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Praxisleitfaden für den Einsatz standardisierter Soll ... - d-NRW

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Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung <strong>NRW</strong><br />

<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

kdv<br />

<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> <strong>standardisierter</strong> <strong>Soll</strong>-Prozesse in der<br />

Kommunalverwaltung<br />

Ein Projekt des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung <strong>NRW</strong>


Impressum<br />

Bochum / Seeheim, im Dezember 2010<br />

Auftraggeber: Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung <strong>NRW</strong><br />

c / o d-<strong>NRW</strong> Besitz-GmbH & Co. KG<br />

Lise-Meitner-Allee 4<br />

44801 Bochum<br />

Autoren: Harald Schumacher, b.i.t.consult GmbH, Seeheim<br />

E-Mail: kdv@d-nrw.de<br />

<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> <strong>standardisierter</strong> <strong>Soll</strong>-Prozesse in der<br />

Kommunalverwaltung<br />

Ein Projekt des Kompetenzzentrums Digitale Verwaltung <strong>NRW</strong><br />

Gunter Rückziegel, b.i.t.consult GmbH, Seeheim<br />

harald.schumacher@bitconsult.de<br />

gunter.rueckziegel@bitconsult.de<br />

3


4<br />

Redaktionelle Hinweise<br />

Redaktionelle Hinweise<br />

Der vorliegende <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> <strong>standardisierter</strong> <strong>Soll</strong>-Prozesse in der<br />

Kommunalverwaltung ist der vierte und letzte Teil der KDV / d-<strong>NRW</strong>-Publikationsreihe<br />

zum Modellierungsstandard FaMoS.<br />

Weitere Publikationen zur Modellierungsmethode FaMoS sind:<br />

Band 1 Standards und Regeln zur Fachmodellierung kommunaler Geschäftsprozes-<br />

se (Modellierungshandbuch FaMoS 2.0)<br />

Band 2 Erfahrungsbericht zur Anwendung des Fachmodellierungsstandards<br />

Band 3 Nutzen, Ziele, Anforderungen und Metho<strong>den</strong> der Prozessstandardisierung<br />

(White Paper zum Fachmodellierungsstandard)


Danksagung<br />

Wir bedanken uns sehr herzlich bei allen Projektbeteiligten, die mit großem persönlichen Enga-<br />

gement und viel fachlichen Input zur Entwicklung und Durchführung des Projekts beigetragen<br />

haben:<br />

Projektleitung / Projektbüro:<br />

Jürgen Platte d-<strong>NRW</strong><br />

Janine Pleus d-<strong>NRW</strong><br />

Projektmentoren:<br />

Manfred Bals Stadt Dortmund<br />

Dirk Blauhut Stadt Köln<br />

Ralf Grevinga Stadt Dortmund<br />

Expertengremium:<br />

Ulrich Cassel Kreis Lippe<br />

Carol Fuchs Stadt Köln<br />

Martin Goetzke Stadt Dortmund<br />

Michael Hokkeler KGSt<br />

Peter Klinger Sprecher des KDV<br />

Stefan Schoenfelder Stadt Münster/ Citeq<br />

Harald Schumacher b.i.t.consult<br />

Gunter Rückziegel b.i.t.consult<br />

Projektkommunen:<br />

Stadt Bochum<br />

Stadt Dortmund<br />

Stadt Duisburg<br />

Stadt Köln<br />

Stadt Lü<strong>den</strong>scheid<br />

Stadt Münster<br />

Hochsauerlandkreis<br />

Märkischer Kreis<br />

Kreis Soest<br />

5


6<br />

Urheber- und Nutzungsrechte<br />

Urheber- und Nutzungsrechte<br />

Urheber des <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> von <strong>Soll</strong>-Prozessen in der Kommunalver-<br />

waltung ist die b.i.t.consult GmbH, Seeheim. Der d-<strong>NRW</strong> Besitz-GmbH & Co. KG, Dort-<br />

mund, handelnd <strong>für</strong> das Kompetenzzentrum Digitale Verwaltung (KDV) <strong>NRW</strong> wurde ein<br />

unwiderrufliches, ausschließliches, auf Nordrhein-Westfalen begrenztes, übertragbares<br />

Nutzungs-, Verbreitungs- und Veröffentlichungsrecht eingeräumt.<br />

Die d-<strong>NRW</strong> Besitz-GmbH & Co. KG Dortmund, handelnd <strong>für</strong> das KDV <strong>NRW</strong>, räumt ihrer-<br />

seits der Landesverwaltung, <strong>den</strong> kommunalen Gebietskörperschaften in Nordrhein-<br />

Westfalen, deren Verbün<strong>den</strong> und Ausbildungsstätten das nicht ausschließliche, nicht<br />

übertragbare, zeitlich unbegrenzte Recht ein, <strong>den</strong> <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> und die darin aufge-<br />

führten Hilfsmittel im eigenen Geschäftsbereich zu nutzen. Die Nutzung ist kostenlos.<br />

Eine Weitergabe an und eine Nutzung durch Stellen außerhalb der öffentlichen Verwal-<br />

tung ist nur mit vorheriger Genehmigung des Urhebers zulässig. Dies gilt auch <strong>für</strong> die<br />

Bearbeitung, Verbreitung, Verwertung und Veröffentlichung des <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s und<br />

seiner Hilfsmittel.<br />

Eine Vervielfältigung des Leitfa<strong>den</strong>s ist der Landesverwaltung <strong>NRW</strong>, <strong>den</strong> kommunalen<br />

Gebietskörperschaften in Nordrhein-Westfalen sowie deren Verbün<strong>den</strong> und Ausbil-<br />

dungsstätten zum Zwecke der Eigennutzung gestattet.


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Danksagung 5<br />

Urheber- und Nutzungsrechte 6<br />

Vorbemerkungen 10<br />

1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“ 11<br />

1.1 Projektkontext............................................................................................................. 11<br />

1.2 Projektziel.................................................................................................................... 12<br />

1.3 Projektvorgehen ......................................................................................................... 15<br />

2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 17<br />

2.1 Einführung .................................................................................................................. 17<br />

2.2 Projektinitialisierung und Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell .................................... 19<br />

2.3 <strong>Soll</strong>- / Ist-Vergleich .................................................................................................... 36<br />

2.4 Stufenkonzept Umsetzung ........................................................................................ 49<br />

2.5 Fachliche Feinkonzeption ......................................................................................... 52<br />

2.5.1 Einführung von Fachanwendungen.............................................................................. 53<br />

2.5.2 Fachkonzept Web-Frontend......................................................................................... 53<br />

2.5.3 Fachkonzept Eingangsbearbeitung.............................................................................. 65<br />

2.5.4 Fachkonzept Dokumentenmanagement ...................................................................... 71<br />

2.5.5 Fachkonzept elektronischer Workflow.......................................................................... 73<br />

2.5.6 Fachkonzept Schnittstellen .......................................................................................... 82<br />

2.5.7 Fachkonzept Ausgangsbearbeitung............................................................................. 84<br />

3. Hinweise zum Veränderungsmanagement 88<br />

3.1 Rahmenbedingungen und Grundsätze .................................................................... 88<br />

3.2 Das Phasenmodell der Veränderung........................................................................ 89<br />

3.3 Prozessorientiertes Veränderungsmanagement .................................................... 91<br />

7


8<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 1: Abgrenzung „fachliche“ und „technische“ Modellierung 14<br />

Abbildung 2: Übersicht über Teilnehmer und Prozesse 15<br />

Abbildung 3: Einordnung des Projekts in <strong>den</strong> Projektlebenszyklus 16<br />

Abbildung 4: Übersicht der Arbeitspakete und Projektrollen 18<br />

Abbildung 5: Deckblatt Projektergebnisdokumentation 19<br />

Abbildung 6: Bearbeitungshistorie und Versionskontrolle 19<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung 21<br />

Abbildung 8: Fragebogen zur "Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell" 26<br />

Abbildung 9: Vorgehen und Beteiligte zur Vorbereitung des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs 28<br />

Abbildung 10: Grafische Darstellung Rollenmodell 29<br />

Abbildung 11: Tabellarische Darstellung "Rollenmodell" 29<br />

Abbildung 12: Ableitung funktionaler IT-Anforderungen aus dem Fachmodell 31<br />

Abbildung 13: Vorlage Prozessfunktionstabelle 34<br />

Abbildung 14: Skizze des E-Government IT-Frameworks 35<br />

Abbildung 15: Prinzip des organisatorischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs 37<br />

Abbildung 16: Leitfragen zum <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Organisation 37<br />

Abbildung 17: Vorlage "Maßnahmenplan Organisation" 40<br />

Abbildung 18: Portfoliomethode zur Bewertung von Lösungsalternativen 42<br />

Abbildung 19: Schnittstellenanalyse mit der Prozesslandkarte 43<br />

Abbildung 20: Vorlage <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Schnittstellen 44<br />

Abbildung 21: Dienste und Funktionen in der E-Government IT-Architektur 46<br />

Abbildung 22: Leitfragen zum <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich IT 47<br />

Abbildung 23: Vorlage "Maßnahmenplan Technologie" 49<br />

Abbildung 24: Alternative Stufenkonzeptionen 50<br />

Abbildung 25: Leitfa<strong>den</strong> und Entwicklungsstufen zur E-Government-Umsetzung 51<br />

Abbildung 26: Leitfragen zur Entwicklung des Stufenkonzepts 51<br />

Abbildung 27: Vorlage zur Darstellung des Stufenkonzepts 52


Abbildungsverzeichnis<br />

Abbildung 28: Klassifizierung angebotsorientierter Online Dienste 54<br />

Abbildung 29: Ablaufmodell zur Fachkonzeption Web-Frontend 54<br />

Abbildung 30: Checkliste Fachkonzept Web-Frontend 56<br />

Abbildung 31: Notation zur Erstellung von Anwendungsfalldiagrammen 60<br />

Abbildung 32: Vorlage Anwendungsfallbeschreibung 62<br />

Abbildung 33: Muster Fachkonzept Eingangsbearbeitung 70<br />

Abbildung 34: Checkliste Anforderung und Eignung DM 72<br />

Abbildung 35: Detaillierung: von der Fachprozess- zur Workflow-Ebene 74<br />

Abbildung 36: Fachprozessmodell "Bestellung" 75<br />

Abbildung 37: Rollen- Modell und Beschreibung zum „Bestellprozess“ 77<br />

Abbildung 38: Referenzierung von Rolle und Organisation 77<br />

Abbildung 39: Dokumentenmodell „Bestellprozess“ 77<br />

Abbildung 40: Vorlage „Beschreibung Informationsobjekt“ 78<br />

Abbildung 41: Prozessfunktionstabelle „Bestellprozess“ 79<br />

Abbildung 42: Workflowdiagramm „Bestellprozess“ 81<br />

Abbildung 43: Vorlage Schnittstellenbeschreibung 83<br />

Abbildung 44: Vorlage Outputanalyse 87<br />

Abbildung 45: „Drei Phasen Modell“ der Veränderung 90<br />

Abbildung 46: Inhalte und Aufgaben im "Drei Phasen Modell" 91<br />

Abbildung 47: Planungsschema Veränderungsmanagement 93<br />

9


10<br />

Vorbemerkung<br />

Vorbemerkung<br />

Der vorliegende <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> wurde gemeinsam mit <strong>den</strong> Teilnehmerinnen und Teil-<br />

nehmern des KDV-Projektes „<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> <strong>standardisierter</strong> <strong>Soll</strong>-<br />

Prozesse in der Kommunalverwaltung“ unter Moderation und fachlicher Begleitung der<br />

Berater der b.i.t.consult GmbH erarbeitet.<br />

Am Projekt waren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Städte Bochum, Dortmund, Duis-<br />

burg, Köln, Lü<strong>den</strong>scheid und Münster sowie der Kreisverwaltungen Hochsauerlandkreis,<br />

Märkischer Kreis und des Kreises Soest beteiligt. Unterstützt wur<strong>den</strong> die Teilnehmer von<br />

einem Team von E-Government kundigen Mentoren aus <strong>den</strong> beteiligten Kommunen und<br />

einem Expertengremium, dass die Projektergebnisse bewertete und reflektierte. Die Lei-<br />

tung des Projekts oblag d-<strong>NRW</strong>.<br />

Das Projekt „<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>“ bildet <strong>den</strong> Abschluss der KDV-Projektreihe „Standardisie-<br />

rung kommunaler Prozesse“, die die Erarbeitung, Anwendung und Evaluation von „kon-<br />

zeptionellen“ und „handwerklichen“ Grundlagen zur Frage der Gestaltung und Optimie-<br />

rung kommunaler Prozesse unter größtmöglicher Nutzung von E-Government-<br />

Technologien beinhaltete.<br />

Eine Besonderheit, wenn nicht ein Alleinstellungsmerkmal dieses Projektes in der Land-<br />

schaft kommunaler Modernisierungsprojekte lag darin, dass erstmalig optimierte <strong>Soll</strong>-<br />

Prozesse nach dem „Einer <strong>für</strong> Alle“ Prinzip in einem interkommunalen Verbundprojekt<br />

entwickelt und praktisch umgesetzt wur<strong>den</strong>. Dies bedeutet, dass zukünftig nicht jede<br />

Kommune „das Rad neu erfin<strong>den</strong>“ muss, sondern auf bereits vorhan<strong>den</strong>e allgemeingülti-<br />

ge Referenzmodelle zurückgreifen kann, um die eigenen Prozesse und (Infra-) Strukturen<br />

zu optimieren. 1<br />

Das KDV <strong>NRW</strong> verfolgte unter anderem das Ziel, die interkommunale Zusammenarbeit<br />

in Leistungsnetzwerken zu ermöglichen und zu fördern. Die Standardisierung und ihre<br />

praktische Umsetzung bil<strong>den</strong> eine wesentliche Grundlage bei der vernetzten Erstellung<br />

kommunaler Leistungen bzw. Produkten. 2<br />

1 Die Projektergebnisse haben hier bereits eine erste „Resonanz“ erzeugt: Die Kommunale Gemeinschaftsstelle<br />

<strong>für</strong> Verwaltungsmanagement (KGSt) hat auf der Grundlage einer Kooperationsvereinbarung mit d-<strong>NRW</strong>/KDV<br />

und b.i.t.consult beschlossen, <strong>den</strong> Fachmodellierungsstandard FaMoS als Notations- und Beschreibungsstandard<br />

in die Prozessbibliothek der KGSt einzuführen. Die im Projekt “Standardisierung kommunaler Prozesse“<br />

erarbeiteten Prozessmodelle und Metho<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> Bestandteil dieser Prozessbibliothek.<br />

2 Vgl. Modellversuch Vernetzte Verwaltung. Informationen und Bericht unter http://www.d-nrw.de/referenzen/ mo-<br />

dellversuch.


1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“ 11<br />

1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“<br />

1.1 Projektkontext<br />

Das Projekt „<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>“ bildet <strong>den</strong> Abschluss von drei Projekten zur Standardisierung<br />

kommunaler Prozesse. Ausgangspunkt war insbesondere die Überlegung, dass eine Vernet-<br />

zung kommunaler Produktionsprozesse und die Bildung kommunaler Leistungsnetzwerke nur<br />

dann erfolgreich durchgeführt wer<strong>den</strong> können, wenn zuvor fachliche und organisatorische<br />

Standards zur Aufgabenwahrnehmung und Prozessdurchführung entwickelt und interkommunal<br />

abgestimmt wur<strong>den</strong>. Dies setzt voraus, dass eine gemeinsame „Sprache“ und „Methodik“ zur<br />

Beschreibung der Geschäftsprozesse existiert, die einerseits von Fachmitarbeitern und Organi-<br />

satoren der Kommunen „verstan<strong>den</strong>“ wird und andererseits „anschlussfähig“ an Metho<strong>den</strong> zur<br />

technischen Modellierung und Automation der Geschäftsprozesse ist.<br />

Im ersten Projekt wurde deshalb zunächst eine Methode zur Beschreibung und Modellierung<br />

kommunaler Geschäftsprozesse, der Fach-Modellierungs-Standard (FaMoS), entwickelt und<br />

praktisch erprobt. Anknüpfend an aktuelle Entwicklungen im Bereich der Geschäftsprozessmo-<br />

dellierung und -optimierung 3 , war es Ziel, <strong>den</strong> Kommunen eine Methodik bereitzustellen, die<br />

geeignet ist:<br />

verwaltungsspezifische Anforderungen und Prozess-Sachverhalte ohne Investition in<br />

spezielle Modellierungswerkzeuge und geringem Einarbeitungs- und Schulungsaufwand<br />

adäquat abzubil<strong>den</strong>,<br />

im Sinne eines integrierten Modellierungsansatzes sowohl fachliche und technologische<br />

Sachverhalte als auch die organisationsübergreifende, „strategische“ Sicht mit der „ope-<br />

rativ- / fachlichen“ Perspektive zu verknüpfen und<br />

durch eine klar strukturierte Modellarchitektur mit mehreren Darstellungs- und Detaillie-<br />

rungsebenen der Prozessmodelle die Modellierungsergebnisse interkommunal ver-<br />

gleichbar zu machen und die fachliche Standardisierung kommunaler Prozesse systema-<br />

tisch zu unterstützen.<br />

Im zweiten Projekt wurde die Methodik FaMoS genutzt, um sogenannte E-Government-<strong>Soll</strong>-<br />

Modelle <strong>für</strong> mehrere kommunale Kernprozesse zu entwickeln. Diese E-Government-<strong>Soll</strong>-<br />

Modelle bil<strong>den</strong> jeweils im Hinblick auf die fachlichen Inhalte und Aufgaben einer Kommune<br />

einen standardisierten und im Hinblick auf die informationstechnologische Unterstützung der<br />

Prozessdurchführung einen optimierten <strong>Soll</strong>-Prozess ab. Die E-Government-<strong>Soll</strong>-Modelle wur-<br />

<strong>den</strong> „interkommunal“ und „interdisziplinär“ entwickelt und abgestimmt, es waren also jeweils<br />

mehrere Kommunen und Vertreter der Fachbereiche, Organisatoren und kommunale IT-<br />

Experten an der Entwicklung beteiligt.<br />

Im Ergebnis konnte zu allen im Projekt bearbeiteten Kernprozessen ein interkommunal abge-<br />

stimmtes E-Government-<strong>Soll</strong>-Modell definiert wer<strong>den</strong>. Dabei wurde zunächst ein Fachrefe-<br />

renzmodell unabhängig von der technologischen Unterstützung entwickelt und „technologie-<br />

3 Zum Beispiel an Konzepte zur Service orientierten Modellierung und Metho<strong>den</strong> zur Modellierung technischer Workflows<br />

wie BPMN.


12 1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“<br />

frei“, aber im Hinblick auf seine fachliche Aufgabenstruktur und im Hinblick auf eine möglichst<br />

effektive und effiziente organisatorische Strukturierung des Ablaufs im Sinne eines „Fach-<br />

Standards“ beschrieben und dokumentiert. Dieses standardisierte Fachreferenzmodell ist<br />

grundsätzlich auf alle nordrhein-westfälischen Kommunen übertragbar.<br />

Die Fachreferenzmodelle wur<strong>den</strong> in einem zweiten Schritt aus technologischer Sicht betrach-<br />

tet und im Hinblick auf ihre „E-Government-Potenziale“ analysiert. Dabei lag der Fokus auf der<br />

Frage: „Welche informationstechnologischen Dienste und Anwendungen können <strong>den</strong> Fach-<br />

prozess unterstützen und einen Beitrag zur Optimierung der Prozessdurchführung aufseiten<br />

der Verwaltungskun<strong>den</strong> und/oder der Verwaltung selbst leisten?“ Die Potenzialanalyse orien-<br />

tierte sich dabei keineswegs an <strong>den</strong> bei <strong>den</strong> Teilnehmerkommunen bereits verfügbaren E-<br />

Government-Diensten und IT-Anwendungen, sondern am technologischen „Stand der Dinge“<br />

beim E-Government, also an <strong>den</strong> zur Zeit am Markt <strong>für</strong> kommunale IT verfügbaren und prak-<br />

tisch erprobten Konzepten und Lösungen. Im Ergebnis der Diskussion wur<strong>den</strong> die <strong>für</strong> das<br />

jeweilige Fachreferenzmodell relevanten E-Government-Dienste und Anwendungskomponen-<br />

ten i<strong>den</strong>tifiziert und in einem Strukturdiagramm dokumentiert. Abschließend wur<strong>den</strong> durch eine<br />

Projektion der <strong>Soll</strong>-E-Government-IT auf das Fachreferenzmodell mögliche Auswirkungen und<br />

Veränderungen im Fachreferenzmodell diskutiert und als E-Government-<strong>Soll</strong>-Modell doku-<br />

mentiert.<br />

Obwohl die E-Government-<strong>Soll</strong>-Prozesse in interkomunaler Zusammenarbeit gemeinsam und<br />

einvernehmlich standardisiert wur<strong>den</strong>, können sie in der Regel nicht direkt eingesetzt wer<strong>den</strong>.<br />

Sowohl der organisatorische Aufbau als auch die eingesetzten IT-Komponenten weichen in<br />

<strong>den</strong> Gebietskörperschaften von einander ab. So wer<strong>den</strong> z. B. verschie<strong>den</strong>e Fachverfahren mit<br />

unterschiedlichen Qualitäten eingesetzt oder es stehen (noch) nicht alle im E-Government-<br />

<strong>Soll</strong>-Prozess enthaltenen IT-Komponenten zur Verfügung bzw. der in Anspruch genommene<br />

kommunale IT-Dienstleister bietet diese Dienste (noch) nicht an (Portaltechnik, Signatur, Au-<br />

thentifizierung, Dokumentenmanagement, eAkte etc.). Jede Kommune muss <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Prozess<br />

auf ihre spezifischen Bedingungen übertragen.<br />

1.2 Projektziel<br />

Das dritte und abschließende Projekt „<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>“ verfolgte deshalb das Ziel, einen „Metho-<br />

<strong>den</strong>baukasten“ zu entwickeln und zu erproben, der die Kommunen dabei unterstützt, E-<br />

Government-<strong>Soll</strong>-Modelle auf ihre Organisation zu übertragen und diese organisatorisch und<br />

technologisch in die kommunale Praxis zu überführen. Auf diesem Wege sollen Veränderungs-<br />

prozesse in nordrhein-westfalischen Kommunen angestoßen und gefördert wer<strong>den</strong>.<br />

Die Projekterfahrungen haben gezeigt, dass angestoßene Veränderungsprojekte regelmäßig<br />

nur initiiert und erfolgreich abgeschlossen wer<strong>den</strong>, wenn es gelingt, eine Verständigung zwi-<br />

schen Verwaltungsführung, Fachbereichen, Organisatoren und IT-Experten einer Kommune<br />

über Ziele und Nutzen, aber auch und insbesondere über die konkreten fachlichen, organisa-<br />

torischen und technologischen Ansatzpunkte und Maßnahmen zur Veränderung herbeizufüh-<br />

ren.<br />

Eine besondere Herausforderung liegt dabei in der Überwindung der „Sprachbarriere“ zwi-<br />

schen allen Beteiligten: „Fachseite“, „Organisation“ und „Technik“. Insbesondere „Organisato-<br />

ren“ und „IT-Experten“ sprechen nicht nur verschie<strong>den</strong>e (Fach-)Sprachen, sie verwen<strong>den</strong> zur


1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“ 13<br />

Analyse und Darstellung gleicher Sachverhalte häufig auch gänzlich andere Metho<strong>den</strong> und<br />

Detaillierungstiefen 4 . Dies äußert sich in der Praxis z.B. darin, dass die Informationsbedürfnisse<br />

und Anforderungen der IT-Seite vonseiten der Organisatoren und Prozessexperten entweder<br />

nicht oder nur unzureichend erfüllt wer<strong>den</strong>. Umgekehrt fällt es der IT-Seite nicht selten schwer,<br />

Anforderungen und Vorstellungen der Fachseite und / oder Organisatoren zu verstehen und<br />

<strong>den</strong> Informationsbedarf in einer der Fachseite verständlichen Sprache zu artikulieren. Im Er-<br />

gebnis können Verständigungsschwierigkeiten zwischen <strong>den</strong> Beteiligten dazu führen, dass<br />

Fachseite und Organisation Prozesse ohne Berücksichtigung der informationstechnologi-<br />

schen Möglichkeiten optimieren,<br />

bestehende IT-Optimierungsmöglichkeiten nicht genutzt und Potenziale verschenkt wer-<br />

<strong>den</strong>,<br />

durch Reorganisation des Arbeitsablaufs mehr Aufwand bei der technischen Umsetzung<br />

entsteht als organisatorisch eingespart wer<strong>den</strong> kann,<br />

vonseiten der „Organisation“ mit großem Engagement und Aufwand erstellte <strong>Soll</strong>-<br />

Prozesse und Anforderungskonzepte von der „IT“ verworfen und im ungünstigsten Fall<br />

neu erstellt wer<strong>den</strong> und / oder<br />

die eingeführte IT-Lösung die fachlichen Anforderungen nur unzureichend erfüllt. In der<br />

Folge ergibt sich ein mehr oder weniger langer Zyklus von Nachbesserungen.<br />

Die folgende Abbildung stellt <strong>den</strong> Zusammenhang und <strong>den</strong> Übergang von der fachlichen zur<br />

technischen Modellierung von Prozessen und IT-Systemen schematisch dar.<br />

4 Zur Vertiefung der Darstellung wird auf die Kapitel 2.1.4 bis 6 im „Modellierungshandbuch FaMoS 2.0“ verwiesen;<br />

verfügbar als Download unter www.d-nrw.de/projekte/kdv/standardisierung-kommunaler-prozesse und<br />

http://bitconsult.de/publikationen/cat_view/2-publikationen.html.


14 1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“<br />

Fachliche<br />

Modellierung<br />

Informationstechnische<br />

Modellierung<br />

Abbildung 1: Abgrenzung „fachliche“ und „technische“ Modellierung 5<br />

In der Praxis besteht eine methodische Lücke bei der Überführung des Fachprozessmodells in<br />

das IT-Ausführungsmodell. Diese methodische Lücke führt dazu, dass die <strong>für</strong> die IT-<br />

Umsetzung fachlicher Anforderungen erforderlichen Informationen bei der „Übergabe“ von<br />

Projekten von Organisation und Fachseiten an die IT oft nur unvollständig vorliegen und zu<br />

<strong>den</strong> oben beschriebenen Auswirkungen führen.<br />

Der vorliegende <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> möchte dazu beitragen diese Lücke ein Stück weit zu schlie-<br />

ßen, indem er einfache Vorgehensweisen, Checklisten und Vorlagen zur Dokumentation IT-<br />

umsetzungsrelevanter Informationen anbietet. Diese können von der „Fachseite“ in ihrer eige-<br />

nen Sprache und ohne vertiefte Kenntnis der aufseiten der Technik verwendeten Metho<strong>den</strong><br />

gehandhabt und <strong>den</strong>noch von der IT verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Alle Hilfsmittel wur<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Pro-<br />

jektteilnehmern auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft, idem sie angewendet, verbessert und<br />

qualitätsgesichert wur<strong>den</strong>.<br />

In diesem Sinne dient der <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> dazu „<strong>Soll</strong>-Modelle“ systematisch zu einführungs-<br />

tauglichen „Realisierungsmodellen“ zu verfeinern.<br />

Der vorliegende <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> versteht sich als „Handreichung“ <strong>für</strong> Führungskräfte und Pro-<br />

zessverantwortliche der Fachbereiche sowie Organisatoren, Projekt- und Veränderungsmana-<br />

ger in Kommunen, die helfen soll, die Kommunikation und <strong>den</strong> Informationsaustausch zwi-<br />

schen <strong>den</strong> beteiligten Akteuren möglichst ziel- und ergebnisorientiert zu gestalten sowie Rei-<br />

bungsverluste und Redundanzen in der fachlichen und technischen Analyse und Konzeption<br />

zu reduzieren.<br />

Umfang der<br />

Fachmodellierung<br />

Fach-<br />

Fach-<br />

Prozess-<br />

Prozess-<br />

Architektur<br />

Architektur<br />

Fachprozessmodell<br />

Fachprozessmodell<br />

(„Ablaufmodell“)<br />

(„Ablaufmodell“)<br />

Fachliches<br />

Fachliches<br />

Service<br />

Service<br />

Modell<br />

Modell<br />

(Fach-SOA)<br />

(Fach-SOA)<br />

Fachliche<br />

Fachliche<br />

IT-Anforderungen<br />

IT-Anforderungen<br />

Informationstechnisches<br />

Informationstechnisches<br />

Service-Modell<br />

Service-Modell<br />

(IT-SOA)<br />

(IT-SOA)<br />

IT-Prozess-Ausführungsmodell<br />

IT-Prozess-Ausführungsmodell<br />

IT-Anwendungsmodell,<br />

IT-Anwendungsmodell,<br />

IT-Servicedefinitionen,<br />

IT-Servicedefinitionen,<br />

Programmcode<br />

Programmcode<br />

Modellumfang und Detaillierung<br />

Fokus Fachmodellierung:<br />

• Fachliche Modellierung von Prozessen<br />

• Anschlussfähigkeit an die technische<br />

Modellierung und Prozessautomation<br />

• Definition fachlicher IT-Anforderungen<br />

• Ableitung der Fach-Service<br />

Architektur aus <strong>den</strong> Geschäftsprozessen<br />

• Berücksichtigung verwaltungsspezifischer<br />

Anforderungen und Inhalte<br />

Fokus <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

5 Zur Vertiefung der Darstellung wird auf die Kapitel 2.1.4 bis 6 im „Modellierungshandbuch FaMoS 2.0“ verwiesen;<br />

verfügbar als Download unter www.d-nrw.de/projekte/kdv/standardisierung-kommunaler-prozesse und<br />

http://bitconsult.de/publikationen/cat_view/2-publikationen.html.


1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“ 15<br />

1.3 Projektvorgehen<br />

Alle Projektkommunen waren bereits Teilnehmer des zweiten Projektes, in dem 19 kommunale<br />

E-Government-<strong>Soll</strong>-Modelle erarbeitet wur<strong>den</strong>. Für 6 dieser 19 Prozesse wur<strong>den</strong> im Projekt<br />

„<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>“ entsprechende Umsetzungsstrategien entwickelt (siehe Abbildung 2).<br />

teilnehmende Kommune bearbeiteter Kernprozess<br />

Hochsauerlandkreis Apothekenaufsicht<br />

Stadt Bochum<br />

Stadt Dortmund<br />

Stadt Köln<br />

Kreis Soest<br />

Elternbeiträge KiTa<br />

Märkischer Kreis Hilfe zur Pflege<br />

Stadt Münster Schülerfahrkosten<br />

Stadt Lü<strong>den</strong>scheid Vollstreckung<br />

Stadt Duisburg Wohngeld<br />

Abbildung 2: Übersicht über Teilnehmer und Prozesse<br />

Die besondere Ausgangslage bestand daher darin, dass aus der Sicht der teilnehmen<strong>den</strong><br />

Kommunen zu Projektbeginn <strong>für</strong> die jeweiligen Fachprozesse bereits ein mehr oder weniger tief<br />

ausgearbeitetes E-Government-<strong>Soll</strong>-Modell vorlag, welches nicht innerhalb der eigenen Orga-<br />

nisation entstan<strong>den</strong> war und zunächst einmal mit <strong>den</strong> beteiligten Fachbereichen der Projekt-<br />

kommunen diskutiert und „geistig“ und „fachlich“ angenommen wer<strong>den</strong> musste. Weiterhin be-<br />

stan<strong>den</strong> (und bestehen) innerhalb der Projektkommunen jeweils völlig unterschiedliche finan-<br />

zielle und kulturelle Rahmenbedingungen sowie unterschiedliche personelle, organisatorische,<br />

technologische und methodische Voraussetzungen <strong>für</strong> die Durchführung und Umsetzung von<br />

Veränderungsprojekten im Bereich der „Prozessoptimierung durch E-Government“. Der Praxis-<br />

leitfa<strong>den</strong> verzichtet daher vollständig auf <strong>den</strong> <strong>Einsatz</strong> spezieller Modellierungswerkzeuge oder<br />

Metho<strong>den</strong>. Die vorgestellten „Werkzeuge und Metho<strong>den</strong>“ können also „mit Bordmitteln“ in jeder<br />

Kommune angewendet wer<strong>den</strong>. Die bereits angesprochene „besondere Ausgangslage“, ein E-<br />

Government <strong>Soll</strong>-Modell, welches nicht unter Beteiligung der eigenen Mitarbeiter und Organisa-<br />

tion entwickelt wurde, liegt bereits vor, machte eine Modifikation herkömmlicher Vorgehensmo-<br />

delle in GPO 6 -Projekten notwendig.<br />

Zudem wer<strong>den</strong> Referenzprozesse wie standardisierte und good- oder best-practice Prozesse in<br />

zunehmendem Maße über Prozessbibliotheken zur Verfügung gestellt.<br />

Die modifizierte Projektstruktur und ihre Einordnung in <strong>den</strong> Lebenszyklus von GPO-Projekten<br />

wer<strong>den</strong> in der Abbildung 3 dargestellt.<br />

6 GPO = Geschäftsprozessoptimierung


16 1. Projektreihe „Standardisierung kommunaler Prozesse“<br />

Abbildung 3: Einordnung des Projekts in <strong>den</strong> Projektlebenszyklus


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 17<br />

2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

2.1 Einführung<br />

Die Einführung eines E-Government-<strong>Soll</strong>-Modells in die tägliche Verwaltungspraxis vollzieht<br />

sich in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> vier Schritten:<br />

Projektinitialisierung und Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell (Kapitel 2.2)<br />

Um das bereits vorliegende fachliche <strong>Soll</strong>-Modell in der eigenen Organisation bekannt und<br />

„hoffähig“ zu machen erfolgt „vor Ort“ eine Qualitätssicherung des <strong>Soll</strong>-Modells unter Einbezie-<br />

hung von Fachbereich, Organisation und IT-Experten. Ziel und Ergebnis dieser Projektphase<br />

ist, dass alle Teilnehmer das Modell und seine Zielrichtung verstan<strong>den</strong> haben.<br />

<strong>Soll</strong>-/Ist-Vergleich (Kapitel 2.3)<br />

Durch einen <strong>Soll</strong>-/Ist-Vergleich erfolgt im nächsten Schritt eine I<strong>den</strong>tifizierung der Handlungs-<br />

bedarfe in <strong>den</strong> Bereichen Organisation und technologische Infrastruktur der Kommune. Zielset-<br />

zung dabei ist es, alle Handlungsbedarfe zu i<strong>den</strong>tifizieren und zu priorisieren und daraus be-<br />

reits erste Maßnahmen im Bereich des Veränderungsmanagement abzuleiten (Beteiligungen,<br />

Information und Kommunikation).<br />

Stufenkonzept Umsetzung (Kapitel 2.4)<br />

Sind die Handlungsbedarfe intern kommuniziert und ihre Priorisierung(-en) abgestimmt, wer<strong>den</strong><br />

die Handlungsbedarfe in ein Grobkonzept zur Umsetzung des <strong>Soll</strong>-Modells transformiert. Die-<br />

ses Grobkonzept zeigt auf, in welchen Umsetzungsstufen und in welchem Zeithorizont der<br />

<strong>Soll</strong>zustand erreicht wer<strong>den</strong> soll. Ziel und Ergebnis dabei ist die Ableitung eines Projektumset-<br />

zungskonzepts (Stufenkonzept), welche die örtlichen Rahmenbedingungen und Umsetzungs-<br />

voraussetzungen vollständig berücksichtigt und zugleich einen Entwicklungspfad aufzeigt, der<br />

auf jeder Umsetzungsstufe bereits eine voll praxistaugliche Teillösung bereitstellt und einen<br />

wahrnehmbaren und messbaren Prozessnutzen erzeugt.<br />

Fachliche Feinkonzeption (Kapitel 2.5)<br />

Für die erste Umsetzungsstufe wird nun mit <strong>den</strong> im <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> bereitgestellten Hilfsmitteln<br />

ein fachliches Feinkonzept erarbeitet. Das fachliche Feinkonzept spezifiziert die Anforderungen<br />

an die gewünschte IT-Unterstützung aus fachlicher Sicht und liefert der IT bereits wertvolle<br />

Detailinformationen, die eine Abschätzung von Machbarkeit, Aufwand und zusätzlichen (IT-<br />

spezifischen) Spezifikationsbedarfen ermöglicht.<br />

Der Aufbau des <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s orientiert sich an dem in der folgen<strong>den</strong> Abbildung dargestellten<br />

Vorgehensmodell. Das Vorgehensmodell verfeinert die bereits im vorigen Abschnitt dargestell-<br />

ten Projektphasen nach Arbeitspaketen und zeigt exemplarisch auf, welche Rollen jeweils an


18 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

der Bearbeitung der Projektaufgaben und Arbeitspakete beteiligt sind. Die Federführung bzw.<br />

Projektleitungsfunktion liegt in jeder Phase bei der Rolle „Organisator“.<br />

Personal-<br />

Betreuer<br />

Organisator<br />

Fach-<br />

Führungskraft<br />

IT-System<br />

-architekt<br />

Organisator<br />

Fachexperte<br />

Fach-Anw.-<br />

Betreuer<br />

Fach-<br />

Führungskraft Fach-Aw.-<br />

Betreuer<br />

Fachexperte<br />

IT-System<br />

-architekt<br />

Organisator Fachexperte<br />

IT-System<br />

-architekt<br />

Abbildung 4: Übersicht der Arbeitspakete und Projektrollen<br />

Die im Folgen<strong>den</strong> dargestellten Hilfsmittel und Vorlagen sind so angelegt und gestaltet, dass<br />

sie auch unabhängig von dem in <strong>den</strong> Abbildungen 3 und 4 dargestellten Vorgehensmodellen<br />

in GPO-Projekten der Kommune einsetzbar sind. Je nach der konkreten Projektaufgabenstel-<br />

lung können und sollen die Vorlagen selektiv genutzt wer<strong>den</strong>. Sie erheben andererseits auch<br />

keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern repräsentieren die Erfahrungen des oben be-<br />

schriebenen interkommunalen Veränderungsprojekts. Die Auswahl der im <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> be-<br />

handelten Themen und Fragestellungen orientierte sich also an <strong>den</strong> Fragestellungen und Prio-<br />

ritäten der projektbeteiligten Kommunen.<br />

Erstellung<br />

Rollenmodell<br />

<strong>Soll</strong><br />

<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

Organisation<br />

Grobkonzept<br />

organisatorische<br />

Maßnahmen<br />

Prozesspotenzialcheck<br />

Qualitätssicherung<br />

<strong>Soll</strong>-Modell<br />

Erstellung<br />

IT-Funktions-<br />

Modell <strong>Soll</strong><br />

<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

Fach-<br />

Anwendungen<br />

Stufenkonzept Einführung <strong>Soll</strong>- Prozess und IT<br />

Alle dargestellten Checklisten, Erhebungsbögen usw. fin<strong>den</strong> Sie auch im Internetangebot von<br />

d-<strong>NRW</strong> unter der Adresse http://www.d-nrw.de/referenzen/kdv/standardisierung-kommunaler-<br />

prozesse als Dokumentvorlagen zur unmittelbaren Verwendung.<br />

Grobkonzept<br />

technologische<br />

Maßnahmen<br />

Erstellung<br />

IT-AW-Architektur<br />

<strong>Soll</strong><br />

<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

E-Gov.<br />

Basiskomponenten<br />

Analyse und Darstellung fachlicher Anforderungen zur IT-Umsetzung<br />

der Umsetzungsstufe (-n)<br />

A<br />

QS <strong>Soll</strong>-<br />

Modell<br />

B<br />

<strong>Soll</strong>-/Ist-<br />

Vergleich<br />

C<br />

Stufen-<br />

Konzept<br />

D<br />

Fein-<br />

Konzept


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 19<br />

2.2 Projektinitialisierung und Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell<br />

Die Projektphase „Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell“ besteht aus vier Arbeitspaketen:<br />

A. A. Der Abstimmung einer auf die jeweiligen Projektziele und -inhalte ausgerichteten<br />

Projektdokumentation und der im Projekt zu verwen<strong>den</strong><strong>den</strong> Dokumentenvorlagen<br />

B. Dem Prozesspotenzialcheck, in dem der von der Kommune ausgewählte Ge-<br />

schäftsprozess im Hinblick auf mögliche Schwachstellen und Optimierungspotenzi-<br />

ale bewertet wird<br />

C. Der Qualitätssicherung des <strong>Soll</strong>-Modells, welches aus einer Prozessbibliothek oder<br />

sonstigen Quellen als „Blaupause“ <strong>für</strong> die Optimierung des ausgewählten Ge-<br />

schäftsprozesses dienen soll.<br />

D. D. Der Vorbereitung des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs, bei der Modellinhalte aus dem <strong>Soll</strong>-Modell<br />

extrahiert und in eine <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich geeignete Darstellung transformiert<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

A. Projektdokumentation<br />

Im Rahmen der Projektinitialisierung wer<strong>den</strong> Projektziele, Umfang und Inhalte sowie Vorgehen<br />

und Arbeitspakete und der Projektterminplan mit allen Teilnehmern besprochen und die Struk-<br />

turierung der Projektdokumentation sowie die zu verwen<strong>den</strong><strong>den</strong> Dokumentenvorlagen verbind-<br />

lich abgestimmt. Die folgen<strong>den</strong> Abbildungen 5 und 6 zeigen beispielhaft, welche Informationen<br />

auf dem Deckblatt der Projektergebnisdokumentation und in der Bearbeitungshistorie zu <strong>den</strong><br />

jeweiligen Ergebnisdokumenten mindestens enthalten sein sollten.<br />

Prozessname:<br />

Prozesseigentümer/Fachbereich<br />

Mitgewirkt haben / Bearbeiter:<br />

Projektmoderator:<br />

Kontakt <strong>für</strong> Rückfragen:<br />

Inhaltsverzeichnis / Anlagen<br />

Dokument / Name:<br />

Abbildung 5: Deckblatt Projektergebnisdokumentation<br />

Version Nr Inhalt / Bearbeitungsvermerk Bearbeiter Status Datum<br />

Abbildung 6: Bearbeitungshistorie und Versionskontrolle


20 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Wird die Projektdokumentation als Ergebnisdokumentatio verwendet, sollte sie auch Ergeb-<br />

nisse, Empfehlungen zur Umsetzung sowie zum weiteren Planungs- und Entscheidungsbedarf<br />

und eine Zusammenfassung wesentlicher Punkte enthalten.<br />

B. Checkliste Prozessoptimierung<br />

Die folgende „Checkliste“ (Abbildung 7, Seiten 21-25) enthält eine Reihe von Fragen zu mögli-<br />

chen Schwachstellen bzw. Optimierungsansätzen in kommunalen Leistungs- und Stützpro-<br />

zessen. Die Checkliste kann als Interviewleitfa<strong>den</strong> verwendet wer<strong>den</strong>, um im Vorfeld einer<br />

detaillierten und modellbasierten Prozessanalyse erste Anhaltspunkte zu <strong>den</strong> in einem „Ist-<br />

Prozess“ versteckten Schwachstellen und Optimierungsansätzen zu erhalten. Im weiteren<br />

Verlauf der Prozesspotenzialanalyse dient die Checkliste zur Dokumentation von Projekter-<br />

gebnissen und als „Ideenspeicher“ <strong>für</strong> vertiefende Fragestellungen und Verbesserungsvor-<br />

schläge. Die Checkliste ist in mehrere Abschnitte gegliedert, die sich jeweils auf die in jedem<br />

Prozessablauf enthaltenen Teilprozesse beziehen. Diese Abschnitte lauten:<br />

a. „Kun<strong>den</strong>- und Partnerprozesse“<br />

b. „Eingangsbearbeitung“<br />

c. „Vorgangsbearbeitung“<br />

d. „Ausgangsbearbeitung“<br />

Bearbeitungshinweise:<br />

Zunächst sollten Sie im Tabellenkopf <strong>den</strong> Prozessnamen sowie die <strong>den</strong> Prozess auslö-<br />

sen<strong>den</strong> „Startereignisse“ und die <strong>den</strong> Prozess been<strong>den</strong><strong>den</strong> „Endereignisse“ eintragen,<br />

um <strong>den</strong> Untersuchungsgegenstand einzugrenzen.<br />

Die Checkliste enthält mehrere Spalten zur Dokumentation der Interviewergebnisse:<br />

Notieren Sie in der Spalte „J/N“, ob ein bestimmter Sachverhalt zutrifft, bzw. ob er <strong>für</strong> die<br />

weitere Untersuchung relevant ist.<br />

Tragen Sie ggfs. In der Spalte „Wert“ quantifizierbare Größen und Angaben zu <strong>den</strong> Pro-<br />

zesssachverhalten ein, zum Beispiel: „Ist-Werte“ oder „Schätzwerte“.<br />

Priorisieren Sie <strong>den</strong> Sachverhalt in der Spalte „Prio“ nach dem bewährten A-B-C-<br />

Schema.<br />

Erläutern Sie ggfs. <strong>den</strong> Sachverhalt in der Spalte „Ursachen / Wirkungen / Bemerkun-<br />

gen“.<br />

Halten Sie ggfs. erste Ideen und Verbesserungsvorschläge in der Spalte „Empfehlun-<br />

gen“ fest.<br />

Checkliste: siehe Abbildung 7, folgende Seiten 21 bis 25


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 21<br />

Checkliste Prozessoptimierung<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2010<br />

Prozess Name: Prozess Start: Prozess Ende:<br />

Klasse/Nr.<br />

Mögliche Schwachstellen J/N Wert Prio Ursachen / Wirkungen / Bemerkungen Empfehlung<br />

A Kun<strong>den</strong>- und Partnerprozesse<br />

A 1 allgemeine Fragen zu Kun<strong>den</strong> und Partnerprozessen<br />

1 Wie hoch ist der Anteil der Anträge, die in bearbeitungsfähigem Zustand eingehen?<br />

7 Welche elektronischen Informationsangebote bestehen?<br />

8 Welche schriftlichen Informationsangebote bestehen?<br />

9 Welche telefonischen Informationsangebote bestehen?<br />

10 Welche persönlichen Informationsangebote bestehen?<br />

Sind alle Informationen, Formulare und Unterlagen "in der Sprache der Kun<strong>den</strong>"<br />

13<br />

verfasst?<br />

Qualität des Online Service Angebots<br />

A 2<br />

Sind Download-Formulare "interaktiv" und "fallspezifisch bzw. kontextsensitiv"<br />

aufgebaut und gestaltet?<br />

11<br />

Können Daten aus elektronischen Formularen oder Bearbeitungsmasken in<br />

Fachanwendungen importiert und genutzt wer<strong>den</strong>?<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung (1 / 5)<br />

18<br />

35 Können Verwaltungsgebühren Online bezahlt wer<strong>den</strong>?<br />

Qualität des Bürger Service Angebots (Bürgeramt)<br />

5 Wann und wie oft ergeben sich Wartezeiten <strong>für</strong> die Kun<strong>den</strong>?<br />

6 Wann und wie oft ergeben sich Leerzeiten <strong>für</strong> die Mitarbeiter?<br />

A 4<br />

Wer<strong>den</strong> alle bürgerorientierten Dienstleistungen der Verwaltung auch im BürgerService<br />

angeboten?<br />

8<br />

Wie hoch ist der Anteil der Bürgeranliegen, die im Erstkontakt abschließend erledigt<br />

wer<strong>den</strong> können?<br />

13<br />

Kommt es häufig zu Rückfragen und Klärungen zwischen "Front-Office" und "Back-<br />

Office" Mitarbeitern?<br />

15<br />

Haben die Servicemitarbeiter ausreichen<strong>den</strong> Zugriff auf relevante Fachanwendungen<br />

der Verwaltung?<br />

17<br />

Wer<strong>den</strong> Eingangsdokumente, die im BürgerService angenommen wer<strong>den</strong> digitalisiert<br />

oder mit der Post ins Backoffice weitergeleitet?<br />

19<br />

Können Zahlungsvorgänge direkt beim Servicemitarbeiter/Kun<strong>den</strong>berater angenommen<br />

und abschließend, d.h. ohne Nachbearbeitungsaufwand in Kasse oder FiBu bearbeitet<br />

wer<strong>den</strong>?<br />

20<br />

B Eingangsbearbeitung


22 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Poststelle<br />

B 1<br />

1 Über wieviele Stationen erreicht die Eingangspost <strong>den</strong> zuständigen Bearbeiter?<br />

3 Wie hoch ist der Anteil der geschlossen zugestellten Posteingangsdokumente?<br />

Wie hoch ist der Anteil interner Absender bzw. Empfänger am Postaufkommen in der<br />

Poststelle?<br />

8<br />

10 Wie hoch ist der Anteil der im ersten Durchlauf falsch zugeordneten Posteingänge?<br />

Digitalisierung und Scan-Verfahren (frühes Scannen)<br />

B 2<br />

2 Wer<strong>den</strong> eingehende Dokumente / Posteingänge an zentraler Stelle digitalisiert?<br />

Sind das Scan-Verfahren und nachgelagerte Vorgangsbearbeitungssysteme<br />

ausreichend integriert, wer<strong>den</strong> die Dokumente in <strong>den</strong> Arbeitskorb des Bearbeiters<br />

übergeben?<br />

9<br />

Multikanalmanagement, Integrierte Kommunikationskanäle<br />

B 3<br />

Sind alle <strong>für</strong> <strong>den</strong> Prozess offenen Eingangskanäle, etwa: Fax, E-Mail/DE-Mail/E-<br />

Postbrief, Online Service und Telefon mit dem Vorgangsbearbeitungssytem / der<br />

Fachanwendung integriert und können deshalb in einer Anwendung ohne Medienbruch<br />

bearbeitet wer<strong>den</strong>?<br />

1<br />

C Vorgangsbearbeitung<br />

C 1 Ablauforganisation, Prozessgestaltung<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung (2 / 5)<br />

a Kostentreiber<br />

1 Ist der Arbeitsablauf <strong>für</strong> alle Bearbeiter einheitlich geregelt, dokumentiert und bekannt?<br />

2 Arbeiten alle Bearbeiter nach diesem Ablauf?<br />

3 Welche Teilprozesse oder Prozessaktivitäten sind besonders kostenintensiv?<br />

Gibt es Aktivitäten im Prozessablauf, die überflüssig sind und entfallen können, ohne<br />

dass das gewünschte Prozessergebnis dadurch negativ beeinflusst wird?<br />

6<br />

b Zeitfresser<br />

Welche Teilprozesse oder Prozessaktivitäten "fressen" besonders viel<br />

Bearbeitungszeit?<br />

9<br />

12 Welche Teilprozesse oder Prozessaktivitäten benötigen besonders hohe Rüstzeiten?<br />

Welche Teilprozesse oder Prozessaktivitäten sind mit Liege- oder Wartezeiten<br />

verbun<strong>den</strong>?<br />

14<br />

16 Wo enstehen im Prozessablauf Transportzeiten?


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 23<br />

18 Welche Störungen führen zu Unterbrechungen im Bearbeitungsablauf?<br />

Welche Teilprozesse, Prozessaktivitäten oder Tätigkeiten können zukünftig parallel<br />

statt sequenziell durchgeführt wer<strong>den</strong>?<br />

20<br />

c Qualitätstreiber<br />

Welche Zuarbeiten, Vorarbeiten oder vorlaufende Aktivitäten verursachen besonders<br />

häufig Rückfragen oder Rückverweisungen (="Fehler")?<br />

23<br />

27 Welche Kosten entstehen durch die Fehler- Bearbeitung und Behebung?<br />

In welchem Verhältnis stehen die Kosten der Fehler- und Risikominimierung zu <strong>den</strong><br />

Kosten der Fehlerbearbeitung?<br />

30<br />

Existieren bereits Qualität sichernde Tätigkeiten oder Kontrolltätigkeiten, die aber nie<br />

Fehler i<strong>den</strong>tifizieren und deshalb grundsätzlich entfallen können?<br />

31<br />

Welche (manuellen) Qualitätssicherungsmaßnahmen und Kontrollen können<br />

automatisiert wer<strong>den</strong>?<br />

32<br />

Welche Fremdkontrollen wer<strong>den</strong> können entfallen, weil sie bereits an anderer Stelle<br />

durchgeführt wur<strong>den</strong>? ("Sechs- und mehr-Augen-Prinzip" notwendig…?)<br />

34<br />

Aufbauorganisation<br />

C 2<br />

a Strukturierung<br />

Sind Zuständigkeiten und Prozessrollen (Aufgaben, Rechte, Pflichten) klar und<br />

überschneidungsfrei geregelt?<br />

35<br />

Wur<strong>den</strong> bei der Definition der Prozessrollen die Unterschiede zwischen kun<strong>den</strong>nahen<br />

Front-Office Tätigkeiten, sachbearbeiten<strong>den</strong> Back-Office Tätigkeiten sowie<br />

unterstützen<strong>den</strong> Aufgaben und Führungsaufgaben angemessen berücksichtigt?<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung (3 / 5)<br />

36<br />

Ist die im Rollenkonzept festgelegte Arbeitsteilung im Hinblick auf die Erreichung der<br />

operativen Ziele effektiv (zielführend) und effizient (wirtschaftlich).<br />

38<br />

Kann die Bearbeitung durch eine Bündelung von Vor- und Zuarbeiten an anderer Stelle<br />

entlastet, beschleunigt oder kostengünstiger gestaltet wer<strong>den</strong>?<br />

39<br />

40 Welche Vor- und Zuarbeiten können automatisiert wer<strong>den</strong>?<br />

Kommt es im Bearbeitungsablauf zu (häufigen) Bearbeiterwechseln innerhalb des<br />

Fachbereichs oder zwischen verschie<strong>den</strong>en Fachbereichen?<br />

41<br />

45 Wer<strong>den</strong> Abstimmungen aufgrund räumlicher oder örtlicher Trennung erschwert?<br />

b Standardisierung<br />

46 Wie komplex und variantenreich ist der Prozessablauf?<br />

47 Wie viele Akteure und Rollen sind am Prozessablauf beteiligt?<br />

Kann der Prozessablauf durch eine Organisationsverfügung, zum Beispiel durch die<br />

Vorgabe eines <strong>Soll</strong>-Prozessablaufs, standardisiert wer<strong>den</strong>?<br />

49<br />

Können Verfahrensregelungen oder Satzungen der Kommune, die aufwändige<br />

Arbeitsabläufe erzwingen vereinfacht wer<strong>den</strong>?<br />

52


24 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

c Stellenbemessung<br />

Sind die Mitarbeiter gleichmässig ausgelastet, oder kommt es in bestimmten<br />

Aufgabenbereichen immer wieder zu Personalengpässen bzw. Arbeitsrückstän<strong>den</strong>?<br />

53<br />

55 Existieren Aufgaben oder Tätigkeiten, <strong>für</strong> die sich niemand verantwortlich fühlt?<br />

Existieren Aufgaben oder Tätigkeiten, die durchgeführt wer<strong>den</strong>, obwohl sie nicht<br />

Bestandteil einer Stellenbeschreibung bzw. Prozessrolle sind?<br />

56<br />

Prozessnahe IT-Unterstützung<br />

C 3<br />

a Automationspotenziale<br />

64 Welche manuellen Aktivitäten oder Tätigkeiten können automatisiert wer<strong>den</strong>?<br />

Haben alle Bearbeiter elektronischen Zugriff auf alle <strong>für</strong> die Aufgabenwahrnehmung<br />

66 und Prozessdurchführung erforderlichen Informationen, Dokumente, Formulare und<br />

Textvorlagen?<br />

Können papiergestützte Vorgangsakten oder hybride Akten durch elektronische Akten<br />

ersetzt wer<strong>den</strong>?<br />

68<br />

b IT-Anwendungen<br />

Stellt die Anwendung alle <strong>für</strong> die fachliche Bearbeitung der Fälle erforderlichen<br />

Funktionen (z.B.: Berechnungen zu Sonderfällen) zur Verfügung, sodass keine<br />

"Nebenrechnungen" oder "Bearbeitungen" ausserhalb der Anwendung erforderlich<br />

sind?<br />

69<br />

Wer<strong>den</strong> bestimmte Daten redundant, d.h. an verschie<strong>den</strong>en Orten oder in<br />

unterschiedlichen Anwendungen, erfasst, gespeichert und/oder gepflegt?<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung (4 / 5)<br />

70<br />

Welche "sonstigen", möglicherweise selbst entwickelten IT-Anwendungen und<br />

Hilfsmittel wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Sachbearbeitern genutzt?<br />

71<br />

Sind alle benötigten Anwendungen "auf dem Desktop" des Bearbeiters integriert, oder<br />

muss dieser ständig zwischen mehreren Anwendungen hin und her wechseln?<br />

73<br />

Können die Eingangs- und Ausgangs- Dokumente, Ergebnisdokumente und Vermerke<br />

elektronisch gespeichert wer<strong>den</strong>?<br />

77<br />

Unterstützt die Anwendung das Management der Abläufe, oder findet das<br />

Workflowmanagement "im Kopf" des Sachbearbeiters statt?<br />

79<br />

Unterstützt die Anwendung die elektronische Aktenführung und die revisionssichere<br />

Dokumentation der Bearbeitungshistorie?<br />

80<br />

87 Wird der neueste Releasestand der Anwendung genutzt?<br />

Sind alle verfügbaren Funktionsmodule der Anwendung implementiert, auf dem<br />

aktuellen Stand und wer<strong>den</strong> sie auch tatsächlich genutzt?<br />

88<br />

Sind alle Mitarbeiter ausreichend in der professionellen Nutzung der Anwendung<br />

geschult und geübt?<br />

90<br />

c IT-Schnittstellen


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 25<br />

Wo existieren Medienbrüche im Prozessablauf, die zum Beispiel ein "Ausdrucken" oder<br />

"Erfassen" von Informationen oder Daten erforderlich machen?<br />

91<br />

Sind alle Eingangs- und Ausgangs- Medien (Online Portal, mail, fax, Post) die der<br />

Geschäftsprozess nutzt mit dem die Vorgangsbearbeitung "führen<strong>den</strong>" System<br />

integriert?<br />

92<br />

Können Daten, die bereits in internen oder externen It-Anwendungen der öffentlichen<br />

Verwaltung gespeichert sind, automatisiert abgefragt und ohne Medienbruch<br />

weiterverarbeitet wer<strong>den</strong>?<br />

94<br />

Sind erforderliche Schnittstellen zu vor- oder nachgelagerten Anwendungen und<br />

Systemen (z.B.: Kasse) vollständig implementiert und funktional angemessen<br />

ausgestaltet (z.B.: "bidirektional")?<br />

96<br />

d Infrastruktur am Arbeitsplatz:<br />

Haben alle Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz Zugriff auf wichtige Basisanwendungen wie<br />

etwa: Intranet, E-Mail Service, Online-Recherchemöglichkeiten usw.<br />

98<br />

Ist die Qualität der Bildschirmausstattung zur Sichtung und Bearbeitung elektronischer<br />

Dokumente ausreichend?<br />

Abbildung 7: Checkliste Prozessoptimierung (5 / 5)<br />

99<br />

Verfügen die Arbeitsplatz-Rechner über eine angemessene Rechen-Kapazität und<br />

aktuelle Standardsoftware?<br />

100<br />

Ist die am Arbeitsplatz verfügbare Bandbreite ausreichend und ermöglicht<br />

angemessene Lade- und Antwortzeiten?<br />

101<br />

Ermöglicht die Ausstattung mit sonstigen Peripheriegeräten (z.B.: Scanner, Printer,<br />

Kartenleser) ein zügiges arbeiten?<br />

102<br />

D Ausgangsbearbeitung<br />

D 1 intern<br />

Kann der innerbehördliche Austausch von (Papier-) Dokumenten zugunsten der<br />

elektronischen Kommunikation reduziert wer<strong>den</strong>?<br />

1<br />

extern<br />

D 2<br />

Kann die manuelle Bearbeitung des Postausgangs (drucken, kuvertieren, freimachen)<br />

zentralisiert und automatisiert wer<strong>den</strong>?<br />

1


26 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

C. Qualitätssicherung von <strong>Soll</strong>-Modellen<br />

Die Qualitätssicherung von <strong>Soll</strong>-Modellen unter Einbeziehung der Fachdienste und der IT ist in<br />

mehrfacher Hinsicht ein erfolgskritischer Projektschritt. Sie dient zunächst dazu, das <strong>Soll</strong>-<br />

Modell im Hinblick auf seine verwaltungsfachlichen, betriebswirtschaftlichen und informations-<br />

technologischen Inhalte und Aussagen zu diskutieren und zu überprüfen. Mindestens ebenso<br />

wichtig ist jedoch, dass in der Diskussion des <strong>Soll</strong>-Modells ein gemeinsames Verständnis der<br />

Ziele und Möglichkeiten zur Prozessoptimierung in der Projektgruppe erreicht wird.<br />

Der in Abbildung 8 dargestellte Fragebogen dient als Checkliste, Ergebnisdokumentation und<br />

Ideenspeicher zur Qualitätssicherung von <strong>Soll</strong>-Prozess-Modellen:<br />

Leitfragen zur „Qualitätssicherung des <strong>Soll</strong>-Modells“<br />

Bitte diskutieren Sie diese Leitfragen mit ihren Fachexperten!<br />

Fügen sie ggfs. Verbesserungsvorschläge oder Kommentare unter „Bemerkungen“ ein<br />

Ergänzen Sie bitte bei Bedarf die Leitfragen und Bemerkungen!<br />

1<br />

Fachmodell / fachliche Inhalte:<br />

Enthält das Modell alle am Prozess beteiligten Akteure und Rollen (interne, ex-<br />

terne Prozessbeteiligte)?<br />

2 Fachmodell / fachliche Inhalte:<br />

3<br />

A<br />

B<br />

C<br />

D<br />

Sind alle Geschäftsaufgaben und Fallkonstellationen, die aus fach- und verfah-<br />

rensrechtlicher Sicht mindestens bearbeitet wer<strong>den</strong>, müssen durch das Modell<br />

abgedeckt?<br />

Fachmodell / fachliche Inhalte:<br />

Enthält das Modell alle im Zuge der Bearbeitung benötigten Geschäftsobjekte<br />

und Informationsobjekte?<br />

Sind alle Inputobjekte im Modell enthalten?<br />

Sind alle Outputobjekte im Modell enthalten?<br />

Ist ihre Benennung aus fachlicher Sicht korrekt und eindeutig?<br />

4 Prozesslogik:<br />

Sind alle Schnittstellen zu (internen und externen) Stützprozessen berücksich-<br />

tigt?<br />

5 Prozesslogik:<br />

Sind alle Schnittstellen zu externen Prozessen / Partnerprozessen berücksich-<br />

tigt?


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 27<br />

6 Prozesslogik:<br />

Sind die vom Kun<strong>den</strong> der Verwaltungsleistung durchzuführen<strong>den</strong> Geschäftsauf-<br />

gaben und Aktivitäten („Kun<strong>den</strong>prozesse“) berücksichtigt?<br />

7 Medienintegration:<br />

Wur<strong>den</strong> alternative Zugangswege (Multikanalmanagement) und Kommunikati-<br />

onskanäle (Medienintegration) im Modell berücksichtigt?<br />

8 E-Government und Prozessautomation:<br />

Wur<strong>den</strong> alle zurzeit „am Markt <strong>für</strong> i-Technologie“ verfügbaren E-Government<br />

Service Optionen („State of the Art E-Government“) berücksichtigt?<br />

(Entspricht das E-Government <strong>Soll</strong>-Modell dem letzten Stand der Technik?)<br />

9 E-Government und Prozessautomation:<br />

Wur<strong>den</strong> mögliche Auswirkungen von E-Government und Prozessautomation auf<br />

die Organisations- und Prozessstruktur korrekt eingeschätzt und modelliert?<br />

10 Technologischer Innovationsbedarf:<br />

Wie würde die Lösung aussehen, wenn NEUE E-Government Service Optionen<br />

integriert wür<strong>den</strong>? (z.B.: „E-Postbrief“, „DE-Mail“, „E-PA“)<br />

11 Organisatorische Innovationen:<br />

Wurde das Front Office / Back-Office Organisations-Prinzip angemessen be-<br />

rücksichtigt?<br />

12 Organisatorische Innovationen:<br />

Wur<strong>den</strong> im <strong>Soll</strong>-Modell Chancen und Möglichkeiten zur Einführung von „Shared<br />

Services“ angemessen berücksichtigt?<br />

13 Rechtlicher Innovationsbedarf:<br />

Bestehen nach Ihrer Einschätzung Hindernisse im Rechtsrahmen des Verwal-<br />

tungshandelns zur Durchführung bzw. Umsetzung des <strong>Soll</strong>-Modells?<br />

Abbildung 8: Fragebogen zur "Qualitätssicherung <strong>Soll</strong>-Modell"<br />

D. Vorbereitung des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs<br />

Nachdem das <strong>Soll</strong>-Modell anhand der oben dargestellten Fragen im Hinblick auf seine Voll-<br />

ständigkeit und Plausibilität überprüft wurde, muss in einem nächsten Schritt der <strong>Soll</strong>-Ist-<br />

Vergleich vorbereitet wer<strong>den</strong>. Dazu müssen bestimmte Modellinhalte aus dem <strong>Soll</strong>-Modell ext-<br />

rahiert und in eine <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich geeignete Darstellung transformiert wer<strong>den</strong>. Mögli-<br />

cherweise liegt das <strong>Soll</strong>-Modell bereits als „Datei“ in einem Datenbank gestützten Modellie-<br />

rungswerkzeug vor. In diesem Fall können die im Folgen<strong>den</strong> beschriebenen Teilmodelle mögli-


28 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

cherweise mit Hilfe einer „Report-Funktion“, d.h. durch eine Modellierungswerkzeug gestützte<br />

Auswertung aus der Modelldatenbank erzeugt und grafisch oder tabellarisch dargestellt wer-<br />

<strong>den</strong>. Alternativ dazu erfolgt die Extraktion der Modellinhalte „manuell“. Für die Darstellung der<br />

<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich erforderlichen Teilmodelle empfehlen wir in diesem Fall die Nutzung<br />

folgen<strong>den</strong> Vorlagen:<br />

Rolle 1<br />

Rolle 2<br />

Rolle 3<br />

Rolle 2<br />

A 2<br />

a. Rollenmodell<br />

b. Prozessfunktionstabelle<br />

c. IT-Anwendungsarchitekturdiagramm<br />

„<strong>Soll</strong>-Prozessmodell“<br />

A 1<br />

A 4<br />

A 5<br />

A 6<br />

A 7<br />

A 3<br />

A 8<br />

AW 1<br />

AW 2<br />

AW 1<br />

Abbildung 9: Vorgehen und Beteiligte zur Vorbereitung des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs<br />

Die oben stehende Abbildung 9 zeigt schematisch auf, wie die „Zerlegung“ und Transformati-<br />

on des integrierten <strong>Soll</strong>-Modells, in dem fachliche, organisatorische und technologische Sach-<br />

verhalte in einer kompakten, mehrperspektivischen Darstellung zusammengefasst wur<strong>den</strong>, in<br />

die Teilperspektiven bzw. Teilmodelle erfolgen soll. Diese Aufgabe ist eine „Gruppenarbeit“,<br />

bei der mehrere Fachexperten zu Rate gezogen wer<strong>den</strong> sollten:<br />

Die Rolle „Organisator“ hat die Aufgabe, das <strong>Soll</strong>-Modell zu erläutern, das Rollenmodell<br />

zu extrahieren und die Arbeit zu moderieren.<br />

Die Rolle „Fachexperte“ hat die Aufgabe, die aus fachlicher Sicht zur Prozessdurchfüh-<br />

rung erforderlichen IT-Bearbeitungsfunktionen zu benennen und wird dabei vom IT-<br />

Anwendungsbetreuer beraten.<br />

„Rollenmodell“<br />

Rollen<br />

Rolle 1<br />

A 1<br />

Aufgaben<br />

Rechte<br />

Der „Anwendungsbetreuer“ bringt sein aktuelles Wissen über prozessrelevante IT-<br />

Anwendungen und Servicekomponenten ein und kann die aus fachlicher Sicht geforder-<br />

ten IT-Funktionen bestimmten IT-Anwendungen und Komponenten zuordnen.<br />

A 2<br />

A 3<br />

Rolle 2<br />

AW 1<br />

A 6<br />

A 7<br />

A 8<br />

Rolle 3<br />

„IT-Anw.-Architektur“<br />

A 4<br />

A 5<br />

AW 2<br />

„IT-Funktionsmodell“<br />

A 2<br />

A 3<br />

AW 1<br />

Aw1<br />

A 6<br />

A 7<br />

A 8<br />

portal<br />

Service<br />

Service<br />

AW 2<br />

A 4<br />

A 5<br />

Service<br />

Organisator Anwendungs-<br />

Betreuer<br />

Fachexperte<br />

IT-System<br />

-architekt


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 29<br />

Der „IT-Systemarchitekt“ stellt alternative Lösungsszenarien vor und skizziert, wie die<br />

vom Prozess geforderten IT-Komponenten und Services innerhalb der E-Government<br />

Anwendungsarchitektur zusammenspielen.<br />

a. Rollenmodell<br />

Das Rollenmodell enthält alle am Prozess beteiligten Prozessrollen und beschreibt deren Ar-<br />

beitsaufgaben in der Form von Aktivitäten, Aktivitätengruppen oder Teilprozessen. Das Rol-<br />

lenmodell bildet <strong>den</strong> Ausgangspunkt <strong>für</strong> <strong>den</strong> organisatorischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich, indem die im<br />

<strong>Soll</strong>-Modell definierte Zuordnung der Arbeitsaufgaben zu <strong>den</strong> Rollen mit der bestehen<strong>den</strong> Auf-<br />

gabenverteilung in der Organisation verglichen wird.<br />

Das Rollenmodell kann tabellarisch oder grafisch dargestellt wer<strong>den</strong>. Die grafische Darstellung<br />

kann in der Regel sehr einfach durch „copy & paste“ 7 der entsprechen<strong>den</strong> Notationselemente<br />

aus dem grafischen Prozessmodell erzeugt wer<strong>den</strong> und eignet sich besser zur Visualisierung<br />

der Rollen, zum Beispiel <strong>für</strong> Gruppendiskussionen und Workshops.<br />

Abbildung 10: Grafische Darstellung Rollenmodell<br />

Die tabellarische Darstellung des Rollenmodells macht ohne Werkzeugunterstützung mehr<br />

Arbeit (die entsprechen<strong>den</strong> Inhalte und Aussagen aus dem grafischen Modell müssen in die<br />

Tabelle übertragen wer<strong>den</strong>), ist aber auch wesentlich aussagekräftiger und kann zum Beispiel<br />

als Vorlage und Input <strong>für</strong> eine Stellenbeschreibung wieder verwendet wer<strong>den</strong>:<br />

7 copy & paste = „Kopieren und Einfügen“<br />

Rolle<br />

Teilprozess<br />

Aktivitätengruppe<br />

Aktivität<br />

Abbildung 11: Tabellarische Darstellung "Rollenmodell"


30 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Bearbeitungshinweise<br />

Die Zuordnung der Teilprozesse, Aktivitätengruppen und Aktivitäten sowie die zu ihrer<br />

Bearbeitung erforderlichen Hilfsmittel und Ressourcen ergeben sich unmittelbar aus der<br />

grafischen Prozessdarstellung.<br />

Die Aktivitäten können jeweils nur einer Rolle, nämlich ihrem „Eigentümer“, zugewiesen<br />

wer<strong>den</strong>, Interaktionen mit anderen Rollen führen immer zu Aktivitäten auf bei<strong>den</strong> Seiten<br />

der Interaktion (überschneidungsfreie Aktivitäten).<br />

Entscheidungen und Entscheidungskompetenzen können in der Regel aus <strong>den</strong> an <strong>den</strong><br />

Prozessverzweigungen angegebenen Entscheidungsregeln („business rules“ 8 ) abgele-<br />

sen oder auch aus entsprechen<strong>den</strong> Kommentierungen des Fachmodells abgeleitet wer-<br />

<strong>den</strong>.<br />

Zu <strong>den</strong> „Rechten“ wer<strong>den</strong> unter anderem die „Zugriffsrechte“ auf bestimmte IT-<br />

Anwendungen gerechnet.<br />

Die Tabelle sollte bei Bedarf und im Sinne der Übersichtlichkeit im Bereich „Teilprozes-<br />

se, Aktivitätengruppen und Aktivitäten“ um weitere Zeilen erweitert wer<strong>den</strong>.<br />

b. Prozessfunktionstabelle<br />

Die Prozessfunktionstabelle stellt eine Erweiterung des grafischen <strong>Soll</strong>-Modells dar. Sie be-<br />

schreibt „en Detail“ welche unterstützen<strong>den</strong> IT-Funktionen oder IT-Services der Fachprozess<br />

erfordert. Mit Hilfe der Prozessfunktionstabelle können alle Prozess unterstützen<strong>den</strong> IT-<br />

Anwendungen durch einen Abgleich der <strong>Soll</strong>-Funktionen mit <strong>den</strong> Ist-Funktionen im Hinblick<br />

auf die Qualität und <strong>den</strong> Umfang der Prozessunterstützung bewertet und funktionale „Lücken“<br />

in der prozessnahen IT i<strong>den</strong>tifiziert wer<strong>den</strong>. In der Praxis enthalten die <strong>Soll</strong>-Modelle nur selten<br />

Informationen, die unmittelbar Auskunft über alle benötigten IT-Services und IT-Funktionen<br />

geben, da Fachmodelle in der Regel „nur“ <strong>den</strong> Detaillierungsgrad von „Aktivitäten“ und von mit<br />

<strong>den</strong> Aktivitäten assoziierten IT-Anwendungen erreichen. Dennoch bietet das <strong>Soll</strong>-Modell eine<br />

sehr gute Ausgangsbasis zur I<strong>den</strong>tifikation funktionaler IT-Anforderungen. Kernfrage dabei ist:<br />

„Welche maschinellen, teilmaschinellen oder manuellen Bearbeitungsfunktionen sind in einer<br />

Fach-Prozessaktivität (implizit) enthalten?“. Logik und Vorgehen zur I<strong>den</strong>tifikation der funktio-<br />

nalen IT-Anforderungen aus einem <strong>Soll</strong>-Modell sind in der folgen<strong>den</strong> Abbildung schematisch<br />

dargestellt:<br />

8 business rules = Geschäftsregeln. Diese sind zum Beispiel bei der Entwicklung maschinell gesteuerter Prozessabläufe<br />

besonders wichtig und müssen dann in eine „maschinenlesbare“ Form gebracht wer<strong>den</strong>.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 31<br />

Rolle 1<br />

Rolle 2<br />

Rolle 3<br />

Rolle 2<br />

„<strong>Soll</strong>-Prozessmodell“<br />

A 2<br />

A 1<br />

A4<br />

A 5<br />

A 6<br />

A 7<br />

Geschäfts-<br />

Aufgabe /<br />

„Aktivitäten-<br />

Gruppe“<br />

Abbildung 12: Ableitung funktionaler IT-Anforderungen aus dem Fachmodell<br />

Auch hier ist es ratsam unterschiedliche Experten an der Aufgabe zu beteiligen, dazu gehören:<br />

die Rollen „Organisator“, „Fach-Prozessexperte“ und „IT-Anwendungsbetreuer“. Um die Funkti-<br />

onsanforderungen systematisch zu erfassen und <strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich aufzubereiten, sollte<br />

die grafische Darstellung des <strong>Soll</strong>-Modells zunächst in eine tabellarische Darstellung überführt<br />

wer<strong>den</strong>. Professionelle Modellierungswerkzeuge unterstützten dies in der Regel durch entspre-<br />

chende Auswertungsfunktionen. Andernfalls muss die Transformation der Darstellung manuell<br />

erfolgen, indem die <strong>für</strong> die „Prozessfunktionsanalyse“ relevanten grafischen Modellinhalte und<br />

Aussagen in eine Excel-Tabelle überführt wer<strong>den</strong>. Die von uns empfohlene Tabellenstruktur ist<br />

in der Abbildung 13 dargestellt.<br />

Bearbeitungshinweise<br />

A 3<br />

A 8<br />

AW 1<br />

AW 2<br />

AW 1<br />

Aktivität<br />

Aktivität<br />

Die Prozessfunktionstabelle dient der Erfassung und Spezifikation der funktionalen IT-<br />

Anforderungen (IT-Bearbeitungsfunktionen) aus der Perspektive des <strong>Soll</strong>-Modells. Sie ist<br />

über die Projektphasen "Grobkonzept" bis zur "Feinkonzeption" im Sinne eines Anforde-<br />

rungskonzepts und Pflichtenhefts <strong>für</strong> die IT-Umsetzung laufend fortzuschreiben. Dabei ist<br />

die Versionskontrolle (siehe; Bearbeitungshistorie) zu beachten. Die Prozessfunktionsta-<br />

belle entsteht als Extrakt bestimmter Informationen durch manuelle Übertragung oder als<br />

Report aus einem Modellierungswerkzeug aus dem <strong>Soll</strong>-Modell. Verantwortlich <strong>für</strong> die<br />

Erstellung der Prozesstabelle ist der Organisator bzw. Prozessberater. Er wird dabei un-<br />

terstützt durch die Prozessexperten aus dem Fachbereich und die IT-<br />

Anwendungsbetreuer der Kommune.<br />

Prozessfunktionstabelle SOLL / IST<br />

Aktivität Funktion IT-Anwendung<br />

Aktivität Funktion IT-Anwendung<br />

Aktivität Funktion IT-Anwendung<br />

Aktivität Funktion IT-Anwendung<br />

Aktivität Funktion IT-Anwendung<br />

Manuelle<br />

Tätigkeit<br />

Maschinelle<br />

Funktion<br />

Übertragen Sie zunächst das Aktivitätenflussdiagramm in die Tabelle (Spalten A-F).<br />

Durch die konsistente Nummerierung der Prozesselemente können grafisches Modell


32 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

und Tabelle jederzeit aufeinander bezogen wer<strong>den</strong>. Es ist empfehlenswert, die Zuord-<br />

nung der Aktivitäten zu <strong>den</strong> Prozessrollen "in einem Zuge" durchzuführen. Tragen Sie<br />

zunächst die im Prozessmodell verwendeten Rollen in <strong>den</strong> Tabellenkopf (Spalten G-I)<br />

ein. Fügen Sie bei Bedarf zusätzliche Spalten ein. Weisen Sie die Aktivitäten durch Ein-<br />

trag einer "1" in die entsprechende Rollenspalte einer Rolle zu. Die Verwendung der "1"<br />

anstelle eines "X" ermöglicht später numerische Auswertungen.<br />

Prüfen Sie, ob die von Kun<strong>den</strong> durchzuführen<strong>den</strong> Prozessaktivitäten im Modell (mindes-<br />

tens in der Prozesslandkarte) enthalten sind (Beispiel: "Antrag erstellen"). Diese müs-<br />

sen zum Beispiel in Fällen, bei <strong>den</strong>en „Online Anträge" zum <strong>Soll</strong>-Konzept gehören, ge-<br />

nau wie verwaltungsinterne Prozesse modelliert und spezifiziert wer<strong>den</strong>. Prüfen Sie<br />

gleichfalls, ob (mindestens in der Prozesslandkarte) die von <strong>den</strong> Prozesspartnern<br />

durchzuführen<strong>den</strong> Prozessaktivitäten im Modell enthalten sind. In vielen Fällen nutzen<br />

Prozesspartner ebenfalls IT-Systeme, zu <strong>den</strong>en dann im <strong>Soll</strong>konzept IT-Schnittstellen<br />

entwickelt wer<strong>den</strong> müssen.<br />

Übertragen Sie nun zu jeder Aktivität die Input- Daten und Dokumente aus dem Grafi-<br />

schen Prozessmodell (Spalten: J-K).<br />

Im nächsten Schritt beginnt die Spezifikation der Anforderungen des <strong>Soll</strong>-Modells an die<br />

Prozess unterstützen<strong>den</strong> IT-Anwendungen und Komponenten. Dabei ist es zunächst<br />

völlig unerheblich, welche Anwendung oder Komponente die gewünschte Bearbeitungs-<br />

funktion später bereitstellen wird. Dies zu entschei<strong>den</strong> obliegt dem IT-<br />

Systemarchitekten. Um die vom Prozess benötigten IT-Bearbeitungsfunktionen zu er-<br />

kennen und allgemeinverständlich zu beschreiben, sollten Sie zunächst die Fachexper-<br />

ten befragen, welche Tätigkeiten mit der Durchführung der jeweiligen Prozessaktivität<br />

verbun<strong>den</strong> sind und welche Geschäftsobjekte oder Informationsobjekte (Daten und Do-<br />

kumente) dabei angenommen, erzeugt, bearbeitet, erfasst, geprüft, gezeichnet, gespei-<br />

chert, versendet usw. wer<strong>den</strong>. Aus der Beschreibung der notwendigen Arbeitsschritte<br />

können die von der Prozessaktivität geforderten IT- Bearbeitungsfunktionen in der Re-<br />

gel direkt abgeleitet wer<strong>den</strong>. Dies erfordert allerdings eine gute Allgemeinkenntnis der<br />

Unterstützungsmöglichkeiten und Automationspotenziale, die IT heutzutage anbieten<br />

kann! Diskutieren und erfassen Sie vorhan<strong>den</strong>e und gewünschte IT-Funktionen. Bitte<br />

vergessen Sie dabei nicht die Automationspotenziale an Schnittstellen zu externen und<br />

internen Prozessbeteiligten. Nehmen Sie dazu die Prozesslandkarte zur Hilfe; dort soll-<br />

ten alle Schnittstellen zu externen und internen Prozessbeteiligten eingetragen sein.<br />

Tragen Sie die Ergebnisse in der Spalte L „IT-Bearbeitungsfunktionen Beschreibung"<br />

ein. Fügen sie ggfs. in der Spalte Q "Bemerkungen" ergänzende Informationen hinzu.<br />

Bei komplexen Aktivitäten kann es sehr hilfreich sein, diese zunächst in einem zusätzli-<br />

chen Modellierungsschritt weiter zu verfeinern. Dabei wird der Ablauf der Tätigkeiten<br />

wiederum in einem grafischen Ablaufmodell modelliert. Hilfreich ist es, auf dieser Detail-<br />

lierungsebene zwischen "manuellen Tätigkeiten" (Arbeitsschritten) und "maschinellen<br />

Bearbeitungsfunktionen" zu unterschei<strong>den</strong>. Ergänzen Sie bei Bedarf die Prozessfunkti-<br />

onstabelle im Bereich "Aktivitätenflussdiagramm" an <strong>den</strong> entsprechen<strong>den</strong> Aktivitäten um<br />

eine Spalte "Tätigkeiten".


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 33<br />

Nun ist es möglich, mit Hilfe der vollständig ausgefüllten Prozessfunktionstabelle <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-<br />

/Ist- Vergleich der geforderten und der von <strong>den</strong> vorhan<strong>den</strong>en IT-Anwendungen und An-<br />

wendungskomponenten bereitgestellten Bearbeitungsfunktionen durchzuführen. Spre-<br />

chen Sie dazu mit <strong>den</strong> IT-Anwendungsbetreuern und IT-Architekten Ihrer Kommune.<br />

Diese wissen in der Regel, welche der vom <strong>Soll</strong>-Prozess geforderten IT-<br />

Bearbeitungsfunktionen von welcher Anwendung oder Anwendungskomponente bereit-<br />

gestellt wer<strong>den</strong> (Ist) oder bereitgestellt wer<strong>den</strong> können (<strong>Soll</strong>), bzw. welche IT-Module zu-<br />

sätzlich beschafft oder entwickelt wer<strong>den</strong> müssen, um <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>prozess zu realisieren.<br />

Dokumentieren Sie ihre Gesprächsergebnisse dazu in <strong>den</strong> Spalten: M-Q.


34 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Abbildung 13: Vorlage Prozessfunktionstabelle<br />

A B C D E F G H I J K L M N O P Q<br />

Aktivitätenflussdiagramm Bearbeiter-Rolle Daten und Dokumente IT-Bearbeitungsfunktionen<br />

Anwendung / Komponente<br />

Bemerkungen<br />

TP-Nr TP-Name AkGr-Nr. AkGr-Name Akt-Nr. Aktivität-Name Rolle-Name Rolle-Name Rolle-Name Input Output Beschreibung IST SOLL Name Hersteller<br />

1 1.1 1.1.1 1 Antrag Eingangsbestätigung<br />

1.1.2 1<br />

1.2<br />

2 2.1 2.1.1 1


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 35<br />

c. IT-Anwendungsarchitekturdiagramm<br />

Das Anwendungsarchitekturdiagramm skizziert <strong>den</strong> grundsätzlichen Aufbau und das Zusam-<br />

menspiel der vom <strong>Soll</strong>-Modell geforderten IT-Anwendungen. Es handelt sich dabei um eine<br />

grob vereinfachte Darstellung in der Form eines Blockdiagramms. Zur Erstellung des <strong>Soll</strong>-<br />

Modell spezifischen IT-Anwendungsarchitekturdiagramms müssen die im <strong>Soll</strong>-Modell aufge-<br />

führten IT-Anwendungen oder Servicekomponenten in das E-Government IT-Framework ein-<br />

geordnet wer<strong>den</strong>. Die folgende Abbildung 14 stellt dieses E-Government IT-Framework in ver-<br />

einfachter Form als Blockdiagramm dar. Diese Abbildung können Sie als Vorlage <strong>für</strong> die Erstel-<br />

lung ihres Prozess spezifischen IT-Anwendungsarchitekturdiagramms verwen<strong>den</strong>, indem Sie<br />

die vom <strong>Soll</strong>-Prozess benötigten Anwendungen, Komponenten und Dienste in das entspre-<br />

chende „Feld“ eintragen und alle nicht benötigten Komponenten weglassen.<br />

Vorsprache<br />

Telefon<br />

DOC<br />

Brief<br />

Logistik-Service<br />

Bündeln<br />

Zustellen<br />

Scan-Service<br />

Registrieren<br />

Digitalisieren<br />

Indizieren<br />

SCAN-<br />

Extrahieren<br />

Service<br />

Input Mgmt.<br />

Zuordnen<br />

Aufklären<br />

Weiterleiten<br />

E-Mail<br />

Sonst. Verzeichnisdienste<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Abbildung 14: Skizze des E-Government IT-Frameworks<br />

Gehen Sie bitte das komplette <strong>Soll</strong>-Modell durch und notieren Sie alle im Modell aufge-<br />

führten IT-Anwendungen, IT-Dienste und Komponenten sowie Schnittstellen und Daten-<br />

dienste (professionelle Modellierungswerkzeuge können dazu eine Auswertung der in ei-<br />

nem Modell verwendeten IT-Ressourcen erstellen)<br />

Berücksichtigen Sie dabei bitte unbedingt die Kun<strong>den</strong>- und Partnerprozesse mit ihren<br />

verschie<strong>den</strong>en Verwaltungszugängen und möglicherweise unterschiedliche Zugänge<br />

(mobil, stationär) <strong>für</strong> die Mitarbeiter der Verwaltung, sowie die Schnittstellen zu internen<br />

Stütz- und Partnerprozessen aus der Prozesslandkarte!<br />

Ordnen Sie nun die i<strong>den</strong>tifizierten IT-Ressourcen des <strong>Soll</strong>-Modells in das Architekturdia-<br />

gramm ein<br />

Online Brief<br />

Online<br />

Zugang<br />

(Kunde)<br />

Extranet<br />

Zugang<br />

(Intermediär)<br />

Intranet<br />

Zugang<br />

(Mitarbeiter)<br />

Mobiler<br />

Zugang<br />

(Mitarbeiter)<br />

(Prozess-) Portal (Composite Application Plattform, Desktop/Taskflow)<br />

Vorgangssteuerung (Workflowmanagement System/bus)<br />

Servicesteuerung (Middleware, Servicemanagement System/bus )<br />

E-Mail<br />

Elektronische Vorgangsbearbeitung<br />

(Workflow Management & Service-Aufrufe)<br />

E-Poststelle<br />

Virtuelle Poststelle<br />

E-Signatur<br />

I<strong>den</strong>tity Management<br />

Input Management.<br />

&<br />

Verzeichnisdienste<br />

E-Government Portal<br />

Servicebibliothek (Service Repository)<br />

E-Governmnent Basiskomponenten<br />

Customer Management<br />

Dokumenten- Mgmt.<br />

& sonstige<br />

Basis-Dienste<br />

(z.B.: Formulare, Payment,<br />

Content usw.)<br />

E-Shop-Systems<br />

E-Payment Systems<br />

Content Management<br />

Knowledge Management<br />

Office Anwendungen<br />

Formular Management<br />

It-Hardware- und Netzinfrastruktur<br />

Document Management<br />

HKR-System<br />

EWO-Melde-Register<br />

sonstige Fachverfahren<br />

Telefon<br />

Fachverfahren Fach-<br />

Verfahren,<br />

Fach-<br />

Dienste<br />

Sonstige Web-Services<br />

Office Anwendungen<br />

E-Mail<br />

Online Brief<br />

Brief<br />

E-DOC DOC<br />

Versand-Mgmt<br />

Nachweis<br />

.<br />

erbringen<br />

zustellen<br />

Versen<strong>den</strong><br />

Print-Mgmt<br />

Output<br />

Vorsprache<br />

Freimachen<br />

.<br />

Couvertieren<br />

Mgmt. Drucken /<br />

Weiterleiten<br />

PRINT-<br />

Registrieren<br />

Indizieren<br />

Service<br />

konvertieren<br />

Output-Mgmt<br />

DOC


36 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Behandeln Sie dabei IT-Schnittstellen zu internen oder externen Prozessbeteiligten wie<br />

„Fachdienste“<br />

Lassen Sie die Anwendungsbereiche im Framework, die nicht zur Umsetzung des <strong>Soll</strong>-<br />

Modells erforderlich sind, weg.<br />

2.3 <strong>Soll</strong>- / Ist-Vergleich<br />

Nachdem das <strong>Soll</strong>-Modell qualitätsgesichert und seine organisatorischen und technologischen<br />

Aussagen und Inhalte aufbereitet wur<strong>den</strong>, kann ein Vergleich zwischen Ist- und <strong>Soll</strong>-Situation<br />

der Prozessimplementierung durchgeführt wer<strong>den</strong>, um die Differenzen und Handlungsbedarfe<br />

herauszuarbeiten und einer systematischen Umsetzungsplanung zugänglich zu machen. Der<br />

<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich besteht aus zwei Bereichen, dem organisatorischen und dem technologi-<br />

schen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich. Der <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich liefert also die „Bausteine“ <strong>für</strong> das im nächsten<br />

Projektschritt zu erstellende „Stufenkonzept“ zur Einführung des <strong>Soll</strong>-Modells.<br />

Da bereits ein qualitätsgesichertes <strong>Soll</strong>-Modell vorliegt, kann an dieser Stelle in der Regel auf<br />

eine aufwendige Ist-Modellierung verzichtet wer<strong>den</strong>. Sie wäre nur dann erforderlich, wenn zum<br />

Beispiel ein Prozesskostenvergleich erwünscht ist, der die Prozessoptimierungseffekte quanti-<br />

fiziert und als Grundlage <strong>für</strong> eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Prozessprojekts herange-<br />

zogen wer<strong>den</strong> soll. Gegebenenfalls kann die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aber auch „qualita-<br />

tiv“ durch die Anwendung der „Checkliste Prozessoptimierung“ auf <strong>den</strong> Ist-Prozess durchge-<br />

führt wer<strong>den</strong>. Wir empfehlen in jedem Fall die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit dem Stufen-<br />

konzept zu verknüpfen, damit sicher gestellt ist, dass jede einzelne Umsetzungsstufe „greifba-<br />

re“ Effekte und Vorteile erzielt. Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Umsetzungsstufen kann<br />

also auch zur Überprüfung der Plausibilität des Stufenkonzepts herangezogen wer<strong>den</strong>.<br />

Organisatorischer <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

Der organisatorische <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich beantwortet die Frage, wie das Rollenkonzept des <strong>Soll</strong>-<br />

Modells in die bestehende Aufbauorganisation integriert wer<strong>den</strong> soll und welche Verände-<br />

rungsbedarfe sich im Zuge dieser Integration im Bereich der Aufbauorganisation ergeben. Er<br />

liefert dadurch eine erste Grundlage <strong>für</strong> die Planung von Maßnahmen und die Eingrenzung<br />

der im anstehen<strong>den</strong> Veränderungsprozess zu beteiligen<strong>den</strong> Stellen und Personen. Zur Durch-<br />

führung des Abgleichs muss die Definition der Prozessrolle mit <strong>den</strong> ihr zugeordneten Aufga-<br />

ben und Tätigkeiten mit der Aufgabenbeschreibung der Stellen im Organigramm abgeglichen<br />

und „kompatibel“ gemacht wer<strong>den</strong>. Jede mögliche Abweichung, zum Beispiel im Hinblick auf:<br />

Aufgabenumfang und Inhalte der Stelle, damit verbun<strong>den</strong>e „Rechte & Pflichten“, Anforderun-<br />

gen an <strong>den</strong> Stelleninhaber, Qualifikationserfordernisse, Stellenbewertung, Stellenbemessung<br />

usw. muss durch eine entsprechende „Maßnahme“ in <strong>den</strong> „<strong>Soll</strong>zustand“ überführt wer<strong>den</strong>.<br />

Die folgende Abbildung stellt Hilfsmittel und Ansatzpunkte sowie die beteiligten Akteure im<br />

organisatorischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich schematisch dar:


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 37<br />

Rolle 1<br />

A 1<br />

Rolle 3<br />

A4<br />

A 5<br />

„Rollenmodell“<br />

A 2<br />

A 3<br />

Rolle 2<br />

A 6<br />

A 7<br />

A 8<br />

Abbildung 15: Prinzip des organisatorischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs<br />

Der organisatorische <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich führt zu einer Liste von organisatorischen Maßnahmen,<br />

die erforderlich sind, um das <strong>Soll</strong>-Modell in der Organisation zu implementieren. Ein Beispiel:<br />

Die Rolle 2 mit <strong>den</strong> Aktivitäten A2, A3, A6, A7 und A8 aus dem <strong>Soll</strong>-Modell soll auf der Stelle X<br />

implementiert wer<strong>den</strong>. Die Ist-Stellenbeschreibung berücksichtigt diese Aktivitäten nicht. Daher<br />

wäre eine Anpassung erforderlich.<br />

?<br />

Der folgende Fragebogen enthält eine Zusammenstellung der Erkenntnis leiten<strong>den</strong> Fragen zur<br />

Durchführung des organisatorischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs. Die Beantwortung der Fragen führt im<br />

Ergebnis zu einer ersten Übersicht zu <strong>den</strong> <strong>für</strong> die Projektdurchführung erforderlichen Maßnah-<br />

men im Bereich der Organisation und des Veränderungsmanagements 9 . Die Fragen sind nach<br />

folgen<strong>den</strong> Überschriften gegliedert:<br />

´FB / OE<br />

A Projektnutzen und Ziele<br />

B Handlungsfeld abgrenzen<br />

C Handlungsbedarfe erkennen<br />

D Projektvorschlag entwickeln<br />

E Entscheidungsbedarfe erkennen<br />

F Projektorganisation planen<br />

Leitfragen zum „<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Organisation“<br />

Organigramm /<br />

Stellenbeschreibung<br />

Stelle A<br />

Stelle B<br />

Stelle X Stelle Y Stelle Z<br />

Aufgaben<br />

Stelle X<br />

Aufgaben<br />

Stelle A<br />

Aufgaben<br />

Stelle B<br />

Aufgaben<br />

Stelle Y<br />

Erstellen bzw. „extrahieren“ Sie zunächst aus dem <strong>Soll</strong>-Prozess-Modell das Rollenmodell<br />

zum vorliegen<strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Prozess.<br />

Nehmen Sie ein Organigramm, Aufgabenverteilungsplan und ggfs. Stellenbeschreibungen<br />

ihrer Kommune / Organisation zur Hand und referenzieren Sie die Rollen und ihre Geschäftsaufgaben<br />

auf „ihre“ Organisationsstruktur (Stellen).<br />

9 Siehe Kapitel 3 „Hinweise zum Veränderungsmanagement“ am Ende des <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s.<br />

Aufgaben<br />

Stelle Z<br />

Organisator<br />

Führungskraft<br />

Personal-<br />

Betreuer


38 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Bitte diskutieren Sie die dabei folgen<strong>den</strong> Leitfragen mit ihren Fachexperten!<br />

I<strong>den</strong>tifizieren Sie dabei ggfs. alle Abweichungen zwischen „IST“ und „SOLL“ und tragen Sie<br />

Ergebnisse und Maßnahmenvorschläge zur Veränderung in die folgende Tabelle ein.<br />

A Projektnutzen und Ziele:<br />

1 Welche übergeordneten („strategischen“ und „politischen“ Ziele wer<strong>den</strong> durch<br />

das Projekt unterstützt und erreicht bzw. „gefördert“?<br />

Wie kann die Zielerreichung gemessen wer<strong>den</strong>?<br />

2 Welchen konkreten Nutzen bringt das Projekt <strong>für</strong> die Kommune?<br />

Wie kann der erreichte Nutzen gemessen wer<strong>den</strong>?<br />

B Handlungsfeld abgrenzen:<br />

3 Welche Organisationseinheiten, Entscheider und Aufgabenträger sind heute an<br />

der Leistungserbringung beteiligt und deshalb direkt von der Einführung des<br />

<strong>Soll</strong>-Prozesses „betroffen“?<br />

4 Welche Organisationseinheiten, Entscheider und Aufgabenträger sind zu<br />

„beteiligen“ und/oder zu „informieren“?<br />

5 Ist die Personalvertretung zu beteiligen bzw. zu informieren?<br />

C Handlungsbedarfe erkennen:<br />

6 Können Rollen / Aufgabenzuordnungen auf die bestehende Struktur übertragen<br />

wer<strong>den</strong>?<br />

7 Ändert sich die Aufbauorganisation?<br />

8 Ändert sich die Aufgabenverteilung?<br />

9 Ändert sich die Ablauforganisation?<br />

10 Ist die <strong>für</strong> die Einführung des <strong>Soll</strong>-Prozesses die Einführung einer organisationsübergreifen<strong>den</strong><br />

Prozessverantwortung erfolgskritisch?<br />

11 Welche (internen und externen) Liefer- und Leistungsbeziehungen und Vereinbarungen<br />

(„Service Level Agreements“) dazu sind betroffen?<br />

D Projektvorschlag entwickeln:<br />

12 Welche Maßnahmen sind im Bereich der Organisation zu ergreifen um <strong>den</strong><br />

<strong>Soll</strong>-Prozess einzuführen?<br />

13 Welche organisatorischen Maßnahmen sind erfolgskritisch und haben deshalb<br />

eine hohe Priorität?<br />

14 Welche organisatorischen Maßnahmen (und Entscheidungen) stehen in einem<br />

sachlichen oder zeitlichen Zusammenhang und müssen deshalb in einem<br />

„Maßnahmenpaket“ zusammengeführt, bzw. gebündelt wer<strong>den</strong>?<br />

15 Welche ursächlichen Zusammenhänge und Abhängigkeiten bestehen zwischen<br />

Organisationsentwicklung und Technologie- Entwicklung?


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 39<br />

(z.B.: Einführungschritte und -stufen, Qualifizierungsbedarfe etc.)<br />

16 Welche Ressourcen (Personal-und sonstiger Aufwand) wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

und Umsetzung der organisatorischen Maßnahmen benötigt?<br />

17 Wie beurteilen sie die „Wirtschaftlichkeit“ des Projekts?<br />

18 Welches sind die „kritischen Erfolgsfaktoren“ <strong>für</strong> die Durchführung des Projekts?<br />

19 Wie verankern Sie das Projekt in der Verwaltungsführung und <strong>den</strong> politischen<br />

Gremien?<br />

20 Wie verankern und entwickeln Sie das Projekt in <strong>den</strong> beteiligten Fachbereichen<br />

(Projekt begleitendes „Veränderungsmanagement“)?<br />

E Entscheidungsbedarfe erkennen:<br />

21 Welche Entscheidungen müssen (ggfs. in welcher Reihenfolge) herbeigeführt<br />

wer<strong>den</strong>?<br />

22 Wer entwickelt die Entscheidungsvorlage(-n)?<br />

23 Wer trifft die Entscheidung(-en)?<br />

F Projektorganisation planen:<br />

24 Welche Know-How-Träger wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> die Feinkonzeption gebraucht?<br />

25 Welche Know-How-Träger wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> die Entwicklung eines Stufenkonzepts<br />

zur Einführung gebraucht?<br />

26 Welche Know-How-Träger wer<strong>den</strong> <strong>für</strong> <strong>den</strong> kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

gebraucht?<br />

27 Sind die Projekt- Rollen und Aufgaben definiert, kommuniziert, verstan<strong>den</strong> und<br />

akzeptiert?<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Abbildung 16: Leitfragen zum <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Organisation<br />

Die Fragen sind nummeriert. Fette Nummern markieren jene Fragen, deren Beantwor-<br />

tung im Rahmen des <strong>Soll</strong>- / Ist-Vergleichs zwingend erforderlich ist.<br />

Die Beantwortung der weiteren Fragen empfiehlt sich im Zuge der Grobkonzeption und<br />

bei der Entwicklung eines Stufenkonzepts <strong>für</strong> die Einführung des <strong>Soll</strong>-Modells.<br />

Entwickeln und dokumentieren Sie ein (grobes) Konzept mit allen zur Implementierung<br />

des <strong>Soll</strong>-Zustandes erforderlichen Maßnahmen.<br />

Priorisieren Sie die Maßnahmen nach dem bewährten A-B-C-Schema!<br />

„Schnüren“ Sie sinnvolle Maßnahmenpakete aus thematisch, d.h. in organisatorischer<br />

und funktionaler Hinsicht, zusammenhängen<strong>den</strong> Maßnahmen.


40 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Stellen Sie sicher, dass jedes Maßnahmenpaket in sich abgeschlossen und vollständig<br />

ist und einen klar erkennbaren Nutzen stiftet.<br />

Bringen Sie die Maßnahmenpakete in eine zeitliche Abfolge („Einführungsstufen“)!<br />

Synchronisieren Sie die Stufen der Organisationsentwicklung mit <strong>den</strong> Einführungsstufen<br />

der technologischen Entwicklung! (siehe nächster Abschnitt: technologischer <strong>Soll</strong>-Ist-<br />

Vergleich)<br />

Die folgende Tabelle hilft Ihnen, alle Maßnahmenvorschläge zu dokumentieren und zu struktu-<br />

rieren:<br />

Maßnahmenplan Organisation<br />

Nr. Typ Maßnahme Prio Paket<br />

A Projektnutzen<br />

B Handlungsfeld<br />

C Handlungsbedarf<br />

D Projektvorschlag<br />

E Entscheidungen<br />

F Projektorganisation<br />

G Projektplanung<br />

Technologischer <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

Nr.<br />

Stufe<br />

Nr.<br />

Abbildung 17: Vorlage "Maßnahmenplan Organisation"<br />

Bemerkung<br />

Der technologische <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich beantwortet die Frage, welche Maßnahmen im Bereich<br />

der Informationstechnologie zu ergreifen sind, um das <strong>Soll</strong>-Modell zu implementieren. Dabei<br />

müssen in der Regel die prozessnahe IT-Infrastruktur, also alle Anwendungen, welche die<br />

Prozessdurchführung direkt unterstützen (z.B. „Fachanwendungen“) und IT-Komponenten mit<br />

Querschnittscharakter (E-Government Basisinfrastruktur, zum Beispiel Online Services, For-<br />

mulardienste, etc.) in <strong>den</strong> Vergleich mit einbezogen wer<strong>den</strong>. Grundsätzlich sollte der techno-<br />

logische <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich seitens der Organisation und der Fachbereiche allerdings ohne die<br />

Unterscheidung in „prozessnahe“ und Querschnittskomponenten auskommen. Aus „fachlicher<br />

Sicht“ und aus „Prozess-Sicht“ ist es unerheblich, welche IT-Anwendung oder Komponente<br />

eine erforderliche Bearbeitungsfunktion bereitstellt, oder technisch ausgedrückt: „implemen-<br />

tiert“. Es fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit der IT-Abteilung zu entschei<strong>den</strong>, wie fachliche<br />

und prozessorganisatorische Anforderungen an IT erfüllt wer<strong>den</strong>. Die Unterscheidung ist also<br />

eher der Tatsache geschuldet, dass kommunale IT eben in der Regel einerseits aus prozess-<br />

nahen „Office-“ und „Fachanwendungen“ und andererseits aus E-Government Anwendungen<br />

<strong>für</strong> die gesamte Verwaltung besteht. Die Unterscheidung soll also lediglich die Verständigung<br />

zwischen „Organisation“ und „Technik“ erleichtern. Der technologische <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich be-


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 41<br />

steht aus einer Bestandsaufnahme und einer sogenannten „Lückenanalyse“ (GAP-Analyse 10 )<br />

in drei Bereichen:<br />

Prozessfunktion<br />

Schnittstellen<br />

(E-Government)-Basiskomponenten<br />

Lückenanalyse der Prozessfunktionen<br />

Ziel der Analyse ist es, eine Übersicht über die „operativen Lücken“ in der IT-<br />

Prozessunterstützung zu erhalten und anschließend zu überlegen, wie diese Lücken geschlos-<br />

sen wer<strong>den</strong> können. Als „Werkzeug“ zur Durchführung der Lückenanalyse dient die bereits im<br />

Abschnitt „Qualitätssicherung von <strong>Soll</strong>-Modellen“ vorgestellte „Prozessfunktionstabelle“. Die<br />

Tabelle wird zunächst dadurch fortgeschrieben, dass die bereits im Rahmen der „Qualitätssi-<br />

cherung“ i<strong>den</strong>tifizierten maschinellen und teilmaschinellen Prozessaktivitäten und Tätigkeiten<br />

auf die bestehende IT-Unterstützung <strong>für</strong> <strong>den</strong> Prozess, d.h. auf die Gruppe der prozessnahen<br />

IT-Anwendungen referenziert wer<strong>den</strong>, um operative IT-Lücken sichtbar zu machen. 11<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Erstellen Sie eine Liste aller IT-Anwendungen, die von <strong>den</strong> Prozessbearbeitern („Rollen“)<br />

im Ist-Zustand verwendet wer<strong>den</strong>.<br />

Nehmen Sie zusätzlich die „Checkliste Prozessoptimierung“ zur Hand (siehe Abbildung<br />

7), sie enthält sehr viele Hinweise auf typische Schwachstellen und Optimierungspoten-<br />

ziale, die nicht immer, auch <strong>für</strong> IT erfahrene Sachbearbeiter „auf der Hand liegen“.<br />

Notieren Sie zu jeder IT-Bearbeitungsfunktion in der Spalte L, ob diese Funktion von ei-<br />

ner der in der Liste aktueller Anwendungen geführten Anwendungen angeboten wird<br />

(z.B. durch ein „X“ oder ein „Ja“ in Spalte M).<br />

Dabei ist es hilfreich sich zu vergegenwärtigen, ob es sich bei einer bestimmten funktio-<br />

nalen Anforderung um eine fachliche Funktion (z.B.: „Berechnung des Wohngeldan-<br />

spruchs“) oder um eine allgemeine „office“ Funktion (z. B.: „Bearbeitung von Textvorla-<br />

gen“), eine Prozessautomationsfunktion (z.B.: „Dokument weiterleiten“), oder eine Servi-<br />

ce-Schnittstelle (z.B.: „Einwohnermeldedaten abfragen“) handelt.<br />

Notieren Sie in der Spalte O <strong>den</strong> korrekten und vollständigen Namen der Anwendung und<br />

ihren Versionsstand.<br />

Notieren Sie in der Spalte P <strong>den</strong> Namen des Herstellers oder Anbieters.<br />

10 GAP: engl. <strong>für</strong> „Lücke“. Der Begriff „GAP-Analyse“ bezeichnet eine universelle betriebswirtschaftliche Methode zur<br />

I<strong>den</strong>tifikation von strategischen oder operativen Lücken und zur Ableitung von Handlungsbedarfen in unterschiedlichen<br />

Projektkontexten.<br />

11 Die Prozessfunktionstabelle ist ebenso ein sehr geeignetes Hilfsmittel, um Anforderungskonzepte <strong>für</strong> die Auswahl und<br />

Beschaffung von Fachanwendungen zu erstellen oder Fachanwendungen im Hinblick auf ihre „Prozessproduktivität“<br />

und Unterstützungsqualität zu beurteilen.


42 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Beurteilen Sie in der Spalte Q die Qualität der Anwendung bzw. notieren Sie möglicher-<br />

weise ergänzende Anforderungen und Merkmale, die im <strong>Soll</strong>-Zustand erfüllt wer<strong>den</strong> sol-<br />

len.<br />

Funktionen, die keiner bestehen<strong>den</strong> Anwendung zugeordnet wer<strong>den</strong> können stellen „ope-<br />

rative Lücken“ dar, die geschlossen wer<strong>den</strong> müssen, um eine effiziente Prozessdurchfüh-<br />

rung zu gewähren.<br />

Funktionen, die zwar „im Prinzip“ vorhan<strong>den</strong> sind, aber qualitativ verbessert wer<strong>den</strong> kön-<br />

nen, stellen „qualitative Lücken“ dar, die ebenfalls geschlossen wer<strong>den</strong> müssen.<br />

Diskutieren Sie die i<strong>den</strong>tifizierten operativen und qualitativen Lücken mit <strong>den</strong> jeweils zu-<br />

ständigen Anwendungs- bzw. Verfahrensbetreuern, um Ideen und Vorschläge <strong>für</strong> die Be-<br />

hebung der Lücken zu sammeln. Diskutieren Sie dabei auch Umsetzungsalternativen.<br />

Erstellen Sie eine Liste der Lösungsvorschläge und Alternativen und bewerten Sie ggfs. al-<br />

ternative Lösungsvorschläge im Hinblick auf ihre Verbesserungsqualität <strong>für</strong> <strong>den</strong> Prozess<br />

und ihre Machbarkeit, bzw. ihren Umsetzungsaufwand. Eine geeignete Methode zur Dar-<br />

stellung der Bewertungsergebnisse ist die Portfoliomethode (siehe folgende Abbildung).<br />

Starke<br />

Verbesserung<br />

geringe<br />

Verbesserung<br />

B A<br />

Abbildung 18: Portfoliomethode zur Bewertung von Lösungsalternativen<br />

Lückenanalyse der Prozess- und Anwendungsschnittstellen<br />

Ein nach der FaMoS-Methode erstelltes <strong>Soll</strong>-Modell enthält eine sogenannte „Prozesslandkar-<br />

te“ vom Typ „Prozesskollaborationsdiagramm“. Dieses Diagramm gibt Auskunft über alle<br />

Schnittstellen des <strong>Soll</strong>-Modells zu internen und externen Prozessbeteiligten. Ziel der Lücken-<br />

analyse ist es festzustellen, ob die im „Ist“ vorhan<strong>den</strong>en Schnittstellen <strong>den</strong> Anforderungen des<br />

<strong>Soll</strong>-Modells entsprechen. Die folgende Abbildung 19 zeigt eine solche Prozesslandkarte. Sie<br />

stellt <strong>den</strong> Geschäftsprozess „Bearbeitung von Verkehrsordnungswidrigkeiten“ dar.<br />

Dabei wurde zu jeder Schwimmbahn links die Rolle des Bearbeiters und rechts die vom Bear-<br />

beiter verwendete „führende“ IT-Anwendung eingetragen. Die daten- und dokumentenbasier-<br />

ten Prozessschnittstellen wur<strong>den</strong> durchnummeriert, um ihre systematische Erfassung und<br />

Beschreibung 12 zu erleichtern. Die Prozesslandkarte zeigt auf, zwischen welchen Akteuren<br />

und zwischen welchen IT-Anwendungen Schnittstellen bestehen.<br />

12 Zur Methodik der fachlichen Beschreibung von Schnittstellen siehe Abschnitt 2.5.6 „Fachkonzept Schnittstelle“.<br />

C<br />

hoher<br />

Aufwand<br />

B<br />

geringer<br />

Aufwand


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 43<br />

Abbildung 19: Schnittstellenanalyse mit der Prozesslandkarte<br />

Verkehrs-<br />

Überwachung<br />

durchführen<br />

TP1<br />

Verstoßdaten<br />

aufbereiten<br />

TP2<br />

(Rücklauf)<br />

Bußgelder<br />

bearbeiten<br />

TP6<br />

Forderungen<br />

durchsetzen<br />

TP7<br />

Vk-Qwi<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

versen<strong>den</strong><br />

TP3<br />

(Rücklauf)<br />

Verwarnungen<br />

bearbeiten<br />

TP5<br />

Postalischen<br />

Rücklauf<br />

VK-Owi<br />

digitalisieren<br />

TP4<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

bearbeiten<br />

Strafzettel<br />

bearbeiten<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

XOR<br />

€<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

XOR<br />

€<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

bearbeiten<br />

€<br />

X<br />

X<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Betroffene<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

X<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

X X<br />

Ermittlungs-<br />

Akten<br />

Bereitstellen<br />

X<br />

XOR<br />

XOR<br />

Papier-<br />

Anzeige<br />

X<br />

Ermittlungs-<br />

Unterlagen<br />

bereitstellen<br />

Ermittlungs-<br />

Unterlagen<br />

bereitstellen<br />

StaAw<br />

VK-Gericht<br />

EWO<br />

Meldestelle<br />

KBA<br />

SB-<br />

Kasse<br />

Betroffene<br />

IT-DL /<br />

SSC<br />

SB-<br />

BG-Stelle<br />

SVD<br />

VKÜ<br />

VK-<br />

Polizei<br />

SVD-<br />

Ermittler<br />

X XOR X XOR<br />

XOR<br />

X<br />

X<br />

X X<br />

<strong>Soll</strong>-<br />

Stellung<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X X X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

€<br />

€<br />

€<br />

<strong>Soll</strong>-<br />

Stellung<br />

X<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

8<br />

6<br />

7<br />

5 9<br />

10 11<br />

12<br />

15<br />

13<br />

14<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20 21<br />

22<br />

16<br />

Verkehrs-<br />

Überwachung<br />

durchführen<br />

TP1<br />

Verkehrs-<br />

Überwachung<br />

durchführen<br />

TP1<br />

Verstoßdaten<br />

aufbereiten<br />

TP2<br />

Verstoßdaten<br />

aufbereiten<br />

TP2<br />

(Rücklauf)<br />

Bußgelder<br />

bearbeiten<br />

TP6<br />

(Rücklauf)<br />

Bußgelder<br />

bearbeiten<br />

TP6<br />

Forderungen<br />

durchsetzen<br />

TP7<br />

Forderungen<br />

durchsetzen<br />

TP7<br />

Vk-Qwi<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

versen<strong>den</strong><br />

TP3<br />

Vk-Qwi<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

versen<strong>den</strong><br />

TP3<br />

(Rücklauf)<br />

Verwarnungen<br />

bearbeiten<br />

TP5<br />

(Rücklauf)<br />

Verwarnungen<br />

bearbeiten<br />

TP5<br />

Postalischen<br />

Rücklauf<br />

VK-Owi<br />

digitalisieren<br />

TP4<br />

Postalischen<br />

Rücklauf<br />

VK-Owi<br />

digitalisieren<br />

TP4<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

bearbeiten<br />

Strafzettel<br />

bearbeiten<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

XOR<br />

€<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

XOR<br />

€<br />

Zahlung<br />

annehmen<br />

Bescheide und<br />

Anhörungen<br />

bearbeiten<br />

€<br />

X<br />

X<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Halter-/<br />

Fahrer-<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Betroffene<br />

Ermitteln<br />

X<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

X<br />

Halterdaten<br />

bereitstellen<br />

Voreinträge<br />

bereitstellen<br />

Adressdaten<br />

bereitstellen<br />

X X<br />

Ermittlungs-<br />

Akten<br />

Bereitstellen<br />

X<br />

XOR<br />

XOR<br />

Papier-<br />

Anzeige<br />

X<br />

Ermittlungs-<br />

Unterlagen<br />

bereitstellen<br />

Ermittlungs-<br />

Unterlagen<br />

bereitstellen<br />

StaAw<br />

VK-Gericht<br />

EWO<br />

Meldestelle<br />

KBA<br />

SB-<br />

Kasse<br />

Betroffene<br />

IT-DL /<br />

SSC<br />

SB-<br />

BG-Stelle<br />

SVD<br />

VKÜ<br />

VK-<br />

Polizei<br />

SVD-<br />

Ermittler<br />

X XOR X XOR<br />

XOR<br />

X<br />

X<br />

X X<br />

<strong>Soll</strong>-<br />

Stellung<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X X X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

X X<br />

X<br />

X<br />

X<br />

€<br />

€<br />

€<br />

<strong>Soll</strong>-<br />

Stellung<br />

X<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

8<br />

6<br />

7<br />

5 9<br />

10 11<br />

12<br />

15<br />

13<br />

14<br />

17<br />

18<br />

19<br />

20 21<br />

22<br />

16<br />

EWMR<br />

VZR<br />

HKR<br />

EGVP<br />

E-Postbrief<br />

E-Postbrief<br />

Mobile Erf.<br />

Bilddaten.<br />

Intranet.<br />

E-Postbrief<br />

SC-Owi<br />

Scan/OCR<br />

Matching


44 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Im Rahmen der technologischen Lückenanalyse ist nun zu klären, welche der Schnittstellen im<br />

Ist durch „Technik“ unterstützt wer<strong>den</strong> kann, um möglichst alle im „Ist“ vorhan<strong>den</strong>en Medien-<br />

brüche zu beseitigen.<br />

Vorlage <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Schnittstellen<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2010<br />

A B C D E F G H I J K L M N<br />

Bezeichnung Nr Sender Empfänger Interaktionstyp Informationstyp it-Unterstützung Empfehlung<br />

Name/Funktion Schnittstelle Akteur/Rolle<br />

Bearbeitungshinweise<br />

it-Anwendung<br />

Akteur/Rolle<br />

it-Anwendung<br />

unilateral<br />

bilateral<br />

Abbildung 20: Vorlage <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Schnittstellen<br />

Eingang<br />

Ausgang<br />

Daten<br />

E-Dokumente<br />

P-Dokumente<br />

IST SOLL Maßnahme<br />

Ergänzen Sie, falls erforderlich ihre „Prozesslandkarte“ um Pools <strong>für</strong> alle am Prozess beteiligten<br />

Akteure und um entsprechende Schwimmbahnen <strong>für</strong> die Rollen. 13<br />

Fügen Sie die entsprechen<strong>den</strong> Rollensymbole und IT-Anwendungssymbole ein.<br />

Kontrollieren Sie, ob die Prozesslandkarte alle Prozessschnittstellen an <strong>den</strong>en Daten<br />

oder Dokumente ausgetauscht wer<strong>den</strong> enthält.<br />

Unterschei<strong>den</strong> Sie dabei Schnittstellen, an <strong>den</strong>en (elektronische) Daten ausgetauscht<br />

wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Schnittstellen an <strong>den</strong>en papiergebun<strong>den</strong>e Dokumente (z. B. Post- Ein-<br />

gang / -Ausgang) oder elektronische Dokumente (z.B. E-Mail, Fax, Online Portal) aus-<br />

getauscht wer<strong>den</strong>.<br />

Nummerieren Sie die Schnittstellen durch und erstellen Sie eine Liste aller Schnittstellen<br />

(siehe Abbildung 19).<br />

Tragen Sie eine (möglichst funktionsorientierte) Bezeichnung <strong>für</strong> die Schnittstelle in<br />

Spalte A der Vorlage ein.<br />

Tragen Sie die Schnittstellennummer aus der Prozesslandkarte in Spalte B ein.<br />

Tragen Sie Angaben zum Sender bzw. Empfänger der Informationsobjekte aus der Pro-<br />

zesslandkarte in die Spalten C und D ein.<br />

13 Erläuterungen zur Methodik von FaMoS (Fachmodellierungsstandard) fin<strong>den</strong> Sie im Modellierungshandbuch<br />

FaMoS 2.0; vgl. auch Fußnote 4.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 45<br />

Kreuzen Sie <strong>den</strong> Interaktionstyp 14 der Schnittstelle in <strong>den</strong> Spalten E oder F an.<br />

Charakterisieren Sie durch entsprechende Kreuze in <strong>den</strong> Spalten G-K <strong>den</strong> Typ des Infor-<br />

mationsobjekts (Datenobjekt, E-Dokument oder Papierdokument) und verwen<strong>den</strong> Sie bei<br />

Bedarf (bilaterale Interaktion) <strong>für</strong> „Eingang“ und „Ausgang“ getrennte Zeilen, damit Me-<br />

dienbrüche zwischen Eingangs- und Ausgangskanal „sichtbar“ wer<strong>den</strong>.<br />

Tragen Sie nun in Spalte L ein, welche Medien, IT-Services und Anwendungen im Ist-<br />

Zustand die Interaktion unterstützen. Falls an einer Prozessschnittstelle mehrere Medien<br />

genutzt wer<strong>den</strong>, sollten Sie <strong>für</strong> jedes Medium eine separate Zeile nutzen.<br />

Tragen Sie nun in Spalte M <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Zustand ein, falls der Ist-Zustand nicht optimal ges-<br />

taltet ist.<br />

Tragen Sie in Spalte N ihre Maßnahmenvorschläge zur Schließung „operativer Lücken“<br />

bei Schnittstellen ein. Diskutieren und bewerten Sie die Lösungsvorschläge mit ihren IT-<br />

Experten und Fachexperten.<br />

Priorisieren Sie bei Bedarf alternative Lösungsvorschläge mit Hilfe der in Abbildung 18<br />

dargestellten Portfoliomethode.<br />

Lückenanalyse der E-Government Basiskomponenten<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Lückenanalyse bei <strong>den</strong> IT-Querschnittsfunktionen und Basiskomponenten ist<br />

die bereits im Rahmen der Qualitätssicherung des <strong>Soll</strong>-Modells erstellte grobe Skizze der Pro-<br />

zess spezifischen IT-Anwendungsarchitektur. Nun geht es schlicht darum festzustellen, ob die<br />

dort skizzierten <strong>Soll</strong>-Funktionen und Dienstekomponenten innerhalb der lokalen E-Government<br />

IT-Infrastruktur bereitgestellt wer<strong>den</strong> oder nicht. Die folgende Abbildung 21 zeigt eine schema-<br />

tische Übersicht der Dienste, Funktionen und Komponenten, die in einer vollständig entwickel-<br />

ten, SAGA konformen und Service orientierten E-Government IT-Architektur enthalten sein<br />

sollten.<br />

Sie detailliert und ergänzt die in Abbildung 14 gezeigte grobe Skizze zur Anwendungsarchitek-<br />

tur <strong>für</strong> das <strong>Soll</strong>-Modell. Anhand der von Ihnen erstellten Skizze zur Prozess spezifischen An-<br />

wendungsarchitektur und der in Abbildung 21 dargestellten Gesamtübersicht zur E-<br />

Government Dienstearchitektur können Sie nun operative und strategische Lücken „ihrer“ E-<br />

Government IT i<strong>den</strong>tifizieren:<br />

Die „operative Lücke“ zur Umsetzung des ausgewählten <strong>Soll</strong>-Prozesses ergibt sich aus<br />

dem <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich zwischen Prozess spezifischer <strong>Soll</strong>-Architektur und der vorhande-<br />

nen Ist-Infrastruktur<br />

Die „strategische Lücke“ ergibt sich aus dem <strong>Soll</strong>-Ist Vergleich der vorhan<strong>den</strong>en Ist-<br />

Infrastruktur mit der Gesamtübersicht der E-Government Dienstearchitektur.<br />

14 „Unilateral“ = Informationsobjekt(-e) fließen nur in eine Richtung; „Bilateral“: Informationsobjekte fließen in beide<br />

Richtungen, möglicherweise muss hier zwischen verschie<strong>den</strong>en „Nutzungsszenarien“ unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Ver-<br />

wen<strong>den</strong> Sie in diesem Fall je Nutzungsszenario eine separate Zeile und Benennen Sie das Nutzungsszenario in Spalte<br />

A entsprechend.


46 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Vorsprache<br />

Telefon<br />

DOC<br />

Brief<br />

Logistik-Service<br />

Bündeln<br />

Zustellen<br />

Scan-Service<br />

Registrieren<br />

Digitalisieren<br />

Indizieren<br />

Extrahieren<br />

Input Mgmt.<br />

Zuordnen<br />

Aufklären<br />

Weiterleiten<br />

E-Mail<br />

Online<br />

Zugang<br />

(Kunde)<br />

Abbildung 21: Dienste und Funktionen in der E-Government IT-Architektur<br />

Dokumentieren und diskutieren Sie die eventuell bei diesem <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich i<strong>den</strong>tifizierten<br />

operativen und strategischen Lücken mit ihren IT-Experten. Entscheidungen und Maßnahmen<br />

zur Schließung operativer Lücken sollten immer auch im Hinblick auf die Gesamtarchitektur,<br />

die letztlich eine Infrastruktur <strong>für</strong> alle kommunalen Prozesse bereitstellen muss, getroffen bzw.<br />

ergriffen wer<strong>den</strong>. Dies bedeutet einerseits, dass die Schließung „operativer Lücken“ als Chan-<br />

ce begriffen wer<strong>den</strong> sollte, einen weiteren Schritt zum Aufbau der Gesamtarchitektur zu tun<br />

und andererseits, dass ein enger Zusammenhang zwischen der operativen und der strategi-<br />

schen Perspektive besteht, in dem grundsätzlich strategische IT-Entscheidungen ein höheres<br />

Gewicht als operative IT-Entscheidungen haben sollten. Diesem Zusammenhang muss im nun<br />

folgen<strong>den</strong> Schritt, der Entwicklung eines Stufenkonzeptes zur Umsetzung des <strong>Soll</strong>-Prozess-<br />

Konzepts, Rechnung getragen wer<strong>den</strong>.<br />

Extranet<br />

Zugang<br />

(Intermediär)<br />

In dem folgen<strong>den</strong> Fragebogen haben wir nochmals alle wichtigen „Leitfragen“ zur Durchfüh-<br />

rung des technologischen <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs zusammengestellt. Bitte berücksichtigen Sie<br />

dabei: es geht nicht um die Klärung technologischer Detailfragen, sondern „lediglich“ darum,<br />

die aus fachlicher und aus prozessualer Sicht <strong>für</strong> eine optimale Prozessdurchführung fehlen-<br />

<strong>den</strong> IT-Services zu benennen und einer an Umsetzungsstufen orientierten Projektplanung<br />

„zugänglich“ zu machen. Der Fragebogen ist in folgende Abschnitte gegliedert:<br />

A Analyse <strong>Soll</strong>-Prozess-Modell<br />

Intranet<br />

Zugang<br />

(Mitarbeiter)<br />

B Fortschreibung Prozessfunktionstabelle<br />

C Gap-Analyse Prozess- Funktionen und Automation<br />

D <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Prozess Schnittstellen<br />

E <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Anwendungsarchitektur<br />

Mobiler<br />

Zugang<br />

(Mitarbeiter)<br />

(Prozess-) Portal (Composite Application Plattform, Desktop/Taskflow)<br />

Vorgangssteuerung (Workflowmanagement System/bus)<br />

Servicesteuerung (Middleware, Servicemanagement System/bus )<br />

Sonst. Verz.-Dienste<br />

Online Brief<br />

E-Mail<br />

Virtuelle Poststelle<br />

E-Signatur<br />

Servicebibliothek (Service Repository)<br />

E-Government Services<br />

I<strong>den</strong>tity Management<br />

E-Payment Systems<br />

E-Shop-Systems<br />

Customer Management<br />

Knowledge Management<br />

Content Management<br />

Formular Management<br />

Document Management<br />

Hardware- und Netzinfrastruktur<br />

HKR-System<br />

EWO-Melde-Register<br />

sonstige Fachverfahren<br />

Telefon<br />

Fachservices<br />

Sonstige Web-Services<br />

Office<br />

Anwendungen<br />

E-Mail<br />

Online Brief<br />

Brief<br />

E-DOC DOC<br />

Versand-Mgmt<br />

Nachweis<br />

erbringen<br />

.<br />

zustellen<br />

Versen<strong>den</strong><br />

Print-Mgmt<br />

Weiterleiten<br />

Registrieren<br />

Indizieren<br />

konvertieren<br />

Vorsprache<br />

Freimachen<br />

.<br />

Couvertieren<br />

Drucken<br />

Output-Mgmt<br />

DOC


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 47<br />

Leitfragen zum <strong>Soll</strong>- Ist- Vergleich IT<br />

Diskutieren Sie die folgen<strong>den</strong> Fragen mit <strong>den</strong> Fach-, Prozess- und IT-Experten ihrer Kommune.<br />

Schreiben Sie dazu zunächst die Prozessfunktionstabelle im Bereich „Ist-Zustand“(Spalten<br />

L-Q) fort.<br />

Erstellen Sie zusätzlich eine Liste mit einer Grobbeschreibung und Bewertung aller Prozessschnittstellen.<br />

Erstellen Sie eine Grobskizze der <strong>Soll</strong>-Anwendungsarchitektur und führen<br />

Sie <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich dazu durch.<br />

A Kritische Analyse bzw. Auswertung des <strong>Soll</strong>-Prozess-Modells:<br />

1<br />

Ist das <strong>Soll</strong>-Prozess-Modell bereits so detailliert, dass alle <strong>für</strong> die Durchführung<br />

der Prozessaktivitäten erforderlichen IT-Funktionen bzw. IT-Services „bekannt<br />

und benannt“ sind?<br />

2 Aus welchen IT-Komponenten bzw. IT-Anwendungen besteht das <strong>Soll</strong>-<br />

Anwendungssystem?<br />

3 Welche Prozessaktivitäten / Teilprozesse wer<strong>den</strong> im IST von welcher Anwendung<br />

unterstützt?<br />

4 Aus welchen IT-Komponenten bzw. IT-Anwendungen besteht das IST-<br />

Anwendungssystem?<br />

5 Welche funktionalen Lücken bzw. IT-Servicelücken ergeben sich aus dem <strong>Soll</strong>-<br />

Ist-Vergleich?<br />

B Fortschreibung der Prozessfunktionstabelle:<br />

6 (Falls Sie Leitfrage 1 mit „Nein“ beantworten müssen)<br />

Welche Prozessaktivitäten müssen weiter zergliedert wer<strong>den</strong>, damit die benötigten<br />

IT-Funktionen „sichtbar“ wer<strong>den</strong>?<br />

Zergliedern Sie gegebenenfalls diese Aktivitäten in manuell und maschinell<br />

ausführbare „Tätigkeiten“ („Feinmodell“/Funktionsmodell)<br />

Erstellen Sie eine Prozessfunktionstabelle und tragen Sie zu allen Aktivitäten<br />

die jeweils geforderten IT-Bearbeitungsfunktionen ein 15<br />

(siehe Anlage: „Prozessfunktionstabelle“)<br />

7 Welche Fachfunktionen wer<strong>den</strong> jeweils durch die Aktivitäten benötigt?<br />

8 Welche Office-Funktionen wer<strong>den</strong> jeweils durch die Aktivitäten benötigt?<br />

9 Welche Prozesssteuerungsfunktionen wer<strong>den</strong> jeweils durch die Aktivitäten benötigt?<br />

10 Welche Dokumentenmanagementfunktionen wer<strong>den</strong> jeweils benötigt?<br />

15 Siehe Abbildung 13


48 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

11 Welche Datenbereitstellungs- und Bearbeitungsfunktionen wer<strong>den</strong> jeweils benötigt?<br />

12 Welche Schnittstellen und Dienste zur „Kommunikation“ von Daten oder Dokumenten<br />

wer<strong>den</strong> jeweils benötigt?<br />

13 Welche Dienste zur Abwicklung von Zahlungsvorgängen wer<strong>den</strong> jeweils benötigt?<br />

14 Welche Vorlagen, Inhalte, Wissensquellen und sonstigen elektronischen Hilfsmittel,<br />

Dienste oder Anwendungen wer<strong>den</strong> benötigt?<br />

C „Gap-Analyse“ der Prozessfunktionen und des Prozessautomationsgrads:<br />

15 Welche Anwendungen unterstützen aktuell <strong>den</strong> Prozess und sind deshalb im<br />

Rahmen der Gap-Analyse sind zu untersuchen?<br />

16 Welche Prozessfunktionen wer<strong>den</strong> von welcher Anwendung bereitgestellt?<br />

17 Welche Prozessfunktionen wer<strong>den</strong> nicht bereitgestellt?<br />

18 Welche IT-Anwendungen, Module oder E-Government Dienste und Komponenten<br />

können die „operativen Lücken“ bei nicht abgedeckten Funktionen schließen?<br />

D <strong>Soll</strong>- Ist- Vergleich Schnittstellen:<br />

19 Welche Schnittstellen verlangt das <strong>Soll</strong>-Konzept zwischen dem internen IT-<br />

Anwendungssystem und externen IT-Anwendungen?<br />

20 Welche Merkmale haben die vorhan<strong>den</strong>en Schnittstellen?<br />

(siehe Vorlage: <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Schnittstellen)<br />

21 Welche Medienbrüche bestehen bei Schnittstellen?<br />

22 Welche Automationspotenziale bestehen bei Schnittstellen?<br />

E <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich Anwendungsarchitektur:<br />

23 Welche IT-Anwendungen oder Funktionsmodule und Basisdienste gehören zum<br />

<strong>für</strong> <strong>den</strong> <strong>Soll</strong>-Prozess erforderlichen Zielsystem?<br />

24 Welche IT-Anwendungen oder Funktionsmodule und Basisdienste sind aktuell<br />

nicht vorhan<strong>den</strong> und müssen beschafft oder entwickelt wer<strong>den</strong>? (vergl. Frage 18)<br />

25 Können vorhan<strong>den</strong>e Anwendungen (mit operativen Lücken) technisch in das Ziel-<br />

system integriert wer<strong>den</strong>?<br />

26 Welche Anwendungen müssen aufgrund ihrer als „kritisch“ bewerteten technolo-<br />

gischen Interoperabilität zum Zielsystem abgelöst wer<strong>den</strong>?<br />

Abbildung 22: Leitfragen zum <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich IT


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 49<br />

Die folgende Tabelle hilft Ihnen alle Maßnahmenvorschläge zu dokumentieren und zu struktu-<br />

rieren:<br />

Maßnahmenplan Technologie<br />

Nr Typ Maßnahme Prio Paket<br />

A Prozess-<br />

Bearbeitungsfunktionen<br />

B Schnittstellen<br />

C Basiskomponenten<br />

D Online Dienste<br />

E Entscheidungen<br />

F Projektorganisation<br />

G Projektplanung<br />

Nr.<br />

Stufe<br />

Nr.<br />

Abbildung 23 Vorlage "Maßnahmenplan Technologie"<br />

2.4 Stufenkonzept Umsetzung<br />

Bemerkung<br />

Im Rahmen des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs wur<strong>den</strong> systematisch alle Potenziale, Möglichkeiten und<br />

Maßnahmen zur Optimierung des Ist-Prozesses i<strong>den</strong>tifiziert und dokumentiert. Da in der Praxis<br />

nur selten alle Optimierungsansätze zu einem Geschäftsprozess in einem Zuge umgesetzt<br />

wer<strong>den</strong> können, müssen die Optimierungsansätze und Maßnahmen im Rahmen einer Stufen-<br />

konzeption sinnvoll gebündelt und in eine logische und zeitliche Abfolge gebracht wer<strong>den</strong>. Für<br />

die Gestaltung des Stufenkonzepts bieten sich zwei grundsätzliche Alternativen an, die in der<br />

folgen<strong>den</strong> Abbildung 24 schematisch dargestellt sind.<br />

Das Vorgehen in „Variante A“ ist konsequent auf das Endergebnis des Projekts ausge-<br />

richtet. In jeder Umsetzungsstufe wer<strong>den</strong> die Grundlagen und Voraussetzungen <strong>für</strong> die<br />

nächste Umsetzungsstufe geschaffen, bis das geplante Gesamtergebnis erreicht wurde.<br />

Diese „klassische“ Vorgehensweise in der Projektplanung „optimiert“ zwar <strong>den</strong> Projekt-<br />

aufwand, hat aber <strong>den</strong> Nachteil, dass erst mit dem Projektabschluss eine funktionsfähige<br />

Lösung zur Verfügung steht. Bei Projekten, die über einen längeren Zeitraum geplant<br />

wur<strong>den</strong>, birgt dieser Planungsansatz aber gewisse Risiken. Jeder Praktiker weiss, dass<br />

sich die „Rahmenbedingungen“ wie etwa verfügbare Finanzmittel oder Projektziele im<br />

Zeitablauf ändern können. Dies führt nicht selten zum Abbruch ehrgeiziger Verände-<br />

rungsprojekte, mit dem Ergebnis dass statt einer „Pyramide“ (geplantes Projektergebnis)


50 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

ein „Hubschrauberlandeplatz“ (erreichtes Ergebnis) entsteht, <strong>den</strong> niemand wollte und<br />

<strong>den</strong> keiner gebrauchen kann.<br />

Variante A: „klassische“ Vorgehensweise<br />

Variante B: „modulare“ Vorgehensweise<br />

Abbildung 24: Alternative Stufenkonzeptionen 16<br />

Die „modulare“ Vorgehensweise (Variante B) hat demgegenüber <strong>den</strong> Vorteil, dass mit<br />

jeder einzelnen Umsetzungsstufe bereits ein „gebrauchsfertiges Teilergebnis“ (kleine Py-<br />

ramide) entsteht, welches mit jeder weiteren Umsetzungsstufe erweitert wird, bis das Pro-<br />

jektziel erreicht wird. Diese Vorgehensweise schließt also das Risiko einer „Projektruine“<br />

weitgehend aus.<br />

Übersetzt man die Vorgehensweise aus Variante B in die Sprache und Objektwelt des kom-<br />

munalen E-Government ergibt sich daraus ein relativ allgemein gültiger Entwicklungspfad <strong>für</strong><br />

Prozessoptimierungs- und Organisationsentwicklungsprojekte, die auf dem <strong>Einsatz</strong> der E-<br />

Government Technologien beruhen. Dieser Entwicklungspfad ist in der folgen<strong>den</strong> Abbildung<br />

25 dargestellt. Er kann als „roter Fa<strong>den</strong>“ zur Entwicklung ihres Umsetzungsstufenkonzepts<br />

dienen.<br />

1<br />

1<br />

2<br />

16 Darstellung in Anlehnung an Philipp Meyerbröcker: Die kleine Pyramide. In: Projektmagazin. Heft 10/2010.<br />

2<br />

3<br />

3


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 51<br />

2. Stufe: Plus Elektronische Vorgangsbearbeitung<br />

Dokumentenmanagement / Archivierung<br />

E-Vorgangsbearbeitung, E – Workflows,<br />

Scannen / Digitalisieren, Outputmanagement<br />

1. Stufe: Verwaltungsprozessoptimierung<br />

Optimierter <strong>Einsatz</strong> Büroautomation und Fachverfahren,<br />

Entbürokratisierung, Schnittstellenminimierung,<br />

Lauf- und Liegezeitenverkürzung,<br />

Personalbemessung<br />

Abbildung 25:Leitfa<strong>den</strong> und Entwicklungsstufen zur E-Government-Umsetzung<br />

Die folgen<strong>den</strong> Leitfragen (siehe Abbildung 26) helfen bei der Erstellung und Qualitätssicherung<br />

ihres Stufenkonzepts. Die Fragen beziehen sich auf die Plausibilität und Konsistenz der Um-<br />

setzungsstufen. In Abbildung 27 fin<strong>den</strong> Sie unseren Vorschlag zur Zusammenführung der im<br />

Rahmen des <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs i<strong>den</strong>tifizierten, organisatorischen und technologischen Maß-<br />

nahmenpakete in einer tabellarischen Darstellung ihres Stufenkonzepts. Sie sollten das Stufen-<br />

konzept unbedingt um eine Planung der Projekt begleiten<strong>den</strong> Maßnahmen im Bereich des Ver-<br />

änderungsmanagements ergänzen. Wie Sie das machen, erfahren Sie im Kapitel „Hinweise<br />

zum Veränderungsmanagement“ am Ende unseres Leitfa<strong>den</strong>s.<br />

Leitfragen zum Stufenkonzept<br />

Überprüfen Sie anhand der folgen<strong>den</strong> Leitfragen die „Plausibiliät“ ihres Stufenkonzepts.<br />

Diskutieren Sie die folgen<strong>den</strong> Fragen mit <strong>den</strong> Fach-, Prozess- und IT-Experten ihrer Kommune.<br />

A Plausbilität der Umsetzungsstufen<br />

4. Stufe: Neues Kommunales Produktionsmodell<br />

Front- und Backoffice-Organisation / Netzwerkverwaltung<br />

Shared Services<br />

auf der Basis <strong>standardisierter</strong> Verwaltungsprozesse<br />

3. Stufe: Plus E-Government<br />

Modellierung von E-Governmentfunktionen in <strong>den</strong> Prozessen,<br />

Verschmelzung digitalisierter Prozesse mit <strong>den</strong> manuellen,<br />

Verlagerung von Arbeiten auf die Nutzer,<br />

Bildung Nutzergruppen, SB-Services durch eID<br />

1 Ist das Stufenkonzept nach dem Prinzip der „kleinen Pyrami<strong>den</strong>“ aufgebaut,<br />

d.h.: entsteht nach jeder Umsetzungsstufe eine in sich geschlossene und praktisch<br />

einsetzbare (Teil-)Lösung?<br />

2 Welche Auswirkungen hat die Umsetzungsstufe auf vor- und/oder nachgelagerte<br />

Prozesse bzw. Teilprozesse?<br />

3 Entstehen zu irgendeinem Zeitpunkt in der Umsetzung der Stufen zusätzliche<br />

Medien- oder Systembrüche im Prozessablauf?


52 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

4 Können Sie <strong>den</strong> qualitativen Nutzen der Teillösungsstufen beschreiben?<br />

5 Können Sie <strong>den</strong> quantitativen Nutzen (zum Beispiel Prozesskostenersparnisse)<br />

auf jeder Teillösungsstufe beziffern?<br />

B Konsistenz der Umsetzungsstufen<br />

6 Welche technische Maßnahme gehört zur Umsetzungsstufe?<br />

7 Welche organisatorische Maßnahme gehört zur Umsetzungsstufe?<br />

8 Welche personelle Maßnahme gehört zur Umsetzungsstufe?<br />

9 Wie soll die Einführung der Umsetzungsstufe erfolgen? Welche Maßnahmen im<br />

Bereich des Veränderungsmanagement sind erforderlich?<br />

Name / Inalt<br />

Umsetzungsstufe<br />

Ergebnis<br />

Nutzen<br />

Organisation<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Technik<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

Veränderungsmanagement<br />

Abbildung 26: Leitfragen zur Entwicklung des Stufenkonzepts<br />

Vorlage Planung Stufenkonzept<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe X<br />

Maßnahmenpakete<br />

Abbildung 27: Vorlage zur Darstellung des Stufenkonzepts<br />

2.5 Fachliche Feinkonzeption<br />

Die folgende Themenliste zur fachlichen Feinkonzeption umfasst praktisch relevante Aufga-<br />

benstellungen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die ausgewählten Themen<br />

entsprechen einer von <strong>den</strong> Projektteilnehmern selbst vorgenommenen Priorisierung. Die<br />

Themenauswahl deckt aber nichtsdestoweniger <strong>den</strong> kompletten Zyklus eines „typischen“ E-<br />

Government Prozesses ab. Dies „garantiert“, dass die im Folgen<strong>den</strong> behandelten Themen und<br />

Konzeptionsaufgaben in vielen Praxisprojekten wieder auftauchen wer<strong>den</strong>.<br />

Wie bereits in der Einführung zum <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> dargestellt, liegt der Schwerpunkt der fachli-<br />

chen Feinkonzeption darin, relevante Anforderungen an die Prozess unterstützende IT aus


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 53<br />

fachlicher Sicht und in fachlicher Sprache zu formulieren, damit IT-Fachleute auf dieser Grund-<br />

lage Lösungsvorschläge und Alternativen entwickeln können, ohne ihrerseits erneut in die Be-<br />

standsaufnahme bzw. <strong>Soll</strong>konzeption „einsteigen“ zu müssen. Der Leitfa<strong>den</strong> zur Feinkonzepti-<br />

on wendet sich also an Organisatoren und Prozessexperten der Kommune und möchte diesen<br />

bei der Bestimmung ihrer Anforderungen helfen.<br />

2.5.1 Einführung von Fachanwendungen<br />

Wie eine empirische Untersuchung der b.i.t.consult GmbH ergab 17 , existieren, trotz des an-<br />

scheinend umfassen<strong>den</strong> IT-<strong>Einsatz</strong>es in der kommunalen Verwaltung immer noch eine ganze<br />

Reihe von Kernprozessen, die heute nur ansatzweise eine IT-Unterstützung erfahren. Außer-<br />

dem entsprechen nicht wenige kommunale Fachanwendungen nicht mehr dem heutigen Stand<br />

der Technik, sodass die Auswahl und Einführung einer Fachanwendung ein in der kommunalen<br />

Praxis immer noch sehr relevantes Thema ist. Die Erfahrung zeigt, dass dabei neben <strong>den</strong> „rein<br />

fachlichen“ Funktionen zunehmend Anforderungen und Aspekte zur Prozessautomation<br />

(„Workflowmanagement“), der E-Aktenführung und der Integrationsfähigkeit von Fachanwen-<br />

dungen in komplexe E-Government Service-Architekturen eine entschei<strong>den</strong>de Rolle spielen.<br />

Unabhängig davon, ob die gesuchte Anwendung als autarke „stand alone“ Lösung oder als<br />

integrierte Anwendung in einer E-Government Dienstearchitektur betrieben wer<strong>den</strong> soll, emp-<br />

fiehlt es sich zunächst einmal ein weitgehend „technikfreies“ fachliches Anforderungskonzept<br />

auf der Grundlage einer soli<strong>den</strong> Prozessanforderungsanalyse zu erstellen.<br />

Das Hilfsmittel zur Ableitung fachlicher und prozessualer Anforderungen aus Prozessmodellen<br />

haben wir bereits kennen gelernt: die Prozessfunktionstabelle (siehe Abbildung 13). Mit ihrer<br />

Hilfe können fachliche und funktionale Anforderungen an IT-Anwendungen direkt aus dem Pro-<br />

zessmodell abgeleitet und umfassend dokumentiert wer<strong>den</strong> (Spalten A-L, N und G). Wie die<br />

Prozessfunktionstabelle angewendet wer<strong>den</strong> soll, wurde bereits im gleichnamigen Abschnitt<br />

erläutert.<br />

2.5.2 Fachkonzept Web-Frontend<br />

Online Services stellen eine ganz zentrale Möglichkeit dar, kommunale Geschäftsprozesse um<br />

neue, kun<strong>den</strong>orientierte Angebote zu erweitern und zugleich die Abläufe in der Verwaltung zu<br />

optimieren bzw. teilweise oder vollständig zu automatisieren. Grundsätzlich können kun<strong>den</strong>sei-<br />

tige Online-Dienste der Verwaltung nach fünf Kategorien bzw. Entwicklungsstufen eingeord-<br />

net 18 wer<strong>den</strong>:<br />

17 Siehe: „Studie Effizientes E-Government“, Köln/Seeheim 2011; als Download nach vorheriger Registrierung verfügbar<br />

unter: http://www.bitconsult.de/publikationen.html#content<br />

18 Siehe: Cap Gemini, „smarter, faster, better, the 8th European E-Government Benchmark”;<br />

http://ec.europa.eu/information_society/eeurope/i2010/docs/benchmarking/egov_benchmark_2009.pdf


54 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

1 Informationsangebote<br />

2 Einseitige Interaktionen<br />

(z.B. Downloads)<br />

3 Zweiseitige Interaktionen<br />

(z.B.: Terminvereinbarungen, Austausch e-Dokumente)<br />

4 Online Transaktionen<br />

(z.B.: sichere Online-Abwicklung und Bezahlung von Verwaltungsvorgängen, etwa einer<br />

Online-Meldeauskunft)<br />

5 Kun<strong>den</strong>spezifische, proaktive und automatisierte Online-Transaktionen<br />

(z.B.: regelmäßige Erteilung von Online Massenauskünften <strong>für</strong> registrierte „Heavy User“)<br />

Abbildung 28: Klassifizierung angebotsorientierter Online-Dienste<br />

In der Regel müssen solche Online-Dienste im Web-Frontend der Verwaltung allerdings völlig<br />

neu entwickelt wer<strong>den</strong>, sie können nicht aus „Ist-Prozessen“ abgeleitet wer<strong>den</strong>. Die Entwick-<br />

lung von Online Diensten der Kategorie drei und insbesondere der Kategorien vier und fünf<br />

stellt <strong>für</strong> die meisten Kommunen immer noch eine grundlegende Prozessinnovation dar. Die<br />

Aufgabe des Organisators ist es, fachliche Anforderungen, wie etwa die zur Sachbearbeitung<br />

zwingend notwendigen Angaben (z.B. Anschrift) und die technischen Anforderungen, wie etwa<br />

ein automatischer Abgleich der Daten mit dem Melderegister, zu i<strong>den</strong>tifizieren, um sie der IT<br />

<strong>für</strong> die Programmierung mitzuteilen.<br />

Um innovative <strong>Soll</strong>-Prozesse bzw. Teilprozesse zu entwickeln und dabei ihre fachlichen und<br />

technologischen Anforderungen zu spezifizieren, empfehlen wir Ihnen zunächst anhand der<br />

folgen<strong>den</strong> Checkliste „Fachkonzept Web-Frontend“ relevante, allgemeine Anforderungen zu<br />

sammeln und anschließend anhand der Vorlage „Anwendungsfallbeschreibung“ eine detaillier-<br />

te Beschreibung des oder der Anwendungsfälle („Use Cases“) zum Web-Frontend zu erstel-<br />

len.<br />

Abbildung 29: Ablaufmodell zur Fachkonzeption Web-Frontend


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 55<br />

Das Vorgehen zur Erstellung des Fachkonzepts ist in dem oben stehen<strong>den</strong> Ablaufmodell dar-<br />

gestellt. Die Aktivität 3 „Maskenfluss modellieren“ markiert <strong>den</strong> Übergang zur technischen Fein-<br />

konzeption. Zur Erfassung und Dokumentation der Anforderungen und Servicemerkmale (fach-<br />

liche Grobspezifikation) eines Web-Frontends <strong>für</strong> Kun<strong>den</strong> und Partner der Verwaltungsprozes-<br />

se dient die folgende tabellarische Übersicht zu <strong>den</strong> wesentlichen Funktionen eines online<br />

gestützten Self-Service-Angebots.


56 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

erforde<br />

liegt<br />

rlich?<br />

vor?<br />

Detaillierung Metho<strong>den</strong>hinweise<br />

J N J N<br />

Checkliste:<br />

Feinkonzept "Web-Frontend" / "Portal"<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2010<br />

Kommunikations- und<br />

Marketingkonzept<br />

A Zielgruppen- und Nutzer- Analyse<br />

Kun<strong>den</strong>segmentierung,<br />

Rollenkonzept,<br />

Kommunikationskonzept<br />

X<br />

Beschreibung der Zielgruppen und Kun<strong>den</strong><br />

bzw. Nutzergruppen<br />

Wer sind die Nutzer (Zielgruppe)? Ist die Zeilgruppe "homogen" oder<br />

müssen <strong>für</strong> unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Service-Angebote<br />

bzw. Zugänge geschaffen wer<strong>den</strong>?<br />

1<br />

internetzugang<br />

extranetzugang<br />

intranetzugang<br />

Prozesslandkarte<br />

2<br />

Ableitung aus <strong>den</strong> Prozessaufnahmen,<br />

Sind die Anwendungsfälle aus Nutzersicht i<strong>den</strong>tifiziert?<br />

X Use Case Diagramm<br />

Prozesslandkarte oder Neukonzeption<br />

Use Case Beschreibung<br />

3<br />

Kommunikationskonzept<br />

Ist der Kun<strong>den</strong>nutzen beschrieben? siehe: "Kurzbeschreibung" Use Case X<br />

Use Case Beschreibung<br />

Use Case Modell<br />

(Diagramm / Beschreibung)<br />

Sind die Aktivitäten des Nutzers und die Funktionen der Anwendung<br />

1 (Portal-Frontend) vollständig erfasst und dokumentiert? Use Case Diagramm<br />

Akteure (Mensch/Maschine) X Use Case Diagramm<br />

Anwendungsfälle X Use Case Diagramm<br />

Unteranwendungsfälle X Use Case Diagramm<br />

Ausnahmen ("exceptions") X Use Case Diagramm<br />

Varianten ("extensions") X Use Case Diagramm<br />

2 Welche Zugangsmöglichkeiten sollen dem Nutzer angeboten wer<strong>den</strong>? Use Case Beschreibung<br />

freier Zugang, keine Beschränkung Use Case Beschreibung<br />

Zugang mit Nutzername / Passwort Use Case Beschreibung<br />

Zugang mit Nutzername / Passwort / TAN Use Case Beschreibung<br />

Zugang über nPA Use Case Beschreibung<br />

Zugang über de-Mail / E-Postbrief Use Case Beschreibung<br />

personalisierte Anwendungsoberfläche Use Case Beschreibung<br />

persönliches Postfach Use Case Beschreibung<br />

single sign on Use Case Beschreibung<br />

3 Welche Bearbeitungsfunktionen sollen dem Nutzer geboten wer<strong>den</strong>? Use Case Beschreibung<br />

B Fachliches Feinkonzept funktionale Anforderungen<br />

Abbildung 30: Checkliste Fachkonzept Web-Frontend (1 / 4)


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 57<br />

Ansprechpartner suchen Use Case Beschreibung<br />

Inhalte suchen Use Case Beschreibung<br />

Inhalte ansehen Use Case Beschreibung<br />

Inhalte downloa<strong>den</strong> Use Case Beschreibung<br />

Formular ansehen Use Case Beschreibung<br />

Formular bearbeiten Use Case Beschreibung<br />

Formular unterschreiben Use Case Beschreibung<br />

Formular downloa<strong>den</strong> Use Case Beschreibung<br />

Druckfunktion Use Case Beschreibung<br />

Use Case Beschreibung<br />

Daten ansehen<br />

Datenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Daten erfassen<br />

Datenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Daten bearbeiten/ändern/löschen<br />

Datenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Dokumente downloa<strong>den</strong><br />

Dokumentenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Daten Downloa<strong>den</strong><br />

Datenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Dokumente uploa<strong>den</strong>, versen<strong>den</strong><br />

Dokumentenmodell<br />

Use Case Beschreibung<br />

Daten uploa<strong>den</strong>, versen<strong>den</strong><br />

Datenmodell<br />

E-Mail versen<strong>den</strong> Use Case Beschreibung<br />

Rückruf vereinbaren Use Case Beschreibung<br />

Terminvereinbarungen Use Case Beschreibung<br />

4 Welche BearbeitungsService-Funktionen sollen dem Nutzer geboten wer<strong>den</strong>? Use Case Beschreibung<br />

Plausibilitätsprüfung Daten Use Case Beschreibung<br />

Vollständigkeitsprüfung Formulareingaben Use Case Beschreibung<br />

Vollständigkeitsprüfung Anlagen Use Case Beschreibung<br />

Geführter Nutzerdialog über mehrere<br />

Eingabefenster mit Eingabeabhängigen<br />

Maskenfluss, Ablaufmodell<br />

Entscheidungen zum Maskenfluss<br />

5 Benötigt der Nutzer ergänzende Informationsangebote und "Inhalte"? Use Case Beschreibung<br />

gesetzliche Grundlagen, Rechtsbelehrung Use Case Beschreibung<br />

Zuständige Bearbeiter / Kontaktdaten Use Case Beschreibung<br />

Produkt- /( Leistungsbeschreibung Use Case Beschreibung<br />

Hilfetexte, Bearbeitungshilfen, Erläuterungen Use Case Beschreibung<br />

sonstige Use Case Beschreibung<br />

Abbildung 30: Checkliste Fachkonzept Web-Frontend (2 / 4)


58 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

müssen <strong>für</strong> <strong>den</strong> gesamten<br />

C sonstige funktionale Anforderungen<br />

Use Case Beschreibung<br />

Anwendungsfall gelten!<br />

1 Barrierefreiheit Use Case Beschreibung<br />

barrierefreier Zugang Use Case Beschreibung<br />

Mehrsprachigkeit Use Case Beschreibung<br />

2 Shopmodul Use Case Beschreibung<br />

E-Payment Use Case Beschreibung<br />

Warenkorb Use Case Beschreibung<br />

3 Web-Telefonie Use Case Beschreibung<br />

Telefonanruf aus der Anwendung heraus Use Case Beschreibung<br />

Anwenderbetreuung durch Callcenter Agent Use Case Beschreibung<br />

4 allgemeine Informationsdienste Kommunikationskonzept<br />

Newsletter Kommunikationskonzept<br />

Veranstaltungskalender Kommunikationskonzept<br />

Stadtplan Kommunikationskonzept<br />

sonstige Kommunikationskonzept<br />

müssen <strong>für</strong> <strong>den</strong> gesamten<br />

Use Case Beschreibung<br />

Anwendungsfall gelten!<br />

Geschäftsregeln,<br />

Datenschutzbedarfsanalyse,<br />

Datenschutzkonzept<br />

sichere Datenverbindung / -Übertagung (VPN) Use Case Beschreibung<br />

D sonstige technische Anforderungen<br />

Abbildung 30: Checkliste Fachkonzept Web-Frontend (3 / 4)<br />

1 Datensicherheit: Nutzung von sensiblen Kun<strong>den</strong>daten<br />

Verschlüsselung der Daten/Dokumente (SSL) Use Case Beschreibung<br />

Einverständniserklärung Nutzer Use Case Beschreibung<br />

fortgeschrittene E-Signatur (siehe B2) Use Case Beschreibung<br />

qualifizierte E-Signatur Use Case Beschreibung<br />

2 Anbindung von internen IT-Verfahren und Service-Komponenten Use Case Beschreibung<br />

Formularserver Use Case Beschreibung<br />

Virtuelle Poststelle Use Case Beschreibung<br />

CMS Use Case Beschreibung<br />

DMS Use Case Beschreibung<br />

Use Case Beschreibung<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

Fachverfahren


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 59<br />

Use Case Beschreibung<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

Kasse<br />

Datenbank Use Case Beschreibung<br />

Outputmagementsystem Use Case Beschreibung<br />

Inputmanagementsystem (Indizierung Formulare!) Use Case Beschreibung<br />

ID-Management Use Case Beschreibung<br />

CRM Use Case Beschreibung<br />

Use Case Beschreibung<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

Use Case Beschreibung<br />

externe Verwaltungen<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

Use Case Beschreibung<br />

Unternehmen<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

Use Case Beschreibung<br />

NGO und Freie Träger<br />

Feinkonzept "Schnittstelle"<br />

3 Anbindung von externen IT-Verfahren und Service-Komponenten<br />

Abbildung 30: Checkliste Fachkonzept Web-Frontend (4 / 4)


60 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Bearbeitungshinweise zur Checkliste Fachkonzept Web-Frontend<br />

Kreuzen Sie zunächst in der Checkliste die zur Feinspezifikation des Anwendungsfalls<br />

erforderlichen Themen und Merkmale in der Spalte „erforderlich“ an<br />

Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Zielgruppen und Nutzeranalyse und das Kom-<br />

munikationskonzept. Das „beste“ Online Service-Angebot kann keine Wirkung entfalten,<br />

wenn es der Zielgruppe nicht bekannt gemacht wird! Erstellen Sie dazu frühzeitig einen<br />

das Feinkonzept ergänzen<strong>den</strong> Maßnahmenplan.<br />

Beachten Sie die Metho<strong>den</strong>hinweise zur weiteren Konkretisierung Ihres Fachkonzepts<br />

Schreiben Sie die Checkliste zur Kontrolle des Projektfortschritts und der Dokumentation<br />

des Fachkonzepts fort (Spalte: liegt vor?)<br />

Zur weiteren Verfeinerung des Fachkonzepts empfehlen wir die Erstellung eines Anwendungs-<br />

falldiagramms und die Erstellung einer Anwendungsfallbeschreibung. Diese bil<strong>den</strong> <strong>den</strong> fach-<br />

konzeptionellen „Input“ <strong>für</strong> die Ableitung von Rollen und Rechten, der Prozesssteuerungslogik<br />

und des Maskenflusses im Rahmen der technischen Feinkonzeption. Das Anwendungsfalldia-<br />

gramm ist besonders gut geeignet, um zunächst eine grobe Übersicht zu <strong>den</strong> am Anwen-<br />

dungsfall (=Systemnutzung) beteiligten Akteuren und Rollen sowie die durch die Web-<br />

Anwendung bereit zu stellen<strong>den</strong> Funktionsgruppen („Aktivitäten“) zu erhalten. Die zur Erstel-<br />

lung eines Anwendungsfalldiagramms benötigten Symbole und ihre Verwendung sind in der<br />

folgen<strong>den</strong> Abbildung schematisch dargestellt:<br />

Das „Use Case“- Diagramm nach der UML (Unified Modelling Language)<br />

Rolle / Akteur<br />

Geschäftsprozess<br />

<br />

Teilprozess<br />

Name<br />

Anwendungsfall 1<br />

Anwendungsfall X<br />

Unter-<br />

Anwendungsfall 1.1<br />

Unter-<br />

Anwendungsfall 1.2<br />

Aktivität<br />

(Objekt / Verrichtung)<br />

Abbildung 31: Notation zur Erstellung von Anwendungsfalldiagrammen<br />

Bearbeitungshinweise zum Anwendungsfalldiagramm<br />

Unter- Unter-<br />

Anwendungsfall 1.1.1<br />

Unter- Unter-<br />

Anwendungsfall 1.1.1<br />

Entsprechung der Detaillierungsebenen in FaMoS<br />

Aktivitätengruppe<br />

(Objekt / Verrichtung)<br />

Tätigkeit<br />

(Objekt / Verrichtung)<br />

Eine Standard-Methode zur Modellierung von Anwendungsfällen bietet die UML 19 mit<br />

dem sogenannten „Use-Case-Diagramm“ (Anwendungsfalldiagramm). Die Anwen-<br />

dungsfälle entsprechen grundsätzlich <strong>den</strong> Teilprozessen oder Aktivitätengruppen bzw.<br />

19 UML = Unified Modelling Language, ein in der IT-Anwendungsentwicklung verwendeter Metho<strong>den</strong>standard zur<br />

Modellierung von Anforderungen an IT-Systeme


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 61<br />

Aktivitäten in einem <strong>Soll</strong>-Modell. Im Unterschied zum <strong>Soll</strong>-Modell wird aber der Kontroll-<br />

fluss aus der Betrachtung ausgeblendet. Anwendungsfälle fokussieren auf die Funktio-<br />

nen, die eine Anwendung bereitstellen soll.<br />

Dabei wer<strong>den</strong>, analog zum Vorgehen bei der Prozessmodellierung, die Anwendungsfälle<br />

solange in ihre Unteranwendungsfälle zergliedert, bis die Funktionen „sichtbar“ wer<strong>den</strong>.<br />

Zu jedem Anwendungsfall entsteht also eine „Liste“ von mehr oder weniger stark detail-<br />

lierten Anwendungsfunktionen.<br />

Die Menge der Anwendungsfunktionen wird umgekehrt, je nach Komplexität der Anforde-<br />

rungen, durch die Anwendungsfälle bzw. ihre Unteranwendungsfälle gruppiert bzw. ge-<br />

bündelt.<br />

Dabei entsprechen die Funktionsbündel der Anwendungsfälle <strong>den</strong> <strong>für</strong> Anwender zu ent-<br />

wickeln<strong>den</strong> Bearbeitungsfunktionen in <strong>den</strong> „Bearbeitungsmasken“ der zu erstellen<strong>den</strong><br />

Anwendung.<br />

Bei komplexen Anwendungsfällen empfiehlt es sich, ein Maskenflussdiagramm und Pro-<br />

zessablaufdiagramme zu erstellen, welche Auskunft über die logische Verknüpfung und<br />

Abfolge der Bearbeitungsmasken in der Anwendung geben (Kontrollfluss, Workflowdi-<br />

agramm).<br />

Es hat sich praktisch bewährt zunächst das sogenannte „Happy-Day-Szenario 20 “ und erst<br />

anschließend die „Ausnahmen“ zu modellieren.<br />

Im Anschluss an die grafische Modellierung der Anwendungsfälle soll zur Spezifikation der<br />

fachlichen Anforderungen in <strong>den</strong> Anwendungsfällen eine Anwendungsfallbeschreibung erstellt<br />

wer<strong>den</strong>. Diese beschreibt <strong>den</strong> Ablauf sowie allgemeine, funktionale und technische Anforde-<br />

rungen. Auf ihrer Grundlage können bereits erste Entwürfe der grafischen Benutzer-<br />

Schnittstelle (GUI / Bearbeitungsmaske) erstellt wer<strong>den</strong>. Auf ihrer Grundlage kann ein techni-<br />

scher Entwurf der Web-Anwendung erstellt wer<strong>den</strong>. Eine entsprechende Dokumentenvorlage<br />

mit einem kurzen Fallbeispiel zur Anwendungsfallbeschreibung fin<strong>den</strong> Sie in der Abbildung 32.<br />

Bearbeitungshinweise zur Anwendungsfallbeschreibung<br />

Erstellen Sie zu jedem im Anwendungsfalldiagramm skizzierten Anwendungsfall (und bei<br />

Bedarf zu <strong>den</strong> Unteranwendungsfällen) eine detaillierte Anwendungsfallbeschreibung<br />

Beginnen Sie jeweils bei der Beschreibung des Anwendungsfalls zunächst mit dem so-<br />

genannten „Happy Day-Szenario“. Dieses beschreibt <strong>den</strong> Regelfall der Nutzung bzw.<br />

<strong>den</strong> einfachsten Anwendungsfall. Beschreiben Sie erst danach die Sonderfälle und Aus-<br />

nahmen.<br />

Neben der Ablaufbeschreibung können ergänzende Angaben, zum Beispiel zur erwarte-<br />

ten Nutzungshäufigkeit, <strong>den</strong> sonstigen funktionalen und technischen Anforderungen so-<br />

20 Das sogenannte „Happy Day Szenario“ beschreibt <strong>den</strong> einfachsten Anwendungsfall und blendet alle Prozessvarianten zur<br />

Bearbeitung von Ausnahmen und Sonderfällen sowie mögliche Fehlerbearbeitungsprozesse aus.


62 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

wie zu Erfordernissen zur Datenspeicherung sehr wichtig <strong>für</strong> die Gestaltung einer nut-<br />

zerfreundlichen, ergonomischen und sicheren Anwendung sein.<br />

Diskutieren Sie Ihre Anwendungsfallbeschreibung sowohl mit <strong>den</strong> fachlich zuständigen<br />

Prozess- als auch mit <strong>den</strong> IT-Experten Ihrer Verwaltung und halten Sie alle offenen Fra-<br />

gen fest.<br />

Zum Abschluss der Anwendungsfallbeschreibung dürfen keine offenen Fragen mehr vor-<br />

Vorlage<br />

han<strong>den</strong> sein!<br />

Anwendungsfallbeschreibung Seite 1/4<br />

© b.i.t.consult GmbH Seeheim 2010<br />

1. Name Anwendungsfall Einkommenserklärung abgeben<br />

2. Nummer Anwendungsfall XXX<br />

3. Referenzierte Dokumente Zum Beispiel:<br />

4. Kurzbeschreibung und<br />

Kun<strong>den</strong>nutzen<br />

Anwendungsfalldiagramm<br />

Prozesslandkarte<br />

Prozessmodell<br />

Maskenflussmodell<br />

Maskenentwurf<br />

Was soll mit dem Anwendungsfall erreicht wer<strong>den</strong>?<br />

Zum Beispiel: Eltern, die ihre Kinder in der Kita angemeldet haben geben online über das<br />

Bürgerportal eine Selbstauskunft zu ihrem erwarteten Einkommen ab, damit die Kommune<br />

<strong>den</strong> Elternbeitrag festsetzen kann. Der Kunde erspart sich die schriftliche / postalische Mitteilung<br />

5. Akteure Welche Akteure (Anwender und Systeme/Anwendungen)<br />

sind an dem Anwendungsfall beteiligt?<br />

5.1 Anwender: zum Beispiel: Bürger (Eltern)<br />

5.2 Anwendung: Bürgerportal / Online Bürgerservice Elternbeiträge<br />

6. Auslöser Wie, bzw. durch was wird der Anwendungsfall ausgelöst?<br />

Zum Beispiel: Der Anwender hat sich mit seiner Kennung am Bürgerservice angemeldet und<br />

ruft die Seite „Einkommenserklärung Elternbeiträge“ auf<br />

7. Vorbedingungen Was muss bereits vorher geschehen, bearbeitet oder<br />

durchgeführt wor<strong>den</strong> sein, damit der Anwendungsfall eintreten<br />

kann?<br />

• Die Kita-Anmeldung des Kindes muss der Kommune vorliegen<br />

• Die Eltern haben eine Zugangskennung zum Bürgerservice Elternbeiträge erhalten


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 63<br />

Vorlage<br />

Anwendungsfallbeschreibung Seite 2/4<br />

© b.i.t.consult GmbH Seeheim 2010<br />

8. Ergebnisse und<br />

Nachbedingungen<br />

8.1 Ergebnisse:<br />

Welche Nachbedingungen müssen erfüllt sein?<br />

• die Einkommensdaten der Eltern wur<strong>den</strong> über das Portal an das Jugendamt übermittelt<br />

8.2 Nachbedingungen:<br />

• der Anwender hat sich ordnungsgemäß am System abgemeldet und die Session beendet<br />

• die Eltern haben eine Empfangsbestätigung erhalten<br />

9. Benutzte Anwen-<br />

dungsfälle<br />

Welche anderen Anwendungsfälle wer<strong>den</strong> von diesem Anwendungs-<br />

fall benutzt?<br />

• Anwendungsfall: „Systemanmeldung / Nutzerkennung prüfen“; Anwendungsfall Nummer: XXX<br />

• Anwendungsfall: „Empfangsbestätigung versen<strong>den</strong>“; Anwendungsfall Nummer: YYY<br />

10. Ablaufbeschreibung<br />

10.1 Basisablauf („Happy Day-Szenario“)<br />

Schritt Akteur Aktivität / Funktion Bemerkung<br />

1 Eltern Web-Seite „Kita-Elternbeiträge“ aufrufen<br />

2 Web-Portal Web-Seite Elternbeiträge anzeigen<br />

3 Eltern Service-Seite „Elterneinkommen erklären<br />

aufrufen“<br />

4 Web-Portal Service Seite „Elterneinkommen erklären“<br />

anzeigen<br />

5 Eltern Am System anmel<strong>den</strong>; Nutzer-<br />

Kennung eingeben<br />

6 Web-Portal Nutzerkennung prüfen, Formular „Elterneinkommen“<br />

anzeigen<br />

7 Eltern Stammdaten prüfen<br />

Kun<strong>den</strong>information<br />

Rechtsgrundlagen<br />

anzeigen<br />

8 Eltern E-Mail Adresse prüfen bzw. erfassen Alternativ: schriftl. Bestätigung<br />

anfordern<br />

9 Einkommensdaten erfassen


64 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

10 Eltern Erfasste Daten bestätigen<br />

Vorlage<br />

Anwendungsfallbeschreibung Seite 3/4<br />

© b.i.t.consult GmbH Seeheim 2010<br />

11 Eltern Daten absen<strong>den</strong><br />

12 Web-Portal Daten speichern<br />

13 Web-Portal Bearbeitungsprotokoll erstellen<br />

14 Web-Portal Empfangsbestätigung versen<strong>den</strong> Mail/postalisch?<br />

15 Web-Portal Daten an Fachanwendung übergeben<br />

16 Fachanwendung<br />

Elternbeiträge<br />

10.2 Ausnahmen und Varianten<br />

Einkommensdaten speichern Benachrichtigung SB<br />

generieren<br />

5.A Eltern Neue Nutzerkennung anfordern<br />

6.A Web-Portal Nutzerkennung ungültig, Zugang verweigern<br />

6.B Web-Portal Anforderung „Neue Nutzerkennung anbieten“<br />

14.A Web-Portal Empfangsbestätigung per E-Mail versen<strong>den</strong><br />

14.B Web-Portal Versand einer postalischen Empfangsbestätigung<br />

anstoßen<br />

11. Sonstige funktionale<br />

Anforderungen<br />

Zum Beispiel:<br />

Welche sonstigen funktionalen Anforderungen bestehen die <strong>für</strong><br />

<strong>den</strong> gesamten Anwendungsfall?<br />

• Die gesamte Anwendung und die Anwendungsdialoge mit <strong>den</strong> Nutzern müssen sehr einfach<br />

und übersichtlich gestaltet sein<br />

• Alle Funktionen und Datenfelder müssen mit „Hilfe-Menüs“ hinterlegt sein („mouse over“)<br />

Die Seite muss dem CD / CI der Kommune entsprechen<br />

12. sonstige technische<br />

Anforderungen<br />

Welche sonstigen technischen, das heißt nicht funktionalen Anforderungen,<br />

gelten zu diesem Anwendungsfall?


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 65<br />

Vorlage<br />

Anwendungsfallbeschreibung Seite 4/4<br />

© b.i.t.consult GmbH Seeheim 2010<br />

Zum Beispiel:<br />

• Die Übermittlung der Einkommensdaten muss über eine gesicherte Verbindung (z.B.: SSL-<br />

Verschlüsselung) erfolgen<br />

Der Seitenaufbau darf nicht länger als 3 Sekun<strong>den</strong> dauern<br />

13. Datenspeicherung Wer<strong>den</strong> aufgrund oder im Verlauf dieses Anwendungsfalls Da-<br />

ten gespeichert? Welche und wie viele?<br />

• e-Mail-Adresse der Eltern<br />

• Einkommensdaten der Eltern<br />

o Bruttoeinkommen per anno Eltern 1 (numerisch, 6 stellen)<br />

o Bruttoeinkommen per anno Eltern 2 (numerisch, 6 stellen)<br />

Alternativ:<br />

o Auswahlmenü mit Einkommensgruppierung Eltern 1 bzw. 2<br />

• Bearbeitungsprotokoll (log-Datei)<br />

14. Nutzungshäufigkeit Wie häufig wird der Anwendungsfall eintreten?<br />

• Es wer<strong>den</strong> maximal 6000 Nutzer und Nutzungen per anno erwartet<br />

15. Priorität Welche Umsetzungspriorität hat der Anwendungsfall?<br />

A/B/C/D Bemerkungen<br />

16. Offene Fragen Gibt es offene Punkte und Fragen im Zusammenhang mit der<br />

Anwendungsfallbeschreibung?<br />

Dieser Abschnitt darf bei Freigabe des Dokuments keine Inhalte mehr haben.<br />

Abbildung 32: Vorlage Anwendungsfallbeschreibung<br />

2.5.3 Fachkonzept Eingangsbearbeitung<br />

Im Sinne einer effizienten elektronischen Vorgangsbearbeitung müssen grundsätzlich alle Ein-<br />

gangskanäle (und Ausgangskanäle), möglichst ohne Medienbruch, in IT-Anwendungssysteme<br />

zur E-Vorgangsbearbeitung integriert wer<strong>den</strong>. Während die bereits im Bereich der „elektroni-<br />

schen Medien“ angesiedelten Eingangskanäle: Bürgerportal, Fax und E-Mail mit ihren Varian-<br />

ten DE-Mail bzw. E-Postbrief ohne Medienbruch in die Vorgangsbearbeitung integriert wer<strong>den</strong><br />

können, können unvermeidliche Medienbrüche im Bereich der Posteingangsbearbeitung nur<br />

durch eine Digitalisierung papiergebun<strong>den</strong>er Eingangsdokumente „geheilt“ wer<strong>den</strong>. Im Fach-<br />

konzept Eingangsbearbeitung geht es um die Zusammenstellung jener Fachinformationen, die


66 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

zur Planung von Prozessen, technischer Infrastruktur und Personaleinsatz im Bereich der<br />

Digitalisierung von Eingangsdokumenten (Scan-Verfahren, Prozess) benötigt wer<strong>den</strong>.<br />

Da die Digitalisierung von Eingangsdokumenten im Bereich der Kommunalverwaltung immer<br />

noch eine Ausnahmeerscheinung darstellt, möchten wir zunächst eine kurze Einführung in das<br />

Thema „Scannen“ voranstellen:<br />

Aufgabe des Scanprozesses ist primär die Umwandlung von Papierdokumenten in ein<br />

digitales Abbild, das die Grundlage <strong>für</strong> alle weiteren Arbeitsschritte ist. Bei <strong>den</strong> Scan-<br />

nern wird in Arbeitsplatz-, Abteilungs- und Produktionsscanner sowie Großformatscan-<br />

ner unterschie<strong>den</strong>. Aktuelle Scanner sollten folgende Mindestanforderungen erfüllen:<br />

Doppelseitiges Scannen bis 300 dpi 21 in Farbe und SW in einem Durchgang.<br />

Automatischer Dokumenteneinzug<br />

Unterstützung von ISIS 22 und TWAIN<br />

Anschluss über USB, FireWire oder Ethernet (Netzwerkscanner)<br />

Doppelseiteneinzugskontrolle (über Ultraschall)<br />

Abteilungs- und Produktionsscanner unterstützen in der Regel Dokumentgrößen bis DIN A3<br />

und sind in der Lage, sowohl das Schwarz-Weiß, wie auch das Farbbild gleichzeitig zu erfas-<br />

sen. Neben im Scanner ablaufen<strong>den</strong> Bildverbesserungsverfahren (Geraderücken, Ränder<br />

beschnei<strong>den</strong>, Helligkeitskorrektur, automatische Ausrichtung, usw.) unterschei<strong>den</strong> sich die<br />

Geräte hauptsächlich in Geschwindigkeit und Tageskapazität. Im Standard wer<strong>den</strong> die Doku-<br />

mente oben aus einem Anlagefach am Scanner gezogen und in einem Fach darunter wieder<br />

abgelegt (umgekehrt wie beim Laserdrucker). Diese Verarbeitung kann bei einigen Dokumen-<br />

ten zu Problemen führen, z.B. sehr kleine Dokumente, sehr lange Dokumente, altes brüchiges<br />

Papier (Altakten), Pappvorlagen (Karteikarten). Für solche Zwecke sind Scanner verfügbar,<br />

die das Papier vorne einziehen, gerade durch <strong>den</strong> Scanner führen und hinter dem Scanner<br />

ablegen. Für Formate über DIN A3 sind spezielle Großformatscanner erforderlich. Zu beach-<br />

ten ist, dass die erzeugten Bilddateien z.T. ein erhebliches Datenvolumen erreichen können;<br />

dies belastet unter Umstän<strong>den</strong> Speicherkapazitäten und Bandbreiten bei der Übermittlung der<br />

Dokumente.<br />

Das Datenvolumen wird dabei maßgeblich von der gewählten Bildauflösung (dpi-Rate), <strong>den</strong><br />

Farbinformationen und dem Ausgabedateiformat beeinflusst. Es ist also jeweils abzuwägen<br />

welche „Bildqualität“ ausreichend ist.<br />

Beim „ersetzen<strong>den</strong> Scannen“. wer<strong>den</strong> die Originaldokumente nach dem Scannen ver-<br />

nichtet. Falls Rechtsunsicherheit über die Anerkennung gescannter Dokumente besteht,<br />

müssen die Originale weiterhin aufbewahrt wer<strong>den</strong>.<br />

Wer<strong>den</strong> die Dokumente bereits direkt nach der Anlieferung, zum Beispiel in der Poststel-<br />

le oder bei einem Scan-Dienstleister digitalisiert, spricht man vom „Frühen Scannen“.<br />

Für bestimmte Dokumente, in der Regel aus dem Bereich des Sozialgesetzbuches, wird<br />

eine qualifizierte elektronische Signatur gefordert.<br />

21 dpi = „dots per inch“; Maßeinheit <strong>für</strong> die Punktdichte bei Bildreproduktionen.<br />

22 Bei ISIS bzw. TWAIN handelt es sich um technologische Standards zum Austausch von Daten zwischen Bildeinga-<br />

begeräten.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 67<br />

Wer<strong>den</strong> die Dokumente nach der internen Zustellung im Fachbereich, am Arbeitsplatz<br />

des Sachbearbeiters oder nach der papiergestützten Sachbearbeitung gescannt, spricht<br />

man vom „Späten Scannen“. Das „späte Scannen“ ist in der Regel die weniger effiziente<br />

Vorgehensweise, lässt sich aber nicht immer vermei<strong>den</strong>.<br />

Ein Scanprozess ist in der Regel in vier Teilprozesse gegliedert: die Arbeitsvorbereitung,<br />

die Digitalisierung, die Indizierung und die Nachbereitung. In der Arbeitsvorbereitung<br />

wer<strong>den</strong> die zu scannen<strong>den</strong> Dokumente nach „Themen“ sortiert und <strong>für</strong> das Scannen vor-<br />

bereitet. Zunächst wer<strong>den</strong> die Dokumente entklammert, aufgeschnitten oder sonst nach<br />

Vorgabe vorbereitet. Der Anfang jedes neuen Dokuments mit einem Barcodeaufkleber<br />

oder durch ein Trennblatt gekennzeichnet. Dies ist erforderlich, da eine automatische<br />

Dokumententrennung sicher funktioniert. Es folgt die Ablage der Schriftstücke in sachli-<br />

chen Stapeln. Hinter <strong>den</strong> Stapeln liegen Beschreibungen der Scansoftware, wie die Do-<br />

kumente zu verarbeiten sind. Zu jedem Stapel wird ein Laufzettel erstellt, der dokumen-<br />

tiert, wer welche Tätigkeiten im Prozess erledigt hat. Beim Digitalisieren der Dokumente<br />

wer<strong>den</strong> die einzelnen Scanstapel mit der da<strong>für</strong> erstellten Scanklasse verarbeitet, d.h. die<br />

vorbereiteten Scanstapel wer<strong>den</strong> in <strong>den</strong> Scanner eingelegt und zunächst digitalisiert, es<br />

erfolgt die Barcodeerkennung und die Dokumententrennung. Dieser Teilprozess endet<br />

mit einer ersten Qualitätskontrolle und der elektronischen Signatur der Dateien. Im<br />

nächsten Teilprozess, der Indizierung, erfolgt die Klassifizierung der Dokumente und die<br />

Gewinnung von Inhaltsinformationen zum Dokument. Dies erfolgt entweder automatisiert<br />

oder manuell. Nach der abschließen<strong>den</strong> Qualitätssicherung wer<strong>den</strong> die indizierten Bild-<br />

dokumente zur weiteren Verarbeitung bereitgestellt. Die Dokumente wer<strong>den</strong> mit <strong>den</strong> In-<br />

dexinformationen an das DMS- / Workflowmanagementsystem übergeben. Wie die Da-<br />

ten übergeben wer<strong>den</strong> müssen hängt vom Dokumenten- bzw. vom Workflow- Manage-<br />

mentsystem ab. In der Nachbereitung wer<strong>den</strong> die Dokumente nach <strong>den</strong> Kategorien:<br />

„Vernichten“ (mit einer Karenzzeit von bis zu 6 Wochen), „Einlagern“ und „Weiterleiten“<br />

sortiert und verarbeitet. Die Vernichtung erfolgt verzögert, damit bei Fehlern im Prozess<br />

noch Korrekturen bzw. ein Nachscannen möglich sind.<br />

Entschei<strong>den</strong>d <strong>für</strong> die Wertschöpfung des Scanprozesses und Prozessoptimierungseffekte<br />

in der nachgelagerten Vorgangsbearbeitung ist der Automationsgrad im Scanverfahren<br />

und die sorgfältige Indizierung der Eingangsdokumente, damit diese möglichst ohne<br />

Umwege zu dem <strong>für</strong> ihre Bearbeitung zuständigen Mitarbeiter gelangen.<br />

Bei der Indizierung der digitalisierten Eingangsdokumente wer<strong>den</strong> diese mit sogenannten<br />

Metadaten, zum Beispiel einem Aktenzeichen versehen. Die Metadaten ermöglichen in<br />

Verbindung mit entsprechen<strong>den</strong> Verzeichnisdiensten eine maschinelle Zuordnung („Mat-<br />

ching“) des Dokuments zum Vorgang und zum Bearbeiter. Anhand der Metadaten kön-<br />

nen die Dokumente also ohne manuelle Eingriffe in <strong>den</strong> elektronischen Posteingang des<br />

Bearbeiters übergeben wer<strong>den</strong>.<br />

Die Indizierung kann, abhängig von der Typologie und Struktur der Eingangsdokumente<br />

und der Wirtschaftlichkeit des Technologieeinsatzes manuell oder maschinell erfolgen.<br />

Darüber hinaus können Dokumenteninhalte und Daten maschinell ausgelesen und zur<br />

elektronischen Weiterverarbeitung in Vorgangsbearbeitungssystemen oder sonstigen


68 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Fachanwendungen bereitgestellt wer<strong>den</strong>. Dies vermeidet manuellen Erfassungsauf-<br />

wand in <strong>den</strong> nachgelagerten Prozessen.<br />

Die zur maschinellen Indizierung eingesetzten Programme basieren auf <strong>den</strong> sogenann-<br />

ten OCR 23 bzw. ICR 24 Technologien, die in Verbindung mit Validierungskatalogen, z.B.<br />

<strong>für</strong> Geschäftszeichen, eingesetzt wer<strong>den</strong>.<br />

Die zum Scannen eingesetzte Hardware und Software weist eine große Bandbreite bei<br />

<strong>den</strong> Funktionen und <strong>den</strong> Investitions- bzw. Lizenzkosten auf. Deshalb ist es sinnvoll,<br />

erwartete Bearbeitungsmengen und Leistungsanforderungen im Rahmen der Fachkon-<br />

zeption zur Eingangsbearbeitung zu ermitteln und eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zu<br />

erstellen.<br />

Insgesamt stellt sich bei allen Scan-Projekten die Frage: „Selbst machen oder verge-<br />

ben?“.<br />

Kriterien, die <strong>für</strong> eigenes Scannen sprechen:<br />

Zeitkritischer Prozess, Post soll direkt in <strong>den</strong> Prozess gescannt wer<strong>den</strong><br />

Datenschutz verbietet externe Vergabe<br />

Auslastung vorhan<strong>den</strong>er Infrastruktur<br />

Kriterien, die <strong>für</strong> externes Scannen sprechen:<br />

Volumen ist mit eigenen Kräften in einem gegebenen Zeitrahmen nicht zu schaffen<br />

(Archivierung Altakten, Projektstart mit umfangreichen Scanaktivitäten)<br />

fehlendes Know/How oder fehlende Technik<br />

Zeitunkritisch, geringe Auswirkungen auf interne Geschäftsprozesse<br />

Preis bzw. Kosten<br />

Zur Erstellung des Fachkonzepts sind zwei Arbeitsschritte erforderlich:<br />

1. Ist-Aufnahme der relevanten Prozessdokumente<br />

2. Analyse der relevanten Prozessdokumente<br />

Grundlage <strong>für</strong> die Ist-Aufnahme der relevanten Prozessdokumente ist Ihre Prozessfunktions-<br />

tabelle. In der Spalte Daten und Dokumente wur<strong>den</strong> bereits die Input- und Outputdokumente<br />

erfasst. Für <strong>den</strong> Scanprozess sind hier die Eingangsdokumente relevant, die in Papierform<br />

ankommen. Für diese Dokumente ist eine Dokumentenanalyse erforderlich, um die fachlichen<br />

Anforderungen an <strong>den</strong> Scanablauf zu beschreiben. Die Analyse dient zum einen der Auswahl<br />

der richtigen Technik wie Scanner und Software, zum anderen zur Festlegung der Tätigkeiten<br />

vor, während und nach dem Scannen. In der folgen<strong>den</strong> Abbildung 33 fin<strong>den</strong> Sie eine Vorlage<br />

zur Durchführung und Dokumentation Ihrer Dokumentenanalyse. Die Vorlage enthält bereits<br />

Beispielinformationen, die veranschaulichen, welche Inhalte als Ergebnis der Dokumenten-<br />

analyse gewünscht wer<strong>den</strong>.<br />

23 OCR = Optical Charakter Recognition; optische (Schrift-)Zeichenerkennung.<br />

24 ICR = Intelligent Character Recognition; optisches Verfahren zur Entzifferung von handschriftlichen Zeichen oder<br />

Erkennung fehlerhafter Schreibweisen (Worterkennung, IWR) durch Mustervergleiche.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 69<br />

Bearbeitungshinweise:<br />

Übertragen Sie alle papiergebun<strong>den</strong>en Eingangsdokumente (Eingangskanäle: Poststelle<br />

und Bürgerdienste) aus dem <strong>Soll</strong>-Modell in die Vorlage<br />

Erstellen Sie die Dokumentenbeschreibung<br />

Stellen Sie fest, ob das Eingangsdokument vertrauliche Daten enthält und deshalb „ge-<br />

schlossen“ zugestellt wer<strong>den</strong> muss. Dokumente dieses Typs sollten „spät“, d.h. vom zu-<br />

ständigen Bearbeiter bzw. Empfänger persönlich gescannt wer<strong>den</strong>. Grundsätzlich muss<br />

allerdings ein Vermerk „vertraulich/persönlich“ im Adressfeld enthalten sein, um solche<br />

Posteingänge sichtbar zu kennzeichnen. Die Nennung des Empfängernamens im Ad-<br />

ressfeld begründet rechtlich keine geschlossene Zustellung!<br />

Ermitteln Sie durch die Sichtung einer Dokumentenstichprobe die Anforderungen zur Ar-<br />

beitsvorbereitung<br />

Legen Sie mit Blick auf die erforderliche Bildqualität, Bandbreite, Dokumentenladezeiten<br />

und Speicherkapazität die Anforderungen an die Digitalisierung der Dokumente fest<br />

Analysieren Sie anhand welcher Metadaten und Kriterien die Klassifizierung der Ein-<br />

gangsdokumente und ihre Zuordnung zu Vorgängen und Bearbeitern erfolgt bzw. zu-<br />

künftig erfolgen soll (Indizierung) und prüfen Sie, welche Inhaltsdaten aus Dokumenten<br />

extrahiert wer<strong>den</strong> können.<br />

Ermitteln Sie gesetzliche Aufbewahrungsfristen zu jedem Eingangsdokument<br />

Legen Sie die Anforderungen zur Dokumentennachbereitung fest


70 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

nein PZU<br />

PZU Text / Vordruck 1 8000 A5 farbiges<br />

Papier<br />

X<br />

graustufe<br />

nscan<br />

8bit<br />

AZ, Datum<br />

Empfänger Name Nein<br />

gegen Daten aus<br />

Fachverfahren JA Nein<br />

200 JEPEG<br />

scannen nein VK-OWI<br />

Vorgangsakte 30 3500 A4 normal X sichten<br />

(Bildbestnadteil<br />

e),<br />

entheften,<br />

entklammern,<br />

Haftnotizen<br />

entfernen und<br />

separat<br />

Vorgang Typ<br />

Fremd-AZ<br />

Eigenes AZ Nein Nein nein Nein<br />

SW-<br />

Scan<br />

oder<br />

graustufe<br />

nscan<br />

8-bit<br />

nein KWF<br />

Rechnung Text / strukturiert 2 15000 A4 normal X<br />

graustufe<br />

nscan<br />

8bit<br />

nein VK-OWI<br />

Anschreiben Text / formlos 1 2500 A4 normal X<br />

SW-<br />

Scan<br />

8-bit<br />

200 PDF/A Typ Vorgang<br />

Name,<br />

Vorname,<br />

Adresse<br />

AZ Nein Nein nein Nein<br />

200 PDF/A Absender<br />

RE-Nr<br />

RE-Positionen<br />

Auftragsnr.<br />

RE-Beträge<br />

Skonto J/N<br />

Summe Netto gegen Daten aus<br />

RE-Betrag<br />

Summe Brutto Fachverfahren nein Nein<br />

200 PDF/A<br />

Fahrerfoto Bild 1 2500 A6-A5 Photopapier<br />

X aufkleben A4<br />

nein, an<br />

Dokument<br />

anhängen VK-OWI<br />

Farbscan<br />

16bit<br />

AZ,<br />

KFZ-Kennz.<br />

Datum Nein<br />

gegen KFZ-<br />

Melderegister JA Ja<br />

Selbsteinschätzung<br />

Text / Vordruck 1 6000 A4 normal X keine nein KITA-<br />

Beiträge<br />

SW-<br />

Scan<br />

8-bit<br />

Einkommensnachweise<br />

nein KITA-Beiträge<br />

diverse 2 3500 A4 und A5 normal X keine nein KITA-<br />

Beiträge<br />

SW-<br />

Scan<br />

8-bit<br />

offen<br />

Dokument-<br />

Papier- Papier-<br />

Dokumenten- Dokumenten- Zuordnung<br />

Bezeichnung Strukturierung Zahl Stück/Jahr Format Merkmale Vorbereitung Trennung Scan-Stapel Scan-Typ<br />

Wohngeldantrag Text / Vordruck 4 1500 A3 gefaltet normal X vor <strong>den</strong> Antrag und Wohngeld SWscannen<br />

in der anlagen<br />

Scan<br />

Faltung einzelne<br />

8-bit<br />

auftrenen Dokumente<br />

Vermieter- Text / Vordruck 1 1500 A4 normal X keine nein Wohngeld SWbescheinigung<br />

Scan<br />

8-bit<br />

Barcode Vordruck<br />

GZ bei Wiederholungsanträgen<br />

Nein Nein<br />

Barcode Vordruck<br />

GZ bei Wiederholungsanträgen<br />

Stammdaten Antrag<br />

gegen<br />

Einwohnermeldea<br />

uskunft<br />

Abbildung 33: Muster Fachkonzept Eingangsbearbeitung<br />

Einkommenserklärung<br />

Eltern<br />

Text / Vordruck 2 6000 A4 normal X keine<br />

SW-<br />

Scan<br />

8-bit<br />

Nein<br />

200 bitmap Barcode Vordruck<br />

Name,<br />

Stammdaten<br />

Vorname,<br />

Antragsteller gegen Daten aus<br />

Adresse<br />

Einkommensdaten Fachverfahren Nein<br />

200 JEPEG Typ Vorgang<br />

nein<br />

Name,<br />

Vorname,<br />

Adresse Nein Nein<br />

JA<br />

200 PDF/A Barcode Vordruck<br />

nein<br />

Name,<br />

Stammdaten<br />

Vorname,<br />

Antragsteller gegen Daten aus<br />

Adresse<br />

Einkommensdaten Fachverfahren<br />

Nein<br />

300 TIF<br />

200 GIF<br />

nein<br />

Ja<br />

Dokumenten-<br />

Typ &<br />

Ø<br />

Seiten-<br />

Verkehrsmenge<br />

geschlossen<br />

dpi Format<br />

200 PDF/A<br />

Indizierung<br />

Metadaten<br />

Extraktion<br />

Inhaltsdaten<br />

Mindest-<br />

Auflösung<br />

Ausgab<br />

e-<br />

Plausibilitätsprüfung<br />

Daten Urkunde Aufbewahrung<br />

nein<br />

Aufbewahrungs-<br />

Frist<br />

Dokumentenbeschreibung Zustellung Anforderung ArbeitsvorbereitungAnforderungen Digitalisierung Anforderungen Nachbereitung<br />

Muster Dokumentenanalyse<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2010


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 71<br />

2.5.4 Fachkonzept Dokumentenmanagement<br />

Die Einführung elektronischer Vorgänge und Akten in Verwaltungsverfahren bietet erwiesener-<br />

maßen viele Vorteile und Chancen zur Optimierung der Geschäftsprozesse. Als Oberbegriff <strong>für</strong><br />

Optimierungsansätze in diesem Bereich hatte sich schon früh der Begriff der „elektronischen<br />

Vorgangsbearbeitung“ in Verbindung mit dem DOMEA-Fachkonzept 25 etabliert.<br />

Die Funktionskomponente „Dokumentenmanagement“ ist lediglich eine von mehreren funktio-<br />

nalen Komponenten der elektronischen Vorgangsbearbeitung. Zu einem ganzheitlichen Kon-<br />

zept der E-Vorgangsbearbeitung gehören darüber hinaus die Funktionskomponenten: Scan-<br />

nen, Input- bzw. Outputmanagement, Workflowmanagement sowie eine Middleware-<br />

Komponente zur Integration und Steuerung von Service-Aufrufen (E-Service Bus) aus Fachver-<br />

fahren oder sonstigen E-Government-Basiskomponenten 26 . Es existiert zurzeit keine allgemein<br />

anerkannte Definition davon, was ein „Dokumentenmanagementsystem“ (DMS) ist und was es<br />

genau leisten muss. Stattdessen existiert eine große Zahl von Produkten und „Lösungen“, die<br />

sich in ihrem Funktionsumfang, ihrer Leistungsfähigkeit und ihren technischen Merkmalen, zum<br />

Beispiel im Hinblick auf ihre Integrationsfähigkeit, ganz erheblich unterschei<strong>den</strong>. Eine der Kom-<br />

plexität des Themas angemessene Darstellung des Sachverhalts würde <strong>den</strong> Rahmen dieses<br />

<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s bei weitem sprengen. Darüber hinaus gehört die Frage, ob und welches DMS<br />

die IT-Infrastruktur der Kommune ergänzen soll, in <strong>den</strong> Bereich der IT-strategischen Entschei-<br />

dungen, da ein DMS als „Querschnittsanwendung“ grundsätzlich immer mit Blick auf die Ge-<br />

samtverwaltung, d.h. mit Blick auf die Anforderungen aller Kernprozesse und die „Passfähig-<br />

keit“ des DMS innerhalb der bereits vorhan<strong>den</strong>en IT-Anwendungslandschaft getroffen wer<strong>den</strong><br />

sollte.<br />

Dies „reduziert“ die Frage nach <strong>den</strong> fachlichen Anforderungen an DMS zunächst einmal darauf,<br />

die bereits umfänglich dokumentierten, allgemeinen Anforderungskataloge zu DMS 27 zur Hand<br />

zu nehmen und im Hinblick auf die eigenen Erfordernisse anzupassen und zu priorisieren.<br />

Aus der Perspektive eines Geschäftsprozesses stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage:<br />

„Benötigt der Prozess ein Dokumentenmanagementsystem?“ Da der <strong>Einsatz</strong> eines DMS Li-<br />

zenzkosten verursacht und in der Regel auch Einführungs- und Integrationsaufwand nach sich<br />

zieht, ist die Beantwortung dieser Frage sehr „praxisrelevant“. Das Fachkonzept Dokumenten-<br />

management dient vor allem zur Beantwortung dieser Frage, nicht zur Auswahl und Beschaf-<br />

fung eines DMS. In der folgen<strong>den</strong> Abbildung 34 fin<strong>den</strong> Sie eine kurze Checkliste, die Ihnen<br />

helfen soll festzustellen, ob:<br />

A. der Geschäftsprozess überhaupt ein „professionelles“ DM-System benötigt und<br />

B. die möglicherweise genutzte Fachanwendung bereits DM-Kernfunktionalitäten anbietet<br />

25 DOMEA steht <strong>für</strong>: „Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang“. Die<br />

Bundesregierung hat im Regierungsprogramm „Vernetzte und transparente Verwaltung“ beschlossen, ein neues<br />

Konzept zu erarbeiten, das <strong>den</strong> organisatorischen Rahmen <strong>für</strong> die elektronische Verwaltungsarbeit definiert (Organi-<br />

sationskonzept Elektronische Verwaltungsarbeit). Dieses Konzept soll 2011 veröffentlicht wer<strong>den</strong> und das DOMEA-<br />

Konzept ablösen. Für weiterführende Informationen siehe: http://www.verwaltung-innovativ.de/nn_685148/DE/<br />

Organisation/domea__konzept/ domea__konzept__node.html?__nnn=true<br />

26 Vgl. Abbildung 21<br />

27 Der DOMEA Anforderungskatalog kann hier heruntergela<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>: http://www.verwaltung-innovativ.de/nn_1006118/<br />

SharedDocs/Publikationen/DE/domea__konzept__anforderungskatalog __excel__tabelle.html?__nnn=true


72 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

5 Steht innerhalb der Fachanwendung ein leistungsfähiger Dokumentenviewer zur Verfügung?<br />

Können Eingangs- und Ergebnisdokumente ausreichend mit einem "unifizieren<strong>den</strong>" Namen (z.B.:<br />

6 AZ+Dokumentenname) versehen wer<strong>den</strong>?<br />

Wird die Suche nach Dokumenten oder Dokumenteninhalten durch die Fachanwendung<br />

7 unterstützt?<br />

8 Können Metadaten zu Dokumenten in der Form eines Barcode ausgedruckt wer<strong>den</strong>?<br />

Anzeigen von Dokumenten: Seitenzahl, Rotieren, Zoomen, Blättern,<br />

Scrollen, Thumb Nails<br />

Bearbeiten von Dokumenten: Textmarker, Unterstreichen, Stempel,<br />

Anmerkungen, Notizzettel, Lassofunktion, OCR-Textwandlung<br />

Bestehen besondere Anforderungen an eine revisionssichere Dokumentation aller<br />

9 Bearbeitungsschritte im Verwaltungsablauf?<br />

B Fragen zur DM-Eignung von Fachanwendungen Ja Nein<br />

Können Ergebnis- und Ausgangsdokumente in der Fachanwendung elektronisch gespeichert<br />

1 wer<strong>den</strong>?<br />

2 Können digitalisierte Eingangsdokumente in der Fachanwendung gespeichert wer<strong>den</strong>?<br />

Kann die Ablagestruktur in der Fachanwendung entsprechend <strong>den</strong> Anfordewrungen einer E-Akte<br />

3 nach verschie<strong>den</strong>en Hierarchiestufen gegliedert wer<strong>den</strong>? zum Beispiel: Akten, Vorgänge, Mappen usw.<br />

Können mehrseitige TIF oder PDF/A-Dokumente gespeichert, angezeigt und bei Bedarf<br />

4 ausgedruckt wer<strong>den</strong>?<br />

Bearbeitungsprotokolle gehören zu <strong>den</strong> Standardfunktionen von DMS,<br />

aber auch viele Fachverfahren können revisionssicher protokollieren<br />

Wird ausser <strong>den</strong> Primärdaten aus <strong>den</strong> Eingangsdokumenten das Dokument selbst <strong>für</strong> <strong>den</strong><br />

2 weiteren Bearbeitungs- und Entscheidungsprozess benötigt?<br />

3 Müssen Eingangsdokumente an verschie<strong>den</strong>e Bearbeiter weitergeleitet wer<strong>den</strong>?<br />

4 Wer<strong>den</strong> die Dokumente durch <strong>den</strong> oder die Bearbeiter verändert, ergänzt oder kommentiert?<br />

5 Sind im Verfahrensablauf Stellungnahmen oder Gutachten vorgesehen?<br />

6 Müssen (interne) Eingangsdokumente Mitzeichnungs- und Freigabeverfahren durchlaufen? zum Beispiel: Urlaubsantrag, oder Bestellungen…<br />

7 Müssen Ergebnisdokumente Mitzeichnungs- oder Freigabeverfahren durchlaufen?<br />

8 Sind im Verfahrensablauf häufig Akteneinsichten durch externe oder interne Stellen vorgesehen?<br />

Das Dokument, z.B. "Antrag" dient also lediglich als Datenquelle und zur<br />

Dokumentation der Antragstellung bzw. des "Kun<strong>den</strong>auftrags". In<br />

diesem Falle könnten die DM-Funktionen auch durch ein einfaches<br />

Ablage-/File-System erfüllt wer<strong>den</strong>!<br />

Abbildung 34: Checkliste Anforderung und Eignung DM<br />

1 Hat der Prozess mehrere Bearbeiterrollen innerhalb der Verwaltung?<br />

Die Zahl der Prozessrollen allein ist kein hinreichendes Kriterium <strong>für</strong><br />

DMS-Bedarf!<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

A Fragen zur Klassifizierung der Prozessanforderungen an DM Ja Nein Bemerkungen<br />

Checkliste zum Fachkonzept Dokumentenmanagement


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 73<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Wer<strong>den</strong> die Fragen im Abschnitt A der Checkliste in Bezug auf <strong>den</strong> gegebenen Prozess<br />

mit „Nein“ beantwortet, benötigt der Prozess mit großer Wahrscheinlichkeit kein DMS,<br />

sondern lediglich ein Dokumentenablagesystem („File-System“).<br />

Wer<strong>den</strong> die Fragen im Abschnitt B der Checkliste in Bezug auf die Prozess unterstützen-<br />

de Fachanwendung überwiegend mit „JA“ beantwortet, sollten Sie prüfen, ob sich die<br />

Einführung bzw. Integration eines DMS mit der Fachanwendung lohnt. Die Fachanwen-<br />

dung verfügt bereits über wesentliche Kernfunktionen eines DMS.<br />

2.5.5 Fachkonzept elektronischer Workflow<br />

Die Modellierung elektronischer Arbeitsflüsse („Workflows“) ist immer dann erforderlich, wenn<br />

Geschäftsprozesse automatisiert oder maschinell gesteuert wer<strong>den</strong> sollen. Die grafische Dar-<br />

stellung der Arbeitsflüsse erleichtert dabei das Verständnis <strong>für</strong> die technische Umsetzung der<br />

fachlichen Anforderungen und Abläufe <strong>für</strong> Beteiligte, die selbst nicht programmieren können.<br />

Dazu müssen <strong>Soll</strong>-Modelle zu maschinell ausführbaren Workflowmodellen weiterentwickelt<br />

wer<strong>den</strong>. Dies geschieht durch eine Detaillierung oder „Verfeinerung“ des <strong>Soll</strong>-Modells. Dabei<br />

wer<strong>den</strong> die Fachprozess- „Aktivitäten“ in „Arbeitsschritte“ zergliedert. Die Arbeitsschritte können<br />

dabei <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> drei Klassen zugeordnet wer<strong>den</strong>:<br />

Manuelle Arbeitsschritte erfolgen ohne IT-Unterstützung (z.B.: „ein Gespräch führen“).<br />

Diese Arbeitsschritte sind <strong>für</strong> maschinell ausführbare Workflows nicht relevant und kön-<br />

nen im Weiteren „ausgeblendet“ wer<strong>den</strong>. Manuelle Arbeitsschritte (Ist), die automatisier-<br />

bar sind (<strong>Soll</strong>), zum Beispiel „Brief kuvertieren“, müssen auch als solche klassifiziert wer-<br />

<strong>den</strong>!<br />

Teilmanuelle, bzw. teilmaschinelle Arbeitsschritte erfolgen mit IT-Unterstützung. Hier fin-<br />

det eine Mensch-/Maschine-Interaktion statt. (z.B.: „Daten erfassen“). Der Anwendungs-<br />

dialog muss gestaltet wer<strong>den</strong>, indem die Bearbeitungsmaske des Anwenders (z.B.: Da-<br />

tenfelder und Bearbeitungsfunktionen) beschrieben und die zwischen Mensch und Ma-<br />

schine ausgetauschten Nachrichten, d.h. der Nachrichtenfluss und seine Informationsob-<br />

jekte spezifiziert wer<strong>den</strong>.<br />

Die maschinellen Arbeitsschritte wer<strong>den</strong> „automatisch“ durch eine „Prozessmaschine“<br />

ausgeführt. Diese maschinellen Arbeitsschritte können wiederum in zwei Gruppen einge-<br />

teilt wer<strong>den</strong>: die „Daten- oder Informationsobjekt transformierende“ und „Prozess steu-<br />

ernde“ Arbeitsschritte.<br />

Die transformieren<strong>den</strong> Arbeitsschritte wer<strong>den</strong> durch eigens zu erstellende Programmab-<br />

läufe oder gegebenenfalls durch <strong>den</strong> Aufruf geeigneter IT-Services ausgeführt. Diese<br />

Transformationen sind wertschöpfende Arbeitsschritte, wie etwa: „Leistungsanspruch be-<br />

rechnen“, „Dokumentenvorlage hochla<strong>den</strong> und Stammdaten einfügen“ usw.<br />

Neben <strong>den</strong> „Transformationen“ benötigt die maschinelle Prozessausführung auch „steu-<br />

ernde Arbeitsschritte“. Diese wer<strong>den</strong> im Fachmodell durch die „Entscheidungen“ und<br />

„Entscheidungsregeln“ repräsentiert. Die steuern<strong>den</strong> Arbeitsschritte beschreiben, anhand<br />

welcher Kriterien und Parameter die Prozessmaschine zwischen alternativen Prozess-<br />

fortsetzungen „auswählt“.


74 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Es existieren keine verbindlichen Standards <strong>für</strong> die Modellierung von Workflows. Die Vorge-<br />

hensweise bei der Übersetzung eines Fachprozessmodells in einen maschinell ausführbaren<br />

Workflow hängt davon ab, welche Notationsmethode(-n) und welche SW-Werkzeuge <strong>für</strong> die<br />

technische Umsetzung verwendet wer<strong>den</strong>. Sie erfordert „Expertenwissen“. Andererseits stellt<br />

in der Prozessmodellierung der Übergang von „fachlichen“ zu „technisch ausführbaren“ Pro-<br />

zessmodellen in der Praxis immer wieder eine „Bruchstelle“ dar, weil Anforderungen der<br />

Fachseiten gar nicht, oder nur unvollständig oder nicht mit ausreichender Klarheit im Pro-<br />

zessmodell beschrieben wur<strong>den</strong>.<br />

Verfeinerung des Prozessmodells<br />

Fachprozess-<br />

Ebene<br />

Workflow-<br />

Ebene<br />

Manueller<br />

Arbeitsschritt<br />

Geschäftsprozess<br />

Teilprozess Teilprozess Teilprozess<br />

Aktivitätengruppe<br />

Aktivität<br />

Arbeitsschritt<br />

Dialog<br />

Teil-<br />

Maschineller<br />

Arbeitsschritt<br />

Aktivitätengruppe<br />

Aktivität<br />

Arbeitsschritt<br />

Trans-<br />

Formation<br />

Aktivitätengruppe<br />

Aktivität<br />

Arbeitsschritt<br />

Maschineller<br />

Arbeitsschritt<br />

Steuerung<br />

Klassifikation<br />

Spezifikation<br />

Abbildung 35: Detaillierung: von der Fachprozess- zur Workflow-Ebene<br />

Der <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> kann eine intensive Beschäftigung mit <strong>für</strong> die Prozessautomation geschaf-<br />

fenen Werkzeugen und Metho<strong>den</strong> nicht ersetzen, er möchte aber dazu beitragen, die Model-<br />

lierung von „technisch ausführbaren“ Workflows durch die Fachseite und mit <strong>den</strong> Mitteln der<br />

Fachmodellierung noch besser vorzubereiten, um typische Schwachstellen zu beseitigen und<br />

Projektrisiken zu vermindern. Zur Definition eines ausführbaren Workflows gehören neben der<br />

Logik des Kontrollflusses u.a. eine definierte Rollenstruktur, Anwenderdialoge sowie eine Be-<br />

schreibung der Informationsobjekte, ihrer Datenstrukturen und <strong>den</strong> Datentransformationen. Im<br />

Folgen<strong>den</strong> erfahren Sie anhand des in Abbildung 36 dargestellten Beispiels, wie aus dem<br />

Fachprozessmodell „Bestellung“ 28 mit Mitteln der fachlichen Modellierung ein Workflowmodell<br />

entsteht, welches die <strong>für</strong> die technische Umsetzung, d.h. die Programmierung eines maschi-<br />

28 Das Modell wurde aus didaktischen Grün<strong>den</strong> vereinfacht:. Es handelt sich um ein „Happy Day-Szenario“.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 75<br />

nell ausführbaren Workflows, erforderlichen Fachinformationen enthält. Der Beispielprozess<br />

enthält acht Aktivitäten. Von diesen soll die Aktivität fünf „Mittelverfügbarkeit prüfen“ automa-<br />

tisch, alle anderen sollen semiautomatisch durchgeführt wer<strong>den</strong>, d.h. sie erfordern einen An-<br />

wenderdialog. Insgesamt soll der Bestellprozess also durchgängig durch eine Workflowanwen-<br />

dung unterstützt wer<strong>den</strong>. Das Fachmodell enthält bereits Informationen, welche Rollen und<br />

welche Informationsobjekte im Prozess vorkommen.<br />

Abbildung 36: Fachprozessmodell "Bestellung"


76 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Bearbeitungshinweise<br />

Erstellen Sie zunächst ein separates Rollenmodell zum Fachprozessmodell. Das Rol-<br />

lenmodell zu unserem Beispielprozess ist in der Abbildung 37 dargestellt. Aus dem Rol-<br />

lenmodell geht hervor, dass die Rolle Besteller zugleich die Rechte der Rolle Bedarfs-<br />

träger hat (aber nicht umgekehrt!). Die Rollenbeschreibung enthält eine kurze Charakte-<br />

risierung der Aufgabe und der Aktivitäten der Rolle im Prozess.<br />

Referenzieren Sie nun die Prozessrollen auf Stellen und Stelleninhaber in ihrer Organi-<br />

sation. In der darauf folgen<strong>den</strong> Abbildung 38 ist dargestellt, welchen Personen in wel-<br />

chen Organisationseinheiten eine bestimmte Rolle und die damit verbun<strong>den</strong>en Nutzer-<br />

Rechte in der geplanten Workflowanwendung zugewiesen wur<strong>den</strong>.<br />

Erstellen Sie nun eine Übersicht der Geschäfts- bzw. Informationsobjekte, die im Pro-<br />

zessablauf entstehen oder bearbeitet wer<strong>den</strong> (Input- und Output- Objekte). In der<br />

nächsten Abbildung 40 ist das „Dokumentenmodell“ zum Fachprozess Bestellung dar-<br />

gestellt. Das Modell enthält alle „Dokumente“ (Synonyme: Geschäftsobjekt, Informati-<br />

onsobjekt) des Prozesses und zeigt zusätzlich, wie sie sich aufeinander beziehen: zu<br />

einem „Auftrag“ gehören zum Beispiel die „Subdokumente“ bzw. Informationsobjekte<br />

„Bestellung“ und „Vormerkung Obligo“. Das „Dokumentenmodell“ ist also in diesem Sin-<br />

ne bereits eine grobe Strukturskizze des im Rahmen der technischen Umsetzung zu<br />

erstellen<strong>den</strong> Datenmodells.<br />

Um die Datenmodellierung weiter mit „fachlichem Input“ vorzubereiten, empfehlen wir<br />

Ihnen, nun zu jedem Informationsobjekt („Dokument“) eine detaillierte, fachliche Be-<br />

schreibung in tabellarischer Form zu erstellen. Eine Vorlage dazu fin<strong>den</strong> Sie in der Ab-<br />

bildung 41.<br />

Das Fachprozessmodell (Abbildung 36) enthält bereits eine Klassifikation der Aktivitäten<br />

nach <strong>den</strong> Kategorien „manuell“, „semiautomatisch“ und „automatisch“. Die Klassifizie-<br />

rung wird jeweils rechts unten zu jeder Aktivität als Bildsymbol angezeigt. Diese Klassi-<br />

fizierung ist aber <strong>für</strong> ein detailliertes, fachliches Workflowmodell noch nicht hinreichend<br />

detailliert. Nehmen Sie diese Detaillierung mit Hilfe der bereits im Kapitel A vorgestellten<br />

Prozessfunktionstabelle (Abbildung 13) vor und tragen Sie zu jeder Aktivität die dort er-<br />

wünschten IT-Bearbeitungsfunktionen ein. Diese entsprechen der Darstellungsebene<br />

der Arbeitsschritte im Workflowmodell. In der Abbildung 41 fin<strong>den</strong> Sie eine <strong>für</strong> unseren<br />

Beispielprozess ausgefüllte Prozessfunktionstabelle.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 77<br />

Abbildung 37: Rollenmodell und Beschreibung zum „Bestellprozess“<br />

Abbildung 38: Referenzierung von Rolle und Organisation<br />

Abbildung 39: Dokumentenmodell „Bestellprozess“


78 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Vorlage Beschreibung Informationsobjekt<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

Informationsobjekt Name: Auftrag<br />

Attribut Datentyp Mussfeld? Einschränkungen fachliche Beschreibung<br />

Das Datum an dem der Auftrag erstellt wurde<br />

Auftragsdatum Datum JA<br />

(Systemzeit)<br />

Ersteller Text JA maximal 12 Zeichen Kürzel des Erstellernamens<br />

Auftragsnummer Text JA maximal 30 Zeichen<br />

die Auftragsnummer entspricht der<br />

Vormerknummer zum Obligo im HKR-System<br />

Lieferant Name Text JA maximal 30 Zeichen Firmenname aus Lieferantenverzeichnis<br />

Lieferant Strasse Text JA maximal 30 Zeichen Adresse aus Lieferantenverzeichnis<br />

Lieferant Hausnummer alfanummerisch JA maximal 4 Stellen Adresse aus Lieferantenverzeichnis<br />

Lieferant PLZ ganze Zahlen JA maximal 5 Zeichen Adresse aus Lieferantenverzeichnis<br />

Lieferant Ort Text JA maximal 30 Zeichen Adresse aus Lieferantenverzeichnis<br />

Position Name Text JA maximal 30 Zeichen<br />

Position Stückzahl positive Dezimalzahl JA maximal eine Dezimalstelle<br />

… … … … …<br />

Abbildung 40: Vorlage „Beschreibung Informationsobjekt“


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 79<br />

A B E F G J<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

K L M N O P<br />

Aktivitätenflussdiagramm Bearbeiter Daten und Dokumente IT-Bearbeitungsfunktionen<br />

Anwendung / Komponente<br />

TP-Nr TP-Name Akt-Nr. Aktivität-Name Rolle-Name Input Output Beschreibung<br />

Hochla<strong>den</strong> eines E-Formulars<br />

"Bedarfsmeldung"<br />

die Daten (Name/OE) des Nutzers sind<br />

vorausgefüllt<br />

Erzeugnung einer Prozessinstanz<br />

"Bestellung", Vergabe einer Vorgangs-<br />

ID durch System<br />

IST SOLL Name Hersteller<br />

Bestellung<br />

Bedarfsmeldung<br />

Beschreibung<br />

Funktionen: bearbeiten, speichern,<br />

1 durchführen 1.1 erstellen Bedarfsträger Bedarf Bedarfsmeldung löschen, drucken, weiterleiten<br />

Hochla<strong>den</strong>/Anzeige der<br />

Bedarfsmeldung<br />

Funktionen: Auswahlmenue<br />

Prüfvermerk mit "Bestellung möglich"<br />

oder "Ergänzung angefragt",<br />

kommentieren, weiterleiten,<br />

in einem zweiten Fenster kann der<br />

Bearbeiter <strong>den</strong> Warenkatalog<br />

hochla<strong>den</strong> um nach bedarfsgerechten<br />

X Workflow Bestellung Eigenentwicklung<br />

Bedarfsmeldung<br />

Vermerk Waren zu suchen und Warenmerkmale<br />

Workflow Bestellung Eigenentwicklung<br />

1.2 prüfen Besteller Bedarfsmeldung<br />

Bedarfsmeldung<br />

Prüfergebnis zu vergleichen X Warenkatalogsystem Shopsys GMBH<br />

mit Prüfvermerk:<br />

Hochla<strong>den</strong>/Anzeige der<br />

Bedarfsmeldung<br />

"Ergänzung ergänzte Bedarfsmeldung<br />

1.3 ergänzen Bedarfsträger angefragt" Bedarfsmeldung Funktionen: wie Akt. Nr. 1.1<br />

Suche des Lieferanten im<br />

Lieferantenverzeichnis (Kreditoren-<br />

DB/HKR-System)<br />

Übernahme der Stammdaten<br />

"Lieferant" aus Lieferantenverzeichnis<br />

in das Informationsobjekt (IO)<br />

X Workflow Bestellung Eigenentwicklung<br />

Bestellung mit: "Bestellung"<br />

Daten Lieferant Suche der Warenpositionen im<br />

aus Lieferanten- elektronsichen Warenkatalog<br />

verzeichnis; Übernahme der Stammdaten zu<br />

Bedarfsmeldung Daten zu Bestellpositionen (Waren) aus<br />

mit Prüfvermerk Bestellpositionen; Warenkatalog in das IO "Bestellung"<br />

"Bestellung Einzel- und Funktionen: bearbeiten, speichern,<br />

Workflow Bestellung Eigenentwicklung<br />

Bestellung<br />

möglich" Gesamtkosten löschen, drucken, weiterleiten,<br />

HKR-System HKR-GmbH<br />

1.4 erfassen Besteller<br />

aus Warenkatalog kommentieren<br />

Warenkatalogsystem Shopsys GmbH<br />

1.5<br />

1.6<br />

1.7<br />

1.8<br />

Mittelverfügbarkeit<br />

prüfen SB Haushalt<br />

Mitteilung<br />

Budgetüberschreit<br />

ung erstellen SB Haushalt<br />

Vorkontierung<br />

erfassen SB Haushalt<br />

Bestellung<br />

auslösen Besteller<br />

Beispiel: Prozessfunktionstabelle "Bestellprozess"<br />

Bestellung,<br />

Kosten,<br />

Kostenstelle,<br />

Kostenträger;<br />

IST verfügbare<br />

Mittel laut KLR<br />

negatives<br />

Prüfungsergebnis<br />

verfügbare Mittel<br />

positives<br />

Prüfungsergebnis<br />

verfügbare Mittel<br />

Bestellung mit<br />

Vormerknummer<br />

Prüfungsergebnis<br />

verfügbare Mittel<br />

negative Mitteilung<br />

an Bedarfsträger<br />

Vorkontierung<br />

Obligo im HKR-<br />

System;<br />

Übergabe der<br />

Vormerknummer<br />

aus HKR an<br />

Informationsobjekt<br />

Bestellung<br />

Anschreiben und<br />

Auftrag<br />

Hochla<strong>den</strong> des IO Bestellung,<br />

Sichtkontrolle durch SB HH,<br />

falls erforderlich Kosten-stelle/-träger<br />

erfassen<br />

Verfügbare Mittel zu Kostenstelle /träger<br />

anzeigen und mit Prüfungsdatum<br />

im IO Bestellung speichern<br />

Auswahlmenue Prüfvermerk mit: "Mittel<br />

Verfügbar" und "Mittel erschöpft"<br />

falls Prüfergebnis "negativ",<br />

automatisches hochla<strong>den</strong> des E-Forms<br />

"Negativmitteilung"<br />

Übernahme des Prüfergebnisses<br />

inklusive Metadaten in das E-Form<br />

Funktionen: Kommentar einfügen,<br />

speichern, drucken, weiterleiten<br />

Falls Prüfergebnis "positiv"<br />

automatisches hochla<strong>den</strong> der HKR-<br />

System Bearbeitungsmaske zur<br />

Erfassung der Vorkontierung. Das HKR-<br />

System vergibt automatisch eine ID zur<br />

Vorkontierung ("Vormerknummer")<br />

manuelle oder automatische<br />

Übernahme der Vormerknummer in<br />

das IO-Bestellung<br />

Funktionen: Vorkontierung erfassen,<br />

speichern, bearbeiten;<br />

Vormerknummer importieren,<br />

Bestellung speichern, drucken,<br />

weiterleiten<br />

Auswahlmenue: "Bestellung<br />

freigegeben" (muss!)<br />

Anzeige/Hochla<strong>den</strong> der freigegebenen<br />

Bestellung,<br />

Hochla<strong>den</strong> der Dokumentenvorlage<br />

"Auftrag/Bestellung", automatische<br />

Übernahme aller relevanten Daten aus<br />

IO Bestellung in Dokumentenvorlage<br />

"Auftrag/Bestellung"<br />

Funktionen: Vorlage öffnen, Daten<br />

importieren, Dokument signieren,<br />

Dokument speichern, PDF/Agenerieren,<br />

PDF/A speichern,<br />

Dokument drucken, Dokument als Mail-<br />

Anhang versen<strong>den</strong><br />

Hochla<strong>den</strong> der Dokumentenvorlage<br />

"Anschreiben/Bestell-Auftrag"<br />

Funktionen: Vorlage öffnen,<br />

Adressdaten Lieferant importieren,<br />

Einfügen von Textbausteinen,<br />

manuelles Ergänzen von<br />

Textbausteinen, Dokument signieren,<br />

Dokument speichern, PDF/Agenerieren,<br />

PDF/A speichern,<br />

Dokument drucken, Dokument als Mail-<br />

Anhang versen<strong>den</strong><br />

Abbildung 41: Prozessfunktionstabelle „Bestellprozess“<br />

Workflow Bestellung<br />

HKR-System<br />

Workflow Bestellung<br />

HKR-System<br />

Workflow Bestellung<br />

HKR-System<br />

Workflow Bestellung<br />

Outputmanagement<br />

System<br />

Eigenentwicklung<br />

HKR-GmbH<br />

Eigenentwicklung<br />

HKR-GmbH<br />

Eigenentwicklung<br />

HKR-GmbH<br />

Eigenentwicklung<br />

Eigenentwicklung


80 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Modellierungshinweise zum Workflowmodell<br />

Nachdem Sie die oben genannten fünf vorbereiten<strong>den</strong> Arbeitsschritte erledigt haben, können<br />

Sie mit der grafischen Modellierung des Workflows beginnen. Den in der Prozessfunktionsta-<br />

belle (Abbildung 41) zu unserem Beispielprozess skizzierten Workflow fin<strong>den</strong> Sie in der Abbil-<br />

dungen 42 als grafisches Modell.<br />

Legen Sie <strong>für</strong> jede Rolle und das Workflowmanagementsystem (WFMS) jeweils einen<br />

Pool an. Die oberen Pools wer<strong>den</strong> <strong>den</strong> Rollen, der untere dem WFMS zugeordnet.<br />

Nur die Aktivitäten, die dem Pool des WFMS zugeordnet wer<strong>den</strong>, sind maschinell aus-<br />

führbar, die Aktivitäten in <strong>den</strong> Pools der Rollen wer<strong>den</strong> von <strong>den</strong> Systembenutzern ab-<br />

gearbeitet, sie stellen Mensch-Maschine Interaktionen dar.<br />

Beginnen Sie nun damit, die Aktivitäten und Bearbeitungsfunktionen aus der Prozess-<br />

funktionstabelle als „Flussdiagramm“ über alle Pools zu modellieren.<br />

Modellieren Sie <strong>den</strong> „Dialog“ zwischen Mensch und Maschine jeweils mit zwei simulta-<br />

nen Arbeitsschritten: eine Aktivität im Pool des Bearbeiters repräsentiert seine Tätigkeit<br />

und eine simultane Aktivtät im Pool des WFMS repräsentiert die Funktion der Maschine.<br />

Der Dialog („sen<strong>den</strong> und empfangen“) kann nun als Nachrichtenfluss zwischen <strong>den</strong> si-<br />

multanen Aktivitäten dargestellt wer<strong>den</strong>. Tragen Sie die dabei ausgetauschten Informa-<br />

tionsobjekte im Nachrichtenfluss ein. Die im Dialog von der Maschine bereitgestellten<br />

Bearbeitungsmasken oder Vorlagen wer<strong>den</strong> grafisch als „E-Dokument“ symbolisiert, die<br />

vom Menschen erfassten Daten als „Datenobjekt“. Diese Informationsobjekte können<br />

nun anhand der Vorlage „Beschreibung Informationsobjekt“ (siehe Abbildung 40) weiter<br />

spezifiziert wer<strong>den</strong>.<br />

Eine Besonderheit besteht in der Modellierung von „Prozessverzweigungen“ und „Prozess-<br />

schleifen“. Maschinen können nur eindeutige Informationen verarbeiten. Dies bedeutet, dass<br />

„Oder-Gateways“ nicht zulässig sind und in eindeutige „Und“- bzw. „Entweder Oder“-Gateways<br />

aufgelöst wer<strong>den</strong> müssen. Das Fachmodell (Abbildung 36) enthält eine Prozessschleife (Akti-<br />

vität 3); die Schleife kann nur beendet wer<strong>den</strong>, wenn am zweiten XOR-Gateway „Rückfrage“<br />

die Information „Nein“ vorliegt. Dieses Problem kann dadurch gelöst wer<strong>den</strong>, dass der Bestel-<br />

ler bei der Aktivität 2 „Bedarfsmeldung prüfen“ durch eine Eingabe <strong>den</strong> „Zustand“ der einge-<br />

gangenen Bedarfsmeldung klassifiziert. Dies wurde in der Prozessfunktionstabelle (Abbildung<br />

41) durch die IT-Bearbeitungsfunktion „Auswahlmenü Prüfvermerk“ dokumentiert.<br />

Die vom WFMS <strong>für</strong> die Prozessdurchführung benötigten ITServices wur<strong>den</strong> unterhalb des <strong>für</strong><br />

die WFMS-Aktivitäten reservierten Pools in dem blau gefärbten Bereich „ITServices“ darge-<br />

stellt.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 81<br />

Abbildung 42: Workflowdiagramm „Bestellprozess“ (1 / 2)


82 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

Abbildung 42: Workflowdiagramm "Bestellprozess" (2 / 2)<br />

2.5.6 Fachkonzept Schnittstellen<br />

Bei der Entwicklung elektronischer Geschäftsabläufe ist die Integration von kommunalen<br />

Fachanwendungen in maschinell ausführbare Workflows von herausragender Bedeutung.<br />

Dies kann technisch durch die Entwicklung von Schnittstellen oder sogenannten „Web-<br />

Services“ erfolgen. Zur Spezifikation der fachlichen Anforderungen an eine Schnittstelle sind<br />

mindestens die in der folgen<strong>den</strong> „Vorlage Schnittstellenbeschreibung“ enthaltenen Informatio-<br />

nen erforderlich. Die Abbildung 43 zeigt die im Projekt „<strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>“ durch Mitarbeiter der<br />

Stadt Bochum erarbeitete Beschreibung einer Schnittstelle zur Abfrage von Daten zum ALG2-<br />

Leistungsbezug im Zusammenhang mit der Festsetzung von KiTa-Elternbeiträgen.<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Damit keine datenschutzrechtlichen Bestimmungen verletzt wer<strong>den</strong>, sollten Sie in jedem<br />

Falle recherchieren, auf welcher gesetzlichen Grundlage der Austausch bzw. die Erhe-<br />

bung von Daten durchgeführt wer<strong>den</strong> soll. Zu klären ist, ob das Einverständnis des Da-<br />

teneigentümers dazu erforderlich ist.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 83<br />

1 Name der Schnittstelle:<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

Rechtsgrundlage und Vorschriften <strong>für</strong><br />

die Erhebung der Daten (Datenschutz)<br />

Ist das Einverständnis des Dateneigentümers nach dem Gesetz über<br />

informationelle Selbstbestimmung erforderlich?<br />

Welche Informationen wer<strong>den</strong><br />

zurückerwartet?<br />

Was soll geschehen, wenn die<br />

Informationen nicht verfügbar sind?<br />

Abbildung 43: Vorlage Schnittstellenbeschreibung<br />

*<br />

*Die Datenabfrage soll generell nur mit Zustimmung des<br />

Dateneigentümers erfolgen<br />

Falls JA; Wie wird das Einverständnis Im Rahmen der jährlichen rückwirken<strong>den</strong> Einkommensüberprüfung der Beitragspflichtigen wird auf die Möglichkeit der<br />

Einverständniserklärung zur Datenabfrage hingewiesen und das entsprechende Formular beigefügt.<br />

erklärt?<br />

Der Vordruck ist vom Bezieher an das Jugendamt zurückzusen<strong>den</strong>. Die Erklärung wird zur Beitragsakte genommen.<br />

Dem Transferleistungsträger soll die Zustimmung nicht übermittelt wer<strong>den</strong>. Hier ist es ausreichend, dass durch das Jugendamt<br />

erklärt wird, dass die Zustimmung vorliegt. (Es ist geplant zukünftig die Zustimmung zur Datenabfrage auch über eine<br />

Web-Schnittstelle im Rahmen einer Portal-Lösung "Elternbeiträge" zu ermöglichen).<br />

Worin liegt der Nutzen der Schnittstelle <strong>für</strong> <strong>den</strong> Prozess "Elternbeiträge" festsetzen?<br />

Die Eltern sind nach <strong>den</strong> o.g. Vorschriften verpflichtet ihr Einkommen zu erklären (Dies gilt auch <strong>für</strong><br />

Transferleistungsempfänger.<br />

Diese sind bisher nicht grundsätzlich von der Zahlung von Elternbeiträgen befreit sondern müssen ihr Einkommen durch<br />

Vorlegen<br />

der Leistungsbescheide nachweisen). Dem wird aber nicht immer ohne mehrmalige Aufforderung nachgekommen. Der Grund<br />

hier<strong>für</strong><br />

dürfte darin liegen, dass die entsprechen<strong>den</strong> Leistungsbescheide <strong>für</strong> das zurückliegende Beitragsjahr <strong>den</strong> Beitragspflichtigen nicht<br />

mehr vorliegen so dass diese nicht ohne Weiteres beigebracht wer<strong>den</strong> können. Den erfolglosen mehrmaligen Aufforderungen zur<br />

Einkommenserklärung folgt i. d. R. die Festsetzung des Höchstbetrages mit Mahnverfahren und schließlich der Beitreibung der<br />

ausstehen<strong>den</strong> Beiträge. Hierdurch wird ein erheblicher aber überflüssiger Verwaltungsaufwand der Stadtverwaltung generiert.<br />

Der Datenabruf der Leistungsbescheid-Daten stellt in diesem Fall eine einfache und schnelle Lösung <strong>für</strong> Beitragspflichtige<br />

Transferleitstungsbezieher da, ihrer MItwirklungspflicht nachzukommen.<br />

Sonstige Anforderungen an die<br />

Schnittstelle<br />

Vorlage Schnittstellenbeschreibung<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

Dabenabfrage "Bezug von Arbeitslosengeld II"<br />

GTK, SGB VIII, SBG XII und KiBiz <strong>NRW</strong> i.V.m § 90 Abs. 1 SGB VIII und § 23 Abs.1 KiBiz <strong>NRW</strong> i.V.m § 4 der Satzung über die<br />

Erhebung von Elternbeiträgen <strong>für</strong> die Inanspruchnahme der im Stadtgebiet bestehen<strong>den</strong> Tageseinrichtungen <strong>für</strong> Kinder und<br />

der Inanspruchnahme der Kindertagespflege (Elternbeitragssatzung), erlassen aufgrund der §§ 7 und 41 der Gemeindeordnung<br />

<strong>für</strong> das Land Nordrhein-Westfalen (GO <strong>NRW</strong>) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.07.1994 (GV <strong>NRW</strong> S.666/ SGV<br />

<strong>NRW</strong> 2023) und der §§ 2, 4 und 6 des Kommunalabgabengesetzes <strong>für</strong> das Land Nordrhein-Westfalen (KAG <strong>NRW</strong>) vom<br />

21.10.1969 (GV <strong>NRW</strong> S. 712/ SGV <strong>NRW</strong> 610)<br />

Welche Informationen wer<strong>den</strong> an die Information 1<br />

Schnittstelle übergeben? (eindeutig)<br />

optional: Aktenzeichen<br />

Information 2<br />

Name<br />

Information 3<br />

Vorname<br />

Information 4<br />

Geburtsdatum<br />

Information 5 Information 6<br />

Adresse (Straße, Aktenzeichen<br />

der Einzelfall-Akte der<br />

Hausnummer, Akte<br />

Arge zum ALG II<br />

Postleitzahl) Elternbeiträge<br />

Information 1<br />

(eindeutig) Information 2 Information 3 Information 4 Information 5 Information 6<br />

Aktenzeichen Akte Name Vorname Adresse (Straße, Höhe der Höhe und<br />

Elternbeiträge<br />

Hausnummer, monatlichen Zusammen-<br />

Postleitzahl) Hilfe<br />

setzung des<br />

angerechneten<br />

Einkommens<br />

Information 7<br />

Alternativ: Gesamter Bescheid als Datenstruktur/PDF übermitteln<br />

Alternativ: lediglich ALG-Bezug und Bewilligungszeitraum ausgeben (Konsequenz <strong>für</strong> Prozess:<br />

Bewilligungszeitraum<br />

Beitragsbefreiung über Satzung regeln)<br />

Meldung über Fehlanzeige ausgeben<br />

Weitere Anforderungen an die Schnittstelle:<br />

- Mindestanforderung ist die Zusendung der Bescheiddaten, z.B. die benötigten Bescheide als PDF - durch eine zentrale Stelle<br />

der Transferleistungsträger. (Eine Einzelanforderung bei dem jeweils <strong>für</strong> <strong>den</strong> Einzelfall zuständigen Sachbearbeiter generiert<br />

auf<br />

bei<strong>den</strong> Seiten zuviel Aufwand und ist damit in der Umsetzung nicht erfolgversprechend.)<br />

Diese Variante wäre eine asynchrone Schnittstelle, bei der der Sachbearbeiter Elternbeiträge <strong>den</strong> Vorgang zurückstellen muss,<br />

bis die Antwort durch <strong>den</strong> Transferleistungsträger erfolgt ist. (=höhere Prozessdurchlaufzeit). Im Prinzip wäre auch eine<br />

Sammelanfrage (Stapelverarbeitung) zu einem bestimmten Stichtag des Jahres möglich.<br />

- Optimallösung wäre ein "echter" Fachservice, der als Web-Schnittstelle umgesetzt ist.<br />

Die Datenabfrage kann in diesem Fall durch Berechtigte direkt aus dem Bearbeitungsprozess Online erfolgen, die Antwort<br />

erfolgt<br />

unmittelbar über einen Prozess, der auf Seite des Transferleistungsträgeres automatisiert abläuft. Hierbei handelt es sich um<br />

eine<br />

synchrone Lösung, die sicher auch von anderen Behör<strong>den</strong> genutzt wer<strong>den</strong> kann (Gerichte , Polizei etc.) und die Sachbearbeitung


84 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

2.5.7 Fachkonzept Ausgangsbearbeitung<br />

Unter dem Begriff der Ausgangsbearbeitung („Outputmanagement“) fassen wir mehr als ledig-<br />

lich <strong>den</strong> Druck und die Verteilung bzw. <strong>den</strong> Versand von Ausgangsdokumenten der Ge-<br />

schäftsprozesse an ihre Adressaten zusammen. Auch wenn der Versand von gedrucktem<br />

Papier ohne Zweifel auch zukünftig einen hohen Stellenwert im Bereich der Ausgangsbearbei-<br />

tung haben wird, müssen auch heute schon weitere Ausgangskanäle, wie etwa: Fax, E-Mail,<br />

DE-Mail / E-Postbrief und E-Government Portale sowie die parallele Übergabe der Ausgangs-<br />

dokumente in Dokumentenmanagement- oder Archivsysteme in eine ganzheitliche Konzeption<br />

der Dokumentenlogistik einbezogen wer<strong>den</strong>. Die Implementierung eines Outputmanagement<br />

bietet erhebliche Kosteneinsparpotenziale. Die aus dem Druckbereich bekannten „klassi-<br />

schen“ Kostenbetrachtungen, wie etwa TCO („Total Cost of Ownership“ 29 ) oder CPP („Costs<br />

per Page“ 30 ) wer<strong>den</strong> dabei dem Sachverhalt allerdings bei weitem nicht gerecht, besteht doch<br />

der Löwenanteil an <strong>den</strong> Kosten bei der Betrachtung der Dokumentenausgangsbearbeitung<br />

aus Arbeitskosten der Mitarbeiter. Optimierungsansätze setzen schon im Bereich der Doku-<br />

mentenerstellung an und bestehen grundsätzlich in folgen<strong>den</strong> Strategien:<br />

A. Der Verlagerung dezentraler Druckvorgänge („Lokaldruck am Arbeitsplatz“) in zentrale<br />

Drucksysteme bzw. Verfahren (Optimierung Printmedien und Prozesse)<br />

B. Der konsequenten Ausstattung von Rücklaufdokumenten mit geeigneten Metadaten,<br />

z.B. durch das Aufbringen eines Barcode, damit diese bei der Digitalisierung im Postein-<br />

gang möglichst maschinell dem zuständigen Bearbeiter zugeordnet und elektronisch zu-<br />

gestellt wer<strong>den</strong> können (Optimierung Printmedien und Prozesse)<br />

C. Der Verlagerung hausinterner Zustellungsvorgänge in das Medium E-Mail oder<br />

Workflowmanagementsystem (Migration von Print zu E-Medien)<br />

D. Der Verlagerung eines möglichst großen Anteils der klassischen Postausgänge an ex-<br />

terne Adressaten in <strong>den</strong> Segmenten G2C, G2B, G2G in elektronische Medien (siehe o-<br />

ben) (Migration von Print zu E-Medien)<br />

Die Verfolgung und Umsetzung der oben genannten grundsätzlichen Optimierungsansätze<br />

muss durch ein Bündel organisatorischer, technologischer und kommunikativer Maßnahmen<br />

geschehen. Um konkrete Optimierungsansätze, zum Beispiel <strong>für</strong> einen bestimmten Ge-<br />

schäftsprozess sichtbar zu machen, <strong>den</strong> „richtigen Maßnahmen Mix“ zur Einführung eines<br />

prozessorientierten Outputmanagements zu fin<strong>den</strong>, ist es zunächst erforderlich, eine Be-<br />

standsaufnahme der Ausgangsdokumente und Medien vorzunehmen und dabei wichtige Do-<br />

kumenten- Merkmale und Strukturen zu erfassen. Die folgende Vorlage (siehe Abbildung 44)<br />

unterstützt Sie bei der Erfassung der relevanten Daten und Informationen. Eine konkrete<br />

Maßnahmenplanung ist ohne detaillierte Analyse der technologischen Voraussetzungen und<br />

Rahmenbedingungen nicht machbar, dies ist allerdings nicht Gegenstand dieses Praxisleitfa-<br />

<strong>den</strong>s.<br />

29 „TCO“ ist ein Kostenrechnungsverfahren bei Investitionsgütern, bei dem nicht nur die Anschaffungskosten, sondern<br />

auch alle mit der Anschaffung und Nutzung verbun<strong>den</strong>en Folgekosten berücksichtigt wer<strong>den</strong>.<br />

30 „(Druck-) Kosten pro Seite“.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 85<br />

Bearbeitungshinweise<br />

Es ist sehr wichtig, alle Ausgangsdokumententypen eines Geschäftsprozesses in die<br />

Analyse einzubeziehen<br />

In Spalte 4 „Dateiformat“ ist das Ursprungsformat des Dokuments in der erstellen<strong>den</strong> An-<br />

wendung gefragt. Es kann sich dabei um ein „Rohdatenformat“, z.B. ASCII 31 , oder<br />

CSV 32 -Dateien oder XML 33 -strukturierte Dateien oder aber bereits „vordefinierte“ fertige<br />

Dokumente mit entsprechen<strong>den</strong> Layout und CD 34 -Informationen handeln, die zum Bei-<br />

spiel als Word oder als PDF-Datei vom Quellsystem bereitgestellt wer<strong>den</strong>.<br />

Die Spalten 5 und 6 beziehen sich auf die dem Dokument, bzw. der Ausgangsdatei vom<br />

erstellen<strong>den</strong> System mitgegebenen Metadaten, etwa: Ersteller, Aktenzeichen, Adressat,<br />

Dokumententyp usw., die <strong>für</strong> eine weitere Steuerung der Outputmanagementprozesse<br />

und der Dokumentenlogistik sehr wichtig sind.<br />

Spalte 7 „persönliche Zustellung“ ist besonders <strong>für</strong> Verwaltungsdokumente wichtig. Wenn<br />

hier ein JA erscheint, bedeutet dies, dass ein Zustellnachweis erforderlich ist. Dies<br />

schließt bestimmte postalische Versandarten und bestimmte E-Ausgangsmedien <strong>für</strong> die-<br />

se Dokumente aus.<br />

Spalte 8 „Beilagen“ bezieht sich zum Beispiel auf Zahlscheine/Überweisungsvordrucke,<br />

Prospekte und sonstige Beilagen einer Sendung, die besondere Anforderungen an das<br />

Druckverfahren, die Konfektionierung und Kuvertierung einer Sendung stellen können<br />

Spalte 9 „Rücklaufdokument“: typische Rücklaufdokumente sind zum Beispiel Anhö-<br />

rungsbögen, Postzustellungsurkun<strong>den</strong>, aber auch Formulardownloads, die vom Kun<strong>den</strong><br />

gedruckt, ausgefüllt und dann an die Kommune verschickt wer<strong>den</strong>. Um eine effiziente<br />

Eingangsbearbeitung zu ermöglichen, sollten solche Dokumente und Vorlagen grund-<br />

sätzlich mit barcodierten Metadaten versehen wer<strong>den</strong>, die eine maschinelle Verarbei-<br />

tung, Sortierung und elektronische Zustellung des „Rückläufers“ unterstützen.<br />

Mengenangaben: die Mengenangabe „Individualdruck“ in Spalte 14 bezieht sich auf die<br />

Angabe zur Jahresoutputmenge in Spalte 11.<br />

Angaben zu Adressaten (Spalten 15-20): die genaue Erfassung der Adressatenstruktur<br />

eines Dokumententyps würde <strong>den</strong> Rahmen einer „Tabelle“ leider sprengen; Insofern<br />

können Sie hier lediglich eine grobe Segmentierung der Zielgruppe und eine Erfassung<br />

der Mehrfachadressaten (Spalte 19 und 20) vornehmen. Es lohnt sich aber an dieser<br />

Stelle sehr genau darüber nachzu<strong>den</strong>ken, ob und wie welche Adressatengruppen über<br />

elektronische Medien erreicht wer<strong>den</strong> können und welche technischen, organisatori-<br />

schen und kommunikativen Voraussetzungen dazu geschaffen wer<strong>den</strong> müssten. Dazu<br />

31 ASCII = American Standard Code for Information Interchange. Der Zeichensatz entspricht weitgehend der Tastatur<br />

einer Schreibmaschine, enthält aber nur sehr wenige Text-Formatierungsinformationen.<br />

32 CSV = Comma-separated Values; einfaches Dateiformat zur Darstellung von Texten oder Tabelleninhalten.So können<br />

zum Beispiel Excel-Tabellen als CSV-Datei gespeichert und weiterverarbeitet wer<strong>den</strong>.<br />

33 XML = Extensible Markup Language; ist eine sogenannte „Auszeichnungssprache“ zur Darstellung hierarchisch<br />

strukturierter Daten. Dabei wer<strong>den</strong> die dargestellten Datenobjekte in menschenlesbarer Form beschrieben<br />

(„ausgezeichnet“).<br />

34 CD = Corporate Design.


86 2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong><br />

kann es erforderlich sein, ein wesentlich detaillierteres „Profil“ von Zielgruppen mit<br />

Migrationspotenzial und eine genaue Übersicht aller Kontaktsituationen zu diesen Ziel-<br />

gruppen zu erstellen, um einzuschätzen, ob hier Chancen bestehen, diese Adressaten<br />

<strong>für</strong> die Nutzung der im Vergleich zu Print-basierten Medien wesentlich kostengünstige-<br />

ren elektronischer Kommunikationskanäle zu gewinnen.<br />

Erfassung der Ist-Situation bei <strong>den</strong> Ausgangsmedien / Kanälen: Vermerken Sie in <strong>den</strong><br />

Spalten 21/22, ob das Ausgangsdokument entweder in Papierform (Sp. 21) oder in e-<br />

lektronischer Form (Sp. 22) archiviert wer<strong>den</strong> muss. Schätzen Sie zusätzlich <strong>den</strong> Anteil<br />

(%) der in <strong>den</strong> Spalten 23-31 genannten sonstigen Ausgangsmedien an der Gesamt-<br />

menge in Spalte 11. Erweitern Sie die Tabelle ggfs. um einen Block „Ausgangsmedien<br />

Anteil <strong>Soll</strong>“, um Ziele <strong>für</strong> das zukünftige Outputmanagement zu definieren und zu doku-<br />

mentieren<br />

Werten Sie die Ergebnisse ihrer Bestandsaufnahme aus, indem Sie die Relevanz der<br />

oben unter <strong>den</strong> „grundsätzliche Optimierungsansätzen“ genannten Punkte A bis D <strong>für</strong><br />

„Ihren“ Prozess bestimmen.


2. <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> 87<br />

Vorlage Outputanalyse<br />

© d-<strong>NRW</strong> / b.i.t.consult, 2011<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />

Name Geschäftsprozess:<br />

Druckvarianten Adressaten Ausgangskanal: Anteil IST in %<br />

Portal<br />

Zustellserver VPS<br />

E-Postbrief<br />

DE-Mail<br />

E-Mail<br />

FAX<br />

Boten<br />

Hauspost<br />

Post<br />

DMS / E-Ablage<br />

Mehrfachkontakten?<br />

Name<br />

Meta-<br />

Beilagen<br />

davon Zyklus davon<br />

Ausgangs- Papier Datei daten?<br />

zur Rücklauf- Menge MassenMassenIndividual- Nr. Dokument Format Format (J/N) Metadaten Typ Sendung? Dokument? pro jahr druckdruckdruck G2C G2B G2G intern Bemerkung<br />

Aktenz.<br />

Mehrfachtäter,<br />

1 Bußgeldbescheid A4 Word JA Kassenz. tw. Zahlschein PZU, tw. Nein 60000 40000 wöchentlich 20000 X X JA FuhrparkUN 100 100<br />

Aktenz.<br />

Mehrfachtäter,<br />

2 Anhörungsbogen A4 Word JA Kassenz. nein Zahlschein JA JA 45000 30000 wöchentlich 15000 X X JA FuhrparkUN 100 100<br />

Nachforderung<br />

3 Unterlagen A4 Word JA AZ nein nein nein nein 5000 5000 X X X Nein 100 98 2<br />

4<br />

persönl.<br />

Barcode?<br />

Empfänger mit<br />

Ablage / Akte / Archiv<br />

Zustellung?<br />

Abbildung 44: Vorlage Outputanalyse


88 3. Hinweise zum Veränderungsmanagement<br />

3. Hinweise zum Veränderungsmanagement<br />

E-Government und Prozessoptimierungsprojekte führen zwangsläufig zu Veränderungen in<br />

der Ablauf- und Aufbauorganisation der Verwaltung. Jede Organisation reagiert auf Verände-<br />

rungen zunächst mit Beharrungsvermögen oder gar Widerstand. Dies ist zunächst nichts ne-<br />

gatives, wer<strong>den</strong> Organisationen doch mit dem Ziel geschaffen „stabil“ zu sein und selbst unter<br />

widrigen Umstän<strong>den</strong> zu „funktionieren“. Dies bedeutet: Organisationen verfügen über eine<br />

inhärente Fähigkeit zur Selbststabilisierung durch Standardisierung, Regeln und Routinen und<br />

durch die „Kultivierung“ von Gewohnheiten und Ritualen. Veränderungen in der Organisation<br />

entstehen deshalb in der Regel nicht aus innerem Antrieb, sondern nur durch Veränderungs-<br />

druck von außen. Veränderungen „stören“ <strong>den</strong> gewohnten Ablauf, wer<strong>den</strong> sie persistent, kann<br />

dies zu Konflikten und Auseinandersetzungen zwischen <strong>den</strong> Beteiligten und Betroffenen füh-<br />

ren. Dabei wer<strong>den</strong> die „Mechanismen“ zur Stabilisierung und zur Veränderung durch formelle<br />

und informelle Kommunikationsprozesse vermittelt und wirksam. Daraus folgt, dass Verände-<br />

rung in der Organisation nur durch erfolgreiche Kommunikation und gezielte Interventionen<br />

erreicht wer<strong>den</strong> können. Die Erfolgschancen steigen, wenn sich Kommunikation und Interven-<br />

tion dabei an wieder erkennbaren Mustern orientieren, die an Vertrautes anschließen.<br />

Die folgen<strong>den</strong> „Hinweise“ zum Veränderungsmanagement orientieren sich an mittlerweile all-<br />

gemein anerkannten Metho<strong>den</strong> und Vorgehensmodellen aus dem Umfeld der systemischen<br />

Organisationsberatung. Zielsetzung dabei ist es, die bisher vorgestellten, eher auf die analyti-<br />

sche Klärung fachlicher und technologischer Sachverhalte ausgerichteten Metho<strong>den</strong>, in einen<br />

übergeordneten Rahmen zur Planung und Gestaltung von Veränderungsprojekten einzuord-<br />

nen. Die praktische Erfahrung zeigt, dass die Bedeutung einer sorgfältigen Vorbereitung und<br />

die Beherrschung von Metho<strong>den</strong> und Techniken zur Steuerung von Veränderungsprojekten in<br />

der öffentlichen Verwaltung nicht hoch genug eingeschätzt wer<strong>den</strong> kann.<br />

3.1 Rahmenbedingungen und Grundsätze<br />

Veränderungsprojekte im Kommunen müssen die spezifischen Rahmenbedingungen und das<br />

soziokulturelle Umfeld der kommunalen Verwaltung berücksichtigen:<br />

Veränderungsvorhaben benötigen eine sichtbare Unterstützung durch Politik und Ver-<br />

waltungsführung. Projektzielsetzungen müssen deshalb anschlussfähig sein an die ü-<br />

bergeordneten, standort- und finanzpolitischen Ziele der Kommune.<br />

Der demografische Wandel in der Gesellschaft, aber auch in der Mitarbeiterschaft der<br />

Verwaltung, erzwingen einerseits eine „Rationalisierung“ der Verwaltungsabläufe und<br />

eröffnen zugleich ein Handlungsfenster <strong>für</strong> eine sozialverträgliche Gestaltung des Wan-<br />

dels.<br />

Veränderungsprozesse bringen nicht nur Vorteile, sie verursachen auch Aufwand und<br />

Kosten. Dieser Sachverhalt darf in der Kommunikation von Projektzielen und Nutzen<br />

nicht verschwiegen wer<strong>den</strong>. Der Projektnutzen muss nachvollziehbar nachgewiesen<br />

und überzeugend kommuniziert wer<strong>den</strong>.<br />

In Veränderungsprozessen sollten die Interessen der Organisation und nicht die Interes-<br />

sen der Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. Es kann <strong>für</strong> eine Institution, die im öffentlichen<br />

Auftrag handelt und mit Mitteln der öffentlichen Hand finanziert wird, nicht darum gehen,


3. Hinweise zum Veränderungsmanagement 89<br />

eine „gerechte“ Organisation zum Wohle ihrer Mitarbeiter zu schaffen; stattdessen sollte<br />

eine möglichst effektive und effiziente Organisation der Aufgabenwahrnehmung Ziel sein.<br />

Insofern darf „Partizipation“ der Mitarbeiter in Veränderungsprozessen nicht mit „Basis-<br />

demokratie“ verwechselt wer<strong>den</strong>. Veränderungsprozesse zielen auf die Umgestaltung<br />

von Arbeitssituationen, Arbeitsmitteln und Arbeitsbedingungen. Sie orientieren sich am<br />

Kontext und nicht am Subjekt der Verwaltungsarbeit. Vor diesem Hintergrund bedeutet<br />

„Partizipation“ die Chance und die Aufforderung an die Mitarbeiter das Neue aktiv und<br />

konstruktiv mit zu gestalten, sie verfolgt nicht das Ziel, subjektive Motivationsprobleme zu<br />

lösen.<br />

Im Hinblick auf die „Veränderungsbereitschaft“ betroffener Mitarbeiter darf angenommen<br />

wer<strong>den</strong>, dass in der kommunalen Verwaltung, wie in anderen Organisationen auch, das<br />

Gesetz der Gaußschen Normalverteilung gilt. Dies bedeutet: etwa 15% der Betroffenen<br />

sind grundsätzlich aufgeschlossen <strong>für</strong> Veränderungen, etwa 70% der Betroffenen verhal-<br />

ten sich neutral und abwartend und etwa 15% verhalten sich grundsätzlich ablehnend<br />

gegenüber Veränderungen. Schenken Sie der Gruppe der Ablehnen<strong>den</strong> nicht zu viel<br />

Aufmerksamkeit. Fokussieren Sie ihre Anstrengungen und Ressourcen darauf, die<br />

Gruppen der aufgeschlossenen und neutralen Mitarbeiter <strong>für</strong> <strong>den</strong> Veränderungsprozess<br />

zu gewinnen und zu befähigen. Nur die Gruppe der „Neutralen“ kann überhaupt gewon-<br />

nen wer<strong>den</strong>. Die Mitglieder der Gruppe der „Aufgeschlossenen“ wer<strong>den</strong> schon aufgrund<br />

ihrer persönlichen Prädisposition die Rolle von „Multiplikatoren“ im Veränderungsprozess<br />

annehmen. Die „Gaußsche Normalverteilung“ gilt übrigens <strong>für</strong> alle Phasen des Verände-<br />

rungsprozesses, deshalb sollten Sie nicht überrascht sein, wenn nach dem Projektab-<br />

schluss wiederum ein bestimmter Prozentsatz der Beteiligten, das erreichte Ergebnis<br />

„kritisch“ beurteilt.<br />

Die Ankündigung von anstehen<strong>den</strong> Veränderungsprozessen löst nicht selten Sorgen und<br />

Ängste bei <strong>den</strong> betroffenen Mitarbeitern aus. Dies fördert die Entstehung von Konflikten<br />

und teilweise heftigen emotionalen Reaktionen. Führungskräfte, die es gewohnt sind in<br />

„stabiler Umgebung“ und in der Tradition des „kooperativen Führungsstils“ zu arbeiten,<br />

geraten in dieser Situation sehr schnell in Rollenkonflikte zwischen <strong>den</strong> Extremen „Ko-<br />

operation“ und „Konfrontation“. Es kann deshalb sehr hilfreich und „entlastend“ sein,<br />

wenn zumindest in der Startphase des Veränderungsprojekts die Rolle des „Change<br />

Agents“ bzw. Initiators der Veränderung von einem Außenstehen<strong>den</strong> wahrgenommen<br />

wird.<br />

3.2 Das Phasenmodell der Veränderung<br />

Das in Abbildung 45 dargestellte „Drei Phasen Modell der Veränderung“ stammt aus der sozi-<br />

alpsychologischen Forschung zu Veränderungsprozessen in sozialen Gruppen. Es wurde von<br />

Kurt Lewin bereits in <strong>den</strong> vierziger Jahren des 20ten Jahrhunderts entwickelt und hat sich als<br />

einfaches Schema zur Strukturierung gruppendynamischer Veränderungsprozesse durchge-<br />

setzt.


90 3. Hinweise zum Veränderungsmanagement<br />

einfrieren<br />

Abbildung 45: „Drei-Phasen-Modell“ der Veränderung<br />

Die drei Phasen: „Auftauen“, „Verändern“ und „Einfrieren“ bil<strong>den</strong> einen Rahmen zur Planung<br />

und Durchführung von Veränderungsprozessen in Organisationen. In der folgen<strong>den</strong> Abbildung<br />

46 wer<strong>den</strong> die Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte in <strong>den</strong> drei Phasen in allgemeingültiger<br />

Form skizziert. Wir haben dabei die bei<strong>den</strong> Handlungsebenen „Changemanagement“ und<br />

„Projektmanagement“ unterschie<strong>den</strong>, um die in unserem <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> behandelten Aufga-<br />

ben und Fragestellungen besser in <strong>den</strong> Projekt-Designrahmen des Veränderungsmanage-<br />

ments einordnen zu können. Dies bedeutet aber nicht, dass wir der Auffassung Vorschub leis-<br />

ten möchten, es handele sich hier um zwei getrennte Handlungsfelder oder Bereiche! Selbst-<br />

verständlich müssen in der Praxis die Ziele und Aufgaben des Veränderungsmanagements<br />

mit <strong>den</strong>en des „operativen“ Projektmanagements eng verzahnt und synchronisiert wer<strong>den</strong>. Die<br />

praktische Erfahrung zeigt, dass sehr viele Projekte eben daran scheitern, dass dies nicht in<br />

ausreichendem Maße geschieht. Umgekehrt macht der Sachverhalt deutlich, dass ein erhebli-<br />

cher Qualifikationsbedarf zu Metho<strong>den</strong> und Führungskompetenzen in Veränderungsprojekten<br />

besteht, da „klassische“ Projektmanagementmethodiken dazu tendieren, ein eher „technokra-<br />

tisches“ Verständnis zum Management von Projekten und Projektrisiken zu propagieren, wel-<br />

ches die sogenannten „weichen“ Faktoren entweder ganz ausblendet, als „Kommunikations-<br />

probleme“ verniedlicht oder schlicht in die Verantwortung der „Führung“ „wegdelegiert“, um<br />

sich sogleich auf das Terrain des „Projektmanagements“ zurück zu ziehen. Als ein wesentli-<br />

cher Erfolgsfaktor hat sich ein mit dem „Projektmanagement“ eng verzahntes „Changemana-<br />

gement“ durch da<strong>für</strong> qualifizierte Mitarbeiter oder ggf. externe Berater erwiesen.<br />

Eine umfassende Darstellung der Metho<strong>den</strong> und Techniken in allen Phasen des Verände-<br />

rungsprozesses würde <strong>den</strong> Rahmen dieses <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s sprengen, deshalb sei an dieser<br />

Stelle auf die umfangreiche Fachliteratur zum Thema „Change Management“ verwiesen. 35<br />

35 Zum Beispiel: Schäfer, Frank: Kommunales Change Management, Berlin 2011oder Namokel, Herbert / Dieter Rös-<br />

ner: Change Management. Lexikon, Düsseldorf 2010.<br />

Neue Struktur<br />

Alte Struktur<br />

Veränderungs-<br />

Management<br />

verändern<br />

auftauen


3. Hinweise zum Veränderungsmanagement 91<br />

Change-<br />

Management<br />

Projekt-<br />

Management<br />

Abbildung 46: Inhalte und Aufgaben im "Drei Phasen Modell"<br />

3.3 Prozessorientiertes Veränderungsmanagement<br />

Im Unterschied zu „breit angelegten“, auf die Veränderung der gesamten Organisation zielen-<br />

<strong>den</strong> Veränderungsprojekten, lag dem Vorgehen im Kontext unseres Projektes eine andere<br />

Strategie zugrunde, die wir „prozessorientierte Veränderung“ genannt haben und aus verschie-<br />

<strong>den</strong>en Grün<strong>den</strong> gerne zur Nachahmung empfehlen möchten. Die Vorteile dieser Vorgehens-<br />

weise liegen unseres Erachtens auf der Hand:<br />

Prozessorientierte Veränderungsprojekte sind „politisch“ leichter durchzusetzen, die ge-<br />

plante Veränderung ist begrenzt und löst somit weniger Vorbehalte, Widerstände und<br />

Ängste aus.<br />

In jeder Kommune existieren „notlei<strong>den</strong>de“ Aufgabenbereiche, die aufgrund äußerer oder<br />

interner Faktoren dringend einer Reformierung und Optimierung bedürfen.<br />

Im Rahmen der Studie Effizientes E-Government wur<strong>den</strong> bereits ca. 200 bis 300 kommu-<br />

nale Kernprozesse mit E-Government Potenzial und Standardisierungspotenzial i<strong>den</strong>tifi-<br />

ziert, deren Optimierung mit großer Wahrscheinlichkeit zu „zählbaren“ Erfolgen führen<br />

wird.<br />

„Auftauen“ „Verändern“ „Einfrieren“<br />

• Kontaktaufbau zu Führungskräften • Implementierung des<br />

und Mitarbeitern Change-Projektteams im Fachbereich<br />

• Einbeziehung der Personalvertretung • Vereinbarungen zur Projektstruktur,<br />

• Strategieworkshops: gemeinsames Kommunikation und Dokumentation<br />

Verständnis zu Auslöser und Zielen • Implementierung von<br />

• Qualifikationsmaßnahmen FüKr Schnittstellenzirkeln und KVP-Teams<br />

zu Grundlagen und Methodik • Zielvereinbarungen zu Maßnahmen<br />

• Erste Mitarbeiterworkshops zur<br />

Umsetzung<br />

Information und Einbindung • Begleitung der Maßnahmen-<br />

• Erste Situationsanalyse und Umsetzung durch Coaching und<br />

Sensibilisierung<br />

„Training on the Job“<br />

• Überprüfung von Lernerfolg • Überprüfung der erwarteten<br />

bei Methodik und<br />

Verhaltensänderungen<br />

Führungskompetenzen<br />

und Zielvereinbarungen<br />

• Implementierung des Projektteams<br />

IST-Analyse und <strong>Soll</strong>konzeption<br />

• Erarbeitung des <strong>Soll</strong>-Konzepts<br />

• Diskussion des <strong>Soll</strong>konzepts<br />

in Mitarbeiterworkshops<br />

• Beschluss Stufenkonzept Umsetzung<br />

• Feinkonzeption der ersten<br />

Umsetzungsstufe(-n)<br />

• Schaffung der i-technischen<br />

Voraussetzungen<br />

• Pilotierung und AW-Test Technik<br />

• Einführung <strong>Soll</strong>prozess und Technik<br />

• kontinuierliche Verbesserung<br />

der <strong>Soll</strong>-Arbeitsabläufe<br />

• Change Request Management<br />

• Pflege der Prozessdokumentation<br />

Ein in einem überschaubaren Zeitrahmen und erfolgreich abgeschlossenes Verände-<br />

rungsprojekt im Bereich eines Kerngeschäftsprozesses zeigt auf, dass „Veränderung<br />

machbar“ ist und positive Ergebnisse erzielt wer<strong>den</strong> können.<br />

• Qualifikationsmaßnahmen zur<br />

Vertiefung von Metho<strong>den</strong>- und<br />

Führungskompetenzen<br />

• Coaching und Moderation zur<br />

Anwendung der<br />

Steuerungsinstrumente<br />

• Projektabschluss<br />

• Abschluss von Dienstvereinbarungen<br />

und Dienstanweisungen<br />

zum <strong>Soll</strong>prozess<br />

• Publikation der Projektergebnisse<br />

• Monitoring der<br />

Prozessdurchführung im<br />

Rahmen des GPM<br />

Die im Rahmen der prozessorientierten Veränderung gewonnenen Erfahrungen können<br />

als Blaupause <strong>für</strong> die Veränderung und Optimierung weiterer Kernprozesse dienen.<br />

Die im <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong> behandelten Themen sind aus der Sicht des Veränderungsmanage-<br />

ments samt und sonders der Projektphase „Auftauen“ zuzuordnen. Deshalb möchten wir im


92 3. Hinweise zum Veränderungsmanagement<br />

Folgen<strong>den</strong> auf praxisrelevante Aspekte zum prozessorientierten Veränderungsmanagement in<br />

dieser Phase eingehen:<br />

Der ausgewählte Prozess sollte ausreichendes Optimierungspotenzial bieten<br />

Nutzen Sie dazu unsere „Checkliste Prozessoptimierung“ und die Ergebnisse der Studie<br />

„Effizientes E-Government“<br />

Bereits beim Kontaktaufbau zu <strong>den</strong> prozessverantwortlichen Führungskräften des Fach-<br />

bereichs sollte ein gemeinsames Verständnis zu Auslösern, Zielen und Optimierungs-<br />

ansätzen des Veränderungsprojekts erzielt wer<strong>den</strong> („KO-Kriterium“)<br />

Nutzen Sie das standardisierte <strong>Soll</strong>-Modell des Prozesses aus der Prozessbibliothek als<br />

„Checkliste“ bzw. Diskussionsgrundlage, um eine erste Einschätzung zur IST-Situation<br />

des in Frage kommen<strong>den</strong> Prozesses und über die Einschätzung und das Urteilsvermö-<br />

gen der Führungskräfte dazu zu erhalten.<br />

Beteiligen Sie frühzeitig ihre IT-Experten, um zu erfahren, ob der geplante Optimie-<br />

rungsansatz mit vorhan<strong>den</strong>en technischen Mitteln umsetzbar, oder ob eine Investition<br />

erforderlich ist.<br />

Stellen Sie frühzeitig fest, inwieweit die Personalvertretung zu informieren oder zu betei-<br />

ligen ist und leiten Sie entsprechende Maßnahmen ein.<br />

Beziehen Sie die Führungskräfte und ausgewählte Fachkräfte in die Durchführung des<br />

<strong>Soll</strong>-Ist-Vergleichs ein (Workshop). Geben Sie dabei <strong>den</strong> erforderlichen theoretischen<br />

und methodischen Input, um die Mitarbeiter und Führungskräfte über die zur Optimie-<br />

rung in Betracht kommen<strong>den</strong> Technologien und Organisationsprinzipien und ihre Zu-<br />

sammenhänge zu informieren. Nutzen Sie dabei die „Leitfragen zum <strong>Soll</strong>-Ist-Vergleich<br />

Organisation“ (siehe Abbildung 16) als Checkliste und Moderationsleitfa<strong>den</strong>.<br />

Entwickeln Sie, entsprechend zu der Anzahl der ermittelten Optimierungsansätze ein<br />

schlüssiges Stufenkonzept nach dem Prinzip der „kleinen Pyrami<strong>den</strong>“.<br />

Wenn sich dabei alternative Umsetzungspfade ergeben, lassen Sie <strong>den</strong> Fachbereich<br />

darüber entschei<strong>den</strong>, wie die Umsetzungsstufen zu priorisieren sind. Wenn nicht, erläu-<br />

tern Sie überzeugend, warum es nur einen Umsetzungspfad gibt.<br />

Entwickeln Sie zügig das technische und organisatorische Umsetzungskonzept (Fein-<br />

konzept) zur ersten Umsetzungsstufe.<br />

Fordern Sie parallel dazu die Ausarbeitung des Changemanagement-Konzepts zur Pilo-<br />

tierung und Einführung des <strong>Soll</strong>-Prozesses durch Führungskräfte und ausgewählte Mit-<br />

arbeiter des Fachbereichs ein. Unterstützen Sie dabei bei Bedarf durch fachliche und<br />

methodische Inputs.<br />

E-Government und IT-getriebene Prozessoptimierungsprojekte führen zu erheblichen<br />

Veränderungen der IT-Unterstützung der Prozesse und damit zu einer veränderten Ar-<br />

beitsumgebung <strong>für</strong> die Mitarbeiter. Dies führt in der Regel dazu, dass zum Teil über vie-<br />

le Jahre eingeübte Arbeitsroutinen wegfallen oder stark verändert wer<strong>den</strong> müssen, da-<br />

mit die erwünschte Produktivitätssteigerung eintritt. Die Mitarbeiter wer<strong>den</strong> zwar im Zu-<br />

ge der Produktivsetzung neuer Anwendungen in der Nutzung der neuen IT-Anwendung


3. Hinweise zum Veränderungsmanagement 93<br />

geschult, aber in der Regel mit der Anpassung ihrer Arbeitsroutinen auf der „Mikro-<br />

Ebene“ alleine gelassen.<br />

Darüber hinaus dürfen Sie keineswegs voraussetzen, dass alle Mitarbeiter über eine aus-<br />

reichende Medien- und IT-Anwenderkompetenz verfügen, um <strong>den</strong> erforderlichen Trans-<br />

fer dramatisch erweiterter IT-Funktionen in der Arbeitsumgebung auf die Entwicklung<br />

angemessener Arbeitsroutinen ohne Hilfestellung, ausreichende praktische Einübung<br />

und ohne Transferkontrolle am Arbeitsplatz zu leisten.<br />

Es wäre auch nicht Ziel führend, die Entwicklung angemessener Nutzungsroutinen dem<br />

Zufall, bzw. der Kreativität und der IT-Kompetenz der Mitarbeiter zu überlassen, da sich<br />

alsbald zahlreiche individuelle Abweichungen in der Arbeitsweise einschleichen wür<strong>den</strong>.<br />

Diesem Sachverhalt sollten Sie, zum Beispiel durch geeignete Testverfahren zur Feststel-<br />

lung der aktuell vorhan<strong>den</strong>en Anwenderkompetenz und durch entsprechend ausgestalte-<br />

te Qualifizierungsmaßnahmen, Training on the Job und Qualitätszirkel der Mitarbeiter zur<br />

„kontinuierlichen Verbesserung“ der Arbeitsroutinen im Rahmen des Veränderungsma-<br />

nagements Rechnung tragen.<br />

Wir empfehlen Ihnen einen „Maßnahmenplan Veränderungsmanagement“ zu erstellen, der das<br />

„Stufenkonzept“ (siehe Kapitel C. Stufenkonzept) zur Umsetzung der geplanten Lösung er-<br />

gänzt und aus dem klar hervorgeht, welche Projekt begleiten<strong>den</strong> Aktivitäten im Veränderungs-<br />

management in welcher Umsetzungsstufe durchgeführt wer<strong>den</strong>. Der Maßnahmenplan zum<br />

Veränderungsmanagement enthält die vier Handlungsebenen: „Kommunikation“, „Qualifizie-<br />

rung“, „Einbindung“ und „Vereinbarung“. Berücksichtigen Sie bei ihrer Planung, dass alle Hand-<br />

lungsebenen in jeder Phase des Veränderungsprozesses und in jeder Umsetzungsstufe ihres<br />

<strong>Soll</strong>konzepts mit Inhalt zu füllen sind, um ein schlüssiges und nachhaltiges Konzept zum Ver-<br />

änderungsmanagement zu erstellen! Nutzen Sie zur Entwicklung ihrer „Change-Konzeption“<br />

das in der folgen<strong>den</strong> Abbildung dargestellte Planungsschema:<br />

Maßnahmeplan<br />

Veränderungsmanagement<br />

Initialisierung Umsetzung<br />

Stufe 1<br />

Handlungsebene Maßnahmen<br />

Kommunikation<br />

Qualifizierung<br />

Einbindung<br />

Vereinbarung<br />

Umsetzung<br />

Stufe 2<br />

Abbildung 47: Planungsschema Veränderungsmanagement<br />

Umsetzung<br />

Stufe x<br />

Wir wünschen Ihnen nun viel Erfolg bei der Anwendung des <strong>Praxisleitfa<strong>den</strong></strong>s in ihrer Kommune!<br />

Harald Schumacher Dezember 2010<br />

Gunter Rückziegel<br />

b.i.t.consult GmbH<br />

Seeheim

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