3. Auflage 2012 - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...
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Promille-Killer<br />
Immer wieder werden sog. „Promille-Killer“ angepriesen. Sie suggerieren die Möglichkeit, trotz erheblichem<br />
<strong>Alkohol</strong>konsum keine körperlichen Beeinträchtigungen, insbesondere keine Beeinträchtigungen<br />
be<strong>im</strong> Führen von Kraftfahrzeugen <strong>und</strong> bei Polizeikontrollen erfahren zu müssen. Hiervor ist ausdrücklich<br />
zu warnen. Es handelt sich dabei um Kapseln, Pulver oder L<strong>im</strong>onaden, die als sog. Nahrungsergänzungsmittel<br />
lebensmittelrechtlich zugelassen <strong>und</strong> von den Herstellern damit beworben werden, sie könnten den<br />
<strong>Alkohol</strong>abbau <strong>im</strong> menschlichen Körper spürbar beschleunigen, also schneller wieder „nüchtern“ machen<br />
oder - wenn man sie vor Trinkbeginn zu sich n<strong>im</strong>mt - von vornherein verhindern, dass ein Teil des <strong>Alkohol</strong>s<br />
überhaupt in das Blut gelangt.<br />
Diese L<strong>im</strong>onaden oder Pulverpräparate enthalten als Hauptkomponente Fructose (Fruchtzucker) in sehr<br />
hoher Konzentration zusammen mit Ascorbinsäure (Vitamin C), die L<strong>im</strong>onaden oftmals auch Chinin.<br />
Eine beschleunigte Absenkung des <strong>Alkohol</strong>spiegels ist bislang bei keinem dieser Produkte wissenschaftlich<br />
nachgewiesen worden. Das würde nach dem Vorgesagten eine Beeinflussung des körpereigenen ADH- oder<br />
MEO-Systems voraussetzen, die jedoch weder bislang exper<strong>im</strong>entell nachzuweisen, noch biochemisch zu<br />
begründen ist. Läge sie vor, würden die Präparate zudem unter das Arzne<strong>im</strong>ittelgesetz fallen.<br />
Die vermeintlich ernüchternde Wirkung bzw. der gefährliche Irrglaube, man vertrage nach der Einnahme<br />
derartiger Mittel viel mehr als sonst <strong>und</strong> dürfe deshalb auch mehr trinken, ohne deswegen fahruntauglich zu<br />
werden, beruht lediglich auf einer Verzögerung der Resorption bzw. auf Verdünnungseffekten, die zu einer<br />
Abflachung der BAK-Kurve <strong>und</strong> damit zu einer subjektiv falschen Einschätzung der tatsächlichen <strong>Alkohol</strong>isierung<br />
führen. Da<strong>gegen</strong> können derartige Präparate wegen des hohen Zuckeranteils neben Durchfall,<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Brechreiz, bei erheblichen Konsummengen sogar kollapsähnliche Symptome verursachen.<br />
Vor ihrem Gebrauch kann also nur nachdrücklich gewarnt werden, zumal eine möglicherweise gewünschte<br />
Steigerung der subjektiven <strong>Alkohol</strong>verträglichkeit (die mit keiner Steigerung der objektiven Fahrtauglichkeit<br />
einhergeht!) auch durch fetthaltige Speisen, dann jedoch ohne schädliche Nebenwirkungen, erzielt<br />
werden kann (vgl. oben).<br />
Auch starker Kaffee, Tee oder Kälte (frische Luft, kalte Dusche) machen nicht „nüchtern“, sondern lediglich<br />
„wach“, zumindest gelingt es noch vorhandene Leistungsreserven kurzfristig zu mobilisieren. Da dieser<br />
Effekt jedoch nicht nur sehr kurz, sondern vor allem nicht in seiner Dauer vorhersehbar anhält, kommt<br />
es <strong>im</strong>mer wieder weit vor Ende einer Pkw-Fahrt zu Erschöpfungszuständen <strong>und</strong> z.B. Kurzschlafperioden<br />
mit entsprechend gefährlichen Auswirkungen.<br />
<strong>Alkohol</strong>abhängigkeit <strong>und</strong> -missbrauch<br />
Allgemeine Schätzungen auf der Gr<strong>und</strong>lage der <strong>B<strong>und</strong></strong>esstudie von 1997 (Kraus & Bauernfeind, 1998) 3 <strong>und</strong><br />
der Lübecker TACOS-Studie4 gehen von etwa 1,6 Millionen Personen mit einer nach DSM-IV5 innerhalb der<br />
letzten 12 Monate ermittelten <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit aus. Die Schätzung für DSM-IV-Missbrauchsdiagnosen<br />
ergibt etwa 2,7 Millionen Personen, so dass insgesamt bei etwa 4,3 Millionen Personen in Deutschland eine<br />
akute <strong>Alkohol</strong>abhängigkeit oder ein <strong>Alkohol</strong>missbrauch vorliegt. Das sind r<strong>und</strong> 5 % der Bevölkerung.<br />
3 Ludwig Kraus, Rita Bauernfeind, Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoaktiver Substanzen bei<br />
Erwachsenen in Deutschland 1997 in: SUCHT – Zeitschrift für Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis, 44. Jahrgang –<br />
Sonderheft 1 – September 1998, Neuland Verlagsgesellschaft mbH, ISSN 0939-5911<br />
4 Meyer C, Rumpf HJ, Hapke U, Dilling H, John U (2000) Lebenszeitprävalenz psychischer Störungen in der<br />
erwachsenen Allgemeinbevölkerung: Ergebnisse der TACOS Studie. Nervenarzt 71: 535-542<br />
5 Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders - Fourth Edition