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Abschlussbericht Wissenschaftliche Begleitforschung (PDF, 196 KB)

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Modellprogramm des Spitzenverbandes und der<br />

gesetzlichen Pflegekassen zur „Weiterentwicklung<br />

der Pflegeversicherung gemäß § 8 Abs. 3 SGB XI“<br />

Modellprojekt: „Rehabilitative Kurzzeitpflege. Ein Konzept<br />

zur Realisierung elementarer SGB XI-Prioritäten<br />

Teil B: Möglichkeiten und Grenzen einer rehabilitativ orientierten<br />

solitären Kurzzeitpflege<br />

von<br />

Carola Schweizer<br />

Garvin Brod<br />

Matthias Stadler<br />

Saarbrücken, April 2009


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Ausgangslage ......................................................................................................5<br />

2. Zentrale Fragestellung, Hypothesen und Methode .........................................9<br />

3. Die schwierige Implementierung des Modellansatzes..................................12<br />

3.1 Die Zusammenarbeit mit der Geriatrischen Klinik und die Einbindung weiterer<br />

Krankenhäuser ....................................................................................................13<br />

3.1.1 Der Ausfall der poststationären Therapien .........................................................14<br />

3.1.2 Zuweisungs- und Auslastungsprobleme .............................................................15<br />

3.1.3 Die Rolle der Krankenhaussozialdienste bei der Patientenüberleitung .............17<br />

3.2 Die Beratungs- und Koordinierungsstellen (Beko-Stellen) im Kontext der<br />

Modellkurzzeitpflege............................................................................................19<br />

3.3 Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten.....................................21<br />

3.4 Die Zusammenarbeit mit dem MDK und den Pflegekassen...............................23<br />

3.5 Fazit zur schwierigen Implementierung des Modellansatzes .............................24<br />

4. Das multiprofessionelle Team .........................................................................26<br />

4.1 Verbesserung der Pflegequalität.........................................................................28<br />

4.2 Fazit zur Verbesserung der Pflegequalität..........................................................30<br />

5. Zielgruppe ..........................................................................................................31<br />

5.1 Soziodemographischer Hintergrund....................................................................31<br />

5.2 Pflege- und Hilfebedarf........................................................................................32<br />

5.3 Fazit zum einbezogenen Personenkreis.............................................................34<br />

6. Ergebnisqualität ................................................................................................35<br />

6.1 Fazit zur Ergebnisqualität....................................................................................44<br />

7. Schluss ...............................................................................................................45<br />

3


Tabellenverzeichnis<br />

Tabelle 1: Wie viele Kurzzeitpflegegäste haben Physiotherapie in<br />

Anspruch genommen?...................................................................................14<br />

Tabelle 2: Anzahl der Zuweisungen aus den beteiligten Kliniken ......................................17<br />

Tabelle 3: Beratungsbedarf der Kurzzeitpflegegäste (Mehrfachnennungen) ......................19<br />

Tabelle 4: Häufigkeit der Arztbesuche in der Kurzzeitpflege.............................................22<br />

Tabelle 5: Alter und Geschlecht .....................................................................................31<br />

Tabelle 6: Familienstand ...............................................................................................31<br />

Tabelle 7 Haushaltsstruktur/Lebenssituation ..................................................................32<br />

Tabelle 8: Pflegestufen nach Altersgruppen....................................................................32<br />

Tabelle 9: Ambulante Hilfe vor dem Aufenthalt in der Kurzzeitpflege<br />

(Mehrfachnennungen) ...................................................................................33<br />

Tabelle 10: Diagnosegruppen (Mehrfachnennungen) ........................................................33<br />

Tabelle 11: Zielsetzung der Modellmaßnahme (Mehrfachnennungen) ................................35<br />

Tabelle 12: Aufenthaltsdauer in der Modellkurzzeitpflege ..................................................35<br />

Tabelle 13: Gründe für den vorzeitigen Abbruch ...............................................................36<br />

Tabelle 14: Ergebnis der Maßnahme nach Barthel-Index, Mobilitätstest<br />

nach Tinetti und Timed up & go......................................................................36<br />

Tabelle 15a: Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung .................................................38<br />

Tabelle 15b: Veränderungen bei den Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung..............38<br />

Tabelle 16a: Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung.................................................39<br />

Tabelle 16b: Veränderungen bei den Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung.............40<br />

Tabelle 17a: Alltagsrelevante Folgen sensomotorischer Funktionen.....................................40<br />

Tabelle 17b: Veränderungen bei den sensomotorischen Funktionen ....................................40<br />

Tabelle 18a: Alltagsrelevante Folgen psychosozialer Funktionen .........................................41<br />

Tabelle 18b: Veränderungen bei den psychosozialen Funktionen ........................................41<br />

Tabelle 19: Veränderungen der Schmerzintensität............................................................42<br />

Tabelle 20: Aufenthalt des Gastes nach Beendigung der Kurzzeitpflege.............................42<br />

Tabelle 21: Aufenthaltsort nach sechs bis acht Monaten....................................................43<br />

Tabelle 22: Hilfen, die sechs bis acht Monate nach Beendigung der Maßnahme<br />

in Anspruch genommen werden (Mehrfachnennungen) ...................................43<br />

4


B: Möglichkeiten und Grenzen einer rehabilitativ orientierten soli-<br />

tären Kurzzeitpflege<br />

1. Ausgangslage<br />

Die Realisierung des Postulats „ambulant vor stationär“ ist eines der wesentlichen Ziele<br />

der Pflegeversicherung. 1 Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI spielt dabei eine ganz<br />

besondere Rolle: Einerseits ist sie ein wichtiges Angebot, um pflegende Angehörige<br />

oder andere Pflegepersonen zu entlasten. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag<br />

zum Erhalt der Pflegebereitschaft und zur Stabilisierung der häuslichen Versorgung.<br />

Andererseits ist sie ein entscheidendes, bislang aber nur unzureichend genutztes Ele-<br />

ment der Patientenüberleitung. Im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt bietet<br />

sie den Zeitrahmen und – allerdings abhängig vom konzeptionellen Hintergrund – das<br />

fachliche Know-how, um gemeinsam mit den Betroffenen Versorgungsalternativen ab-<br />

zuwägen. Genau dies war die Intention, die der Gesetzgeber mit der Kurzzeitpflege<br />

verband. Im Kommentar zur § 42 SGB XI heißt es:<br />

„Eine typische Einsatzform ist die Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre Behandlung<br />

des Pflegebedürftigen. Endet der Anspruch auf Krankenbehandlung (vgl. §<br />

27 SGB V) einschließlich des Anspruches auf Krankenhausbehandlung, ist jedoch der<br />

Aufwand an Pflege noch relativ hoch, kommt eine zeitweise stationäre Unterbringung<br />

in Betracht. Dies wird in der Praxis zugleich eine Beobachtungsphase mit einschließen,<br />

mit der Möglichkeit, anschließend eine andere Pflegeform zu finden, nämlich die häusliche<br />

i.V. mit teilstationärer Pflege oder die Überleitung in die vollstationäre Pflege nach<br />

§ 43“. 2<br />

Die Kurzzeitpflege ist somit in direktem Zusammenhang mit dem in § 3 SGB XI postu-<br />

lierten Vorrang der häuslichen Pflege zu sehen. An der Schnittstelle zwischen akutsta-<br />

tionärer Versorgung und ambulanter sowie stationärer Pflege gehört sie zu den Leis-<br />

tungen, die „die häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und<br />

Nachbarn unterstützen (soll), damit Pflegebedürftige möglichst lange in der häuslichen<br />

Umgebung bleiben können“ (vgl. § 3 SGB XI). Die Kurzzeitpflege hat Vorrang vor der<br />

stationären Pflege und soll dazu beitragen, Fehlplatzierungen im Pflegeheim zu ver-<br />

meiden.<br />

Dies gelingt aber nur, wenn es erstens verbindliche Kooperationsbeziehungen zwi-<br />

schen der Kurzzeitpflegeeinrichtung und den umliegenden Krankenhäusern gibt; zwei-<br />

tens, wenn die Selbsthilfepotentiale der Gäste erkannt und trainiert werden und drittes,<br />

1<br />

Vgl. Deutscher Bundestag (1993): Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der<br />

Pflegebedürftigkeit. Drucksache 12/5262: 89 f.<br />

2<br />

Dalichau, Gerhard; Grüner, Bernd; Müller-Alten, Lutz (2005): Pflegeversicherung. Kommentar und<br />

Rechtssammlung. Bde. I – IV. Stand: 1. März 2005.<br />

5


wenn ein Beratungsangebot zur Verfügung steht, welches die Betroffenen bei der Be-<br />

wältigung der Hilfesituation unterstützt. 3<br />

Wenn die Kurzzeitpflege im Anschluss an die akutstationäre Versorgung als eine Vari-<br />

ante der Nachsorge genutzt wird, so auch die Einschätzung des Medizinischen Dienste<br />

der Spitzenverbände (MDS), dann<br />

„… ist es eminent wichtig, dass der Kommunikationsfluss zwischen Klinik und Kurzzeitpflege<br />

klappt. Die Kurzzeitpflegeeinrichtung muss wissen, was mit dem Pflegebedürftigen<br />

im Krankenhaus mit welchem Ziel und mit welchem Ergebnis gemacht wurde;<br />

die Kurzzeitpflegeeinrichtung muss auch wissen, welche Möglichkeiten der ambulanten<br />

Versorgung im Anschluss an die Kurzzeitpflege möglich sind. Diese umfängliche Informationserhebung<br />

sollte vom Krankenhaus durchgeführt werden und Kurzzeitpflegeeinrichtungen<br />

als Basis ihres Konzeptes im Rahmen einer Überleitung zur Verfügung<br />

stehen. Der Kurzzeitpflegeeinrichtung muss es dann auch kurzfristig möglich sein, ein<br />

individuelles Aktivierungskonzept für den aus dem Krankenhaus kommenden Kurzzeitpflegegast<br />

zu erstellen“. 4<br />

Im Jahr 2007 entfiel von den Leistungsausgaben der Pflegekassen (17,45 Mrd. Euro)<br />

nur ein Anteil von 0,24 Mrd. Euro auf die Kurzzeitpflege. Eine Untersuchung des iso-<br />

Instituts zeigt, dass die Kurzzeitpflege in knapp der Hälfte der Fälle (48,7%) als „Ur-<br />

laubspflege“ nach § 39 SGB XI in Anspruch genommen wird, in einem Drittel (32,8%)<br />

im Anschluss an die akutstationäre Versorgung und in rund 19 Prozent der Fälle ist die<br />

Kurzzeitpflege nach § 39 und nach § 42 SGB XI genutzt worden. 5<br />

Auch wenn ein Patient im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt in die Kurzzeit-<br />

pflege kommt, wird der Aufenthalt dort nicht unbedingt zur Abklärung des Pflege- und<br />

Hilfebedarfes genutzt. In vielen Fällen dient die Kurzzeitpflege lediglich als „Warte-<br />

schleife“ bis ein Platz im Pflegeheim frei wird. 6 Mit der suboptimalen Nutzung der Kurz-<br />

zeitpflege werden nicht nur Ressourcen verschenkt, sie ist auch einer der Gründe für<br />

ihre „systembedingte“ Unterauslastung. Im Jahr 2005 lag zum Beispiel die durch-<br />

schnittliche Auslastung der Kurzeitpflege im BMG-Modellprogramm nur bei etwa 73,5<br />

Prozent 7 , in der Brebacher Einrichtung lag sie zur selben Zeit bei rund 74 Prozent.<br />

Die mangelnde Auslastung führt dazu, dass immer mehr Kurzzeitpflegeplätze in voll-<br />

stationäre Plätze umgewidmet oder nur noch „eingestreut“ vorgehalten werden. Diesen<br />

Weg konnte der ASB in Saarbrücken-Brebach mit seiner solitären Einrichtung nicht<br />

wählen. Deshalb ging er in die Offensive, suchte sich einen Krankenhausträger als<br />

3<br />

Brandt, Franz (2005): Pflegeüberleitung, Patientenüberleitung, Entlassungsmanagement. Schriftenreihe<br />

zum Modellprogramm „Verbesserung der Versorgung Pflegebedürftiger“. Saarbrücken: 150.<br />

4<br />

Brucker, Uwe (2002): Die Rolle des MDK bei der Entscheidung zwischen häuslicher und stationärer<br />

Pflege. In: iso-Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft 2002: 204-218.<br />

5<br />

Geiger, Manfred; Kirchen-Peters, Sabine (2007): Kurzzeitpflege vor der Reform: Perspektiven eines<br />

Versorgungsbausteins. Schriftenreihen zum BMG-Modellprogramm „Verbesserung der Versorgung<br />

Pflegebedürftiger“, Saarbrücken: 37.<br />

6<br />

Vgl. Maurer, Birgit: Teil A im vorliegenden Bericht.<br />

7 Geiger, Manfred u.a. a.a.O.: 136.<br />

6


Partner, gemeinsam entwickelten sie ein Modellkonzept, welches die „Realisierung<br />

elementarer SGB XI Prioritäten“ zum Ziel hat.<br />

Die zentralen Elemente des Brebacher Modells sind der „rehabilitative“ Umbau der<br />

Kurzzeitpflege und deren enge Zusammenarbeit mit einer geriatrischen Klinik. 8 Beide<br />

Elemente entsprechen der Intention des Gesetzgebers. Dabei geht es vor allem<br />

- um die adäquate Überleitung Pflegebedürftiger aus einer Geriatrischen Klinik,<br />

- um die Nutzung der Möglichkeiten der Kurzzeitpflege zur Abklärung und zur<br />

Vorbereitung der häuslichen Versorgung und<br />

- um die Stärkung der rehabilitativen Orientierung in der Kurzzeitpflege.<br />

Der Modellpartner – die Geriatrische Klinik (SHG) in Saarbrücken-Brebach – hatte zu-<br />

nächst eine andere Zielgruppe im Blick als der Modellträger, nämlich Patienten, die nur<br />

vorübergehend 9 pflegebedürftig, also nicht pflegebedürftig im Sinne des SGB XI sind.<br />

Dabei handelt es sich um Patienten, die keiner Krankenhausbehandlung mehr bedür-<br />

fen, aber dennoch nicht entlassen werden können, weil ihr momentaner Pflegebedarf<br />

und ihre häusliche Situation es (noch) nicht zulässt.<br />

Mit der Einführung der Fallpauschalen (DRG) stehen die Ärzte unter Druck, Patienten<br />

frühzeitig zu entlassen. Der Patient wird „stärker als bislang unter Kosten-Erlös-<br />

Gesichtspunkten und damit auch als wirtschaftliche Chance oder Gefahr … für das<br />

Krankenhaus“ betrachtet. 10 Insofern war dem Krankenhaus daran gelegen, ein Modell-<br />

konzept zu entwickeln, das zur Verkürzung der Krankenhausverweildauer beiträgt.<br />

Damit der Patient mit „gutem Gewissen“ entlassen werden kann, sollte die fachgerech-<br />

te Weiterversorgung der pflegebedürftigen Patienten sichergestellt werden, auch jener<br />

Pflegebedürftigen, die unterhalb der Schwelle zur Pflegebedürftigkeit im Sinne des<br />

SGB XI liegen.<br />

Auch das saarländische Sozialministerium war daran interessiert, für die Pflegebedürf-<br />

tigen, die keine Leistungen der Pflegekassen erhalten, ein Versorgungsangebot zu<br />

konzipieren, welches Heimaufnahmen vermeiden hilft. Denn die Kosten für die statio-<br />

näre Pflege muss, wenn der Pflegebedürftige sie nicht selbst tragen kann, in diesen<br />

Fällen der Sozialhilfeträger übernehmen. Deshalb förderte das Sozialministerium in der<br />

Brebacher Kurzzeitpflege einen einzelnen Platz („Landbett“), der diesem Personen-<br />

kreis vorbehalten sein sollte.<br />

Die Hauptzielgruppe des Modells, und darüber ist früh Konsens erzielt worden, waren<br />

aber Pflegebedürftige, die Leistungen der Pflegekassen erhalten. Ihre nachstationäre<br />

Versorgung, so die Einschätzung der Modellpartner, entspräche immer noch nicht<br />

8<br />

Vgl. Modellantrag „Rehabilitative Kurzzeitpflege. Ein Konzept zur Realisierung elementarer SGB XI<br />

Prioritäten (2006).<br />

9<br />

D.h. weniger als die im Gesetz (§ 14 SGB XI) vorgeschriebenen sechs Monate.<br />

10<br />

Simon, Michael (2000): Neue Krankenhausfinanzierung – Experiment mit ungewissem Ausgang: Zur<br />

geplanten Umstellung auf ein DRG-basiertes Fallpauschalensystem. Veröffentlichungsreihe der Arbeitsgruppe<br />

Public – Health – WZB Berlin: 22.<br />

7


dem, „… was unter geriatrisch/gerontologischen und unter ökonomischen Gesichts-<br />

punkten sinnvoll und angemessen wäre“. 11 Aus diesem Grund verknüpft das Konzept<br />

die Elemente Entlassungsmanagement, rehabilitative Kurzzeitpflege und ambulante<br />

Weiterversorgung miteinander. Pflegebedürftige Menschen sollten die Möglichkeit ha-<br />

ben, „wenn sie der stationären Behandlung in der Geriatrischen Klinik nicht mehr be-<br />

dürfen und für die – aus welchen Gründen auch immer – eine häusliche Versorgung<br />

noch nicht möglich oder ausreichend ist, für einen begrenzten Zeitraum eine Kurzzeit-<br />

pflege mit rehabilitativem Schwerpunkt in Anspruch zu nehmen“. 12<br />

Das Brebacher Modell ließ sich nur in Teilen realisieren. Probleme bei der Implemen-<br />

tierung gab es vor allem an der Schnittstelle zur akutstationären und zur vertragsärztli-<br />

chen Versorgung. Eine Rolle spielten aber auch Qualifizierungsdefizite, falsche finan-<br />

zielle Anreize und bürokratische Hindernisse. Die Umsetzungsprobleme werden sich<br />

wie ein roter Faden durch die folgenden Kapitel ziehen. Allerdings nur bis zum Kapitel<br />

über die ‚Ergebnisqualität“, die ist durchaus positiv zu bewerten.<br />

11 Modellantrag: 1.<br />

12 Vgl. ebd.<br />

8


2. Zentrale Fragestellung, Hypothesen und Methode<br />

Die Hypothesen und Fragestellungen des Modells stehen in Zusammenhang mit den<br />

Modellzielen. Diese lassen sie sich mit den Stichworten umschreiben: Lösung von<br />

Schnittstellenproblemen, adäquate Entlassungsplanung, fundierte Entscheidung über<br />

die nachstationäre Versorgung, Nutzung der Kurzzeitpflege als Phase der Aktivierung,<br />

der Abklärung und Vorbereitung.<br />

Die Evaluationsergebnisse müssen Aussagen dazu erlauben, ob und in welchem Ma-<br />

ße die Modellziele erreicht worden sind, welche Faktoren sich hemmend oder fördernd<br />

ausgewirkt haben, ob Modifizierungen notwendig gewesen sind und ob der Transfer<br />

der Ergebnisse auf andere Standorte möglich ist.<br />

In Teil A des Berichtes 13 sind die Modellziele im Einzelnen aufgelistet. Die Hypothese,<br />

die sich daraus ableiten lässt, lautet:<br />

Ein systematisches Entlassungsmanagement in einer (Geriatrischen) Klinik und deren<br />

verbindliche Kooperation mit einer rehabilitativ orientierten Kurzzeitpflege führt dazu,<br />

dass die Klinikverweildauer reduziert wird, dass Aktivierungs- und Rehabilitationsbedarf<br />

frühzeitig erkannt und umgesetzt wird, dass die Qualität der weiteren Versorgung,<br />

auch durch vorbereitende Maßnahmen und frühzeitige Einbeziehung der Hausärzte<br />

insoweit optimiert wird, als Unter- und Überversorgung vermieden werden und die Lebensqualität<br />

der Betroffenen gesteigert wird. 14<br />

Zur Überprüfung der Hypothese müssen die nachstehenden Fragen geklärt werden:<br />

- Lässt sich durch die enge und systematisch abgestimmte Zusammenarbeit zwi-<br />

schen Geriatrischer Klinik und Kurzzeitpflege die Krankenhausverweildauer ver-<br />

kürzen und „Fehlbelegungen“ (im Hinblick auf Patienten, die nicht mehr kran-<br />

kenhausbedürftig sind, aber noch nicht zu Hause versorgt werden können) ver-<br />

meiden?<br />

- Gelingt es der rehabilitativen Kurzzeitpflege die Aktivierungspotentiale der Gäs-<br />

te auszuschöpfen und führt sie zu nachweislichen Verbesserungen der Mobilität<br />

und der Selbsthilfekompetenz, minimiert sie das Sturzrisiko und trägt sie zur<br />

Verbesserung der Lebensqualität der Probanden bei?<br />

- Wird die Qualität der nachstationären Versorgung durch die rechtzeitige Wei-<br />

tergabe der erforderlichen Informationen und durch die Einbeziehung des<br />

Hausarztes in das rehabilitative Angebot verbessert?<br />

- Führt die Integration von therapeutischen Fachkräften in das Pflegeteam zu<br />

Veränderungen im pflegerischen Selbstverständnis und zu einem modernen<br />

Pflegeleitbild?<br />

13 Vgl. Maurer, Birgit: Teil A im vorliegenden Bericht: 2.<br />

14 Modellantrag: 13.<br />

9


- Trägt die rehabilitative Kurzzeitpflege zur Stärkung des Grundsatzes „ambulant<br />

vor stationär“ bei und hilft sie, Fehlplatzierungen in der stationären Pflege zu<br />

vermeiden?<br />

Da sich das Modell nicht in der gewünschten Form hat implementieren lassen, konnte<br />

die Hypothese nicht in ihrer Gänze überprüft werden. Das betrifft vor allem die Effekte,<br />

die von der Einbindung der niedergelassenen Ärzte und der Zusammenarbeit mit der<br />

geriatrischen Klinik erwartet wurden. Bei der Evaluation standen hier deshalb Fragen<br />

nach den Gründen für die Implementierungsschwierigkeiten im Vordergrund.<br />

Im Rahmen einer formativen Prozessevaluation sind die Umsetzungs- und Entwick-<br />

lungsprozesse kontinuierlich reflektiert und analysiert worden. Zu den Aufgaben der<br />

<strong>Wissenschaftliche</strong>n Begleitung gehörten die Beratung bei der Entwicklung und Modifi-<br />

zierung der Modellkonzeption sowie die Analyse und die Unterstützung bei der Über-<br />

windung von Problemen. Auf Grund der zahlreichen Umsetzungsschwierigkeiten hat<br />

dieser Teil der Aufgaben deutlich mehr Zeit beansprucht als zunächst dafür vorgese-<br />

hen war.<br />

Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt war die Outcome-Messung. Dazu ist ein einzelfall-<br />

bezogener und anonymisierter Erhebungsbogen entwickelt worden, mit dem die fol-<br />

genden Daten erfasst wurden (vgl. Anlage): Alter, Geschlecht, Diagnosen, soziale Si-<br />

tuation, Wohnort, Hilfe- und Pflegebedarf, Leistungsumfang und die Ergebnisse der<br />

Testverfahren.<br />

Folgende Tests sind zur Outcome-Messung verwendet worden: Barthel-Index, Timed<br />

up & go, Tinnetti, Schmerzskala und Ergotherapeutisches Assessment des Zentrums<br />

für Geriatrie und Gerontologie Freiburg.<br />

Sechs Monate nach Beendigung der Modellmaßnahme wurde von der Ergotherapeutin<br />

ein Nachsorgebesuch durchgeführt. Das Ergebnis dieses Besuchs wurde in einem<br />

kurzen Nachsorgebogen (siehe Anlage) dokumentiert und ausgewertet.<br />

Ergänzend zur quantitativen Erfassung sind leitfadengestützte Interviews (vgl. Anlage)<br />

mit den wichtigsten Akteuren im Krankenhaus und der Kurzzeitpflegeeinrichtung durch-<br />

geführt worden (Sozialdienst, Pflegedienstleitung, Pflegekräfte, Ergotherapeutin). Mit<br />

den Ärzten der Geriatrischen Klinik haben insgesamt acht Treffen statt gefunden, bei<br />

denen jeweils themenzentriert die Vorgehensweise und Probleme besprochen wurden.<br />

Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Modells machten es notwendig, immer<br />

wieder auch themenzentrierte Gesprächsrunden mit weiteren Modellpartnern zu initiie-<br />

ren und zwar<br />

- mit dem MDK (Begutachtungsverfahren),<br />

- mit den Pflegekassen (Bearbeitungszeiträume),<br />

10


- mit der Geriatrischen Klinik Halberg (Zielgruppe, Fallbesprechungen, Auslas-<br />

tung),<br />

- mit dem Sozialdezernat des Stadtverbandes (Aufgabenspektrum und Zusam-<br />

menarbeit mit den Beko-Stellen),<br />

- mit den Krankenhaussozialdiensten (Zielgruppe, Zuweisungsverfahren).<br />

Die Gesprächsergebnisse sind dokumentiert und ausgewertet worden.<br />

Im Folgenden werden die Modellbausteine beschrieben und dabei geklärt, inwieweit<br />

sie realisiert wurden. Es werden die Gründe für die Implementierungsschwierigkeiten<br />

aufgezeigt und dargelegt, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Im Anschluss<br />

daran wird anhand statistischer Daten der Personenkreis beschrieben, der in die Mo-<br />

dellmaßnahme einbezogen worden ist und die Ergebnisqualität dargestellt, die auf der<br />

statistischen Auswertung der Assessmentverfahren und der Patientendokumentation<br />

beruht.<br />

11


3. Die schwierige Implementierung des Modellansatzes<br />

Bevor im Folgenden auf die Umsetzungsprobleme eingegangen wird, soll der im Mo-<br />

dellkonzept vorgesehen Ablauf nochmals skizziert werden. 15<br />

1. und 2. Woche Patientenaufnahme und 1. Fallbesprechung:<br />

Teilnehmer der Fallbesprechung sind: der Klinikarzt, die Therapeuten<br />

der Geriatrischen Klinik, die Pflegefachkraft der Kurzzeitpflege, der zuständige<br />

Hausarzt.<br />

Inhalt der 1. Fallbesprechung: Präsentation der Assessmentergebnisse<br />

durch den Arzt (und die Therapeuten) der SHG-Klinik. Auf dieser Basis<br />

wir gemeinsam ein Reha- und Pflegeplan erstellt und das Pflege- und<br />

Rehabilitationsziel definiert.<br />

Leistungsspektrum:<br />

KG, Ergo, Logo (insgesamt 7 poststationäre Therapien durch die The-<br />

rapeuten der SHG-Klinik.<br />

Rehabilitative Pflege durch Pflegefachkraft der ASB-Kurzzeitpflege<br />

Anleitung/Beratung pflegender Angehöriger durch Pflegefachkraft<br />

und durch Sozialarbeiter der Beko-Stellen<br />

Ärztliche Versorgung durch die zuständigen Haus- und Fachärzte.<br />

2. Fallbesprechung (jour fix) mit Haus- oder Facharzt, Pflegefachkraft<br />

der Kurzzeitpflege und Therapeuten der SHG-Klinik. Supervision durch<br />

einen geriatrieerfahrenen Arzt.<br />

3. und 4. Woche Leistungsspektrum:<br />

15 Vgl. Modellantrag: 9.<br />

Zwischenassessment durch den zuständigen Haus- oder Facharzt.<br />

3. Fallbesprechung – Überprüfung des zu Beginn gesetzten Behand-<br />

lungsziel, ggf. Modifizierung und Plan für die Vorbereitung der Nachsor-<br />

ge.<br />

Bei Bedarf KG, Ergo, Logo im Rahmen der Heilmittelversorgung durch<br />

niedergelassene Therapeuten.<br />

Rehabilitative Pflege durch Pflegekraft der ASB-Kurzzeitpflege.<br />

Anleitung/Beratung pflegender Angehöriger durch Pflegekraft und durch<br />

den Sozialarbeiter der Beko-Stelle.<br />

Ärztliche Versorgung durch die zuständigen Haus- und Fachärzte<br />

Abschlussassessment durch den zuständigen Haus- oder Facharzt.<br />

Evaluation der Maßnahme. Überprüfung der Zielsetzung.<br />

4. Fallbesprechung: Planung der ambulanten Weiterversorgung mit der<br />

Pflegefachkraft der ASB-Kurzzeitpflege und den pflegenden Angehöri-<br />

gen.<br />

12


Die Umsetzungsprobleme sind an beiden für die Etablierung des Modells entscheiden-<br />

den „Schnittstellen“ aufgetreten:<br />

1. in der Zusammenarbeit mit der Geriatrischen Klinik (später auch in der Zusam-<br />

menarbeit mit weiteren Krankenhäusern);<br />

2. in der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten.<br />

Weder die Geriatrische Klinik, noch die zuständigen Haus- und Fachärzte ließen sich<br />

auf eine verbindliche, auch ihre Routinen verändernde Zusammenarbeit ein. Obwohl<br />

die Geriatrische Klinik bis heute an einer Zusammenarbeit interessiert ist, die Notwen-<br />

digkeit des Modellangebotes sieht, ist es ihr nicht gelungen, dafür klinikinterne Abläufe<br />

zu überdenken und ggf. zu ändern.<br />

In der Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten hat sich im Modellverlauf<br />

wenig geändert. Die in der Modellkonzeption vorgesehene Kooperation mit dem Pra-<br />

xisnetz ist schon früh als „Planungsfehler“ erkannt worden. Denn die meisten Modell-<br />

patienten wurden von Ärzten versorgt, die dem Praxisnetz nicht angehörten.<br />

3.1 Die Zusammenarbeit mit der Geriatrischen Klinik und die Einbindung<br />

weiterer Krankenhäuser<br />

Vor dem Start des Modells hat der Modellträger mit der Geriatrischen Klinik eine Ko-<br />

operationsvereinbarung (vgl. Anlage) abgeschlossen. Die Partner vereinbaren „die<br />

grundsätzliche Bereitschaft, verbindliche Kooperationsstrukturen zu schaffen“. Die<br />

Verbindlichkeit sollte sich unter anderem darin äußern, dass das Krankenhaus pro Jahr<br />

72 pflegebedürftige Patienten in die Modellkurzzeitpflege vermittelt.<br />

In der Klinik sollten gemeinsame Fallbesprechungen stattfinden, an denen eine Pflege-<br />

fachkraft der Kurzzeitpflege und der Mitarbeiter der Beko-Stelle teilnehmen. Während<br />

der Fallbesprechungen sollten die Assessmentergebnisse vorgestellt und die Überlei-<br />

tung in die Kurzzeitpflege vorbereitet werden. Vorgesehen war, dass die Physiothera-<br />

peuten der Klinik in den ersten beiden Wochen poststationäre Therapien in der Kurz-<br />

zeitpflege erbringen. Allerdings sind die poststationären Therapien in der Kooperati-<br />

onsvereinbarung nicht explizit geregelt worden. Es ist jedoch fraglich, ob eine schriftli-<br />

che Fixierung den Wegfall des Modellelements hätte verhindern können. Vielleicht soll-<br />

ten Partner deshalb beim Abschließen einer Kooperationsvereinbarung immer zuerst<br />

klären, wie verbindlich sie eigentlich ist.<br />

13


3.1.1 Der Ausfall der poststationären Therapien<br />

In den ersten beiden Wochen der Modellmaßnahme sollten insgesamt sieben poststa-<br />

tionäre Therapien durchgeführt werden. Doch bereits im 1. Quartal der Modelllaufzeit<br />

hatte die Klinik das Interesse daran verloren. Die poststationären Therapien, so die<br />

ehrliche Antwort der Klinikverwaltung, würden sich für das Haus nicht rechnen. Die<br />

Personaldecke der Therapeuten sei zudem so dünn, dass für die Kurzzeitpflege keine<br />

Kapazitäten mehr frei seien.<br />

Warum rechnen sich die poststationären Therapien nicht? Die Saarbrücker Klinik ist<br />

bestrebt, wie andere Geriatrische Kliniken auch, möglichst viele ihrer multimorbiden<br />

Patienten über die finanziell attraktive geriatrische Komplexbehandlung (Fallpauschale<br />

OPS 855-0) abzurechnen. Wenn hier aber die so genannte obere Grenzverweildauer<br />

nicht ausgeschöpft wird, sie liegt bei rund 40 Tagen, dann können poststationäre The-<br />

rapien nicht „zusätzlich“ in Rechnung gestellt werden. Da die wenigsten Patienten je-<br />

doch so lange in der Klinik bleiben, die durchschnittliche Verweildauer liegt bei etwa 20<br />

Tagen (Stand: 2008), bringen die poststationären Therapien kein zusätzliches Geld.<br />

Mit dem Angebot der poststationären Therapien sind zwei Ziele verfolgt worden:<br />

1. das Erreichen einer hohen Therapiefrequenz, um die Aktivierungspotentiale der<br />

Gäste optimal auszuschöpfen;<br />

2. die Sicherstellung der Behandlungskontinuität beim Übergang aus akutstationä-<br />

ren in die ambulante Versorgung (niedergelassene Therapeuten).<br />

Diese Ziele konnten nicht realisiert werden. Der Modellträger versuchte den Ausfall der<br />

poststationären Therapien jedoch im Rahmen der Heilmittelverordnung zu kompensie-<br />

ren. Die Modellgäste sollten zumindest die in der Modellkonzeption vorgesehene An-<br />

zahl an Therapien erhalten. Tabelle 1 zeigt, dass dies aber nur zum Teil gelungen ist.<br />

Tabelle 1: Wie viele Kurzzeitpflegegäste haben Physiotherapie in Anspruch<br />

genommen?<br />

Physiotherapie (Heilmittelverordnung)<br />

keine Physiotherapie<br />

bis fünf Einheiten<br />

bis 10 Einheiten<br />

mehr als 10 Einheiten<br />

Patienten<br />

63<br />

9<br />

18<br />

1<br />

Pat. in %<br />

69,2<br />

10,0<br />

19,8<br />

Insgesamt 91 100,0<br />

1,0<br />

14


Alle Modellgäste haben durch die beim Träger beschäftigte Ergotherapeutin Einzel-<br />

und Gruppenmaßnahmen erhalten. Aber nur etwa ein Drittel der Gäste erhielten physi-<br />

otherapeutische Behandlungen. Die niedergelassenen Ärzte haben bei einer „klaren<br />

Indikationsstellung“, so die Ergotherapeutin, das heißt bei allen Frakturen, in der Regel<br />

Physiotherapie verordnet. Bei anderen Diagnosen, wäre zwar ebenfalls „ein Training<br />

der Gangsicherheit oder ein Mobilitätstraining indiziert gewesen“. Hier ist die Heilmittel-<br />

verordnung jedoch restriktiver gehandhabt worden, manchmal mit der schlichten Fest-<br />

stellung: „Ist nicht mehr notwendig, der Patient ist dafür zu alt“ (I:502).<br />

3.1.2 Zuweisungs- und Auslastungsprobleme<br />

Die Geriatrische Klinik sollte laut Kooperationsvertrag 72 Patienten pro Jahr in die<br />

Kurzzeitpflege vermitteln. Die Anzahl der Modellplätze ist in Abstimmung mit der Klinik<br />

festgelegt worden. Die Klinik ging davon aus, die sechs Modellbetten (darunter ein<br />

„Landbett“) kontinuierlich belegen zu können. Nach einem halben Jahr musste festge-<br />

stellt werden, dass die vereinbarte Zahl an Zuweisungen nicht erreicht wird. Weil die<br />

mangelnde Auslastung nicht allein mit Anlaufschwierigkeiten begründet werden konnte,<br />

fanden mehrere Gespräche zwischen den Modellpartnern statt. Dabei sollten die Ursa-<br />

chen geklärt und eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Denn auch die Geriatri-<br />

sche Klinik war am Fortbestand des Modells interessiert.<br />

Warum ist die vereinbarte Fallzahl nicht erreicht worden? Was sind die Gründe für die<br />

Auslastungsprobleme?<br />

- In den Gesprächen in der Klinik ist deutlich geworden, dass bei der Frage wann<br />

und wohin ein Patient entlassen wird, nicht allein patientenbezogene Kriterien<br />

entscheidend sind, sondern oft verwaltungs- oder abrechnungstechnische Mo-<br />

dalitäten den Ausschlag geben. Der Versuch, sich auf Screeningkriterien zu<br />

verständigen, musste im Sand verlaufen, da die Entlassungsplanung einer an-<br />

deren Logik folgte.<br />

- Ein weiterer Grund für die geringe Zahl der Zuweisungen ist, dass die Klinikärz-<br />

te das Modellangebot bei der Klärung der Frage der Heimbedürftigkeit nicht<br />

nutzten. Die Klinikärzte sind relativ schnell dabei, Heimaufnahmen in die Wege<br />

zu leiten. Manchmal mussten sich Patienten oder ihre Angehörigen sogar regel-<br />

recht zur Wehr setzen 16 , weil ihnen alternativlos und eindringlich die stationäre<br />

Pflege empfohlen wurde.<br />

In den „großen“ Fallbesprechungen der Klinik, wo eine Vielzahl von Patienten<br />

jeweils in wenigen Minuten besprochen wird, konnte der Hinweis ausreichen,<br />

der ältere Patient „lebt allein“ oder er „wird künftig auf einen Rollstuhl angewie-<br />

sen sein“, um die Übersiedlung ins Pflegeheim vorzuschlagen. Vielleicht hatten<br />

16 Vgl. Maurer Birgit: Teil A des vorliegenden Berichts.<br />

15


die Ärzte noch andere Faktoren im Blick, die für eine Heimaufnahme gespro-<br />

chen haben, sie sind aber in der Fallbesprechung nicht kommuniziert worden.<br />

- Dagegen sehen die Klinikärzte den Grund für die geringe Auslastung in dem<br />

sich verändernden Bedarf: Ein Großteil der multimorbiden und pflegebedürfti-<br />

gen Patienten werde in der Geriatrie „fallabschließend“ behandelt (OPS 855).<br />

Die rehabilitative Kurzzeitpflege sei deshalb in vielen Fällen nicht mehr indiziert:<br />

„Die Patienten sind so lange bei uns bis sie wieder nach Hause gehen können.<br />

Oder sie sind so pflegebedürftig, dass tatsächlich nur noch ein Pflegeheim in<br />

Frage kommt“ (G:3).<br />

Diese Einschätzung mag in Einzelfällen zu treffen. Angesichts der durchschnitt-<br />

lichen Verweildauern kann sie aber nicht für die Mehrheit gelten. In einen Zeit-<br />

raum von 20 Tagen können ältere und hochaltrige Schlaganfallpatienten, die<br />

zeitlebens auf Fremdhilfe angewiesen sein werden, nicht fallabschließend be-<br />

handelt werden. Hier sind in der Krankenhausfinanzierung die falschen Anreize<br />

gesetzt worden.<br />

Um die Zuweisungs- und Auslastungsprobleme in den Griff zu bekommen, versuchte<br />

das Brebacher Modell<br />

1. die Zusammenarbeit mit der Klinik Halberg zu intensivieren. Dazu wurden wei-<br />

tere Treffen mit dem Sozialdienst vereinbart.<br />

2. Und es sind weitere Krankenhäuser in das Modellvorhaben einbezogen wor-<br />

den.<br />

Anfang 2007 stellte die Projektleitung das Modell bei den Sozialdiensten in fünf umlie-<br />

genden Krankenhäusern vor. Dabei stieß sie auf reges Interesse. Die Sozialdienste<br />

sahen den Bedarf, hielten das Angebot sogar für „überfällig“, wobei ihnen der schnelle<br />

Zugriff auf das „Landbett“ besonders wichtig war.<br />

Alle Sozialdienste waren bereit, die speziellen Antragsformulare (siehe Anlage) zu ver-<br />

wenden und sich auf einen engeren Informationsaustausch mit der Modellkurzzeitpfle-<br />

ge einzulassen.<br />

Die Gesamtzahl der Zuweisungen verteilt sich in den Modelljahren wie folgt:<br />

2006 (Oktober bis Dezember): 3 Modellgäste<br />

2007 (Januar bis Dezember): 47 Modellgäste<br />

2008 (Januar bis Dezember): 41 Modellgäste<br />

Die folgende Tabelle zeigt, wie viele Patienten von den einzelnen Krankenhäusern in<br />

die Modellkurzzeitpflege vermittelt worden sind.<br />

16


Tabelle 2: Anzahl der Zuweisungen aus den beteiligten Kliniken<br />

Krankenhäuser<br />

Krankenhaus 1<br />

Krankenhaus 2<br />

Krankenhaus 3<br />

Krankenhaus 4<br />

Krankenhaus 5<br />

andere<br />

keine Angabe<br />

Insgesamt<br />

Patienten<br />

37<br />

21<br />

10<br />

12<br />

2<br />

4<br />

5<br />

Pat. in %<br />

40,7<br />

23,0<br />

11,0<br />

13,2<br />

2,2<br />

4,4<br />

5,5<br />

91 100<br />

Auch mit der Einbindung weiterer Krankenhäuser ist es nicht gelungen, die wenigen<br />

Modellbetten auszulasten. Dies ist umso erstaunlicher, als keiner der Beteiligten die<br />

Notwendigkeit des Angebots in Frage stellte. Die vereinbarten Treffen mit dem Sozial-<br />

dienst der Geriatrischen Klinik führten ebenfalls zu keiner höheren Belegung. Die Tref-<br />

fen sind zudem häufig abgesagt worden, weil, so die Begründung, bei keinem Patien-<br />

ten Kurzzeitpflege in Frage kam.<br />

3.1.3 Die Rolle der Krankenhaussozialdienste bei der Patientenüberleitung<br />

Die Krankenhaussozialdienste nehmen bei der Patientenüberleitung eine zentrale Rol-<br />

le ein. Im Konzept zum Entlassmanagement der Universitätsklinik Heidelberg heißt es:<br />

„Im Krankenhaus ist es eine Aufgabe des Sozialdienstes, die Entlassung des Patienten<br />

zu planen und zu koordinieren und dabei neben der gesundheitlichen Situation auch<br />

seine soziale, berufliche und wirtschaftliche Situation zu berücksichtigen“. 17 Die Rolle<br />

der Sozialdienste wird in der Fachwelt indes auch kritisch gesehen und beklagt, dass<br />

sie sich oft als Einzelkämpfer verstehen und ein „Nischendasein“ führen, womit „ein<br />

Teil des sozialarbeiterischen Unterstützungspotentials für Patienten ungenutzt und für<br />

andere Berufsgruppe nicht nachvollziehbar bleibt“. 18 Pflegeüberleitungsansätze wie sie<br />

im Brebacher Modell erprobt werden sollten, tangieren immer auch gewachsene Struk-<br />

turen im Krankenhaus und beeinträchtigen damit, so Brandt, auch die Erfolgsaussich-<br />

ten dieser Ansätze. 19 Diese Annahme wird durch die Implementierungsschwierigkeiten<br />

des Brebacher Modells bestätigt. Die Bereitschaft, sich zu verständigen und eng zu-<br />

17 Universitätsklinikum Heidelberg (2004): Entlassmanagement der klinischen Sozialarbeit am Universitätsklinikum<br />

Heidelberg. www.med.uni-heidelberg.de/sozd/konzept: 1.<br />

18 Hedtke-Becker, Astrid; Lutz, Maren; Herzog, Wolfgang (2000): KISMED: Kooperationsprojekt Interdisziplinärer<br />

Sozialarbeit und Krankenhausmedizin. In: Evangelische Impulse (2000):5: 20.<br />

19 Vgl. Brandt, Franz (2005): a.a.O.: 98.<br />

17


sammenzuarbeiten, war in Brebach auf beiden Seiten zwar groß. Trotzdem ist es nicht<br />

gelungen, den Modellansatz zu realisieren:<br />

- Wenn am Ende eines Krankenhausaufenthaltes die Frage der Heimbedürftig-<br />

keit beantwortet werden muss, tragen die Sozialdienste zur Klärung wenig bei.<br />

In der Regel werden sie einbezogen, wenn die Entscheidung gefallen ist. Als<br />

Aufgabe bleibt ihnen, die leistungsrechtlichen Fragen zu klären, die erforderli-<br />

chen Anträge zu stellen und die Betroffenen bei der Suche nach einem Heim-<br />

platz zu unterstützen. Die Arbeitsteilung im Krankenhaus, so Schaeffer und<br />

Moers, sieht folgendermaßen aus: „Die Krankenhausärzte sind für die Ent-<br />

scheidung über die Zuweisung nach dem Krankenhaus erforderlicher Versor-<br />

gungsmaßnahmen zuständig, und die Sozialdienstmitarbeiter sind für die Um-<br />

setzung der getroffenen Versorgungsentscheidung verantwortlich“. 20<br />

- Auch im Brebacher Modell hat sich bestätigt, dass bei der Platzierungsent-<br />

scheidung die Einschätzung des Arztes ausschlaggebend ist. Er rät sehr früh,<br />

meist ohne Alternativen abzuwägen, zu einer Übersiedlung ins Heim. 21 Unter-<br />

suchungen zeigen, dass die entscheidenden Determinanten dabei nicht der<br />

Grad der Funktionsbeeinträchtigungen sind, sondern dass Alter und die Le-<br />

benssituation: „Bei gleichem Barthel-Index und allein lebend erhöhte sich das<br />

Risiko, in ein Pflegeheim entlassen zu werden, auf etwa das Doppelte, sofern<br />

der Patient der Gruppe der 80- bis 100-Jährigen angehörte“. 22 Wenn aber die<br />

Lebenssituation eine entscheidende Determinante ist, so ist es originäre Aufga-<br />

be der Sozialdienste, Ressourcen im ambulanten Bereich zu erschließen und<br />

dafür zu sorgen, dass der Patient in seiner Privatwohnung verbleiben kann.<br />

- Das würde aber bedeuten, dass die Sozialdienste ihr Profil schärfen müssten.<br />

Zu ihren Aufgaben dürften dann nicht nur die Klärung sozialversicherungsrecht-<br />

licher Fragen und die Vermittlung von Hilfe gehören. Das Spektrum müsste<br />

vielmehr eine ausführliche und strukturierte Sozialanamnese umfassen sowie<br />

das Erschließen von Ressourcen und ggf. das rechtzeitige Einbinden und Über-<br />

leiten des Patienten an externe Beratungsstellen. Ob die Einführung der Pfle-<br />

gestützpunkte hier zu einer Verbesserung der Patientenüberleitung führt oder<br />

„statt der Zusammenarbeit die Konkurrenzschiene gefahren wird“, bleibt abzu-<br />

warten. 23<br />

20 Schaeffer, Doris; Moers, Martin (1994): Überleitungspflege – Analyse eines Modells zur Regulation der<br />

Schnittstellenprobleme zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. In: Zeitschrift für Gesundheitswissenschaften<br />

2 (1994) 1: 7-25.<br />

21 Vgl. Maurer, Birgit in Teil A des vorliegenden Berichtes.<br />

22 Claußen, Gisela; Lucke, Christoph (2004): Zur Effektivität und Effizienz der stationären geriatrischen<br />

Behandlung bei hochbetagten Patienten. In: Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 37 (2004): 37-42.<br />

23 Gödecker-Geenen, Norbert (2001): Vernetzungsarbeit ist unser täglich Brot. Krankenhaus-Sozialdienst<br />

will mehr Steuerungsaufgaben übernehmen. In: krankenhausumschau (2001)12: 1083-1085.<br />

18


Mit der Implementierung der Pflegestützpunkte sind jedoch Chancen verbunden,<br />

die sich positiv auf die Rolle der Krankenhaussozialdienste auswirken könnten.<br />

Durch den im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz verankerten Rechtsanspruch ( § 7a<br />

SGB XI) auf Beratung wird der Beratungsarbeit und dem Fallmanagement im Ver-<br />

sorgungsprozess deutlich mehr Gewicht zugemessen als bisher. Ob diese neue<br />

Wertschätzung auch krankenhausinterne Entscheidungsabläufe verändern kann,<br />

bleibt abzuwarten. Die Beratungsarbeit am Ende eines Krankenhausaufenthaltes<br />

wird noch durch eine weitere gesetzliche Neuerung gestärkt.<br />

Mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes haben Versicherte nach<br />

§ 11 Abs.4 SGB V den Rechtsanspruch auf Versorgungsmanagement. Betont wird,<br />

dass bei der Krankenhausentlassung für einen nahtlosen Übergang zu sorgen und<br />

die Zusammenarbeit mit den Pflegeberatern (§ 7a SGB XI) zu sichern ist. Diesen<br />

Rechtsanspruch gilt es durchzusetzen. Die Kurzzeitpflege könnte dabei im Rahmen<br />

der integrierten Versorgung (§ 140 a bis 140 d) eine interessante und der Intention<br />

des Gesetzgebers entsprechende Rolle spielen. Hier gilt es innovative Ansätze zu<br />

entwickeln, die die Schnittstellen zwischen akutstationärer und ambulanter Versor-<br />

gung sowie zwischen den Kranken- und Pflegekassen durchlässiger machen und<br />

kooperativer gestalten.<br />

3.2 Die Beratungs- und Koordinierungsstellen (Beko-Stellen) im Kontext der<br />

Modellkurzzeitpflege<br />

Die rehabilitative Kurzzeitpflege ist mit der beim ASB räumlich angebundenen Beko-<br />

Stelle verknüpft worden. Der Beratungsbedarf der Zielgruppe war erwartungsgemäß<br />

relativ hoch:<br />

Tabelle 3: Beratungsbedarf der Kurzzeitpflegegäste (Mehrfachnennungen)<br />

Inhalt n=91 in %<br />

leistungsrechtliche Fragen<br />

Organisation von Hilfen<br />

Psychosoziale Unterstützung<br />

Wohnberatung<br />

Sonstiges<br />

65<br />

66<br />

38<br />

63<br />

3<br />

Knapp drei Viertel der Modellgäste mussten bei sozialversicherungsrechtlichen Fragen<br />

und bei der Organisation von Hilfen beraten und unterstützt werden. Der Anteil derjeni-<br />

gen, die einer Wohnberatung bedurften ist mit rund 70 Prozent ebenfalls verhältnismä-<br />

ßig hoch, wobei hier das Spektrum der Beratung vom Anbringen von Haltegriffen bis<br />

zum kompletten Umbau des Badezimmers reicht. Die Wohnberatung ist vom Mitarbei-<br />

71,4<br />

72,5<br />

41,8<br />

69,2<br />

3,3<br />

19


ter der Beko-Stelle gemeinsam mit der Ergotherapeutin durchgeführt worden. Eine<br />

psychosoziale Unterstützung war bei knapp 42 Prozent der Modellgäste erforderlich.<br />

Wegen eines personellen Wechsels konnte die hausinterne Beko-Stelle nach dem ers-<br />

ten Modelljahr nicht mehr in die Arbeit eingebunden werden. Als sich diese Änderung<br />

abzeichnete, nahm die Projektleitung umgehend Kontakt mit den Beko-Stellen des<br />

Stadtverbandes Saarbrücken auf, damit der Erfolg der Modellmaßnahme nicht durch<br />

die fehlende Beratung gefährdet wird, zumal der Beratungsbedarf für alle Beteiligten<br />

offensichtlich war.<br />

Die Beko-Stellen des Stadtverbandes Saarbrücken waren sofort bereit, mit dem Modell<br />

zusammen zu arbeiten und sich auf die speziellen Antragsmodalitäten einzulassen.<br />

Wichtig war ihnen der Hinweis auf ihre Neutralität, was etwas erstaunlich war, weil es<br />

kein vergleichbares Angebot im Einzugsbereich des Stadtverbandes gab. Das Betonen<br />

der Neutralität kann jedoch auch als Versuch der Distanzierung interpretiert werden. In<br />

den Gesprächen mit den Beko-Stellen hat die Projektleitung auf den umfassenden Be-<br />

ratungsbedarf der Modellgäste hingewiesen, worauf die Berater signalisierten, nur über<br />

begrenzte personelle Kapazitäten zu verfügen und Case Management deshalb nicht zu<br />

ihren Aufgaben gehöre.<br />

Bei komplexen Problemlagen ist jedoch das Case Management, und das ist fachlich<br />

unstrittig, die Methode der Wahl. Eine Studie des Spitzenverbandes Bund der Pflege-<br />

kassen zeigt, dass unter den Ratsuchenden, die im Anschluss an einen Krankenhaus-<br />

aufenthalt eine Beratungsstelle aufsuchen, die Mehrheit einer umfassenden Unterstüt-<br />

zung im Sinne des Case Managements 24 bedarf.<br />

In der Regel reagieren die Mitarbeiter der Beko-Stelle auf konkrete Anfragen, klären<br />

die dazu gehörigen sozialversicherungsrechtlichen Fragen und vermitteln die entspre-<br />

chenden Hilfen. Auf eine systematische Erfassung des Hilfebedarfes wird meistens<br />

verzichtet.<br />

Ein strukturiertes Vorgehen bei der Konkretisierung des Hilfebedarfes ist aber notwen-<br />

dig. Gerade wenn es sich um einen komplexen Hilfebedarf handelt, wissen die Ratsu-<br />

chenden oft nicht, welche Hilfen sie brauchen. Sie stehen vor einem Berg von Proble-<br />

men und da muss ihnen jemand den Weg zeigen, den sie gehen können, ohne sich zu<br />

überfordern. Und in nicht wenigen Fällen ist der Weg kompliziert, mit vielen Abzwei-<br />

gungen und da müssen die Betroffenen auf dem Weg begleitet werden, wenn sie ans<br />

Ziel kommen sollen.<br />

Wenn bei der flächendeckenden Einführung der Pflegestützpunkte im Saarland auf<br />

bewährten Strukturen aufgebaut werden sollte, was per se sinnvoll ist, bieten sich die<br />

24 Schweizer, Carola (2007): Das Modell aus der Perspektive der Ratsuchenden und der Profis - Ergebnisse<br />

der qualitativen Untersuchung. In: <strong>Abschlussbericht</strong> zur Evaluation der Effektivität und Effizienz<br />

eines integrierten Versorgungssystems für ältere hilfs- und pflegebedürftige Menschen am Beispiel der<br />

Pflege- und Wohnberatung in Ahlen. Download unter www.vdak-aev.de.<br />

20


Beko-Stellen natürlich dafür an. Nur dann muss auch das methodische Defizit behoben<br />

werden. Mängel in der Qualität der Beratungsarbeit sind aber kein rein saarländisches<br />

Problem. Eine bundesweite Umfrage der Katholische Fachhochschule Münster zeigt,<br />

dass 54 Prozent der Beratungsstellen zwar angeben, mit der Methoden des Case Ma-<br />

nagements zu arbeiten, jedoch nur 19 Prozent der Beratungsstellen über die entspre-<br />

chenden Standards verfügen und lediglich 8,4 Prozent der Mitarbeiter eine Weiterbil-<br />

dung zum Thema Case Management absolviert haben. 25 Bei der flächendeckenden<br />

Implementierung der Pflegestützpunkte werden die Qualifizierungsrichtlinien der Pfle-<br />

gekassen nicht ausreichen. Die Länder müssen sich vielmehr auf eine bundeseinheitli-<br />

che Qualifizierungsstrategie verständigen.<br />

Das Brebacher Modell hätte sehr davon profitieren können, wenn ein professionelles<br />

Beratungsangebot (inklusive Case Management) integriert gewesen wäre. Die Pflege-<br />

kräfte und die Therapeutin haben sich zwar auf eine beachtliche Art und Weise be-<br />

müht, die soziale Situation des Kurzzeitpflegegastes bei der Versorgungsplanung zu<br />

berücksichtigen, nur sie sind für die Beratungsarbeit nicht qualifiziert. Sie sind mit ge-<br />

sundem Menschenverstand vorgegangen, was viel Wert, aber für eine professionelle<br />

Versorgungsinfrastruktur nicht ausreichend ist.<br />

3.3 Die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten<br />

In der Modellkonzeption ist zunächst vorgesehen gewesen, dass die rehabilitative<br />

Kurzzeitpflege mit einem Praxisnetz kooperiert und die Ärzte an einem Jour fix zu Fall-<br />

besprechungen in die Einrichtung kommen. Dieser Modellbaustein ist „etwas blauäu-<br />

gig“, so die Projektleitung, konzipiert worden, weil nicht bedacht wurde, dass die Mehr-<br />

zahl der Modellgäste von Ärzten behandelt wird, die dem Praxisnetz nicht angehören.<br />

In Teil A ist der Eindruck vermittelt worden, das Praxisnetz habe sich vor allem deshalb<br />

am Modellversuch beteiligt, weil erwartet wurde, Leistungen außerhalb des Budgets<br />

erbringen zu können. Dieser Eindruck lässt sich nicht ganz von der Hand weisen. Als<br />

klar war, dass dies nicht möglich ist, hatte das Praxisnetz kein Interesse mehr, sich am<br />

Modellversuch zu beteiligen.<br />

In der Modelllaufzeit sind die 91 Modellgäste von insgesamt rund 50 Ärzten behandelt<br />

worden. Diese Vielzahl von Ärzten ließ sich nicht in eine systematische Zusammenar-<br />

beit einbinden. Alle zuständigen Ärzte sind mit einer Kurzkonzeption schriftlich infor-<br />

miert und von der Pflegedienstleitung nochmals telefonisch über das Modell unterrich-<br />

25 Mennemann, Hugo; Schmidt, Christine (2007): Kernprozesse von Pflege- und Wohnberatungsstellen.<br />

In: <strong>Abschlussbericht</strong> zur Evaluation der Effektivität und Effizienz eines integrierten Versorgungssystems<br />

für ältere hilfe- und pflegebedürftige Menschen am Beispiel der Pflege- und Wohnberatung in Ahlen.<br />

Download unter www.vdak-aev.de.<br />

21


tet worden. Am Ende der Kurzzeitpflege erhielten die Ärzte einen ausführlichen Ab-<br />

schlussbericht über den Verlauf und das Ergebnis der Modellmaßnahme.<br />

Reaktionen auf die ausführlichen Informationen gab es nur wenige und wenn dann nur<br />

mittelbar über die Patienten. Ein ehemaliger Kurzzeitpflegegast berichtete, dass sein<br />

Hausarzt mit Blick auf <strong>Abschlussbericht</strong> zu ihm sagte: „Dort sind Sie aber gut versorgt<br />

worden“. Konkrete Nachfragen in der Einrichtung waren aber die Ausnahme.<br />

In Tabelle 4 wird deutlich, dass rund ein Drittel der Kurzzeitpflegegäste von ihren Ärz-<br />

ten nicht in der Kurzzeitpflege besucht wurde. Die Heilmittelrezepte sind nach telefoni-<br />

scher Absprache mit den Pflegekräften, der Ergotherapeutin und/oder den Angehöri-<br />

gen ausgestellt worden.<br />

Tabelle 4: Häufigkeit der Arztbesuche in der Kurzzeitpflege<br />

Anzahl der Besuche n = 91<br />

0<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

8<br />

keine Angabe<br />

36<br />

24<br />

13<br />

12<br />

1<br />

1<br />

2<br />

1<br />

1<br />

Knapp die Hälfte der Modellgäste sind ein bis drei Mal von ihren Hausärzten in der<br />

Kurzzeitpflege aufgesucht worden. In wenigen Fällen (6 Gäste) auch wöchentlich oder<br />

mehrmals in der Woche.<br />

Da rund 55 Prozent der Modellgäste während der Kurzzeitpflege den Hausarzt entwe-<br />

der nicht oder nur einmal gesehen haben, ist die Kritik der Projektleitung berechtigt,<br />

dass man eine Systematisierung der Zusammenarbeit nicht überstrapazieren sollte.<br />

Insofern wäre es sinnvoll, zunächst zu klären, wie groß der Bedarf an ärztlicher Be-<br />

handlung tatsächlich ist und wo die Defizite in der medizinischen Versorgung liegen.<br />

Die Pflegedienstleitung sieht die Defizite vor allem im Bereich der Medikation. Hier wer-<br />

den Medikamente verordnet, die ihrer Meinung nach nicht sinnvoll sind, für den älteren<br />

Patienten sogar gefährlich sein können. 26 Um die Versorgung diesbezüglich zu verbes-<br />

sern, aber auch um die Ärzte an die Modelleinrichtung zu binden, initiierte die Pflege-<br />

dienstleitung gemeinsam mit dem Chefarzt der Geriatrischen Klinik eine Fortbildungs-<br />

veranstaltung, die die „Medikation beim älteren Patienten“ zum Thema hatte. Obwohl<br />

rund 200 Einladungen verschickt wurden und die Fortbildung von der Landesärzte-<br />

26 Vgl. Maurer, Birgit in Teil A des vorliegenden Berichtes.<br />

22


kammer anerkannt war (Fortbildungspunkte), nahmen nur drei Ärzte an der Veranstal-<br />

tung teil.<br />

Die Modellmaßnahme hatte keinen nennenswerten Einfluss auf die Zusammenarbeit<br />

zwischen Kurzzeitpflege und den niedergelassenen Ärzten: Abhängig von einzelnen<br />

Ärzten ist sie entweder unverändert gut oder unverändert schlecht geblieben. Für die<br />

Ärzte war die Ergotherapeutin in der Kurzzeitpflege eine Neuerung, aber auch hier kam<br />

der der Anstoß zum Austausch nicht von den Ärzten, sondern von der Therapeutin:<br />

„Wenn ein Arzt hierher kam, dann bin ich auf ihn zu gegangen. Weil sie sich wenig<br />

dafür interessiert haben, wer hier alles durch die Gänge läuft. Die Zusammenarbeit<br />

hätte wesentlich besser sein können. Wenn das Wort Ergotherapie gefallen ist, reagierten<br />

sie ganz schnell und sagten ‚habe ich nicht verordnet’. Also trotz Kurzkonzeption<br />

und mündlicher Information war das Modell nicht wirklich in ihren Köpfen. Außerdem ist<br />

die Ergotherapie bei ihnen immer noch ein Stiefkind. Für die Zeit nach der Kurzzeitpflege<br />

ist maximal Physiotherapie verordnet worden. Die Ärzte haben immer mit dem<br />

Kostendruck argumentiert. Aber es gab auch einzelne Ärzte, die haben den Therapiebericht<br />

gelesen, waren interessiert und haben dann auch noch mal Behandlungen verordnet.<br />

Wohlgemerkt es ging nicht um Langzeitverordnungen, sondern nur darum, im<br />

häuslichen Bereich noch mal zu trainieren und anzuleiten“ (I:511).<br />

Die Frage, welcher Weg eingeschlagen werden müsste, um die Zusammenarbeit zwi-<br />

schen Kurzzeitpflegeangebot und niedergelassenen Ärzten zu verbessern, ist schwie-<br />

rig zu beantworten. Abgesehen davon, dass der Austausch strukturiert erfolgen sollte<br />

(gemeinsame Visiten, gemeinsame Dokumentation), müssen vordringlich die Kenntnis-<br />

lücken im Bereich der Geriatrie behoben werden. Hier sind die Landesärztekammern<br />

und Hausärzteverbände gefordert entsprechende Qualifizierungsstrategien zu entwi-<br />

ckeln.<br />

3.4 Die Zusammenarbeit mit dem MDK und den Pflegekassen<br />

Ein Grund, warum die Kurzzeitpflege nicht häufiger genutzt wurde, liegt auch darin,<br />

dass die Frage der Kostenübernahme nicht rechtzeitig geklärt wurde. Die Versicher-<br />

ten, die nicht schon vor dem Krankenhausaufenthalt „eingestuft“ waren, sondern bei<br />

denen die Erstbegutachtung anstand, haben in der Regel erst Wochen nach dem Auf-<br />

enthalt in der Kurzzeitpflege die Mitteilung der Pflegekassen erhalten. Im Zweifelsfall<br />

begeben sich deshalb nur diejenigen in die Kurzzeitpflege, die die Kosten ggf. selbst<br />

tragen können.<br />

Um dieses Verfahren zu beschleunigen, wurde mit dem MDK und den Vertretern der<br />

Pflegekassen ein „Eilverfahren“ vereinbart, mit eigenem Deckblatt und telefonischer<br />

„Vorankündigung“ 27 der Antragstellung. Beim MDK führte das zu einer Beschleunigung<br />

des Verfahrens, die Begutachtungen erfolgten daraufhin deutlich zeitnaher. Die Bear-<br />

beitungszeiten bei den Pflegekassen blieben dagegen unverändert lang und lagen<br />

27 Vgl. Maurer, Birgit: Teil A im vorliegenden Bericht.<br />

23


weit über den gesetzlichen Vorgaben. Mit einer Ausnahme ist keine Mitteilung inner-<br />

halb der vierwöchigen Kurzzeitpflege eingegangen. Im Pflege-Weiterentwicklungsge-<br />

setz (§ 18) sind Bearbeitungszeiten rechtsverbindlich geregelt:<br />

„… Befindet sich der Antragssteller im Krankenhaus oder in einer stationären Rehabilitationseinrichtung<br />

und<br />

1. liegen Hinweise vor, dass zur Sicherstellung der ambulanten oder stationären Weiterversorgung<br />

und Betreuung in der Einrichtung erforderlich ist … ist die Begutachtung<br />

dort unverzüglich , spätestens innerhalb einer Woche nach Eingang des Antrags<br />

bei der zuständigen Pflegekasse durchzuführen …<br />

Die Entscheidung der Pflegekasse ist dem Antragsteller unverzüglich nach Eingang<br />

der Empfehlung des Medizinischen Dienstes bei der Pflegekasse schriftliche mitzuteilen“.<br />

Im Begründungstext zum Gesetz steht dazu: „Pflegebedürftige Menschen und ihre<br />

Angehörigen müssen schnelle Entscheidungen über die von ihnen beantragte Leis-<br />

tung erhalten, um die Pflege zeitnah planen und organisieren zu können“. Es gibt also<br />

keine rechtlichen Lücken, die bestehenden Vorgaben müssen nur erfüllt werden.<br />

Ein Problem, und darauf weisen die Gutachter des MDK zu recht hin, ist allerdings die<br />

Begutachtung während oder kurz nach der akutstationären Phase. In vielen Fällen, so<br />

die begutachtenden Ärzte, könne man nicht „guten Gewissens prognostizieren“, ob<br />

der Patient in sechs Monaten noch den gleichen oder einen höheren oder einen deut-<br />

lich geringeren Pflegebedarf aufweisen wird. Deshalb müsse, wenn die Kurzzeitpflege<br />

als Element der Nachsorge genutzt werden soll, eine Lösung gefunden werden, die<br />

diesem Sachverhalt Rechnung trägt.<br />

Trotz der an sich guten Abstimmung zwischen MDK und Modellkurzzeitpflege ließen<br />

sich bis zum Modellende nicht alle Spannungen ausräumen. Wie in Teil A beschrie-<br />

ben, verursachte vor allem die wenig flexible Haltung des MDK bei der Terminierung<br />

der Begutachtungen 28 immer wieder Ärger. Die Begutachtung wurde oft in einer Zeit-<br />

spanne zwischen 7:30 Uhr und 13:00 Uhr anberaumt, was vor allem dann nicht trag-<br />

bar war, wenn Angehörige bei der Begutachtung dabei sein wollten. Hier strahlt der<br />

MDK eine starke „Behördenmentalität“ aus, die allen Planungsschwierigkeiten zum<br />

Trotz, überwunden werden muss.<br />

3.5 Fazit zur schwierigen Implementierung des Modellansatzes<br />

28 Ebd.<br />

- Die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI kann nur dann funktionieren, wenn<br />

Krankenhaus und Kurzzeitpflege strukturiert zusammen arbeiten und die<br />

Kurzzeitpflege als Phase der Abklärung immer dann in Erwägung gezogen<br />

wird, wenn Aufnahmen in die stationäre Pflege anstehen. Dazu ist es not-<br />

wendig, dass die Krankenhaussozialdienste in diesen Entscheidungsprozess<br />

24


eingebunden werden, weil nur sie über die notwendige Kompetenz und die<br />

Infrastrukturkenntnisse verfügen. Die „Aufgabenteilung“ – der Arzt entschei-<br />

det, der Sozialdienst führt aus – muss überwunden werden. Dafür müssen<br />

die Krankenhaussozialdienste aber auch ihr Profil schärfen und sich mit ho-<br />

her Professionalität in den Entscheidungsprozess einbringen.<br />

- Die „fallabschließende“ Behandlung im Rahmen der Geriatrischen Komplex-<br />

behandlung ist ein Mythos. Die durchschnittlichen Verweildauern in den Geri-<br />

atrien liegen in der Regel unter 20 Tagen. In diesem Zeitrahmen ist ein geriat-<br />

rischer Patient mit einem komplexen Hilfebedarf nicht so zu versorgen, dass<br />

er keiner weiteren Abklärung und keiner weiteren Unterstützung mehr bedarf.<br />

- Die Pflegekassen müssen stärker bemüht sein, gesetzlich vorgeschriebene<br />

Fristen einzuhalten. Sonst können Leistungselemente wie die Kurzzeitpflege<br />

nach § 42 SGB XI nicht in der vom Gesetzgeber intendierter Weise realisiert<br />

werden.<br />

- Positiv auf die Kurzzeitpflege könnten sich die neuen Regelungen im GKV-<br />

Wettbewerbsstärkungsgesetz (Versorgungsmanagement nach § 11 SGB V)<br />

auswirken. Eine (modellhafte) Verzahnung von Entlassungsplanung im Kran-<br />

kenhaus, rehabilitativer Kurzzeitpflege und geriatrisch qualifizierten niederge-<br />

lassenen Ärzten im Rahmen der integrierten Versorgung (§ 140 SGB V) wäre<br />

eine Möglichkeit, nicht nur Fehl- und Unterversorgung pflegebedürftiger Men-<br />

schen zu vermeiden, sondern die Qualität der geriatrischen Versorgung im<br />

ambulanten Bereich zu verbessern. Voraussetzung wäre aber auch hier, ge-<br />

zielt fachliche und qualifikatorische Standards an den Versorgungsauftrag zu<br />

knüpfen.<br />

25


4. Das multiprofessionelle Team<br />

„Von einem Team spricht man, wenn eine Gruppe von fachlich unterschiedlich spezia-<br />

lisierten Menschen an einem Ziel arbeitet, in der Zusammenarbeit fortlaufend auf Ko-<br />

ordination und Kommunikation angewiesen ist und der Arbeitserfolg von keinem für<br />

sich allein erreicht werden kann“. 29 Die Modellkonzeption sieht vor, dass das Kernteam<br />

des Modells sich aus den Pflegekräften, der Ergotherapeutin und dem Mitarbeiter der<br />

im Haus angesiedelten Beratungs- und Koordinierungsstelle (Beko-Stelle) zusammen-<br />

setzt. Die Therapeuten der Geriatrischen Klinik, ihre niedergelassenen Kollegen und<br />

die zuständigen Haus- und Fachärzte wären assoziierte Teammitglieder gewesen, mit<br />

denen in wöchentlichen Fallbesprechungen die Vorgehensweise hätte abgestimmt<br />

werden sollen. Aus folgenden Gründen ließ sich die Teamarbeit in dieser Form nicht<br />

realisieren:<br />

- Wegen des Ausfalls der poststationären Therapien kam es zu keiner engeren Zu-<br />

sammenarbeit mit den Kliniktherapeuten. Der Austausch beschränkte sich auf die<br />

Erstellung eines Therapieberichtes, der den Entlassungsunterlagen beigefügt und<br />

der rehabilitativen Kurzzeitpflege zur Verfügung gestellt wurde. Über diese schriftli-<br />

che Information hinaus, gab es lediglich sporadische Kontakte bei speziellen Nach-<br />

fragen.<br />

- Die niedergelassenen Ärzte ließen sich nicht in den Teamprozess einbinden, wobei<br />

die grundsätzliche Kritik von Maurer 30 an dem konzeptionellen Ansatz berechtigt ist.<br />

Da die Modellgäste von unterschiedlichen Hausärzten behandelt wurden, war die<br />

Konzipierung eines Jour fix’, an dem alle beteiligten Ärzte teilnehmen, tatsächlich<br />

etwas praxisfremd. Im Modellverlauf hat man sich darauf beschränkt, sich zeitlich<br />

auf den jeweiligen Arzt einzustellen, um gemeinsame Visiten sicherzustellen.<br />

- Die Zusammenarbeit mit den städtischen Beko-Stellen war zwar gut, aber aufgrund<br />

der räumlichen Distanz und der „Neutralität“ der Beko-Stellen konnten die Mitarbei-<br />

ter nicht ins Kernteam integriert werden.<br />

Im Kernteam des Brebacher Modells waren letztlich nur zwei statt drei Professionen<br />

vertreten: die Ergotherapie und die Pflege. Die Abstimmung mit den niedergelassenen<br />

Therapeuten erfolgte jedoch ebenfalls in einer gewissen Systematik.<br />

Mit der niedergelassenen Praxis für Physiotherapie wurde vereinbart, dass die Maß-<br />

nahmen nicht von ständig wechselnden Therapeuten erbracht werden, sondern die<br />

personelle Kontinuität sichergestellt sein muss. Bevor die Therapeuten morgens mit<br />

den Behandlungen anfingen, fand eine kurze Fallbesprechung statt, in der ihre Vorge-<br />

hensweise mit jener der Pflegekräften und der Ergotherapeutin abgestimmt wurde.<br />

29 Runge, Martin; Rehfeld, Gisela (1995): Geriatrische Rehabilitation im Therapeutischen Team, Stuttgart,<br />

New York: 153.<br />

30 Maurer, Birgit: Teil A des vorliegenden Berichtes.<br />

26


Alle physiotherapeutischen Leistungen sind in der gemeinsamen Dokumentation fest-<br />

gehalten worden.<br />

Die Leitung des Teams oblag der Pflegedienstleitung. Sie koordinierte und überprüfte<br />

Informationen, Ziele, Planungen und Handlungen. Ihr berufliches Selbstverständnis<br />

lässt sich mit einer Definition von Runge und Rehfeld beschreiben: Die Leitungsaufga-<br />

be „besteht in der Angleichung der Kenntnisse und Kompetenz im fachlichen und per-<br />

sönlichen Bereich und der Kontrolle über die Einhaltung des Konzeptes“. 31 Ein Vorzug<br />

der Pflegedienstleitung ist, dass sie – auch in der „normalen“ Kurzzeitpflege – struktu-<br />

riert vorgeht, neue pflegewissenschaftliche Erkenntnisse in den Pflegealltag integriert,<br />

zugleich die Kompetenzgrenzen kennt und deshalb bei Bedarf – zum Beispiel beim<br />

Wundmanagement – externe Fachkräfte hinzuzieht. Das pflegerisch-therapeutische<br />

Vorgehen ist in Teil A dieses Berichts beschrieben. Dabei sind alle Elemente enthal-<br />

ten, die in der Teamarbeit im Bereich der Geriatrie wichtig sind:<br />

Pflegerisch-therapeutisches Vorgehen:<br />

Assessment<br />

Planung<br />

Zielformulierung<br />

Dokumentation<br />

Evaluation<br />

<strong>Abschlussbericht</strong>e<br />

Beratung der Angehörigen<br />

Nachsorgevorbereitung<br />

Nachsorgebesuch (präventiver Hausbesuch)<br />

Konkretisierung des Hilfe- und Pflegebedarfs<br />

Vermittlung von Hilfen<br />

Voraussetzung für eine funktionierende Teamarbeit ist, dass Verantwortlichkeiten und<br />

Entscheidungsbefugnisse klar geregelt sind. Es müssen die jeweiligen Kompetenzen<br />

und Kompetenzgrenzen abgesteckt und die Zusammenarbeit muss von gegenseiti-<br />

gem Respekt getragen werden.<br />

Folgende Aspekte waren für die funktionierende Zusammenarbeit im Kernteam und<br />

mit den assoziierten Partnern (Physiotherapie, Beko-Stelle) ausschlaggebend:<br />

- Die Pflegedienstleitung, wie auch ihre Stellvertreterin waren von der Modellkonzep-<br />

tion überzeugt und haben sich engagiert für die Umsetzung des Modellprojekts ein-<br />

gesetzt. Viel Überzeugungsarbeit mussten sie dennoch nicht leisten. Die Pflege-<br />

31 Runge, Martin; Rehfeld, Gisela (1995) a.a.O.: 153.<br />

27


kräfte waren an der Realisierung des Modells interessiert. Sie sahen darin eine<br />

Chance, den Fortbestand der solitären Kurzzeitpflege zu sichern. Die positive Hal-<br />

tung der Pflegedienstleitung ist dennoch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass<br />

das Modell von den Mitarbeitern akzeptiert und motiviert umgesetzt wird.<br />

- Die Integration der Ergotherapeutin ins Team ist reibungslos gelungen. Für die Er-<br />

gotherapeutin war das nicht selbstverständlich. Sie berichtete von ihren Erfahrun-<br />

gen aus anderen Einrichtungen, wo sich Pflegekräfte oft benachteiligt fühlten und<br />

den Therapeuten vorgeworfen haben, sich „luxuriös viel Zeit“ für einzelne Verrich-<br />

tungen zu gönnen. „Oder es war so, dass die Pflege vormittags ein anderes Ziel<br />

verfolgte als die Therapeuten nachmittags. Die Pflege arbeitet oft unter Zeitdruck<br />

und hat dann nur das Ziel ‚wir müssen unser Pensum schaffen’. Als Ergotherapeut<br />

bringt man dann nur den Zeitplan durcheinander. Das ist oft sehr schwierig“ (I:520).<br />

- Warum im Brebacher Modell kaum Konkurrenzgefühle zwischen den Berufen auf-<br />

getreten sind, lag u.a. daran, dass die Ergotherapeutin berufserfahren war und die<br />

Kompetenz der Pflegekräfte schätzte: „Sie machen sehr gut Arbeit und man merkt,<br />

dass die Pflege gut vorbereitet in das Modell eingestiegen ist“ (I:515).<br />

4.1 Verbesserung der Pflegequalität<br />

Ein Modellziel war, durch die Integration therapeutischer Maßnahmen in den Pflege-<br />

prozess für eine stärkere rehabilitative Orientierung in der Pflege zu sorgen. In der Zu-<br />

sammenarbeit mit der Ergotherapeutin sollten die Pflegekräfte lernen, Aktivierungspo-<br />

tentiale der Pflegebedürftigen zu erkennen und mit den richtigen Maßnahmen darauf<br />

zu reagieren. Im Modell ging es nicht primär um ein multiprofessionelles, sondern um<br />

ein transdisziplinäres Arbeiten. Die verschiedenen Berufe sollten in ihre Arbeit jeweils<br />

Elemente der anderen Professionen übernehmen.<br />

Zwischen Pflege und Therapie wird oft der Unterschied gemacht, dass die Pflege, die<br />

einzige Profession sei, „die ohne sektorielle Beschränkung für jeden … Patienten zu-<br />

ständig ist“. 32 Diese sektorielle Beschränkung trifft in dieser Strenge nicht auf die Ar-<br />

beitsweise der Ergotherapeutin im Pflegeteam zu. Auch die Therapeutin muss den<br />

Pflegebedürftigen „konsequent im Zusammenhang mit Biographie, kultureller Herkunft,<br />

persönlicher Wertsetzung und Zielsetzung und familiärem, gesellschaftlichem und öko-<br />

logischem Umfeld“ sehen. 33 Wir lernen, so die Ergotherapeutin, „vom ganzheitlichen<br />

Blick der Pflege“. Und was lernt die Pflege?<br />

Die Pflege profitiert vor allem davon, dass Aktivierungspotentiale systematischer er-<br />

fasst und fachgerechter ausgeschöpft werden. Der Wechsel der fachlichen Perspekti-<br />

32 Ebd.: 154.<br />

33 Ebd.: 156.<br />

28


ven beim Wasch- und Anziehtraining oder beim Anreichen des Essens erleichtert es,<br />

die eigene Vorgehensweise zu reflektieren. Der größte Nutzen, so die Pflegekräfte,<br />

liege aber in der verbesserten Hilfsmittelversorgung und beim Training der Gangsi-<br />

cherheit.<br />

Die Definition der ‚Bezugspflege’ durfte im Modell nicht zu eng ausgelegt werden. Die<br />

Pflege legte zum Beispiel bei inkontinenten Gästen Wert darauf, täglich auf Hautverän-<br />

derungen achten und den Intimbereich pflegen zu können. In diesen Fällen wurde das<br />

Wasch- und Anziehtraining der Ergotherapeutin auf den Oberkörper beschränkt: „Erst<br />

war es für die Gäste seltsam, dass morgens zwei Leute zum Waschen kamen. Aber<br />

sie haben das sehr schnell akzeptiert und auch gut geheißen, weil sie merkten, dass<br />

sie angelernt werden“ (I:403).<br />

Eine positive Wirkung auf die Qualität der Versorgung hatten die „diagnostischen“<br />

Hausbesuche. Bei jedem Modellgast, der damit einverstanden war, ist ein solcher<br />

durchgeführt worden, wenn möglich gemeinsam mit dem Modellgast. In der häuslichen<br />

Umgebung sind dann die notwendigen Wohnraumadaptationen besprochen und bei<br />

Bedarf in die Wege geleitet worden. Wenn ein umfassendes Hilfesetting arrangiert wer-<br />

den musste, wurden die Beko-Stellen hinzugezogen. Bei diesen Besuchen ist den Be-<br />

troffenen mitgeteilt worden, dass die Ergotherapeutin in sechs Monaten erneut Kontakt<br />

mit ihnen aufnehmen wird, um ggf. die Hilfen anzupassen.<br />

Ein halbes Jahr nach Beendigung der Maßnahme telefonierte die Ergotherapeutin mit<br />

den ehemaligen Modellgästen oder ihren Angehörigen und bot einen Hausbesuch an.<br />

Diese Nachsorgebesuche haben eine stark präventive Wirkung. In wenigen Fällen sind<br />

sie aber als „Kontrollbesuche“ (miss)verstanden worden. Insofern erklärt sich, warum<br />

einzelne Betroffene auf den Anruf schroff reagierten und den Besuch ablehnten: „Es<br />

braucht niemand vorbei zu kommen. Es ist alles organisiert. Wir machen alles richtig.“<br />

Von der Mehrheit sind die Besuche – sogar bei anfänglicher Skepsis – dankbar ange-<br />

nommen worden. Die Ergotherapeutin konnte in der Regel neue und wichtige Tipps<br />

geben. Oft sind es Kleinigkeiten, wie ein bestimmtes Hilfsmittel oder ein neuer Hand-<br />

lauf, die dem Pflegebedürftigen und der Pflegeperson die Bewältigung des Alltags er-<br />

leichtern und die soziale Teilhabe verbessern. Wenn die Ergotherapeutin den Eindruck<br />

hatte, die Situation hat sich verschlechtert, die Pflegeperson ist überlastet, wurde die<br />

Beko-Stelle eingeschaltet.<br />

Von den Pflegekräften wie auch von den Therapeuten ist die Zusammenarbeit als Ge-<br />

winn für die eigene Fachlichkeit und als Aufwertung der pflegerischen Arbeit einge-<br />

schätzt worden. Positiv wurde aber allem der Nutzen für die Kurzzeitpflegegäste gese-<br />

hen. Es gab immer wieder Gäste oder Angehörige, die in der Modelllaufzeit ein zweites<br />

Mal auf die Einrichtung zukamen und das Angebot erneut in Anspruch nehmen wollten,<br />

weil „es so gut getan habe“. Solche Rückmeldungen und eine spannungsfreie Teamar-<br />

29


eit erhöhe, so die Einschätzung der Pflegekräfte, die Arbeitszufriedenheit und mache<br />

die Arbeit in der Pflege attraktiver.<br />

4.2 Fazit zur Verbesserung der Pflegequalität<br />

- Die transdisziplinäre Zusammenarbeit in einem pflegerisch-therapeutischen Team<br />

wird von beiden Seiten als fachlicher Gewinn angesehen. Die Pflege wird sensibili-<br />

siert für die Aktivierungspotentiale des Pflegebedürftigen und lernt, adäquat darauf<br />

zu reagieren. Auch die Therapeuten lernen vom „ganzheitlichen Blick“ der Pflege.<br />

Sie sehen ihre Maßnahmen nicht mehr nur unter dem Aspekt des funktionellen Zu-<br />

gewinns, sondern primär im Kontext der Alltagsbewältigung und der Teilhabemög-<br />

lichkeiten.<br />

- Zu den Voraussetzungen für eine weitgehend spannungsfreie Teamarbeit gehören:<br />

die Offenheit gegenüber Veränderungen, die Bereitschaft eigene Routinen zu<br />

überdenken, der gegenseitige Respekt und die Bereitschaft, sich auf ein gemein-<br />

sames Ziel zu verständigen. Für dieses innovationsfreundliche Klima ist die Hal-<br />

tung der Pflegedienstleitung entscheidend. Sie muss die Haltung „vorleben“. Steile<br />

Hierarchien sind dagegen hinderlich.<br />

- Niedergelassene Ärzte in (nichtärztliche) Versorgungsprozesse einzubinden, ge-<br />

lingt möglicherweise erst, wenn die Geriatrie in der Medizin einen anderen Stellen-<br />

wert bekommt. Es sind nicht allein fehlende finanziellen Anreize, die die Zusam-<br />

menarbeit erschweren. Das geriatrische Basisassessment wird beispielsweise ver-<br />

gütet, vielen Ärzten, so die Erfahrung im Modell, kennen es aber nicht. Angesichts<br />

des demographischen Wandels müsste es eine vordringliche Aufgabe der ärztli-<br />

chen Fach- und Berufsverbände sein, die Versorgung geriatrischer Patienten zu<br />

verbessern. Ärzte sind nicht dann geriatrisch qualifiziert, wenn sie viele ältere Pati-<br />

enten in ihren Praxen behandeln, sondern wenn sie auf dem aktuellen Stand des<br />

Fachdiskurses sind.<br />

30


5. Zielgruppe<br />

Die Zielgruppe des Modellvorhabens sind Patienten eines Krankenhauses, die nicht<br />

mehr einer Behandlung im Krankenhaus bedürfen, aber weiterhin auf Hilfe und Pflege<br />

angewiesen sind und für die ein zeitlich begrenzter Aufenthalt in einer rehabilitativ ori-<br />

entierten Kurzzeitpflege indiziert ist. Der Modellträger ging davon aus, vor allem hoch-<br />

altrige und funktionell stark beeinträchtige Pflegebedürftige zu erreichen, die schon vor<br />

der Akuterkrankung auf Fremdhilfe angewiesen waren. Im Folgenden wird die Ziel-<br />

gruppe anhand der soziodemographischen Daten und ausgewählter Daten zum Hilfe-<br />

und Pflegebedarf beschrieben. Die Daten sind im Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis<br />

zum 30. November 2008 erhoben worden.<br />

5.1 Soziodemographischer Hintergrund<br />

Tabelle 5: Alter und Geschlecht<br />

n = 91 Jünger als<br />

70 Jahre<br />

Männer<br />

Frauen<br />

insgesamt<br />

2<br />

1<br />

3<br />

70 - 74 75 - 79 80 - 84 85 - 89 90 Jahre<br />

und älter<br />

0<br />

11<br />

11<br />

7<br />

11<br />

18<br />

Knapp drei Viertel (73%) der Probanden sind Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei<br />

82,3 Jahren. Rund 65 Prozent der Probanden sind älter als 80 Jahre alt. Die stärkste<br />

Altersgruppe (35%) sind die 85 bis 89-Jährigen. Über 85 Jahre alt sind mehr als 45<br />

Prozent der Kurzzeitpflegegäste.<br />

Tabelle 6: Familienstand<br />

ledig<br />

verheiratet<br />

verwitwet<br />

geschieden/getrennt<br />

lebend<br />

keine Angabe<br />

n = 91 in %<br />

4<br />

23<br />

61<br />

2<br />

1<br />

4,4<br />

25,3<br />

67,0<br />

2,2<br />

1,1<br />

Zwei Drittel der Kurzzeitpflegegäste sind verwitwet, angesichts des hohen Durch-<br />

schnittalters ist dies zu erwarten gewesen. Bemerkenswert ist aber, dass die meisten<br />

unter ihnen allein im eigenen Haushalt leben. Gemeinsam mit dem Ehepartner leben<br />

4<br />

14<br />

18<br />

11<br />

21<br />

32<br />

1<br />

8<br />

9<br />

31


noch 22 Prozent. Mit den Kindern zusammen leben nur etwa 9 Prozent. Andere Le-<br />

bensformen fallen nicht ins Gewicht.<br />

Tabelle 7: Haushaltsstruktur/Lebenssituation<br />

allein im eigenen Haushalt<br />

mit (Ehe)Partner<br />

mit Partner und Kind(er)<br />

mit Kind(er)<br />

mit anderen Personen<br />

im Betreuten Wohnen<br />

Sonstiges<br />

5.2 Pflege- und Hilfebedarf<br />

n = 91 in %<br />

57<br />

20<br />

Tabelle 8: Pflegestufen nach Altersgruppen<br />

Altersgruppen Keine Antragsver-<br />

fahren läuft<br />

70 Jahre u. jünger<br />

71-75 Jahre<br />

76-80 Jahre<br />

81-85 Jahre<br />

86-90 Jahre<br />

über 90 Jahre<br />

1<br />

2<br />

-<br />

1<br />

-<br />

-<br />

1<br />

7<br />

3<br />

2<br />

-<br />

63,3<br />

22,2<br />

1,1<br />

7,8<br />

3,3<br />

2,2<br />

-<br />

PS I PS II PS III<br />

insgesamt 4 28 26 7 1<br />

2<br />

3<br />

3<br />

12<br />

7<br />

1<br />

Bei den Daten zu den Pflegestufen fällt auf, dass der Anteil der Probanden, bei denen<br />

keine Angaben gemacht wurden, mit 27 Prozent unverhältnismäßig hoch ist. Ein Grund<br />

dafür, so die Erklärung der Pflegekräfte, waren Unsicherheiten bei der Eintragung,<br />

nämlich dann, wenn zwar eine Pflegestufe vorlag, aber ein Wiederholungsgutachten<br />

beantragt worden ist. Dann ist einigen Fällen weder die „alte“ Pflegestufe, noch ‚An-<br />

tragsverfahren läuft’ eingetragen worden.<br />

Etwas mehr als die Hälfte der Probanden (52%) erhalten Leistungen der Pflegekassen.<br />

Darunter sind die Pflegebedürftigen der Pflegestufe 1 mit 39 Prozent am stärksten ver-<br />

treten. Pflegebedürftige der Pflegestufe 2 und 3 fallen dagegen weniger ins Gewicht.<br />

Der Anteil der Gäste, bei denen das ‚Antragsverfahren läuft’, ist mit 42 Prozent relativ<br />

hoch. Das liegt daran, dass die Kurzzeitpflege in Folge einer Akuterkrankung in An-<br />

spruch genommen wurde, die zur Pflegebedürftigkeit oder zu einer Veränderung des<br />

Pflegebedarfes geführt hat.<br />

-<br />

2<br />

4<br />

4<br />

11<br />

5<br />

-<br />

1<br />

3<br />

-<br />

3<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

1<br />

-<br />

-<br />

32


Tabelle 9: Ambulante Hilfe vor dem Aufenthalt in der Kurzzeitpflege<br />

(Mehrfachnennungen)<br />

Haushaltshilfe<br />

Nachbarschaftshilfe<br />

Pflege durch Angehörige<br />

Ambulanter Pflegedienst<br />

Tagespflege<br />

Essen auf Rädern<br />

Hausnotruf<br />

Niedrigschwellige<br />

Angebote nach § 45 SGB XI<br />

n = 91 in %<br />

29<br />

8<br />

24<br />

38<br />

2<br />

19<br />

3<br />

-<br />

Etwa 42 Prozent der Kurzzeitpflegegäste sind bereits vor dem Aufenthalt in der Kurz-<br />

zeitpflege von einem ambulanten Pflegedienst versorgt worden. Haushalthilfen sind bei<br />

knapp 32 Prozent der Probanden im Einsatz. Die Pflege durch Angehörige steht dage-<br />

gen mit 26 Prozent erst an dritter Stelle. Die Tagespflege oder niedrigschwellige Ange-<br />

bote nach § 45 SGB XI spielten in der bisherigen Versorgung der Zielgruppen keine<br />

oder nur eine marginale Rolle.<br />

Tabelle 10: Diagnosegruppen (Mehrfachnennungen)<br />

Zustand nach Apoplex<br />

Frakturen/Gelenkerkrankungen<br />

Herz-, Kreislauferkrankungen<br />

Spätschäden bei Stoffwechselerkrankungen<br />

(Amputationen)<br />

sonstige neurologische Erkrankungen<br />

(Parkinson, MS etc.)<br />

Erkrankungen des Verdauungs-<br />

traktes<br />

Demenz<br />

Depression<br />

Sonstige<br />

31,9<br />

8,8<br />

26,4<br />

41,8<br />

2,2<br />

20,9<br />

3,3<br />

-<br />

Männer Frauen insgesamt<br />

5<br />

12<br />

19<br />

-<br />

7<br />

5<br />

13<br />

2<br />

5<br />

In Tabelle 10 bestätigt sich, dass es sich bei der Zielgruppe um einen multimorbiden<br />

Personenkreis handelt. Unter den Diagnosen dominieren die ‚Frakturen/Gelenkerkran-<br />

kungen’ sowie die ‚Herz-/Kreislauferkrankungen’. Ein geschlechtsspezifischer Unter-<br />

schied zeigt sich bei den ‚Frakturen/Gelenkerkrankungen“. Darunter leiden 82 Prozent<br />

8<br />

54<br />

50<br />

1<br />

6<br />

12<br />

22<br />

10<br />

19<br />

13<br />

66<br />

69<br />

1<br />

13<br />

17<br />

35<br />

12<br />

24<br />

33


der Frauen (n=66) und 48 Prozent der Männer (n=25). Bei den ‚Herz-/Kreislauferkran-<br />

kungen’ ist kein geschlechtsspezifischer Unterschied zu erkennen. Hier liegt der Anteil<br />

beider Geschlechter bei rund 76 Prozent. Einen Unterschied gibt es bei der Diagnose<br />

‚Demenz’. Die Männer sind hier mit einem Anteil von 52 Prozent betroffen, die Frauen<br />

mit rund 33 Prozent. Angesichts der geringen Fallzahl sind die Prozentzahlen hier je-<br />

doch mit Vorsicht zu genießen. Sie sollen ein Bild der Zielgruppe vermitteln, weiterge-<br />

hende Schlüsse können nicht gezogen werden.<br />

Alle Modellgäste waren zuvor im Krankenhaus. Die Aufenthaltsdauer erstreckt sich von<br />

wenigen Tagen bis zu mehreren Wochen (Minimum = 5 Tage – Maximum = 47 Tage).<br />

Die durchschnittliche Verweildauer betrug 25,3 Tage. Damit lag sie fünf Tage über der<br />

durchschnittlichen Verweildauer in der geriatrischen Klinik. Ob die Modellmaßnahme<br />

dazu beigetragen hat, die Krankenhausverweildauer der Zielgruppe zu verkürzen, wie<br />

es in der Hypothese zum Modell formuliert worden ist, ließ sich nicht überprüfen. Dazu<br />

wäre nicht nur eine enge Abstimmung zwischen Klinik und Modellkurzzeitpflege not-<br />

wendig gewesen, sondern auch eine Entlassungsplanung, die die Alternativen der am-<br />

bulanten Weiterversorgung systematisch abwägt.<br />

5.3 Fazit zum einbezogenen Personenkreis<br />

- Mit dem Modellansatz ist die Gruppe unter den geriatrischen Patienten einbezogen<br />

worden, die der Modellträger auch einbeziehen wollte. Es handelt sich<br />

dabei um hochaltrige Patienten, von denen die Mehrheit schon vor dem Krankenhausaufenthalt<br />

auf Fremdhilfe angewiesen war und deren Situation sich<br />

durch das Akutereignis weiter verschlechtert hat.<br />

- Die Modellgäste sind im Durchschnitt rund 82 Jahre alt. Die stärkste Altersgruppe<br />

sind mit rund 35 Prozent die 85- bis 89-Jährigen. Trotz der Hochaltrigkeit<br />

leben knapp zwei Drittel der Probanden allein im eigenen Haushalt. Etwas<br />

mehr als die Hälfte erhalten bereits Leistungen der Pflegekassen, rund<br />

42 Prozent unter ihnen werden von einem ambulanten Pflegedienst betreut.<br />

- Die Daten zum Alter, zur Lebenssituation und zum Pflege- und Hilfebedarf<br />

machen deutlich, dass es sich um einen Patientenkreis handelt, dessen Risiko<br />

groß ist, am Ende eines Krankenhausaufenthaltes nicht mehr in die Privatwohnung<br />

zurückkehren zu können. Die entscheidenden Determinanten für<br />

die Heimaufnahme sind dabei weniger der Grad der Funktionsbeeinträchtigungen,<br />

sondern die Hochaltrigkeit und das Single-Dasein. Diese Zielgruppe<br />

weist im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt nicht nur Pflegebedarf,<br />

sondern einen relativ umfassenden Beratungs- und Unterstützungsbedarf auf.<br />

Deshalb ist es sinnvoll, die Kurzzeitpflege nicht nur mit einem rehabilitativen<br />

Ansatz, sondern auch mit einem Beratungsangebot (Case Management) zu<br />

verknüpfen.<br />

34


6. Ergebnisqualität<br />

Im Rahmen der Pflege- und Therapieplanung sind vier Ziele formuliert worden, die das<br />

Team bei der Durchführung der Maßnahmen im Blick haben sollen.<br />

Tabelle 11: Zielsetzung der Modellmaßnahme (Mehrfachnennungen)<br />

Verbesserung der Mobilität<br />

Verbesserung der Selbständigkeit im<br />

Alltag<br />

Stabilisierung der häuslichen Ver-<br />

sorgung<br />

Vermeidung stationärer Pflege<br />

n = 91 in %<br />

75<br />

68<br />

71<br />

69<br />

Bei der überwiegenden Mehrheit der Modellgäste werden mehrere Ziele verfolgt, was<br />

auch daran liegt, dass die Zielsetzung relativ allgemein formuliert wurde und die ein-<br />

zelnen Items sich aufeinander beziehen. Wenn es um die Verbesserung der Mobilität<br />

geht, geht es in der Regel auch um die Stabilisierung der häuslichen Versorgung und<br />

um mehr Selbständigkeit im Alltag. Bemerkenswert ist aber, dass es bei knapp 80 Pro-<br />

zent der Probanden explizit um die Vermeidung der stationären Pflege geht. In die Mo-<br />

dellkurzzeitpflege sind demnach Pflegebedürftige einbezogen worden, die sich auf dem<br />

Grat zwischen ambulanter und stationärer Pflege bewegen, also genau die Zielgruppe,<br />

für die das Modell konzipiert wurde.<br />

Tabelle 12: Aufenthaltsdauer in der Modellkurzzeitpflege<br />

n = 91 Tage<br />

Mittelwert<br />

Median<br />

Modus<br />

24,54<br />

28,00<br />

28<br />

Die Probanden waren im Durchschnitt 24,5 Tage in der Kurzzeitpflege. In der Regel<br />

sind aber die vorgesehenen vier Wochen ausgeschöpft worden. Insgesamt haben 11<br />

Modellgäste die Maßnahme vorzeitig abgebrochen und zwar aus den folgenden Grün-<br />

den:<br />

86,2<br />

78,2<br />

81,6<br />

79,3<br />

35


Tabelle 13: Gründe für den vorzeitigen Abbruch<br />

Einweisung ins Krankenhaus<br />

Übersiedlung ins Pflegeheim<br />

Rückkehr in die Privatwohnung<br />

sonstiges<br />

n = 91 in % Gültige<br />

Prozente<br />

6<br />

2<br />

2<br />

1<br />

6,6<br />

2,2<br />

2,2<br />

1,1<br />

54,5<br />

18,2<br />

18,2<br />

insgesamt 11 18,7 100<br />

Am häufigsten wurde die Maßnahme abgebrochen, weil sich die gesundheitliche Situa-<br />

tion des Kurzzeitpflegegastes akut verschlechtert hat und er erneut ins Krankenhaus<br />

aufgenommen werden musste. Bei zwei Modellgästen ist eine Aufnahme ins Pflege-<br />

heim in die Wege geleitet worden und zwei sind vorzeitig in die Privatwohnung zurück-<br />

gekehrt.<br />

Um die Wirkung der Maßnahmen bewerten zu können, sind die Eingangs- und<br />

Abschlussassessments ausgewertet worden. Das Assessment ist multiprofessionell<br />

durchgeführt worden. Der Barthel-Index und die Schmerzskala wurden von den Pfle-<br />

gekräften verwendet, der Timed Up & Go sowie der Tinetti von den Physiotherapeuten<br />

und die Ergotherapeutin. Das ergotherapeutische Assessment erfolgte allein durch die<br />

Ergotherapie.<br />

Tabelle 14: Ergebnis der Maßnahme nach Barthel-Index, Mobilitätstest nach Tinetti und<br />

Timed up & go<br />

Testverfahren* Eingangsassessment<br />

9,1<br />

Abschlussassessment Differenz p <<br />

Barthel-Index<br />

Punkte (Mittelwert) Punkte (Mittelwert)<br />

n = 80 55,3 69,1<br />

Timed Up & Go<br />

Sekunden (Mittelwert) Sekunden (Mittelwert)<br />

n = 41 41,1 17,4<br />

Tinetti<br />

Punkte (Mittelwert) Punkte (Mittelwert)<br />

n = 41 13,0 17,4<br />

+ 13,8<br />

- 23,7<br />

+ 4,4<br />

* Es sind nur die Tests in die Auswertung einbezogen worden, bei denen die Ergebnisse des Eingangs-<br />

und des Abschlussassessments vorgelegen haben.<br />

Die Testergebnisse zeigen, dass mit Hilfe der Maßnahmen Verbesserung bei der<br />

Selbstversorgungskompetenz, der Lokomotion und Mobilität erzielt werden konnten.<br />

Die funktionellen Einschränkungen in der Selbstversorgungskompetenz (Barthel-Index)<br />

waren mit 55,3 Punkten zu Beginn der Maßnahmen erheblich. Sie verbessern sich im<br />

0,01<br />

0,01<br />

0,01<br />

36


Verlauf der Maßnahme zwar signifikant um knapp 14 Punkte auf 69,1 Punkte (max.<br />

100 Punkte). Die Probanden haben aber auch nach der Maßnahme noch gravierende<br />

Funktionsbeeinträchtigungen.<br />

Zur Lokomotionsbeurteilung ist der Timed Up & Go verwendet worden. Die lokomotori-<br />

sche Leistung von einem Stuhl auf zu stehen, drei Meter zu gehen, sich umzudrehen<br />

und wieder auf den Stuhl zu setzen wird in Sekunden gemessen. Ein Zeitbedarf unter<br />

20 Sekunden bedeutet im Allgemeinen eine unabhängige Lokomotion. Ein Zeitbedarf<br />

über 30 Sekunden, wie er bei den Probanden im Eingangsassessment gemessen wur-<br />

de, bedeutet „die Tendenz zum personellen Hilfebedarf bei vielen anderen Lokomoti-<br />

onsaufgaben im Alltag“. 34 Die lokomotorische Leistung verbessert sich bei den Pro-<br />

banden signifikant um knapp 24 Sekunden. Damit haben sie bei der Lokomotion eine<br />

weitgehende Unabhängigkeit erreicht.<br />

Der Mobilitätstest nach Tinetti besteht aus einem Gleichgewichtstest und einer Geh-<br />

probe. Insgesamt können 28 Punkte erreicht werden. Der Test beurteilt nicht nur die<br />

Mobilität, sondern auch das Sturzrisiko. Die Mobilität der Probanden verbessert sich<br />

während der Maßnahme signifikant um 4,4 Punkte, auf 17,4 Punkte, was aber heißt,<br />

dass sich die Mobilität zwar verbessert hat, das Sturzrisiko jedoch bestehen bleibt.<br />

Der Timed up & go und der Tinetti sind nur bei etwa der Hälfte der Probanden durchge-<br />

führt worden. Nach Einschätzung der Pflegekräfte waren beide Tests bei den anderen<br />

Gästen nicht durchführbar. Hier sind wahrscheinlich auch Unsicherheiten bei der Hand-<br />

habung mit im Spiel. Den Test sollten die Physiotherapeuten durchführen, die Ergothe-<br />

rapeutin sollte nur in den Fällen einspringen, bei denen keine Heilmittel verordnet wur-<br />

den.<br />

Das ergotherapeutische Assessment des Zentrums für Geriatrie und Gerontologie des<br />

Universititätsklinikums Freiburg ist ein zeitintensives Verfahren, mit ihm lassen sich<br />

Veränderungen in den Kategorien ‚körperliche Selbstversorgung’, ‚eigenständige Le-<br />

bensführung’, ‚alltagsrelevante Folgen sensomotorischer und psychosozialer Funktio-<br />

nen’ abbilden.<br />

Das Ergotherapeutische Assessment ist keine Testung, „sondern eine Beurteilungsin-<br />

strument, d.h., der das Assessment erstellende Ergotherapeut sammelt Informationen<br />

per Patientenbefragung, durch Beobachtung, per Fremdanamnese, durch Tests<br />

und/oder Teamrücksprache. Mit Hilfe dieser gesammelten Informationen beurteilt er<br />

dann die Fähigkeiten und Funktionsstörungen des Patienten bei Alltagsaktivitäten unter<br />

Berücksichtigung des Umfeldes, indem er sie jeweils definierten Items zuordnet und<br />

hier mit Hilfe vier beschriebener Kategorien der Schwere nach skaliert“. 35<br />

34<br />

Runge, Martin; Wahl Johannes-Hermann (1996): Ambulantes Geriatrisches Assessment, Darmstadt:<br />

22.<br />

35<br />

Voigt-Radloff, Sebastian; Schochat, T; Heiss, H-Wolfgang. (2000): Das Ergotherapeutische Assessment:<br />

Feldstudie, Akzeptanz, Praktikabilität und Prozessqualität. In: Rehabilitation 2000; 39: 255-261.<br />

37


Ein wichtiges Kriterium der Einteilung des Schweregrades ist der Bezug zum Alltag:<br />

I Der Patient hat bei Alltagsaktivitäten keine Einschränkungen.<br />

II Der Patient kann seine Einschränkungen noch selbständig und sicher durch<br />

Hilfsmittel oder Kompensationsstrategien kompensieren.<br />

III Eine Hilfsperson, die Teilleistungen oder Aufsicht übernimmt, ist zeitweise nötig,<br />

um die mittleren Einschränkungen des Patienten im jeweiligen definierten Item<br />

zu kompensieren und Alltagsaktivitäten zu gewährleisten. Der Patient erbringt<br />

relevante Teilleistungen.<br />

IV Aufgrund seiner starken Einschränkungen kann der Patient auch mit Hilfsperson<br />

bei Alltagsaktivitäten keine relevanten Teilleistungen erbringen.<br />

Tabelle 15a: Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung<br />

Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung<br />

I II III IV n<br />

EA* AA* EA AA EA AA EA AA<br />

Umsetzen 23 39 22 21 24 19 11 1 80<br />

Toilettenbenutzung 18 32 15 21 29 19 18 8 80<br />

Tägliche Hygiene 6 22 14 29 48 25 11 4 80<br />

Baden/Duschen 1 7 7 22 49 43 20 8 80<br />

Aus-/Anziehen oben 17 39 24 26 30 14 8 1 80<br />

Aus-/Anziehen unten 11 24 10 16 41 32 15 8 80<br />

Trinken 54 70 18 5 4 3 4 1 80<br />

Essen 52 65 17 7 8 5 3 1 80<br />

Beweglichkeit im<br />

Haus<br />

* EA = Eingangsassessment, AA = Abschlussassessment<br />

16 23 18 32 22 17 22 8 80<br />

Tabelle 15b: Veränderungen bei den Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung<br />

Veränderung zwischen Erst- und Zweitbeurteilung Veränderung<br />

0 +1 +2 -1 -2 n %<br />

Umsetzen 44 31 5 0 0 36 45,0<br />

Toilettenbenutzung 39 32 7 2 0 41 51,2<br />

Tägliche Hygiene 34 33 12 1 0 46 57,5<br />

Baden/Duschen 44 27 9 0 0 36 45,0<br />

Aus-/Anziehen oben 36 33 11 0 0 44 55,0<br />

Aus-/Anziehen unten 61 13 4 1 0 19 43,7<br />

Trinken 60 15 3 1 0 20 25,0<br />

Essen 61 13 4 1 0 19 23,7<br />

Beweglichkeit im<br />

Haus<br />

37 31 10 0 2 43 53,7<br />

38


Bei den Aktivitäten zur körperlichen Selbstversorgung kam es bei mehr als der Hälfte<br />

der Probanden zu deutlichen Verbesserungen bei den Items ‚Toilettenbenutzung’, ‚täg-<br />

liche Hygiene’, ‚Aus-/Anziehen (Oberkörper)’. Bei der täglichen Hygiene zum Beispiel<br />

haben sich 33 Probanden (n = 80) um einen und 12 Probanden um zwei Schweregra-<br />

de verbessert. Tab. 15a zeigt, dass gerade bei diesen Items die Beeinträchtigungen im<br />

Eingangsassessment erheblich waren. Bei der täglichen Hygiene hatten rund 59 Pro-<br />

banden (74%) Beeinträchtigungen, die den Schweregraden III und IV zugeordnet wur-<br />

den. Im Abschlussassessment hatten nur noch 4 Probanden den Schweregrad IV und<br />

25 den Schweregrad III. Im Vergleich zum Aus- und Anziehen des Oberkörpers, wo<br />

deutliche Verbesserungen erzielt worden sind, sind die Veränderungen bei Aus- und<br />

Anziehen des Unterkörpers geringer ausgefallen. Hier hat die Hälfte der Probanden im<br />

Abschlussassessment noch Einschränkungen des Schweregrades III und IV. Den ge-<br />

ringsten Hilfe- und Pflegebedarf hatten die Probanden beim Essen und Trinken.<br />

Tabelle 16a: Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung<br />

Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung<br />

I II III IV n<br />

EA AA EA AA EA AA EA AA<br />

Telefonbenutzung 49 53 12 11 5 10 10 6 80<br />

Medikamenteneinnahme 22 23 13 12 19 30 18 10 80<br />

Schreiben 42 44 6 14 7 6 16 12 80<br />

Lesen 47 49 13 16 3 2 13 11 80<br />

Rechnen 35 40 15 18 10 11 11 9 80<br />

Geld/Haushalt 19 18 3 5 15 20 32 30 80<br />

Mobilität außer Haus 3 3 7 15 23 32 45 29 80<br />

Einkaufen 1 3 1 24 16 49 58 2 80<br />

Mahlzeiten zubereiten 1 2 2 7 21 28 52 41 80<br />

Haushaltsführung - 1 1 5 22 26 53 46 80<br />

39


Tabelle 16b: Veränderungen bei den Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung<br />

Veränderungen zwischen Erst- und Zweitbeurteilung Veränderung<br />

0 +1 +2 -1 -2 n %<br />

Telefonbenutzung 67 6 6 0 1 23 16,2<br />

Medikamenteneinnahmen 63 11 3 1 0 27 21,2<br />

Schreiben 66 5 6 0 2 14 16,5<br />

Lesen 66 5 8 1 0 14 17,5<br />

Rechnen 62 7 8 2 0 18 21,5<br />

Geld/Haushalt 66 10 0 1 2 14 16,5<br />

Mobilität außer Haus 54 22 2 1 0 26 32,5<br />

Einkaufen 64 13 2 1 0 16 20,0<br />

Mahlzeiten zubereiten 57 21 1 1 0 23 18,7<br />

Haushaltsführung 61 16 1 2 0 19 13,7<br />

Bei den Aktivitäten zur eigenständigen Lebensführung sind die Beeinträchtigungen bei<br />

den Items ‚Mobilität außer Haus’, ‚Einkaufen’, ‚Mahlzeiten zubereiten’ und ‚Haushalts-<br />

führung’ am stärksten. Über 90 Prozent der Modellgäste sind zu Beginn der Maßnah-<br />

me nicht in der Lage diese Aktivitäten durchzuführen. Am Ende der Maßnahme konnte<br />

bei knapp 20 Prozent eine Verbesserung erzielt werden. Die Aktivitäten zur eigenstän-<br />

digen Lebensführung bleibt aber der Bereich, wo die wenigsten Veränderungen er-<br />

reicht werden konnten.<br />

Tabelle 17a: Alltagsrelevante Folgen sensomotorischer Funktionen<br />

Alltagsrelevante Folgen sensomotorischer Funktionen<br />

I II III IV n<br />

EA AA EA AA EA AA EA AA<br />

Sitzen 52 64 21 13 6 3 1 - 80<br />

Stehen 13 25 26 33 31 19 10 2 80<br />

Gehen 6 15 24 39 31 17 18 8 80<br />

Schlucken 71 73 5 3 2 2 2 2 80<br />

Tabelle 17b: Veränderungen bei den sensomotorischen Funktionen<br />

Veränderungen zwischen Erst- und Zweitbeurteilung Veränderung<br />

0 +1 +2 -1 -2 n %<br />

Sitzen 62 15 2 0 1 18 22,5<br />

Stehen 39 37 3 1 0 41 51,2<br />

Gehen 31 44 3 2 0 49 61,2<br />

Schlucken 78 2 0 0 0 2 2,5<br />

40


Über die Hälfte der Modellgäste hatten beim Stehen und Gehen Einschränkungen der<br />

Schweregrade II und III. Im Verlauf der Maßnahme kam es bei rund 50 Prozent zu<br />

Funktionsverbesserungen um eine, in wenigen Fällen auch um 2 Schweregrade.<br />

Schluckstörungen lagen kaum vor.<br />

Tabelle 18a: Alltagsrelevante Folgen psychosozialer Funktionen<br />

Alltagsrelevante Folgen psychosozialer Funktionen<br />

I II III IV n<br />

EA AA EA AA EA AA EA AA<br />

Antrieb 29 49 29 25 12 3 2 2 80<br />

Emotionalität 31 44 30 31 9 4 4 1 80<br />

Motivation 40 59 24 17 8 3 6 1 80<br />

Krankheitsverarbeitung 29 38 22 21 10 10 5 5 80<br />

Interaktionsfähigkeit 42 54 27 22 6 3 4 1 80<br />

Verantwortungsbe-<br />

wusstsein<br />

Interessensverwirklichung<br />

31 37 21 22 6 7 5 8 80<br />

29 34 17 25 10 8 6 7 80<br />

Tabelle 18b: Veränderungen bei den psychosozialen Funktionen<br />

Alltagsrelevante Folgen psychosozialer Funktionen Veränderung<br />

0 +1 +2 -1 -2 n %<br />

Antrieb 44 22 12 1 1 36 45,0<br />

Emotionalität 51 19 9 1 0 29 36,2<br />

Motivation 49 20 9 2 0 31 38,7<br />

Krankheitsverarbeitung 54 19 6 1 0 26 32,5<br />

Interaktionsfähigkeit 59 16 4 1 0 21 26,2<br />

Verantwortungsbewusstsein 58 11 8 3 0 22 27,5<br />

Interessensverwirklichung 55 11 12 2 0 25 31,2<br />

Der Anteil der Probanden, die keine Beeinträchtigungen im psychosozialen Bereich<br />

aufwiesen, lag je nach Item zwischen 36 und 50 Prozent. Die meisten Probleme traten<br />

bei den Items ‚Antrieb’, ‚Krankheitsverarbeitung’ und ‚Interessensverwirklichung’ auf. In<br />

Tab. 18b wird deutlich, dass sich zwischen Beginn und Ende der Modellmaßnahme<br />

positive Entwicklungen abzeichnen. Der ‚Antrieb’ verbessert sich bei 22 Probanden um<br />

einen, bei 12 Probanden sogar um zwei Schweregrade, die ‚Interessenverwirklichung’<br />

in 12 Fällen um zwei und in 11 Fällen um einen Schweregrad.<br />

Ein weiterer wichtiger Faktor bei der Outcome – Messung sind die ‚Schmerzen’. Sie<br />

haben erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität der Modellgäste. Anhand einer<br />

Schmerzskala ist die Schmerzintensität in fünf Stufen erfasst worden.<br />

41


Tabelle 19: Veränderungen der Schmerzintensität<br />

Eingangsassessment Abschlussassessment<br />

Schmerzintensität n = 80 in % n = 80 in %<br />

keine Schmerzen 2 2,5 10 12,5<br />

eher leichte Schmerzen 33 41,3 45 56,2<br />

störend, aber erträgliche Schmer-<br />

zen<br />

15 18,8 21 26,3<br />

gerade noch erträgliche Schmerzen 20 25,0 3 3,8<br />

unerträgliche Schmerzen 10 12,5 1 1,3<br />

Die Auswertung der Schmerzskala zeigt, dass 37 Prozent der Modellgäste zu Beginn<br />

der Maßnahme ‚gerade noch erträgliche’ bis ‚unerträgliche’ Schmerzen hatten. Nur drei<br />

Gäste hatten keine Schmerzen. Am Ende der Maßnahme hatten nur noch 5 Proban-<br />

den schlimme Schmerzen, die Mehrheit (81%) hatte dagegen nur noch leichte oder<br />

erträgliche Schmerzen. Der Anteil derjenigen, die keine Schmerzen mehr haben, stieg<br />

auf 13 Prozent.<br />

Das zentrale Modellziel war die Realisierung des Postulats „ambulant vor stationär“.<br />

Die Modellkurzzeitpflege sollte dazu beitragen, Aufnahmen in die stationäre Pflege zu<br />

vermeiden. Tabelle 20 zeigt, dass dies auch weitgehend gelungen ist.<br />

Tabelle 20: Aufenthalt des Gastes nach Beendigung der Kurzzeitpflege<br />

Privatwohnung<br />

Umzug zu Angehörigen/Kindern<br />

Betreutes Wohnen<br />

Pflegeheim<br />

sonstiges<br />

keine Angaben<br />

n = 91 in %<br />

65<br />

2<br />

1<br />

6<br />

14<br />

3<br />

Etwa 71 Prozent der Modellgäste konnten nach der Maßnahme in die Privatwohnung<br />

zurückkehren. Die Aufnahme in ein Pflegeheim ist nur bei knapp 7 Prozent in die Wege<br />

geleitet worden. Der Anteil ‚sonstiges’ ist mit 15,4 Prozent relativ hoch. Dahinter ver-<br />

bergen sich primär die Probanden, die nach der Kurzzeitpflege vorübergehend bei An-<br />

gehörigen unterkommen bis sie wie geplant in ihre Privatwohnung zurückkehren. In<br />

71,4<br />

2,2<br />

1,09<br />

6,6<br />

15,4<br />

3,3<br />

42


wenigen Fällen endete die Kurzzeitpflege mit einer erneuten Einweisung ins Kranken-<br />

haus, in Einzelfällen auch mit der Aufnahme einer medizinischen Rehabilitation.<br />

Bei 42 Probanden sind ein halbes Jahr nach Beendigung der Maßnahme Nachsorge-<br />

besuche durchgeführt worden. Dabei wurde geprüft, ob das arrangierte Hilfesetting<br />

stabil geblieben ist und ob ggf. weitere Hilfen vermittelt werden müssen.<br />

Tabelle 21 zeigt, dass über die Hälfte der Probanden weiter in der Privatwohnung lebt,<br />

entweder allein (29%) oder mit Partner (10 %) und/oder mit Kindern (19%). Sieben der<br />

42 ehemaligen Modellgäste sind in ein Pflegeheim übergesiedelt, neun sind verstor-<br />

ben.<br />

Tabelle 21: Aufenthaltsort nach sechs bis acht Monaten<br />

Allein im eigenen Haushalt<br />

Privatwohnung mit Partner<br />

Privatwohnung mit Kind(ern)<br />

Privatwohnung mit Partner<br />

und Kind(ern)<br />

Privatwohnung mit anderen Personen<br />

Pflegeheim<br />

Verstorben<br />

n = 42 in %<br />

12<br />

4<br />

4<br />

4<br />

2<br />

7<br />

9<br />

Bei 24 von 26 Probanden, die in einer Privatwohnung leben, schätzt die Ergotherapeu-<br />

tin, die Versorgungssituation als stabil ein, wobei – mit einer Ausnahme – alle auf<br />

Fremdhilfe angewiesen sind.<br />

Tabelle 22: Hilfen, die sechs bis acht Monate nach Beendigung der Maßnahme in Anspruch<br />

genommen werden (Mehrfachnennungen)<br />

keine Hilfen<br />

Pflege/Betreuung durch Angehörige<br />

ambulanter Pflegedienst<br />

Haushaltshilfe<br />

Tagespflege<br />

Essen auf Rädern<br />

Hausnotruf<br />

n = 24<br />

Die Mehrheit der Probanden, bei denen ein Nachsorgebesuch durchgeführt worden ist,<br />

nimmt ambulante Pflegedienste in Anspruch, aber auch die Hilfe durch Angehörige.<br />

1<br />

16<br />

17<br />

7<br />

0<br />

2<br />

3<br />

28,6<br />

9,5<br />

9,5<br />

9,5<br />

4,8<br />

16,7<br />

21,4<br />

43


Warum Tagespflege, Hausnotruf und Essen auf Rädern kaum genutzt wird, lässt sich<br />

an dieser Stelle nicht klären, muss aber kritisch hinterfragt werden.<br />

6.1 Fazit zur Ergebnisqualität<br />

- Die Auswertung der Assessmentverfahren zeigt, dass die rehabilitative Kurz-<br />

zeitpflege zu signifikant positiven Veränderungen im Bereich der Lokomotion,<br />

Mobilität, Selbstversorgungskompetenz sowie im sensomotorischen und im<br />

psychosozialen Bereich führt. Aber nicht nur die Funktionsgewinne wirken<br />

sich positiv auf die Lebensqualität und die Möglichkeiten der sozialen Teilha-<br />

be aus, sondern vor allem auch die nachweisliche Reduktion der Schmerzen.<br />

- Trotz der Zugewinne in den genannten Funktionsbereichen bleibt die Mehr-<br />

heit der Probanden nach der Modellmaßnahme auf Fremdhilfe angewiesen.<br />

Die Assessmentergebnisse zeigen jedoch, dass es ihnen mehrheitlich gelingt,<br />

die Einschränkungen mit Hilfsmitteln oder anderen Strategien zu kompensie-<br />

ren.<br />

- Ein wichtiger Parameter für den Erfolg der Maßnahme ist die Vermeidung der<br />

stationären Pflege und die Sicherung des Verbleibs in der Privatwohnung.<br />

Nach der Modellmaßnahme kehrt die überwiegende Mehrheit in die Privat-<br />

wohnung zurück. Die Situation dort ist nachhaltig stabil. Es leben zwar in Re-<br />

lation zur Zeit vor der Akuterkrankung weniger der hochaltrigen Probanden al-<br />

lein im Haushalt, aber es sind primär Arrangements im privaten Bereich ge-<br />

troffen worden. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Befähigung der<br />

Probanden zur Selbsthilfe, die Pflegebereitschaft der Angehörigen erhöht hat.<br />

Aufgrund der niedrigen Fallzahl bei den Nachsorgebesuchen ist diese An-<br />

nahme aber nicht belegbar.<br />

44


7. Schluss<br />

Das Modell ließ sich nur in Teilen realisieren. Aus diesem Grund hat der Modellförderer<br />

hat das Modell vorzeitig beendet, allerdings mit dem Hinweis, den Modellansatz nach<br />

wie vor für sinnvoll zu erachten. Die Implementierungsschwierigkeiten des Modells sind<br />

symptomatisch für die Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI. Bundesweit werden immer<br />

mehr Kurzzeitpflegeplätze in stationäre umgewidmet oder als „eingestreute“ Plätze<br />

vorgehalten. Die Kurzzeitpflege wird primär als „Urlaubspflege“ oder als „Warteschleife“<br />

genutzt bis ein Platz in der stationären Pflege frei wird.<br />

Die Intention des Gesetzgebers war eine andere: Die Kurzzeitpflege sollte im An-<br />

schluss an einen Krankenhausaufenthalt als Beobachtungs- und Abklärungsphase<br />

dienen, in der Aktivierungspotentiale des Pflegebedürftigen ausgeschöpft und die<br />

Nachsorge adäquat vorbereitet wird. An dieser Intention setzte der Modellträger an,<br />

verknüpfte die Kurzzeitpflege mit dem Entlassmanagement einer geriatrischen Klinik<br />

sowie mit therapeutischen Leistungen und einem Beratungsangebot (Beko-Stelle).<br />

Damit es zu keinem Bruch in der Behandlungskontinuität kommt, sollten die niederge-<br />

lassenen Ärzte in die Zielformulierung und Versorgungsplanung eingebunden werden.<br />

Warum ließ sich das Modell nicht in der gewünschten Form implementieren? Der<br />

Hauptgrund lag darin, dass die Kooperationsbeziehung zur Klinik und die Zusammen-<br />

arbeit mit den niedergelassenen Ärzten nicht in der erforderlichen Systematik funktio-<br />

nierten. Die Ursachen sind zwar vielschichtig. Sie fokussieren aber in zwei wesentli-<br />

chen Punkten:<br />

1. Die Platzierungsentscheidung im Krankenhaus wird in der Regel von den Ärz-<br />

ten allein getroffen. Die Sozialdienste der Krankenhäuser, deren originäre Auf-<br />

gabe es wäre, materielle und soziale Ressourcen zu erschließen, um dem Pati-<br />

enten die Rückkehr in die Privatwohnung zu ermöglichen, sind nur ausführen-<br />

des Organ. In den Entscheidungsprozess sind sie nicht eingebunden.<br />

2. Die niedergelassenen Ärzte lassen sich nur schwer in nichtärztliche Versor-<br />

gungsplanungen einbeziehen, was weniger an den fehlenden finanziellen An-<br />

reizen liegt, sondern mehr an den mangelnden Kenntnissen im Bereich der Ge-<br />

riatrie.<br />

Viele innovative Ansätze, die auf die Überleitung von Patienten aus dem akutstationä-<br />

ren in den ambulanten Bereich zielen, scheitern an diesen beiden Barrieren. Hier sind<br />

vor allem die ärztlichen Berufs- und Fachverbände, aber auch die Krankenhaussozial-<br />

arbeit gefordert, Qualifizierungsstrategien zu entwickeln sowie Kommunikations- und<br />

Entscheidungsprozesse innerhalb der Klinik zu überdenken und ggf. eingespielte Rou-<br />

tinen zu verändern.<br />

45


Aber auch die Kurzzeitpflege muss konzeptionell so gestaltet sein, dass sie die Anfor-<br />

derungen einer Abklärungs- und Aktivierungsphase erfüllt. Dazu ist es notwendig the-<br />

rapeutische Kräfte in das Pflegeteam zu integrieren und eng mit Beratungsangeboten<br />

zu verknüpfen. Das Modell hat - trotz aller Mängel bei der Umsetzung - gezeigt, dass<br />

die Integration einer Ergotherapeutin ins Pflegeteam und die enge Zusammenarbeit mit<br />

niedergelassenen Physiotherapeuten zu einer Verbesserung der Pflegequalität und zu<br />

einer größeren Arbeitszufriedenheit der Pflegekräfte geführt hat.<br />

Vom Modellansatz profitiert haben jedoch vor allem die 80 Kurzzeitpflegegäste, die die<br />

Maßnahmen durchlaufen haben. Bei ihnen kam es zu signifikanten Verbesserungen im<br />

Bereich der Lokomotion, der Mobilität, der Selbstversorgungskompetenz sowie im sen-<br />

somotorischen und psychosozialen Bereich. Doch trotz der Zugewinne in allen Funkti-<br />

onsbereichen bleibt die Mehrheit der Probanden auf Fremdhilfe angewiesen. Insofern<br />

ist es wichtig, die Kurzzeitpflege mit einem Beratungsangebot zu verbinden. Denn die<br />

Ergebnisse zeigen auch, dass der Beratungsbedarf der Modellgäste hoch gewesen ist.<br />

Vor dem Hintergrund des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes und des GKV-Wettbe-<br />

werbsstärkungsgesetzes sollte das Konzept der Kurzzeitpflege neu bedacht werden.<br />

Mit dem Rechtsanspruch auf Beratung und Versorgungsmanagement könnte sie im<br />

Rahmen der integrierten Versorgung (§140 SGB V) und in enger Verknüpfung mit den<br />

Pflegestützpunkten ein wichtiges Element im Rahmen der Aktivierung, des Empower-<br />

ments und der adäquaten Nachsorge sein.<br />

In der letzten Gesundheitsreform ist mit der Novellierung des § 40 SGB V die Möglich-<br />

keit geschaffen worden, medizinische Rehabilitation in Pflegeeinrichtungen zu erbrin-<br />

gen. Eine Kurzzeitpflege, die Therapeuten ins Pflegeteam integriert hat und Case Ma-<br />

nagement anbietet, würde genau die Voraussetzungen erfüllen, die für die Sicherung<br />

des nachhaltigen Rehabilitationserfolges notwendig wäre. Die medizinische Rehabilita-<br />

tion selbst kann natürlich nicht von der Kurzzeitpflegeeinrichtung erbracht werden,<br />

sondern muss durch eine anerkannte Rehabilitationseinrichtung erfolgen.<br />

Das Modell hat aber in erster Linie deutlich gemacht, dass es nicht an guten konzepti-<br />

onellen Ideen mangelt. Die vielen Schwierigkeiten, die zu überwinden waren, lagen vor<br />

allem im Bereich nicht funktionierender Kommunikations- und Kooperationsstrukturen.<br />

Das Modellteam hat trotz der viele Schwierigkeiten mit viel Engagement für die Etablie-<br />

rung des Ansatzes gekämpft. Teilweise war es ein Kampf gegen Windmühlen.<br />

An dieser Stelle möchten wir als wissenschaftliche Begleitung dem Modellträger und<br />

der Projektleitung unsere Anerkennung für ihr Engagement aussprechen und dem ge-<br />

samten Kurzzeitpflegeteam für die vertrauensvolle Zusammenarbeit danken.<br />

46

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