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ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Kommunikation und Präsentation des Islam entgegenzutreten, da deren Sicht auf den Islam von Sicherheitsaspekten geprägt sei, sodass dieser überwiegend mit Terrorismus in Verbindung gebracht werde. 175 In der Dankesrede nach seiner Wahl zum Vorsitzenden sagte Ergün: „Unsere Tätigkeiten in den Bereichen Familienberatung, Bildungszentren, Studentenwohnheime, Rat für religiöse Fragen, Zentren für Imam-Ausbildung, Akademie für Leiter und Öffentlichkeitsarbeit werden zunehmen. Damit die Muslime in Europa in der Zukunft ihre islamische Identität bewahren und den nachfolgenden Generationen vermitteln können, kommt der IGMG eine große Verantwortung zu.“ (Homepage der IGMG, 16. Mai 2011) Ziel der Jugend­ und Bildungsarbeit der IGMG ist weiterhin die Bewusstseinsbildung und Herausbildung einer islamischen Identität, aber auch die Heranführung von Nachwuchskräften an die Organisation. Dementsprechend orientiert sich die Bildungsarbeit nicht ausschließlich an rein religiösen, sondern auch an organisationsinternen Themenstellungen. 176 Der neue Leiter der IGMG­Bildungsarbeit Ekrem Kömürcü erklärte im Zusammenhang mit den Kursen der „Sommerschulen 2011“: „Es ist kaum vermeidbar, dass unsere Kinder, die in einer pluralistischen Gesellschaft leben, Identitätskonflikte erleiden. Die staatlichen Angebote sind nicht ausreichend, um dieses Problem zu beheben. (...) Unser Anliegen ist es, unsere Kinder so zu erziehen, dass sie ihre religiösen und kulturellen Identitätsmerkmale erlernen und bewahren und so ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen können. Wir achten darauf, den Horizont unserer Kinder zu erweitern, indem wir mit angemessenen pädagogischen und didaktischen Mitteln arbeiten und Wissen vermitteln, welches auf den Quellen des Islams basiert. In diesem Sinne haben wir die Kursleiter und -leiterinnen 175 „Millî Gazete“, 9. Juni 2011, S. 1 und 20. 176 „Millî Gazete“, 24. Februar 2011, S. 19 sowie 3. Juni 2011, S. 20. 301

302 Bewertung ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS auf die von uns vorgegebenen Inhalte vorbereitet und sie dahinge- hend geschult.“ (Homepage der IGMG, 27. Juni 2011) Bei ihrer Bildungsarbeit stützt sich die IGMG neben Koran und Sunna auf zahlreiche selbst entwickelte Unterlagen, darunter drei von der Organisation herausgegebene Lehrbücher („Grundwissen“). Dabei orientiert sie sich auch am Islamverständnis und den Zielsetzungen der „Millî Görüş“­Bewegung, was zum Teil in deutlichem Widerspruch zur offiziell bekundeten Integrationsbereitschaft steht. Darüber hinaus treten regelmäßig Vertreter der „Millî Görüş“­Bewegung sowie Kolumnisten der „Millî Gazete“ bei Seminaren als Referenten auf. Mit dem Tod Erbakans hat die „Millî Görüş“­Bewegung ihren Begründer und geistigen Führer verloren. Dies stellt eine Zäsur für die „Millî Görüş“­Bewegung insgesamt dar, vornehmlich da es innerhalb der Bewegung niemanden gibt, der über vergleichbares Charisma und Integrationspotenzial verfügt. Hinzu kommt, dass die SP nach der Niederlage bei den türkischen Parlamentswahlen in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versinken droht. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die IGMG unter ihrem neuen Vorsitzenden Ergün die veränderten Rahmenbedingungen nutzen wird, ihre Position innerhalb der „Millî Görüş“­Bewegung neu zu bestimmen. Die IGMG ist zwar streng hierarchisch struktu­ riert, stellt aber keinen durchgehend homogenen Verband dar. Bereits seit einigen Jahren gibt es innerhalb der IGMG neben eher traditionalistisch ausgerichteten Erbakan­Anhängern auch reformorientierte Kräfte, die eine Umgestaltung der IGMG in eine Organisation anstreben, die weniger als bisher von der „Millî Görüş“­Bewegung in der Türkei abhängig ist. Diese Kräfte könnten die Gelegenheit nutzen, um ihren Handlungsspielraum zu erweitern und die Loslösung aus der „Millî Görüş“­Bewegung weiter voranzutreiben. Dieser Loslösung steht jedoch eine tiefe Verbundenheit weiter Teile der IGMG mit Erbakan und der von ihm gegründeten „Millî Görüş“­Bewegung entgegen. Eher allgemein gehaltenen verbalen Distanzierungsversuchen führender Funktionäre in der Vergangenheit folgten keine konkreten Taten. Auch aktuell zeichnet

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Bewertung<br />

ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS<br />

auf die von uns vorgegebenen Inhalte vorbereitet und sie dahinge-<br />

hend geschult.“<br />

(Homepage der IGMG, 27. Juni <strong>2011</strong>)<br />

Bei ihrer Bildungsarbeit stützt sich die IGMG neben Koran und<br />

Sunna auf zahlreiche selbst entwickelte Unterlagen, darunter<br />

drei von der Organisation herausgegebene Lehrbücher („Grundwissen“).<br />

Dabei orientiert sie sich auch am Islamverständnis und<br />

den Zielsetzungen der „Millî Görüş“­Bewegung, was zum Teil in<br />

deutlichem Widerspruch zur offiziell bekundeten Integrationsbereitschaft<br />

steht. Darüber hinaus treten regelmäßig Vertreter der<br />

„Millî Görüş“­Bewegung sowie Kolumnisten der „Millî Gazete“ bei<br />

Seminaren als Referenten auf.<br />

Mit dem Tod Erbakans hat die „Millî Görüş“­Bewegung ihren<br />

Begründer und geistigen Führer verloren. Dies stellt eine Zäsur<br />

für die „Millî Görüş“­Bewegung insgesamt dar, vornehmlich da es<br />

innerhalb der Bewegung niemanden gibt, der über vergleichbares<br />

Charisma und Integrationspotenzial verfügt. Hinzu kommt, dass<br />

die SP nach der Niederlage bei den türkischen Parlamentswahlen<br />

in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versinken droht.<br />

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die IGMG unter ihrem neuen<br />

Vorsitzenden Ergün die veränderten Rahmenbedingungen nutzen<br />

wird, ihre Position innerhalb der „Millî Görüş“­Bewegung neu<br />

zu bestimmen. Die IGMG ist zwar streng hierarchisch struktu­<br />

riert, stellt aber keinen durchgehend homogenen Verband dar.<br />

Bereits seit einigen Jahren gibt es innerhalb der IGMG neben<br />

eher traditionalistisch ausgerichteten Erbakan­Anhängern auch<br />

reformorientierte Kräfte, die eine Umgestaltung der IGMG in<br />

eine Organisation anstreben, die weniger als bisher von der<br />

„Millî Görüş“­Bewegung in der Türkei abhängig ist. Diese Kräfte<br />

könnten die Gelegenheit nutzen, um ihren Handlungsspielraum<br />

zu erweitern und die Loslösung aus der „Millî Görüş“­Bewegung<br />

weiter voranzutreiben.<br />

Dieser Loslösung steht jedoch eine tiefe Verbundenheit weiter<br />

Teile der IGMG mit Erbakan und der von ihm gegründeten „Millî<br />

Görüş“­Bewegung entgegen. Eher allgemein gehaltenen verbalen<br />

Distanzierungsversuchen führender Funktionäre in der Vergangenheit<br />

folgten keine konkreten Taten. Auch aktuell zeichnet

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