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Gesundheits Magazin
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GIE<br />
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wollen, erweisen sich schon diese knapp zehn Sekunden als<br />
viel zu lang. Deshalb nehmen wir nur den Moment des Starts<br />
und stellen uns die Frage: „Warum rennen plötzlich alle los?“<br />
Naturwissenschaftlich kommen nur aus der Vergangenheit<br />
auf die Gegenwart wirkende, reproduzierbare, d.h. immer<br />
wieder genauso auffi ndbare und ablaufende Ursachen in<br />
Frage. Wir erkennen den Startschuss der Startpistole als<br />
gültige Antwort und Ursache. Ein Geisteswissenschaftler<br />
und der fi nalen Ursache Verpfl ichteter würde allerdings ganz<br />
anders antworten und sagen: „Sie rennen alle los um die<br />
Goldmedaille zu gewinnen“. Hier liegt das Ziel in der Zukunft.<br />
Auch wenn der Startschuss nicht unwichtig ist, wirkt diese<br />
Erklärung irgendwie für den Normalbürger überzeugender.<br />
Dass keiner der Läufer ein Moped benutzt und alle schön in<br />
ihren Bahnen bleiben, hat mit Regeln zu tun, und zwar der<br />
Formursache oder auch Causa formalis. Die Materialursache,<br />
die in der Tartanbahn und den Muskeln der Athleten zum<br />
Ausdruck kommt, ist unbestritten.<br />
Keine der vier Ursachen entwertet die drei anderen, jede<br />
ist auf ihre Art wichtig, wobei die fi nale Sinnursache am<br />
plausibelsten ist. Genauso ist es bei der Krankheitsbilder-<br />
Deutung. Diese stellt keinesfalls die schulmedizinische Causa<br />
effi ziens (Wirkursache) in Abrede, aber sie ist als Sinnur-<br />
sache einfach plausibler, weshalb sich dieser Ansatz auch<br />
über die Patienten durchgesetzt hat und erst viel später<br />
Eingang in Heilpraktiker- und noch viel später in Ärzteausbil-<br />
dungen fand. Er bringt alle vier Ursachen wieder zusammen<br />
und will keine der anderen entwerten. So ist hier auch das<br />
Lebensmuster des Patienten wichtig und die betroffenen<br />
Lebens- oder Urprinzipien im Sinne der Causa formalis und<br />
selbstverständlich auch Anatomie und Physiologie als Causa<br />
materialis (Stoffursache). Erst auf diese Weise entsteht ein<br />
umfassendes Verständnis der Krankheitssituation und es<br />
wird ganzheitliche Medizin möglich.<br />
Das andere Extrem der Schulmedizin, welches sich auf eine<br />
Ursache beschränkt und dann noch weiter spezialisiert, führt<br />
zu Ausdrücken wie der „Niere von Zimmer 14“. Dahinter ver-<br />
birgt sich eine den ganzen Menschen ignorierende und oft<br />
sogar verachtende Haltung.<br />
Wahrscheinlich hatte Aristoteles gar nicht im Sinn, das<br />
Denken so aufzuspalten, wie es viel später in modernen<br />
Zeiten geschah. In der erst deutlich später geistig geborenen<br />
Idee der Universität blitzte auch noch das Verbindende und<br />
Gemeinsamkeiten-Suchende auf. Hier sollten Forscher in der<br />
Vielfalt und Verschiedenheit ihrer Gebiete beziehungsweise<br />
Fakultäten („versi“) nach Wissen suchen, das sie gleichsam<br />
in der Mitte zusammenbringen sollten um das eine verbin-<br />
dende („uni“), zu Weisheit Führende zu fi nden. Man könnte<br />
sich das grafi sch gut wie eine Torte vorstellen, deren Stücke<br />
alle die Mitte berühren, deren Basis aber draußen in der Peri-<br />
pherie liegt. Aber diese Idee ging rasch wieder verloren und<br />
heute gehen Studenten eher auf die „Versi“ als auf die „Uni“<br />
auch wenn sie es noch richtig sagen.<br />
Die Faszination der Aufspaltung in Einzelbereiche und der<br />
Spezialisierung in all diesen Bereichen, die das Denken<br />
einschloss, war so groß, dass die Fakultäten immer mehr<br />
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