Dekubitus beim Rind - Vetion.de

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13.04.2013 Aufrufe

Ein häufig unterschätztes Problem in der Rinderpraxis Dekubitus beim Rind Großtierpraxis 5:9, 22-28 (2004) von M. Müller Einleitung In den letzten Jahren wurde in der Milchviehhaltung eine einseitige Leistungszucht mit dem Ziel der Leistungssteigerung betrieben (Lotthammer 1999). Dabei eilen die züchterisch möglichen Leistungssteigerungen den Kenntnissen und Fähigkeiten der optimalen Umweltgestaltung häufig voraus. Folgen sind Technopathien, pathologische Veränderungen an den Tieren im Zusammenhang mit ihrer Haltungsumwelt (Fiedler 2004). Hauptmanifestationsorgan von Technopathien ist die Haut der Tiere, die aufgrund ihrer exponierten Lage den Einwirkungen von außen als Erstes ausgesetzt ist. Neben verletzungsbedingten Schäden an den Zitzen als häufigem Ausgangspunkt für Mastitiden (Hartung 2000) spielen Erkrankungen der Klauen und der Gliedmaßen die wichtigste Rolle. Letztere stehen statistisch an dritter Stelle der krankheitsbedingten Abgangsursachen bei Kühen (Dirksen 1997). Zu nennen sind insbesondere traumatische Sohlenspitzengeschwüre, unregelmäßiger, zu starker oder auch zu geringer Hornabrieb sowie Dekubitalstellen (Dirksen 1997, Fiedler 2003, 2004). Auf letztgenanntes Krankheitsbild soll im Folgenden näher eingegangen werden, nicht zuletzt weil dieser Problematik in der Praxis - der Ansicht des Autors nach zu Unrecht - oft nur wenig Bedeutung beigemessen wird. Die häufig als “harmlose Liege- Titelbild: Dekubitalphlegmone am Tarsus lateral bei einer Kuh. Hautnekrose, darunter phlegmonös entzündetes Gewebe. 22 GROSSTIERPRAXIS 09/2004 schwielen” erachteten Dekubitalstellen können sich in das umgebende Weichteil- und Knochengewebe, u. U. auch in entfernt liegende Organe ausbreiten und so zu schwerwiegenden Störungen im Allgemeinbefinden und zum Tod der Tiere führen. In eigenen Untersuchungen am Sektionsgut des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden Klauenerkrankungen und Dekubitalphlegmonen als wichtigste Ursache von Endokarditiden ermittelt. Definition Dekubitus leitet sich vom Lateinischen “decumbere” (sich niederlegen) ab. Eine (längerfristige) äußere Druckeinwirkung mit Kompression von Gefäßen und lokaler Ischämie führt zur Ernährungsstörung von Geweben, zunächst der Haut und der Unterhaut, mit nachfolgender Nekrose, Mazeration, evtl. auch mit Infektion (Pschyrembel 1993). Ursachen Dekubitalstellen entstehen vor allem im Bereich hervorstehender Knochenpunkte. Dort ist die Haut einer Kompression durch den Knochen einerseits und harten Gegenständen der Haltungsumwelt (Stallboden und -einrichtungen) andererseits unmittelbar, d. h. ohne dazwischen liegenden Puffer ausgesetzt. Begünstigend wirkt da- bei das hohe Gewicht der Tiere. Ursachen von Seiten der Haltungsumwelt sind beispielsweise zu kurze Standbzw. Liegeflächen, bei denen die Tiere mit ihren Sprunggelenken auf der Kotstufe oder auf dem Gitterrost zu liegen kommen. Schwierigkeiten treten hier vor allem in älteren Anbindehaltungen auf, die den großrahmigen Tieren der modernen Milchviehzucht nicht gerecht werden (Dirksen 1996). Besonders nachteilig wirken sich Gitterroste mit schmalen (< 20 mm Stegbreite) und scharfkantigen Gitterstegen aus. Problematisch sind ferner zu harte oder unebene Böden im Liegebereich der Tiere. Probleme treten dann auf, wenn weiche Auflagen wie elastische Matratzen, qualitativ hochwertige Gummimatten und ausreichende Einstreu fehlen oder gar nur blanker Beton als Liegefläche dient. Als Auflagen finden sich vielerorts alte, längst ausgediente und nicht mehr nachgiebige Gummimatten, die aufgrund ihrer zahlreichen “Substanzverluste” auch ein Keimreservoir darstellen (Fiedler 2004). Die genannten Ursachen führen insbesondere zu Dekubitus an der Vorderseite der Karpal- und an der Seitenfläche der Tarsalgelenke. Eine weniger häufigere Lokalisation für Dekubitalstellen ist die Umgebung der Hüft- und Sitzbeinhöcker sowie des Trochanter major, Hautnekrosen entstehen hier vornehmlich im Zusammenhang mit zu hoch und in zu geringem Abstand

Ein häufig unterschätztes<br />

Problem in <strong>de</strong>r <strong>Rind</strong>erpraxis<br />

<strong>Dekubitus</strong> <strong>beim</strong> <strong>Rind</strong><br />

Großtierpraxis 5:9, 22-28 (2004)<br />

von M. Müller<br />

Einleitung<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Milchviehhaltung eine einseitige Leistungszucht<br />

mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Leistungssteigerung<br />

betrieben (Lotthammer<br />

1999). Dabei eilen die züchterisch<br />

möglichen Leistungssteigerungen <strong>de</strong>n<br />

Kenntnissen und Fähigkeiten <strong>de</strong>r optimalen<br />

Umweltgestaltung häufig<br />

voraus. Folgen sind Technopathien,<br />

pathologische Verän<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n<br />

Tieren im Zusammenhang mit ihrer<br />

Haltungsumwelt (Fiedler 2004).<br />

Hauptmanifestationsorgan von Technopathien<br />

ist die Haut <strong>de</strong>r Tiere, die<br />

aufgrund ihrer exponierten Lage <strong>de</strong>n<br />

Einwirkungen von außen als Erstes<br />

ausgesetzt ist. Neben verletzungsbedingten<br />

Schä<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Zitzen als<br />

häufigem Ausgangspunkt für Mastiti<strong>de</strong>n<br />

(Hartung 2000) spielen Erkrankungen<br />

<strong>de</strong>r Klauen und <strong>de</strong>r Gliedmaßen<br />

die wichtigste Rolle. Letztere stehen<br />

statistisch an dritter Stelle <strong>de</strong>r<br />

krankheitsbedingten Abgangsursachen<br />

bei Kühen (Dirksen 1997). Zu<br />

nennen sind insbeson<strong>de</strong>re traumatische<br />

Sohlenspitzengeschwüre, unregelmäßiger,<br />

zu starker o<strong>de</strong>r auch zu<br />

geringer Hornabrieb sowie Dekubitalstellen<br />

(Dirksen 1997, Fiedler 2003,<br />

2004). Auf letztgenanntes Krankheitsbild<br />

soll im Folgen<strong>de</strong>n näher eingegangen<br />

wer<strong>de</strong>n, nicht zuletzt weil dieser<br />

Problematik in <strong>de</strong>r Praxis - <strong>de</strong>r<br />

Ansicht <strong>de</strong>s Autors nach zu Unrecht -<br />

oft nur wenig Be<strong>de</strong>utung beigemessen<br />

wird. Die häufig als “harmlose Liege-<br />

Titelbild: Dekubitalphlegmone am Tarsus lateral bei einer Kuh. Hautnekrose, darunter phlegmonös entzün<strong>de</strong>tes Gewebe.<br />

22 GROSSTIERPRAXIS 09/2004<br />

schwielen” erachteten Dekubitalstellen<br />

können sich in das umgeben<strong>de</strong><br />

Weichteil- und Knochengewebe, u. U.<br />

auch in entfernt liegen<strong>de</strong> Organe ausbreiten<br />

und so zu schwerwiegen<strong>de</strong>n<br />

Störungen im Allgemeinbefin<strong>de</strong>n<br />

und zum Tod <strong>de</strong>r Tiere führen. In eigenen<br />

Untersuchungen am Sektionsgut<br />

<strong>de</strong>s Bayerischen Lan<strong>de</strong>samtes für Gesundheit<br />

und Lebensmittelsicherheit<br />

(LGL) wur<strong>de</strong>n Klauenerkrankungen<br />

und Dekubitalphlegmonen als wichtigste<br />

Ursache von Endokarditi<strong>de</strong>n ermittelt.<br />

Definition<br />

<strong>Dekubitus</strong> leitet sich vom Lateinischen<br />

“<strong>de</strong>cumbere” (sich nie<strong>de</strong>rlegen) ab.<br />

Eine (längerfristige) äußere Druckeinwirkung<br />

mit Kompression von Gefäßen<br />

und lokaler Ischämie führt zur<br />

Ernährungsstörung von Geweben,<br />

zunächst <strong>de</strong>r Haut und <strong>de</strong>r Unterhaut,<br />

mit nachfolgen<strong>de</strong>r Nekrose, Mazeration,<br />

evtl. auch mit Infektion (Pschyrembel<br />

1993).<br />

Ursachen<br />

Dekubitalstellen entstehen vor allem<br />

im Bereich hervorstehen<strong>de</strong>r Knochenpunkte.<br />

Dort ist die Haut einer Kompression<br />

durch <strong>de</strong>n Knochen einerseits<br />

und harten Gegenstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Haltungsumwelt<br />

(Stallbo<strong>de</strong>n und -einrichtungen)<br />

an<strong>de</strong>rerseits unmittelbar,<br />

d. h. ohne dazwischen liegen<strong>de</strong>n Puffer<br />

ausgesetzt. Begünstigend wirkt da-<br />

bei das hohe Gewicht <strong>de</strong>r Tiere. Ursachen<br />

von Seiten <strong>de</strong>r Haltungsumwelt<br />

sind beispielsweise zu kurze Standbzw.<br />

Liegeflächen, bei <strong>de</strong>nen die Tiere<br />

mit ihren Sprunggelenken auf <strong>de</strong>r<br />

Kotstufe o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Gitterrost zu<br />

liegen kommen. Schwierigkeiten treten<br />

hier vor allem in älteren Anbin<strong>de</strong>haltungen<br />

auf, die <strong>de</strong>n großrahmigen<br />

Tieren <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Milchviehzucht<br />

nicht gerecht wer<strong>de</strong>n (Dirksen 1996).<br />

Beson<strong>de</strong>rs nachteilig wirken sich Gitterroste<br />

mit schmalen (< 20 mm Stegbreite)<br />

und scharfkantigen Gitterstegen<br />

aus. Problematisch sind ferner zu<br />

harte o<strong>de</strong>r unebene Bö<strong>de</strong>n im Liegebereich<br />

<strong>de</strong>r Tiere. Probleme treten<br />

dann auf, wenn weiche Auflagen wie<br />

elastische Matratzen, qualitativ hochwertige<br />

Gummimatten und ausreichen<strong>de</strong><br />

Einstreu fehlen o<strong>de</strong>r gar nur<br />

blanker Beton als Liegefläche dient.<br />

Als Auflagen fin<strong>de</strong>n sich vielerorts<br />

alte, längst ausgediente und nicht<br />

mehr nachgiebige Gummimatten, die<br />

aufgrund ihrer zahlreichen “Substanzverluste”<br />

auch ein Keimreservoir<br />

darstellen (Fiedler 2004).<br />

Die genannten Ursachen führen insbeson<strong>de</strong>re<br />

zu <strong>Dekubitus</strong> an <strong>de</strong>r Vor<strong>de</strong>rseite<br />

<strong>de</strong>r Karpal- und an <strong>de</strong>r Seitenfläche<br />

<strong>de</strong>r Tarsalgelenke. Eine weniger häufigere<br />

Lokalisation für Dekubitalstellen<br />

ist die Umgebung <strong>de</strong>r Hüft- und Sitzbeinhöcker<br />

sowie <strong>de</strong>s Trochanter major,<br />

Hautnekrosen entstehen hier vornehmlich<br />

im Zusammenhang mit zu<br />

hoch und in zu geringem Abstand


montierten seitlichen Trennbügeln<br />

(Fiedler 2003). Dekubitalstellen im Bereich<br />

<strong>de</strong>r Ellbogen- und Kniegelenke<br />

wur<strong>de</strong>n vom Autor insbeson<strong>de</strong>re bei<br />

stark abgemagerten Tieren zusammen<br />

mit zahlreichen weiteren Liegestellen<br />

beobachtet. Festliegen von <strong>Rind</strong>ern<br />

führt schließlich zu Druckstellen im<br />

Sternalbereich (Dirksen et al. 2002).<br />

Pathogenese<br />

Unkomplizierte Fälle (Bursahygrom).<br />

Der Druck auf das Unterhautbin<strong>de</strong>gewebe<br />

veranlasst dieses, vermehrt Wasserbin<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Proteoglykane zu synthetisieren<br />

und zu sezernieren (Dämmrich<br />

und Loppnow 1990). Gleichzeitig wird<br />

die Sekretion <strong>de</strong>r die Bin<strong>de</strong>gewebsbildung<br />

induzieren<strong>de</strong>n Fibronektine gesteigert,<br />

wodurch das Bin<strong>de</strong>gewebe im<br />

Korium und in <strong>de</strong>r Subkutis vermehrt<br />

wird und sog. Liegeschwielen entstehen.<br />

Bei anhalten<strong>de</strong>m Druck <strong>de</strong>gradieren<br />

die Proteoglykane, Gewebswasser<br />

wird freigesetzt und sammelt sich in<br />

Spalträumen an. Die Gewebsspalten<br />

konfluieren und es entsteht ein subkutaner<br />

(akzessorischer) Schleimbeutel<br />

(Bursa synovialis subcutanea; Seiferle<br />

und Frewein 1984), <strong>de</strong>r die Aufgabe<br />

hat, <strong>de</strong>n einwirken<strong>de</strong>n Druck abzufangen.<br />

Bei massivem und langanhalten<strong>de</strong>m<br />

mechanischen Reiz schreitet die<br />

Synoviaproduktion fort, <strong>de</strong>r Schleimbeutel<br />

nimmt an Größe zu. Die Synovialmembran<br />

zeigt chronisch-entzündliche<br />

Verän<strong>de</strong>rungen in Form von villösen<br />

Proliferationen (Cohrs 1961). Derart<br />

chronisch entzün<strong>de</strong>te Schleimbeutel<br />

mit Ergußbildung wer<strong>de</strong>n als Bursahygrome<br />

bezeichnet (Reinacher<br />

1999). Man spricht auch von Bursitis<br />

(B.), z.B. B. praecarpalis o<strong>de</strong>r B. tarsalis<br />

lateralis, wobei eine primär entzündliche<br />

Genese in <strong>de</strong>n meisten Fällen nicht<br />

in Betracht kommen dürfte (Cohrs<br />

1961). Oberflächlich liegt oft eine starke<br />

Hyperkeratose vor (Dämmrich und<br />

Loppnow 1990), eine Hautnekrose fehlt<br />

meist. Demnach han<strong>de</strong>lt es sich in diesen<br />

Fällen streng genommen nicht um<br />

Dekubitalstellen.<br />

Komplizierte Fälle mit bakterieller<br />

Besie<strong>de</strong>lung. Die umschriebene<br />

Kompression von Hautgefäßen führt<br />

zur mangelhaften Versorgung entsprechen<strong>de</strong>r<br />

Hautareale. Bei länger<br />

dauern<strong>de</strong>r Ischämie wer<strong>de</strong>n die oberen<br />

Hautschichten nekrotisch und<br />

abgestoßen (Hautnekrose). Darunter<br />

wird Granulationsgewebe gebil<strong>de</strong>t.<br />

Hierbei han<strong>de</strong>lt es sich um ein fibrovaskuläres,<br />

d. h. aus Bin<strong>de</strong>gewebe<br />

und Gefäßsprossungen bestehen<strong>de</strong>s<br />

Gewebe mit <strong>de</strong>r Aufgabe, <strong>de</strong>n Defekt<br />

abzugrenzen (Weiss 1990). Die Gefäße<br />

sollen dabei die Nährstoffversorgung,<br />

das Bin<strong>de</strong>gewebe die mechanische<br />

Stabilität <strong>de</strong>s Wundbereiches<br />

gewährleisten. Solange die Entzündung<br />

durch anhalten<strong>de</strong>n Druck aufrechterhalten<br />

wird, ist eine Ausheilung<br />

nicht möglich. Bakterien können<br />

in die Tiefe <strong>de</strong>s Wundbereiches<br />

eindringen und zusammen mit reizen<strong>de</strong>n<br />

Exkreten, bestimmten Kotund<br />

Harnbestandteilen, die Entzündung<br />

unterhalten. Anaerobe bzw.<br />

mikroaerophile Umgebungsbedingungen<br />

dürften für die Vermehrung<br />

insbeson<strong>de</strong>re (fakultativ) anaerober<br />

Bakterien wie Arcanobacterium pyogenes,<br />

das in solchen Fällen regelmässig<br />

isoliert wird (Power und Rebhun<br />

1983, Healy 1996), eine nicht<br />

unerhebliche Rolle spielen. Die Toxine<br />

<strong>de</strong>r Bakterien und die proteolytischen<br />

Eigenschaften <strong>de</strong>r infolge<br />

chemotaktischer Reize angelockten<br />

neutrophilen Granulozyten führen<br />

DEKUBITUS<br />

DEKUBITUS<br />

zur Gewebsnekrose und -lysis. Durch<br />

<strong>de</strong>n Zerfall dieser Entzündungszellen<br />

entsteht Eiter. Gelingt es <strong>de</strong>m Organismus<br />

<strong>de</strong>n Entzündungsprozess<br />

durch Granulationsgewebe abzugrenzen,<br />

bleibt es bei <strong>de</strong>r Bildung eines<br />

Abszesses. An<strong>de</strong>rnfalls kann sich<br />

die Entzündung entlang von Bin<strong>de</strong>gewebsspalten<br />

interfaszial zwischen<br />

<strong>de</strong>n Muskelbäuchen o<strong>de</strong>r diffus im<br />

Unterhautbin<strong>de</strong>gewebe über große<br />

Strecken hinweg ausbreiten, auf diese<br />

Weise die gesamte Gliedmaße einbeziehen<br />

und sogar auf die Nachbargliedmaße<br />

übergreifen. Es han<strong>de</strong>lt<br />

sich dabei um eine diffuse eitrige<br />

Entzündung (Dekubitalphlegmone).<br />

Des Weiteren können in unmittelbarer<br />

Umgebung gelegene Gelenke,<br />

Sehnenschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Knochen erfasst<br />

wer<strong>de</strong>n (Arthritis, Tendovaginitis,<br />

Osteomyelitis). Erreicht die Entzündung<br />

Gefäßstrukturen, können<br />

diese ebenfalls in <strong>de</strong>n Entzündungsprozess<br />

einbezogen wer<strong>de</strong>n. Die entzündlichen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen schreiten<br />

dabei von <strong>de</strong>r äußeren Gefäßwand<br />

nach innen fort, wobei<br />

schließlich die Gefäßintima zerstört<br />

wird (Dahme 1999). Subintimales<br />

Kollagen wird freigesetzt und ein<br />

Thrombus kann entstehen (Abb. 1);<br />

Abb. 1. Dekubitalphlegmone bei einer Kuh. Histologischer Schnitt <strong>de</strong>r<br />

Unterhaut: Diffuse eitrige (phlegmonöse) Entzündung (große Pfeile) mit<br />

Einbeziehung von Gefäßen mit Bildung einer Thrombose (kleine Pfeile);<br />

Hämatoxylin-Eosin, 400x.<br />

GROSSTIERPRAXIS 09/2004 23


Abb. 2. Dekubitalphlegmone bei einer Kuh. Histologischer Schnitt <strong>de</strong>r<br />

Unterhaut: Bakterielle Mikroembolie (Pyämie) mit intravasal gelegenen<br />

Bakterien (Arcanobacterium pyogenes). Hämatoxylin-Eosin, 1000x.<br />

man spricht von thrombosieren<strong>de</strong>r<br />

Vaskulitis. Häufig sind <strong>de</strong>rartige<br />

Thromben mit <strong>de</strong>n am Entzündungsprozess<br />

beteiligten Bakterien behaftet<br />

(Vleet und Ferrans 2001). Wer<strong>de</strong>n Anteile<br />

<strong>de</strong>rartiger Thromben o<strong>de</strong>r auch<br />

die Bakterien abgeschwemmt, können<br />

sie mit <strong>de</strong>m Blutstrom in entfernt liegen<strong>de</strong><br />

Organe, insbeson<strong>de</strong>re in Herz,<br />

Lunge und Nieren (Power und Rebhun<br />

1983, Healy 1996), seltener in Gehirn<br />

o<strong>de</strong>r Milz verschleppt wer<strong>de</strong>n und dort<br />

Abb. 3. Präkarpales Bursahygrom bei einer<br />

Kuh. Bursa synovialis subcutanea<br />

praecarpalis mit verdickter Bursawand und<br />

serofibrinösem Inhalt.<br />

24 GROSSTIERPRAXIS 09/2004<br />

Entzündungsher<strong>de</strong> hervorrufen. Die<br />

abgeschwemmten bakterienhaltigen<br />

Thromben wer<strong>de</strong>n als infizierte o<strong>de</strong>r<br />

septische Emboli, <strong>de</strong>r Vorgang als bakterielle<br />

Thrombembolie bezeichnet<br />

(Vleet und Ferrans 2001). Pyämie beschreibt<br />

die wie<strong>de</strong>rholte hämatogene<br />

Aussaat von Bakterien (Abb. 2), die<br />

ebenfalls zu multipler Abszessbildung<br />

in entfernt liegen<strong>de</strong>n Organen führen<br />

kann (Pschyrembel 1993).<br />

Klinische und<br />

pathomorphologische<br />

Befun<strong>de</strong><br />

Akzessorischer Schleimbeutel<br />

(Bursa synovialis<br />

subcutanea)<br />

Akzessorische Schleimbeutel<br />

sind bis kopfgroße, gut abgegrenzte,<br />

fluktuieren<strong>de</strong>, subkutane<br />

Umfangsvermehrungen<br />

(Dirksen et al. 2002). Soweit<br />

keine bakterielle Sekundärinfektion<br />

vorliegt, besteht keine<br />

Schmerzhaftigkeit. Sie enthalten<br />

eine klare wässrige,<br />

teils mit Fibrinschlieren<br />

durchsetzte Flüssigkeit (Abb.<br />

3). Die Wand <strong>de</strong>r Bursa kann<br />

zottige Proliferationen aufweisen<br />

(villöse Bursitis); die<br />

Zotten bestehen aus fibrovaskulärem<br />

Gewebe und sind ein<br />

Ausdruck <strong>de</strong>r Chronizität <strong>de</strong>s Entzündungsprozesses.<br />

Hautnekrose<br />

Umschriebene Hautnekrosen im Zusammenhang<br />

mit Dekubitalstellen sind<br />

zumeist rundlich, ulzeriert und von<br />

schwarzbrauner Farbe; an <strong>de</strong>r Oberfläche<br />

haften Blut- o<strong>de</strong>r Schmutzkrusten.<br />

Das darunter gelegene Granulationsgewebe<br />

ist durch seine rötliche Farbe<br />

und die infolge Gefäßsprossungen granulierte<br />

Oberfläche gekennzeichnet<br />

(Dirksen et al. 2002).<br />

Abszess<br />

Abszesse sind unterschiedlich große,<br />

anfangs weniger scharf, später gut<br />

abgegrenzte, fluktuieren<strong>de</strong>, häufig<br />

subkutane Umfangsvermehrungen<br />

(Dirksen et al. 2002). Während anfangs<br />

ausgeprägte kollaterale Entzündungserscheinungen<br />

vorhan<strong>de</strong>n<br />

sind, sind sie später weitgehend<br />

schmerzlos. Abszesse enthalten Eiter,<br />

<strong>de</strong>r durch Punktion gewonnen wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Je nach Erregerbeteiligung<br />

ist dieser mehr dickflüssig und<br />

weißlichgelb (im Falle von Arcanobacterium-pyogenes-Infektionen)<br />

o<strong>de</strong>r eher dünnflüssig und bräunlich<br />

mit stark unangenehmem Geruch<br />

(jauchiges Exsudat infolge Besie<strong>de</strong>lung<br />

mit saprophytären Erregern).<br />

Phlegmone<br />

Breitet sich eine Entzündung diffus<br />

im Unterhautbin<strong>de</strong>gewebe aus, weist<br />

die Gliedmaße im betroffenen Bereich<br />

eine unscharf begrenzte Umfangsvermehrung<br />

sowie vermehrte<br />

Wärme und Schmerzhaftigkeit auf<br />

(Dirksen et al. 2002). Haut und Unterhaut<br />

lassen sich im entzündlich verän<strong>de</strong>rten<br />

Areal nicht mehr gegeneinan<strong>de</strong>r<br />

verschieben. Nicht selten wer<strong>de</strong>n<br />

in solchen Fällen die oberflächlich<br />

gelegenen Sehnenschei<strong>de</strong>n in<br />

<strong>de</strong>n Entzündungsprozess einbezogen<br />

(Tendovaginitis). Im Bereich <strong>de</strong>s<br />

Karpus sind dies die Sehnenschei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Endsehnen <strong>de</strong>s M. extensor digitalis<br />

communis und <strong>de</strong>s M. extensor<br />

digitalis lateralis, im Bereich <strong>de</strong>s Tarsus<br />

die auf <strong>de</strong>r Lateralseite gelegene


Sehnenschei<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Endsehne <strong>de</strong>s M.<br />

extensor digitalis lateralis. Prozesse,<br />

die sich in <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>s interfaszialen<br />

Bin<strong>de</strong>gewebes ausbreiten, sind ebenfalls<br />

sehr schmerzhaft und können<br />

mit hochgradiger Lahmheit einhergehen.<br />

Von außen betrachtet erscheint<br />

die Gliedmaße mit Ausnahme<br />

<strong>de</strong>r Dekubitalstelle jedoch häufig unverän<strong>de</strong>rt<br />

(Abb. 4 und Titelbild). Das<br />

Allgemeinbefin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Tiere kann je<br />

nach Lokalisation und Größe <strong>de</strong>r<br />

Phlegmone gering- bis hochgradig<br />

gestört sein; in vielen Fällen ist die<br />

Körpertemperatur nur vorübergehend<br />

fieberhaft erhöht (Dirksen et al.<br />

2002). Pathomorphologisch ist phlegmonös<br />

verän<strong>de</strong>rtes Unterhautbin<strong>de</strong>gewebe<br />

dadurch gekennzeichnet,<br />

dass sich die Haut nicht mehr leicht<br />

von <strong>de</strong>r Unterhaut abpräparieren,<br />

son<strong>de</strong>rn nur durch Schnei<strong>de</strong>n von<br />

ihr trennen lässt. Die Schnitte zeichnen<br />

sich dabei <strong>de</strong>utlich im phlegmonös<br />

verän<strong>de</strong>rten Gewebe ab. Häufig<br />

sind thrombosierte, oberflächlich gelegene<br />

Gefäße zu fin<strong>de</strong>n (Abb. 5).<br />

Entzündlich verän<strong>de</strong>rte Sehnenschei<strong>de</strong>n<br />

stellen sich pathomorphologisch<br />

als manschettenartig um die<br />

betroffenen Sehnen gelegene Fibrinausgüsse<br />

o<strong>de</strong>r multiple, in <strong>de</strong>r Sehnenumgebung<br />

gelegene Abszesse<br />

dar (Abb. 6). In chronischen Fällen<br />

kann es zu ausge<strong>de</strong>hnten bin<strong>de</strong>gewebigen<br />

Adhäsionen kommen. Entzündungen<br />

in <strong>de</strong>r Tiefe <strong>de</strong>r Musku-<br />

Abb. 5. Präkarpale Dekubitalphlegmone bei einer Kuh.<br />

Phlegmonöse Entzündung am Vor<strong>de</strong>rfuß mit Bildung<br />

einer Gefäßthrombose.<br />

Abb. 4. Phlegmone infolge <strong>Dekubitus</strong> am Tarsus lateral bei einer Kuh.<br />

Diffuse jauchig-eitrige Entzündung in <strong>de</strong>r Unterhaut und im intermuskulären<br />

Bin<strong>de</strong>gewebe (gleicher Fall wie Titelbild).<br />

latur zeichnen sich dadurch aus,<br />

dass das interfasziale Bin<strong>de</strong>gewebes<br />

bräunlich verfärbt ist und sich in<br />

<strong>de</strong>n Bin<strong>de</strong>gewebstaschen wässriges,<br />

bräunliches, übelriechen<strong>de</strong>s Exsudat<br />

ansammelt (s. Abb. 4). Die Entzündung<br />

kann sich in <strong>de</strong>n intermuskulären<br />

Spalträumen auf direktem<br />

Weg rasch ausbreiten und so die gesamte<br />

Gliedmaße einbeziehen, gelegentlich<br />

sogar auf die Nachbargliedmaße<br />

übergreifen. Nicht selten<br />

kommt es auch zur Bildung ausge<strong>de</strong>hnter<br />

Gefäßthrombosen.<br />

Arthritis, Osteomyelitis<br />

Erreichen die phlegmonösen Prozesse<br />

in <strong>de</strong>r Tiefe gelegene Gelenke o<strong>de</strong>r Knochen,<br />

so können sie nach Überwin<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Gelenkkapsel bzw. <strong>de</strong>s Periostes auf<br />

<strong>de</strong>n Gelenkraum o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Knochen<br />

übergreifen. Es entsteht eine Arthritis<br />

bzw. Osteomyelitis (Abb. 6 bis 8). Betroffene<br />

Gelenke sind geschwollen, vermehrt<br />

warm und druckempfindlich, bei<br />

Punktion läuft trübe Synovia ab (Dirksen<br />

et al. 2002), pathomorphologisch<br />

liegt gleichzeitig oft eine Vermehrung<br />

Abb. 6. Präkarpale Dekubitalphlegmone bei einer Kuh.<br />

Chronisch-eitrige Karpitis und Perikarpitis mit<br />

Einbeziehung <strong>de</strong>r Sehnenschei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Karpalgelenkstrecker<br />

und Knorpel<strong>de</strong>fekten am Os carpale II + III.<br />

GROSSTIERPRAXIS 09/2004 25


Abb. 7. Chronische Tarsitis infolge Dekubitalphlegmone am Tarsus lateral,<br />

Kuh: Hochgradige Fibrinansammlung in <strong>de</strong>n Gelenkräumen, Knorpel- und<br />

Knochen<strong>de</strong>fekte an <strong>de</strong>n Gelenkflächen <strong>de</strong>r Tarsalknochen mit eitriger<br />

Osteomyelitis (*), periostale Zubildungen von Geflechtknochen im Bereich <strong>de</strong>s<br />

Kalkaneus (**); ferner Hinweise auf kachektischen Ernährungszustand<br />

(gallertige Atrophie <strong>de</strong>s Knochenmarkes).<br />

periartikulären Bin<strong>de</strong>gewebes vor; man<br />

spricht von fibrosieren<strong>de</strong>r Periarthritis<br />

(Reinacher, 1999). Der Gelenkraum ist<br />

mit eitrigem o<strong>de</strong>r fibrinösem (Abb. 7)<br />

Abb. 8. Osteomyelitis infolge <strong>Dekubitus</strong> im<br />

Ellbogenbereich mit pathologischer Fraktur <strong>de</strong>s<br />

Ellbogenhöckers; Kuh.<br />

26 GROSSTIERPRAXIS 09/2004<br />

Exsudat gefüllt, die Gelenkkapsel durch<br />

Granulationsgewebe verdickt. In fortgeschrittenen<br />

Fällen liegen – insbeson<strong>de</strong>re<br />

in <strong>de</strong>n Gelenknischen, in <strong>de</strong>nen<br />

sich die Bakterien und<br />

Entzündungsprodukte<br />

ansammeln (Weisbro<strong>de</strong><br />

und Doige 2001) – Defekte<br />

im Gelenkknorpel und<br />

im darunter gelegenen<br />

subchondralen Knochen<br />

vor. Bei chronischen Arthriti<strong>de</strong>n<br />

sind regelmäßig<br />

periartikuläre Geflechtknochenzubildungen<br />

zu<br />

erkennen (Abb. 7), die auf<br />

eine entzündliche Reizung<br />

<strong>de</strong>s Periostes zurückzuführen<br />

sind. Sie<br />

sind am leben<strong>de</strong>n Tier<br />

durch Röntgenuntersuchung<br />

(Dirksen et al.<br />

2002) und postmortal<br />

durch enzymatische Mazeration<br />

(Weisbro<strong>de</strong> und<br />

Doige 2001) sicher nachzuweisen.<br />

Eine Osteomyelitis kann<br />

im Anschluss an Arthri-<br />

ti<strong>de</strong>n (s. Abb. 7) o<strong>de</strong>r auf direktem Wege<br />

entstehen, wenn die Entzündung auf<br />

das Knochengewebe übergreift. Die zunächst<br />

stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Reizung <strong>de</strong>s Periostes<br />

führt wie<strong>de</strong>rum zu periostalen<br />

Knochenzubildungen. Hat die Entzündung<br />

das Periost und die darunter gelegene<br />

Kortikalis überwun<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n<br />

spongiösen Markraum erreicht, kann<br />

sie sich aufgrund <strong>de</strong>r offenen Markräume<br />

und <strong>de</strong>r guten Vaskularisation<br />

schnell ausbreiten. Entzündlich verän<strong>de</strong>rtes<br />

Knochenmark zeichnet sich<br />

durch seine schmutzig-braune Farbe<br />

aus. Fallen größere Knochenanteile <strong>de</strong>r<br />

Nekrose anheim, wer<strong>de</strong>n sie zumeist als<br />

Knochensequester entzündlich <strong>de</strong>markiert;<br />

nekrotischer Knochen erscheint<br />

auf <strong>de</strong>r Schnittfläche kalkweiß und<br />

stumpf. Außer<strong>de</strong>m verliert er seine mechanische<br />

Stabilität, so dass es vermehrt<br />

zu pathologischen Frakturen<br />

kommen kann (s. Abb. 8).<br />

Pyämie, bakterielle<br />

Thrombembolie<br />

Entwickelt sich im Rahmen phlegmonöser<br />

Prozesse eine Pyämie o<strong>de</strong>r bakterielle<br />

Thrombembolie, wie eingangs beschrieben,<br />

so wer<strong>de</strong>n die Bakterien o<strong>de</strong>r<br />

bakterienhaltigen Emboli häufig in<br />

Lunge, Herz und Nieren verschleppt<br />

(Power und Rebhun 1983, Healy 1996,<br />

Müller 2003, Müller und Hermanns<br />

2003). Eigenen Untersuchungen zufolge<br />

sind Pyämien bzw. bakterielle<br />

Thrombembolien ein relativ häufiges<br />

Ereignis bei Milchkühen, wer<strong>de</strong>n aber<br />

vermutlich aufgrund <strong>de</strong>r unter Praxisbedingungen<br />

erschwerten Untersuchungsbedingungen<br />

nur selten diagnostiziert.<br />

Neben Klauenerkrankungen<br />

wur<strong>de</strong>n Dekubitalphlegmonen als häufigste<br />

Erregereintrittspforte ermittelt.<br />

In <strong>de</strong>r Lunge kann eine eitrige Herdpneumonie<br />

entstehen. Die Herdprozesse<br />

sind über die gesamte Lunge verteilt<br />

und je nach Art <strong>de</strong>r beteiligten Erreger<br />

mehr eitrig (abszedieren<strong>de</strong> Herdpneumonie<br />

im Falle von Arcanobacteriumpyogenes-Infektionen)<br />

o<strong>de</strong>r jauchignekrotisierend<br />

(bei Besie<strong>de</strong>lung mit saprophytären<br />

Erregern). Kleinere Her<strong>de</strong><br />

können klinisch über längere Zeit hinweg<br />

symptomlos bleiben, während


Abb. 9. Herz, Kuh. Endocarditis valvularis thromboticans<br />

<strong>de</strong>r Bikuspidalklappe bei bakterieller Thrombembolie<br />

infolge Dekubitalphlegmone.<br />

<strong>beim</strong> Betroffensein größerer Lungenbezirke das Allgemeinbefin<strong>de</strong>n<br />

gestört ist (Dirksen et al. 2002).<br />

Am Herzen besie<strong>de</strong>ln die Mikroemboli bevorzugt das Klappenendokard,<br />

vor allem <strong>de</strong>r Atrioventrikularklappen und<br />

führen hier zu einer Endokarditis (Abb. 9). Am häufigsten<br />

ist die Trikuspidalklappe betroffen (Power und Rebhun<br />

1983, Healy 1996).<br />

In <strong>de</strong>n Nieren können die Mikroemboli eine eitrige Herdnephritis<br />

o<strong>de</strong>r Niereninfarkte verursachen. Die eitrige Herdnephritis<br />

ist durch unterschiedlich große Abszesse im Nierenparenchym<br />

gekennzeichnet (Abb. 10). In fortgeschrittenen<br />

Fällen kann sich durch Konfluenz <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong> und Durchbruch<br />

ins Nierenmark eine (<strong>de</strong>szendieren<strong>de</strong>) Pyelonephritis<br />

entwickeln. Niereninfarkte sind von weißlicher o<strong>de</strong>r rötlicher<br />

Farbe, landkartenartig begrenzt mit rötlichem (hyperämischem)<br />

Randsaum und ragen keilförmig ins Nierenmark.<br />

Die Größe <strong>de</strong>s jeweiligen Infarktes richtet sich nach<br />

<strong>de</strong>m Kaliber <strong>de</strong>s durch <strong>de</strong>n Embolus verstopften Gefäßes.<br />

Klinisch zeigen die Tiere mit Pyämie bzw. bakterieller<br />

Thrombembolie Inappetenz, häufig intermittieren<strong>de</strong>s therapieresistentes<br />

Fieber sowie eine erhöhte Atem- und Herzschlagfrequenz<br />

(Dirksen et al. 2002). Bei Vorliegen einer Endokarditis<br />

treten endokardiale Nebengeräusche und/o<strong>de</strong>r<br />

Stauungserscheinungen auf, sobald die Endokardwucherungen<br />

eine gewisse Größe erreicht haben. Plötzliche To<strong>de</strong>sfälle<br />

sind ebenfalls möglich. Im Falle einer eitrigen Herdnephritis<br />

kann durch rektale Untersuchung eine Schwellung<br />

<strong>de</strong>r linken Niere mit knotigen Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Nierenoberfläche<br />

festgestellt wer<strong>de</strong>n. Der Harn ist trüb und flockig,<br />

weist eine Proteinurie und häufig auch eine Hämaturie auf.<br />

Im Harnsediment fin<strong>de</strong>n sich massenhaft Nierenepithelien,<br />

Erythrozyten, Leukozyten und Bakterien.<br />

Literatur Literatur unter unter VV<br />

<strong>Vetion</strong>.<strong>de</strong> VV<br />

etion.<strong>de</strong> etion.<strong>de</strong><br />

Abb. 10. Niere, Kuh. Eitrige Herdnephritis bei<br />

bakterieller Thrombembolie infolge Dekubitalphlegmone.<br />

Zusammenfassung<br />

Zusammenfassung<br />

Ein Ein häufig häufig unterschätztes unterschätztes Problem Problem in in <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r<br />

<strong>Rind</strong>erpraxis <strong>Rind</strong>erpraxis - - <strong>Dekubitus</strong> <strong>Dekubitus</strong> <strong>beim</strong> <strong>beim</strong> <strong>beim</strong> <strong>Rind</strong><br />

<strong>Rind</strong><br />

Schlüsselwörter: Schlüsselwörter: <strong>Dekubitus</strong>, Dekubitalphlegmone, Bursahygrom,<br />

bakterielle Thrombembolie, Endokarditis<br />

Das Krankheitsbild „<strong>Dekubitus</strong>“ ist ein häufiges Ereignis in<br />

<strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Milchviehhaltung. Als Ursache sind das<br />

hohe Gewicht <strong>de</strong>r Tiere einerseits und die nicht ausreichend<br />

auf das Bedürfnis <strong>de</strong>r Tiere abgestimmte Aufstallung<br />

an<strong>de</strong>rerseits anzusehen. Bevorzugt betroffen sind die<br />

Hautbereiche vor <strong>de</strong>n Karpalgelenken und seitlich <strong>de</strong>s Tarsus.<br />

Neben harmlosen Bursahygromen kommt es nicht selten<br />

zu schwerwiegen<strong>de</strong>n Komplikationen wie ausge<strong>de</strong>hnten<br />

Hautnekrosen, multiplen subkutanen Abszessen,<br />

Phlegmonen, z. T. mit Einbezug von Sehnenschei<strong>de</strong>n, Einbruch<br />

in Gelenke und Knochen sowie zur Bildung von Gefäßthrombosen<br />

und -embolien und hämatogener Erregerstreuung<br />

in verschie<strong>de</strong>ne Organe, insbeson<strong>de</strong>re Lunge,<br />

Herz und Nieren. Derartige bakterielle Thrombembolien<br />

sind in <strong>de</strong>r Praxis nur schwer zu diagnostizieren und dürften<br />

statistischen Auswertungen zufolge wesentlich häufiger<br />

sein als angenommen. Die Prognose einer Endokarditis<br />

ist als ungünstig bis infaust anzusehen, plötzliche To<strong>de</strong>sfälle<br />

können auftreten.<br />

Das Krankheitsbild „<strong>Dekubitus</strong>“ stellt daher eine durchaus<br />

ernstzunehmen<strong>de</strong> Problematik in <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen Milchviehhaltung<br />

dar. Bei gehäuftem Auftreten ist eine sorgfältige<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Aufstallung angezeigt. Zu achten ist<br />

in diesem Zusammenhang insbeson<strong>de</strong>re auch auf die Größe<br />

und Bo<strong>de</strong>nbeschaffenheit <strong>de</strong>r Liegeboxen bzw. Standflächen.<br />

GROSSTIERPRAXIS 09/2004 27

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