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urs 1608 IBLER und MAKERT DOS SANTOS ... - Zoo Schwerin

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Ursus, Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vereins <strong>und</strong> des <strong>Zoo</strong>s <strong>Schwerin</strong>, 16. Jahrgang, Heft 1 (August 2010): <strong>IBLER</strong>, B. & G. MARKERT <strong>DOS</strong> <strong>SANTOS</strong> :<br />

Stockenten- (Anas platyrynchus L.)-Brut an ungewöhnlicher Stelle): 32-33, 4 Abb., <strong>Schwerin</strong><br />

Stockenten- (Anas platyrynchus L.)-Brut an ungewöhnlicher Stelle<br />

BENJAMIN <strong>IBLER</strong> UND GUSTAVO R. <strong>MAKERT</strong> <strong>DOS</strong> <strong>SANTOS</strong><br />

Tiere zeigen eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit<br />

an ihre jeweilige Umgebung. Aus biologischer<br />

Sicht ist das durchaus nicht erstaunlich, da Tiere<br />

mit vielen verschiedenen Lebensraumtypen <strong>und</strong><br />

sich verändernden Bedingungen zurechtkommen<br />

müssen.<br />

Unter den Anatiden sind gerade die auf den einen<br />

Blick einfach erkennbaren Stockenten (SCOTT,<br />

1961) beinahe allgegenwärtig. Anas platyrynchus,<br />

die „Ente mit dem breiten Schnabel“, wie sie bereits<br />

durch Linné bezeichnet wurde, findet sich auch in<br />

großer Zahl im Gelände der Universität Bayreuth.<br />

Die Vögel besiedeln die Wiesen <strong>und</strong> einen Teich<br />

am Auditorium maximum, den Ökologisch-<br />

Botanischen Garten mit größeren natürlichen<br />

Wasserflächen sowie künstliche Betonteiche in der<br />

Nähe der Naturwissenschaftsgebäude.<br />

Mitte April 2008 konnten immer wieder Stockenten<br />

aus nächster Nähe beobachtet werden (Abb. 1).<br />

Dabei handelte es sich offenbar um ein festes<br />

Entenpaar <strong>und</strong> zwei weitere Erpel, die in einiger<br />

Entfernung folgten. Verfolgung von Paaren durch<br />

einzelne Erpel, die durchaus versuchen, die Ente zu<br />

vergewaltigen, ist bereits bei SCHWEPPENBURG<br />

(1959, 1961) beschrieben. Interessant ist der hohe<br />

Männerüberschuss bei Anas platyrynchus. Daher<br />

unterliegen die Stockerpel einem hohen<br />

Auswahldruck („female choice“) durch die<br />

Weibchen. Ein Faktor dabei ist u.a. die<br />

Gefiederqualität (WEIDMANN, 1990) Schon beim<br />

Schlupf überwiegt das männliche Geschlecht. Die<br />

Brut ist ein weiteres Risiko für die ausschließlich<br />

brütenden ♀♀, da sie in der Zeit wenig mobil sind<br />

<strong>und</strong> so Opfer von Fressfeinden werden können<br />

(BEZZEL <strong>und</strong> V. KROSIGK, 1961).<br />

Unseren Tieren auf dem Dach, die durch die<br />

Fenster der Laboratorien <strong>und</strong> Büros beobachtet<br />

wurden, wurde zunächst wenig Bedeutung<br />

beigemessen bis zufällig das brütende Weibchen<br />

aufgef<strong>und</strong>en wurde. Das Nest war im Gestrüpp<br />

versteckt, nahe an einem Lüftungsschacht (Abb. 2).<br />

Zu diesem Zeitpunkt dürfte das Weibchen das Nest<br />

wohl schon zwei bis drei Tage bezogen haben. Das<br />

Tier saß ruhig <strong>und</strong> unauffällig im Nest. In den<br />

täglichen Kaffeepausen auf dem Dach des ersten<br />

Obergeschosses des Gebäudes Naturwissenschaften<br />

I (NW I) der Universität Bayreuth wurde die Ente<br />

kontrolliert. Morgens saß unser brütendes ♀ mit<br />

dem Kopf in östlicher Richtung, abends mit dem<br />

Kopf Richtung Westen.<br />

Der zugehörige Erpel konnte noch ein paar Mal -<br />

etwa fünf Meter entfernt - auf einem Geländer<br />

gesehen werden. Am Samstag, 03. Mai 2008 wurde<br />

die Ente letztmalig im Nest gesehen, am Montag<br />

05. Mai war sie verschw<strong>und</strong>en. Im Nest verblieben<br />

32<br />

nur einige Dunenfedern. An diesen Federn<br />

krabbelten Ameisen; das deutet u. U. auf Blutreste<br />

hin. Es waren darin keinerlei Eireste oder Teile der<br />

erwachsenen Ente, die auf Prädation hindeuten<br />

könnten.<br />

Es bleiben mehrere Optionen übrig. Scheinbrut ist<br />

die eine, was bei der Art offenbar häufiger<br />

vorkommt (BEZZEL <strong>und</strong> V. KROSIGK, 1961). Eine<br />

weitere besteht darin, dass die Jungvögel geschlüpft<br />

sind <strong>und</strong> unmittelbar danach ein Gewässer in der<br />

Nähe aufgesucht haben.<br />

Der Verbleib der weiblichen Ente konnte nicht<br />

geklärt werden. Dass sie von einem Raubfeind, z.B.<br />

einem Marder geholt wurde, scheint aber am<br />

wahrscheinlichsten zu sein.<br />

Die Stockente ist der bedeutendste Kulturfolger an<br />

Gewässern in Menschennähe – zur Habitatselektion<br />

durch Anas platyrynchus liefern PÖYSÄ ET AL.<br />

(1997) einen Beitrag. Eine Ausweitung in<br />

innerstädtische Extremlebensräume hinein stellte<br />

bereits HOERSCHELMANN (1985) für Hamburg fest.<br />

Die Frage, ob es sich dabei um eine (jagdlich<br />

ausnutzbare) Bestandsausweitung oder nur um eine<br />

Bestandsdehnung handelt, lässt er offen. HELLMICH<br />

(2001) vermeldete eine weibliche Ente, die gezielt<br />

die menschliche Nähe in einem Fischerei-<br />

Bootsschuppen suchte.<br />

Abb. 1: Männliche Stockente auf dem<br />

Hochschuldach (Blick aus dem Labor, Tierökologie<br />

I, Uni Bayreuth) - das nächste Gewässer ist über<br />

100 Meter entfernt.<br />

Im Dezember 2008 konnten Massen an Stockenten<br />

auf den Wiesen des Universitätscampus beobachtet<br />

werden. Teilweise waren es über 100 Tiere, die<br />

unter Schnattern an den kalten Tagen die<br />

Rasenflächen nach Fressbarem absuchten <strong>und</strong> dabei<br />

natürlich auch die Wege kreuzten. Augenscheinlich<br />

waren mehr Erpel als weibliche Enten da. Und am<br />

Morgen beim Gang zur täglichen Arbeit durch<br />

unbeirrbare Entenmassen hindurch zu laufen, ist<br />

schon ein Erlebnis, dennoch sollte man von ihnen


Ursus, Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vereins <strong>und</strong> des <strong>Zoo</strong>s <strong>Schwerin</strong>, 16. Jahrgang, Heft 1 (August 2010): <strong>IBLER</strong>, B. & G. MARKERT <strong>DOS</strong> <strong>SANTOS</strong> :<br />

Stockenten- (Anas platyrynchus L.)-Brut an ungewöhnlicher Stelle): 32-33, 4 Abb., <strong>Schwerin</strong><br />

Abb. 2: Gestrüpp mit Lüftungsschacht auf dem Dach des ersten Obergeschosses des Gebäudes<br />

Naturwissenschaften 1 an der Universität Bayreuth. Hier fand versteckt eine Brut der Stockente statt.<br />

Abstand halten, da wohl sämtliche Stockenten in<br />

Franken von dem Plathelminthen Trichobilharzia<br />

ocellata parasitiert sein dürften. Aber das wäre eine<br />

andere Geschichte.<br />

Abb. 3: Das Stockentenweibchen sitzt gut getarnt<br />

unter Gestrüpp im Nest.<br />

Abb. 4: Stockenten leben in großer Anzahl auf dem<br />

Gelände des Universitäts-Campus in Bayreuth, wie<br />

hier vor dem Auditorium maximum.<br />

33<br />

Literatur<br />

BEZZEL, E. & E. v. KROSSIGK (1971): Zum Ablauf<br />

des Brutgeschäftes bei Enten. J. Ornith. 112, 411-<br />

438.<br />

PÖ YSÄE, H., J.ELMB ERG, K. SJÖBERG and P.<br />

NUMMI (1998): Habitat selection rules in breeding<br />

mallards (Anas platyrhynchos): a test of two<br />

competing hypotheses. Oecologia (Berlin) 114,<br />

283-287.<br />

HELLMICH. E. (2001): Ungewöhnliche Brutplätze<br />

für Stockente <strong>und</strong> Zaunkönig. Ursus,<br />

Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vereins <strong>und</strong> des <strong>Zoo</strong>s<br />

<strong>Schwerin</strong> 7 (1), 99.<br />

HO ERSCHELMANN, H. (1985): Untersuchung an<br />

einer Stockenten-Population (Anas platyrynchus L.)<br />

in Hamburg. Z. Jagdwiss. 31, 14-21.<br />

SCHWEPPENBURG, H. Frh. Geyr von (1959): Zum<br />

Verhalten der Stockente. J. Ornith. 100, 397- 404<br />

SCHWEPPENBURG, H. Frh. Geyr von (1961): Zum<br />

Verhalten der Stock- <strong>und</strong> Schnatterente. J. Ornith.<br />

102, 140-149.<br />

SCO TT, P. (1961): Das Wassergeflügel der Welt.<br />

Ein farbiger Bestimmungsschlüssel. Übersetzt von<br />

H.G. KLÖS. Hamburg. Berlin.<br />

WEIDMANN, U. (1990): Plumage quality and mate<br />

choice in mallards (Anas platyrynchos). Behavior<br />

115, 127-141.<br />

Anschrift der Verfasser: Benjamin Ibler,<br />

Adalbert-Stifter-Weg 1, 92245 Kümmersbruck;<br />

ben.ibler@web.de<br />

Dr. Gustavo R. Makert dos Santos, ehemals<br />

Lehrstuhl Tierökologie 1, Universität Bayreuth,<br />

Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth (jetzt<br />

Fraunhofer-Institut, Leipzig), email:<br />

gustavo@rge.fmrp.usp.br

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