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Heft 04 - Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren

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INTERVIEW<br />

Dr. Conrad Frevert<br />

Akazienstr. 4<br />

32760 Detmold<br />

?<br />

Praxis<br />

Sehr geehrter Herr<br />

Dr. Frevert, wie sind Sie<br />

eigentlich zur Homöopathie<br />

gekommen?<br />

Zur Homöopathie bin ich auf doppeltem<br />

Wege gekommen. Zum einen<br />

durch meinen Urgroßvater. Er hat<br />

Homöopathie praktiziert – bei Tieren.<br />

Er war Gutsbesitzer in Lippe auf dem<br />

Rieperthurmhof bei Lemgo. Er hat<br />

beson<strong>der</strong>s von seinem 60. bis 90.<br />

Lebensjahr Tiermedizin mit Homöopathie<br />

praktiziert. Von ihm habe ich<br />

auch noch einige Bücher, darunter<br />

LUTZEs „Lehrbuch <strong>der</strong> Homöopathie“<br />

in <strong>der</strong> 1. Auflage von 1860.<br />

Und zum an<strong>der</strong>en: Auf einem kleinen<br />

Umweg über die Akupunktur, d.h. am<br />

Anfang hatte ich eigentlich nur vor,<br />

Medizin zu studieren, die Homöopathie<br />

hatte ich noch nicht im Hinterkopf.<br />

Ich wollte Arzt werden, das war<br />

mein Ziel. Über einen Zufall habe ich<br />

aber im Zivildienst jemanden kennen<br />

gelernt, <strong>der</strong> sich mit Akupunktur befasste.<br />

Das hat mich sehr interessiert<br />

und so habe ich mich mit Akupunktur<br />

und ihrer Philosophie befasst. Dann<br />

hörte ich, dass in Detmold ein Arzt<br />

lebe, <strong>der</strong> Akupunktur macht, aber zugleich<br />

Homöopath sei. Das war Dr.<br />

VON UNGERN-STERNBERG. Den habe<br />

ich angerufen und ihn gefragt, wo man<br />

Akupunktur lernen könnte. Er hat<br />

mich darauf hin zu einem Gespräch<br />

empfangen und mir dabei eine Geschichte<br />

erzählt von einem Wettstreit<br />

zwischen einem berühmten Akupunkteur<br />

und einem berühmten Homöopathen.<br />

PIERRE SCHMIDT, Genf, war<br />

<strong>der</strong> Homöopath und NGUYEN VAN<br />

NGHI, Marseille, war <strong>der</strong> Akupunkteur.<br />

Die haben den gleichen Patienten<br />

untersucht. Das Interessante war, dass<br />

188<br />

<strong>der</strong> Akupunkteur mit <strong>der</strong> Pulsdiagnose<br />

viel voraussagen konnte, <strong>der</strong> Homöopath<br />

konnte auch viel voraussagen,<br />

sagte aber: „Bevor ich sagen kann,<br />

was ihm hilft, muss ich mich mit ihm<br />

unterhalten.“ Und deswegen meinte<br />

Dr. VON UNGERN-STERNBERG, uns sei<br />

die Homöopathie im europäischen<br />

Kulturkreis etwas näher. Weil <strong>der</strong> Dialog<br />

und das Gespräch mit dazugehört<br />

zu <strong>der</strong> Methode. Die Homöopathie ist<br />

ohne den Dialog nicht denkbar.<br />

Homöopathie<br />

im Wandel <strong>der</strong> Zeit<br />

?<br />

Wir feiern 250 Jahre<br />

Hahnemann. –<br />

Was zeichnet die<br />

Homöopathie heute aus?<br />

Was ist das Beson<strong>der</strong>e an ihr?<br />

Das Beson<strong>der</strong>e ist, dass wir diese<br />

Therapieform heute noch praktizieren.<br />

Was zu HAHNEMANNs Zeiten unter<br />

Schulmedizin lief, das ist heute alles<br />

vergessen und niemand macht irgendeine<br />

dieser Methoden.<br />

Das Beson<strong>der</strong>e an <strong>der</strong> Homöopathie<br />

ist nicht mit zwei Worten zu erklären.<br />

Ich möchte sagen, es ist die einzige<br />

Methode, in <strong>der</strong> man Heilungsgewissheit<br />

hat. Gewissheit schon vorher,<br />

a priori, das heißt, wenn ich eine<br />

Anamnese bei einem Patienten<br />

mache, – und ich habe gründlich<br />

eruiert, seine Konstitution, seine<br />

Grenzen, seine Lebensweise usw. –<br />

und wenn ich dann einschätze, dass<br />

die Erkrankung heilbar ist und ich<br />

habe dann das Mittel gefunden (ein<br />

Mittel ist eher die Ausnahme, längerfristig<br />

eher eine Sequenz von Mitteln),<br />

dann kann ich sagen, was passiert. Ich<br />

weiß vorher, dass es dem Patienten<br />

besser gehen wird. Das habe ich bei<br />

keiner an<strong>der</strong>en medizinischen Methode<br />

gefunden, nicht einmal in <strong>der</strong><br />

Chirurgie.<br />

<strong>Ärzte</strong>zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Naturheilverfahren</strong> 46, 4 (2005)


?<br />

Sie haben über viele<br />

Jahre in einer Klinik<br />

gearbeitet. Haben Sie dort<br />

auch Homöopathika zum<br />

Einsatz gebracht o<strong>der</strong> war das<br />

verpönt?<br />

Das ist eine sehr interessante Frage.<br />

Ich habe in <strong>der</strong> Frauenklinik Altona<br />

und AK Altona gearbeitet und habe<br />

die ersten zwei, drei Jahre überhaupt<br />

niemandem erzählt, dass Homöopathie<br />

meine stille Leidenschaft war.<br />

Irgendwie hat es sich später herumgesprochen.<br />

Ich habe auch zuvor ein<br />

Jahr Pathologie gemacht. Ich war<br />

dreizehn Jahre im Haus und bevor ich<br />

meinen Facharzt machte, hatten die<br />

Hebammen es mitbekommen, dass ich<br />

mich mit <strong>der</strong> Homöopathie ganz gut<br />

auskenne. Und die haben mich gefragt,<br />

ob ich nicht einen Arbeitskreis<br />

gründen will.<br />

Den habe ich mit den Hebammen gegründet<br />

und war vollkommen überzeugt,<br />

dass das nach sechs Monaten<br />

wie<strong>der</strong> einschlafen wird, da die<br />

Homöopathie viel zu schwierig und zu<br />

komplex wäre, wie ich sie ihnen<br />

vermitteln wollte – nämlich nicht nach<br />

irgendwelchen Rezeptbüchern und<br />

kurzen Handlungsanweisungen. Das<br />

Gegenteil war aber <strong>der</strong> Fall. Die<br />

Hebammen haben mich <strong>der</strong>maßen<br />

beeindruckt, sie sind erstaunlich bei<br />

<strong>der</strong> Stange geblieben. Natürlich nicht<br />

alle, es sind einige weggegangen und<br />

an<strong>der</strong>e dazugekommen. Der Arbeitskreis<br />

hat über zehn Jahre bis zu<br />

meinem Fortzug von Hamburg existiert,<br />

existiert heute noch, ein Kollege<br />

macht es weiter. Das hat mich sehr<br />

beeindruckt.<br />

?<br />

Es gibt heute mittlerweile<br />

eine ganze Reihe von<br />

Kliniken (und Praxen),<br />

in denen mit homöopathischen<br />

Arzneimitteln gearbeitet<br />

wird, allerdings nicht immer mit<br />

den klassischen homöopathischen<br />

Einzelmitteln, son<strong>der</strong>n z.T. mit<br />

Komplexmitteln u.a.m. Wie stehen<br />

Sie dazu?<br />

<strong>Ärzte</strong>zeitschrift <strong>für</strong> <strong>Naturheilverfahren</strong> 46, 3 (2005)<br />

Ich bin ich in keiner Weise intolerant<br />

gegenüber an<strong>der</strong>en Methoden. Nur<br />

sollte man sie dann nicht Homöopathie<br />

nennen. Man kann alles<br />

machen, dies und das und jenes, man<br />

kann mit vielem helfen, man sollte nur<br />

nicht schaden.<br />

So sehe ich das eigentlich auch im<br />

Hinblick auf die Komplexmittelhomöopathie.<br />

Ich bin davon überzeugt,<br />

dass man mit <strong>der</strong> Einzelmittelhomöopathie<br />

nach den Gesetzen<br />

HAHNEMANNs das Maxiumum an<br />

Therapierfolg erreichen kann – von<br />

Ausnahmen vielleicht abgesehen, aber<br />

im Großen und Ganzen ist es sicherlich<br />

die weitreichendste Methode.<br />

Alle an<strong>der</strong>en, die auch irgendwie nur<br />

entfernt mit <strong>der</strong> Homöopathie zu tun<br />

haben o<strong>der</strong> auch nicht damit zu tun<br />

haben, beispielsweise die TCM, haben<br />

auch ihre Berechtigung, und damit<br />

schadet man sicherlich immer noch<br />

weniger als mit einer massiven allopathischen<br />

Kombination von stark<br />

wirkenden Arzneien, die zum großen<br />

Teil auch als Dauertherapien eingenommen<br />

werden müssen und viele so<br />

genannte Nebenwirkungen zeigen.<br />

?<br />

Praxis<br />

Und wo sind die Grenzen<br />

<strong>der</strong> Homöopathie?<br />

Die Grenzen liegen auf <strong>der</strong> einen Seite<br />

bei den Therapeuten. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite liegen sie in <strong>der</strong> Krankheit. In<br />

dem, was <strong>der</strong> Kranke an Voraussetzungen<br />

mitgebracht hat, wohin <strong>der</strong><br />

Kranke sich hinbewegen will und was<br />

er zu tun bereit ist. Das Umfeld, in<br />

dem die Heilung stattfinden kann,<br />

spielt eine ganz entscheidende Rolle.<br />

Ansonsten kann man die Grenzen <strong>der</strong><br />

Homöopathie nur in jedem einzelnen<br />

Fall vorhersagen. Man muss eine<br />

Anamnese machen, sich ein Bild <strong>der</strong><br />

Krankheit machen und dann kann man<br />

es abschätzen. Das mache ich immer,<br />

nach jedem Anamnesegespräch sage<br />

ich dem Patienten, ich schätze das so<br />

und so ein, ich meine, wir können dies<br />

und das in <strong>der</strong> und <strong>der</strong> Zeit erreichen.<br />

Und als Grundsatz sage ich dem<br />

189<br />

Patienten, dass die Behandlung noch<br />

fortgesetzt werden muss, auch wenn<br />

die Symptome, weswegen er jetzt gekommen<br />

ist, verschwunden sind. Etwa<br />

noch einmal <strong>für</strong> die gleiche Zeit. Das<br />

stammt nicht von mir, das stammt von<br />

HAHNEMANN über die chronischen<br />

Krankheiten.<br />

Was man vorher sieht, ist die Spitze<br />

des Eisberges, 1/7, und <strong>der</strong> Rest ist<br />

unter <strong>der</strong> Oberfläche. Und diesen<br />

Rest, den muss man auch noch angehen<br />

mit <strong>der</strong> Behandlungsmethode<br />

<strong>der</strong> Homöopathie. So kann man sagen,<br />

beträgt die Behandlungsdauer bei<br />

chronischen Krankheiten in <strong>der</strong> Regel<br />

mindestens zwei Jahre.<br />

?<br />

Wir haben jetzt 250 Jahre<br />

Hahnemann, was würden<br />

Sie sich <strong>für</strong> die nächsten<br />

250 Jahre Homöopathie<br />

wünschen? Was könnte noch<br />

verbessert werden <strong>für</strong> die ärztliche<br />

Praxis zum Wohle <strong>der</strong> Patienten?<br />

HAHNEMANN hat gesagt: „Macht’s<br />

nach, aber macht’s genau nach!“ Das<br />

hat er vor ca. 200 Jahren gesagt und es<br />

gilt heute noch. Ich bin fest davon<br />

überzeugt, wenn es von heute an in<br />

200 weiteren Jahren noch Menschen<br />

gibt, dann wird es auch noch Krankheiten<br />

geben. Wenn es Krankheiten<br />

geben wird, die noch behandelt werden,<br />

dann wird es die Methode <strong>der</strong><br />

Homöopathie auch dann noch geben,<br />

da braucht nicht grundlegend etwas<br />

geän<strong>der</strong>t werden.<br />

Was ich mir wünsche, ist, dass <strong>der</strong><br />

gesamte Schatz von HAHNEMANNs<br />

Krankenakten noch in den nächsten<br />

Jahrzehnten aufgearbeitet wird. Dass<br />

daraus noch genauer erarbeitet wird,<br />

wie die Alten gearbeitet haben, denn<br />

die haben tatsächlich sehr viel geleistet<br />

und sehr viel erreicht. Dass diese<br />

Wege überhaupt von uns erstmals<br />

nachvollzogen werden können, was<br />

bisher noch gar nicht möglich war.<br />

Sehr geehrter Herr Dr. Frevert,<br />

haben Sie vielen Dank <strong>für</strong> dieses<br />

Gespräch.

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