Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ...

Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ... Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ...

verfassungsschutz
von verfassungsschutz Mehr von diesem Publisher
13.04.2013 Aufrufe

ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Sicherheitsbehörden werden durch sich z.B. im Internet (vgl. Nr. 5) selbstradikalisierende und ­motivierende Einzeltäter, sogenannte einsame Wölfe, vor besondere Herausforderungen gestellt. Diese Einzeltäter agieren völlig unabhängig von Netzwerkstrukturen. Dadurch sind Anschlagspläne oder Vorbereitungshandlungen dieser Personen, auch wegen deren äußerst zurückgezogener Lebensweise, im Vorfeld nur schwer zu erkennen. Besondere Bedeutung kommt Strukturen zu, die sich aus radikalisierten Personen der zweiten und dritten Einwanderergeneration sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Obwohl die Personen, die zu diesem Täterspektrum gehören, zumeist in europäischen Ländern geboren und/oder aufgewachsen sind, stehen sie dem hiesigen Wertesystem feindlich gegenüber. Ihr gemeinsames Kennzeichen ist die Ausrichtung an der pan­ islamischen „al­Qaida“­Ideologie. „Homegrown“­Strukturen stellen die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen, zumal der Anteil von Netzwerken, deren Mitglieder überwiegend „Homegrown“­Kriterien erfüllen, auch in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist. Innerhalb dieser Netzwerke hat der Anteil von Konvertiten und türkischstämmigen Personen in den vergangenen Jahren zugenommen. Einen allgemeingültigen Radikalisierungs­ und Rekrutierungsverlauf gibt es nicht. Art und Gewichtung radikalisierungsfördernder Faktoren (z.B. soziale Situation, kulturelle Herkunft und Persönlichkeitsstruktur) unterscheiden sich z.T. erheblich. Zwar gehen Radikalisierungsprozesse einer möglichen Rekrutierung voraus, sie führen aber nicht zwangsläufig zu terroristischen Aktivitäten. 2011 konnte erneut eine hohe Anzahl von Reisebewegungen von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Deutschland in Richtung Afghanistan/Pakistan, vereinzelt auch in Richtung Somalia festgestellt werden. Einige dieser Personen stehen im Verdacht, im afghanisch­ pakistanischen Grenzgebiet eine terroristische Ausbildung durchlaufen zu haben. Ausbildungslager werden auch im Maghreb 132 , am Horn von Afrika sowie im Jemen vermutet. 132 Maghreb umfasst im engeren Sinne die nordafrikanischen Staaten Tunesien, Algerien und Marokko; im weiteren Sinne auch Libyen und Mauretanien. „Homegrown“- Netzwerke Radikalisierungs- prozesse Terroristische Ausbildungslager 229

230 ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS Die Bundesanwaltschaft erhob am 15. November 2011 vor dem Kammergericht in Berlin Anklage gegen einen deutschen und einen österreichischen Staatsangehörigen. Der deutsche Staatsangehörige ist verdächtig, sich von September 2009 bis mindestens Ende April 2010 als Gründungsmitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung „Deutsche Taliban Mujahideen“ (vgl. Nr. 3.3) beteiligt zu haben. Anschließend soll er bis Ende Mai 2011 Mitglied von „al­Qaida“ gewesen sein. Der Angeschuldigte wurde am 31. Mai 2011 in Wien (Österreich) festgenommen. Dem österreichischen Staatsangehörigen wird vorgeworfen, sich von Juli 2010 bis Mai 2011 als Mitglied an „al­Qaida“ beteiligt zu haben. Er wurde am 16. Mai 2011 in Berlin festgenommen. Die Angeschuldigten, die sich der Anklageschrift zufolge im af ghanisch­pakistanischen Grenzgebiet kennengelernt haben, erhielten von einem Führungsmitglied von „al­Qaida“ den Auftrag, in Europa Geld für die Organisation zu sammeln, neue Mitglieder und Unterstützer zu rekrutieren und sich für nicht näher bestimmte Operationen von „al­Qaida“ bereitzuhalten. Zu diesem Zweck wurden sie im Umgang mit Sprengstoff und Waffen ausgebildet. Personen, die ein terroristisches Ausbildungslager absolviert bzw. aktiv an paramilitärischen Kampfhandlungen teilgenommen haben, stellen bei einer Wiedereinreise nach Deutschland ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Von diesem Personenkreis können sicherheitsgefährdende Aktivitäten drohen bzw. bei Verbleib in der Region Gefährdungen deutscher oder ausländischer Interessen, z.B. in Afghanistan bzw. Pakistan, ausgehen. Rückkehrer aus den „Jihad“­Gebieten genießen in der islamisti­ schen Szene hohes Ansehen und können einer weiteren Radikalisierung bislang nicht gewaltbereiter Islamisten Vorschub leisten. Insbesondere auf junge Menschen üben diese Personen eine besondere Anziehungskraft aus. Den Sicherheitsbehörden des Bundes liegen derzeit Informationen zu insgesamt rund 255 Personen mit Deutschland­Bezug (deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund bzw. Konvertiten sowie Personen mit anderer Staatsangehörigkeit, die sich in Deutschland aufhalten bzw. aufgehalten haben) und islamistisch­terroristischem Hintergrund vor, die seit Beginn der 1990er

ISLAMISMUS/ISLAMISTISCHER TERRORISMUS<br />

Die Sicherheitsbehörden werden durch sich z.B. im Internet<br />

(vgl. Nr. 5) selbstradikalisierende und ­motivierende Einzeltäter,<br />

sogenannte einsame Wölfe, vor besondere Herausforderungen<br />

gestellt. Diese Einzeltäter agieren völlig unabhängig von Netzwerkstrukturen.<br />

Dadurch sind Anschlagspläne oder Vorbereitungshandlungen<br />

dieser Personen, auch wegen deren äußerst zurückgezogener<br />

Lebensweise, im Vorfeld nur schwer zu erkennen.<br />

Besondere Bedeutung kommt Strukturen zu, die sich aus radikalisierten<br />

Personen der zweiten und dritten Einwanderergeneration<br />

sowie radikalisierten Konvertiten zusammensetzen. Obwohl<br />

die Personen, die zu diesem Täterspektrum gehören, zumeist in<br />

europäischen Ländern geboren und/oder aufgewachsen sind,<br />

stehen sie dem hiesigen Wertesystem feindlich gegenüber. Ihr<br />

gemeinsames Kennzeichen ist die Ausrichtung an der pan­<br />

islamischen „al­Qaida“­Ideologie. „Homegrown“­Strukturen stellen<br />

die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen,<br />

zumal der Anteil von Netzwerken, deren Mitglieder überwiegend<br />

„Homegrown“­Kriterien erfüllen, auch in Deutschland in den vergangenen<br />

Jahren stetig gewachsen ist. Innerhalb dieser Netzwerke<br />

hat der Anteil von Konvertiten und türkischstämmigen Personen<br />

in den vergangenen Jahren zugenommen.<br />

Einen allgemeingültigen Radikalisierungs­ und Rekrutierungsverlauf<br />

gibt es nicht. Art und Gewichtung radikalisierungsfördernder<br />

Faktoren (z.B. soziale Situation, kulturelle Herkunft und Persönlichkeitsstruktur)<br />

unterscheiden sich z.T. erheblich. Zwar gehen<br />

Radikalisierungsprozesse einer möglichen Rekrutierung voraus,<br />

sie führen aber nicht zwangsläufig zu terroristischen Aktivitäten.<br />

<strong>2011</strong> konnte erneut eine hohe Anzahl von Reisebewegungen<br />

von Personen aus dem islamistischen Spektrum in Deutschland<br />

in Richtung Afghanistan/Pakistan, vereinzelt auch in Richtung<br />

Somalia festgestellt werden.<br />

Einige dieser Personen stehen im Verdacht, im afghanisch­<br />

pakistanischen Grenzgebiet eine terroristische Ausbildung durchlaufen<br />

zu haben. Ausbildungslager werden auch im Maghreb 132 ,<br />

am Horn von Afrika sowie im Jemen vermutet.<br />

132 Maghreb umfasst im engeren Sinne die nordafrikanischen Staaten Tunesien,<br />

Algerien und Marokko; im weiteren Sinne auch Libyen und Mauretanien.<br />

„Homegrown“-<br />

Netzwerke<br />

Radikalisierungs-<br />

prozesse<br />

Terroristische<br />

Ausbildungslager<br />

229

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!