Artikel aus "Papageien" 7/2009 (PDF) - vogeltierarzt.de

Artikel aus "Papageien" 7/2009 (PDF) - vogeltierarzt.de Artikel aus "Papageien" 7/2009 (PDF) - vogeltierarzt.de

13.04.2013 Aufrufe

Abb. 1: Inkakakadu mit starker Hautverletzung; das wahre Ausmaß der Verletzung wurde erst bei genauer Untersuchung sichtbar … muss es dennoch nicht zu einem Schrecken ohne Ende kommen, wie der Endlos-Reim, an den die Überschrift erinnert, vielleicht vermuten lässt. Die Haut ist neben dem Federkleid das Organ des Vogels, das Umwelteinflüssen unmittelbar ausgesetzt ist. Sie hat äußerst wichtige Schutzfunktionen, die sie aber nur dann erfüllen kann, wenn sie gesund und unverletzt ist. Viele Haut- KRANKHEITEN erkrankungen sind Folge eines nicht optimalen Nahrungsangebotes oder von Stoffwechselstörungen, insbesondere der Leber. Oft verschlimmern Bakterien oder Pilze noch den Zustand, und es bilden sich Unterflügelekzeme. Ähnlich großflächige Hautdefekte können durch Verletzungen, Tumoren oder Selbstverstümmelung (Automutilation, vor allem bekannt bei den Kakadu-Arten) entstehen. PAPAGEIEN 7/2009 235 Abb. 2: Diese Verletzung hat sich die Blaustirnamazone innerhalb weniger Stunden selbst zugefügt; über 60 Prozent des Beinumfanges waren betroffen Und wenn die Haut aber nun ein Loch hat ... Dr. Cyrill Sauer, Panschwitz-Kuckau Unabhängig von der Grundursache haben die genannten Erkrankungen eines gemeinsam: Nicht selten entwickeln sie sich zu langwierigen und frustrierenden Prozessen. Oft kommt es bei einer konservativen Therapie (epithelisierungsfördernde Salben und gegebenenfalls Behandlung der Sekundärinfektionen) im Heilungsprozess zu Rückschlägen, besonders im Bereich der Flügelspannhaut. Dort ist die Beweglichkeit sehr

Abb. 1: Inkakakadu mit starker Hautverletzung; das wahre<br />

Ausmaß <strong>de</strong>r Verletzung wur<strong>de</strong> erst bei genauer Untersuchung<br />

sichtbar<br />

… muss es <strong>de</strong>nnoch nicht zu einem<br />

Schrecken ohne En<strong>de</strong> kommen, wie <strong>de</strong>r<br />

Endlos-Reim, an <strong>de</strong>n die Überschrift<br />

erinnert, vielleicht vermuten lässt.<br />

Die Haut ist neben <strong>de</strong>m Fe<strong>de</strong>rkleid das<br />

Organ <strong>de</strong>s Vogels, das Umwelteinflüssen<br />

unmittelbar <strong>aus</strong>gesetzt ist. Sie hat<br />

äußerst wichtige Schutzfunktionen, die<br />

sie aber nur dann erfüllen kann, wenn<br />

sie gesund und unverletzt ist. Viele Haut-<br />

KRANKHEITEN<br />

erkrankungen sind Folge eines nicht optimalen<br />

Nahrungsangebotes o<strong>de</strong>r von<br />

Stoffwechselstörungen, insbeson<strong>de</strong>re<br />

<strong>de</strong>r Leber. Oft verschlimmern Bakterien<br />

o<strong>de</strong>r Pilze noch <strong>de</strong>n Zustand, und es bil<strong>de</strong>n<br />

sich Unterflügelekzeme. Ähnlich<br />

großflächige Haut<strong>de</strong>fekte können durch<br />

Verletzungen, Tumoren o<strong>de</strong>r Selbstverstümmelung<br />

(Automutilation, vor allem<br />

bekannt bei <strong>de</strong>n Kakadu-Arten) entstehen.<br />

PAPAGEIEN 7/<strong>2009</strong><br />

235<br />

Abb. 2: Diese Verletzung hat sich die Bl<strong>aus</strong>tirnamazone innerhalb<br />

weniger Stun<strong>de</strong>n selbst zugefügt; über 60 Prozent<br />

<strong>de</strong>s Beinumfanges waren betroffen<br />

Und wenn die Haut aber nun ein<br />

Loch hat ...<br />

Dr. Cyrill Sauer, Panschwitz-Kuckau<br />

Unabhängig von <strong>de</strong>r Grundursache haben<br />

die genannten Erkrankungen eines<br />

gemeinsam: Nicht selten entwickeln sie<br />

sich zu langwierigen und frustrieren<strong>de</strong>n<br />

Prozessen. Oft kommt es bei einer konservativen<br />

Therapie (epithelisierungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong><br />

Salben und gegebenenfalls Behandlung<br />

<strong>de</strong>r Sekundärinfektionen) im<br />

Heilungsprozess zu Rückschlägen, beson<strong>de</strong>rs<br />

im Bereich <strong>de</strong>r Flügelspannhaut.<br />

Dort ist die Beweglichkeit sehr


Abb. 3: Ein klassisches Unterflügelekzem – beson<strong>de</strong>rs im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Flügelspannhaut (wo die Beweglichkeit am größten<br />

ist) kommt es bei konservativer Therapie oft zu Rückschlägen;<br />

bei <strong>de</strong>r Versorgung <strong>de</strong>r Wun<strong>de</strong> mit künstlicher<br />

Haut heilt dieser sensible Bereich wesentlich besser ab<br />

groß und sich bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Grin<strong>de</strong> reißen<br />

schnell ein.<br />

Seit einigen Jahren steht <strong>de</strong>n Tierärzten<br />

ein Material zur Verfügung – gewissermaßen<br />

eine künstliche Haut –, das mit<br />

großem Erfolg bei <strong>de</strong>r chirurgischen<br />

Versorgung solcher großflächiger Haut<strong>de</strong>fekte<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n kann. Diese<br />

KRANKHEITEN<br />

künstliche Haut ist überall dort sinnvoll,<br />

wo <strong>de</strong>r Abstand zwischen <strong>de</strong>n Wundrän<strong>de</strong>rn<br />

so groß ist, dass diese nicht mehr<br />

zusammengefügt wer<strong>de</strong>n können. Auch<br />

großflächige Hautbezirke, bei <strong>de</strong>nen die<br />

Wundheilung unbefriedigend ist (oft bei<br />

Unterflügelekzemen), können abgetragen<br />

und durch künstliche Haut ersetzt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Abb. 5: Anpassen <strong>de</strong>r künstlichen Haut an die Wun<strong>de</strong>; bei genauem Hinsehen ist<br />

das faserartige Gerüst in <strong>de</strong>m pergamentpapierähnlichen Material zu erkennen<br />

PAPAGEIEN 7/<strong>2009</strong><br />

236<br />

Abb. 4: Hauttumoren wie bei diesem Graupapagei scheinen<br />

beim Vogel nicht so infiltrativ zu wachsen wie bei Säugetieren;<br />

somit sind die Chancen gut, dass bei gründlicher Entfernung<br />

<strong>de</strong>s verän<strong>de</strong>rten Gewebes auch die Rezidivgefahr geringer<br />

ist<br />

Was macht dieses Material so beson<strong>de</strong>rs?<br />

Es sieht fast <strong>aus</strong> wie Pergamentpapier<br />

und fühlt sich im trockenen Zustand<br />

auch so an (Abb. 5). Sobald es jedoch<br />

befeuchtet wird, ist es äußerst flexibel<br />

und erstaunlich reißfest. Da es sich um<br />

ein natürliches Material tierischer Herkunft<br />

han<strong>de</strong>lt, ist unter <strong>de</strong>m Mikroskop<br />

ein feines Gerüst kollagener Fasern<br />

erkennbar. Genau dieses Gerüst ermöglicht<br />

es gesun<strong>de</strong>n Epithelzellen, sich<br />

vom Wundrand her innerhalb weniger<br />

Tage über das gesamte Wundbett zu verteilen.<br />

Die Grundlage für eine neue<br />

Haut ist somit geschaffen. Je nach<br />

Wundgröße ist <strong>de</strong>r Heilungsprozess in<br />

<strong>de</strong>r Regel innerhalb weniger Wochen<br />

abgeschlossen, es wächst wie<strong>de</strong>r eine<br />

völlig intakte Haut. Später können sogar<br />

Fe<strong>de</strong>rn wie<strong>de</strong>r ganz normal nachwachsen.<br />

Die folgen<strong>de</strong>n Beispiele sollen veranschaulichen,<br />

wie vielfältig die Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>s Einsatzes <strong>de</strong>r künstlichen<br />

Haut sind. Auf Abb. 2 ist <strong>de</strong>r Fuß einer<br />

Amazone zu sehen, die wahrscheinlich<br />

mit <strong>de</strong>m Ring hängen geblieben ist und<br />

sich infolge<strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>n Fuß innerhalb<br />

kurzer Zeit großflächig aufgebissen hat.<br />

Der Inkakakadu auf Abb. 1 hat sich<br />

seine Verletzung offensichtlich an einem<br />

scharfen Gegenstand in <strong>de</strong>r Voliere<br />

zugefügt, da die Schnittlinie bei <strong>de</strong>r Vor


stellung in <strong>de</strong>r Praxis noch <strong>de</strong>utlich zu<br />

sehen war. Bei <strong>de</strong>r wuchern<strong>de</strong>n Hautverän<strong>de</strong>rung<br />

<strong>de</strong>s Graupapageis auf Abb.<br />

4 han<strong>de</strong>lte es sich um einen bösartigen<br />

Tumor. Und auf Abb. 3 ist ein chronisches<br />

Unterflügelekzem zu sehen.<br />

Bei <strong>de</strong>r chirurgischen Versorgung <strong>de</strong>r<br />

Wun<strong>de</strong>n muss zunächst alles verän<strong>de</strong>rte<br />

und nicht mehr regenerationsfähige Gewebe<br />

abgetragen wer<strong>de</strong>n. Nach einer<br />

gründlichen Wundspülung wird die<br />

künstliche Haut, die etwas größer sein<br />

muss als die Wun<strong>de</strong> und an beweglichen<br />

Stellen auch bei maximaler Dehnung<br />

nicht spannen darf, unter die Wundrän<strong>de</strong>r<br />

geschoben und mit diesen vernäht<br />

(Abb. 6). Wichtig ist, dass die Wun<strong>de</strong><br />

immer feucht gehalten wird. Dafür kommen<br />

spezielle Salben o<strong>de</strong>r Gele zum<br />

Einsatz, die außer<strong>de</strong>m die Bildung von<br />

Epithelzellen unterstützen. In <strong>de</strong>n ersten<br />

Tagen wird die Wun<strong>de</strong> mit einem Verband<br />

geschützt. Bewährt hat sich dabei<br />

<strong>de</strong>r Einsatz von speziellem <strong>de</strong>hnbarem<br />

Verbandmaterial, welches sehr gut<br />

selbsthaftend ist, jedoch nicht mit <strong>de</strong>r<br />

Wun<strong>de</strong> und <strong>de</strong>m Fe<strong>de</strong>rkleid verklebt.<br />

Damit die Feuchtigkeit im Wundbett verbleibt<br />

und gleichzeitig <strong>de</strong>r Verband nicht<br />

durchnässt, wird die Wun<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m<br />

Anlegen <strong>de</strong>s Verban<strong>de</strong>s mit einer dünnen<br />

Folie abge<strong>de</strong>ckt. Falls <strong>de</strong>r Vogel<br />

dazu neigt, <strong>de</strong>n Verband beziehungsweise<br />

die Wun<strong>de</strong> zu beknabbern, wird das<br />

Anlegen eines Halskragens notwendig.<br />

Später, wenn sich die künstliche Haut<br />

KRANKHEITEN<br />

fest mit <strong>de</strong>m Wundbett verbun<strong>de</strong>n hat,<br />

erfolgt die Wundversorgung nur noch<br />

mit Feuchtigkeit spen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Gelen<br />

o<strong>de</strong>r Salben. Je nach Wundgröße beginnt<br />

sich nach drei bis vier Wochen <strong>de</strong>r<br />

Grind abzuheben. Beson<strong>de</strong>rs bei größeren<br />

Wun<strong>de</strong>n kann es von Vorteil sein,<br />

<strong>de</strong>n abgehobenen Teil <strong>de</strong>s Grin<strong>de</strong>s mit<br />

feinem Instrumentarium vorsichtig zu<br />

entfernen. Darunter kommt schon die<br />

neu gebil<strong>de</strong>te Haut zum Vorschein. Die<br />

Abb. 7: Bei <strong>de</strong>m Inkakakadu von <strong>de</strong>n Bil<strong>de</strong>rn 1 und 6 ist zwischen „neuer“ und<br />

„alter“ Haut nach 2 ½ Monaten kaum noch ein Unterschied feststellbar<br />

Abb. 6: Verän<strong>de</strong>rtes Gewebe muss konsequent abgetragen wer<strong>de</strong>n, auch wenn sich<br />

die sichtbare Wundfläche dadurch nochmals vergrößert; das Foto zeigt die künstliche<br />

Haut, die bereits fast vollständig mit <strong>de</strong>n Wundrän<strong>de</strong>rn vernäht ist<br />

PAPAGEIEN 7/<strong>2009</strong><br />

237<br />

leichte Rötung, welche typisch für eine<br />

sich neu bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> „junge“ Haut ist, verschwin<strong>de</strong>t<br />

innerhalb von zwei bis drei<br />

Wochen, und dann ist die neue Haut<br />

nicht mehr von <strong>de</strong>r unverletzten zu<br />

unterschei<strong>de</strong>n. Es tritt in <strong>de</strong>r Regel auch<br />

kein Juckreiz bei <strong>de</strong>n Vögeln auf, sodass<br />

die Chancen gut stehen, dass auch<br />

Vögel, die sich die Wun<strong>de</strong> selbst zugefügt<br />

haben, diese nicht wie<strong>de</strong>r beknabbern.<br />

Liegt keine Fe<strong>de</strong>rbildungsstörung<br />

vor, wachsen nach kurzer Zeit wie<strong>de</strong>r<br />

ganz normale Fe<strong>de</strong>rn. Selbst die extrem<br />

großflächige Hautverletzung bei <strong>de</strong>m<br />

Inkakakadu auf Abb.1 und Abb. 6 ist<br />

nach 2 ½ Monaten nahezu vollständig<br />

abgeheilt (Abb. 7).<br />

Wenn sich unsere gefie<strong>de</strong>rten Freun<strong>de</strong><br />

wie<strong>de</strong>r wohl in ihrer Haut fühlen, dann<br />

haben sich die vielen Anstrengungen<br />

gelohnt. Es ist immer eine Freu<strong>de</strong>, sie<br />

nach einer solch langwierigen Erkrankung<br />

wie<strong>de</strong>r unbeschwert in ihrem Zuh<strong>aus</strong>e<br />

o<strong>de</strong>r ihrer Voliere erleben zu dürfen.<br />

Anschrift <strong>de</strong>s Autors:<br />

Dr. Cyrill Sauer<br />

Crostwitzer Straße 4<br />

01920 Panschwitz-Kuckau<br />

Internet: www.<strong>vogeltierarzt</strong>.<strong>de</strong><br />

Fotos: vom Autor

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!