Verfassungsschutzbericht 2011 (PDF, 6 MB, barrierefrei) - des ...
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LINKSEXTREMISMUS linksextremistischen Aggressionspotenzials. Vertretern politischer und gesellschaftlicher Institutionen wird mitunter Gewalt direkt angedroht. So ging am 17. März 2011 u.a. beim Bundesministerium des Innern ein an den Minister adressierter Brief ein, der eine scharfe Patrone enthielt. In einem im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben, unterzeichnet mit „Revolutionäre Aktionszellen (RAZ) – Zelle Georg von Rauch“ wird die Aktion mit der „andauernden staatlichen Repression“ gegenüber der „revolutionären Linken“ begründet sowie mit „Todesschüssen“ von Polizeibeamten, Razzien gegen Buchläden, Häuserräumungen und neuen Strafverfahren gegen ehemalige Mitglieder der RAF. Die Versendung von Patronen sei „ein Beitrag zur organisierten Gegenwehr“, sie richte sich gegen „herausragende Persönlichkeiten“. Weiter heißt es: „Die nächste Zustellung erfolgt per Express (…).“ Die Aktion wurde im zeitlichen Zusammenhang mit dem „Tag der politischen Gefangenen“ am 18. März 2011 durchgeführt (vgl. Kap. V, Nr. 1). Die Gewaltfrage spielt für Autonome eine wesentliche Rolle. Ihr widmete sich insbesondere der „Kongress für autonome Politik 2011“, der vom 17. bis 19. Juni 2011 im „Autonomen Zentrum Köln“ (AZ Köln) stattfand und an dem mindestens 250 Personen teilnahmen. Ein Themenblock war überschrieben mit dem Slogan „Wir stehen dazu – Militanz“. Die im Reader zum Kongress enthaltenen Beiträge belegen den Versuch der Szene, sich über Perspektiven autonomer Politik insbesondere hinsichtlich der Gewaltfrage zu verständigen. Im Vorfeld der Veranstaltung veröffentlichte „die tageszeitung“ (taz) am 17. Juni 2011 unter der Überschrift „Militanz muss vermittelbar sein“ ein Interview mit drei Mitorganisatoren des autonomen Kongresses, in dem diese erklärten, Militanz sei ein wesentlicher Aspekt autonomer Politik und Bestandteil autonomer Lebensweise: „Ohne Militanz auf der Straße kann nicht genug Druck aufgebaut werden. Militanz ist für uns allerdings nicht nur eine Auseinandersetzungsform, sondern eine unversöhnliche Haltung auch im Alltag.“ (Homepage der taz, 15. Dezember 2011) „Kongress für autonome Politik“ 159
160 Bewertung LINKSEXTREMISMUS Die hohe, bisweilen ungebremste Aggression – vor allem gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechtsextremisten – wird sich in absehbarer Zukunft nicht wesentlich ändern. Die in jüngster Zeit festgestellte Gewaltintensität auch gegen die Vertreter des Staates, insbesondere Polizeibeamte, dürfte anhalten. Die autonome Szene hat zudem das Repertoire ihrer Aktionsformen erweitert, indem sie Sabotageakte mit einer deutlich größeren Reichweite gegen die Verkehrs und Kommunikationswege erprobt. Digitale Infrastrukturen bieten dabei vielfältige Ziele für Sabotage handlungen: Dabei können herkömmliche Anschläge mit einem Mini mum an Risiko und einem Maximum an Schaden die Waren und Informationskreisläufe unterbrechen, wodurch die Funktionsfähigkeit moderner Gesellschaften erheblich beeinträchtigt wird. 2. Feste organisatorische Strukturen Die „Interventionistische Linke“ (IL) und „AVANTI – Projekt undogmatische Linke“ (AVANTI) haben eine Scharnierfunktion zwischen dem gewaltbereiten und nichtgewaltbereiten Teil des linksextremistischen Lagers inne. Sie treten zwar nicht offen gewalttätig oder gewaltbefürwortend auf, lehnen aber ein Bekenntnis zur Gewaltfreiheit vehement ab. Darüber hinaus sind sie bestrebt, mit einer strategischen Bündnisorientierung strömungsübergreifend zu agieren, nicht zuletzt, weil sie aufgrund „eigener Radikalität und Minorität“ auf den „Austausch und die Kooperation mit moderaten Linken und den sozialen Bewegungen angewiesen“ seien. 64 Aktionen, die radikaler Ausdruck der „Unversöhnlichkeit gegenüber dem System“ sein könnten, müssten andere zum „Grenzübertritt, zum Kämpfen einladen“ 65 , mithin vermittelbar sein, heißt es in Abgrenzung zu einer häufig als rituell und inhaltsleer empfundenen bloßen „Inszenierung von Militanz“ 66 . 64 Einladung zur Zweiten Offenen Arbeitskonferenz der IL am 25. bis 27. April 2008 in Marburg (Hessen). 65 Siehe Fn. 64. 66 Homepage von AVANTI, Grundsatzpapier S. 76, (1. Dezember 2010).
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linksextremistischen Aggressionspotenzials. Vertretern politischer<br />
und gesellschaftlicher Institutionen wird mitunter Gewalt direkt<br />
angedroht.<br />
So ging am 17. März <strong>2011</strong> u.a. beim Bun<strong>des</strong>ministerium <strong>des</strong> Innern<br />
ein an den Minister adressierter Brief ein, der eine scharfe Patrone<br />
enthielt. In einem im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungsschreiben,<br />
unterzeichnet mit „Revolutionäre Aktionszellen<br />
(RAZ) – Zelle Georg von Rauch“ wird die Aktion mit der „andauernden<br />
staatlichen Repression“ gegenüber der „revolutionären<br />
Linken“ begründet sowie mit „To<strong>des</strong>schüssen“ von Polizeibeamten,<br />
Razzien gegen Buchläden, Häuserräumungen und neuen Strafverfahren<br />
gegen ehemalige Mitglieder der RAF. Die Versendung von<br />
Patronen sei „ein Beitrag zur organisierten Gegenwehr“, sie richte<br />
sich gegen „herausragende Persönlichkeiten“. Weiter heißt es: „Die<br />
nächste Zustellung erfolgt per Express (…).“ Die Aktion wurde im<br />
zeitlichen Zusammenhang mit dem „Tag der politischen Gefangenen“<br />
am 18. März <strong>2011</strong> durchgeführt (vgl. Kap. V, Nr. 1).<br />
Die Gewaltfrage spielt für Autonome eine wesentliche Rolle.<br />
Ihr widmete sich insbesondere der „Kongress für autonome<br />
Politik <strong>2011</strong>“, der vom 17. bis 19. Juni <strong>2011</strong> im „Autonomen Zentrum<br />
Köln“ (AZ Köln) stattfand und an dem min<strong>des</strong>tens 250 Personen<br />
teilnahmen. Ein Themenblock war überschrieben mit dem<br />
Slogan „Wir stehen dazu – Militanz“. Die im Reader zum Kongress<br />
enthaltenen Beiträge belegen den Versuch der Szene, sich über<br />
Perspektiven autonomer Politik insbesondere hinsichtlich der<br />
Gewaltfrage zu verständigen.<br />
Im Vorfeld der Veranstaltung veröffentlichte „die tageszeitung“<br />
(taz) am 17. Juni <strong>2011</strong> unter der Überschrift „Militanz muss<br />
vermittelbar sein“ ein Interview mit drei Mitorganisatoren <strong>des</strong><br />
autonomen Kongresses, in dem diese erklärten, Militanz sei ein<br />
wesentlicher Aspekt autonomer Politik und Bestandteil autonomer<br />
Lebensweise:<br />
„Ohne Militanz auf der Straße kann nicht genug Druck aufgebaut<br />
werden. Militanz ist für uns allerdings nicht nur eine Auseinandersetzungsform,<br />
sondern eine unversöhnliche Haltung auch im Alltag.“<br />
(Homepage der taz, 15. Dezember <strong>2011</strong>)<br />
„Kongress für<br />
autonome Politik“<br />
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