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Zur Vorbemerkung - Das Goethezeitportal

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S. 9 1–11 32<br />

Die Philosophie ist eine Wissenschaft; darüber kommen alle Beschreibungen<br />

derselben […] überein. Mit dieser Feststellung eröffnet Fichte<br />

seine Untersuchung. Dennoch, meint er, trennen sie sich über das Objekt<br />

dieser Wissenschaft. Deshalb stellt sich die Frage: ob die Trennung gerade<br />

daher gekommen wäre, daß der Begriff der Wissenschaft selbst nicht ganz<br />

entwickelt war, und ob jenes einzige Merkmal [eine Wissenschaft zu sein,<br />

W. v. E.] völlig hinreichte, den Begriff der Philosophie selbst zu bestimmen?<br />

So geht es zunächst um den Begriff von Wissenschaft. Fichte definiert:<br />

Eine Wissenschaft hat systematische Form; alle Sätze in ihr hangen in einem<br />

einzigen Grundsatze zusammen, und vereinigen sich in ihm zu einem Ganzen<br />

und fragt: Ist damit der Begriff der Wissenschaft erschöpft?<br />

Beispiele erweisen, daß diese Bedingung nicht hinreicht, um den Begriff<br />

von Wissenschaft zu definieren: Wenn jemand auf einem grundlosen und<br />

unerweislichen Satze, z. B. auf dem, daß es in der Luft Geschöpfe mit<br />

menschlichen Neigungen, Leidenschaften und Begriffen […] gäbe; eine<br />

noch so systematische Naturgeschichte dieser Luftgeister aufbaute, […]<br />

würden wir ein solches System […] für eine Wissenschaft anerkennen? Hinwiederum<br />

wenn jemand einen einzelnen Lehrsatz oder eine Thatsache anführt<br />

– etwa […], daß auf einer Horizontallinie der Perpendikul zu beiden<br />

Seiten rechte Winkel habe; oder […] das Faktum: daß der jüdische Geschichtschreiber<br />

Iosephus zur Zeit der Zerstörung Jerusalems gelebt habe –<br />

so wird jederman zugestehen, derselbe habe Wissenschaft von dem gesagten<br />

– Goethe vermerkt dazu am Rande: ? – Warum nennen wir nun, fragt<br />

Fichte, jenes feste System, das auf einem unerwiesenen […] Satze beruhet,<br />

nicht Wissenschaft; und warum nennen wir die Kenntniß der zweiten, die<br />

in ihrem Verstande mit keinem Systeme zusammenhängt, Wissenschaft? –<br />

Goethe vermerkt am Rande: ! – Ohne Zweifel, erwidert Fichte, darum, weil<br />

das erstere […] nichts enthält, das man wissen kann; und die letztere […]<br />

etwas, was man wirklich wissen kann.<br />

<strong>Das</strong> Wesen der Wissenschaft, stellt Fichte daraufhin fest, bestünde demnach<br />

in der Beschaffenheit ihres Innhalts, dieser müßte […] gewiß seyn; es<br />

müßte etwas seyn das er wissen könnte: und die systematische Form wäre<br />

der Wissenschaft blos zufällig. Wenn nämlich der menschliche Geist nur<br />

sehr wenig gewiß wissen, alles andere aber nur meynen, muthmaßen,<br />

ahnen, willkührlich annehmen könnte, – aber doch […] mit dieser […] unsichern<br />

Kenntniß sich nicht wohl begnügen könnte, so würde ihm kein<br />

anderes Mittel übrig bleiben […], als daß er die ungewissen Kenntnisse mit<br />

den gewissen vergliche und […] auf die Gewißheit oder Ungewißheit derselben<br />

folgerte.

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