regierungen<br />

nicht verhindert werden. Dies sind beispielsweise Massenmorde, Folter und<br />

andere schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, auch die Ausbildung von Terroristen.<br />

Es ist nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, sondern liegt in unserem eigenen<br />

Interesse, in solchen Ländern für Sicherheit zu sorgen. Ohne unsere Soldaten<br />

in Krisenregionen würden die Krisen zu uns kommen. Die Staaten der NATO setzen<br />

auf Bitte der UNO (Vereinte Nationen) in solchen Ländern Truppen ein, die für die<br />

Sicherheit der Menschen eintreten. Viele Nationen versuchen dann zu helfen. Und<br />

die Hilfe wirkt. In Afghanistan können Mädchen erst wieder zur Schule gehen, seitdem<br />

Truppen der NATO im Land sind. Zu denen gehören auch fast 3000 Soldaten<br />

der Bundeswehr. Ob und wie Deutschland sich an einem solchen Einsatz beteiligt,<br />

entscheidet die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundestages. Der Bundesverteidigungsminister<br />

legt fest, welche Truppen dann in den Auslandseinsatz gehen.<br />

Gehen auch Generale in die Einsätze?<br />

Generale sind grundsätzlich in allen Einsätzen dabei. Sie sind dort für die Führung<br />

der Truppen sowie für die Zusammenarbeit mit der Regierung des Einsatzlandes und<br />

mit den Vertretern der UNO zuständig. Während eines Auslandseinsatzes lebt ein<br />

General wie seine Soldaten. Er wohnt in einem Zelt oder in einem Wohncontainer. Im<br />

großen Küchenzelt isst er die gleichen Speisen wie seine Soldaten. Auch ohne Einsatz<br />

ist das Leben eines Generals etwas anders als das Leben der meisten zivilen<br />

Bürger. Zum Beispiel gehört dazu, alle drei bis vier Jahre den Stützpunkt und damit<br />

die Umgebung zu wechseln. Dies ist keine so schöne Angelegenheit, denn man<br />

muss Freunde und Bekannte zurücklassen. Aber es ist immer wieder spannend.<br />

Wie empfinden Sie eigentlich das Leben in SHAPE?<br />

Hier leben und arbeiten Menschen aus den 26 NATO-Mitgliedstaaten und aus 16<br />

weiteren Nationen zusammen. Alle bringen ihre Kultur, ihre Lebensweise, ihre Lieblingsspeisen<br />

und ihre bevorzugten Sportarten mit. Dadurch ist das Leben hochinteressant.<br />

Das gilt nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für die Kinder, die hier<br />

auf die Internationale SHAPE-Schule gehen.<br />

Was sagen Sie zu den aktuellen Problemen im Libanon?<br />

Aus dem Libanon heraus greifen Gewalttäter ein Nachbarland an. Die libanesische<br />

Regierung kann das nicht verhindern. Das angegriffene Nachbarland ist militärisch<br />

stark, kann aber die Lage nicht beruhigen. Die Vereinten Nationen haben deshalb<br />

einen Einsatz internationaler Truppen beschlossen. Wenn der Bundestag zustimmt<br />

(Das hat er mittlerweile getan, Anm. der <strong>ZEUS</strong>-Reporterinnen), wird Deutschland<br />

sich mit mehreren Schiffen unserer Marine an dem Einsatz beteiligen. Diese Schiffe<br />

werden verhindern, dass die Gewalttäter auf dem Seeweg Waffen in den Libanon<br />

schmuggeln, mit denen sie das Nachbarland angreifen können.<br />

Was können die Deutschen in SHAPE in diesem Fall tun?<br />

Dieser Einsatz steht nicht unter Führung der NATO. Die Deutschen in SHAPE können<br />

aber helfen, indem sie den Angehörigen der anderen NATO-Nationen den Beitrag<br />

unserer Bundeswehr darstellen und erläutern.


INFO-BOX:<br />

Beitrag 7<br />

Das NATO-Hauptquartier heißt SHAPE<br />

• 26 Staaten Europas und Nordamerikas sind in einer Verteidigungsorganisation<br />

zusammengeschlossen, der NATO (North Atlantic Treaty Organisation).<br />

• Deren militärisches Hauptquartier liegt in Brüssel und heißt auf Englisch „Supreme<br />

Headquarters Allied Powers Europe”, abgekürzt SHAPE.<br />

• Bei SHAPE wirken rund 1 000 Menschen aus allen Mitgliedstaaten des Bündnisses<br />

zusammen, die meisten von ihnen sind Soldaten.<br />

Tatjana Richter (Klasse 8b), Julia Spillert (Klasse 8b), Viktoria Hogrefe (Klasse 8c)<br />

Wilhelm-Kraft-Gesamtschule


Beitrag 8<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WP MENDEN<br />

Nur eine Jugendherberge hinter geschlossenen Türen?<br />

Einblick in die Welt der Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Drüpplingsen<br />

Iserlohn/Drüpplingsen.<br />

Wie sieht es hinter der Mauer wirklich aus? Wir besuchten die Justizvollzugsanstalt in<br />

Drüpplingsen und bekamen ein Einblick in die Welt der Gefangenen.<br />

Durch die freundliche Genehmigung des Anstaltsleiters der JVA Iserlohn wurde es<br />

uns ermöglicht, die 114.628 Quadratmeter große Anstalt zu besichtigen. Dort leben<br />

292 männliche jugendliche Häftlinge im Alter von 14 bis ca. 23 Jahren. Die Delikte,<br />

wegen denen sie einsitzen, gehen von Diebstahl, Betrug, Drogendelikten, Sexualstraftaten<br />

über Totschlag bis hin zu Mord. Somit haben diese jungen Menschen der<br />

Gesellschaft schon sehr viel Schaden zugefügt und durch ihre Taten viel Leid und<br />

Opfer hinterlassen.<br />

Wir wurden von Herr Sördenweber, einem Sozialarbeiter, und dem Justizvollzugsbeamten<br />

Herrn Löser an der Außenpforte empfangen. Sie gaben uns einen Einblick in<br />

das Leben eines Gefangenen.<br />

Der Tagesablauf im Gefängnis ist sehr streng reglementiert. Um 6 Uhr bekommen<br />

die Gefangenen ihr Frühstück auf die acht Quadratmeter große triste, spartanisch<br />

eingerichtete Zelle (Waschgelegenheit, WC , Stuhl,Schrank und Bett) mit Blick durch<br />

ein Stahlgitter mit Aussicht auf den nächsten Zellenblock.<br />

7 Uhr wird zur Arbeit und zur Schule ausgerückt. Die Gefangenen sind zur Arbeit<br />

verpflichtet. Häftlinge, denen noch keine Arbeit zugewiesen werden konnte, müssen<br />

„auf“ ihrer Zelle bleiben.<br />

Von 11.30 bis 12.30 Uhr ist Mittagspause und es wird das Mittagessen auf der Zelle<br />

empfangen. Gegen 15.30 Uhr ist Arbeitsende, 16.30 Uhr Abendessen. Dann haben<br />

die Jugendlichen Freizeit. Obwohl vielfältige Freizeitangebote wie VHS–Kurse, sportliche,<br />

musikalische Aktivitäten oder der Aufenthalt in der neu eingerichteten Lernwerkstatt<br />

„Lichtblick“ angeboten werden, können nicht alle 292 Insassen daran teilnehmen.<br />

Das heißt für die meisten: während der Freizeit Aufenthalt auf der Zelle.<br />

Nachtverschluss ist um 21 Uhr. An den Wochenenden sind wegen Personalmangels<br />

kaum Freizeitaktivitäten möglich, so dass die Gefangenen die meiste Zeit auf ihrer<br />

Zelle verbringen. Die Besuchszeiten sind sehr knapp gehalten. Es darf zweimal im<br />

Monat ein 30minütiger Besuch von Angehörigen empfangen werden.<br />

Der Jugendstrafvollzug stützt sich auf drei wichtige Pfeiler:<br />

1. schulische Ausbildung,<br />

2. berufliche Ausbildung und<br />

3. Sport.<br />

Die Schulische Ausbildung ist erforderlich, um an einer beruflichen Ausbildung im<br />

Bau-, Elektro-, Metall-, Garten - und Landschaftsbau oder im Maler- und Lackierbereich<br />

teilnehmen zu können. Die berufliche Ausbildung dient der Eingliederung in das<br />

Berufsleben nach der Entlassung.<br />

Der Sport soll den Gefangenen die Möglichkeit geben, sich „auszupowern“, Aggressionen<br />

abzubauen und im Mannschaftssport ihr Sozialverhalten zu verbessern.


Beitrag 8<br />

Nun stellt sich für viele die Frage, ob all dies eine Strafe ist oder es eigentlich nur<br />

eine „Jugendherberge hinter geschlossenen Türen“ ist?! Viele Bürger fragen sich,<br />

warum die Straftäter so viele Freizeit-, Bildungs- und Ausbildungsangebote bekommen.<br />

Eigentlich sollten sie doch den ganzen Tag in ihrer Zelle bei Wasser und Brot<br />

leben und komplett von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Doch das Vollzugsziel<br />

ist es, die Gefangenen während des Vollzuges zu befähigen, in Zukunft ein<br />

straffreies Leben in sozialer Verantwortung führen zu können. Dazu ist es notwendig,<br />

die Gefangenen für die Dauer ihrer Haftstrafe zu erziehen, zu begleiten und bestmöglich<br />

auszubilden.<br />

Als wir die JVA betraten und feststellten, dass jede einzelne Tür hinter uns verschlossen<br />

wurde, bekamen wir ein unbeschreiblich beklemmendes Gefühl. Die Insassen<br />

sind komplett von der Außenwelt abgeschottet. Es ist wie eine kleine Gesellschaft<br />

in der Gesellschaft. Sie haben keine Selbstständigkeit mehr, denn für alles<br />

was sie machen oder haben möchten, müssen sie fragen oder einen Antrag stellen.<br />

Wir befragten zum Schluss zwei Häftlinge, die schon ca. drei Jahre sitzen. Sie erzählten<br />

uns, dass sie am Boden zerstört waren, als sie in den Knast eingeliefert wurden.<br />

Am meisten fehlt ihnen die Familie, ihre Freunde und die Freiheit. Beide Insassen<br />

wollen ihr Leben nach dem Gefängnis ändern und ein straffreies Leben führen.<br />

Ob sie es wirklich schaffen, steht in den Sternen, doch für uns steht fest, dass die<br />

Jugendstrafvollzugsanstalt nicht mit einer Jugendherberge zu vergleichen ist. Es wird<br />

ein großer Aufwand um die Resozialisierung der jungen Gefangenen getrieben, obwohl<br />

die meisten von ihnen wieder straffällig werden. Aber sind es diejenigen, die es<br />

schaffen, nicht diesen Aufwand wert?<br />

Kim Löser und Lea Reimann<br />

Klasse FOS 5C, Hönne Berufskolleg


Reportage<br />

Beitrag 9<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WP BRILON / HSK<br />

Grenzenlose Freiheit über den Wolken<br />

Lea berichtet über ihren ersten Fallschirmsprung aus 1200 Metern<br />

Brilon. Nachdem ich letztes Jahr im Mai einen Tandemsprung aus 4000m Höhe gemacht<br />

habe, stand für mich fest, dass ich das Fallschirmspringen auch alleine schaffen<br />

kann. Über das Internet bekam ich die Adresse vom Fallschirmsportclub Sauerland.<br />

Hier werden regelmäßig Kurse in den traditionellen Disziplinen Ziel-, Stil- und Formationsspringen<br />

angeboten. Nach dem erfolgreichen Bestehen sowohl des Einführungs-<br />

als auch des Grundkurses hat man die Möglichkeit, die Springerlizenz zu erwerben.<br />

Theorie und Praxis<br />

Hierfür sind mindestens 31 Sprünge notwendig, in der Regel werden es je nach Talent<br />

etwa 40 bis 60 Sprünge. Des Weiteren muss man 30 Theoriestunden belegen, in<br />

denen die sieben Fächer Aerodynamik, Wetter, Luftrecht, Verhalten in besonderen<br />

Fällen, Freifall, Technik und menschliches Leistungsvermögen behandelt werden.<br />

Nach dem Lizenzerwerb kann man an anderen Sprungplätzen im In- und Ausland<br />

und an Weiterbildungen teilnehmen.<br />

Voraussetzungen für die Teilnahme sind das Mindestalter von 16 Jahren, eine ärztliche<br />

Untersuchung auf Tauglichkeit beim Hausarzt und passables Wetter, was in der<br />

Springersprache "blue skies" heißt.<br />

Sicherheit wird groß geschrieben<br />

Der Einführungskurs dauert zwei Tage. Am Samstag ist immer Theorie und am<br />

Sonntag findet dann der Sprung statt. Der Sprung wird durch diverse Maßnahmen<br />

gesichert. Zum einen die automatische Öffnung des Fallschirms, dann erfolgt eine<br />

Kontrolle vom Boden durch einen Lehrer, der eine Funkverbindung zum Springer hat<br />

und zu guter Letzt gehören zur standardmäßigen Sicherheitsausrüstung natürlich ein<br />

Reservefallschirm und ein Öffnungsautomaten, der "Cypres" heißt.<br />

Nach dem letzten Sicherheitscheck war es dann endlich soweit: Ich durfte meinen<br />

lang ersehnten ersten Sprung zu machen. Nachdem das Flugzeug, eine Cessna<br />

182, für uns startklar war, stiegen mein Absetzer, ein weiterer Springer und ich ein,<br />

wobei gleichzeitig meine Automatikleine eingehängt wurde.<br />

Als wir auf der Absprunghöhe von 1200m angelangt waren, war es endlich so weit.<br />

Mein Absetzer öffnete die Flugzeugtür und orientierte sich nach dem Landeplatz. Wie<br />

vorher am Boden geübt, musste ich aus dem Flugzeug herausklettern und mich auf<br />

das Trittbrett stellen. Mit beiden Armen hielt ich mich nun an der Querstange des<br />

Flügels fest, was bei dem starken Gegenwind gar nicht so leicht war. Nach dem "OK"<br />

meines Absetzers durfte ich endlich abspringen.


Beitrag 9<br />

"Nach einem ,OK' genoss ich die Aussicht und das unbeschreibliche Feeling meines<br />

ersten Sprunges."<br />

Lea nach ihrem ersten Sprung<br />

Jetzt musste ich von 1001 bis 1004 zählen und dann - wie vorher geübt - die Fallschirmkontrolle<br />

durchführen. Der Schirm hat sich perfekt geöffnet und ich genoss<br />

den Ausblick. Nach einigen Sekunden meldete sich mein Lehrer vom Boden, um zu<br />

kontrollieren, ob der Funkkontakt steht.<br />

Nach einem "OK" genoss ich die Aussicht und das unbeschreibliche Feeling meines<br />

ersten Sprunges. In 300m Höhe begann ich mit meinem Landeanflug. Nach Anweisung<br />

meines Lehrers musste ich kurz vor dem Boden auf Kommando "flaren", das<br />

heißt mit beiden Steuerleinen gleichzeitig bremsen, um zu landen. Nach der Landung<br />

wird der Fallschirm zügig zusammengepackt, um die Landebahn schnellstmöglich zu<br />

verlassen. Ich war total happy und wurde von allen beglückwünscht.<br />

Mittlerweile bin ich schon bei den manuellen Sprüngen angelangt, sprich: Ich darf die<br />

Öffnung selbst einleiten, wodurch der Fallschirm geöffnet wird. Ich freue mich auf<br />

jeden weiteren Sprung und hoffe die Lizenz bald zu bekommen. Ich fühle mich dort<br />

pudelwohl! Man bekommt optimale Vorbereitung in einem familiären Umfeld. Sollte<br />

jemand Interesse am Fallschirmspringen haben, stehe ich gerne für weitere Informationen<br />

zur Verfügung. Unser Verein hat auch eine eigene Internetseite: www.skydivesauerland.de.<br />

Hintergrundkasten<br />

Skydiver<br />

Fallschirmspringen ist ein außergewöhnliches Hobby voller Nervenkitzel. Nach 10<br />

Sekunden im Freien Fall erreichst Du deine Endgeschwindigkeit und rast mit einer<br />

180 bis 200 km/h der Erde entgegen. Einführungskurse kosten 160 Euro, eine Ausbildung<br />

zum Lizenzerwerb schlägt mit 550 Euro zu Buche.<br />

Wenn Ihr nun selber Lust auf euren ersten Fallschirmsprung bekommen habt, gibt es<br />

Informationen beim ersten Vorsitzenden der skydiver, Ernst Oertner, Sadowastr. 30<br />

in 42115 Wuppertal, 0202 314589, E-Mail: e.oertner@skydive-sauerland.de.<br />

Lea Sauerwald<br />

Klasse 10B2, Hauptschule Winterberg<br />

Bildzeilen<br />

Bilddzeile1: Lea hat im Fallschirmspringen ihre Leidenschaft gefunden.<br />

Bildzeile 2: Ein tolles Erlebnis: Das Archiv-Foto zeigt einen Fallschirmspringer.<br />

Foto: dpa


Beitrag 10<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WP MESCHEDE /HSK<br />

Sirenen und Gebete<br />

Interview mit einer Familie, die 34 Tage in einem Bunker in Israel ausharrte.<br />

Maalot, Israel. (wp)<br />

Die Familie Gideon und Nelli Bayer leben mit ihren fünf Kindern in Maalot, Israel, einem<br />

Ort, der etwa so groß ist wie die Kernstadt von Meschede. Er liegt nur acht Kilometer<br />

von der libanesischen Grenze entfernt. Für die Familie war daher der Nahostkrieg<br />

immer zum Greifen nah. Fast fünf Wochen lebte sie in einem Schutzraum<br />

unter der Erde. <strong>ZEUS</strong> hat sie nach ihrem Alltag im Bunker befragt.<br />

<strong>ZEUS</strong>: Wie ist das Gefühl, wenn man im Bunker lebt und man nicht weiß, was draußen<br />

passiert?<br />

Nelli Bayer: Es waren gemischte Gefühle. Einerseits fühlten wir uns sicher, weil wir<br />

einen guten Bunker hatten, und auch zuversichtlich, weil wir fest auf Gott vertrauten<br />

und gemeinsam beteten. Aber es gab auch eine große Anspannung bei dem Gedanken:<br />

Wird es uns treffen? Oder: Was hat die Hisbolla wohl noch alles auf Lager?<br />

Nervosität gab es bei uns Erwachsenen und natürlich Ungeduld bei den Kindern, als<br />

der Krieg dann kein Ende nehmen wollte.<br />

<strong>ZEUS</strong>: Wie kamen die Kinder mit der Situation klar?<br />

Nelli Bayer: Glücklicherweise waren unsere zwei größeren Kinder wegen der Sommerferien<br />

in einem Zeltlager im Inneren des Landes. Für die drei kleineren Kinder<br />

war das Leben im Bunker besonders belastend, weil sie die Situation nicht richtig<br />

einordnen konnten. Die Sirenen machten ihnen immer wieder Angst. Allein an einem<br />

einzigen Vormittag heulten sie nacheinander elfmal. Da brauchten die Kleinen viel<br />

Trost und Zuspruch. Unser kleiner Zuriel (5 Jahre) betete oft: „Gott beschütze unser<br />

Land und auch die Menschen im Libanon.”<br />

<strong>ZEUS</strong>: Lief der Alltag geregelt ab, oder gab es viele Probleme?<br />

Nelli Bayer: Ja, der Tag lief sehr geregelt ab. Anders wäre es auch nicht möglich gewesen,<br />

auf engem Raum zusammenzuleben. In einem Gemeinschaftsbunker muss<br />

man sich abstimmen, aufeinander Rücksicht nehmen und einander helfen, sonst<br />

geht es nicht. So hatten wir eine gute Gemeinschaft und Atmosphäre.<br />

<strong>ZEUS</strong>: Gab es Zeiten, zu denen man auf die Straße konnte?<br />

Nelli Bayer: Ja, es gab Stunden, in denen die Bevölkerung raus durfte, um einzukaufen.<br />

Dies wurde durch ein Ding-Dong und eine Lautsprecherdurchsage gemeldet.<br />

Oft waren es nur zwei Stunden.<br />

<strong>ZEUS</strong>: Wie viele Leute lebten mit euch im Bunker?<br />

Nelli Bayer: In unserem Bunker waren wir zusammen 13 Personen, in den Nachbarbunkern<br />

lebten 24 und 35 Personen. Das waren eine ganze Menge Menschen.


Beitrag 10<br />

<strong>ZEUS</strong>: Wie habt ihr für Lebensmittelnachschub gesorgt?<br />

Nelli Bayer: In unseren Bunkern wird ständig für Vorrat gesorgt. Dann gibt es noch<br />

einen Notvorrat mit Fertigprodukten für drei Tage. Wir hatten vor Kriegsbeginn gerade<br />

eine Menge Lebensmittel eingelagert. So hatten wir in dieser Hinsicht keine<br />

Probleme.<br />

<strong>ZEUS</strong>: Wie fühlt ihr euch nach dem Waffenstillstand?<br />

Nelli Bayer: 34 Tage Bunkerzeit: Mit gemischten Gefühlen, aber erleichtert, haben wir<br />

die Zeit danach begonnen, in der Hoffnung, dass sie sich nicht noch einmal wiederholt.<br />

Den Kindern und uns wird dieses Geschehen nicht so schnell aus dem Kopf<br />

gehen. Wir sind alle sehr dankbar für Gottes Schutz und Bewahrung und für den Zusammenhalt<br />

in diesen Wochen.<br />

David Meier<br />

Klasse 8b, St.-Walburga-Realschule<br />

David Meier hat mit Betroffenen des Nahost-Krieges sprechen können, weil die dort<br />

lebende Familie mit seinen verstorbenen Großeltern befreundet war. Er hat die Familie<br />

schon mehrmals in Israel besucht. Das aktuelle Interview hat er telefonisch vereinbart,<br />

über E-Mail hat er sich dann genauer „unterhalten“.


Hier in meiner neuen Familie<br />

Beitrag 11<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ OBERHAUSEN (<strong>ZEUS</strong>)<br />

Was für die einen vielleicht ein neuer oder nicht ganz gebräuchlicher Begriff ist, ist<br />

mein Alltag. Ich bin ein Adoptivkind. Viele meiner Freunde fragen mich, was das überhaupt<br />

ist und wie man sich als Adoptivkind fühlt.<br />

Ein Adoptivkind ist ein Kind wie jedes andere auch. Es lebt nur nicht bei seinen leiblichen<br />

Eltern, was ganz unterschiedliche Gründe haben kann. Einige wurden ihren<br />

Eltern auf Grund schlechter Versorgung weggenommen, damit sie eine Zukunft haben,<br />

in der sie Liebe und Geborgenheit bekommen. Andere Eltern gaben ihre Kinder<br />

ab, weil es für sie zu viel würde mit einem Kind, es sich aber nicht früh genug überlegt<br />

haben. Es gibt natürlich auch noch andere Gründe.<br />

Doch wenn ein Kind eine sozusagen neue Familie gefunden hat, geht es ihm dort<br />

meist viel besser. Dort wird sich um das Kind gekümmert, es ist froh darüber, dort zu<br />

leben. Ich sehe meine Adoptiveltern als meine einzigen richtigen Eltern an, denn Eltern<br />

sind für mich nicht die, die einen gezeugt haben, sondern die, die sich liebevoll<br />

kümmern.<br />

Dennoch hat man es als Adoptivkind nicht immer leicht. Es gibt leider einige, die<br />

mich „Waisenkind“ nennen. Doch ich weiß es besser und störe mich an solchen Bemerkungen<br />

gar nicht mehr. Heute weiß ich, dass die meisten es nur sagen, weil sie<br />

nicht wissen, was ein Adoptivkind ist.<br />

Ich treffe mich manchmal mit meinen leiblichen <strong>Geschwister</strong>n. Auch wenn es ein<br />

seltsames Gefühl war, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, war ich froh, jemanden<br />

zu kennen, dem es genauso geht wie mir. Plötzlich wusste ich nicht mehr,<br />

wo ich hingehör', war ganz durcheinander und brauchte Zeit, um Ruhe zu finden.<br />

Wer denkt, man ginge da einfach hin, rede ein bisschen, und ginge wieder nach<br />

Hause, liegt falsch. Es ist nicht leicht, denn dadurch wird die Vergangenheit wieder<br />

heraufgeholt. Und man stellt sich Fragen wie: „Wer bin ich eigentlich? Wo komme ich<br />

her? Warum lebe ich da nicht?“<br />

Doch dann ist man froh, da zu sein, wo man ist. Und genau das bin ich auch. Ich<br />

wünschte, es ginge allen Kindern so gut wie mir.<br />

Nicole Netz<br />

Klasse 8c, Freiherr-vom-Stein-<strong>Gymnasium</strong>


Always look on the bright side ...<br />

Beitrag 12<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ OBERHAUSEN (<strong>ZEUS</strong>)<br />

Jeder kennt diese Tage, an denen alles schief läuft. Doch kann man überhaupt etwas<br />

dagegen tun? Ich glaube nicht, ich hab mich damit abgefunden, dass ich mich<br />

von einer peinlichen Situation in die nächste stürze.<br />

Manic Monday<br />

Ich hab dummerweise verschlafen. Um 7.30 Uhr wach ich auf, in 15 Minuten kommt<br />

am mein Bus. Ich spring aus dem Bett und tret auf die Legosteine, die mein kleiner<br />

Bruder am Tag zuvor voller Freude in meinem Zimmer verteilt hat. Mit schmerzverzerrtem<br />

Gesicht hopse ich durch mein Zimmer, stoße gegen meinen Schreibtisch<br />

und fall rückwärts über meine Tasche. Die Tränen stehen mir schon in den Augen,<br />

doch für Sentimentalitäten ist jetzt keine Zeit. Ich zieh mich in Rekordzeit um und<br />

schnapp mir noch 'ne Tasse Kaffee, die ich mir zu allem Überfluss auf meine weiße<br />

Lieblingshose kippe. Also: Umziehen. Ich seh auf die Uhr und greif mir aus lauter<br />

Hast die nächstgelegenen Schuhe - Mamas rote Pumps.<br />

Storch auf Stelzen<br />

Sie will noch protestieren, doch da renn ich schon aus dem Haus. Ich sprinte auf den<br />

sech Zentimeter hohen Pfennigabsätzen zum Bus. Dafür, dass ich mir vorkomm wie<br />

ein Storch auf Stelzen, bin ich sogar recht schnell, nur leider zu langsam um den Bus<br />

noch zu kriegen. Also 20 Minuten auf den Nächsten warten. Ich steig ein, setze die<br />

Kopfhörer meines MP3-Players auf. Mein Lieblingslied, mir geht's schon viel besser.<br />

Ich fang an laut mitzusingen. Komisch, alle starren mich an. Zum Glück muss ich<br />

aussteigen.<br />

Tomatenpeinlich<br />

Ich lauf zur Schule und komm gerade noch pünktlich zur zweiten Stunde. Der Lehrer<br />

ist noch nicht da, meine Mitschüler nehmen mich durch den ganzen Lärm überhaupt<br />

nicht wahr. Dies ist mir auch ganz recht. Ich setze mich zu meinen Freundinnen, die<br />

mich darüber ausquetschten, wo ich den die ganze Zeit gewesen bin. Ich erzähle<br />

ihnen von meinen peinlichen Erlebnissen. Plötzlich weist mich eine Freundin darauf<br />

hin, dass ich meine neongelbgestreiften Zehensocken in den offenen, roten Pumps<br />

meiner Mutter trag. Mein Kopf nimmt die Farbe von Tomaten an, ich will nur noch im<br />

Boden versinken.<br />

Strafarbeit<br />

Dafür ist leider keine Zeit, der Lehrer kommt rein. Alle holen ihre Sachen raus, wobei<br />

ich feststell, dass ich meine Schulhefte vergessen hab. Kleinlaut mache ich mich<br />

bemerkbar und berichte meinem Lehrer von dem Missgeschick. Der hat aber 'nen<br />

schlechten Tag und ist eh nicht gut auf mich zu sprechen. Darum lässt er seine ganze<br />

Wut an mir aus. Ich werde ins Klassenbuch eingetragen - da fällt ihm auf, dass ich<br />

die erste Stunde gefehlt hab. Letztendlich brummt er mir einen Sechs-Seiten-Aufsatz<br />

auf.<br />

Watschelnde Ente<br />

Nach dieser Stunde zieh ich erst einmal die Quietsche-Socken aus. Dann eil ich zum<br />

Bioraum in den sechsten Stock. Unterwegs passiert dann, was kommen muss. Der<br />

Pfennigabsatz verabschiedet sich. Jetzt seh ich aus wie eine watschelnde Ente.<br />

Doch es kommt noch schlimmer. Jeder Lehrer hält mir vor, dass ich die erste Stunde


Beitrag 12<br />

gefehlt habe und meine Materialien und somit auch meine Hausaufgaben zu Hause<br />

sind. Das Ergebnis: Fünf weitere Strafarbeiten.<br />

Vollbremsung<br />

Nach Schulschluss fahr ich mit der Aussicht auf einen arbeitsreichen Nachmittag<br />

nach Hause. Im Bus rempel ich drei Leute an und fall bei einer Vollbremsung hin,<br />

genau vor die Füße meines Schwarms. Seine Freunde machen sich lauthals über<br />

mich lustig, doch er lächelt mich nur an und hilft mir wieder auf die Füße. Mit hochrotem<br />

Kopf stotter ich ein „Danke” und verlass so schnell wie möglich den Bus. Ich<br />

könnte heulen, ich muss ein Schluchzen unterdrücken, um eine weitere Blamage zu<br />

verhindern.<br />

Verpasst<br />

Den restlichen Nachmittag verbring ich mit Hausaufgaben in meinem Zimmer. Der<br />

einzige Lichtblick ist meine Lieblingssendung am Abend. Als es endlich soweit ist, ich<br />

mich mit Chips und Cola vor den Fernseher setze, fällt mir auf, dass die Sendung<br />

schon am Abend zuvor gelaufen ist. Verpasst. Niedergeschlagen zieh ich mich zurück<br />

und will nur noch schlafen. Selbst meine Eltern können mich nicht mehr aufheitern.<br />

Mit der Hoffnung auf einen besseren Tag schlaf ich völlig erschöpft ein.<br />

Laura Pauly und Anna Lena Neidmann<br />

Klasse 9b, Elsa-Brändström-<strong>Gymnasium</strong>


Gefährliche Ferien<br />

Beitrag 13<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WAZ BOCHUM (<strong>ZEUS</strong>)<br />

Ein Bochumer Schüler erlebte den Kriegsausbruch in Beirut. Mitschüler interviewen<br />

ihn nach seiner Rückkehr.<br />

Rund 16 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs gab es in Beirut in diesem Sommer<br />

neue Szenen der Zerstörung und des Leids. (Foto: dpa)<br />

Nicht gerade alltägliche Ferien erlebte Omar Darwisch, Schüler der Klasse 9b an der<br />

Hauptschule Markstraße. Was als friedlicher Familienbesuch bei den Großeltern begann,<br />

endete mit Bomben, Trümmern und einer dramatischen Flucht. Omars Familie<br />

stammt aus dem Libanon, seine Großeltern wohnen in einem Vorort von Beirut. Und<br />

gerade als sich der Bochumer an das quirlige und durch unterschiedlichste Kulturen<br />

geprägte Leben in der libanesichen Hauptstadt gewöhnt hatte, wurde auch Beirut<br />

zum Kriegsschauplatz, fielen die ersten Bomben. Seine Mitschülerinnen Sarah Kötter<br />

und Donja Rezali-Dashtmazar fragten Omar Darwisch, wie er Kriegsbeginn und<br />

Flucht erlebte.<br />

Wann und wie hast Du davon gehört, dass der Krieg losging?<br />

Omar: Ich habe im Libanon meine Großeltern besucht. Vier Tage nach meiner Ankunft<br />

hörte ich, dass der Süden des Landes bombardiert wurde. Kurz darauf wurden<br />

auf den Flughafen in Beirut und auf die Brücken rund um die Stadt Bomben geworfen<br />

Wo hast Du dich aufgehalten?<br />

Omar: Ich befand mich im Stadteil Babir, der glücklicherweise nicht bombardiert wurde.<br />

Wo wurde bombardiert? Hast Du es gesehen?<br />

Omar: Viele Viertel Beiruts, zum Beispiel Dahe, wurden heftig attackiert. Ich bin dort<br />

gewesen, es sah furchtbar aus. Viele Häuser waren kaputt, es irrten viele Menschen<br />

durch die Straßen. Sie waren schockiert und nicht mehr ansprechbar. Ich habe eine<br />

Frau gesehen, die schlug sich an den Kopf und weinte: "Meine Tochter, meine<br />

Tochter, alles ist kaputt."<br />

Kannst Du Deine Eindrücke beschreiben, was hast Du gesehen?<br />

Omar: Es gab auch libanesische Zivilisten, die bewaffnet waren und sogar auf Kinder<br />

einschlugen. Eine Frau trug ein in ein Tuch gewickeltes Kind auf dem Arm. Einer dieser<br />

Zivilisten schubste die Frau so, dass der Säugling auf die Straße fiel. Ein anderer<br />

Mann wollte das Kind aufheben, da kam es zu einer Schlägerei. Mein Onkel, mit dem<br />

ich unterwegs war, und ich wurden in die aufgeregte Menge gedrängt.<br />

Wie bist Du und Dein Onkel wieder aus der Menge herausgekommen?<br />

Omar: Wir konnten uns nach hinten durchschlängeln und sind dann ganz schnell<br />

durch kleine Gassen nach Hause gelaufen.


Beitrag 13<br />

Kannst Du erzählen, wie eure Ausreise verlief?<br />

Omar: Zwei Tage nach diesem Vorfall hat mein Onkel über Freunde und Arbeitskollegen<br />

meine Flucht organisiert. Ich musste zu Fuß Beirut verlassen, da alle Brücken<br />

rund um die Stadt zerstört waren. Mit verschiedenen Verkehrsmitteln ging es dann<br />

zur Grenze nach Syrien. Einige Flüchtlinge konnten Hubschrauber nutzen, die von<br />

der Türkei zur Verfügung gestellt wurden. Von Damaskus aus konnte ich dann mit<br />

einem Flüchtlingsflugzeug wieder nach Düsseldorf zurückkommen.<br />

Welche Meinung hast Du zu dem Konflikt?<br />

Omar: Ich habe so viel Elend gesehen. Krieg hat keinen Sinn, die Leute sind völlig<br />

umsonst gestorben.<br />

Omar Darwisch, Sarah Kötter und Donja Rezali-Dashtmazar<br />

Klasse 9b, Gemeinschaftshauptschule Markstraße<br />

Gesund zurück - und viel gefragt:<br />

Omar und die Zeus-Reporterinnen Sarah und Donja beim Interview. (Foto: Zeus)


Was wir gewonnen haben<br />

Beitrag 14<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

NRZ DÜSSELDORF (<strong>ZEUS</strong>)<br />

FUSSBALL-WELTMEISTERSCHAFT. Wie die Titelkämpfe Deutschland verändert<br />

haben. Eine Analyse.<br />

"'54, '74, '90 - <strong>2006</strong>": So sangen die Sportfreunde Stiller hoffnungsvoll, und Millionen<br />

mit ihnen. Nach dem letzten Schlußpfiff der WM war es aber nicht der deutsche Kapitän<br />

Michael Ballack, der die begehrteste Sporttrophäe der Welt in den Berliner<br />

Nachthimmel halten durfte. Es war der Italiener Cannavaro, aber das interessierte an<br />

diesem Abend nur noch die Fußballfans. Für alle anderen in diesem Land war bereits<br />

einen Tag zuvor in Stuttgart eine wunderbare Zeit mit einem noch einmal spektakulären<br />

Spiel der deutschen Nationalmannschaft zu Ende gegangen.<br />

Und die Wochen der WM waren in der Tat eine wunderbare Zeit, denn sie haben in<br />

Deutschland viel mehr bewegt als nur Millionen von Menschen auf dem Weg zu Stadien<br />

und Public-Viewing-Areas. Deutschland wurde Ausrichter eines gigantischen<br />

Sportfestes. Eines Festes, das nicht nur in den offiziellen Bereichen gefeiert wurde,<br />

sondern überall das tägliche Leben bereicherte - am heimischen Grill im Garten ebenso<br />

wie im Biergarten. Und das ein Land nachhaltig veränderte ...<br />

Vor der WM mangelte es nicht an der üblichen Kritik und Skepsis. Die Deutschen<br />

taten sich schwer, wirklich an einen Erfolg ihrer Mannschaft zu glauben, und wie üblich<br />

wurde hauptsächlich eins getan - gezweifelt. Stiftung Warentest bezweifelte die<br />

Sicherheit in den eigens modernisierten Sportstadien, die Verkaufsstrategie der Fifa<br />

bezüglich der heiß begehrten Eintrittskarten gab Anlass zu weitreichender Unzufriedenheit,<br />

das kalte Frühjahrswetter und nicht zuletzt die sportliche Leistung der Gastgeber<br />

in den Spielen im Vorfeld der Weltmeisterschaft ergaben ein typisch deutsches<br />

Bild. Man meckerte. Doch dann begann die WM.<br />

Am 9. Juni standen elf junge Männer im deutschen Nationaltrikot auf dem Rasen der<br />

Münchner Fußballarena und sangen die Nationalhymne. Auf den Rängen ein<br />

schwarz-rot-goldenes Farbenmeer, allerdings damals noch Teil einer sorgsam geplanten<br />

Eröffnungschoreographie.<br />

Wenige Tage und rund 270 Fußballminuten später sangen Millionen Menschen vor<br />

dem Fernseher die Nationalhymne. Plötzlich wurde der Liedtext gesucht - wie ging<br />

die Hymne eigentlich noch mal? Schwarz-rot-gold tauchte überall auf - kleine Flaggen<br />

fürs Auto waren ausverkauft und entwickelten sich zum begehrtesten Objekt des<br />

Sommers. Ungeachtet jeglicher innenpolitischer Diskussionen über Unterschiede bei<br />

Einkommen, Bildungschancen und Krankenversicherung wehten die Fähnchen<br />

plötzlich an allen Autos, von der S-Klasse bis zum Polo. Doch das Phänomen entwickelte<br />

sich weiter. Deutsche Flaggen tauchten überall im Straßenbild auf. Wer bisher<br />

noch an seinem Haus oder in seinem Garten einen Fahnenmast hatte, traute sich<br />

allenfalls zum Schützenfest, diesen, natürlich völlig unpolitisch, zu nutzen. Die Erinnerung<br />

an nationalsozialistische Propagandabeflaggung wog zu schwer.<br />

Anscheinend gelang es jedoch während der Weltmeisterschaft, im Zuge der sportlichen<br />

Begeisterung eine neue, unverkrampfte und ehrliche Begeisterung zu entfachen.<br />

Kannten wir bisher Flaggen an privaten Häusern und Grundstücken vornehmlich<br />

aus den USA oder der Schweiz, so wurden sie plötzlich auch in diesem Land<br />

selbstverständlich.


Beitrag 14<br />

Franz Beckenbauer verkündete noch einmal weise: "So stellt sich der liebe Gott die<br />

Welt vor!", und schon ist die Weltmeisterschaft beendet. Zurück zum gewohnten<br />

Fernsehprogramm, zurück zu den anderen Themen, welche die Welt bewegen.<br />

Back to life - but to which life?<br />

Tatsache ist, dass sich die Einstellung der Deutschen zu ihrem Land geändert hat.<br />

Und dies nachhaltig. So, wie der alte und der neue Nationaltorwart, Oliver Kahn und<br />

Jens Lehmann, ihre Rivalität überwanden und sich kameradschaftlich versöhnten,<br />

haben sich auch die Deutschen mit ihrer nationalen Identität versöhnt. Die deutschen<br />

Flaggen sind noch da. Und das wird nicht hinterfragt, diskutiert oder kritisiert. Sie sind<br />

einfach da, und anscheinend ist es inzwischen ein Stück deutscher Normalität.<br />

Auf die Frage "Sind Sie der Meinung, dass sich die Einstellung der Deutschen zu<br />

ihrem Heimatland seit der WM geändert hat?" antwortete die deutliche Mehrheit sowohl<br />

der befragten Deutschen als auch Ausländer mit einem klaren "Ja!". Erfreulicherweise<br />

bewerteten alle, die diese Meinung vertraten, die neue Einstellung der<br />

Deutschen zu ihrem Land als positiv. Viele Deutsche gaben an, sie seien erst jetzt<br />

"irgendwie stolz, Deutscher zu sein". Endlich würden mit Deutschland auch positive<br />

Attribute verbunden.<br />

Dieses neue Nationalgefühl wurde besonders von allen befragten Ausländern als<br />

gute Einstellung gesehen, eine Spanierin meinte sogar, die Deutschen seien jetzt<br />

lockerer in ihrem Umgang mit anderen, weil sie sich neuerdings selbst mögen würden.<br />

Dem Wunder von Bern ist auf dem Rasen kein Wunder von Berlin gefolgt. Wenn aber<br />

nicht nur innerhalb dieses Landes, sondern auch von unseren Nachbarn diese<br />

neue Identität positiv gesehen wird, dann gibt es Millionen von Gewinnern.<br />

Lucas Roesler<br />

Klasse 10d, Suitbertus-<strong>Gymnasium</strong><br />

Sogar die Torhüter Oliver Kahn und Jens Lehmann (links neben Timo Hildebrand)<br />

hatten sich bei der WM plötzlich lieb. Ganz Deutschland war euphorisiert und elektrisiert<br />

von der Stimmung im eigenen Land. (Foto: dpa)<br />

"Eine neue, unverkrampfte und ehrliche Begeisterung ..."<br />

"So stellt sich der liebe Gott die Welt vor!"<br />

Vor allem während der WM: schwarz-rot-goldene Fahnen an Masten, an Autos...<br />

(Foto: Lucas Roesler)


"Die Geister kenne ich persönlich"<br />

Beitrag 15<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

NRZ DUISBURG (<strong>ZEUS</strong>)<br />

KIRMES. Maria ist elf Jahre alt und lebt in einer Schausteller-Familie. Jede Woche<br />

ist sie woanders. Zeus hat sie interviewt.<br />

Die elfjährige Maria führt ein Leben, das sich manche Kinder nur zu gerne vorstellen.<br />

Ihre Eltern sind Schausteller und besitzen drei Geisterbahnen - eine Holz- und eine<br />

der größten zweistöckigen Geisterbahnen. Sie reist mit ihrer Familie und ihrem Hund<br />

von Kirmes zu Kirmes. Das heißt für sie aber auch, dass sie pro Jahr auf ungefähr<br />

fünfzehn verschiede Schulen gehen muss. Maria beantwortete uns unsere Fragen.<br />

Frage: Habt ihr auf der Kirmes noch mehr Geschäfte?<br />

Maria: Ja, wir haben drei Geisterbahnen, zwei, die wir betreiben. Und noch einen<br />

Stand, wo wir einen Ausschank haben und Kartoffeln verkaufen.<br />

Frage: Mit wie vielen Leuten seid ihr denn im Wagen unterwegs?<br />

Maria: Wir fahren mit meinen Eltern, meiner Schwester und unserem Dackel in einem<br />

Wohnwagen. Und die Angestellten haben einen eigenen Mannschaftswagen. Sie<br />

helfen beim Auf- und Abbau, spielen Geister und machen sauber.<br />

Frage: Hast du viele Freunde, weil du ja oft woanders bist?<br />

Maria: Ja, natürlich. Aus der Stammschule, ich komm ja in jeder Stadt immer in die<br />

gleiche Schule zurück. Und ich habe auch noch eine Brieffreundin. Und meine Familie<br />

kennt einige Schausteller schon seit Generationen.<br />

Frage: Wenn ihr viele Schausteller kennt, fahrt ihr immer mit ihnen zusammen, oder<br />

fährt jedes Geschäft für sich?<br />

Maria: Nein, es gibt eine Zeitung und da stehen Orte drin, wo eine Kirmes stattfinden<br />

wird und da kann man sich bewerben. Wer dann am meisten gepunktet hat, der wird<br />

dann angenommen, es ist fast genau so, als wenn man sich für einen Beruf bewirbt.<br />

Wer am ordentlichsten ist, die meiste Erfahrung und wer das schönste Geschäft hat,<br />

welches am besten zur Kirmes passt, der wird dann angenommen.<br />

Frage: Du gehst ja von Schule zu Schule, da haben wir uns vorgestellt, dass du in<br />

einem Jahr mal drei, im anderen acht und manchmal keine Arbeit schreibst.<br />

Maria: Nee, nee, nee (lacht). In der Grundschule habe ich noch überall alle Arbeiten<br />

mitgeschrieben, das waren meistens normal, aber jetzt kommt unsere Bereichslehrerin<br />

öfter zu uns und zu unseren Lehrern. Ihr werden die Arbeiten, die wir schreiben<br />

sollen, zugeschickt und dann schreibt sie die mit uns.<br />

Frage: Und wie werden die Zeugnisse gemacht?<br />

Maria: Es gibt einen dicken Schülerordner, in dem dann unser Verhalten im Unterricht<br />

dokumentiert wird. Und wenn wir Arbeiten geschrieben haben, die Note. Das


Beitrag 15<br />

lesen sich dann die entsprechenden Lehrer durch und dann wird das von den Lehrern<br />

bewertet.<br />

Frage: Habt ihr viel Freizeit, und fahrt ihr in den Urlaub?<br />

Maria: Ja, ich glaube wir haben so viel Freizeit wie andere Kinder auch. Wir gehen<br />

um den Platz, testen neue Geister oder helfen beim kassieren. Manchmal muss ich<br />

auch aufräumen. Und in den Urlaub sind wir auch schon gefahren in Skiurlaub und in<br />

den Schwarzwald, mehr im Winter, weil im Sommer ja Saison ist.<br />

Frage: Könntest du dir vorstellen, an einem Ort mal länger zu bleiben?<br />

Maria: Ja, könnte ich schon, aber wenn ich groß bin, will ich auch Schausteller werden,<br />

denn ich lerne viele neue Leute und Städte kennen. Und natürlich möchte ich<br />

eine Geisterbahn übernehmen. Ich bin ja auch von Anfang an mit dabei gewesen.<br />

Aber ich möchte auch Abitur machen und studieren.<br />

Frage: Fährst du auch selbst gerne in der Geisterbahn?<br />

Maria (lacht): Ja, aber inzwischen ist es langweilig geworden, weil ich schon so oft<br />

damit gefahren bin.<br />

Alex Knappik, Nergiz Gök, Lucie Will und Kristina Gansel<br />

Klasse 8b, Landfermann-<strong>Gymnasium</strong><br />

Geisterbahnen sind nichts Schauriges mehr für Maria, denn sie kennt die Gruselhäuser<br />

in- und auswendig. (Foto: W. Göllner)


"Mein Afghanistan sieht anders aus"<br />

Beitrag 16<br />

KAT. 1: BESTER TEXT/BESTE RECHERCHE<br />

WR DORTMUND (<strong>ZEUS</strong>)<br />

Mein Name ist Kaled Wakili. Ich bin am 15. September 1987 in Kabul, Afghanistan<br />

geboren und lebte ab meinem dritten Lebensjahr in Deutschland. Mit dem Wort "Afghanistan"<br />

verbinden viele Menschen negative Aspekte wie Krieg, Terror, Gewalt<br />

und Armut. Die Folge ist, dass die positiven kulturellen Güter vielen verschlossen<br />

bleiben. Mein Afghanistan sieht anders aus. Afghanistan ist nicht nur ein unterentwickeltes<br />

Land, es ist ein Land mit einer großartigen Geschichte. Schon bei meiner<br />

Geburt war die politische Lage angespannt. Die Sowjets, die in Afghanistan einmarschiert<br />

waren, konnten es mit den Afghanen nicht aufnehmen und haben den Krieg<br />

verloren. Hätte man die Geschichte Afghanistans studiert, wüsste man, dass man die<br />

stolzen Afghanen nicht so leicht unterdrücken kann.<br />

Wie viele große Feldherren haben es schon versucht, dieses Land mit seinen zahllosen<br />

Gebirgen und Tälern zu erobern. Alexander der Große, Dschingis Khan und die<br />

Britische Kolonialmacht. Und obwohl der Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen<br />

wurde, war kein Frieden in Sicht. Es bildeten sich immer neue interne Konflikte im<br />

Land zwischen den Parteien und den Volksgruppen in Afghanistan. Es begann ein<br />

Bürgerkrieg, in dem es um Machtansprüche ging.<br />

Doch von all diesen Schwierigkeiten, die später auch uns heimsuchten, habe ich<br />

nichts mitbekommen. Ich verbinde sehr schöne Erinnerungen mit meiner Kindheit in<br />

Afghanistan. Meine Familie stammt aus der Volksgruppe der Paschtunen, die mit gut<br />

40 Prozent die größte Volksgruppe bilden. Die Macht ist unter vier Clan-Familien<br />

aufgeteilt. Meine Familie stammt aus dem Popalzai-Clan, der die wichtigsten politischen<br />

Ämter bekleidete, die aber im Lauf des Krieges verloren gingen.<br />

Immer wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, erscheint mir alles wie ein Traum.<br />

Ich war ungefähr drei Jahre alt, als ich mit meiner Familie in Kabul lebte. Am besten<br />

erinnere ich mich an unser großes Haus. Dort wohnte die ganze Familie. Meine<br />

Großeltern und auch die <strong>Geschwister</strong> meiner Mutter. Das Haus hatte einen riesigen<br />

Haupteingang mit einer großen Treppe zur zweiten Etage, wahrscheinlich würde mir<br />

die Treppe heute kleiner vorkommen. Morgens brachte meine Mutter mich immer in<br />

den Kindergarten, sie war auch Kindergärtnerin. Mein Vater war Lehrer und meine<br />

zwei Brüder gingen zur Schule.<br />

Jeder tag, jede Nacht war wie ein Abenteuer für mich. Der Bürgerkrieg war noch weit<br />

weg von meiner Welt. Mir ging es so gut. Ich hatte alles. Allein war ich nie. Wenn<br />

meine Eltern weg waren, haben sich einfach andere Familienmitglieder um mich gekümmert,<br />

so wurde es nie langweilig. Zur der Zeit verstand ich nichts von Religion<br />

oder Islam, schaute oft verwundert auf die betenden Menschen, die sich immer nach<br />

vorne beugten und hinknieten. Meine Familie war sehr konservativ, aber auch sehr<br />

liberal. Keiner aus meiner Familie, außer meiner Großmutter, trug ein Kopftuch. Die<br />

Frauen in meiner Familie können sich frei entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen<br />

wollen oder nicht. Die beste Tageszeit war der Abend, wenn alle von der Arbeit<br />

nachhause kamen, wir Zeit miteinander verbrachten und am großen Tisch aßen.<br />

Der einzige Abend, an dem ich wirklich etwas vom Krieg mitbekam, war, als mehrere<br />

Kampflugzeuge über unserem Haus vorbeiflogen, wir alle schauten gespannt nach<br />

oben und sahen den roten Himmel am Abend, die Stimmung war leicht aufgebracht.<br />

Als die Flugzeuge nicht mehr zu sehen waren, machte ich mir keine Gedanken mehr.


Beitrag 16<br />

Viel Spaß bereiteten mir unsere Tiere. Mein Großvater hatte einen Hund, Schafe und<br />

Zuchtvögel, die mich begeisterten. Mein anderer Großvater hieß "Azizudin Wakili<br />

Popalzai", ein Politiker und renommierter islamischer Kalligraphie-Künstler; er hat<br />

einige Bücher veröffentlicht, die in der islamischen Fachwelt sehr bekannt sind, eins<br />

seiner Werke ging sogar an den früheren Amerikanischen Präsidenten John. F. Kennedy.<br />

Die große Wende für mich war der Tag, an dem wir das Land verließen, um<br />

nach Deutschland einzuwandern, da die politische Lage in Afghanistan sich zugespitzt<br />

hatte. Die meisten meiner Familienmitglieder sind ausgewandert, sie sind auf<br />

der ganzen Welt zerstreut. Einige sind in Pakistan, Indien, Kanada, USA, Holland<br />

oder Norwegen. Einige blieben und haben die Kriegszeiten bis heute überstanden.<br />

Als wir in Deutschland ankamen, wurden wir in einem Asylheim untergebracht. Anfangs<br />

fühlte ich mich unwohl. Die kleine Wohnung, die fremde Sprache, die fremden<br />

Leute waren mir nicht vertraut. Ich war zurückhaltend, die einzigen Freunde meine<br />

Brüder. Mit ihnen habe ich gespielt, meine Eltern beherrschten noch nicht die deutsche<br />

Sprache. Zum Glück hatten wir meinen Onkel, der seit längerem in Deutschland<br />

lebte, uns immer bei Problemen half. Mit den Jahren habe ich immer mehr Freunde<br />

gefunden. Ich habe mich an unsere neue Lage gewöhnt und wusste, dass nichts<br />

mehr so sein würde wie früher.<br />

Nach meinen schwierigen Anfangsjahren fand mein Leben einen neuen Impuls.<br />

Normaler Tagesablauf, Schule, Kinder. Ich kann mich heute sowohl mit Deutschland<br />

als auch mit Afghanistan identifizieren. Kann voller Freude sagen, dass ich die deutsche<br />

Kultur kennen lernen durfte. Ich hoffe, dass ich meinem Heimatland beistehen<br />

und beim Wiederaufbau helfen kann. 30 Jahre Krieg verändern die Menschen und<br />

das Land. Es ist mein Ziel, nach meinem Abitur Architektur zu studieren, um meiner<br />

Heimat beim Wiederaufbau zu helfen.<br />

Kaled Wakili<br />

Fritz-Henßler-Berufskolleg

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