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RECHTSEXTREMISMUS unter dem neuen Parteivorsitzenden Apfel schwieriger werden­ den „Volksfront“ bestimmt. Die NPD misst den Zielen, eine möglichst große Wählerschaft zu erreichen, Parlamentsmandate zu erringen und diesbezügliche Erfolge zu verstetigen, zentrale Bedeutung bei. Diese Schwerpunktsetzung kollidiert nicht selten mit anderen Prioritäten im Rahmen der „Vier­Säulen­Strategie“. Vor allem der Dualismus zwischen weltanschaulicher Dogmatik und „politikfähigem“ Pragmatismus ist regelmäßig Gegenstand parteiinterner Konflikte. Nach den für die NPD enttäuschenden Wahlresultaten im ersten Halbjahr 2011, insbesondere nach dem verpassten, im Vorfeld bereits als sicher geglaubten Einzug in den Landtag von Sachsen­Anhalt am 20. März 2011 (vgl. Nr. 1.3), setzte eine erneute Debatte über die strategische Ausrichtung der Partei ein. Die Auseinandersetzungen blieben nicht wie in den beiden Vorjahren auf polarisierende Schlagworte wie „gegenwartsbezogener und zukunftsgewandter Nationalismus“ einerseits und „authentische Systemalternative“ andererseits beschränkt, sondern enthielten auch konkretere Vorschläge zu einzelnen Aspekten der Außendarstellung wie etwa im Hinblick auf die Demonstrationspraxis oder die Kampagnenfähigkeit der Partei. Mit Blick auf den angestrebten Parteivorsitz versuchte Apfel, die Strategiedebatte für die Schärfung des eigenen Profils zu nutzen. Am 28. März 2011 forderte er, interne Faktoren für das Scheitern in Sachsen­Anhalt stärker zu berücksichtigen. Um nachhaltige Erfolge zu erzielen, müsse die NPD ihre Strukturen ausbauen, die Internetkompetenz verbessern, die Straßenpräsenz stärken und die publizistische Infrastruktur erweitern. Vor allem müsse Schluss sein, ewig die Schlachten von gestern zu kämpfen, statt sich den Problemen der Gegenwart und Zukunft zu stellen. Das „nationale Lager“ verschwende zu viele Ressourcen auf die Gedenk­ und Trauerkultur. Um einer „seriösen Radikalität“ willen müsse man zudem bereit sein, sich von Kräften zu trennen, die nationale Politik mit „rechter Spaßgesellschaft“ verwechsel­ ten. 28 Der stellvertretende Bundesvorsitzende Richter griff diesen Gedanken auf und forderte in seinem Anfang Juni 2011 veröf­ fentlichten Thesenpapier „Raus aus dem Vergangenheitsghetto – Gegenwart gestalten!“, die NPD müsse – ohne Infragestellung 28 Homepage der NPD Sachsen (28. März 2011). Strategiedebatte infolge schlechter Wahlresultate 87

88 Bekräftigung der „Volksfront“ RECHTSEXTREMISMUS weltanschaulicher Positionen – eine konsequent gegenwartspoli­ tische Außendarstellung durchsetzen, um nicht auf dem Niveau eines „Nostalgieverein(s) mit dem Charme einer großen Selbsterfahrungsgruppe“ zu verharren. Notfalls müsse sich die Partei von unverbesserlichen „Symbol­ und Gedenkfanatikern“ trennen, denen die nötige Einsicht in die Erfordernisse des parteipolitisches Kampfes fehle (vgl. Kap V, Nr. 3). 29 Aus den zahlreichen Verlautbarungen zur Strategie der NPD kristallisierten sich drei Grundvarianten heraus: Eine erste Gruppe plädierte für eine offensive Rückbesinnung auf ideologische Prinzipien und eine klare Freund­Feind­Bestimmung. Der zweite, innerhalb der NPD mehrheitlich vertretene Strategieansatz sah vor, das Erscheinungsbild der Partei konsequent zu modernisieren und zu professionalisieren, ohne jedoch ideologische Positionen aufzuweichen oder gar aufzugeben. Vereinzelte, einer dritten Kategorie zuzuordnende Stellungnahmen enthielten über die allgemeine Forderung nach einer äußerlichen Parteierneuerung hinaus auch das vage Zugeständnis, inhaltlich­ideologische Anpassungen in Ansätzen in Kauf nehmen zu müssen. Ungeachtet der intensiv geführten Debatte verfügt die NPD nach wie vor nicht über ein strategisch schlüssiges Gesamtkonzept. Der Spagat zwischen modernisierter Oberfläche und ideologischer Dogmatik birgt ein zu hohes Spannungspotenzial. Die von der Parteiführung geforderte Hinwendung zu gegenwartsbezogenen, ideologisch anschlussfähigen Themen wird häufig durch einen Rückfall in tradierte rechtsextremistische Argumentationsmuster konterkariert. Auch das Verhältnis der NPD zu den sogenannten Freien Kräften ist nicht widerspruchsfrei. Angesichts eines regional z.T. sehr hohen Verflechtungsgrads mit der neonazistischen Szene und der Abhängigkeit von dessen Mobilisierungskraft kommt ein klarer Bruch mit diesem Spektrum für die NPD nicht in Betracht. Innerhalb der Partei werden allerdings die Vor­ und Nachteile der Zusammenarbeit mit „Freien Nationalisten“ kontrovers diskutiert und demzufolge der für die NPD zu erzielende „Kooperations­ gewinn“ unterschiedlich bewertet. Wie groß die ideologischen Schnittmengen und die übereinstimmenden politischen Zielvor­ stellungen sind, wurde auf dem Pressefest des NPD­Parteiorgans 29 Karl Richter, „‚Raus aus dem Vergangenheitsghetto – Gegenwart gestalten!‘ – Vier Thesen zu einer künftigen Positionierung der NPD“, Internetplattform „Altermedia Deutschland“, 7. Juni 2011.

RECHTSEXTREMISMUS<br />

unter dem neuen Parteivorsitzenden Apfel schwieriger werden­<br />

den „Volksfront“ bestimmt.<br />

Die NPD misst den Zielen, eine möglichst große Wählerschaft zu<br />

erreichen, Parlamentsmandate zu erringen und diesbezügliche<br />

Erfolge zu verstetigen, zentrale Bedeutung bei. Diese Schwerpunktsetzung<br />

kollidiert nicht selten mit anderen Prioritäten im<br />

Rahmen der „Vier­Säulen­Strategie“. Vor allem der Dualismus<br />

zwischen weltanschaulicher Dogmatik und „politikfähigem“<br />

Pragmatismus ist regelmäßig Gegenstand parteiinterner Konflikte.<br />

Nach den für die NPD enttäuschenden Wahlresultaten<br />

im ersten Halbjahr <strong>2011</strong>, insbesondere nach dem verpassten, im<br />

Vorfeld bereits als sicher geglaubten Einzug in den Landtag von<br />

Sachsen­Anhalt am 20. März <strong>2011</strong> (vgl. Nr. 1.3), setzte eine erneute<br />

Debatte über die strategische Ausrichtung der Partei ein. Die<br />

Auseinandersetzungen blieben nicht wie in den beiden Vorjahren<br />

auf polarisierende Schlagworte wie „gegenwartsbezogener und<br />

zukunftsgewandter Nationalismus“ einerseits und „authentische<br />

Systemalternative“ andererseits beschränkt, sondern enthielten<br />

auch konkretere Vorschläge zu einzelnen Aspekten der Außendarstellung<br />

wie etwa im Hinblick auf die Demonstrationspraxis oder<br />

die Kampagnenfähigkeit der Partei.<br />

Mit Blick auf den angestrebten Parteivorsitz versuchte Apfel, die<br />

Strategiedebatte für die Schärfung <strong>des</strong> eigenen Profils zu nutzen.<br />

Am 28. März <strong>2011</strong> forderte er, interne Faktoren für das Scheitern<br />

in Sachsen­Anhalt stärker zu berücksichtigen. Um nachhaltige<br />

Erfolge zu erzielen, müsse die NPD ihre Strukturen ausbauen,<br />

die Internetkompetenz verbessern, die Straßenpräsenz stärken<br />

und die publizistische Infrastruktur erweitern. Vor allem müsse<br />

Schluss sein, ewig die Schlachten von gestern zu kämpfen, statt<br />

sich den Problemen der Gegenwart und Zukunft zu stellen.<br />

Das „nationale Lager“ verschwende zu viele Ressourcen auf die<br />

Gedenk­ und Trauerkultur. Um einer „seriösen Radikalität“ willen<br />

müsse man zudem bereit sein, sich von Kräften zu trennen,<br />

die nationale Politik mit „rechter Spaßgesellschaft“ verwechsel­<br />

ten. 28 Der stellvertretende Bun<strong>des</strong>vorsitzende Richter griff diesen<br />

Gedanken auf und forderte in seinem Anfang Juni <strong>2011</strong> veröf­<br />

fentlichten Thesenpapier „Raus aus dem Vergangenheitsghetto<br />

– Gegenwart gestalten!“, die NPD müsse – ohne Infragestellung<br />

28 Homepage der NPD Sachsen (28. März <strong>2011</strong>).<br />

Strategiedebatte<br />

infolge schlechter<br />

Wahlresultate<br />

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