Ohne Titel 2 - GEW Niedersachsen
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Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes Bezirk <strong>Niedersachsen</strong>-Bremen-Sachsen-<br />
Anhalt zum Gesetzentwurf "Gesetz zur modellhaften Erweiterung<br />
kommunaler Handlungsspielräume" (Modellkommunen-Gesetz - ModKG -)<br />
___________________________________________________________<br />
Ziel des Gesetzes ist es, befristet und modellhaft die Erweiterung kommunaler Handlungsspielräume<br />
zu erproben. Hierzu soll es kommunalen Körperschaften ermöglicht werden, in den Modellkommunen<br />
1. Rechtsvorschriften des Landes nach Maßgabe der §§ 3 und 4 modifiziert anzuwenden.<br />
1. Abweichende Fristen und Zuständigkeiten zu regeln (§§ 5 und 6)<br />
In § 2 werden die Modellkommunen benannt.<br />
§ 3 nennt eine Vielzahl von Gesetzen und Vorschriften, die mit den beschriebenen Modifikationen<br />
angewendet werden sollen.<br />
Zu § 3: Modifizierte Bestimmungen für die Modellkommunen<br />
1. Niedersächsisches Personalvertretungsgesetz (NPersVG)<br />
In den Fällen des § 65, Abs. 1 Nr. 10, sowie Abs. 2 Nr. 8, soll die Personalvertretung nicht mehr<br />
mitbestimmen. Hierbei handelt es sich um die Mitbestimmung bei Beamten und Angestellten/Arbeitern<br />
bei der Umsetzung ohne Einverständnis der Beschäftigten, soweit sie länger als drei Monate<br />
dauert.<br />
Auch im Falle des § 65, Abs. 1 Nr. 17 und Abs. 2 Nr.16, soll keine Mitbestimmung der Personalvertretung<br />
mehr stattfinden, soweit es um die Ablehnung von Sonderurlaub geht.<br />
Unter c) sind die Vorschriften bzw. das Verfahren bei Nichteinigung geregelt. Hier soll das Einigungsstellenverfahren<br />
in den Modellkommunen und Letztentscheidungsrecht der Dienststelle bei<br />
Tatbeständen von personellen Maßnahmen im Beamten- und im Angestellten/Arbeiterbereich abgeschafft<br />
werden. Unter anderem bei Abordnungen über mehr als drei Monaten, bei Zuweisung<br />
über mehr als drei Monate, bei Verzicht auf Ausschreibung, bei der Auswahl für die Teilnahme an<br />
Fortbildungsveranstaltung, im Beamtenbereich zusätzlich bei nicht nur vorübergehender Übertragung<br />
eines Dienstpostens mit höherem Endgrundgehalt.<br />
d) regelt schließlich den Wegfall der Erfordernis der Benehmensherstellung für die Fälle des<br />
§ 75, Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 14. Dies bedeutet in den Fällen von Organisationsuntersuchungen und<br />
bei Planungen von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sowie Anmietung von Diensträumen soll<br />
für die Modellkommunen keine Verpflichtung mehr bestehen, das Benehmen mit den Personalräten<br />
herzustellen.<br />
Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes eignet sich das NPersVG in keiner Weise,<br />
modifizierte Rechtsvorschriften zur Erprobung anzuwenden. Die Hintergründe für diese "modellhafte"<br />
Einführung liegen auf der Hand. Es ist der Testlauf für zukünftige massive Einschränkungen<br />
des NPersVG.<br />
Die Gesetzesbegründung spricht auch davon, dass "Die Ergebnisse des Modellprojektes<br />
- zeigen werden -, bei welchen Themen und Handlungsfeldern eine Übertragung auf das gesamte<br />
Land möglich und sinnvoll ist."
Bezeichnend ist auch die Auswahl der so genannten Modellkommunen:<br />
die Landkreise Osnabrück, Emsland und Cuxhaven und deren kreisangehörige Gemeinden sowie<br />
die Städte Lüneburg und Oldenburg (Oldenburg). Bekanntlich hat sich gerade der Landkreis Osnabrück<br />
mehrfach durch schlichte Ignoranz personalvertretungsrechtlicher Regelungen hervorgetan,<br />
sich durch Gesetzesbruch ausgezeichnet, ganz zu schweigen von seiner Kündigung der Mitgliedschaft<br />
im KAV.<br />
Eine Beschneidung der Rechte der Personalvertretungen, insbesondere bei der Gewährung von<br />
Sonderurlaub oder der Umsetzung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb einer Dienststelle<br />
und den Wegfall der Einigungsstelle, die bislang in Streitfällen zwischen Personalrat und<br />
Behördenleitung vermittelt hat, kann von uns nicht akzeptiert werden. Gerade das Instrument der<br />
Einigungsstelle hat sich in der Vergangenheit außerordentlich bewährt. Es konnte erreicht werden,<br />
dass viele Konflikte bereits im Vorfeld beseitigt und Klagen vor Gericht vermieden werden konnten.<br />
Nach § 104, Satz 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) sollen auf Landesebene Regelungen<br />
angestrebt werden, wie sie für Personalvertretungen in Bundesbehörden nach dem<br />
BPersVG festgelegt sind. Für den Fall der Nichteinigung zwischen der obersten Dienstbehörde<br />
und der zuständigen Personalvertretung in Angelegenheiten, die der Mitbestimmung unterliegen,<br />
soll die Entscheidung einer unabhängigen Stelle vorgesehen werden. Dem widerspricht die Abschaffung<br />
des Einigungsstellenverfahrens in den genannten Fällen. Hier verweisen wir insbesondere<br />
auf die Regelungen in § 76, Abs.1 Nr. 2, 5, 7, 9 BPersVG, die zwar eine eingeschränkte Mitbestimmung,<br />
aber die Einsetzung einer Einigungsstelle im Nichteinigungsverfahren vorschreiben,<br />
§ 75, Abs. 1 Nr. 4, 7 und Abs. 3 Nr. 7 und 14 BPersVG, die die uneingeschränkte Mitbestimmung<br />
und das Letztentscheidungsrecht vorsehen.<br />
Vor diesem Hintergrund müssen die Landesgesetzgeber zur Gewährleistung der Funktion der<br />
Personalvertretung ein Minimum charakteristischer beteiligungsbedürftiger Angelegenheiten festlegen.<br />
§ 104 BPersVG enthält Rahmenvorschriften über die Beteiligungsrechte der Personalvertretungen.<br />
Die Personalvertretungen sollen in innerdienstlichen, sozialen und personellen Angelegenheiten<br />
der Beschäftigten beteiligt werden und es sollen Regelungen angestrebt werden, wie sie für die<br />
Personalvertretungen in Bundesbehörden im BPersVG festgelegt sind.<br />
Dies ist nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes durch die oben skizzierten beabsichtigten<br />
Regelungen nicht mehr gewährleistet.<br />
Wenn der Gesetzgeber meint, dass er wie in d) geregelt, die Benehmensherstellung mit der Personalvertretung<br />
entfallen lassen muss, so verwundert dies sehr. Bei der im § 75 NPersVG geregelten<br />
Benehmensherstellung handelt es sich nicht um einen Mitbestimmungstatbestand im Sinne<br />
des Gesetzes. Gemäß § 76 NPersVG ist dem Personalrat vor Durchführung der Maßnahme lediglich<br />
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes<br />
ist es keine Überforderung der Dienststelle mit den Personalräten zu sprechen und sie<br />
über Veränderungen zu informieren.<br />
Bei den oben beschriebenen Veränderungen bleiben Mitwirkung und die Interessen der Beschäftigten<br />
auf der Strecke. Der Deutsche Gewerkschaftsbund verwahrt sich dagegen, die Rechte der<br />
Personalvertretungen - auch nicht nur zu Erprobungszwecken - anzutasten und lehnt den Gesetzentwurf<br />
bereits aus diesen Gründen ab.<br />
Zu § 4 Nicht anwendbare Vorschriften<br />
Nicht erst seit den Ergebnissen von PISA fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund Chancengleichheit<br />
durch Bildung. Wir wissen heute, dass die ersten sieben bis zehn Lebensjahre einen<br />
Menschen und sein Lernverhalten wesentlich prägen. Nie wieder in seinem Leben lernt ein<br />
Mensch in so kurzer Zeit so viel. Deshalb besteht mittlerweile die Überzeugung, dass die Kindertagesstätten<br />
einen Bildungsauftrag haben.
Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis ist es erstaunlich, dass der Gesetzgeber nun mehr beabsichtigt,<br />
die Verordnungen für Mindestanforderungen für Kindertagesstätten zu verändern bzw.<br />
bestehende Vorschriften in den Modellkommunen außer Kraft zu setzen.<br />
Dabei geht es nicht um Bauvorschriften, die vielleicht überflüssig sein könnten, es geht um pädagogisch<br />
unverzichtbaren räumlichen Standard für den Betrieb der Kindertagesstätten und Krippen.<br />
Das jetzt beabsichtigte mögliche Aufstocken von Gruppen bzw. der Wegfall der bestehenden<br />
Vorschriften bei Neubauten ist ein Schritt in die falsche Richtung, überflüssig und pädagogisch<br />
nicht zu vertreten.<br />
Eine qualifizierte Bildung und Betreuung der Kinder braucht zwingend neben professionellen<br />
Fachkräften auch gute Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, dass Kindern genügend Platz<br />
zur Verfügung steht, um zu spielen, sich zurückziehen zu können, zu experimentieren, zu lernen,<br />
vor allem sich frei zu bewegen.<br />
Auch aus diesem Grund lehnt der Deutsche Gewerkschaftsbund den vorgelegten Gesetzentwurf<br />
ab.<br />
Zu § 4, Nr. 3, Änderung des Niedersächsischen Schulgesetz (NSchG)<br />
Der DGB ist der festen Auffassung, dass insbesondere vor dem Hintergrund der Umsetzung der<br />
Schulstrukturreform und des Schulwahlverhaltens der Eltern eine flächendeckende, landeseinheitlich<br />
durchzuführende allgemeine Bildungsplanung dringend geboten ist.<br />
Bei Nichtanwendung der Abs. 2 und 5 des § 26 Niedersächsisches Schulgesetz in den Modellkommunen<br />
würde diese Bildungsplanung erheblich beeinträchtigt.<br />
Wenn unabgestimmt zwischen den einzelnen Schulträgern nicht sinnvolle Bildungsgänge oder<br />
Schulstandorte eingerichtet oder aber beibehalten werden, so bindet dies auch Ressourcen des<br />
Landes und geht zu Lasten der Unterrichtsversorgung.<br />
Insbesondere im Bereich der Hauptschulen und im Berufsbildenden Bereich müssen überregionale<br />
Bedürfnisse mitbedacht werden, um ein adäquates Bildungsangebot vorzuhalten.<br />
Die Eigeninteressen der einzelnen Schulträger an je eigenen Angeboten können nur durch eine<br />
Schulentwicklungsplanung ausgeglichen werden.<br />
Wenn die bisherige Form der Schulentwicklungspläne in Teilen des Landes nicht mehr zum Tragen<br />
käme, so ist es dennoch unerlässlich, Bildungsplanung in allen Gebietskörperschaften durchzuführen.<br />
Die Abkehr von Bildungsplanung kann aus Sicht des DGB zu einer Verschlechterung der Bildungschancen<br />
führen.<br />
Auch aus den vorgenannten Gründen lehnen wir den Gesetzentwurf ab.<br />
Der Begründung zum Gesetzentwurf ist zu entnehmen, dass für einen Versuchszeitraum bis zum<br />
31.12.2008 für einen ausgewählten Kreis bestimmte landesrechtliche Regelungen modifiziert angewendet<br />
bzw. abweichende Regelungen getroffen werden sollen.<br />
Um die Ergebnisse fachgerecht bewerten zu können, bedürfe das Projekt einer Dauer von mindestens<br />
drei Jahren. Jährlich wiederkehrende Verfahren müssten miteinander verglichen werden<br />
können. Allerdings sei auch beabsichtigt, positive Veränderungen in absehbarer Zukunft für alle<br />
Kommunen umzusetzen und nutzbar zu machen und weiter: "Das Modellprojekt wird eingehend<br />
begleitet und abschließend ausgewertet."... Aufgrund der laufenden Begleitung kann darauf je<br />
nach Erfordernis flexibel reagiert werden."<br />
Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist unabhängig davon, dass der vorliegende Gesetzentwurf<br />
entschieden abgelehnt wird, der Auffassung, dass Modellversuche begleitet werden müssen und<br />
dass eine entsprechende Auswertung zu erfolgen hat. Schon allein die Tatsache, dass der vorliegende<br />
Entwurf keinerlei Regelungen sowohl für die Begleitung als auch für die Auswertung und<br />
den Umgang mit den daraus resultierenden Ergebnissen vorsieht, legt den Schluss nahe, dass<br />
der Gesetzgeber beabsichtigt, das Gesetz nach Ablauf der Erprobungsphase flächendeckend<br />
anwenden zu wollen.<br />
Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält keinerlei Vorschriften für die Begleitung und Auswertung<br />
des Modellversuchs. Die Aussagekraft eines Modellversuchs ohne Erfahrungsbericht bzw. Erfolgskontrolle<br />
tendiert nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen Null.