0,00 Promille - BADS (Bund gegen Alkohol und Drogen im ...
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D.O. Bönke<br />
Ministerialrat<br />
<strong>B<strong>und</strong></strong>esministerium der Justiz<br />
Symposium des B.A.D.S. zum Thema<br />
„0,<strong>00</strong> <strong>Promille</strong> am Steuer“<br />
Wissenschaftliche Ergebnisse <strong>im</strong> Für <strong>und</strong> Wider von Experten<br />
Sehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren,<br />
in Leipzig am 8. Juni 2012<br />
Der Titel unseres Symposiums überrascht: „0,<strong>00</strong> <strong>Promille</strong>“ heißt es dort,<br />
also mit der Null gleich zwei Stellen hinterm Komma. Dies ist, das wissen<br />
natürlich auch die Veranstalter, bereits naturwissenschaftlich <strong>und</strong> mess-<br />
technisch unerreichbar <strong>und</strong> soll offensichtlich signalisieren, dass <strong>Alkohol</strong><br />
<strong>und</strong> Fahren unvereinbar sind.<br />
Es ist zutreffend: Das Fahren unter <strong>Alkohol</strong>einfluss ist eine höchst ge-<br />
fährliche Verhaltensweise. Die <strong>B<strong>und</strong></strong>esregierung, der Gesetzgeber, die<br />
Rechtsprechung <strong>und</strong> die Verkehrssicherheitsorganisationen bemühen<br />
sich daher seit langem um eine wirksame Bekämpfung dieses Problems<br />
<strong>und</strong> dies mit Erfolg:<br />
Die Entwicklung der <strong>Alkohol</strong>unfälle <strong>im</strong> Straßenverkehr ist seit Jahr-<br />
zehnten positiv. Seit 1975 liegen für Deutschland Daten zu <strong>Alkohol</strong>unfäl-<br />
len mit Personenschaden vor. Mit gewissen Schwankungen sind die Un-<br />
fälle kontinuierlich bis zum Jahr 2010 gesunken. Insgesamt verringerte<br />
sich die Zahl der <strong>Alkohol</strong>unfälle mit Personenschaden seit 1975 von über<br />
50.<strong>00</strong>0 auf weniger als 15.<strong>00</strong>0 <strong>im</strong> Jahre 2010. Die Zahl der bei Alkoho-<br />
lunfällen getöteten Personen sank von 1975 bis 2010 von damals 3.641<br />
auf 342 Personen.
- 2 -<br />
Auch die Entwicklung der <strong>Promille</strong>grenzen verfolgt einen kontinuierli-<br />
chen Abwärtstrend:<br />
Es ist zwischen gesetzlich normierten (§ 24a Absatz 1 StVG) <strong>und</strong> sol-<br />
chen Grenzwerten zu unterscheiden, die durch die Rechtsprechung fest-<br />
gelegt wurden (§§ 315c, 316 StGB). Im Strafgesetzbuch werden keine<br />
Grenzwerte normiert. Der Begriff der Fahrunsicherheit wurde durch die<br />
Rechtsprechung ausgefüllt, wobei die Entwicklung in drei Etappen ver-<br />
lief 1 :<br />
In einer Gr<strong>und</strong>satzentscheidung des BGH von 1953 wurde absolute<br />
Fahrunsicherheit des Kraftfahrers ab einem Wert von 1,5 <strong>Promille</strong> an-<br />
genommen 2 . 1966 hat der BGH bei Zugr<strong>und</strong>elegung des Gutachtens des<br />
<strong>B<strong>und</strong></strong>esges<strong>und</strong>heitsamtes den Grenzwert für Kraftfahrer auf 1,3 <strong>Promille</strong><br />
herabgesetzt. Mit seiner „Pionier“- Entscheidung vom 28. Juni 1990 setz-<br />
te er den Grenzwert für die absolute Fahrunsicherheit auf 1,1 <strong>Promille</strong><br />
fest 3 .<br />
Auch <strong>im</strong> Rahmen der Ordnungswidrigkeit verlief die Entwicklung in drei<br />
Stufen: 1973 wurde die 0,8-<strong>Promille</strong>-Regelung gesetzlich eingeführt.<br />
Dann <strong>im</strong> Jahre 1998 gab es einen ersten zögerlichen Schritt in Richtung<br />
0,5-<strong>Promille</strong>-Regelung – zunächst unter Beibehaltung der 0,8 <strong>Promille</strong>-<br />
grenze - mit einer abgestuften Sanktion. Im Jahre 2<strong>00</strong>1 wurde dann die<br />
0,8-<strong>Promille</strong>-Regelung ganz gestrichen.<br />
Der Rückblick zeigt, dass die <strong>Promille</strong>grenzen <strong>im</strong> Laufe der Jahre stän-<br />
dig verschärft wurden. Was läge also näher als in einem weiteren Schritt<br />
1 vgl. König LK, 11. Auflage, § 316, Anmerkung 59 f.<br />
2 BGHSt 5, 168<br />
3 BGHSt 37, 89
- 3 -<br />
die 0,5-<strong>Promille</strong>-Regelung zu beseitigen <strong>und</strong> sie durch ein absolutes Al-<br />
koholverbot <strong>im</strong> Straßenverkehr zu ersetzen?<br />
Es würde zweifellos ein klares Signal an die Verkehrsteilnehmer sein,<br />
dass <strong>Alkohol</strong> <strong>im</strong> Straßenverkehr nicht geduldet wird. Es würde auch die<br />
<strong>Promille</strong>-Arithmetik entschärfen, die dazu auch dadurch noch komplizier-<br />
ter wird, dass unterhalb der 0,5-<strong>Promille</strong>-Regelung <strong>im</strong> Bereich des Straf-<br />
rechts die 0,3-<strong>Promille</strong>-Grenze für relative Fahrunsicherheit anerkannt<br />
ist.<br />
Hat denn der Gesetzgeber nicht selber dokumentiert, dass der Weg ei-<br />
ner weiteren Reduzierung durchaus machbar <strong>und</strong> nur konsequent wäre?<br />
Hat er nicht ein absolutes <strong>Drogen</strong>verbot in § 24a Abs. 2 StVG normiert<br />
<strong>und</strong> auch den <strong>Alkohol</strong> bei jungen Fahrern in § 24c StVG komplett unter-<br />
sagt?<br />
Die Gretchenfrage ist: Warum machen wir nicht endlich Schluss mit dem<br />
komplizierten gesetzgeberischen Instrumentarium <strong>im</strong> Bereich des Alko-<br />
hols <strong>im</strong> Straßenverkehr <strong>und</strong> setzen die Grenze für alle auf „Null“?<br />
Dafür gibt es ein ganzes Bündel von Antworten, die ich <strong>im</strong> Folgenden in<br />
der gebotenen Kürze ansprechen möchte:<br />
1. Eine Null-<strong>Promille</strong>-Regelung wäre gesetzestechnisch nicht realisier-<br />
bar, weil geringe endogene <strong>Alkohol</strong>werte <strong>und</strong> <strong>Alkohol</strong>werte, die auf-<br />
gr<strong>und</strong> von Nahrungsmittelkonsum entstehen, <strong>und</strong> hinzu noch Messtol-<br />
leranzen berücksichtigt werden müssten. De facto käme demnach al-<br />
lenfalls eine 0,15- oder 0,2-Regelung in Betracht.
- 4 -<br />
2. Nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis können BAK ab 0,3<br />
<strong>Promille</strong> Beeinträchtigungen der Fahrsicherheit bewirken. Derartige<br />
Erkenntnisse existieren für niedrigere Werte nicht. Ein bußgeldbewehr-<br />
ter Gefahrengrenzwert bedarf aber einer besonderen Begründung,<br />
weil er eine Sanktion unabhängig von persönlichen <strong>und</strong> situativen Ge-<br />
gebenheiten vorsieht. In seiner Entscheidung zum absoluten <strong>Drogen</strong>-<br />
verbot hat das <strong>B<strong>und</strong></strong>esverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht,<br />
dass eine bußgeldrechtliche Ahndung nur dann mit dem Gr<strong>und</strong>recht<br />
der Handlungsfreiheit vereinbar ist, wenn es zumindest möglich er-<br />
scheint, dass die Fahrsicherheit des Kraftfahrzeugführers einge-<br />
schränkt ist. Von einer Null-<strong>Promille</strong>-Regelung würde aber ein Spekt-<br />
rum von Handlungen erfasst, die abstrakt völlig ungefährlich sind.<br />
3. Erhebliche Unfallrisiken gehen nicht von den Betroffenen mit geringen,<br />
sondern von Fahrern aus, die sich mit hohen <strong>Promille</strong>werten hinter das<br />
Steuer setzen. Bei Verkehrsunfällen hatten 71 % der Fahrer einen<br />
BAK-Wert von mindestens 1,1 <strong>Promille</strong>, mehr als 20 % hatten sogar<br />
einen <strong>Alkohol</strong>gehalt von mehr als 2,0 <strong>Promille</strong>.<br />
4. Eine Null-<strong>Promille</strong>-Regelung wäre kaum überwachbar. Wenn jede<br />
noch so geringe <strong>Alkohol</strong>beeinflussung den Bußgeldtatbestand verwirk-<br />
licht, würde die Dunkelziffer ins Unermessliche steigen. Dies hätte ei-<br />
ne Überforderung der personellen Ressourcen zur Folge <strong>und</strong> würde<br />
mit einem Rückgang der dringend erforderlichen Kontrolle der Risiko-<br />
gruppe stark alkoholisierter Fahrer einhergehen. Ein Normbefehl, der<br />
nicht durchgesetzt werden kann, wird auch nicht ernst genommen <strong>und</strong><br />
würde <strong>im</strong> Ergebnis zur Erosion der <strong>Alkohol</strong>prävention führen.<br />
5. In der Europäischen Union hat die Mehrheit der Mitgliedstaaten (18)<br />
eine <strong>Promille</strong>-Regelung von 0,5 <strong>und</strong> darüber. Im Jahre 2<strong>00</strong>1 hat die
- 5 -<br />
EU-Kommission eine nicht verbindliche Empfehlung erlassen, nach<br />
der 0,5 <strong>Promille</strong> für alle Kraftfahrer <strong>und</strong> 0,2 <strong>Promille</strong> für junge Kraftfah-<br />
rer in den Mitgliedstaaten vorgesehen werden sollen. Dies entspricht<br />
der Gesetzeslage in Deutschland. Es ist weder ein Trend in Richtung<br />
einer niedrigeren <strong>Promille</strong>grenze in der EU zu erkennen, noch gibt es<br />
eine entsprechende Empfehlung. In der Mitteilung der Kommission an<br />
den Rat zur Verkehrssicherheit von 2010 4 ist in keinem der sieben Zie-<br />
le, die für die laufende Dekade benannt wurden, eine Absenkung der<br />
<strong>Promille</strong>grenze vorgesehen.<br />
6. Es ist zu bezweifeln, dass bei einem gesetzlichen Grenzwert von bei-<br />
spielsweise 0,2 <strong>Promille</strong> die erhoffte „Signalwirkung“ eines absoluten<br />
Verbots eintreten würde. Mit der „Signalwirkung“ ist die Erwartung ver-<br />
b<strong>und</strong>en, dass die Sanktionierung geringer <strong>Alkohol</strong>konzentrationen das<br />
Auftreten hoher <strong>Alkohol</strong>konzentrationen verringert (Warnschusstheo-<br />
rie). Dies lässt sich empirisch aber nicht belegen. Abgesehen davon<br />
kann allein die „Signalwirkung“ das Bedürfnis einer Herabsetzung des<br />
<strong>Promille</strong>grenzwertes verfassungsrechtlich nicht legit<strong>im</strong>ieren.<br />
Es ist auch niemandem damit geholfen, dass – wie der B.A.D.S. das<br />
vorschlägt – nicht ein konkreter Grenzwert normiert würde sondern wie<br />
<strong>im</strong> Falle von § 24 c StVG verboten wird, ein KFZ „unter der Wirkung“<br />
von <strong>Alkohol</strong> zu führen. In der Begründung zu § 24c StVG steht ja aus-<br />
drücklich, was damit gemeint ist: nämlich 0,2 <strong>Promille</strong>! Es wäre daher<br />
eine neue Grenze, die bei den Verkehrsteilnehmern ebenso schnell<br />
bekannt würde wie die Toleranzen bei der Geschwindigkeitskontrolle.<br />
Und was für ein Fortschritt wäre damit verb<strong>und</strong>en? Gegenüber der gel-<br />
tenden 0,3 <strong>Promille</strong>-Grenze <strong>im</strong> Strafrecht wäre es ein Zugewinn von<br />
4 „Mitteilung der Kommission an den Rat Ein Europäischer Raum der Verkehrssicherheit: Leitlinien für<br />
die Politik <strong>im</strong> Bereich der Straßenverkehrssicherheit 2011 -2020“ (KOM 2010) 389 engültig
- 6 -<br />
gerade mal 0,1 <strong>Promille</strong>. Ein „Ruck“ bei der Einstellung der Verkehrs-<br />
teilnehmer wäre damit kaum verb<strong>und</strong>en.<br />
7. Nun wurde allerdings mit § 24c StVG ein absolutes <strong>Alkohol</strong>verbot bei<br />
Fahranfängern eingeführt <strong>und</strong> die Befürworter einer generellen Null-<br />
<strong>Promille</strong>-Regelung weisen zu Recht nicht nur auf den Erfolg dieser<br />
Maßnahme (die Trunkenheitsfahrten in dieser Gruppe sind signifikant<br />
zurückgegangen), sondern auch darauf hin, dass der Gesetzgeber bei<br />
diesem Verbot keine rechtlichen Bedenken gehabt hat. Indes ist hier<br />
zu berücksichtigen, dass bei dieser Zielgruppe das Anfängerrisiko (ge-<br />
ring ausgeprägte Wahrnehmungsstrategien <strong>und</strong> fehlende Automatis-<br />
men der Fahrzeugbeherrschung) sowie bei den jungen Fahranfängern<br />
zusätzlich entwicklungsbedingte Besonderheiten („Jugendlichkeitsrisi-<br />
ko“) zu Buche schlagen. Nur durch diese Kombination besonderer Ri-<br />
sikofaktoren (Anfängerrisiko, Jugendlichkeitsrisiko <strong>und</strong> Unfallrisiko) ist<br />
das weitgehende <strong>Alkohol</strong>verbot hier gerechtfertigt. Es kann daher nicht<br />
als Modell für ein absolutes <strong>Alkohol</strong>verbot bei den übrigen Verkehrs-<br />
teilnehmern dienen.<br />
8. Auch das absolute <strong>Drogen</strong>verbot des § 24a Abs. 2 StVG kann nicht<br />
Vorbild für ein <strong>Alkohol</strong>verbot sein. Bei den <strong>Drogen</strong> musste sich der<br />
Gesetzgeber zwangsläufig mit dieser Konstruktion behelfen, weil hier<br />
anders als be<strong>im</strong> <strong>Alkohol</strong> Grenzwerte nicht best<strong>im</strong>mt werden können,<br />
ab denen es abstrakt gefährlich ist ein Kraftfahrzeug zu führen. Dosis-<br />
Wirkungs-Beziehungen lassen sich derzeit noch nicht wissenschaftlich<br />
begründen. Be<strong>im</strong> <strong>Alkohol</strong> kann aber aufgr<strong>und</strong> langjähriger Forschung<br />
auf diesem Gebiet differenziert werden, ab wann eine Gefahr für den<br />
Straßenverkehr eintritt. Es hieße nun das Pferd von hinten aufzäumen,<br />
wollte man das über Bord werfen.
- 7 -<br />
Es wäre darüber hinaus auch verfassungsrechtlich problematisch: Der<br />
Gesetzgeber muss sich nämlich bei abstrakten Gefährdungsdelikten -<br />
also bei Normen, bei denen nicht einmal der Gegenbeweis zulässig<br />
ist, dass das verbotene Verhalten ungefährlich ist - fragen lassen, ob<br />
sein Verbot verhältnismäßig ist. 5 Zum einen geht es um das geschütz-<br />
te Rechtsgut <strong>und</strong> den Rang, den es in der Verfassung einn<strong>im</strong>mt. Zum<br />
anderen um die Frage, wie groß denn die Wahrscheinlichkeit ist, dass<br />
durch das verbotene Verhalten, also aus der abstrakten Gefahrensitu-<br />
ation, tatsächlich eine Verletzung des geschützten Rechtsguts entste-<br />
hen kann. Die Messlatte ist hier sicher nicht besonders hoch anzule-<br />
gen ist, sind doch die genannten Rechtsgüter Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leben<br />
anderer Verkehrsteilnehmer von hohem Rang. Indes: wenn die verbo-<br />
tene Handlung gar nicht geeignet ist, eine Verletzung herbeizuführen,<br />
stößt ein derartiger Deliktstatbestand auf verfassungsrechtliche Gren-<br />
zen.<br />
9. <strong>Alkohol</strong>isiertes Fahren wird bereits heute in der Gesellschaft negativ<br />
bewertet. Das zeigen auch die Umfragen zu einem absoluten <strong>Alkohol</strong>-<br />
verbot wie sie etwa vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat durchge-<br />
führt wurden: 59 % der Befragten st<strong>im</strong>mten zu. Allerdings sind derarti-<br />
ge Ergebnisse nicht überzubewerten, weil sie lediglich Schlüsse auf<br />
die allgemeine Einstellung der Befragten zulassen. Ob Bürger für o-<br />
der <strong>gegen</strong> ein absolutes <strong>Alkohol</strong>verbot sind, besagt nichts darüber, ob<br />
ein entsprechendes Verbot auch eingehalten würde. Zur Begründung<br />
eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs können Umfrageergeb-<br />
nisse ohnehin nicht ausschlaggebend sein. Vor einer Verschärfung<br />
geltender Straf- oder Bußgeldvorschriften ist vielmehr der Nachweis<br />
unerlässlich, dass die derzeitigen Best<strong>im</strong>mungen nicht ausreichen.<br />
Derartiges belastbares rechtstatsächliches Material liegt für den ange-<br />
5 Herzog, VGT 1992, 29 f
- 8 -<br />
sprochenen Bereich nicht vor. Die Entwicklung der <strong>Alkohol</strong>unfälle mit<br />
Personenschaden ist, wie eingangs gesagt, seit Jahrzehnten positiv.<br />
Alle verfügbaren Daten bestätigen diesen Trend: Nach der Strafverfol-<br />
gungsstatistik sind allein die Verurteilungen wegen § 316 StGB in den<br />
Jahren 2<strong>00</strong>6 bis 2010 um 19.<strong>00</strong>0 zurückgegangen. 6 Auch die Eintra-<br />
gung von <strong>Alkohol</strong>delikten <strong>im</strong> VZR verzeichnet in dieser Zeitspanne<br />
deutliche Rückgänge: Straftaten <strong>und</strong> Ordnungswidrigkeiten wegen Al-<br />
koholdelikten sind insgesamt um über 50.<strong>00</strong>0 Fälle zurückgegangen.<br />
10. Die Problematik wurde kürzlich in der Grenzwertkommission erör-<br />
tert. Diese Kommission berät die <strong>B<strong>und</strong></strong>esregierung <strong>im</strong> Bereich von Al-<br />
kohol <strong>und</strong> <strong>Drogen</strong> <strong>im</strong> Straßenverkehr. Ihr gehören Vertreter der auf<br />
diesem Gebiet in Deutschland tätigen rechtsmedizinischen <strong>und</strong> toxiko-<br />
logischen Fachgesellschaften an. Die Grenzwertkommission kam zur<br />
Frage der Einführung eines absoluten <strong>Alkohol</strong>verbots <strong>im</strong> Straßenver-<br />
kehr zu folgendem Schluss:<br />
„Das jetzige Konstrukt, dass ab 0,3 <strong>Promille</strong> von einer Trunken-<br />
heitsfahrt ausgegangen werden kann, aber erst ab 0,5 <strong>Promille</strong> in<br />
jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, entspricht der Kinetik<br />
<strong>und</strong> Dynamik des <strong>Alkohol</strong>s. Die Wirkung des <strong>Alkohol</strong>s kann in der<br />
Anflutungsphase bei 0,3 <strong>Promille</strong> deutlich, bei gleicher Konzentra-<br />
tion mehrere St<strong>und</strong>en nach einem Konsum aber nicht nachweis-<br />
bar sein.“<br />
6 2<strong>00</strong>6: 89.674 , 2010: 70.572; Quelle Statisches <strong>B<strong>und</strong></strong>esamt, Strafverfolgung, Tabelle 2.1.
- 9 -<br />
Aber lassen Sie mich abschließend noch darauf hinweisen, dass wir nur<br />
auf empirischer Basis gesetzgeberisch aktiv werden können, <strong>und</strong> den<br />
Kr<strong>im</strong>inologen Prof. Schöch zitieren:<br />
„Wenn alles in unserem Strafrecht so gut funktionieren würde wie<br />
die Bekämpfung des <strong>Alkohol</strong>s <strong>im</strong> Straßenverkehr, dann hätten wir<br />
so gut wie keine Sorgen. Kaum etwas war so erfolgreich wie die Be-<br />
kämpfung der <strong>Alkohol</strong>delikte <strong>im</strong> Verkehr." 7<br />
Diese Aussage stammt aus dem Jahre 1992. In den inzwischen vergan-<br />
genen zwanzig Jahren hat sich ihre Richtigkeit bestätigt. Der Gesetzge-<br />
ber wäre daher schlecht beraten, würde er von dem bewährten differen-<br />
zierten Instrumentarium abrücken.<br />
Eine effiziente Prävention von <strong>Alkohol</strong> <strong>im</strong> Straßenverkehr muss alle be-<br />
stehenden Handlungsmöglichkeiten umfassen <strong>und</strong> kann nicht allein mit<br />
dem Drehen an der <strong>Promille</strong>schraube erreicht werden. Eine Verbesse-<br />
rung der Aufklärung, der Verkehrserziehung, der Kontrollmöglichkeiten<br />
<strong>und</strong> auch der Technik muss vor der Verschärfung von Sanktionsvor-<br />
schriften stehen.<br />
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
7 Triberger Symposium <strong>im</strong> Jahre 1992