Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ...

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SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Trotz der mehrfach im Zusammenhang mit den wechselnden Bezeichnungen propagierten Einführung interner demokratischer Strukturen hält die Organisation an einem strikt hierarchischen Kaderaufbau und einer autoritären Führung fest. Ungeachtet mehrerer Versuche einer teilweisen Demokratisierung, wie u.a. der Einbeziehung der Basis bei Entscheidungen, wurden bislang weder entsprechende strukturelle noch personelle Veränderungen durchgeführt. Organisationsinterne Vorgaben und Anweisungen werden auch weiterhin strikt an die jeweils nachgeordneten Kaderbereiche weitergegeben. Unumstrittener Anführer ist weiterhin der seit 1999 in der Türkei inhaftierte Gründer der Organisation Öcalan, der als Führungs­ und Integrationsfigur des kurdischen Freiheitskampfes verehrt wird. Nach wie vor verfügt er über beträchtlichen Einfluss auf die Strategie der Organisation, indem seine Erklärungen und Einschätzungen durch seine Rechtsanwälte verbreitet werden. Bereits seit Jahren ist die Forderung seiner Freilassung eines der zentralen Agitationsthemen der PKK. Die herausgehobene Stellung Öcalans wurde einmal mehr deutlich, als es in der Türkei und in Europa zu wochenlangen Protestaktionen der PKK­Anhängerschaft kam, nachdem er Ende Juli 2011 erklärt hatte, er stehe ab sofort nicht mehr als Vermittler zwischen der PKK und dem türkischen Staat zur Verfügung und die türkischen Behörden daraufhin seinen Anwälten den Besuch ihres Mandanten verweigert hatten, eine Maßnahme, die bis Ende 2011 nicht wieder aufgehoben wurde. Zudem zeigt sich, dass die von Öcalan bereits seit März 2005 – zunächst ohne Auswirkungen auf die tatsächliche Ausrichtung der PKK – propagierte vorsichtige ideologische Neuausrichtung der Organisation zumindest teilweise umgesetzt wird. Die Abkehr von der Forderung nach einem eigenen Kurdenstaat hin zu der Forderung nach konföderalen – in der Diktion der PKK auch „basisdemokratischen“ – Strukturen in der Türkei, aber auch in Europa, wird zumindest in Deutschland durch die Schaffung sogenannter Volksräte vorangetrieben. Diese sollen nicht mehr ausschließlich vom Prinzip „Befehl und Gehorsam“ bestimmt sein und so eine neue Legitimationsbasis schaffen. Allerdings haben diese Räte bei weitem keine so starke Stellung, dass sie den Kurs der PKK beeinflussen könnten. 323

324 SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN (OHNE ISLAMISMUS) Ein im August 2010 einseitig ausgerufener Waffenstillstand, der ausdrücklich unter dem Vorbehalt eines Rechts auf „Selbstverteidigung“ stand, wurde durch die Organisation am 28. Februar 2011 für beendet erklärt. Auf dem in der Zeit vom 5. bis 10. Mai 2011 in den Kandilbergen im Irak durchgeführten Generalkongress des KONGRA GEL, des obersten Entscheidungsgremiums der PKK, wurden der Vorsitzende Remzi Kartal und der Exekutivratsvorsitzende Murat Karayilan, der in der PKK­Hierarchie als Vertreter Öcalans an zweiter Position steht, in ihren Funktionen wiedergewählt. Aufgabe des KONGRA GEL ist die interne Meinungsbildung und Beschlussfassung, wobei nach außen hin eine parlamentsähnliche Struktur suggeriert wird. Auf der politischen Ebene konnte bei der im Juni 2011 in der Türkei durchgeführten Parlamentswahl die prokurdische „Partei für Frieden und Demokratie“ (BDP) insgesamt 36 Abgeordnete in das Parlament entsenden. 179 Sechs der gewählten Abgeordneten sind inhaftiert und Angeklagte in einem seit Oktober 2010 in Diyarbakir (Türkei) anhängigen Gerichtsverfahren 180 , da sie in der Vergangenheit durch Aktivitäten mit PKK­Bezug in der Türkei strafrechtlich in Erscheinung getreten sein sollen, insbesondere im Zusammenhang mit der politischen Betätigung in zwischenzeitlich verbotenen, der PKK nahestehenden Parteien Mitte Juli 2011 rief ein „Kongress für eine demokratische Gesell­ schaft“ die „Demokratische Autonomie“ aus, die auf einer von Öcalan im Jahr 2005 entwickelten Konzeption eines „Demokratischen Konföderalismus Kurdistans“ basiert. In einer Deklaration heißt es, die „Demokratische Autonomie“ strebe eine Föderation selbstorganisierter Kommunen in Kurdistan sowie die Wahrung grundlegender Rechte wie die der eigenen Identität und Muttersprache, nicht jedoch die Spaltung der Türkei an. Letztendlich zielt dieser Vorschlag im Kern jedoch auf einen fundamentalen Umbau des türkischen Staates, sodass seine Realisierungschancen gering sind. 179 Zur Umgehung der in der Türkei geltenden 10%­Hürde hatten kleinere Parteien unter Federführung der BDP beschlossen, ihre Bewerber als „unabhängige Kandidaten“ zur Wahl zu stellen. 180 Das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

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SICHERHEITSGEFÄHRDENDE UND EXTREMISTISCHE BESTREBUNGEN VON AUSLÄNDERN<br />

(OHNE ISLAMISMUS)<br />

Ein im August 2010 einseitig ausgerufener Waffenstillstand, der<br />

ausdrücklich unter dem Vorbehalt eines Rechts auf „Selbstverteidigung“<br />

stand, wurde durch die Organisation am 28. Februar <strong>2011</strong><br />

für beendet erklärt.<br />

Auf dem in der Zeit vom 5. bis 10. Mai <strong>2011</strong> in den Kandilbergen<br />

im Irak durchgeführten Generalkongress <strong>des</strong> KONGRA GEL, <strong>des</strong><br />

obersten Entscheidungsgremiums der PKK, wurden der Vorsitzende<br />

Remzi Kartal und der Exekutivratsvorsitzende Murat<br />

Karayilan, der in der PKK­Hierarchie als Vertreter Öcalans an<br />

zweiter Position steht, in ihren Funktionen wiedergewählt. Aufgabe<br />

<strong>des</strong> KONGRA GEL ist die interne Meinungsbildung und<br />

Beschlussfassung, wobei nach außen hin eine parlamentsähnliche<br />

Struktur suggeriert wird.<br />

Auf der politischen Ebene konnte bei der im Juni <strong>2011</strong> in der<br />

Türkei durchgeführten Parlamentswahl die prokurdische „Partei<br />

für Frieden und Demokratie“ (BDP) insgesamt 36 Abgeordnete in<br />

das Parlament entsenden. 179 Sechs der gewählten Abgeordneten<br />

sind inhaftiert und Angeklagte in einem seit Oktober 2010 in<br />

Diyarbakir (Türkei) anhängigen Gerichtsverfahren 180 , da sie in der<br />

Vergangenheit durch Aktivitäten mit PKK­Bezug in der Türkei<br />

strafrechtlich in Erscheinung getreten sein sollen, insbesondere<br />

im Zusammenhang mit der politischen Betätigung in zwischenzeitlich<br />

verbotenen, der PKK nahestehenden Parteien<br />

Mitte Juli <strong>2011</strong> rief ein „Kongress für eine demokratische Gesell­<br />

schaft“ die „Demokratische Autonomie“ aus, die auf einer von<br />

Öcalan im Jahr 2005 entwickelten Konzeption eines „Demokratischen<br />

Konföderalismus Kurdistans“ basiert. In einer Deklaration<br />

heißt es, die „Demokratische Autonomie“ strebe eine Föderation<br />

selbstorganisierter Kommunen in Kurdistan sowie die Wahrung<br />

grundlegender Rechte wie die der eigenen Identität und Muttersprache,<br />

nicht jedoch die Spaltung der Türkei an. Letztendlich<br />

zielt dieser Vorschlag im Kern jedoch auf einen fundamentalen<br />

Umbau <strong>des</strong> türkischen Staates, sodass seine Realisierungschancen<br />

gering sind.<br />

179 Zur Umgehung der in der Türkei geltenden 10%­Hürde hatten kleinere Parteien<br />

unter Federführung der BDP beschlossen, ihre Bewerber als „unabhängige Kandidaten“<br />

zur Wahl zu stellen.<br />

180 Das Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

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