Die Bärenhaltung auf der Wartburg bei Eisenach in ... - Zoo Schwerin
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Ursus, Mitteilungsblatt des <strong>Zoo</strong>vere<strong>in</strong>s und des <strong>Zoo</strong>s Schwer<strong>in</strong>, 15. Jahrgang, Heft 1 (Dezember 2009): Karl: <strong>Die</strong> <strong>Bärenhaltung</strong> <strong>auf</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Wartburg</strong> <strong>bei</strong> <strong>Eisenach</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen und Probleme <strong>der</strong> osteologischen Differenzierung zwischen Bärenarten: 32-38, 5 Abb., Schwer<strong>in</strong><br />
Das s<strong>in</strong>d im E<strong>in</strong>zelnen die abgebrochenen Stümpfe<br />
<strong>bei</strong><strong>der</strong> oberer Eckzähne (Can<strong>in</strong>i => C), <strong>der</strong> vierte<br />
Backenzahn o<strong>der</strong> Vormahlzahn (Praemolar => P 4 )<br />
und die <strong>bei</strong>den Mahlzähne (Molare => M 1-2 ), alle<br />
im Oberschädel. Schneidezähne (Incisivi=> I) s<strong>in</strong>d<br />
nicht erhalten, obwohl die Alveolen noch gut<br />
ausgeprägt s<strong>in</strong>d. Der Unterkiefer ist komplett<br />
zahnlos, die Zahnfächer (A lveolen) s<strong>in</strong>d offen,<br />
entzündlich verän<strong>der</strong>t und deformiert. <strong>Die</strong><br />
verbliebene l<strong>in</strong>ke Zahnreihe im Oberkiefer zeigt<br />
zwar deutliche Abnutzungsspuren (Abrasion),<br />
sche<strong>in</strong>t aber ansonsten vom Zahn- wie auch<br />
Kieferstatus her nicht geschädigt zu se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> rechte<br />
Alveolarregion h<strong>in</strong>gegen ist schwer verän<strong>der</strong>t. Hier<br />
s<strong>in</strong>d die e<strong>in</strong>zelnen Alveolenwände weitgehend<br />
<strong>auf</strong>gelöst, die Knochensubstanz ist stark gelockert,<br />
faserig reduziert, <strong>auf</strong>geworfen und mit m<strong>in</strong>destens<br />
zwei lateralen Öffnungen je im Oberkiefer und<br />
Unterkiefer versehen. <strong>Die</strong>se dürften die<br />
Ausgangspunkte von Fisteln zur Ableitung von<br />
massiver Eiterproduktion gewesen se<strong>in</strong>. <strong>Die</strong><br />
Eckzähne s<strong>in</strong>d abgebrochen, <strong>der</strong> Schmelz <strong>der</strong><br />
verbliebenen Stümpfe zeigt e<strong>in</strong>ige abgeplatzte<br />
Stellen, wohl <strong>in</strong>folge Knabberns am Gitter. <strong>Die</strong><br />
Wurzelkanäle s<strong>in</strong>d hohl, erweitert und geschwärzt.<br />
<strong>Die</strong> Nerven dürften abgestorben und ausgefault<br />
gewesen se<strong>in</strong>. Insgesamt macht die gesamte<br />
Schädeloberfläche e<strong>in</strong>en rauen E<strong>in</strong>druck,<br />
gelegentlich mit e<strong>in</strong>igen Auswüchsen (Exosteosen<br />
=> Osteophyten).<br />
Abb. 4: <strong>Wartburg</strong>-Bärenunterkiefer TLDA Nr. 322<br />
von lateral s<strong>in</strong>. zum Vergleich <strong>der</strong> h<strong>in</strong>teren<br />
Silhouette des Processus coronoideus <strong>bei</strong> Ursus<br />
arctos (gelb) und Ursus americanus (rot); nach<br />
verschiedenen Quellen umgezeichnet. Beachte die<br />
Differenzen am Processus coronoideus zu Ursus<br />
arctos und die Übere<strong>in</strong>stimmungen mit Ursus<br />
americanus.<br />
Von den osteologischen Merkmalen des<br />
Schwarzbären im Gegensatz zum Braunbären s<strong>in</strong>d<br />
hier beson<strong>der</strong>s zu erwähnen:<br />
1. Der deutlich kürzere Gesichtsschädel im<br />
Verhältnis zum Hirnschädel (über die<br />
Wölbung gemessen) von 1:1,3; <strong>bei</strong> Ursus<br />
arctos Lö23 etwa gleichlang 1:1,<br />
36<br />
2. die fehlende Stirnwölbung mit deutlicher<br />
davor liegen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>senkung zur Nase h<strong>in</strong>,<br />
3. am Vor<strong>der</strong>rand <strong>der</strong> Augenhöhlen (Orbitae)<br />
bef<strong>in</strong>dliche zwei kle<strong>in</strong>e spitze Auswüchse,<br />
unter Bildung e<strong>in</strong>er eigenen Naht (Sutur)<br />
mit dem Oberkiefer<strong>bei</strong>n (Maxillare),<br />
4. <strong>der</strong> mehr rundliche, nicht hakenförmig<br />
nach h<strong>in</strong>ten umgebogene sowie nach<br />
h<strong>in</strong>ten vertikal gerade abschließende<br />
Umriss des Processus coronoideus <strong>bei</strong><br />
Adulti (Abb. 1),<br />
5. die charakteristischen horizontal<br />
angeordneten Knochenleisten <strong>auf</strong> <strong>der</strong><br />
Fossa masseterica, <strong>bei</strong> Adulti immer<br />
stärker ausgebildet als <strong>bei</strong>m Braunbär,<br />
6. die etwas kürzere Symphysenregion des<br />
Unterkiefers,<br />
7. die deutlich graziler gebauten<br />
Unterkiefergelenkrollen,<br />
8. die h<strong>in</strong>tere Begrenzung <strong>der</strong> Nasenöffnung<br />
(na) liegt <strong>bei</strong>m Braunbär an <strong>der</strong> h<strong>in</strong>teren<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Bulbus olfactorius-Höhle<br />
(boh), <strong>bei</strong>m Schwarzbär schneidet sie<br />
diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte (Tafel 4) und als<br />
beson<strong>der</strong>s wichtig<br />
9. die Präsenz e<strong>in</strong>es medianen Foramens<br />
palat<strong>in</strong>um m<strong>in</strong>or (fpmi) <strong>bei</strong>m Braunbär.<br />
4. Diskussion<br />
Bei dem historischen Bärenschädel von <strong>der</strong><br />
<strong>Wartburg</strong> handelt es sich nicht um e<strong>in</strong>en Überrest<br />
des letzten son<strong>der</strong>n des ersten dort gehaltenen<br />
Bären. Es war ke<strong>in</strong> Braunbär (Ursus arctos),<br />
son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Schwarzbär (Ursus americanus) und<br />
konnte somit auch nicht aus Südamerika stammen,<br />
maximal aus Mexiko <strong>in</strong> Mittelamerika. Dort leben<br />
die Subspezies Ursus americanus machetes Elliot,<br />
1903 (Nord- Zentral- und Westmexiko=> West<br />
Mexico Black Bear) und Ursus americanus<br />
eremicus Merriam, 1904 (nordöstliches Mexiko und<br />
Big Bend Region von Texas=> East Mexico Bear).<br />
E<strong>in</strong>e detaillierte Verbreitungskarte gibt LARIVIÈRE<br />
(2001). E<strong>in</strong>e genaue Ansprache <strong>auf</strong> Unterartniveau<br />
des vorliegenden Schädels ist nicht möglich.<br />
Über welchen Weg <strong>der</strong> Schädel <strong>in</strong> die Sammlung<br />
kam, ist nicht mehr feststellbar. Auf jeden Fall<br />
wurde offensichtlich nicht <strong>der</strong> ganze Bär <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Nähe <strong>der</strong> <strong>Wartburg</strong> vergraben. Zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> Kopf,<br />
wenn nicht das ganze Fell wurde präpariert und<br />
höchstwahrsche<strong>in</strong>lich verk<strong>auf</strong>t. <strong>Die</strong> alten<br />
Katalogblätter zur <strong>Zoo</strong>logie des ehemaligen<br />
Städtischen Museums Weimar enthalten E<strong>in</strong>träge<br />
von etwa Mitte 1889 bis Mitte 1903. Bereits 1877