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Schmerztherapie in der Privatpraxis - Zantomed

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+ Aufklärung und Selbsttherapie: Wie bei<br />

myofaszialen Schmerzen <strong>der</strong> Kaumuskulatur<br />

ist die Aufklärung e<strong>in</strong> unverzichtbarer Bestandteil<br />

bei <strong>der</strong> Therapie von Arthralgien des<br />

Kiefergelenks (64). Der Patient wird dabei auf<br />

parafunktionelle und haltungsbed<strong>in</strong>gte Gewohnheiten<br />

h<strong>in</strong>gewiesen und für e<strong>in</strong>e aktive<br />

Vermeidung dieser stereotypen Bewegungsmuster<br />

sensibilisiert (64, 56)<br />

+ Okklusionsschienen: Die Wirksamkeit von<br />

Okklusionsschienen bei isolierten Arthralgien<br />

konnte belegt werden (44, 23). Ihre vermutete<br />

Wirkungsweise wurde bei <strong>der</strong> Therapie myofaszialer<br />

Schmerzen <strong>der</strong> Kaumuskulatur beschrieben.<br />

+ Medikamentöse Behandlung: Akute Schmerzen<br />

des Kiefergelenks mit deutlichen Entzündungszeichen<br />

bei Arthralgie o<strong>der</strong> aktivierter<br />

Arthrose sprechen kurzfristig sehr gut auf<br />

NSAR wie Acetylsalizylsäure o<strong>der</strong> Ibuprofen<br />

an (2, 66, 15, 58). Wenn e<strong>in</strong> NSAR schlecht<br />

anspricht, besteht durchaus die Möglichkeit<br />

auf e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Präparat zu wechseln (31).<br />

Aufgrund se<strong>in</strong>er besseren Verträglichkeit kann<br />

bei ger<strong>in</strong>gen Entzündungszeichen o<strong>der</strong> bei<br />

Schwangeren Paracetamol verwendet werden<br />

(30, 53). In e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en Studie konnte das<br />

trizyklische Antidepressivum Amytriptil<strong>in</strong> bessere<br />

Wirkung zeigen als Placebo. Über den<br />

E<strong>in</strong>satz von <strong>in</strong>traartikulären Injektionen mit<br />

Hyaluronat o<strong>der</strong> Glukokortikoiden kann ke<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>deutige Empfehlung ausgesprochen werden<br />

(77, 5).<br />

+ Physiotherapie: Physiotherapie schliesst<br />

alle Formen <strong>der</strong> physikalischen Bee<strong>in</strong>flussung<br />

des Körpers durch Druck, Bewegung, Wärme,<br />

Kälte, Strahlung und Elektrizität e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e<br />

zeitlich begrenzte Wirkung von manueller Therapie<br />

und Massage konnte bei Rückenschmerzen<br />

nachgewiesen werden, wenn auch ähnlich<br />

wie bei an<strong>der</strong>en Therapieformen (21, 3). Es<br />

gibt <strong>in</strong>zwischen H<strong>in</strong>weise, das TENS zur e<strong>in</strong>er<br />

Reduktion bei Schmerzen <strong>der</strong> Kiefergelenke<br />

führen kann (40).<br />

+ Akupunktur: Es gibt ke<strong>in</strong>e klaren Daten zur<br />

Wirksamkeit von Akupunktur bei Arthralgie<br />

o<strong>der</strong> aktivierter Arthrose. Allerd<strong>in</strong>gs erreicht<br />

Akupunktur ähnliche Effekte wie Okklusionsschienen<br />

(37) o<strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>akupunktur (25).<br />

+ Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren:<br />

Verhaltenstherapie im Zusammenhang<br />

mit Entspannungsverfahren und Hilfe zur<br />

Selbsthilfe s<strong>in</strong>d kurzfristig ebenso effektiv<br />

wie klassische Okklusionsschienen mit Aufklärung,<br />

nach e<strong>in</strong>em Jahr sogar noch effektiver<br />

(18, 80). Nach Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong> Autoren dieser<br />

Studie ist e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von klassischen<br />

zahnärztlichen Verfahren mit Verhaltenstherapie,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei chronifizierten Patienten<br />

am effektivsten (19). Biofeedback und progressive<br />

Muskelentspannung haben sich <strong>in</strong><br />

Metaanalysen zu CMD o<strong>der</strong> Rückenschmerzen<br />

als effektiv erwiesen (10, 63).<br />

+ Chirurgische Verfahren: In seltenen Fällen<br />

klagen die Patienten über extreme Schmerzen<br />

<strong>in</strong> den Kiefergelenken im S<strong>in</strong>ne von aktivierten<br />

Arthrosen, die nicht auf konservative Verfahren<br />

ansprechen. Hier s<strong>in</strong>d manchmal m<strong>in</strong>imal<strong>in</strong>vasive<br />

Verfahren <strong>in</strong>diziert, wie die Arthroskopie,<br />

bei <strong>der</strong> sowohl diagnostisch als auch<br />

therapeutisch mit Spülen des oberen Gelenkraumes<br />

und Lösen von Adhärenzen e<strong>in</strong>e positive<br />

Bee<strong>in</strong>flussung möglich ist. Bei <strong>der</strong> Arthrozentese<br />

wird nur e<strong>in</strong>e Gelenk lavage durch-<br />

geführt, entwe<strong>der</strong> mit isotonischer Koch salz -<br />

lösung o<strong>der</strong> Kortikosteroiden bzw. Hyaluronat.<br />

Beide Verfahren konnten bis jetzt ihre Effektivität<br />

gegenüber Placebo nicht e<strong>in</strong>deutig belegen,<br />

waren aber ähnlich wirksam (71, 77).<br />

Der Nutzen von präventiven o<strong>der</strong> therapeutischen<br />

Massnahmen bei Knacken o<strong>der</strong> Krepitus<br />

ist fraglich und wird deshalb hier nicht weiter<br />

beleuchtet (Könönen 1996, John 1999, Hugger<br />

2002, Reissmann 2007). Nur bei psychosozialen<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen durch Geräusche <strong>der</strong><br />

Kiefergelenke ist e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifen <strong>in</strong>diziert und<br />

kann mit Okklusionsschienen versucht werden.<br />

Es s<strong>in</strong>d ebenfalls ke<strong>in</strong>e Belege vorhanden,<br />

dass e<strong>in</strong>e systematische prophylaktische Behandlung<br />

von okklusalen Anomalien zu e<strong>in</strong>er<br />

Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Inzidenz von akut-schmerzhaften<br />

Erkrankungen <strong>der</strong> Kaumuskulatur o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Kiefergelenke führen könnten (Koh 2003,<br />

Fricton 2006). Es konnte allerd<strong>in</strong>gs nachgewiesen<br />

werden, dass gewisse okklusale<br />

Störungen bei prädisponierten Patienten zu<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er CMD beitragen können<br />

(Pull<strong>in</strong>ger 1993). Experimentelle Studien mit<br />

artifiziellen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Okklusion an<br />

Mäusen zeigten e<strong>in</strong> ähnliches Ergebnis<br />

(LeBell 2002 und 2006). Aufwändige diagnostische<br />

Massnahmen zur Untersuchung <strong>der</strong><br />

Okklusion machen deshalb nur S<strong>in</strong>n, wenn <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Anamnese deutliche okklusale Risikofaktoren<br />

festgestellt wurden.<br />

Dr. med. dent. Horst Kares<br />

Zahnärztliche <strong>Privatpraxis</strong> mit Schwerpunkt Orofaziale Schmerzen und Schlafmediz<strong>in</strong><br />

Tätigkeitsschwerpunkt Funktionsdiagnostik und <strong>Schmerztherapie</strong><br />

Master of International College of Cranio-Mandibular Orthopedics<br />

Studienaufenthalte <strong>in</strong> Seattle, Los Angeles, Boston, New Jersey<br />

Arbeitskreis „Mund- und Gesichtsschmerzen” <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft zum Studium<br />

des Schmerzes DGSS<br />

Literaturh<strong>in</strong>weise: fragen@karrdental.ch<br />

Zukünftige Entwicklungen<br />

Fortschritte bei <strong>der</strong> Behandlung von schmerzhaften<br />

CMD s<strong>in</strong>d aus dem grossen Gebiet <strong>der</strong><br />

Schmerzforschung zu erwarten (27). Drei Bereiche<br />

entwickeln sich z.Z. mit rasanter Geschw<strong>in</strong>digkeit:<br />

+ Genetik: Die Empfänglichkeit für Schmerzen<br />

und die Variabilität <strong>der</strong> Schmerzantworten<br />

werden durch die genetische Disposition bee<strong>in</strong>flusst.<br />

In experimentellen und kl<strong>in</strong>ischen<br />

Studien konnte nachgewiesen werden, dass<br />

die Erbanlage e<strong>in</strong> Prädiktor ist, wer auf bestimmte<br />

Risikofaktoren mit Schmerzen reagieren<br />

wird und wie stark diese Reaktion ausfällt<br />

(89, 14). Diese neuesten Entwicklungen werden<br />

<strong>in</strong> absehbarer Zeit wichtige Impulse für<br />

Diagnostik und Therapie von schmerzhaften<br />

CMD br<strong>in</strong>gen.<br />

+ Pathophysiologie: Wir werden überschüttet<br />

mit neuen Erkenntnissen über die Biochemie<br />

von Schmerzen <strong>der</strong> Kaumuskulatur und <strong>der</strong><br />

Kiefergelenke. Durch die Identifizierung dieser<br />

pathophysiologischen Zusammenhänge entsteht<br />

die Möglichkeit <strong>in</strong> die Mechanismen <strong>der</strong><br />

Schmerzentstehung e<strong>in</strong>zugreifen, und dies<br />

nicht nur durch e<strong>in</strong>e Blockierung von Entzündungsprozessen<br />

o<strong>der</strong> Neurotransmittern.<br />

+ Risikofaktoren: Es wurden schon e<strong>in</strong>e ganze<br />

Reihe von biologischen und psychosozialen<br />

Faktoren identifiziert, um die Reaktion auf bestimmte<br />

Therapieformen bei e<strong>in</strong>er schmerzhaften<br />

CMD vorauszusehen. Das Erkennen von<br />

neuen Parametern und Sub-Populationen wie<br />

z.B. durch die Endokr<strong>in</strong>ologie wird deutliche<br />

Konsequenzen für den kl<strong>in</strong>ischen Alltag haben<br />

und <strong>in</strong>dividualisierte Therapien ermöglichen.

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