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Grußwort zur Einweihung des Mahnmals zur ... - Stadt Wunstorf

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<strong>Grußwort</strong> <strong>des</strong> Bürgermeisters <strong>zur</strong> <strong>Einweihung</strong> <strong>des</strong> <strong>Mahnmals</strong> <strong>zur</strong> Erinnerung an die<br />

jüdischen Opfer <strong>Wunstorf</strong>s am 17. April 2002, 17.00 Uhr vor der Abtei<br />

Sehr geehrter Herr Fürst, sehr geehrte Frau Wettberg, sehr geehrter Herr Homeyer,<br />

sehr geehrter Herr Minister Aller,<br />

sehr geehrter Herr stv. Regionspräsident Lorenz,<br />

sehr geehrte Sponsoren – ich möchte nicht einzeln begrüßen, da einige Spender ungenannt<br />

bleiben wollen,<br />

sehr geehrter Herr Ferl, sehr geehrter Herr Hanebuth,<br />

sehr geehrte Damen und Herren <strong>des</strong> Rates,<br />

liebe Einwohnerinnen und Einwohner <strong>Wunstorf</strong>s,<br />

sehr geehrte Gäste,<br />

sehr geehrte Presse,<br />

- und nicht zu vergessen - sehr geehrter Herr Rebmann, der Künstler, der dieses<br />

Mahnmal geschaffen hat,<br />

der Anlass unseres heutigen Treffens ist ein beschämender, denn er erinnert uns an<br />

eines der düstersten Kapitel unserer eigenen Vergangenheit. Ja, auch in <strong>Wunstorf</strong><br />

wurde weggeschaut als die jüdischen Nachbarn abgeholt wurden; ja, es gab auch<br />

hier begeisterte Nationalsozialisten, die mitgetan haben.<br />

Nur – uns heutigen <strong>Wunstorf</strong>ern – gebührt nicht das Verdienst, moralisch mit dem<br />

Zeigefinger auf die damals Lebenden zu blicken.<br />

Ich denke wir tun gut daran, Bescheidenheit zu üben und uns vor unserer eigenen<br />

Geschichte nicht zu verstecken. Deshalb ist es wichtig, dass wir Stätten der Erinnerung<br />

schaffen, die uns mahnen, den Weg der Humanität nicht zu verlassen.<br />

Viele jüdische Einwohnerinnen und Einwohner <strong>Wunstorf</strong>s waren bis <strong>zur</strong> Enteignung<br />

ihrer Geschäfte Kaufleute in unserer <strong>Stadt</strong>. Die besaßen vornehmlich Grundbesitz in<br />

der Langen Straße und in der Südstraße. <strong>Wunstorf</strong>er Juden waren in unserer <strong>Stadt</strong><br />

integriert, sie dienten als Soldaten im Ersten Weltkrieg, wie z. B. Jacob Schloß und<br />

einige von ihnen fielen in den letzten Kriegsjahren an der Front. Richard Lazarus und<br />

Bernhard Kreuzer hatten für ihre Tapferkeit das Eiserne Kreuz erhalten.<br />

<strong>Wunstorf</strong>er Juden wirkten in Vereinen mit, besuchten <strong>Wunstorf</strong>er Schulen, schlossen<br />

Freundschaften mit Christen und heirateten auch Angehörige anderer Religionsgemeinschaften.<br />

Es gab bedeutende Persönlichkeiten, wie den Lehrer und Schriftsteller Meier-Spanier<br />

oder den Holzkaufmann Emil Kraft, der ab 1924 dem Bürgervorsteherkollegium angehörte<br />

und ehrenamtlicher Senator im Magistrat unserer <strong>Stadt</strong> war, und zwar bis<br />

1933. Emil Kraft hat in vorbildlicher Weise vielen <strong>Wunstorf</strong>er Menschen selbstlos geholfen,<br />

er war Förderer der <strong>Stadt</strong> und Helfer für viele. Er wurde 1943 in Auschwitz<br />

ermordet.<br />

Bereits Anfang der 50-er Jahre würdigte der Rat der <strong>Stadt</strong> <strong>Wunstorf</strong> seine Verdienste,<br />

indem er eine Straße nach ihm benannte.<br />

In den letzten Jahren haben engagierte <strong>Wunstorf</strong>erinnen und <strong>Wunstorf</strong>er immer wieder<br />

an die Leiden der Juden in unserer <strong>Stadt</strong> und an die Verbrechen ihrer Peiniger<br />

erinnert. So gibt es eine Inschrift auf den Treppenstufen <strong>des</strong> Hölty-Gymnasiums, die<br />

an den Leidensweg der jüdischen Zwillingsbrüder Ernst und Ludwig Lazarus erinnert,


2<br />

die dort <strong>zur</strong> Schule gingen. Heiner Wittrock hat im April 1990 in seinem Buch an das<br />

Schicksal der Juden in <strong>Wunstorf</strong> erinnert. Zur Erinnerung an den Viehhändler Gottschall<br />

de<br />

Jonge, der angesichts <strong>des</strong> Naziterrors 1938 den Freitod wählte, benannte die <strong>Stadt</strong><br />

<strong>Wunstorf</strong> im Juli 1993 per Ratsbeschluss eine Straße nach ihm.<br />

Letztendlich möchte ich an das Mahnmal erinnern, das wir im vergangenen Sommer<br />

im Lan<strong>des</strong>krankenhaus <strong>Wunstorf</strong> enthüllt haben. 370 Patienten fielen dem unmenschlichen<br />

Euthanasieprogramm zum Opfer und wurden 1940 und 1941 deportiert.<br />

Es gab wenige – auch das sollte hier gesagt werden – die den <strong>Wunstorf</strong>er Juden geholfen<br />

haben, aber es gab sie. Auch das möchte ich an dieser Stelle kurz erwähnen.<br />

Wir bekennen uns zu unserer Vergangenheit und möchten erinnern.<br />

Nach all den Jahren sind wir überzeugt, dass nicht Hass und Vernichtung, nicht Gewalt<br />

und nicht Terror, nicht Vertreibung und nicht Entwürdigung irgendeine Alternative<br />

in unserem Leben spielen dürfen. Gerade in Zeiten, wo wieder ideologischer oder<br />

religiöser Terror versuchen, sich auszubreiten, müssen wir an die Vergangenheit erinnern,<br />

benötigen wir Mahnung, sollten wir uns mit unserer eigenen Geschichte beschäftigen.<br />

Der Terror, der in Israel und Palästina tobt, wird zu keiner guten Lösung der dortigen<br />

Probleme führen. Versöhnung und Toleranz müssen dort alle üben, um die Probleme<br />

aufzuarbeiten, so wie wir es hier seit über 57 Jahren versuchen. Nur wenn man einander<br />

versteht, sich mit der Vergangenheit auseinandersetzt, versucht sie aufzuarbeiten,<br />

kann man irgendwann wieder zu einem unverkrampften, versöhnlichen, ja hoffentlich<br />

freundschaftlichen Verhältnis <strong>zur</strong>ückfinden. Dies wünsche ich mir in der jetzigen<br />

Zeit auch für Israel und Palästina.<br />

Wir wollen heute an zentraler Stelle in unserer <strong>Stadt</strong> dieses Mahnmal der Öffentlichkeit<br />

übergeben. Ich bin dankbar, dass der Verwaltungsausschuss <strong>des</strong> Rates der <strong>Stadt</strong><br />

den hier lebenden und arbeitenden Diplom-Bildhauer Ostap Rebmann im Herbst vorigen<br />

Jahres beauftragt hat, in künstlerisch ausdrucksvoller Sprache dieses Werk zu<br />

schaffen.<br />

Ausgehend vom siebenarmigen Leuchter, der in der jüdischen Tradition eine besondere<br />

Bedeutung hat, ist der Sockel mit seiner darauf in Sternform liegenden Sandsteinplatte<br />

so gearbeitet, dass er die schmerzerfüllten Gesichter dem Betrachter geradezu<br />

entgegenstreckt. Die Drehbarkeit der Platte lässt mich an die Mahlsteine der<br />

Geschichte denken, wenn die Menschen und ihre Würde unter die Räder kommen.<br />

Doch ich will hier keine Bilderklärung vornehmen; jeder Einzelne soll seinen eigenen<br />

Zugang zum Denkmal finden.<br />

Hinweisen möchte ich noch auf die Art und Weise wie die Namen unserer ehemaligen<br />

<strong>Wunstorf</strong>er Mitbürgerinnen und Mitbürger vor dem Vergessen bewahrt werden sollen.<br />

Sie sind in Sandsteinplatten eingemeißelt, die wiederum als Kerzenflamme auf den<br />

siebenarmigen Leuchter Bezug nehmen. Die Interpretation der hier aufgegriffenen<br />

Lichtsymbolik überlasse ich gerne Ihnen selber.<br />

Ich möchte nicht versäumen, mich auch heute zu bedanken.<br />

Stellvertretend für die Ideengeber möchte ich das ehemalige Ratsmitglied Wolfgang<br />

Ferl nennen.


3<br />

Ich möchte mich bei allen Sponsoren recht herzlich bedanken, die sich mit kleineren<br />

oder größeren Beträgen daran beteiligt haben, dass dieses Mahnmal entstehen konnte.<br />

Beachtenswert finde ich die Initiativen unserer Kirchen, die in Kollekten im Gottesdienst<br />

für die Finanzierung dieses <strong>Mahnmals</strong> gesammelt haben.<br />

Vielen Dank, Herr Pastor Kingreen, Sie waren es, der mir diese Anregung vorgetragen<br />

hat.<br />

Vielen Dank den zahlreichen Spendern.<br />

Ich möchte Sie alle darauf hinweisen, dass am Tag nach der <strong>Einweihung</strong> dieses<br />

<strong>Mahnmals</strong>, also morgen Donnerstag, dem 18. April um 16.30 Uhr,<br />

eine Ausstellung mit dem Titel „Sie waren Bürger <strong>Wunstorf</strong>s“ im Foyer der <strong>Stadt</strong>sparkasse<br />

eröffnet wird. Ich danke dem <strong>Wunstorf</strong>er Bürgerkomitee „Weiße Rose“ für diese<br />

– wie ich finde – gelungene Initiative.<br />

Ich möchte Sie, sehr geehrter Herr Fürst, als Lan<strong>des</strong>vorsitzender der jüdischen Gemeinden<br />

in Niedersachsen bitten, zusammen mit mir den Stein zu enthüllen.<br />

<strong>Wunstorf</strong>, 17. April 2002<br />

Rolf-Axel Eberhardt<br />

Bürgermeister

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