mal eben Braunbären gucken⦠- Zoo Schwerin
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Ursus, Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vereins und des <strong>Zoo</strong>s <strong>Schwerin</strong>, 17. Jahrgang (Juli 2011), Heft 1, DAUS, M.: …<strong>mal</strong> <strong>eben</strong> Braunbären<br />
gucken…Bekanntes aber Interessantes aus Rumänien: 68-70, 8 Abb., <strong>Schwerin</strong>.<br />
…<strong>mal</strong> <strong>eben</strong> Braunbären gucken…<br />
Bekanntes, aber Interessantes aus Rumänien<br />
Denkt man an Europa und an seine Fauna, fällt<br />
einem bestimmt eine Menge ein, doch an<br />
Braunbären denkt man sicher nicht zuerst.<br />
Sind doch die ursprünglichen L<strong>eben</strong>sräume des<br />
Bären in fast ganz Europa stark vom Menschen<br />
genutzt. So ist „Meister Petz“ sicher ein gern<br />
gesehenes Kuscheltier in den Kinderzimmern der<br />
Europäer, schwer tut man sich aber mit der<br />
Akzeptanz des l<strong>eben</strong>digen Vorbildes.<br />
Abb. 1: Die Bärin geht durch die Maueröffnung auf<br />
den Containerplatz.<br />
Dennoch gibt es eine Region im Herzen Europas,<br />
wo es noch zahlreiche Braunbären gibt; ja, man<br />
spricht teilweise sogar von einer Überpopulation.<br />
Es handelt sich dabei um den Braunen<br />
Karpartenbären (Ursus arctos arctos), in der<br />
historischen Si<strong>eben</strong>bürgener Region, im heutigen<br />
Rumänien. Besonders um Brasov, dem ehe<strong>mal</strong>igen<br />
Kronstadt, oder Ungarisch Brasso, l<strong>eben</strong> geschätzt<br />
bis zu 800 Braunbären. Die Angaben über die<br />
Anzahl, die sich in unmittelbarer Nähe der Stadt<br />
aufhalten, schwankten zwischen 40 und 200.<br />
1990 soll es in den Südkaparten etwa 7000<br />
Braunbären geg<strong>eben</strong> haben, bis heute hat man den<br />
Bestand auf etwa 5000 Tiere begrenzen können.<br />
Brasov, eine Stadt mit ca. 300 000 Einwohnern,<br />
grenzt direkt an die Waldhänge der Kaparten.<br />
Darüber hinaus hat man in Tälern<br />
Neubausiedlungen errichtet, quasi in ehe<strong>mal</strong>ige<br />
Bärenreviere. Da ist es nur eine Frage der Zeit<br />
gewesen, bis diese intelligenten Säuger die<br />
Mülltonnen und Container als willkommene<br />
bequeme Nahrungsquelle für sich entdeckten.<br />
Aber nicht nur Bären partizipieren von diesem<br />
Abfall, auch Wölfe kommen allabendlich in die<br />
Stadt.<br />
Selbstverständlich ist diese Entwicklung nicht<br />
erwartet und schon gar nicht gewünscht gewesen.<br />
Die Gefahr für den Menschen, die durch diese an<br />
den Menschen gewöhnten Raubtiere ausgeht, ist<br />
MIRKO DAUS<br />
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durchaus real und führt hin und wieder auch zu<br />
schweren Unfällen, teilweise mit Todesfolge.<br />
Abb. 2: Sie richtet sich auf, um den Container<br />
öffnen zu können.<br />
Deshalb versucht die Lokalregierung durch<br />
Sicherung der Müllplätze, einer gesonderten<br />
Bärenpolizei und anderer Maßnahmen, der Sache<br />
Herr zu werden. So wurden z.B. die Müllcontainer<br />
mit einer Art Käfig umfriedet, dumm nur, dass die<br />
Türen offen gelassen werden. Auch sind noch am<br />
Abend die Müllfahrzeuge unterwegs, das verlagerte<br />
aber nur das Erscheinen der „Petze“ zu einem<br />
früheren Zeitpunkt. Unabhängig davon arbeitet die<br />
Region eng mit Jagd.- und Naturschutzverbänden<br />
zusammen, um die Bären und Wölfe langfristig zu<br />
schützen. Hier sei besonders das in Kooperation mit<br />
dem World Wide Fund for Nature (WWF) ins<br />
L<strong>eben</strong> gerufene Carpathian Large Carnivore<br />
Projekt genannt.<br />
Abb. 3: Am Tage sieht dieser Stadtteil von<br />
Kronstadt, in dem sich die Braunbären nachts<br />
aufhalten, freundlich und ungefährlich aus.<br />
Im April 2007 fuhren Freunde mit mir auf den Weg<br />
nach Bulgarien, einen weiteren Freund in<br />
Herrmannstadt, dem heutigen Sibiu, besuchen.<br />
Mit den Informationen eines dort Zivildienst<br />
leistenden Österreichers, fuhren wir am Abend über
Ursus, Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vereins und des <strong>Zoo</strong>s <strong>Schwerin</strong>, 17. Jahrgang (Juli 2011), Heft 1, DAUS, M.: …<strong>mal</strong> <strong>eben</strong> Braunbären<br />
gucken…Bekanntes aber Interessantes aus Rumänien: 68-70, 8 Abb., <strong>Schwerin</strong>.<br />
abenteuerliche Straßen an Ben (Draculaburg) vorbei<br />
nach Kronstadt. Schnell fanden wir das Tal der<br />
Bären, welches untrüglich durch Warnschilder<br />
gekennzeichnet ist. Es war etwa 21.30 Uhr Ortszeit,<br />
wir stellten uns auf eine lange Nacht ein, bereiteten<br />
unsere Fotoausrüstung auf „Abendpirsch“ vor und<br />
fuhren die Geg<strong>eben</strong>heiten ab. Auf der einen Seite<br />
standen Neubauten, ein Fußgängerweg, eine Straße<br />
und auf der gegenüber liegenden Seite<br />
Containerplätze, die direkt in die Karpartenhänge<br />
eingelassen waren. Hier und da streunte eine Katze,<br />
es kamen Menschen, die mit ihren Hunden „Gassi“<br />
gingen – und plötzlich – einer meiner Freunde sah<br />
sie zuerst, tauchte aus dem Dunkeln eine Bärin mit<br />
zwei Jungtieren auf. Sie näherte sich einem<br />
Müllplatz, bei dem ein Teil der betonierten<br />
Rückwand eingebrochen war. Es müssen sich bei<br />
den Jungtieren um Jährlinge gehandelt haben. Sie<br />
hielten sich etwas entfernt, während das Muttertier<br />
relativ zügig durch die eingestürzte Wand zu einem<br />
der Container lief. Geschickt öffnete sie den<br />
Schiebedeckel und verschwand halb darin. Einige<br />
Sachen flogen heraus, das, was sie aber behalten<br />
wollte, stellte sie auf dem Container ab oder nahm<br />
es in den Fang und trug es zu den Jungtieren. Wir<br />
standen nur etwa zehn Meter von ihr entfernt im<br />
Auto auf der Straße. Dadurch konnten wir die Bärin<br />
gut fotografieren, ohne dass wir das Gefühl hatten,<br />
sie zu stören.<br />
Abb. 4: Nachts ist die Gegend ziemlich verlassen.<br />
Als sich die Bärin wieder entfernte, stieg ich aus, in<br />
der Hoffnung, noch die Jungtiere ablichten zu<br />
können. Unbemerkt muss aber die Bärin schon<br />
wieder hinter den Container gekommen sein und<br />
stellte sich etwa fünf Meter vor mir auf. Nun, ich<br />
weiß nicht, was mich ruhig bli<strong>eben</strong> ließ, meine<br />
Tiererfahrung die mir sagte: „Mirko, keine Panik,<br />
alles im grünen Bereich – sieh zu, das du aus der<br />
kritischen Distanz heraus kommst“, oder war es die<br />
die Wahrnehmung betäubende unwirklich<br />
erscheinende Situation – ein Bär in der Stadt - die<br />
mich zwar richtig, aber doch auch untypisch hat<br />
reagieren lassen. Wir stiegen, meine Freunde waren<br />
<strong>eben</strong>falls ausgestiegen, langsam wieder in das Auto.<br />
Die Bärin schien nun doch etwas beunruhigt, zog<br />
ab und wir auch…<br />
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Allerdings mit der Absicht, später noch<strong>mal</strong>s nach<br />
ihr zu schauen. So konnten wir sie auch nach 30<br />
Minuten erneut am Müllplatz fotografieren. Zu dem<br />
Platz gesellten sich auch Bukarester Touristen, die<br />
allerdings die „Bärenschau“ eher als Gaudium<br />
empfanden, lärmend, gestikulierend machten sie<br />
Fotos und Videos. Ich sah, auch wenn es bei Bären<br />
nicht so einfach zu bemerken ist, doch einen<br />
Stimmungswandel bei der Bärin. Worauf ich<br />
meinen Freunden sagte: „Lasst uns <strong>mal</strong><br />
sicherheitshalber wieder ins Auto steigen.“ Kurz<br />
darauf startete die Bärin einen gewaltigen<br />
Scheinangriff auf die lärmende Front. Zu unserem<br />
Erheitern flogen die Bukarester fast in ihr Auto,<br />
stießen sich die Köpfe, ließen ihre Kleider aus dem<br />
Auto hängen und rasten davon.<br />
Abb. 5: Im Wald, nahe der Straße, kann man bereits<br />
Kratzspuren der Bären an den Buchenstämmen<br />
finden.<br />
Nun beruhigte sich die Bärin sofort und wir<br />
konnten weiter fotografieren. Spät bemerkten wie<br />
erst, das sich ein Polizeiauto längsseits an unseres<br />
gestellt hatte und uns die Polizisten nun<br />
aufforderten, ihnen zu folgen. Freundlich, aber<br />
bestimmt, machten sie uns auf die Gefährlichkeit<br />
der Situation aufmerksam. Wir versprachen<br />
Besserung und konnten uns ohne Ordnungsstrafe<br />
entfernen. Noch lange gingen uns die Bilder durch<br />
den Kopf, erregten unsere Fantasie und ließen uns<br />
erst viel später erkennen, dass wir so viele Fotos<br />
nicht gemacht hatten. Keine Umgebung, kein<br />
Straßenzug, die aufgebauten Bärenfallen, all das
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gucken…Bekanntes aber Interessantes aus Rumänien: 68-70, 8 Abb., <strong>Schwerin</strong>.<br />
vergaßen wir zu fotografieren, so schwer waren wir<br />
beeindruckt von dieser Begegnung. Und keiner<br />
sprach es aus – wir müssen wiederkommen!<br />
Abb. 6: Die Bärin warf den Container um, um<br />
besser an den Inhalt zu kommen.<br />
So sollte es drei Jahre später noch <strong>mal</strong> einen<br />
„kleinen“ Umweg von 1000 km g<strong>eben</strong>. Wir fuhren<br />
nun zu fünft Ende April 2010 noch<strong>mal</strong>s nach<br />
Kronstadt. Die Straßen waren deutlich besser,<br />
sodass wir zügig vorankamen. Dennoch erreichten<br />
wir erst spät Kronstadt. Es war schon wieder 22.00<br />
Uhr Ortszeit, als wir die bewaldeten Hänge am<br />
Stadtrand erreichten. Die Containerplätze waren<br />
vergittert, Müllfahrzeuge entsorgten noch am<br />
späten Abend die Tonnen. Hier und da entdeckten<br />
wir umgeworfene Container, aber alle waren leer.<br />
Unsere Stimmung sank schon etwas, als wir dann<br />
doch noch „unseren“ Bären sahen. Dies<strong>mal</strong> war es<br />
23.00 Uhr, einige Schaulustige hatten sich bereits in<br />
Autos versammelt, um „Meister Petz“ zu<br />
beobachten. Hin und wieder fuhren Taxis heran, die<br />
sicher Touristen diese Attraktion zeigen sollten<br />
oder wollten. Der Bär hatte vermutlich gerade einen<br />
Müllbeutel hinter einer Buche durchsucht und<br />
schlenderte wieder in den Käfig. Mit einer Tatze<br />
nahm er einen Container und schleuderte ihn<br />
gekonnt durch die Tür auf die Straße. Dabei kippte<br />
der Container um und der Bär nahm sich den<br />
nächsten Beutel und ging einige Meter zum<br />
Waldrand, um am selben Platz wie zuvor den<br />
Beutel auf Fressbares zu durchsuchen.<br />
Abb. 7: …Wir standen in etwa 10–15 Metern<br />
Entfernung außerhalb des Autos und versuchten<br />
gute Fotos zu machen.<br />
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Näherte man sich noch weiter, wandte der Bär<br />
schon <strong>mal</strong> seinen Kopf und verriet uns auf diese<br />
Weise – bitte nicht weiter!<br />
Dies akzeptierten wir selbstverständlich und hatten<br />
so einen recht entspannten Bären vor der Linse, der<br />
dann aber doch durch das Blitzlicht genervt<br />
langsam abzog.<br />
Abb. 8: Vorsichtig legt die Bärin eine Plastikdose<br />
auf dem Container ab, um sie anschließend<br />
auszulecken.<br />
Am Abend und am nächsten Morgen machten wir<br />
nun die Fotos die wir 2007 vergaßen.<br />
Und dabei kam uns natürlich auch so mancher<br />
Gedanke. Selbstverständlich ist diese Situation<br />
nicht ganz unproblematisch, selbstverständlich<br />
voller Gefahren für Menschen, aber auch für den<br />
Bären.<br />
Aber beeindruckt waren wir schon, wie<br />
selbstverständlich die Kronstädter, die noch heute<br />
ein zusammen gewürfeltes Volk aus Rumänen,<br />
Ungarn und Deutschen sind, mit dieser Situation<br />
umgehen.<br />
Sie akzeptieren den Bären irgendwie – ALS EINEN<br />
DER ZUERST DA WAR.<br />
Verfasser: Mirko Daus, <strong>Zoo</strong> <strong>Schwerin</strong>,<br />
Waldschulweg 1, 19061 <strong>Schwerin</strong><br />
daus@zoo-schwerin.de