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276 UMHLICK unaufhaltsam herabglcite. Auch ich wurde von diesem peinliehen gefühl besebbehen. Von meinen zweifeln befreite mich die erste bekanntsebaft mit den litauischen Überlieferungen. Es wurde nöthig nicht nur umzukehren sondern auch umzulernen. Was ich so gefunden, bat sieb in einer zeit von mehr als zwanzig jähren bei oft erneuter prüfung bewährt und mag nun für andere eine grundlage zum weiterbauen werden. Nur endliche, begrenzte erscheinungen und Verhältnisse sind es, in uud an denen das gefühl des unendlichen in das bcwusstsein tritt. Nie ist es ursprünglich das unendliche an sich, zu dem sich das gefühl und der gedanke erhebt. Nicht das unendliche, sondern etwas unendliches, göttliches stellt sieh dem menschen dar und wird im geiste aufgefasst, in der Sprache ausgeprägt. So entsteht eine unbegrenzte reihe von gottesbegriffen, die zunächst selbständige geltung haben. Jeder dieser begriffe ist, insofern er eine göttliche kraft bezeichnet, mit der eigenscbaft der Unendlichkeit ausgestattet. Aber diese eigenscbaft erstreckt sich nur in die tiefe, nicht in die breite; sie gilt nur dein punkt, der linie, welche ^•on dem begriff gedeckt werden. Für unser an eine einheitliche gottheit gewöhntes denken sind solche göttergestalten nur als einzelne erscheinungsformen oder ausstrahlungen der göttbchkeit fassbar. Wir dürfen das kindheitliche empfinden und denken der mensebbeit nicht mit dem unseren verwechseln. Um jenes zu fassen und zu begreifen müssen wir dieses zurückdrängen. Nur wenn wir ohne vorurtheil die auft'abenden tbatsachen aufnehmen, vermögen wir zu ihrem verständniss zu gelangen. Es wird sich dann von selbst das gesetz ergeben, nach dem aus der masse gleichartiger sondergötter sieh persönliche götter zu höherer macbtstellung emporheben, und wie die machtfülle derselben den polytheismus selbst zum monotheismus hinführt. Unter den hervorragenderen gliedern unserer Völkergruppe, ludern und Eraniern, Griechen und Italikern, Gei-manen und Slaven, befindet sieh allerdings keines, das in der zeit, wo es uns geschichtlich bekannt wird, noch auf jener ursprünglichen religionsstufe vcrbari-tc, die nur gleicbwerthige sondergötter kennt. Und doch liegen nns auch für unsere europäischen
STUFE DER SONDERGÖTTER, GESCHICHTLICHE ZEUGNISSE 277 Völker einige Zeugnisse vor, die nur unter dieser Voraussetzung verständlieh werden. Von den vorgeschobensten gliedern des keltischen zweigs, den über die Pyrenäen gedrängten und dadurch zeitig von der culturentwicklung der keltiseben masse abgetrennten stammen berichtet Strabon^ nach Poseidonios: 'manche erklären die Kabaiken für 'götterlos' (dGeoug), und erzählen, dass die Keltiberer und ihre nördlichen grenznachbaren 'einem namenlosen gotte' (dvuJvu)Liuj Tivi GeuJ) des nachts zur vollmondzeit opfern und allsammt, haus um haus, eine nachtfeier mit reigentänzen begehen.' Die Kabaiken hatten selbstverständlich götterverehrung so gut wie die ihnen verwandten Keltiberer, aber sie hatten keine durch eigennamen gekennzeichnete, persönliche, sinnlich dargestellte götter. Die götter aller dieser stamme waren 'namenlos', weil sie nicht mit eigennamen, sondern durch eigenschaftsworte benannt wurden. Für einen grieehiseben reisenden vorchristlicher zeit waren sie nicht fassbar. Dasselbe müssen wir von einem offenbar ganz abgesehlo.ssenen zweig des Thrakerstamms annehmen, über den uns die mythisch gestaltete erzählung des Theophrastos erhalten ist'^. Als an stelle der ehemaligen einfachheit nnd reinheit der Sitten die gottlosigkeit überhand nahm, wie in den Hesiodischen weltaltern geschildert wird, begab es sich, dass die Thoer, welche das Athosgebirg bewohnten, da sie in ihrer gottlosigkeit (dGeous Yevo)uevouc;) weder opfer noch erstbnge darbrachten, plötzlich alle sammt ihren häusern vom erdboden 3 Strabon iii p. 164 vgl. Roget de Belloguet, ethnogenie Gauloise t. III (Par. 1868) p. 124 ff. 4 Theophr. itepi eöffeßeia? bei Porphyrios de abstin. ii 8 biö öilie? piv oi ev |a€9opioi? GpdKn? oiKrioavxe? lun&evö? dirapxd|nevoi pr]bi Ouovxe? dvdpiraffxoi Kax' «eTvov eYevovxo xöv xpövov ii dv9pu)iru)v, Kai ouxe xoü? oiKoOvxa? oöxe xnv iröXiv oüxe xöv xiüv oiKriffetuv Qe.piXxov oöbei? eüpeiv Ibövaxo, was dann durch Hesiods Werke 134 ff. ibustriert wird. Simplikios zu Epiktets encheir. 31 t. iv p. 357 Schweigh. irdvxe? Ydp äv9pu)iroi . . . voniZouffiv elvai 9eöv- irXriv 'AKpo9uji:xiI)v, oö? iffxopei Geöcppaöxo? d9eou? Yevo|a^vou? üirö xfj? YH'; d9pöu)? (lies ä9pöou?) Kaxairo9fivai. vgl. Bernays, Theophr. schritt über frömmigkeit s. 36 f. 58.
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unaufhaltsam herabglcite. Auch ich wurde von diesem peinliehen<br />
gefühl besebbehen. Von meinen zweifeln befreite mich<br />
die erste bekanntsebaft mit den litauischen Überlieferungen. Es<br />
wurde nöthig nicht nur umzukehren sondern auch umzulernen.<br />
Was ich so gefunden, bat sieb in einer zeit von mehr als<br />
zwanzig jähren bei oft erneuter prüfung bewährt und mag nun<br />
für andere eine grundlage zum weiterbauen werden.<br />
Nur endliche, begrenzte erscheinungen und Verhältnisse<br />
sind es, in uud an denen das gefühl des unendlichen in das<br />
bcwusstsein tritt. Nie ist es ursprünglich das unendliche an<br />
sich, zu dem sich das gefühl und der gedanke erhebt. Nicht<br />
das unendliche, sondern etwas unendliches, göttliches stellt<br />
sieh dem menschen dar und wird im geiste aufgefasst, in der<br />
Sprache ausgeprägt. So entsteht eine unbegrenzte reihe von<br />
gottesbegriffen, die zunächst selbständige geltung haben. Jeder<br />
dieser begriffe ist, insofern er eine göttliche kraft bezeichnet,<br />
mit der eigenscbaft der Unendlichkeit ausgestattet. Aber diese<br />
eigenscbaft erstreckt sich nur in die tiefe, nicht in die breite;<br />
sie gilt nur dein punkt, der linie, welche ^•on dem begriff gedeckt<br />
werden. Für unser an eine einheitliche gottheit gewöhntes<br />
denken sind solche göttergestalten nur als einzelne<br />
erscheinungsformen oder ausstrahlungen der göttbchkeit fassbar.<br />
Wir dürfen das kindheitliche empfinden und denken der mensebbeit<br />
nicht mit dem unseren verwechseln. Um jenes zu fassen<br />
und zu begreifen müssen wir dieses zurückdrängen. Nur wenn<br />
wir ohne vorurtheil die auft'abenden tbatsachen aufnehmen,<br />
vermögen wir zu ihrem verständniss zu gelangen. Es wird<br />
sich dann von selbst das gesetz ergeben, nach dem aus der<br />
masse gleichartiger sondergötter sieh persönliche götter zu<br />
höherer macbtstellung emporheben, und wie die machtfülle<br />
derselben den polytheismus selbst zum monotheismus hinführt.<br />
Unter den hervorragenderen gliedern unserer Völkergruppe, ludern<br />
und Eraniern, Griechen und Italikern, Gei-manen und<br />
Slaven, befindet sieh allerdings keines, das in der zeit, wo es<br />
uns geschichtlich bekannt wird, noch auf jener ursprünglichen<br />
religionsstufe vcrbari-tc, die nur gleicbwerthige sondergötter<br />
kennt. Und doch liegen nns auch für unsere europäischen