Die lokale Anwendung von Tranexamsäure in der HNO - St. Barbara ...
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<strong>HNO</strong>-Praxis<br />
<strong>HNO</strong> 2012 · 60:1014–1018<br />
DOI 10.1007/s00106-012-2528-8<br />
Onl<strong>in</strong>e publiziert: 7. Juli 2012<br />
© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 2012<br />
Redaktion<br />
E. Bies<strong>in</strong>ger, Traunste<strong>in</strong><br />
<strong>Die</strong> <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong><br />
(Cyclokapron®) trifft <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
auf zunehmendes Interesse <strong>in</strong> den<br />
verschiedenen chirurgischen Diszipl<strong>in</strong>en.<br />
Seit <strong>der</strong> Erstbeschreibung im Jahr 1964<br />
wurde <strong>Tranexamsäure</strong> zunächst <strong>in</strong> den<br />
1970er-Jahren vornehmlich im systemischen<br />
Gebrauch zur Therapie schwererer<br />
Blutungen e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Zusammen mit <strong>der</strong> ε-Am<strong>in</strong>ocapronsäure<br />
gehört die <strong>Tranexamsäure</strong> (chemische<br />
Summenformel C8H15NO2) zu den antifibr<strong>in</strong>olytischen<br />
Substanzen. Sie ist e<strong>in</strong><br />
synthetischer <strong>St</strong>off, <strong>der</strong> dem Lys<strong>in</strong> ähnelt.<br />
Ihre Wirkung steht am Ende <strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>nungskaskade<br />
und bewirkt e<strong>in</strong>e <strong>St</strong>abilisierung<br />
des Fibr<strong>in</strong>s. Der Wirkungsmechanismus<br />
beruht auf e<strong>in</strong>er Komplexbildung<br />
mit Plasm<strong>in</strong>ogen (Blockierung <strong>der</strong> Lys<strong>in</strong>rezeptoren),<br />
dessen B<strong>in</strong>dung an die Fibr<strong>in</strong>oberfläche<br />
gehemmt wird. Das ist jedoch<br />
e<strong>in</strong>e Voraussetzung für die Aktivierung<br />
<strong>von</strong> Plasm<strong>in</strong>ogen zu Plasm<strong>in</strong>, welches<br />
man bildlich auch als Fibr<strong>in</strong>schere<br />
im Ger<strong>in</strong>nungssystem bezeichnen kann.<br />
Im Vergleich mit <strong>der</strong> ε-Am<strong>in</strong>ocapronsäure<br />
besitzt die <strong>Tranexamsäure</strong> e<strong>in</strong>e 10-fach<br />
höhere antifibr<strong>in</strong>olytische Aktivität und<br />
die Wirkung hält länger an.<br />
<strong>Die</strong> Zufuhr <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong> kann<br />
peroral, <strong>in</strong>travenös o<strong>der</strong> lokal erfolgen.<br />
Vor allem die <strong>in</strong>travenöse Gabe ist <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> das Zentrum des<br />
Interesses gerückt, nachdem sich gezeigt<br />
hat, dass die frühzeitige <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Tranexamsäure</strong> bei Schädel-Hirn-Verletzungen<br />
die Überlebensrate deutlich<br />
bessert. <strong>Die</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> weltweiten<br />
CRASH-2-<strong>St</strong>udie [6] waren <strong>der</strong>art über-<br />
1014 | <strong>HNO</strong> 11 · 2012<br />
J. Abrams<br />
Belegabteilung für <strong>HNO</strong>-Heilkunde, Kopf-und Halschirurgie,<br />
Plastische Operationen, Endokr<strong>in</strong>e Halschirurgie, <strong>St</strong>.-<strong>Barbara</strong>-Kl<strong>in</strong>ik, Hamm<br />
<strong>Die</strong> <strong>lokale</strong> <strong>Anwendung</strong><br />
<strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>HNO</strong>-Chirurgie<br />
zeugend, dass im März 2011 vorgeschlagen<br />
wurde, die <strong>Tranexamsäure</strong> auf die WHO-<br />
Liste <strong>der</strong> essenziellen Medikamente zu<br />
setzen (18th Expert Committee Meet<strong>in</strong>g<br />
<strong>in</strong> Accra, Ghana, 21.–25.03.11, Section 10:<br />
Medic<strong>in</strong>es affect<strong>in</strong>g the blood).<br />
Neben <strong>der</strong> <strong>Anwendung</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühtherapie<br />
<strong>der</strong> Schädel-Hirn-Verletzungen<br />
und bei stark blutenden Traumapatienten<br />
ergeben sich weitere Indikationen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gynäkologie bei starken Menstruationsblutungen<br />
und bei persistierenden<br />
Blutungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geburtshilfe. Daneben<br />
werden positive Wirkungen beim hereditären<br />
Angioödem und <strong>der</strong> Hämophilie<br />
beschrieben.<br />
Es gibt nur wenige Nebenwirkungen<br />
<strong>der</strong> systemischen <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong>,<br />
und <strong>der</strong>en Häufigkeit ist selten.<br />
Beschrieben s<strong>in</strong>d Schw<strong>in</strong>del, Übelkeit, Erbrechen,<br />
Kopfschmerzen und bei längerer<br />
<strong>Anwendung</strong> e<strong>in</strong>e <strong>St</strong>örung des Farbensehens.<br />
Auch die zu befürchtenden thromboembolischen<br />
Komplikationen treten<br />
eher selten auf.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Risiko-Nutzen-Abwägung<br />
<strong>der</strong> sog. Bridg<strong>in</strong>g-Therapie,<br />
d. h. <strong>der</strong> Normalisierung <strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>nung<br />
vor chirurgischen E<strong>in</strong>griffen bei Patienten<br />
mit Antikoagulanzientherapie,<br />
hat sich das Interesse <strong>in</strong> <strong>der</strong> zahnmediz<strong>in</strong>ischen<br />
Literatur <strong>der</strong> letzten Jahre <strong>der</strong> <strong>lokale</strong><br />
<strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong> im<br />
zahnärztlichen Fachgebiet zugewandt [2,<br />
3, 4, 7, 11, 13]. <strong>Die</strong> Arzneimittelkommission<br />
<strong>der</strong> Zahnärzte veröffentlichte kürzlich<br />
im Zahnärzteblatt e<strong>in</strong>e Empfehlung<br />
zur <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong> bei<br />
Patienten mit Antikoagulanzientherapie<br />
[10]. Danach wird die <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Tranexamsäure</strong> als Mundspüllösung empfohlen,<br />
um Nachblutungen nach zahnmediz<strong>in</strong>isch-chirurgischen<br />
E<strong>in</strong>griffen bei Patienten<br />
unter ger<strong>in</strong>nungshemmen<strong>der</strong> Medikation<br />
zu vermeiden. Beschrieben wird<br />
die Mundspülung mit 10 ml e<strong>in</strong>er 5%igen<br />
<strong>Tranexamsäure</strong>lösung, mit <strong>der</strong>en <strong>Anwendung</strong><br />
unmittelbar nach <strong>der</strong> Zahnextraktion<br />
begonnen werden sollte. Dadurch<br />
kann bei vielen Patienten mit Herzklappenersatz,<br />
Vorhofflimmern sowie bei<br />
<strong>der</strong> sekundären Prophylaxe <strong>von</strong> venösen<br />
Thrombosen o<strong>der</strong> Lungenembolien auf<br />
die bisher übliche risikobehaftete Pausierung<br />
bei oraler Antikoagulation verzichtet<br />
werden.<br />
Ausgehend <strong>von</strong> diesen Ergebnissen haben<br />
wir uns <strong>in</strong> den letzten Jahren mit <strong>der</strong><br />
<strong>lokale</strong>n <strong>Anwendung</strong> <strong>von</strong> <strong>Tranexamsäure</strong><br />
zur Vermeidung <strong>von</strong> Blutungen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> <strong>HNO</strong>-Chirurgie beschäftigt. Im<br />
Folgenden beschreiben wir unsere Erfahrungen<br />
bei verschiedenen <strong>Anwendung</strong>en<br />
und referieren über die bisher erschienene<br />
Literatur.<br />
Tonsillektomie<br />
E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> großen Probleme <strong>der</strong> Tonsillektomie<br />
ist das Risiko <strong>der</strong> Nachblutung,<br />
wobei zwischen Frühnachblutungen etwa<br />
48 h nach dem E<strong>in</strong>griff und Spätnachblutungen<br />
im Zeitraum <strong>von</strong> 7–10 Tagen nach<br />
<strong>der</strong> Operation unterschieden wird. Während<br />
die Frühnachblutungen im Wesentlichen<br />
auf e<strong>in</strong>e nicht ausreichende <strong>in</strong>traoperative<br />
Blutstillung bzw. e<strong>in</strong>e mangelhafte<br />
Operationstechnik zurückgeführt