Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ...
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SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Um ihre Erkenntnisse zu vertiefen, nutzen sie die durch ihre offizielle Tätigkeit aufgebauten Kontakte. Durch eine methodisch geschickte Gesprächsführung versuchen sie, an sensible Informationen zu gelangen, ohne dass ihr Gesprächspartner dies bemerkt. Ziel derartiger Aufklärungsbemühungen sind u.a. Vertreter deutscher Behörden und Unternehmen oder Wissenschaftler, aber auch Bundeswehrsoldaten. Verfügen ihre Gesprächspartner über interessante Zugangsmöglichkeiten, versuchen die Nachrichtendienstmitarbeiter durch wiederholte Treffen, Geschenke, Einladungen zu Restaurantbesuchen oder Reisen nach China eine persönliche Verbindung aufzubauen. Langfristig soll durch diese „Kultivierung“ erreicht werden, dass der Wissensträger seinem vorgeblichen Freund vertrauliche Informationen weitergibt. Weitere Möglichkeiten für die Erkenntnisgewinnung ergeben sich aufgrund der zahlreichen zwischenstaatlichen Wirtschafts und Wissenschaftskooperationen. So leben und arbeiten etwa 79.000 Chinesen in Deutschland, darunter etliche Gastwissenschaftler, Praktikanten und Studenten. Diese Personengruppe stellt ein großes Wissenspotenzial dar, dessen sich die Nachrichtendienste durchaus bewusst sind. Sie verschaffen sich einen Überblick über Arbeitsbereiche sowie Zugänge und bauen Kontakte auf. Die nachrichtendienstliche Nutzung dieser Kontakte, auch bezeichnet als NonProfessionals, hat für die Dienste den Vorteil, dass bei Bekanntwerden eines Ausspähungsversuches nicht ersichtlich ist, ob dieser aus Eigeninitiative oder im staatlichen Auftrag erfolgte. 4.2 Bekämpfung der „Fünf Gifte“ in Deutschland Im Gegensatz zur Informationsbeschaffung in den Bereichen Politik, Militär und Wirtschaft verhalten sich die chinesischen Nachrichtendienste bei der Aufklärung und Bekämpfung der „Fünf Gifte“ (vgl. Nr. 3) deutlich aggressiver. Ihre Methoden sind dabei vielfältig. Grundlage für ihre Maßnah men bilden auch hier zunächst offene Informationen. So besuchen die Nachrichtendienstangehörigen öffentliche Veranstaltungen und Kundgebungen. Daneben sammeln sie entsprechende Publikationen und werten diese aus. Chinesische Journalisten, die „Abschöpfung“ von Kontaktpersonen Aufbau von Beziehungen Non-Professionals Methoden 393
394 SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN Verurteilungen als Informationszuträger dienen, können unverfänglich in der Öffentlichkeit agieren. Die Dienste diffamieren häufig den „Fünf Giften“ zugerechnete Personengruppen pauschal als Gewalttäter oder Terroristen. Dadurch sollen, auch im Hinblick auf die deutschchinesischen Beziehungen, deutsche Behörden zu einem Einschreiten gegen diese Personengruppen veranlasst und mögliche Veranstaltungsverbote erwirkt werden. Daneben wurden Aktivitäten von Angehörigen der „Fünf Gifte“ durch elektronische Maßnahmen eingeschränkt, indem z.B. Inhalte oppositioneller Websites streng kontrolliert oder Aufrufe entsprechender Seiten gänzlich blockiert wurden. Auch erhielten manche Aktivisten telefonische Aufforderungen, ihre Tätigkeit einzustellen. Dies betraf auch Einzelpersonen und Organisationen in der Bundesrepublik. Mit der Fortführung derartiger Maßnahmen von chinesischer Seite ist auch künftig zu rechnen. Die in den letzten Jahren aufgedeckten nachrichtendienstlichen Handlungen führten in diesem Jahr zu vier Verurteilungen wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit (§ 99 StGB). Im Jahr 2011 verurteilte das Oberlandesgericht München (Bayern) drei chinesische Staatsbürger wegen ihrer Zusammenarbeit mit einem chinesischen Nachrichtendienst zu Bewährungsstrafen. Sie hatten die uigurische Gemeinde in München ausgespäht und Informationen an das MSS weitergegeben. Im Juni 2011 wurde ein Deutscher chinesischer Abstammung wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit für das Büro 610 vom Oberlandesgericht Celle unter Strafvorbehalt verwarnt. Ihm wurde zudem die Auflage erteilt, 15.000 Euro an eine Menschenrechtsorganisation zu zahlen. Er hatte im Zeitraum von 2006 bis 2010 Informationen über die Meditationsbewegung Falun Gong gesammelt und nach China weitergeleitet.
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SPIONAGE UND SONSTIGE NACHRICHTENDIENSTLICHE AKTIVITÄTEN<br />
Um ihre Erkenntnisse zu vertiefen, nutzen sie die durch ihre<br />
offizielle Tätigkeit aufgebauten Kontakte. Durch eine methodisch<br />
geschickte Gesprächsführung versuchen sie, an sensible Informationen<br />
zu gelangen, ohne dass ihr Gesprächspartner dies bemerkt.<br />
Ziel derartiger Aufklärungsbemühungen sind u.a. Vertreter deutscher<br />
Behörden und Unternehmen oder Wissenschaftler, aber<br />
auch Bun<strong>des</strong>wehrsoldaten.<br />
Verfügen ihre Gesprächspartner über interessante Zugangsmöglichkeiten,<br />
versuchen die Nachrichtendienstmitarbeiter durch<br />
wiederholte Treffen, Geschenke, Einladungen zu Restaurantbesuchen<br />
oder Reisen nach China eine persönliche Verbindung aufzubauen.<br />
Langfristig soll durch diese „Kultivierung“ erreicht werden,<br />
dass der Wissensträger seinem vorgeblichen Freund vertrauliche<br />
Informationen weitergibt.<br />
Weitere Möglichkeiten für die Erkenntnisgewinnung ergeben sich<br />
aufgrund der zahlreichen zwischenstaatlichen Wirtschafts und<br />
Wissenschaftskooperationen. So leben und arbeiten etwa 79.000<br />
Chinesen in Deutschland, darunter etliche Gastwissenschaftler,<br />
Praktikanten und Studenten. Diese Personengruppe stellt ein<br />
großes Wissenspotenzial dar, <strong>des</strong>sen sich die Nachrichtendienste<br />
durchaus bewusst sind. Sie verschaffen sich einen Überblick über<br />
Arbeitsbereiche sowie Zugänge und bauen Kontakte auf. Die<br />
nachrichtendienstliche Nutzung dieser Kontakte, auch bezeichnet<br />
als NonProfessionals, hat für die Dienste den Vorteil, dass bei<br />
Bekanntwerden eines Ausspähungsversuches nicht ersichtlich ist,<br />
ob dieser aus Eigeninitiative oder im staatlichen Auftrag erfolgte.<br />
4.2 Bekämpfung der „Fünf Gifte“ in Deutschland<br />
Im Gegensatz zur Informationsbeschaffung in den Bereichen<br />
Politik, Militär und Wirtschaft verhalten sich die chinesischen<br />
Nachrichtendienste bei der Aufklärung und Bekämpfung der<br />
„Fünf Gifte“ (vgl. Nr. 3) deutlich aggressiver.<br />
Ihre Methoden sind dabei vielfältig. Grundlage für ihre Maßnah<br />
men bilden auch hier zunächst offene Informationen. So besuchen<br />
die Nachrichtendienstangehörigen öffentliche Veranstaltungen<br />
und Kundgebungen. Daneben sammeln sie entsprechende<br />
Publikationen und werten diese aus. Chinesische Journalisten, die<br />
„Abschöpfung“ von<br />
Kontaktpersonen<br />
Aufbau von<br />
Beziehungen<br />
Non-Professionals<br />
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