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LAND BRANDENBURG Ministerium des Innern Verfassungsschutzbericht Brandenburg 2007 Ein Handbuch

LAND<br />

BRANDENBURG<br />

Ministerium des Innern<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht<br />

<strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Ein Handbuch


Mit dem vorliegenden Jahresbericht 2007 unterrichtet die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

des Landes <strong>Brandenburg</strong> in Erfüllung ihres gesetzlichen<br />

Auftrages die Öffentlichkeit.


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

2007 <strong>Verfassungsschutz</strong>bericht<br />

Land <strong>Brandenburg</strong>


Erreichbarkeit des <strong>Brandenburg</strong>ischen<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

Postanschrift:<br />

Ministerium des Innern des Landes <strong>Brandenburg</strong>,<br />

Abteilung <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

Henning-von-Tresckow-Straße 9 - 13<br />

14467 Potsdam<br />

Internet:<br />

www.verfassungsschutz.brandenburg.de<br />

Telefon:<br />

0331- 866 2500<br />

Fax:<br />

0331 - 866 2609<br />

E-Mail:<br />

info@verfassungsschutz-brandenburg.de<br />

Herausgeber: Ministerium des Innern des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

Referat V/2<br />

2. Aufl age: 3.000<br />

Herstellung: Landesvermessung und Geobasisinformation<br />

<strong>Brandenburg</strong><br />

Den Text fi nden Sie im Internet unter<br />

www.verfassungsschutz.brandenburg.de<br />

1. März 2008<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Vorwort<br />

Liebe Bürgerinnen und Bürger,<br />

unsere Demokratie ist tagtäglich mit Leben und<br />

Teilhabe erfüllt. So behauptet sich die Freiheit<br />

gegen ihre Feinde. Als bestmögliche Form des<br />

Zusammenlebens von Menschen in Recht und<br />

Freiheit ist Demokratie aber immer verwundbar.<br />

Deshalb geht Demokratie alle an.<br />

In den letzten Jahren haben die Menschen in<br />

<strong>Brandenburg</strong> an vielen Orten erfolgreich bewiesen, dass sie extremistische<br />

Erscheinungen nicht einfach hinnehmen, sondern handeln. Und<br />

deshalb ist unser Land bei der Bekämpfung des Extremismus ein gutes<br />

Stück vorangekommen. Wir verfügen heute über eine starke Zivilgesellschaft,<br />

gute Präventionsprogramme und konsequente Repressionsinstrumente.<br />

So ist es vorerst gelungen, den Soldatenfriedhof in Halbe<br />

vor rechtsextremistischen Aufmärschen am Volkstrauertag zu schützen.<br />

Ebenso konnte durch engagierten Bürgereinsatz die dauerhafte<br />

Ansiedlung eines rechtsextremistischen NPD-Schulungszentrums in<br />

Rauen verhindert werden. An vielen Orten, an denen Rechtsextremisten<br />

Aufmärsche planen, kommen Bürger zusammen und setzen<br />

wichtige Zeichen gegen Hass, Gewalt und Extremismus.<br />

Extremismus gefährdet den Wirtschaftsstandort <strong>Brandenburg</strong> und damit<br />

die Entwicklung unseres Landes. Menschen wollen Sicherheit. Unternehmer<br />

wollen das auch. Und viele unserer Unternehmen sind in der<br />

für unser Land wichtigen Tourismusbranche tätig. Dort jedoch, wo Extremismus<br />

steigt, bleiben Touristen und Unternehmer weg. Umso wichtiger<br />

sind die vielen erfolgreichen Maßnahmen, mit denen <strong>Brandenburg</strong><br />

den Extremismus seit Ende der 90er Jahre bekämpft. Hierbei hat der<br />

brandenburgische Hotel- und Gaststättenverband ein wichtiges Zeichen<br />

gesetzt. Bekannte Extremisten werden nicht mehr beherbergt.<br />

Unsere Erfolge spiegeln sich mittlerweile in Veröffentlichungen über<br />

<strong>Brandenburg</strong> wieder. So kommentierte ein führendes deutsches<br />

Presseorgan: „Wenn ein NPD-Funktionär ein Schulungsheim einrichten<br />

will, dann regt sich sofort Widerstand. Das ... ‚Heldengedenken’


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

zum Volkstrauertag in Halbe fi el … aus. (...) So etwas macht Mut.“<br />

Ausdrücklich werden die Arbeit der Polizei und die Rolle des <strong>Verfassungsschutz</strong>es,<br />

welche er in der „vorbeugenden Aufklärung von Jugendlichen<br />

und Erwachsenen“ spielt, gelobt. Daran und an anderen<br />

Beispielen ist zu erkennen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Unser<br />

polizeilicher Maßnahmen-Mix aus Prävention und Repression, fl ankiert<br />

von zügig urteilender Justiz sowie aktiver Aufklärungsarbeit durch den<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong> und das Tolerante <strong>Brandenburg</strong>, muss konsequent<br />

fortgesetzt werden. Denn der Rechtsextremismus ist in <strong>Brandenburg</strong><br />

nach wie vor das zentrale Problem im Bereich Extremismus und damit<br />

verbundener Kriminalität. Die Gefahr, die besonders für junge Menschen<br />

von ihm ausgeht, darf nicht unterschätzt werden. Unsere Anstrengungen<br />

bleiben daher auf hohem Niveau.<br />

Im Jahr 2007 ist das rechtsextremistische gewaltbereite Spektrum um<br />

50 Personen auf 500 gesunken. Mit einem Rückgang rechtsextremistischer<br />

Gewaltkriminalität ist dies jedoch nicht verbunden. Leicht rückläufi<br />

g ist dagegen das Potenzial organisierter und unorganisierter Neonazis<br />

mit 240 (2006: 270). Mitgliederverluste kennzeichnen ebenso die<br />

DVU. In <strong>Brandenburg</strong> konnte 2007 nur eine rechtsextremistische Gruppierung<br />

leichte Mitgliederzuwächse verbuchen: die NPD. Beide verfassungsfeindlichen<br />

Parteien liegen nun mit jeweils etwa 250 Mitgliedern<br />

gleichauf. Erwartet wird, dass die NPD in <strong>Brandenburg</strong> versucht, die<br />

DVU zu verdrängen. Im Gegensatz zur kaum in Erscheinung tretenden<br />

DVU sucht die NPD die Öffentlichkeit. Für die Zivilgesellschaft liegt darin<br />

eine Chance: Sie kann die rechtsextremistische NPD stellen und die<br />

Auseinandersetzung konsequent führen. Der <strong>Verfassungsschutz</strong> wird<br />

die Zivilgesellschaft hierbei seinem gesetzlichen Auftrag gemäß aktiv<br />

unterstützen.<br />

2007 hat sich der Linksextremismus verstärkt bemerkbar gemacht.<br />

Die „militante gruppe“ (mg), eine kriminelle Vereinigung gewaltbereiter<br />

Linksextremisten, verübte erneut Brandanschläge. Mitläufer und Sympathisanten<br />

taten es ihr gleich. Die gewaltsamen Ausschreitungen am<br />

Rande des G8-Gipfels in Rostock haben ein hohes Gewaltpotenzial bei<br />

Linksextremisten sichtbar werden lassen. Ein Forschungsteam der Universität<br />

Bielefeld förderte bei einer Befragung unter 15 bis 25-jährigen<br />

Teilnehmern der G8-Proteste in Mecklenburg-Vorpommern Besorgnis<br />

erregende Resultate zu Tage: 10 Prozent der Befragten betrachten


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Steinewerfen, 13,5 Prozent Angriffe auf die Polizei und 27,1 Prozent<br />

das Verwüsten von Firmeneigentum als begrüßenswerte Formen des<br />

politischen Protests. Zivilgesellschaft und Rechtsstaat sind hier gefordert.<br />

Gewaltbereiten und gewaltbilligenden Linksextremisten muss unmissverständlich<br />

das Unrecht ihres Handelns aufgezeigt werden. Wer<br />

zum Mittel der Gewalt greift oder dies befürwortet, ist ein Gegner der<br />

Freiheit.<br />

Verheerend hätten sich Anschläge von islamistischen Extremisten in<br />

Deutschland auswirken können, wenn sie nicht von den Sicherheitsbehörden<br />

im September 2007 verhindert worden wären. Die engmaschige<br />

und gute Zusammenarbeit zwischen Polizei, <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

und befreundeten Nachrichtendiensten führte zur Vereitlung der Taten.<br />

Drei Terrorverdächtige wurden festgenommen. Offensichtlich wollte die<br />

extremistische Gruppe ein Blutbad anrichten. Andere Anschläge wären<br />

dabei in den Schatten gestellt worden. Ihre Sprengsätze wären um ein<br />

Vielfaches schlimmer als diejenigen gewesen, die bei den Londoner<br />

U-Bahn-Attentaten im Sommer 2005 zum Einsatz kamen. Bei den Anschlägen<br />

starben zahlreiche Menschen.<br />

Erfolge erzielen Nachrichtendienste nur dann, wenn sie im Geheimen<br />

arbeiten. In anderen Tätigkeitsfeldern tritt der <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

dagegen offen auf und folgt so seinem gesetzlichen Auftrag. Das ist<br />

die Aufklärung der Öffentlichkeit über Bestrebungen, die gegen die<br />

freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Der <strong>Verfassungsschutz</strong>bericht,<br />

den Sie in den Händen halten, ist ein zentraler<br />

Teil dieser Aufklärungsarbeit für die Menschen, die unsere Verfassung<br />

wertschätzen und verteidigen wollen.<br />

Jörg Schönbohm<br />

Minister des Innern des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

Potsdam, 1. März 2008


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Liebe Bürgerinnen und Bürger,<br />

in einer freien Gesellschaft leben wir nach<br />

unserer Façon. Somit sind unsere Lebensentwürfe<br />

in unserer Demokratie sehr unterschiedlich;<br />

denn wir sind nur unseren Gesetzen unterworfen<br />

und den Werten verpfl ichtet, die wir<br />

ungeachtet von Religion und Kultur teilen und<br />

auf denen unser Allgemeinwohl beruht.<br />

Extremisten lehnen die Freiheit des Einzelnen und die damit untrennbar<br />

verbundene Demokratie ab. Sie benutzen allerdings den Freiheitsraum<br />

einer Demokratie, um gegen die Freiheit vorzugehen. Würden<br />

wir dem tatenlos zusehen, stünde am Ende eines solchen Prozesses<br />

ein rassistischer Führerstaat, eine kommunistische Diktatur oder ein<br />

islamistischer Gottesstaat.<br />

Eine selbstbewusste und für ihre Werte wehrhaft einstehende Demokratie<br />

muss solchen Bestrebungen aktiv entgegenwirken. „Wenn wir nicht<br />

bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der<br />

Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden<br />

und die Toleranz mit ihnen“, so der Philosoph Karl Popper.<br />

Häufi g tarnen sich Extremisten. Sie geben vor, gute Demokraten zu<br />

sein. Nicht selten bieten sie auf den ersten Blick harmlos daherkommende<br />

Veranstaltungen an. Fußballturniere, Kinder- und Volksfeste<br />

oder Liederabende zählen dazu. Sie laden zu fröhlichem Beisammensein<br />

und wollen als vermeintliche Träger eines „Volkswillens“ tätig werden.<br />

Geschädigt wird das demokratische Gemeinwesen von extremistischen<br />

Aktivitäten ganz unmittelbar und messbar. Beispielsweise hat<br />

der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern für sein Bundesland<br />

ermittelt, dass Rechtsextremismus der Tourismusindustrie Verluste<br />

von 100 Millionen Euro beibringen kann. Eine vergleichbare Situation<br />

in <strong>Brandenburg</strong> zu verhindern, ist Aufgabe aller Demokraten und des<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>es. Er beobachtet Bestrebungen, die sich gegen


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

die freiheitliche demokratische Grundordnung (fdGo) richten. Zur fdGo<br />

zählen: Die Menschenrechte, das Recht des Volkes, die Volksvertretung<br />

frei zu wählen, die Bindung an Recht und Gesetz, Oppositionsfreiheit,<br />

die Ablösbarkeit der Regierung, die Unabhängigkeit der Gerichte<br />

und der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.<br />

Seine Informationen gibt der <strong>Verfassungsschutz</strong> nicht nur an die Landesregierung<br />

sowie zuständige Stellen, sondern gerade auch an die<br />

Öffentlichkeit weiter. So entsteht eine wichtige Grundlage, Verfassungsfeinden<br />

wirksam entgegenzutreten. Die Gesetzmäßigkeit und<br />

besondere Aufgabe des <strong>Verfassungsschutz</strong>es, die Öffentlichkeit über<br />

verfassungsfeindliche Bestrebungen zu unterrichten, wurde erst kürzlich<br />

durch ein Urteil des Landesverfassungsgerichts Rheinland-Pfalz<br />

umfassend bestätigt.<br />

Mit dem Planspiel „Demokratie und Extremismus“, das der <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

<strong>Brandenburg</strong> anbietet, können Schülerinnen und Schüler<br />

lernen, wie Extremisten erkannt und ihre Parolen als hohl zurückgewiesen<br />

werden. Mit Vorträgen informieren Verfassungsschützer in Vereinen,<br />

Parteien und politischen Gremien über das Treiben derer, die die<br />

Demokratie beseitigen wollen. Informationsmaterialien, die sich auch<br />

von der Website des <strong>Verfassungsschutz</strong>es <strong>Brandenburg</strong> herunterladen<br />

lassen, vermitteln ein Bild der extremistischen Gefahren, aber auch die<br />

Wege, ihnen erfolgreich zu begegnen. „<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung“<br />

ist programmatischer wie gesetzlicher Bestandteil der <strong>Verfassungsschutz</strong>arbeit<br />

im Dienst der Freiheit und des Rechts.<br />

Winfriede Schreiber<br />

Leiterin der Abteilung <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

im Ministerium des Innern des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

Potsdam, 1. März 2008


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Rechtsextremistische Parteien: NPD, DVU,<br />

der „Deutschland-Pakt“ und die Immobilien<br />

NPD: Mit rassistischen Parolen in den vorpolitischen Raum<br />

NPD in <strong>Brandenburg</strong>: Mit dünner Basis in die<br />

Kommunalwahl 2008<br />

„Junge Nationaldemokraten“ in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

Mehr Schein als Sein<br />

NPD-Immobilienhandel als strategische Option<br />

für eine nahezu bankrotte Partei?<br />

Im Niedergang: Die rechtsextremistische DVU<br />

Wankender Extremisten-Pakt: NPD erhöht Druck<br />

auf DVU in <strong>Brandenburg</strong><br />

Ausblick<br />

Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Kameradschaften zwischen Verbot, Scheinaufl ösungen<br />

und Umorientierung<br />

„Heimattreue Deutsche Jugend e. V.“<br />

Neue Autonome: Neonazis kopieren linksextremistische<br />

Formationen<br />

Halbe und Seelow: Rechtsstaat und Zivilgesellschaft<br />

drängen Rechtsextremisten zurück<br />

Hassmusik in <strong>Brandenburg</strong>: Rechtsextremisten auf den<br />

Spuren des „schwarzen“ Blues<br />

Rechtsextremismus und Fußball-Hooligans<br />

Weitere Aktivitäten von Neonazis im Land <strong>Brandenburg</strong><br />

Beispiele rechtsextremistischer Gewalt<br />

Ausblick<br />

Militanz und Linksextremismus<br />

Terrorismus: Generalbundesanwaltschaft ermittelt gegen<br />

„militante gruppe“<br />

Autonome Antifa und Gewalt<br />

Seite<br />

9<br />

9<br />

15<br />

28<br />

34<br />

36<br />

43<br />

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53<br />

53<br />

60<br />

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72<br />

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85<br />

91<br />

96<br />

101<br />

101<br />

105


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Transformationsprozesse: Militanter Öko-Aktivismus<br />

und G8-Proteste<br />

Ausblick<br />

Bedrohung der Freiheit durch Islamisten und<br />

religiös motivierten Terrorismus<br />

Islamismus und Konvertiten - Herausforderung für die<br />

Sicherheitsbehörden<br />

Islamismus in <strong>Brandenburg</strong><br />

Ausblick<br />

Extremistische Online-Aktivitäten<br />

Die rechtsextremistischen „Freien Kräfte“ im Internet<br />

Für rechtsextremistische Parteien wächst die Bedeutung<br />

der Internetpräsenz<br />

Linksextremisten nutzen Internet im großen Stil<br />

Islamistische Medienproduzenten - ohne Internet geht<br />

nichts<br />

Moderne Industrie und Forschung brauchen Schutz<br />

Geheimschutz und Sicherheit<br />

Proliferation<br />

Forschung, Entwicklung und Zukunftstechnologien vor<br />

Spionage schützen<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung<br />

Anhang<br />

Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Personenpotenziale<br />

Extremistische Parteien und Gruppierungen<br />

Glossar<br />

Gesetzestexte<br />

Personen- und Organisationsverzeichnis<br />

111<br />

122<br />

125<br />

125<br />

130<br />

133<br />

135<br />

138<br />

139<br />

140<br />

141<br />

145<br />

145<br />

146<br />

148<br />

153<br />

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161<br />

187<br />

190<br />

195<br />

215<br />

247


Rechtsextremistische Parteien<br />

RECHTSEXTREMISTISCHE PARTEIEN:<br />

NPD, DVU, DER „DEUTSCHLAND-PAKT“<br />

UND DIE IMMOBILIEN<br />

NPD: Mit rassistischen Parolen<br />

in den vorpolitischen Raum<br />

Den politischen und organisatorischen Mittelpunkt des rechtsextremistischen<br />

Spektrums in Deutschland bildet derzeitig die „Nationaldemokratische<br />

Partei Deutschlands“ (NPD). Im Verlaufe des Jahres 2007 ist sie<br />

bundes- und landesweit zur mitgliederstärksten rechtsextremistischen<br />

Partei herangewachsen. Die „Deutsche Volksunion“ (DVU) und andere<br />

Vereinigungen haben inzwischen weniger Mitglieder.<br />

Den Wandel der NPD von einer bedeutungslosen Partei mit wenigen hundert<br />

Mitgliedern zur mitgliederstärksten rechtsextremistischen Partei in<br />

der Bundesrepublik Deutschland schreibt sich ihr Vorsitzender Udo Voigt<br />

zu. Er steht ihr seit 1996 vor, führte sie während des 2003 gescheiterten<br />

Parteiverbotsverfahrens, verordnete ihr seine von der NSDAP entlehnte<br />

„Vier-Säulen-Strategie“ (Kampf um die Straßen, die Köpfe, die Parlamente<br />

und den organisierten Willen) und organisierte 2005 ein Bündnis zwischen<br />

NPD, DVU und Neonazis.<br />

Von der NPD wird zunehmend das Bild des Rechtsextremismus in der Öffentlichkeit<br />

bestimmt. In den 90er Jahren waren es meist marodierende<br />

Skinheads und deren Gewaltübergriffe gegen Fremde sowie politisch Andersdenkende,<br />

die den Rechtsextremismus verkörperten.<br />

Dagegen steht die Gesellschaft heute vor der Herausforderung, dass<br />

die sich zunehmend nazifi zierende NPD alles daran setzt, in den vorpolitischen<br />

Raum einzusickern, um dort ihr politisch-persönliches Kontaktfeld<br />

zu erweitern. Hierzu zählen beispielsweise Sportvereine, Krabbelgruppen<br />

und Bürgerinitiativen. Von dieser Basis aus strebt sie, so zeigen es die Erfahrungen<br />

in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, nach kommunalen<br />

sowie Landtagsmandaten. Diese nutzt sie wiederum, um ihre Strukturen<br />

zu festigen und weiter voranzutreiben.<br />

9


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Die NPD ist in zwei Landtagen vertreten: 2004 erhielt sie in Sachsen<br />

9,2 Prozent der Wählerstimmen und zog mit zwölf Abgeordneten in den<br />

Landtag. Dort greift innerhalb der NPD-Landtagsfraktion mittlerweile<br />

die Selbstzerstörung um sich. Der Ausstieg dreier Fraktionsmitglieder<br />

(Schmidt, Baier, Schön) im Dezember 2005 hat parteiinterne Spannungen<br />

zwischen ost- und westdeutschen Nationalisten ans Licht gebracht. Protest<br />

gegen die Dominanz westdeutscher NPD-Kader in der Fraktion war<br />

zentrales Motiv der Fraktionsaustritte. Wegen angeblicher fi nanzieller Unregelmäßigkeiten<br />

warf die sächsische NPD im November 2006 das Mitglied<br />

Menzel aus der Fraktion. Dieser hatte sich im Landtag offen zu Hitler<br />

bekannt. Noch im selben Monat stellte der Abgeordnete Paul sein Mandat<br />

zur Verfügung, weil die Staatsanwaltschaft Dresden ihn der Verbreitung,<br />

des Erwerbs und des Besitzes kinderpornografi scher Schriften beschuldigt.<br />

Dieser Rückschlag ist für die NPD, die „Todesstrafe für Kinderschänder“<br />

fordert, mit einem massiven Glaubwürdigkeitsverlust verbunden. Zwar<br />

ist für Paul ein Nachrücker ins Parlament eingezogen, doch die sächsische<br />

Landtagsfraktion zählt nun nur noch acht Abgeordnete.<br />

2006 kam die Partei mit 7,3 Prozent auch in Mecklenburg-Vorpommern<br />

über die Fünfprozenthürde und stellt dort sechs Abgeordnete. Ansonsten<br />

kennzeichnete eine Serie von Misserfolgen das Wahljahr 2006: In Berlin<br />

verfehlte die NPD ihr Ziel mit nur 2,6 Prozent Stimmenanteil deutlich und<br />

zog nicht in das Abgeordnetenhaus ein. Jedoch ist sie in vier Bezirksverordnetenversammlungen<br />

vertreten (mit je drei Mandaten in Lichtenberg,<br />

Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick und mit zwei Mandaten in<br />

Neukölln). Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg erreichte die<br />

NPD 0,7 Prozent. In Rheinland-Pfalz scheiterte sie im gleichen Jahr mit<br />

nur 1,2 Prozent der Stimmen. Mit Niederlagen startete die NPD auch in<br />

das Jahr 2008. Bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen<br />

erhielt sie 0,9 beziehungsweise 1,5 Prozent, und kurz darauf wurde ihr<br />

Bundesschatzmeister festgenommen.<br />

10


Rechtsextremistische Parteien<br />

Kommunale Verankerung als Grundlage für den Einzug<br />

in Landesparlamente<br />

In Teilen Sachsens und Mecklenburg-Vorpommerns zeigt sich seit einigen<br />

Jahren das Streben der NPD nach einer kommunalen Verankerung. Damit<br />

will sie Strukturen für die ersehnte „Machtübernahme“ etablieren. Programmatik,<br />

Auftreten und Verlautbarungen der NPD lassen den Schluss<br />

zu, dass diese „Machtübernahme“ in der Zerschlagung der freiheitlichen<br />

demokratischen Grundordnung enden soll. Auch wenn diese „Machtübernahme“<br />

nur ein Wunschtraum der NPD ist, gehen doch erhebliche Beeinträchtigungen<br />

für die politische Kultur davon aus. Denn überall, wo die<br />

NPD wenn auch nur marginale Erfolge erzielt, ist sie darauf aus, demokratische<br />

Verfahren zu torpedieren und zu blockieren.<br />

Häufi g wird berichtet, die NPD erziele mit eloquenten, bürgerlich erscheinenden<br />

und in ihrer Gemeinde verwurzelten Kandidaten ihre Wahlerfolge.<br />

Als Beispiele dienen immer ein Fahrlehrer und ein Arzt aus der Sächsischen<br />

Schweiz. Beide seien im vorpolitischen Raum verankert gewesen<br />

und hätten über ihr politisch-persönliches Kontaktfeld das NPD-Wahlergebnis<br />

ermöglicht.<br />

Derartige Attribute werden ebenso dem Juwelier Udo Pastörs, der sich in<br />

Mecklenburg-Vorpommern als pseudo-bürgerliches NPD-Aushängeschild<br />

präsentiert, nachgesagt. Solche Tendenzen sind nicht von der Hand zu<br />

weisen. Die NPD ist in der Tat um dieses Profi l bemüht, scheitert jedoch<br />

immer wieder bei der Suche nach Kandidaten dieser Prägung. Dem bürgerlichen<br />

Anstrich steht eine deutlich demokratiefeindliche Haltung entgegen.<br />

So forderte Pastörs am 3. März 2007 in Halbe vor Gesinnungsgenossen:<br />

„Lasst uns diese ganze verfaulte Republik unterwühlen.“<br />

Bislang kam die NPD nur dort zum Zuge, wo die zivilgesellschaftliche Gegenwehr<br />

zu schwach war. Das spiegelt sich auch in der Entwicklung der<br />

NPD-Strukturen in <strong>Brandenburg</strong> wider. Die zentrale Frage für 2008 lautet:<br />

Ist die NPD in <strong>Brandenburg</strong> personell, strategisch und materiell in der<br />

Lage, ihre hochgesteckten Ziele – fl ächendeckender Erfolg bei den Kommunalwahlen<br />

2008 in <strong>Brandenburg</strong> – zu verwirklichen? Dazu müsste sie,<br />

ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, ihre kommunalen<br />

Ansätze in <strong>Brandenburg</strong> verstärken und versuchen, von den Gefahren abzulenken,<br />

welche von ihr für die Demokratie und das Gemeinwesen ausgehen.<br />

Ein Wählerpotenzial scheint für die NPD aber bereits jetzt schon<br />

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<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

grundsätzlich vorhanden zu sein. Im Frühjahr 2008 bescheinigte ihr das<br />

Meinungsforschungsinstitut Emnid auf der Basis von 1.000 im Dezember<br />

2007 befragten Bürgern vier Prozent Stimmenanteil bei der Sonntagsfrage<br />

zur brandenburgischen Landtagswahl. Die DVU lag nur noch bei einem<br />

abgeschlagenen Prozentpunkt.<br />

Jüngstes Beispiel für vermeintliche Bürgernähe ist der Kreisverband Lausitz<br />

der NPD, der sich an eine Bürgerinitiative ankoppeln wollte. So bot<br />

man der Volksinitiative gegen den erweiterten Tagebau in der Lausitz öffentlich<br />

eine Kooperation an. Man sei auch gegen Tagebau, weil er „das<br />

Menschenrecht auf Heimat für viele Deutsche“ gefährde. Die Initiative ist<br />

selbstverständlich auf dieses Angebot nicht eingegangen. Aber nicht alle<br />

kommunalen Ansatzpunkte der NPD erfolgen so offen.<br />

Einher geht diese Entwicklung mit einer äußerlichen „Verbürgerlichung“<br />

der rechtsextremistischen Szene insgesamt. Jedoch orientieren sich<br />

Rechtsextremisten lediglich beim „Outfi t“ an gängigen Modetrends. Die<br />

Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung, welche die NPD<br />

bekämpft, bleibt unverändert. Ohne Umschweife demonstrierte Voigt in<br />

einem Interview mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ am 24. September<br />

2004 seine aggressiv-kämpferische Haltung:<br />

„Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor<br />

15 Jahren die DDR abgewickelt hat. Dies geht offensichtlich auch über<br />

die Wahlurne.“<br />

Rassistische Parolen<br />

Was das bedeutet, kann man in der Novemberausgabe 2006 der NPD-<br />

Parteizeitung „Deutsche Stimme“ nachlesen. Die der NPD nahe stehende<br />

Autorin Angelika Willig schreibt hier:<br />

„Die sogenannten westlichen Werte sind überhaupt keine echten Werte,<br />

sondern von Anfang an und bereits in sich dekadent. (...) Um tatsächlich<br />

eine neue politische Arena zu eröffnen, ist eine historische<br />

Wende nötig. Weg vom ‚Menschen’ als oberstem Wert, aber nicht zurück<br />

zu Allah, sondern zu den Schätzen der Erde: Völker, Kulturen,<br />

Religionen, biologische Arten und Menschentypen. Die ‚individuelle<br />

Freiheit‘ oder ihr Versprechen hat schon vieles davon zerstört und<br />

kann alles zerstören. Deshalb müssen wir uns (...) gegen die eigenen<br />

12


Rechtsextremistische Parteien<br />

westlichen Werte wenden. (...) Der Feind ist nicht der Islam, dies ist<br />

höchstens eine böse Chimäre. Aber es gibt sehr wohl einen Feind: er<br />

steht im eigenen Lager und herrscht dort mit dem Anspruch für uns das<br />

Beste zu wollen: die Ermächtigung des Menschen über die Erde und<br />

die Einebnung der Kulturen.“<br />

Als Voraussetzung für die Entstehung „westlicher Werte“ macht die Autorin<br />

die technisch-industrielle Revolution und die daraus folgende Angleichung<br />

der Lebensverhältnisse der Menschen weltweit aus. Dem stellt sie ihr Bild<br />

von „biologischen Menschentypen“ entgegen, deren Kulturen nicht untereinander<br />

vermischbar seien. Eine solche biologistische Einstellung verneint<br />

grundsätzlich demokratische Werte und damit auch das Grundgesetz,<br />

welches der Würde, der Freiheit und der Gleichheit aller Menschen die<br />

oberste Priorität einräumt.<br />

Der Fanatismus eines auf „biologischen Menschentypen“ beruhenden Gesellschaftsbildes<br />

spiegelt sich am ehesten in einer rassisch homogenen,<br />

also autoritär-hierarchisch durchformten, germanischen Stammesgesellschaft,<br />

welche nach dem Führerprinzip organisiert ist. In solchem Weltbild<br />

fi ndet Demokratie keinen Platz.<br />

Biologistische Denkfragmente durchziehen auch andere NPD-Publikationen<br />

und damit deren geistige Grundhaltung sowie parteiinternen Diskurs.<br />

So heißt es in dem NPD-Material „Argumente für Kandidaten und Funktionsträger“,<br />

welches unter der presserechtlichen Verantwortung des brandenburgischen<br />

NPD-Landesvorsitzenden und Bundespressesprechers<br />

Klaus Beier entstanden ist:<br />

„Ein Afrikaner, Asiate, oder Orientale wird nie Deutscher werden können,<br />

weil die Verleihung bedruckten Papiers (des BRD Passes) ja<br />

nicht die biologischen Erbanlagen verändert, die für die Ausprägung<br />

körperlicher, geistiger und seelischer Merkmale von Einzelmenschen<br />

und Völkern verantwortlich sind. Angehörige anderer Rassen bleiben<br />

deshalb körperlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper, gleich wie<br />

lange sie in Deutschland leben.“<br />

Hier wird ganz offen eingebürgerten Deutschen die Befähigung zum<br />

Deutschsein abgesprochen. Sie werden als fremdartig ent- und damit in<br />

jeder Hinsicht als ungleich herabgewertet. Selbiges gilt für diejenigen, welche<br />

die deutsche Staatsbürgerschaft anstreben.<br />

13


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Grundlage hierfür ist ein rassistisch-verquastes, am Nationalsozialismus<br />

angelehntes Menschenbild, welches mit der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung unvereinbar ist. Hinzu kommt ein völlig willkürlicher Kulturbegriff<br />

der NPD wie er sich im „lebensrichtigen Menschenbild“ des NPD-<br />

Programms fi ndet. Die Partei sieht in Kultur den Ausdruck einer statischen,<br />

über kollektive Erbanlagen vorgeprägte Naturgesetzmäßigkeit.<br />

Verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes: Klaus Beier,<br />

NPD-Landesvorsitzender in <strong>Brandenburg</strong> und NPD-Bundespressesprecher<br />

Solch biologistische Kultur formt dann angeblich ein Volk auf ewig. Und<br />

diese Formung gilt es mit allen Mitteln zu verteidigen. Grundrechte oder<br />

-werte, auf die sich Einzelne berufen können, sind bedeutungslos. Letztendlich<br />

bedeutet das „lebensrichtige Menschenbild“ der NPD nichts anderes<br />

als ‚Ausländer raus und den Rest bestimmen wir’. Insofern ist die<br />

NPD von einem rassistischen Extremismus mit willkürlich gewähltem<br />

Kulturbegriff beherrscht. Über diesen wird ständig das „Andersartige“ zum<br />

Zwecke der Ausgrenzung defi niert. Dies kann jederzeit jeden treffen.<br />

Nur in einem Punkt drängt die NPD in ihrem Parteiprogramm ausdrücklich<br />

auf eine „scheinbare“ Meinungsfreiheit: Bei der Revision und Relativierung<br />

der Geschichte des Nationalsozialismus. Man muss nicht viel Phantasie<br />

entwickeln, um sich vorzustellen, wie diese „Staatsdoktrin“ nach einer<br />

„Machtübernahme“ der NPD aussehen würde.<br />

14


Rechtsextremistische Parteien<br />

NPD in <strong>Brandenburg</strong>: Mit dünner Basis<br />

in die Kommunalwahl 2008<br />

Zur brandenburgischen Kommunalwahl 2003 trat die NPD nur für drei<br />

Kreistage an. In Frankfurt (Oder) und Fürstenwalde, wo sie noch 1998 ein<br />

bzw. zwei Mandate errungen hatte, kandidierte sie nicht mehr. Denn ihre<br />

Mandatsträger waren ihrer Aufgabe nicht gewachsen und über weite Strecken<br />

nicht anwesend. Jörg Hähnel ist nach Berlin gezogen und hat sich<br />

im Stadtparlament Frankfurt (Oder) nicht mehr blicken lassen. Auch in der<br />

jetzigen Legislaturperiode sind die Mandatsträger der NPD den Beweis<br />

ihrer kommunalpolitischen Tauglichkeit schuldig geblieben.<br />

Inzwischen verfügt die Partei im Kreistag Oberhavel über ein Mandat. Zwei<br />

weitere besetzt sie in Oder-Spree. Ihre Mandate im Kreistag Prignitz und<br />

im Gemeinderat von Wittstock hat die Partei durch den Wechsel ihres ehemaligen<br />

Landesvorsitzenden Mario Schulz und von Matthias Wirth zur neonazistischen<br />

„Bewegung Neue Ordnung“ (BNO) eingebüßt. Zur brandenburgischen<br />

Landtagswahl 2004 trat die NPD nicht an, weil sie aufgrund des<br />

„Deutschland-Paktes“ mit der DVU dieser den Vortritt ließ (siehe S. 43 ff.).<br />

Bei der Bundestagswahl 2005 stellte die NPD in <strong>Brandenburg</strong> fl ächendeckend<br />

in allen zehn Wahlkreisen Direktkandidaten auf. Die Partei konnte<br />

in <strong>Brandenburg</strong> 3,2 Prozent der Zweitstimmen erlangen und ihr Ergebnis<br />

im Vergleich zur Wahl 2002 um 1,7 Prozent steigern. Bundesweit kam die<br />

NPD auf 1,6 Prozent. Dennoch scheiterte die NPD mit ihrem Ziel, in ganz<br />

<strong>Brandenburg</strong> Fuß zu fassen. Die 2004er-Landtagswahlergebnisse der<br />

DVU verfehlte die NPD deutlich.<br />

Die NPD verfolgt mit all ihren Anstrengungen das Ziel, zur Kommunalwahl<br />

2008 nahezu fl ächendeckend anzutreten, um möglichst viele Mandate zu<br />

erlangen. Allerdings ist sie in <strong>Brandenburg</strong> zurzeit noch weit davon entfernt,<br />

Menschen, die bei den Bürgern Ansehen und Vertrauen genießen,<br />

für sich zu gewinnen.<br />

Sollte die NPD aber zumindest die DVU bei der Kommunalwahl überfl ügeln,<br />

ist damit zu rechnen, dass sie vor der 2009er Landtagswahl in <strong>Brandenburg</strong><br />

den „Deutschland-Pakt“ (siehe S. 47) beendet, um in die parlamentarischen<br />

Fußstapfen der DVU zu treten.<br />

15


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Strukturen der NPD in <strong>Brandenburg</strong><br />

Der Landesverband <strong>Brandenburg</strong> ist im April 2003 aus dem 1991 gegründeten<br />

Landesverband Berlin-<strong>Brandenburg</strong> hervorgegangen. Die Abspaltung<br />

der neonazistischen „Bewegung Neue Ordnung“ (BNO) warf die Partei<br />

2004 zunächst auf ein Mitgliederpotenzial von 130 Personen zurück.<br />

Jedoch brachte der Wahlerfolg der NPD in Sachsen 2004 der brandenburgischen<br />

NPD einen Mitgliederzuwachs. 2006 verfügte die Partei zusammen<br />

mit Mitgliedern der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“<br />

(JN) wieder über 230 Aktivisten, womit sie ihren alten Höchststand aus<br />

dem Jahr 2000 übertraf. Die leicht steigende Tendenz konnte die Partei<br />

2007 nur mit Hilfe der JN aufrechterhalten. Beide zusammen zählen in<br />

<strong>Brandenburg</strong> inzwischen 250 Mitglieder (nur NPD: 230). Im Bund zählt die<br />

NPD zurzeit über 7.000 Mitglieder. Den Eintritten stehen aber auch Austritte<br />

gegenüber, darunter selbst Kreisvorsitzende in <strong>Brandenburg</strong>.<br />

Von der Schrumpfung der Neonazi-Szene profi tiert hat die JN. Erst Ende<br />

2006 wurde mit dem Wiederaufbau von JN-Strukturen in <strong>Brandenburg</strong><br />

begonnen. Nun zählt die Organisation rund 40 Personen, wobei jedoch<br />

nicht alle von der NPD als JN-Mitglieder angesehen werden. In Spremberg<br />

existiert seit Februar 2007 der Stützpunkt Spreewald. Die Stützpunkte in<br />

Oranienburg und im Oderland wurden im Juni 2007 von „Freien Kräften“<br />

aus dem Barnim und dem Landkreis Oberhavel gegründet (siehe S. 31).<br />

Die NPD hat inzwischen erkannt, dass sie für weibliche<br />

Wähler nicht zuletzt deshalb unattraktiv ist, weil<br />

sie zu wenige weibliche Mitglieder hat. Am 16. September<br />

2006 wurde deshalb erstmalig in Sachsen-<br />

Anhalt der „Ring Nationaler Frauen“ (RNF) als NPD-<br />

Frauenorganisation ins Leben gerufen.<br />

Ein regionaler Schwerpunkt in <strong>Brandenburg</strong> ist nicht<br />

bekannt. Der RNF verfügt in <strong>Brandenburg</strong> derzeit nur<br />

über Einzelmitglieder. RNF-Pressesprecherin ist die<br />

in <strong>Brandenburg</strong> lebende Berliner NPD-Funktionärin<br />

und Beisitzerin im Bundesvorstand Stella Palau. Eine<br />

wenig aktuelle Internetseite ist bereits vorhanden. Im<br />

Gästebuch diskutiert man die Anzahl der Rechtschreibfehler in den Web-<br />

Sites des RNF.<br />

16


Rechtsextremistische Parteien<br />

Geleitet wird der brandenburgische NPD-Landesverband von Klaus Beier.<br />

Er ist NPD-Bundespressesprecher und Beisitzer im NPD-Bundesvorstand.<br />

Seine Stellvertreter sind Detlef Appel und Thomas Salomon (beide<br />

aus Oberhavel). Letzterer ist auch Beisitzer im NPD-Bundesvorstand und<br />

Pressesprecher der Partei in <strong>Brandenburg</strong>. Beier übernahm den Vorsitz<br />

Anfang 2004, nachdem der bisherige Vorsitzende, Mario Schulz, samt seinem<br />

Kreisverband Prignitz-Ruppin die Partei verlassen und die neonazistische<br />

„Bewegung Neue Ordnung“ gegründet hatte.<br />

Der Landesvorsitzende Klaus Beier ist zurzeit Gegenstand eines strafrechtliches<br />

Vorgangs: Die Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte<br />

Knobloch, erstattete Anzeige gegen Klaus Beier und ein weiteres Bundesvorstandsmitglied<br />

der NPD, Peter Marx. Grund: Marx hatte in einer antisemitischen<br />

Internetveröffentlichung die Vorsitzende des Zentralrats unter<br />

der Überschrift „Frau Knobloch leidet offensichtlich unter Realitätsverlust“<br />

auch persönlich angegriffen. Beier hatte den Artikel mit seiner Unterschrift<br />

als Bundespressesprecher der NPD auf die Homepage der Partei gestellt.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> gliedert sich die NPD in die Kreisverbände Oberhavel mit<br />

etwa 40 Mitgliedern, Oderland mit etwa 70 Mitgliedern, Lausitz (der Kreisverband<br />

Spreewald nennt sich seit Januar 2008 Kreisverband Lausitz und<br />

umfasst nur noch die Landkreise Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz<br />

und Cottbus) mit etwa 30, Barnim-Uckermark mit etwa 20 und Havel-Nuthe<br />

mit etwa 50 Mitgliedern. Die Vorsitzenden sind Detlef Appel, Klaus Beier,<br />

Ronny Zasowk, Mike Sandow und Michel Müller.<br />

Der Kreisverband Barnim-Uckermark wurde Ende 2006 neu gegründet.<br />

Auch in den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin strebt die Partei<br />

die Neugründung eines Kreisverbandes an. Der Kreisverband Elbe-Elster<br />

befi ndet sich ebenfalls noch in Planung. Bislang werden die Mitglieder in<br />

Elbe-Elster vom sächsischen Kreisverband Riesa-Großenhain betreut.<br />

Denn der Kreisverband Lausitz konnte dies aufgrund der territorialen Ausmaße<br />

nicht leisten, was ein deutliches Zeichen für organisatorische Überdehnung<br />

und Mangel an geeignetem Personal ist.<br />

Besonders umtriebig ist der Kreisverband Oderland. Auch auf Ortsverbandsebene<br />

intensiviert die NPD ihre Bemühungen, den kommunalen Strukturaufbau<br />

voranzutreiben. Vorbild ist der Landesverband Sachsen, wo die<br />

NPD bereits fl ächendeckend vertreten ist. So genannte Ortsbereiche be-<br />

17


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

ziehungsweise Stadtverbände gibt es in Oranienburg, Hennigsdorf/Velten,<br />

Gransee/Zehdenick, Rathenow und Strausberg. Seit Anfang 2007 wurden<br />

in Frankfurt (Oder), Storkow, Königs Wusterhausen und Schöneiche weitere<br />

ins Leben gerufen beziehungsweise in Fürstenwalde wiederbelebt.<br />

Stützpunkte hat die NPD in Neuruppin, Beeskow und Eisenhüttenstadt eingesetzt.<br />

Die Bezeichnung Stützpunkt soll darüber hinwegtäuschen, dass<br />

es sich regelmäßig nur um wenige Aktivisten handelt. Nur im Kreisverband<br />

Oderland führten die Bemühungen der NPD zu einer gewissen lokalen Verknüpfung.<br />

Tatsächlich wurden nur bereits vorhandene Strukturen mit einem<br />

neuen Etikett versehen, um sich im Vorfeld der Kommunalwahlen besser<br />

präsentieren zu können. Einzig die Gründungen in Königs Wusterhausen,<br />

Neuruppin und Frankfurt (Oder) sind tatsächliche Neugründungen. Wobei<br />

der Stützpunkt in Neuruppin bisher kaum Aktivitäten entfaltete und die wenigen<br />

Aktivitäten des Ortsverbandes Frankfurt (Oder) seit Mai 2007 zum<br />

Erliegen gekommen sind. Insgesamt sind die neuen Strukturen personell<br />

kaum unterfüttert, teilweise kommen nicht einmal fünf Mitglieder zusammen.<br />

Regelmäßige Aktivitäten gehen von diesen Strukturen kaum aus.<br />

Publikationen<br />

2007 hat die brandenburgische NPD ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt. In<br />

zahlreichen Städten wurden Info-Stände initiiert. Sprachrohr des Landesverbandes<br />

sowie seines Berliner Pendants ist die quartalsmäßig erscheinende<br />

Publikation „Zündstoff“, die nur an Mitglieder verschickt wird. Zudem<br />

publiziert der Kreisverband Oderland seit Anfang 2006 die „Oderlandstimme“.<br />

In 2007 soll das Propagandablatt zwei Mal erschienen sein. Im Juni<br />

2007 folgte der Kreisverband Oberhavel mit der „Oberhavellandstimme“.<br />

Die Postille hat eine angebliche Aufl age von 20.000 Exemplaren.<br />

Die Ortsverbände Fürstenwalde, Storkow, Schöneiche und Königs Wusterhausen<br />

haben Flugblätter entworfen und verteilt, die aktuelle lokale Themen<br />

ansprechen. Seit Oktober vertreibt auch der Kreisverband Barnim-<br />

Uckermark eine Publikation mit dem Namen „Märkische Stimme“, die laut<br />

Internetseite des Kreisverbandes Barnim-Uckermark 30.000 Mal verteilt<br />

worden sein soll. Bemerkenswerter als die Publikation sind hier eher Zeit<br />

und Ort der Verteilung: Eine großangelegte Verteilaktion soll am 8. November<br />

2007 in der Nähe einer Gedenkveranstaltung an die Reichsprogromnacht<br />

im Bernauer Stadtzentrum begonnen haben (am 9. November 1938<br />

hatten Nationalsozialisten antisemitische Ausschreitungen sowie Plünde-<br />

18


Rechtsextremistische Parteien<br />

rungen organisiert und gesteuert). Sämtliche Publikationen sind im Internet<br />

abrufbar. Der Landesverband und die Kreisverbände sowie Ortsverbände<br />

Strausberg und Königs Wusterhausen sind im Internet vertreten, ebenso<br />

der RNF.<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Die NPD versucht, mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen den Eindruck<br />

eines sozialen und bürgernahen Engagements zu erwecken, um den<br />

Boden für ihre antisemitischen, rassistischen und demokratiefeindlichen<br />

Botschaften zu bereiten. Ein entsprechendes Engagement der Partei ist<br />

seit 2006 zu beobachten. Beim dem Frühjahrslauf 2006 in Fürstenwalde<br />

startete die NPD erstmalig mit einem eigenen Lauf-Team. In Storkow nahmen<br />

Mitglieder des Kreisverbandes Oderland im September 2006 an einer<br />

Radsternfahrt teil. Im Jahr 2007 trat man wiederholt zu diesem Anlass in<br />

die Pedale.<br />

Wichtiger als solche Präsenz bei öffentlichen Freizeitveranstaltungen war<br />

der Partei 2007 zumindest die verbale Unterstützung tatsächlich oder vermeintlich<br />

benachteiligter Bürger. Der Kreisverband Havel-Nuthe nutzte die<br />

Ängste von Grundstücksbesitzern in Blankenfelde und Mahlow vor Ansprüchen<br />

durch die Jewish Claims Conference, um mit einem Flugblatt „Steht<br />

die nächste Enteignung bevor?“ antisemitische Ressentiments zu schüren.<br />

Es wurde am 11. März 2007 in einer Aufl agenstärke von 5.000 Stück<br />

verteilt.<br />

In Storkow versuchte sich die NPD am 22. Juni 2007 bei Protesten gegen<br />

die Schließung einer Polstermöbelfabrik einzuklinken. Damit scheiterte sie<br />

jedoch an der Aufmerksamkeit der Veranstalter (unter anderem Gewerkschaften<br />

und Gemeinde). Denn Beiträge der NPD wurden nicht zugelassen.<br />

Der Ortsverband Königs Wusterhausen führte am 21. Juli 2007 eine<br />

Mahnwache durch, die sich gegen die angebliche Gefährdung der Einwohner<br />

im Bahnhofsareal richtete. Ein angeblicher Überfall auf eine junge<br />

Frau führte am 4. August 2007 zu einer Spontandemonstration von zehn<br />

NPD-Mitgliedern. Im Kontrast dazu wurde am 31. Juli 2007 ein Körperverletzungsverfahren<br />

gegen den Vorsitzenden des Ortsverbandes Königs<br />

Wusterhausen, Michael Thalheim, gegen Zahlung eines Schmerzensgeldes<br />

eingestellt. Er hatte während der rechtsextremistischen Demonstration<br />

am 11. März 2006 in Halbe eine Gegendemonstrantin mit Tritten<br />

verletzt.<br />

19


Demonstrationen<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

In der Regel werden die Aktionen der NPD von der Öffentlichkeit kaum<br />

wahrgenommen. Zumeist werden sie erst im Nachgang durch Berichte auf<br />

den Internetseiten der NPD oder Pressemitteilungen bekannt. Am 27. Januar<br />

demonstrierten etwa 250 NPD-Anhänger in Frankfurt (Oder) unter<br />

dem Motto „Deutschland ist abgeMERKELt! <strong>Brandenburg</strong> auch! Danke<br />

schönBOHM!“.<br />

Auch vom Protest gegen den G 8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 versuchte<br />

die NPD zu profi tieren. Wie andere Rechtsextremisten hat auch die<br />

NPD in der Vergangenheit ihre Ablehnung gegenüber Globalisierung und<br />

„globalisiertem Kapitalismus“ zum Ausdruck gebracht. Rechtsextremisten<br />

sehen durch die Globalisierung die deutsche Kultur bedroht, womit ein rassistisches<br />

Konstrukt gemeint ist, das nicht in der Wirklichkeit, wohl aber in<br />

den Köpfen der Rechtsextremisten existiert. Die Themen Globalisierung<br />

und G 8-Gipfel in Heiligendamm gehören zu den wenigen Bereichen, zu<br />

denen strukturübergreifend in der rechtsextremistischen Szene mobilisiert<br />

werden kann.<br />

Für den 2. Juni 2007 meldete der NPD-Bundesvorstand in Schwerin<br />

(Mecklenburg-Vorpommern) eine Demonstration an. Das Motto lautete:<br />

„Nein zum G 8-Gipfel – Für eine Welt freier Völker“. Die NPD rechnete<br />

mit 1.500 Teilnehmern in der Landeshauptstadt. Tatsächlich wurde der<br />

Aufmarsch verboten. Die Gerichte billigten diese Entscheidung. Die anreisenden<br />

Teilnehmer trafen sich daher zu spontanen Ersatzkundgebungen.<br />

Darunter waren auch brandenburgische Städte wie Wittenberge, <strong>Brandenburg</strong><br />

an der Havel, Oranienburg, Potsdam und Lübbenau. Verantwortlich<br />

für die Spontandemonstrationen zeichneten häufi g die Vertreter der neonazistischen<br />

„Freien Kräfte“.<br />

Auch bei der <strong>Brandenburg</strong>er NPD stand die Globalisierung seit Frühjahr<br />

2007 im Mittelpunkt. Man hoffte, damit ein bürgernahes Thema gefunden zu<br />

haben. Dementsprechend fanden ab April Infostände in Cottbus (14. April),<br />

Fürstenwalde/Spree (28. April), Templin (3. Mai), <strong>Brandenburg</strong> a. d. Havel<br />

(18. Mai), Pritzwalk (19. Mai), Frankfurt (Oder) (19. Mai), Eisenhüttenstadt<br />

(19. Mai) und Königs Wusterhausen (9. Juni) mit diesem Schwerpunkt<br />

statt, erzielten allerdings keine besondere Außenwirkung. Das hinderte die<br />

NPD nicht daran, ihre Aktivitäten im Internet als Erfolge zu feiern.<br />

20


Rechtsextremistische Parteien<br />

Ihre Veranstaltung am 16. Juni 2007 in Rathenow unter dem Motto: „G8<br />

Gipfel der Achtlosigkeit - Globalisierung stoppen!!!“ war die zweite „Großdemo“<br />

der brandenburgischen NPD in diesem Berichtsjahr. Udo Pastörs,<br />

Vorsitzender der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern,<br />

trat als Redner auf. Der Juwelier hielt eine hetzerische Rede vor<br />

etwa 250 Teilnehmern. Pastörs sagte unter anderem: „Wenn wir weiterleben<br />

wollen als Volk mit deutschem Antlitz“, sei Radikalität ein Muss, „sonst<br />

wird es in 50 Jahren hier auf diesem Platz vielleicht Hottentotten-Tänze<br />

geben, aber keine deutschen Frauen und Männer mehr.“<br />

Es sei ein „Naturrecht“ Deutscher zu sein, womit Pastörs die rassistische<br />

Weltsicht seiner Partei wieder einmal hervorhob.<br />

Am 28. Juli 2007 demonstrierten gut 280 Personen in Cottbus unter dem<br />

Motto „Sozial statt global! Heimat statt Globalisierung!“. Anmelder waren<br />

die NPD und Neonazis. Es sprachen unter anderem der Vorsitzende des<br />

NPD-Kreisverbandes Lausitz, Ronny Zasowk, und der Vorsitzende der JN<br />

Hoyerswerda, Sebastian Richter. Letzterer gilt als Bindeglied zwischen den<br />

Lausitzer neonazistischen „Freien Kräften“ und der NPD. Er war bereits am<br />

27. Januar 2007 bei einer NPD-Demonstration als Redner aufgetreten.<br />

In Königs Wusterhausen fand am 6. Oktober 2007 unter dem Motto: „Jugend<br />

braucht Perspektive“ die vierte Demonstration der NPD in diesem<br />

Jahr in <strong>Brandenburg</strong> statt. Anmelder war der Ortsverband Königs Wusterhausen.<br />

Die Teilnehmerzahl lag bei etwa 250 Personen. Obwohl sogar der<br />

NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt eine Rede hielt, blieb das Echo bei den<br />

Teilnehmern, darunter auch zahlreiche Personen aus Berlin, verhalten.<br />

Anzumerken ist, dass sämtliche Demonstrationen überwiegend durch<br />

Teilnehmer der so genannten „Freien Kräfte“ getragen wurden. Deren Mitglieder<br />

bekennen sich häufi g zum „nationalen Sozialismus“ und stammen<br />

in der Regel aus der Region Cottbus/Guben, Teltow, Königs Wusterhausen,<br />

vereinzelt aus Potsdam, Oberhavel, Berlin und Sachsen-Anhalt .<br />

21


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Agitations- und Propagandaaktionen<br />

Die NPD bezeichnet ihre Agitations- und Propagandaaktionen auch als<br />

„Wortergreifungsstrategie“. Sie versteht darunter das gezielte Auftreten<br />

von NPD-Mitgliedern bei Veranstaltungen Dritter. Dazu zählen demokratische<br />

Parteien, Verbände, Stiftungen, lokale Bürgerinitiativen, Kultur- und<br />

Sportereignisse sowie öffentliche Protestaktionen. Solche Auftritte von<br />

NPD-Aktivisten dienen dazu, Diskussionen zu sprengen und die NPD<br />

lautstark ins Gespräch zu bringen. „In der direkten Konfrontation mit dem<br />

politischen Gegner soll dieser nicht mehr in der Lage sein, über die Nationalisten,<br />

sondern nur noch mit ihnen zu diskutieren“, heißt es dazu in<br />

einem Grundsatzbeschluss der JN von 2006. In der Praxis greift die NPD<br />

zum Teil auf unkonventionelle Protestformen zurück, hält Demonstrationen<br />

und Mahnwachen ab, versucht Diskussionsveranstaltungen zu stören und<br />

schreibt offene Briefe.<br />

Die Aktionen der NPD zielen allein auf öffentliche Wirkung. Es geht ihr um<br />

sich selbst und um ihre Selbstdarstellung, angeblich eine völlig normale<br />

Partei zu sein. Tatsächliches Interesse an den Anliegen der Bürgerinitiativen<br />

oder Parteien besteht nicht. Die Störaktionen und gezielten Provokationen<br />

sollen vor allem bei den eigenen Anhängern Selbstbewusstsein<br />

und Stärke wecken und andere gleichzeitig einschüchtern. Die Partei nutzt<br />

die Medienpräsenz vor Ort, um ohne größeren fi nanziellen Aufwand die<br />

Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu lenken. Die NPD folgt der<br />

Devise, dass es egal sei, ob gut oder schlecht über sie gesprochen werde.<br />

Hauptsache, es werde überhaupt über sie gesprochen. So gelingt es ihr<br />

auch, mangelnde eigene Kreativität und fehlende Initiativkraft zu überspielen.<br />

Auch wenn sich manche Aktion als Flop entpuppt, münzt sie die NPD im<br />

Nachgang auf ihren Seiten im Internet regelmäßig zu Erfolgen um. Seit<br />

Juli 2006 nutzt die NPD Parteitage demokratischer Parteien, um in der<br />

Öffentlichkeit mit Mahnwachen und Infoständen auf sich aufmerksam zu<br />

machen. Die größte Aufmerksamkeit erzielt sie insgesamt mit eigenen Demonstrationen,<br />

insbesondere dann, wenn es ihr gelingt, eine Berichterstattung<br />

in den Medien zu erhalten.<br />

Aber auch Diskussionsveranstaltungen sind ein bevorzugtes Ziel für Störungen<br />

oder Mahnwachen seitens der NPD.<br />

22


Rechtsextremistische Parteien<br />

Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Oderland versuchten am 17. Januar<br />

2007 eine Veranstaltung der Partei „Die Linkspartei.PDS“ in Bad Saarow<br />

zu stören. Sie wurden jedoch des Saales verwiesen.<br />

Am 24. April 2007 versuchten etwa zehn Mitglieder und Funktionäre aus<br />

Berlin und <strong>Brandenburg</strong> eine Vortragsveranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung<br />

in Oranienburg zum Thema „Wie gehen wir mit Vertretern der NPD in<br />

der Öffentlichkeit um?“ zu sprengen. Doch die Polizei erteilte ihnen einen<br />

Platzverweis.<br />

Am Rande des Landesparteitages der SPD, der am 30. Juni 2007 in<br />

Cottbus abgehalten wurde, errichteten etwa 30 NPD-Aktivisten einen<br />

Info-Stand unter dem Motto „Sozial statt Global“. Vorausgegangen waren<br />

Mahnwachen unter dem Motto „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“<br />

im Umfeld des Landesparteitages der SPD am 1. Juli 2006 in Fürstenwalde<br />

und „Lasst Multi-Kulti-Träume platzen!“ aus Anlass des Landesparteitages<br />

von „Bündnis 90/Die Grünen“ am 25. November 2006 in Halbe.<br />

Selbst Parteiveranstaltungen mit rein lokalem Charakter sind nicht mehr<br />

vor Störungen seitens der NPD sicher. Dies gilt insbesondere für Veranstaltungen<br />

demokratischer Parteien, die im Bereich des NPD-Kreisverbandes<br />

Oderland stattfi nden, denn dort hat die NPD ihre höchste Dichte an<br />

Ortsverbänden. Am 20. Juni 2007 wollten NPD-Vertreter eine Veranstaltung<br />

der SPD zum Thema NPD sprengen. Ihnen wurde der Zutritt versagt.<br />

Auch zu einer Mitgliederversammlung „Der Linken“ am 30. Juni 2007 im<br />

Friedensdorf Storkow mit anschließender Diskussion zum Thema Rechtsextremismus<br />

versuchte die NPD vergebens, sich Zutritt zu verschaffen.<br />

Ebenso missbraucht werden von der NPD Kulturveranstaltungen, um Aufmerksamkeit<br />

zu erzielen. Am 17. Juni 2007 fand das multikulturelle Festival<br />

„Cottbus Open“ statt. Vertreter der NPD hätten versucht, sich an einer<br />

Live-Diskussion zu beteiligen, seien aber von der Polizei daran gehindert<br />

worden, so die Behauptung der NPD im Internet.<br />

Mitglieder des NPD-Ortsverbandes Königs Wusterhausen meldeten kurzfristig<br />

- für den 1. Oktober 2007 - eine Veranstaltung unter den Motto „Wir<br />

lassen die Wähler entscheiden“ an. An dieser Veranstaltung nahmen etwa<br />

70 Personen aus Berlin und <strong>Brandenburg</strong> teil. Hintergrund war eine Veranstaltungsreihe<br />

des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit“ zum Thema Rechtsextremismus in <strong>Brandenburg</strong>.<br />

Den NPD-Anhängern gelang es nicht, die Veranstaltung zu stören.<br />

23


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Auffällig an diesen Propagandaaktionen ist, dass brandenburgweit fast immer<br />

die gleichen sechs bis acht Personen – manchmal mit Anhang – als<br />

Störer auftreten. Von Massenprotesten der regionalen NPD-Basis gegen<br />

Veranstaltungen demokratischer Organisationen kann also nicht die Rede<br />

sein.<br />

Dass der Wortergreifungsstrategie auch ein erhebliches Moment der Einschüchterung<br />

innewohnt, belegen folgende Vorfälle: Die NPD lässt anwaltliche<br />

Schreiben fertigen, in denen die Betroffenen zum Unterzeichnen von<br />

Unterlassungserklärungen aufgefordert werden. So wurde der Oberbürgermeister<br />

von Frankfurt (Oder) im Januar 2007 aufgefordert, Gegenaktionen<br />

gegen eine NPD-Veranstaltung am 27. Januar zu unterlassen. Er<br />

wies diesen Einschüchterungsversuch zurück.<br />

Im Juli 2007 publizierte die NPD einen offenen Brief an den Bürgermeister<br />

von Schöneiche. Das Schreiben war in einem drohenden und beleidigenden<br />

Ton verfasst. Unterschrieben hat es das Bundesvorstandsmitglied<br />

Frank Schwerdt. Dem Bürgermeister wurden Nötigung und Amtsmissbrauch<br />

vorgeworfen und eigenes Denkvermögen abgesprochen, weil die<br />

Gemeinde der NPD keinen Saal für die Gründung des Ortsverbandes zur<br />

Verfügung gestellt hatte. Zudem hatte der Bürgermeister die Bewerbung<br />

des NPD-Ortsvorsitzenden für das Amt des ehrenamtlichen Koordinators<br />

gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rassismus und Gewalt zurückgewiesen.<br />

Schülerzeitungen<br />

Als neuestes Vehikel der Propaganda sollen der NPD in Berlin und <strong>Brandenburg</strong><br />

Schülerzeitungen dienen. Am 11. und 12. Oktober 2007 hat der<br />

Ortsverband Strausberg der NPD „seine“ Schülerzeitung „Brennessel“ im<br />

Berliner Umland in der S-Bahn verteilt. Dies war der erste Versuch, sich<br />

auf diese Weise eine jugendliche Leserschaft zu erschließen. Die Zeitung<br />

wirkte zwar wenig professionell, aber als Schülerzeitung durchaus authentisch.<br />

Die NPD wird auch hier als Partei dargestellt, die sich lediglich für die<br />

sozialen Interessen der Deutschen einsetzen wolle. Rassistische Propaganda<br />

wird eher unterschwellig betrieben. Die „Brennessel“ enthält auch<br />

Werbung für den NPD-eigenen Verlag „Deutsche Stimme“ und die rechtsextremistische<br />

„Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ).<br />

24


Rechtsextremistische Parteien<br />

Im Juli 2007 kündigte die NPD an, in <strong>Brandenburg</strong> zum Schulbeginn eine<br />

Schülerzeitung verteilen zu wollen. Die kam dann mit reichlich Verspätung<br />

erst Ende Oktober als gemeinsames Produkt der NPD-Landesverbände<br />

Berlin und <strong>Brandenburg</strong> unter dem Namen „Stachel – Schülerzeitung für<br />

Mitdenker“ an die Öffentlichkeit. Am 22. Oktober 2007 wurde sie nach<br />

Aussage der Partei vor Schulen und Busbahnhöfen unter anderem in<br />

Cottbus, Guben, Storkow (Mark), Nauen, Bernau, Biesenthal, Eberswalde,<br />

Schwedt/Oder und Prenzlau verteilt. Die Startaufl age soll laut NPD<br />

20.000 Stück betragen haben. Themen des Heftes waren Nationalismus,<br />

Drogen, Mädchen in der NPD, Schulschließungen und Bildung.<br />

Die Zeitung ist professionell aufgemacht, wirkt aber kaum wie eine Schülerzeitung<br />

von Schülern für Schüler. Es ist eher eine „oberlehrerhaft“<br />

daherkommende Parteizeitung. Die Artikel sind sehr bieder im Stile des<br />

üblichen NPD-Propagandamaterials. Fraglich ist ebenso, ob beispielsweise<br />

Hermann der Cherusker als Vorbild bei Jugendlichen wirklich Anklang<br />

fi ndet. Zum belehrenden Ton des „Stachel“ passen auch die markigen<br />

Formulierungen in Richtung des politischen Gegners. So sind Politiker<br />

„machtgeil“ und SPD-Mitglieder allesamt „Volksverderber“. Beim Thema<br />

Nationalismus wird der Rassismus der NPD verharmlost und als Vertretung<br />

deutscher Interessen bezeichnet.<br />

Einzig bei ihrem zentralen Thema einer vermeintlichen Überfremdung<br />

Deutschlands bleibt sich die Partei selbst treu und kommt zu eindeutigen<br />

Formulierungen. So wird ein Moscheebau in Berlin-Pankow wie folgt kommentiert:<br />

25


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Schon entsteht die erste Moschee im Osten der Stadt. Nicht nur die<br />

Menschen sind fremd, auch die Architektur und die Läden, kurz: das<br />

gesamte Leben. Diese Entwicklung geht mit einem Anstieg von Gewalt<br />

und Drogenkriminalität einher.“<br />

Hier wird Zuwanderung pauschal als bedrohlich und werden Zuwanderer<br />

als generell gewaltbereit dargestellt.<br />

Allerdings ist der NPD beim „Stachel“ ein erheblicher Fauxpas unterlaufen.<br />

Man vergaß die Namensrechte zu überprüfen. Das tat dann das Gericht<br />

und verfügte auf Antrag der Berliner Grünen eine einstweilige Verfügung.<br />

Denn die Grünen selbst besitzen die Rechte an diesem Zeitschriftentitel.<br />

Nun erscheint die NPD-Schülerzeitung unter dem Titel „titellose“ im Internet.<br />

Antisemitismus<br />

Neben fremdenfeindlichen Äußerungen fallen in jüngster Zeit auch offen<br />

antisemitische Äußerungen des Landesverbandes auf. Anlässlich des jüdischen<br />

Laubhüttenfests im Oktober 2007 verbreitete der Vorsitzende des<br />

Ortsverbandes Schöneiche im Internet seine Ansichten darüber, dass jüdische<br />

Feste von der NPD in Zukunft gestört werden sollten, weil sie die<br />

Existenz deutscher Kultur bedrohten. Wörtlich heißt es:<br />

„Wir Nationaldemokraten haben es uns zum Ziel gesetzt, die deutsche<br />

Kultur zu fördern. Deshalb werden wir zukünftig bei solchen Veranstaltungen<br />

Gesicht und T-Hemd zeigen, um eine Diskussion mit den Teilnehmern<br />

über deutsche Kultur zu fördern. An diesem Beispiel sehen<br />

Sie, wo falsch verstandene Toleranz hinführt. Toleranz heißt Duldsamkeit.<br />

Heute erdulden wir das Laubhüttenfest und morgen gibt es gar<br />

keine deutschen Feste mehr.“<br />

Am 7. Dezember 2007 wollte man dann auch beim Chanukka-Fest des<br />

jüdischen Integrationsvereins „Schtetl“ in Schöneiche „Gesicht zeigen“.<br />

Sieben Anhänger der NPD erschienen mit der Absicht, sich in die Veranstaltung<br />

einzuschleusen. Sie erhielten aber von der anwesenden Polizei<br />

Platzverweise, denen sie auch nachkamen.<br />

Ebenso veröffentlichte der Kreisverband Barnim-Uckermark auf seiner Internetseite<br />

am 9. November einen Artikel mit der Überschrift „Kauft nicht<br />

beim Juden“:<br />

26


Rechtsextremistische Parteien<br />

„‘Kauft nicht beim Juden‘ ... hieß es bis in die Mitte der vierziger Jahre<br />

des letzten Jahrhunderts. Ein Ausspruch der aus Millionen Mündern<br />

kam und mit dem eine Mehrheit einer Minderheit gegenüber zum Ausdruck<br />

brachte, was sie von ihr hält. Nun ... die Zeiten haben sich geändert.<br />

Das Reich der Deutschen wurde durch erhebliche Landnahme extrem<br />

verkleinert und die Überlebenden des zweiten 30 jährigen Krieges<br />

unterwarf man den Gesetzen der Sieger. Sätze wie in der Überschrift<br />

sagt man nicht mehr, sie sind verboten und wer so etwas trotzdem sagt<br />

wird verfolgt und in die Kerker des Systems geworfen. ... Doch was hat<br />

sich eigentlich geändert? Geändert hat sich folgendes. Heute gebietet<br />

eine Minderheit über den Willen der Mehrheit. Es sind die Marionetten<br />

der Politiker an deren Schnüren internationale Finanzwucherer ziehen<br />

und zerren, bis diese die gewünschten Befehle ausführen. Der Bürger<br />

wird um Steuern und Abgaben erpresst mit denen die Weltkriegstreiber<br />

andere Völker in Not und Elend bomben und mit denen das deutsche<br />

Volk weiter an der Kandare gehalten wird. ... Es gibt aber auch Menschen,<br />

die sich dies nicht länger gefallen lassen wollen. ... Und deshalb<br />

denkt sich das System und seine Lakaien immer mehr Repressalien<br />

aus, um den Widerstand zu brechen.“<br />

Der Artikel endet mit der zynischen Bemerkung: „Das kommt mir irgendwie<br />

alles verdammt bekannt vor und ich frage mich, wo wird das<br />

alles noch hinführen? Hat man nichts aus der Geschichte gelernt?“<br />

Hier wird tatsächlich versucht, die Verfolgung der Juden damit zu rechtfertigen,<br />

dass deren Interesse schon immer die angebliche „Ausbeutung<br />

der Deutschen“ gewesen sei. Antisemitismus wird mit dem Verhalten der<br />

Juden selbst begründet, die eigentliche verfolgte Minderheit ist der „aufrechte<br />

deutsche nationale Bürger“. Damit stellt man sich eindeutig in die<br />

Argumentationslinie der NSDAP, deren antisemitisches Programm auf die<br />

organisierte Vernichtung allen jüdischen Lebens abzielte. Verfasst wurde<br />

der Artikel von einem Julius Färber, Pseudonym für ein Mitglied des Kreisverbandes<br />

Barnim-Uckermark. Färber verbreitete immer wieder seine antisemitische<br />

Einstellung im Internet. Offensichtlich spielt das Pseudonym<br />

auf den Herausgeber des nationalsozialistischen Einpeitschblattes „Der<br />

Stürmer“, Julius Streicher (1885-1946), an.<br />

Die NPD versucht über ein bürgerliches „Outfi t“ mit Blick auf die Kommunalwahl<br />

2008 als normale Partei zu erscheinen, was sie nicht ist: Als Partei der<br />

Ungleichheit bleibt der Antisemitismus eine ihrer zentralen Charakteristika.<br />

27


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Junge Nationaldemokraten“ in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

Mehr Schein als Sein<br />

Die bundesweit agierenden „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) sind die<br />

Jugendorganisation der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“<br />

(NPD). Ihre Gründung erfolgte 1969. Laut NPD-Satzung ist die JN „integraler<br />

Bestandteil“ der Partei. Deren Bundesvorsitzender ist automatisch<br />

auch Mitglied im Parteivorstand der NPD. Der Bundesvorstand der bundesweit<br />

rund 400 Mitglieder starken Organisation hat seinen Sitz in Bernburg<br />

(Thüringen).<br />

Vorsitzender der JN in den siebziger Jahren war der spätere Bundesvorsitzende<br />

der NPD, Günter Deckert. In den neunziger Jahren wurde die JN<br />

von Holger Apfel geleitet. Er ist heute Vorsitzender der NPD-Fraktion im<br />

sächsischen Landtag und stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei.<br />

Von 2002 bis Oktober 2007 war Stefan Rochow JN-Bundesvorsitzender.<br />

Neuer Bundesvorsitzender ist der Politologiestudent Michael Schäfer. Er<br />

gehörte zu den führenden Mitgliedern der gewaltbereiten „Wernigeröder<br />

Aktionsfront“, bevor diese sich nach intensiven Strafermittlungen der NPD<br />

anschloss und die örtliche JN gründete. Zudem ist er Vorsitzender der<br />

Kreistagsfraktion der NPD im Harz. In den von ihm verfassten „25 Thesen<br />

zum Nationalismus“ spricht er von einer „verstärkten aktionistischen<br />

Ausrichtung der JN“ und vom „Befreiungsnationalismus“. Auf dem Bundeskongress<br />

im Oktober 2007 brachte er seine „klaren Grundsätze“, die in die<br />

„deutsche Jugend“ getragen werden sollen, auf die Formel:<br />

„... Wir wollen einen Nationalismus aufzeigen und vorleben, der sozialistisch<br />

ist im Wirtschaftlichen, national im Staatlichen, völkisch im<br />

Kulturellen und freiheitlich im Denken.“<br />

Als einer der beiden Stellvertreter fungiert Philipp Valenta, ehemals JN-<br />

Landesvorsitzender und stellvertretender NPD-Landesvorsitzender in<br />

Rheinland-Pfalz, nun JN-Landesvorsitzender in Sachsen-Anhalt. Im April<br />

2002 wurde er in Trier zu einem Arbeitseinsatz in einem Tierheim verurteilt,<br />

weil er unerlaubt in der Öffentlichkeit eine Waffe getragen hatte. Im September<br />

2002 verurteilte ihn das Amtsgericht Trier wegen Körperverletzung<br />

zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen, weil er bei einer NPD-Party einen<br />

betrunkenen Gesinnungsgenossen geschlagen und getreten hatte. Letzterer<br />

soll Valenta laut Angaben im rechtsextremistischen Störtebeker-Netz<br />

28


Rechtsextremistische Parteien<br />

wegen dessen doppelter Staatsbürgerschaft (tschechisch und deutsch)<br />

aufgezogen haben.<br />

Die schillerndste Person im neuen Führungstrio ist der zweite Stellvertreter<br />

Norman Bordin. Er hat eine langjährige Karriere in der Neonazi-<br />

Szene und in der NPD aufzuweisen. Bundesweit ist er in der rechtsextremistischen<br />

Szene als früherer Anführer des ehemaligen „Aktionsbüro<br />

Süd“ beziehungsweise „Kameradschaft Süd“ bekannt. Er wurde mehrfach<br />

unter anderem wegen Körperverletzung verurteilt. Im Januar 2001 wurde<br />

er anlässlich des Überfalls von Neonazi-Skinheads auf einen Münchener<br />

griechischer Herkunft festgenommen, bei dem der Angegriffene fast zu<br />

Tode geprügelt wurde. In der Haftzelle attackierte Bordin einen anderen<br />

Gefangenen. Wegen versuchter Körperverletzung im Zusammenhang mit<br />

dem Überfall und vollendeter Körperverletzung im Zusammenhang mit der<br />

Tätlichkeit gegen den Mitgefangenen sowie wegen Beleidigung wurde er<br />

im März 2002 zu einer Gefängnisstrafe von 15 Monaten verurteilt. Zurzeit<br />

ist er JN-Landesvorsitzender in Bayern.<br />

Beim ersten Zusammentreffen des neuen JN-Vorsitzenden mit dem Vorsitzenden<br />

der NPD in der Berliner NPD-Bundesgeschäftsstelle kündigten<br />

beide an, sie wollten „dieses liberalkapitalistische System dort treffen, wo<br />

es ihm am meisten wehtut, bei seiner Zukunft, bei seiner Jugend“.<br />

Ansatzpunkte, dieses Anliegen umzusetzen, sind:<br />

- Schaffung einer neuen Finanzordnung;<br />

- Fortführung des von Phillip Valenta geleiteten Materialversandes<br />

„Frontdienst“;<br />

- bundesweiter Ausbau der Schulungs- und Bildungsorganisation<br />

der JN, dem „Nationalen Bildungskreis“ (NBK). Der NBK soll „auf<br />

akademischen Niveau den Kampf um die Köpfe unterstützen“, um<br />

den seit längerer Zeit inaktiven Studentenverband der NPD, den<br />

„Nationalen Hochschulbund“ (NHB), zu ersetzen.<br />

- Aufwertung der Publikationen „Der Aktivist“ sowie „Hier und Jetzt“.<br />

Zusammen mit den NBK-Verantwortlichen übernahm der <strong>Brandenburg</strong>er<br />

Szenefunktionär Sebastian Richter die Aufgabe, die Zeitschrift<br />

„Der Aktivist“ als „Zentralorgan der JN“ zu etablieren.<br />

- Werbung Jugendlicher per Musikdownloads, CDs und über Konzerte.<br />

29


JN in <strong>Brandenburg</strong><br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Im Land <strong>Brandenburg</strong> existieren derzeit drei JN-Stützpunkte: Lausitz (hieß<br />

bis Ende 2007/Anfang 2008 Spreewald), Oranienburg und Oderland. Viele<br />

der heutigen Mitglieder standen zuvor der rechtsextremistischen Kameradschaftsszene<br />

nah. Die gegen Kameradschaftsstrukturen gerichteten<br />

repressiven Maßnahmen der Polizei sowie die konsequente Verbotspraxis<br />

des brandenburgischen Innenministeriums haben den harten Szene-Kern<br />

unter das Dach von NPD und JN fl üchten lassen, da politische Parteien<br />

unter dem Schutz des Parteienprivileges nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz<br />

stehen.<br />

Aufstieg und Fall des rechtsextremistischen „Märkischen Heimatschutz“<br />

(MHS) verdeutlichen diese Entwicklung exemplarisch. Der MHS verstand<br />

sich als Netzwerk rechtsextremistischer Kameradschaften und war fünf<br />

Jahre lang aktiv. Er hatte in seiner Hochzeit etwa 50 Mitglieder. Er war in<br />

den Landkreisen Barnim, Märkisch-Oderland, Oberhavel, Uckermark sowie<br />

in Berlin vertreten. Gordon Reinholz, unumstrittener Leiter, erklärte am<br />

4. November 2006 die Aufl ösung des MHS:<br />

„Aufgrund der politischen Entwicklungen der letzten Zeit sind wir zu<br />

dem Entschluss gekommen, nicht mehr als MHS aktiv zu sein. Wir beabsichtigen,<br />

jeder nach seinem Interesse, nun den parlamentarischen<br />

Weg zu gehen. ‚Jugend braucht Zukunft‘ war und ist unser Motto.“<br />

Die Einsicht, eigene hochfl iegende Pläne nicht umsetzen zu können sowie<br />

die zunehmenden „Repressionen des BRD-Systems“ - wie Reinholz<br />

es ausdrückt - führten bei den aktivsten ehemaligen Mitgliedern zu einer<br />

Neuorientierung in Richtung JN. Andere sind in den örtlichen rechtsextremistischen<br />

Szenen aufgegangen. Einige haben sich aufgrund des Repressionsdrucks<br />

gänzlich aus diesem Milieu zurückgezogen.<br />

30


Rechtsextremistische Parteien<br />

Gut sieben Monate nach Aufl ösung des MHS, im Juni 2007, wurden die<br />

JN-Stützpunkte Oranienburg und Oderland gegründet. Im Beisein des JN-<br />

Bundesvorstandsmitgliedes Sebastian Richter versammelten sich etwa<br />

30 Personen in Oranienburg. Viele von ihnen, auch die Leiter der beiden<br />

neuen Stützpunkte, waren vormals beim MHS aktiv. Über dieses Treffen<br />

heißt es in einer Stellungnahme der Szene:<br />

„Angeregte Diskussionen über staatliche Repression und geeignete<br />

Gegenmaßnahmen wurden bis in den Abend hinein geführt. Wie die<br />

JN in Zukunft aktiv werden wird bleibt abzuwarten. Angriffe der Demokraten<br />

auf die Substanz unseres Volkes sind zumindest schon abzusehen.<br />

So beginnt nun langsam der Ausbau der geplanten Chinesenstadt<br />

in Oranienburg. ... Angesichts der katastrophalen Bevölkerungspolitik<br />

der BRD kann dieses Vorhaben nur als Zersetzungsversuch unserer<br />

Volkssubstanz gewertet werden. ... Ob JN’ler oder freier Aktivist, gemeinsam<br />

aktiv werden gegen Ausbeutung und Umvolkung!“<br />

Im Gegensatz zur Entwicklung in Oranienburg und Oderland ist im JN-<br />

Stützpunkt Lausitz noch kein dominanter Einfl uss neonazistischer Strukturen<br />

erkennbar. Als dieser Stützpunkt noch Spreewald hieß, waren solche<br />

Einfl üsse vorhanden. Auch wenn Kontakte zu den „Freien Kräften“ in der<br />

Lausitz bestehen, handelt es sich bei dem JN-Stützpunkt nicht um eine Ersatzorganisation<br />

beispielsweise für das aufgelöste „Lausitzer Aktionsbündnis“<br />

(LAB). Die alten JN-Strukturen waren hier zusammengebrochen, als<br />

Anfang 2004 der damalige JN-Vorsitzende Jens Pakleppa die NPD verließ<br />

und zusammen mit Mario Schulz die inzwischen wieder eingeschlafene<br />

„Bewegung Neue Ordnung“ (BNO) gründete.<br />

31


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Gegen das in Oranienburg geplante chinesische Einkaufs-, Kultur- und<br />

Wohnviertel für etwa 2.000 Menschen am Rande der Stadt agitierte die JN<br />

Oranienburgs auch im Juli 2007.<br />

„Ganz im Sinne der Globalisierer und dem modernen Zeitgeist von<br />

‚Multikultopia‘, beschlossen demokratische Politiker, entgegen dem<br />

Mehrheitswillen der Einwohner, die Errichtung von ‚Chinatown‘ auf<br />

märkisch-deutschen Boden der Kreisstadt Oranienburg. ... Vor allem<br />

durch die kapitalistisch verursachte Abwanderung junger, begabter<br />

Deutscher aus ihrer Heimat und der gleichzeitigen Masseneinwanderung<br />

völlig kulturfremder Menschen, den Kinderreichtum ausländischer<br />

Familien und den bundesdeutschen Geburtenrückgang, wird<br />

sich langfristig in Deutschland ein verändertes, biologisches Kräfteverhältnis<br />

ergeben, daß sich zu Ungunsten unserer Kulturnation auswirkt.<br />

Der Kapitalismus bewirkt Kriege, macht die Menschen Heimat- und<br />

Wurzellos. Die aus ihrem natürlichem Lebensraum in wirtschaftlich höherer<br />

entwickelte Regionen abwandern. ... Unserem Volk droht somit<br />

die Gefahr, daß es aus seinem angestammten Lebensraum verdrängt<br />

wird. Statt Wohnraum und Arbeitsplätze für Chinesen fordern wir eine<br />

Politik der Gesunderhaltung unseres Volkes nach den wissenschaftlichen<br />

Erkenntnissen der Neuzeit. Der Staat hat wieder dem Volke zu<br />

dienen und anzuerkennen, daß Völker keine zufällig entstandenen Gemeinschaften,<br />

sondern Ergebnis einer über Jahrtausende währenden<br />

Entwicklung sind. Nur in einer völkischen Gemeinschaft ist ein natürliches<br />

Sozialempfi nden für den Nächsten möglich. Wir lehnen daher<br />

den volkszerstörenden Klassenkampf, sowie den egoistisch und international<br />

ausgerichteten Egoismus und Kapitalismus ab.“<br />

Hier kommt auf direkte Art und Weise ein hochverdichteter Rassismus<br />

in Verbindung mit auffallender Vernachlässigung der deutschen Sprache<br />

zum Ausdruck. Besonders deutlich wird das in der Formulierung „biologisches<br />

Kräfteverhältnis“, mit der ausgesagt werden soll, Menschen ließen<br />

sich nach ethnischer Zugehörigkeit sortieren. Menschliche Werte gelten<br />

für den Autor dieses Flugblattes nur für Angehörige einer „Rasse“. Der freiheitlichen<br />

demokratischen Grundordnung und den durch sie geschützten<br />

Menschenrechten werden jede Existenzberechtigung abgesprochen.<br />

Aufgrund dieser kaum verhohlenen Nähe zum Gedankengut der NSDAP<br />

trat jüngst in Hessen der Landesvorsitzende der JN zurück. Er bestätigte<br />

32


Rechtsextremistische Parteien<br />

gegenüber den Medien, dass „viele Dinge eins zu eins aus dem Parteiprogramm<br />

der NSDAP übernommen seien“ und in internen Schulungen das<br />

Parteiprogramm der NSDAP offen diskutiert werde.<br />

Neben regelmäßig stattfi ndenden JN-Stammtischen ist eine zweite Aktion<br />

in <strong>Brandenburg</strong> erwähnenswert, die eher dem inneren Zusammenhalt<br />

gewidmet schien. Diese fand symbolträchtig am 1. September 2007, dem<br />

internationalen Antikriegstag, in Oranienburg statt. Der JN-Stützpunkt Oranienburg<br />

veranstaltete dort mit den so genannten „Freien Kräften“ ein „in<br />

erster Linie gegen die imperialistische Kriegspolitik der USA“ gerichtetes<br />

Fußballturnier mit sechs Mannschaften. 40 bis 50 Teilnehmer kamen aus<br />

verschiedenen Regionen <strong>Brandenburg</strong>s.<br />

Der JN-Stützpunkt Oderland ist bislang kaum öffentlichkeitswirksam aufgefallen.<br />

Lediglich für eine Konzertveranstaltung am 11. August 2007 in<br />

Finowfurt kommt die JN im Nordosten <strong>Brandenburg</strong>s als Veranstalter in<br />

Frage. An diesem Treffen, bei dem auch Propagandamaterialien von NPD<br />

und JN verteilt wurden, beteiligten sich rund 120 Personen. Das Spektrum<br />

reichte von DVU, NPD, JN und ehemaligen MHS’lern bis hin zur unorganisierten<br />

rechtsextremistischen Szene.<br />

Eine Beteiligung von JN-Mitgliedern<br />

bei der Verteilung der NPD-<br />

Schülerzeitung „STACHEL“<br />

beispielsweise an Schulen in<br />

Bernau, Biesenthal, Eberswalde,<br />

Prenzlau und Schwedt/<br />

Oder am 22./23. Oktober 2007<br />

kann nur vermutet werden. Eine<br />

vergleichbare Publikation der<br />

JN und des NPD-Landesverbandes<br />

Sachsen mit dem Titel<br />

„Perplex“ wurde jüngst von der<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Medien indiziert. Sie<br />

darf Minderjährigen nunmehr<br />

nicht zugänglich gemacht werden.<br />

33


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

NPD-Immobilienhandel als strategische Option<br />

für eine nahezu bankrotte Partei?<br />

Über gerade einmal 15.000 Euro dürfte der brandenburgische Landesverband<br />

der notorisch fi nanzschwachen NPD verfügen. Auch wenn die NPD<br />

ständig erklärt, sie wolle eine Immobilie in <strong>Brandenburg</strong> erwerben, über<br />

ausreichend eigene Mittel verfügt sie nicht. Sie benötigt jedoch dringend eigene<br />

Räumlichkeiten für Veranstaltungen. Denn viele Gastwirte vermieten<br />

nicht an die rechtsextremistische Partei. Auch der Verband der Hoteliers<br />

und Gaststätten in <strong>Brandenburg</strong> hat sich deutlich gegen die Durchführung<br />

von rechtsextremistischen Veranstaltungen ausgesprochen.<br />

Dies zeigt Wirkung: Konnte beispielsweise noch im Januar 2007 die Jahresauftaktveranstaltung<br />

der sächsischen NPD in einer Gaststätte in Ruhland<br />

(Oberspreewald-Lausitz) stattfi nden, so scheiterte am selben Ort die<br />

NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) mit ihrem für<br />

Februar 2007 geplanten „Europakongress“. Die Anmietung wurde der JN<br />

verweigert. Mittlerweile täuschen die Rechtsextremisten sogar Privatveranstaltungen<br />

vor, um unentdeckt an Räume zu kommen.<br />

Jedoch ist nicht auszuschließen, dass NPD-Mitglieder oder -Anhänger als<br />

Privatpersonen versuchen, an Objekte in <strong>Brandenburg</strong> zu gelangen, um<br />

sie danach der Partei als Schulungszentrum oder für anderweitige Zwecke<br />

zur Verfügung zu stellen. Ein aktuelles Beispiel ist der Versuch, den Hof<br />

„Johannesberg“ bei Rauen (Landkreis Oder-Spree) für 200.000 Euro im<br />

Juni 2007 verdeckt durch eine Gesellschaft mit Sitz im schwedischen Jönköping<br />

zu erwerben. Der Hof ist auch deshalb für die NPD geeignet, weil<br />

sich auf dem Gelände eine ehemalige Diskothek befi ndet, die für rechtsextremistische<br />

Konzerte genutzt werden sollte.<br />

Mit dieser Gesellschaft in Verbindung steht Andreas Molau, NPD-Bundesvorstandsmitglied,<br />

gescheiterter Spitzenkandidat der NPD für die Landtagswahl<br />

in Niedersachsen und Vorsitzender der rechtsextremistischen<br />

„Gesellschaft für freie Publizistik e. V.“ (GFP). 2004 bis 2006 war er parlamentarischer<br />

Berater der NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Darüber<br />

hinaus war Molau bis April 2007 stellvertretender Chefredakteur des<br />

NPD-Organs „Deutsche Stimme“. Künftig soll er hauptberufl ich als Leiter<br />

des Amtes „Bildung“ beim NPD-Parteivorstand und als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter des Parteivorsitzenden tätig sein.<br />

34


Rechtsextremistische Parteien<br />

Molau wollte angeblich auf dem Landgut ein Schullandheim errichten, das<br />

sich am pädagogischen Konzept der Waldorfschulen orientieren sollte.<br />

Molau selbst war bis 2004 Lehrer an einer Waldorfschule in Braunschweig.<br />

Der Bund Freier Waldorfschulen e. V., ein Zusammenschluss der Waldorfschulen,<br />

verwahrt sich gegen einen Missbrauch des Namens Waldorf<br />

und geht nun mit einer Unterlassungsklage gegen die Bezeichnung „Waldorfschullandheim<br />

für national gesinnte Familien“ vor. Molau hatte dieses<br />

Vorhaben am 2. August 2007 den Bewohnern Rauens in einem offenen<br />

Brief kund getan. Statt von den tatsächlich geplanten Kaderschulungen<br />

und rechtsextremistischen Skinheadkonzerten sprach er hierin von „künstlerischen,<br />

kulturellen und politischen Seminaren und Freizeitangeboten“.<br />

Inzwischen hat der ursprüngliche Eigentümer vom Verkauf an die Rechtsextremisten<br />

Abstand genommen und den Hof anderweitig veräußert. Der<br />

neue Eigentümer ist inzwischen im Grundbuch eingetragen. Ein für den<br />

29. Sep tember 2007 geplantes „Mitteldeutsches Erntedankfest“, zu dem<br />

die NPD-Landesvorsitzenden Berlins und <strong>Brandenburg</strong>s nach Rauen eingeladen<br />

hatten, durfte deswegen nur als Privatveranstaltung stattfi nden.<br />

Aufgrund der unsicheren Rechtslage hat Molau, nach Aussage des NPD-<br />

Landesvorsitzenden, das Grundstück inzwischen an den NPD-Landesverband<br />

<strong>Brandenburg</strong> vermietet. Der nutzte die Immobilie im November 2007<br />

für eine „Kaderschulung“ zum <strong>Brandenburg</strong>er Kommunalwahlkampf 2008.<br />

Ein Name, der immer wieder im Zusammenhang mit Immobilien-Kaufabsichten<br />

fällt, ist Jürgen Rieger, der Molau juristisch vertrat. Der Szeneanwalt<br />

trat Ende 2006 der NPD bei, ist inzwischen Vorsitzender im Landesverband<br />

Hamburg und Beisitzer im Bundesvorstand. Er könnte über hinreichende<br />

fi nanzielle Mittel verfügen. Allerdings soll der Besitz der „Wilhelm Tietjen<br />

Stiftung für Fertilisation Ltd.“, deren Geschäftsführer Rieger ist, in Niedersachsen<br />

und Thüringen unter Zwangsverwaltung gestellt worden sein.<br />

Leider kann im Zusammenhang von Grundstücksverkäufen und NPD nicht<br />

immer ein Missbrauch potenzieller Verkäufer ausgeschlossen werden. Einige<br />

Grundstücksbesitzer – die an sich keine Kontakte zur NPD pfl egen<br />

– haben in der Vergangenheit den Verdacht geschürt oder schüren lassen,<br />

an die NPD verkaufen zu wollen. Damit wollten sie erheblichen Druck auf<br />

die jeweilige Kommune ausüben, damit diese die entsprechende Immobilie<br />

zu überhöhtem Preis erwirbt. Andere Grundstücksbesitzer sollen sich mit<br />

ihrem Anliegen sogar direkt an die NPD gewandt haben.<br />

35


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Im Niedergang: Die rechtsextremistische DVU<br />

Im Jahre 1987 wurde die „Deutsche Volksunion“ (DVU) auf Initiative des<br />

Münchener Verlegers Dr. Gerhard Frey (Jahrgang 1933) gegründet. Über<br />

Jahre hinweg war die DVU die mitgliederstärkste rechtsextremistische Organisation<br />

in Deutschland. Nach langjährigem Mitgliederschwung bei der<br />

DVU kann die „Nationaldemokratischen Partei Deutschland“ (NPD) jetzt<br />

mehr Mitglieder aufweisen<br />

Seit ihrer Gründung ist Frey Bundesvorsitzender der DVU. Er führt sie zentralistisch<br />

und autoritär. Frey ist zugleich Verleger rechtsextremistischer Literatur<br />

und benutzt die DVU als Partei mit angeschlossenem Versandhaus<br />

für seine Produkte. Beispielsweise zählt hierzu die wöchentlich erscheinende<br />

„National-Zeitung“ (NZ). Eine eigenständige Willensbildung kann<br />

sich unabhängig von Frey auch deshalb kaum in der DVU entwickeln,<br />

da die DVU bei ihm verschuldet ist. Dies gibt ihm eine in der Parteiengeschichte<br />

der Bundesrepublik einzigartige Einfl ussmöglichkeit auf „seine“<br />

Partei. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird die DVU oft auch als „Phantompartei“<br />

bezeichnet.<br />

Ideologischer Revisionismus und Überläufer<br />

Trotz aller Beteuerungen nach außen, wonach die DVU „treu“ zum Grundgesetz<br />

stehe, strebt die Partei eine undemokratische Gesellschaftsordnung<br />

an. Dies ergibt sich schon aus der Vereinbarung, die mit der rechtsextremistischen<br />

NPD geschlossen wurde (siehe S. 43 ff.), ebenso aus Äußerungen<br />

sowie Publikationen. So erklärte der brandenburgische DVU-Landesvorsitzende<br />

Sigmar-Peter Schuldt laut DVU-Homepage in seiner Rede auf dem<br />

Landesparteitag der brandenburgischen DVU am 25. Februar 2007:<br />

„Dieses etablierte Politik- und Wirtschaftssystem ist eine Verirrung<br />

des menschlichen Geistes derjenigen, die in krankhafter Geldgier<br />

und Profi tsucht ihre perverse, geisteskranke Befriedigung suchen,<br />

während sie in Wirklichkeit lediglich die Marionetten internationaler<br />

Puppenspieler sind. Dieses System ist auf Dauer nicht lebensfähig. Es<br />

gleicht einem Monster, das sich schließlich selbst verschlingt.“ Im Text<br />

auf der DVU-Homepage steht weiter: „Der Redner zeigte danach auf,<br />

dass ein zukünftiges nationales wirtschaftlich-soziales System nur auf<br />

den eigenen Raum, den eigenen Traditionen, einer – soweit möglich<br />

36


Rechtsextremistische Parteien<br />

– weitgehenden Autarkie und in einer nationalen Selbsthilfe durch die<br />

Besinnung auf die eigenen deutschen nationalen Kräfte beruhen könne<br />

und werde.“<br />

Anhand der DVU-Aktivitäten und der NZ-Artikel wird immer wieder deutlich,<br />

dass die DVU die militärische, wirtschaftliche, vor allem aber moralische<br />

Niederlage Deutschlands im Zweiten Weltkrieg beklagt. Die nationalsozialistischen<br />

Verbrechen im Zweiten Weltkrieg, unter anderem der millionenfache<br />

Mord Unschuldiger, werden in der Regel ausgeblendet und einer<br />

Art abenteuerorientierten Landser-Romantik unterworfen. Am 15. Juni<br />

2007 veröffentlicht die NZ in der Nummer 25 den Beitrag: „Entschied<br />

Verrat 2. Weltkrieg? Neue Erkenntnisse: Warum Deutschland verlor“. Es<br />

folgt ein Interview mit einem Friedrich Georg, der „eine atemberaubende<br />

Indizienkette zusammengetragen“ habe, „die es unwahrscheinlich erscheinen<br />

lässt, dass allein Zufall für das Versagen der deutschen Seite verantwortlich<br />

gewesen ist“. Diese Andeutung einer weltweiten Verschwörung<br />

gegen die (auf einen Diktator vereidigte) deutsche Wehrmacht bestimmt<br />

den allwöchentlichen Sprachgebrauch der NZ, die sich gern solcher und<br />

ähnlicher antisemitischer Klischees bedient.<br />

Weil die DVU-Postille NZ mit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg hadert,<br />

wird der militärische Widerstand innerhalb der Wehrmacht gegen den nationalsozialistischen<br />

Vernichtungskrieg dafür mit verantwortlich gemacht.<br />

So fi ndet sich in der eben genannten Ausgabe ein Foto mit dem Hinweis:<br />

37


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Hans Speidel, Chef des Stabes der Heeresgruppe B, unterließ es bei<br />

Beginn der Invasion die 7. Armee, die im Zentrum des kommenden<br />

Kampfgeschehens lag, zu alarmieren. (…) Speidels durch nichts zu<br />

entschuldigendes ‚Versäumnis‘ trug wesentlich zum Gelingen der alliierten<br />

Invasion bei. Der frühere General der Wehrmacht war später als<br />

General der Bundeswehr Oberbefehlshaber der NATO-Landstreitkräfte<br />

in Mitteleuropa – mit Sitz ausgerechnet in Fontainebleau, wo von<br />

Dezember 1943 bis März 1944 Rommel und sein Stab untergebracht<br />

waren.“<br />

Auch die Kriegsschuld Deutschlands wird geleugnet und den Alliierten, vor<br />

allem aber Polen, angelastet. In der Nummer 27 vom 29. Juni 2007 wird<br />

in dem Artikel „Abrechnung mit Warschau – Was Merkel den Kaczynski-<br />

Brüdern nicht zu sagen wagt“ folgende These aufgestellt:<br />

„Der Ausbruch des II. Weltkriegs, begünstigt von der britischen Kriegspartei<br />

und der polnischen Politik, geht keineswegs allein auf das Konto<br />

Deutschlands, wie Kohl und Merkel glauben machen wollen. Vielmehr<br />

hatte dieser Krieg viele Väter und die Grundlage zu ihm wurde bereits<br />

durch das Unrecht auch gerade von polnischer Seite am Ende des<br />

1. Weltkriegs gelegt.“<br />

Ebenso werden in der NZ international anerkannte Grenzen in Frage gestellt.<br />

So heißt es in der Nummer 25 vom 15. Juni 2007 in dem Beitrag „EU-<br />

Verfassung: Merkels Niederlage – Polen triumphiert über Deutschland“:<br />

„Zudem wurde Deutschland etwa ein Viertel seines Staatsgebietes innerhalb<br />

der Grenzen vom 31. Dezember 1937, mithin also der Staatsgrenzen<br />

der vormaligen ‚Weimarer Republik‘, geraubt.“<br />

Publizistische Rückwärtsgewandtheit, ausbleibende Wahlerfolge, eine<br />

erstarkende NPD und die – von <strong>Brandenburg</strong> abgesehen – regelmäßige<br />

Selbstzerstörung früherer DVU-Fraktionen sind für den Niedergang der<br />

DVU verantwortlich. Sogar „Säulen“ und „Hoffnungsträger“ der Partei, wie<br />

der langjährige einzige DVU-Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft und<br />

stellvertretende DVU-Bundesvorsitzende, Siegfried Tittmann, verlassen<br />

die Partei, wenn sie ihnen keine persönlichen Vorteile mehr bringt. Die<br />

DVU erreichte bei den Wahlen zur Bürgerschaft am 13. Mai 2007 in Bremen<br />

2,25 Prozent (2003: 1,35 Prozent) und in Bremerhaven 5,36 Prozent<br />

(2003: 7,10 Prozent). Aufgrund einer Besonderheit des dortigen Wahlrechts<br />

zog die DVU wegen ihrer Stimmenanteile in Bremerhaven wieder<br />

mit Siegfried Tittmann in die Bremer Bürgerschaft ein. Er gehörte 20 Jah-<br />

38


Rechtsextremistische Parteien<br />

re der DVU an und galt über Jahre als „Aushängeschild“ der Partei. Am<br />

17. Juli 2007 trat er aus. Im Wahlkampf wurde noch mit dem angeblich<br />

volksnahen „Siggi“ geworben.<br />

In diesem Zusammenhang ist ein Beitrag auf der Homepage der NPD Bremens<br />

sehr bemerkenswert:<br />

„Die DVU hat die Wahl verloren. Wer 20 Jahre (mit einer Unterbrechung)<br />

in der Bremer Bürgerschaft und 20 Jahre (ohne Unterbrechung)<br />

in der Bremerhavener Stadtverordnung gesessen hat und<br />

dann im eigenen Lager immer noch nicht konkurrenzlos ist, muß etwas<br />

falsch gemacht haben. Eine Partei, die nicht einmal die Hälfte der<br />

Wählerstimmen auf sich vereinigen kann, die sie bei ihrem bis dato<br />

besten Wahlergebnis (6,2 % in Bremen und 10,6 % in Bremerhaven<br />

bei der Bürgerschaftswahl 1991) einfuhr, ist gescheitert. Eine Partei,<br />

die öffentlich nicht wahrgenommen wird, kann keine Wahl gewinnen.<br />

Eine Partei, die öffentlich nicht anders wahrgenommen wird als ihre<br />

Konkurrenten im eigenen Lager, kann sich gegen diese nicht entscheidend<br />

durchsetzen. Der Wahlkampf der DVU unterschied sich nicht von<br />

dem ihrer Mitbewerber. Es wurden die gleichen untauglichen Mittel<br />

eingesetzt und die gleichen platten Parolen verwendet. Mit Geld allein<br />

ist ein Wahlkampf nicht mehr zu gewinnen, weil die Konkurrenten<br />

inzwischen ebenfalls über ausreichend ‚Pulver’ verfügen. Eine Partei,<br />

die zwischen den Wahlen keinerlei Parteiarbeit leistet, kann sich nicht<br />

in der Bevölkerung verankern. Kandidaten, die ungeeignet oder nicht<br />

bekannt sind, werden nicht gewählt. Die DVU hätte öffentlich wahrgenommen<br />

werden können, wenn sie Öffentlichkeitsarbeit in Form<br />

von Infoständen, Kundgebungen, Mahnwachen und Demonstrationen<br />

durchgeführt hätte. Auf diese Weise wäre sie auch anders wahrgenommen<br />

worden als ihre Konkurrenten, weil diese dazu nicht in der Lage<br />

sind. Und weil auch die DVU aufgrund ihres überalterten Personals<br />

keinen derartigen Wahlkampf führen kann, hätte sie auf ihren Bündnispartner,<br />

die NPD, zurückgreifen müssen. Und da die DVU nicht nur<br />

nehmen kann, sondern auch geben muß, hätte sie ihre Landesliste<br />

für deren Kandidaten öffnen müssen. Und weil es in Bremen derzeit<br />

keinen geeigneten Spitzenkandidaten gibt, hätte man sich eine charismatische<br />

Persönlichkeit von außerhalb kommen lassen müssen. Das<br />

hätte die DVU dann nicht nur von ihren Konkurrenten im eigenen Lager<br />

abgehoben, sondern auch von den etablierten Parteien, die ebenfalls<br />

nur blasse und langweilige Kandidaten zu bieten hatten.<br />

39


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Die Schweigespirale der Medien muß durchbrochen werden. Die<br />

Journaille ist unser Feind und Verbündeter zugleich. Es ist für eine<br />

volkstreue Partei nahezu unmöglich, eine Wahl ohne Lügen- und<br />

Hetzpropaganda von Presse, Funk und Fernsehen zu gewinnen. Ein<br />

entschlossener Straßenwahlkampf und ein rhetorisch brillianter, in der<br />

Öffentlichkeit vorzeigbarer Spitzenkandidat sind Garanten dafür. Es<br />

ist bedauerlich, daß ein möglicher Sieg so leichtfertig hergeschenkt<br />

wurde. Das ist umso bedauerlicher, als die Bremer Bürgerschaftswahl<br />

die einzige Landtagswahl dieses Jahres ist. Den Schub von gewonnenen<br />

Wahlen wie der in Mecklenburg-Vorpommern sollte man<br />

eigentlich nicht ungenutzt verpuffen lassen, weil das einer sinnlosen<br />

Energieverschwendung gleichkommt. Es ist vorteilhaft, wenn man dem<br />

schlechten auch immer etwas gutes abgewinnen kann. Die positiven<br />

Aussichten kommen in diesem Fall ausgerechnet von dem Aussteiger<br />

Jörg Fischer, veröffentlicht auf verschiedenen Antifa-Seiten: ‚… die<br />

Niederlage der DVU ist indirekt eine weitere Stärkung der NPD, deren<br />

Platz als faktischer >Marktführer< sich damit weiter verfestigt hat. Damit<br />

sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, daß tatsächlich die DVU 2009<br />

zur Landtagswahl in Thüringen antreten’ ... wird. Eigentlich wäre dort<br />

‚die DVU am Zuge, allerdings gilt Thüringen als Hochburg der NPD und<br />

der ihr nahestehenden rechtsextremen Jugendkultur.’ Dem ist nichts<br />

hinzuzufügen.“<br />

(Markus Privenau, Homepage der Bremer NPD, 22. Mai 2007)<br />

Nach Angaben der DVU trat auch Dietmar Tönhardt, der langjährige Berliner<br />

DVU-Vorsitzende und ehemalige Mitarbeiter der brandenburgischen<br />

DVU-Fraktion, am 2. August 2007 aus der DVU aus und wenig später in<br />

die NPD ein. Seine Frau Manuela Tönhardt – auch sie eine ehemalige<br />

DVU-Aktivistin – ist bereits kommunale Mandatsträgerin der NPD in einer<br />

Berliner Bezirksverordnetenversammlung. Der Berliner Landesverband<br />

wird nun vom <strong>Brandenburg</strong>er DVU-Landesverband mitverwaltet. Offenbar<br />

gehen der DVU die Kader aus oder diese laufen zur NPD über.<br />

Austritte solch bedeutender Parteimitglieder wie Tittmann und Tönhardt<br />

aus der DVU haben die Bedeutung der Partei im rechtsextremistischen<br />

Spektrum weiter schrumpfen lassen. Die Zahl der DVU-Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong><br />

war bereits von 2005 auf 2006 von 300 auf 280 gesunken. 2007<br />

waren es noch 250. Parteipolitische Aktivitäten entfalten nur ein Bruchteil<br />

der verbliebenen Mitglieder.<br />

40


Rechtsextremistische Parteien<br />

Kommunalpolitische Bedeutungslosigkeit der DVU<br />

in <strong>Brandenburg</strong><br />

Der Zusammenbruch ihrer restlichen Marginalstrukturen in Berlin und<br />

Bremen hinterlässt auch zusehends Spuren in <strong>Brandenburg</strong>. Zwar hat die<br />

DVU in <strong>Brandenburg</strong> 12 kommunale Mandate. Doch ihre Vertreter sind in<br />

der kommunalpolitischen Praxis kaum wahrzunehmen:<br />

Kreistag Potsdam Mittelmark: Bodo Schilling,<br />

Kreistag Märkisch-Oderland: Detlef Sukrow,<br />

Kreistag Oberspreewald-Lausitz: Arnold Graf und Angela Heinze,<br />

Kreistag Elbe-Elster: Norbert Schulze und Bernd Jugendheimer,<br />

Kreistag Teltow-Fläming: Bärbel Redlhammer-Raback,<br />

Stadt Müncheberg: Roland Schulz,<br />

Ortsteil Müncheberg: Roland Schulz,<br />

Stadtverordnetenversammlung Potsdam: Günter Schwemmer,<br />

Gemeindevertretung Rüdersdorf (MOL): Thomas Monkowiak.<br />

Klaus Kuhn sitzt für die DVU im Kreistag Oder-Spree, ebenso zwei Mandatsträger<br />

der NPD, die mit dem Abgeordneten der DVU jedoch keine<br />

gemeinsame Fraktion bilden. Offenbar scheint der „Deutschland-Pakt“<br />

zwischen NPD und DVU keine Ausstrahlung auf kommunaler Ebene zu<br />

haben. Es bleibt abzuwarten, wann und welche der genannten DVU-Funktionäre<br />

zur NPD überlaufen.<br />

Trotz der wenigen kommunalen Mandatsträger in <strong>Brandenburg</strong> hat die<br />

DVU in keinem anderen Bundesland mehr. Die Tatsache, dass deren Arbeit<br />

nicht wahrgenommen wird, liegt nicht an der Behauptung der DVU, die<br />

Medien würden ihr angebliches Engagement der DVU verschweigen. Es<br />

liegt vielmehr daran, dass die Mehrzahl der kommunalen Mandatsträger<br />

der DVU durch keinerlei nennenswerte Aktivitäten auffällt und es deshalb<br />

auch nichts über sie zu berichten gibt. So wies selbst die Homepage der<br />

DVU in <strong>Brandenburg</strong> (www.dvu-brandenburg.de) für das Jahr 2007 bis<br />

zum 13. November lediglich auf zwei Infotische hin.<br />

Zwar behauptet die DVU von sich, die „tatsächliche Volkspartei“ zu sein.<br />

Doch für die brandenburgische Kommunalpolitik ist sie de facto völlig unbedeutend.<br />

Auch die angeblich monatlichen regionalen „Stammtische“<br />

haben keinerlei Außenwirkung, zumal die DVU die genauen Örtlichkeiten<br />

weder auf ihrer Homepage noch in der „National-Zeitung“ veröffentlicht.<br />

41


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Durch massive Wahlwerbung in <strong>Brandenburg</strong>, die jeweils konkret verknüpft<br />

war mit Werbungen für Verlage Gerhard Freys, gelang es der DVU bei den<br />

Landtagswahlen 1999 und 2004 ohne jegliche kommunalpolitische Verankerung<br />

vor allem Protestwähler anzusprechen und zwei Mal in Folge in den<br />

brandenburgischen Landtag einzuziehen. Es ist zudem erstaunlich, dass<br />

die Fraktion dort noch besteht. In allen anderen Landtagen, in denen die<br />

Partei bislang in Fraktionsstärke vertreten war (Bremen, Schleswig-Holstein<br />

und Sachsen-Anhalt), zerstritten sich ihre Parlamentarier nach kürzester<br />

Zeit. Die relative Stabilität der DVU-Fraktion im brandenburgischen<br />

Landtag dürfte damit zusammenhängen, dass deren Abgeordnete auch<br />

aus persönlichen Gründen auf eine dritte Legislaturperiode hoffen.<br />

Ob die DVU 2009 tatsächlich wieder für den Landtag kandidiert, oder ob<br />

sie bis dahin von der NPD übernommen beziehungsweise an den Rand<br />

gedrängt wird, sollte für DVU-Abgeordnete eher unerheblich sein. Denn<br />

auch sie weisen Bezüge zur Ideologie des Nationalsozialismus auf. Im<br />

„Dritten Reich“ starben Millionen Menschen entweder durch Mord oder<br />

eben durch ein menschenunwürdiges Dahinsiechen in Konzentrationslagern<br />

ohne ausreichende Gesundheitsversorgung. Doch die DVU-Abgeordnete<br />

Fechner erklärte im September 2007 im Landtag <strong>Brandenburg</strong>:<br />

„Auch die Genossen der NSDAP besaßen ein hohes Maß an Gesundheitsbewusstsein.“<br />

42


Rechtsextremistische Parteien<br />

Wankender Extremisten-Pakt:<br />

NPD erhöht Druck auf DVU in <strong>Brandenburg</strong><br />

In den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ist die<br />

rechtsextremistische NPD bereits vertreten. Im Landtag <strong>Brandenburg</strong> sitzt<br />

dagegen noch die gleichfalls rechtsextremistische DVU in Fraktionsstärke.<br />

Jetzt arbeitet die NPD am Ausbau ihrer Strukturen auch in <strong>Brandenburg</strong>,<br />

um die DVU zu beerben. In völliger Verkennung dieser Lage behauptete die<br />

stellvertretende Vorsitzende der DVU <strong>Brandenburg</strong>, Liane Hesselbarth, bei<br />

einer gemeinsamen Parteiveranstaltung mit der Berliner DVU am 23. September<br />

2007 in Dahme, „<strong>Brandenburg</strong> ist und bleibt DVU-Land“.<br />

Am 15. Januar 2005 verkündeten DVU und NPD den „Deutschland-Pakt“.<br />

Der Extremisten-Pakt sieht vor,<br />

dass beide Parteien bis 2009<br />

bei Landtags,- Bundestags- und<br />

Europawahlen nicht konkurrierend<br />

gegeneinander antreten.<br />

Die Bundestagswahl wurde der<br />

NPD zugeschlagen, die Wahl zum Europa-Parlament der DVU. Doch<br />

die Tatsachen sprechen für sich: In der NPD-Postille „Thüringen Stimme“<br />

mokierte sich die NPD im Dezember 2007 offen über die Schwäche des<br />

dortigen DVU-Landesverbandes, verwies auf die eigene Stärke und stellte<br />

kaum verhohlen eine eigene Landtagskandidatur und damit den Bruch des<br />

„Deutschland-Paktes“ in den Raum.<br />

So mehren sich bei der NPD mittlerweile die Anzeichen dafür, dass sie<br />

diesen Pakt eher als lästig denn als erwünscht betrachtet. Sie glaubt, nicht<br />

mehr darauf angewiesen zu sein. NPD und DVU streben bis auf Einzelfälle<br />

offenkundig an, ohne gegenseitige Absprache jeweils möglichst fl ächendeckend<br />

anzutreten. Auf die 2008 in <strong>Brandenburg</strong> anstehende Kommunalwahl<br />

bereitet sich die NPD mit großer Sorgfalt und Energie vor. Ziel<br />

ist ganz offensichtlich ein Testlauf, welche Wählerpotenziale die NPD in<br />

<strong>Brandenburg</strong> erschließen kann. Je höher der Wähleranteil für die NPD,<br />

desto weniger wird sie bereit sein, der DVU den alleinigen Antritt bei der<br />

Landtagswahl 2009 zu gönnen. Es ist also eine Frage der Zeit, wann die<br />

NPD den „Deutschland-Pakt“ aufkündigt. Liane Hesselbarths zutreffender<br />

Hinweis, der „Deutschland-Pakt“ gelte nicht für Kommunalwahlen, wirkt<br />

gleichwohl wie eine verzweifelte Bitte an den Vertragspartner, diese zuletzt<br />

gezogene Linie nicht zu übertreten.<br />

43


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

In diesen Ländern kandidiert die NPD zur Landtagswahl<br />

In diesen Ländern kandidiert die DVU zur Landtagswahl<br />

Hier kandidiert die DVU zur Landtagswahl nur,<br />

falls die NPD nicht antritt<br />

offen<br />

Absprachen im Extremisten-Pakt<br />

44


Rechtsextremistische Parteien<br />

Eine systematische Zusammenarbeit von NPD und DVU ist in <strong>Brandenburg</strong><br />

zur Zeit nicht wahrnehmbar. Alleiniger gemeinsamer Bezugspunkt<br />

scheinen derzeit die regelmäßig in der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“<br />

veröffentlichten Artikel des einzigen Potsdamer DVU-Stadtverordneten<br />

Günter Schwemmer zu sein.<br />

Darüber hinaus dürften bestimmte DVU-Mitglieder auf inoffi zieller Ebene<br />

Kontakte zur NPD pfl egen. So fi ndet sich auf der Homepage des NPD-<br />

Kreisverbandes Oderland folgender Interneteintrag vom 2. November<br />

2007:<br />

„Liebe Kameraden, wie andere NPD-Seiten ist auch diese gut gelungen.<br />

Besonders schön ist, dass man sich zu einigen Aktionen Filmaufnahmen<br />

ansehen kann. Einer der schönsten Momente fi ndet sich in<br />

dem Film ‚Erster Aktionstag im Elbe-Elster-Kreis‘. Kurz nachdem, aus<br />

Richtung der Linksfaschisten kommend, eine Flasche auf dem Boden<br />

vor Eurem Infotisch aufschlägt, macht ein ‚Gutmensch‘ Bekanntschaft<br />

mit dem Straßenpfl aster. Für einen mutmaßlichen Drogensüchtigen<br />

sicher keine besonders neue Erfahrung, aber es ist schön, dass man<br />

an diesem Moment teilhaben kann (immer und immer wieder!). Zwar<br />

bläst Euch momentan bundespolitisch ein scharfer Wind um die Ohren,<br />

doch Eichenholz bricht nicht so leicht. In diesem Sinne: Lasst uns<br />

fest zusammenstehen für unser Deutschland!<br />

Marcel Guse, DVU-<strong>Brandenburg</strong>, KV-Potsdam“.<br />

Ansonsten bewahrt die brandenburgische DVU nicht einmal mehr zum<br />

Schein übliche Höfl ichkeitsformen gegenüber ihrer Pakt-Partnerin NPD.<br />

Auf die feindlichen Übernahmepläne der NPD reagiert die DVU mit Totschweigen<br />

der NPD. So erwähnt sie in ihrer öffentlichen Berichterstattung<br />

noch nicht einmal die Anwesenheit von NPD-Gästen auf dem DVU-Sommerfest<br />

am 16. Juni 2007. Mit rund 400 Teilnehmern hat es auf dem neuen<br />

Grundstück des DVU-Funktionärs Klaus Mann in Finowfurt (Landkreis<br />

Barnim) stattgefunden.<br />

Umso bemerkenswerter ist dies deshalb, da sich DVU-Landesvorstandsmitglied<br />

Mann gegenüber der NPD sehr aufgeschlossen zeigt. Offen kooperiert<br />

er zudem mit Neonazis und Skinheads. Im Berichtszeitraum stellte<br />

er sein Grundstück auch rechtsextremistischen Bands und Organisationen<br />

für Veranstaltungen zur Verfügung, bei denen der Nationalsozialismus und<br />

dessen Repräsentanten zum Teil offen verherrlicht wurden (siehe hierzu<br />

S. 78).<br />

45


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Die DVU berichtet über ihr Sommerfest 2007, es sei eine „störungsfreie<br />

Veranstaltung“ gewesen. Der Veranstaltungsort ist von den „Teilnehmern<br />

sehr diszipliniert verlassen“ worden. Hintergrund dieses bezeichnenden<br />

Hinweises sind regelmäßige Polizeieinsätze im Zusammenhang mit den<br />

Aktivitäten von Rechtsextremisten sowohl auf dem neuen Grundstück<br />

Manns in Finowfurt als auch auf seinem vorherigen Grundstück in Seefeld<br />

(ebenfalls Landkreis Barnim). In der Vergangenheit kam es dabei mitunter<br />

in Folge übermäßigen Alkoholkonsums zu Tätlichkeiten von Rechtsextremisten<br />

untereinander.<br />

Damit ist die brandenburgische DVU an einem Scheideweg angekommen,<br />

der – ähnlich wie in Berlin – Austritte von Vorstandsmitgliedern und Abspaltungen<br />

nach sich ziehen könnte. Dort war der Landesvorsitzende Dietmar<br />

Tönhardt im Herbst 2007 aus der DVU ausgetreten und ist seit November<br />

2007 Landesvorstandmitglied der Berliner NPD.<br />

Die rechtsextremistische Internetplattform „Altermedia“ spottet, dass angesichts<br />

des Dahinsiechens der DVU der Schritt nicht überrasche. Man<br />

fordert hier auch, „die DVU muss weg oder in der NPD aufgehen“ und<br />

spricht von einer Signalwirkung. Angesichts des Vermögens des DVU-<br />

Bundesvorsitzenden Frey spekulieren Forenbeiträge auf dessen Geld für<br />

die fi nanzschwache NPD.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> dürfte sich der Richtungsstreit innerhalb der DVU um den<br />

Neonazismus an der Person Klaus Mann festmachen. Mann ist Vorsitzender<br />

der DVU für den Bereich Barnim, Uckermark und Oberhavel sowie<br />

Mitglied im Landesvorstand der DVU. Seine Frau Sybille Mann ist Mitarbeiterin<br />

des DVU-Landtagsabgeordneten Michael Claus.<br />

Klaus Mann tritt ständig als Verbindungsmann zwischen DVU sowie Neonazi-Szene<br />

in Erscheinung und nicht nur als Gastgeber für die oben genannten<br />

Veranstaltungen. Bezeichnenderweise hat Mann an einem Baum<br />

auf seinem Grundstück ein Schild mit der Aufschrift „Achtung! Sie verlassen<br />

jetzt die Bundesrepublik Deutschland und betreten Deutsches Reichsgebiet!“<br />

angebracht.<br />

46


Rechtsextremistische Parteien<br />

Damit zeigt Mann eindeutig seine neonazistische Gesinnung. Ob die DVU<br />

ihn als Neonazi aus der Partei ausschließt oder seinen Übertritt zur NPD<br />

lethargisch erwartet, wird ein entscheidendes Signal für die Zukunft der<br />

Partei sein. Offenbar ist die DVU bemüht, die wachsende Bedrohung NPD<br />

vorerst einfach ignorieren zu wollen. Das wird sie, wenn die NPD bei den<br />

Kommunalwahlen in <strong>Brandenburg</strong> 2008 Mandate gewinnen sollte, kaum<br />

lange durchhalten können.<br />

Es bleibt festzuhalten, dass die Aufl ösungserscheinungen der DVU im<br />

Berichtszeitraum offenkundig vorangeschritten sind. Sollte die DVU 2009<br />

nicht mehr in den Landtag von <strong>Brandenburg</strong> gewählt werden, ist von einem<br />

raschen Zerfall des Landesverbandes mit erheblichen Auswirkungen auf<br />

den DVU-Bundesverband auszugehen.<br />

47


Ausblick<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Dem brandenburgischen NPD-Landesverband gelingt es seit 2006 mehr<br />

und mehr, sich propagandistisch in Szene zu setzen. Er verfügt inzwischen<br />

über knapp zwei Dutzend sehr aktive Mitglieder. Sie sind in der Lage, Internetseiten<br />

einzurichten, Demonstrationen und Infostände anzumelden<br />

sowie zu organisieren, Veranstaltungen demokratischer Organisationen<br />

zu stören, Propagandamaterial zu entwerfen und deren Verteilung zu organisieren.<br />

Hierzu kann der NPD-Landesverband bis zu etwa 60 Mitglieder<br />

rekrutieren. Bei den meisten Aktionen ist man aber auf die Helfershelfer<br />

aus den neonazistischen „Freien Kräften“ angewiesen. Sie bewachen<br />

Infostände der Partei, verteilen einen nicht unwesentlichen Teil des Propagandamaterials<br />

und stellen den überwiegenden Teilnehmerkreis bei<br />

Demonstrationen. Für NPD-Veranstaltungen in <strong>Brandenburg</strong> liegt die personelle<br />

Mobilisierungsobergrenze derzeit bei etwa 280 Personen, wie die<br />

vier Demonstrationen der NPD im Jahr 2007 gezeigt haben.<br />

Verbürgerlichung der NPD<br />

Es ist der brandenburgischen NPD bisher weder bei ihren Funktionären<br />

noch bei ihrer Mitgliederbasis gelungen, bekannte Personen aus der<br />

Mitte der Gesellschaft zu rekrutieren. Im Gegenteil. Seit Ende 2006 hat<br />

sie drei wichtige Funktionäre mit bürgerlichem Hintergrund verloren. So<br />

den ehemaligen Vorsitzenden des damaligen Kreisverbandes Spreewald,<br />

dann seinen Nachfolger sowie die Vorsitzende des Kreisverbandes Havel-<br />

Nuthe.<br />

Die vorgespielte „Bürgernähe“ dient der Propaganda. Die NPD ist und<br />

bleibt ein Sammelbecken für Rassisten und gewaltbereite Antidemokraten.<br />

Sie rekrutiert sich nicht aus der Mitte, sondern am kriminellen und extremistischen<br />

Rand der Gesellschaft. Bisher ist kein Fall bekannt, bei dem es<br />

der NPD gelungen wäre, in <strong>Brandenburg</strong> eine Institution zu unterwandern<br />

und für sich zu vereinnahmen.<br />

Auch der Fall der NPD-Funktionärin Stella Palau taugt hier nicht als Beispiel.<br />

Palau hatte im Familienzentrum in Birkenwerder einen Mutter-Kind-<br />

Kurs angeleitet. Ihr unauffälliges Auftreten hat das Ziel verfehlt, bürgerliche<br />

Strukturen parteipolitisch zu vereinnahmen. Als ihre Parteizugehörigkeit<br />

bekannt wurde, kam es zu keinerlei Solidarisierungseffekten. Die Einrich-<br />

48


Rechtsextremistische Parteien<br />

tung hat sofort jede Zusammenarbeit mit Frau Palau beendet. Sollte es der<br />

NPD aber gelingen, durch gesteigerten Aktionismus ihre Basis nach und<br />

nach zu vergrößern, dann wird das Beispiel Palau kein Einzelfall bleiben.<br />

NPD-Ziel ist und bleibt es, breitere Wählerschichten zu erschließen, um<br />

die DVU im Landtag zu beerben. So soll die Lücke zwischen Sachsen und<br />

Mecklenburg-Vorpommern – in beiden Ländern sitzt die NPD im Landtag<br />

– geschlossen werden. Ein Wählerpotenzial scheint für die NPD ebenso<br />

in <strong>Brandenburg</strong> vorhanden zu sein. Im Frühjahr 2008 bescheinigte das<br />

Meinungsforschungsinstitut Emnid auf der Basis von 1.000 im Dezember<br />

2007 befragten Bürgern der NPD vier Prozent Stimmenanteil bei der Sonntagsfrage<br />

zur brandenburgischen Landtagswahl. Die DVU lag nur noch bei<br />

einem abgeschlagenen Prozentpunkt.<br />

Die Partei verfügt in <strong>Brandenburg</strong> über keinerlei institutionalisierte aktive<br />

Bürgerarbeit, wie Nachhilfeunterricht, Beratung von Hartz-IV-Empfängern<br />

oder Freizeitangebote. In anderen Bundesländern hat sie jedoch solche<br />

Angebote im vorpolitischen Raum installiert. In <strong>Brandenburg</strong> dagegen versucht<br />

nur der Kreisverband Barnim-Uckermark über das Internet, dem Bürger<br />

entsprechende Beratungstipps zu vermitteln. Die dort feilgebotenen<br />

Informationen lassen sich jedoch ohne Aufwand qualifi zierter an anderer<br />

Stelle im Netz aufrufen.<br />

Die Flugschriften der Ortsverbände des Kreisverbandes Oderland versuchen<br />

zwar, sich mit regionalen Problemen wie Schulschließungen auseinanderzusetzen,<br />

zeigen aber deutlich, dass die NPD inhaltlich keine<br />

realistische Alternative bieten kann. Die aktuelle Kommunalpolitik in den<br />

Regionen wird in der Regel nur negativ beschrieben und als Sozialabbau,<br />

Steuerabzocke, Überfremdung und Kriminalitätsförderung diffamiert. Verursacher<br />

seien die demokratischen Parteien.<br />

Dabei ignoriert die NPD, dass gerade Kommunalpolitik in <strong>Brandenburg</strong> in<br />

vielen Orten durch das Engagement freier Wählergruppen bestimmt wird.<br />

Vereinzelte kommunalpolitische Initiativen der Rechtsextremisten bleiben<br />

auf dem Niveau von Stammtischparolen, die sowohl eine gewisse DDR-<br />

Nostalgie als auch rassistische Klischees bedienen. Zur Lösung kommunaler<br />

Finanzprobleme sind solche Vorschläge nicht geeignet, sondern<br />

allenfalls dazu, Neid und Vorurteile zu schüren. Nichtsdestotrotz ist die<br />

NPD zusehends bemüht, die kommunalpolitische Ebene verstärkt anzusprechen.<br />

Noch fehlen ihr dafür die Fachkenntnisse und die Mittel.<br />

49


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Die wenigen tatsächlichen Angebote der Partei wenden sich in erster Linie<br />

an Mitglieder und Sympathisanten. Das hat einerseits zur Folge, dass immer<br />

die „üblichen Verdächtigen“ an solchen Veranstaltungen teilnehmen.<br />

Von der Partei ins Internet gestellte Fotos belegen dies. Andererseits hat<br />

ein harter Kern engagierter NPDler eine kleine aktionistische Gegenwelt<br />

etabliert, die nach außen wenig ausstrahlt. Bis jetzt. Dieser Kern ist jedoch<br />

hoch agil und gewillt, die Lehre vom Rassismus, Antisemitismus sowie<br />

vom totalitären Staatsverständnis weiter in die Gesellschaft hineinzutragen.<br />

Zum jetzigen Zeitpunkt muss, angespornt durch Wahlerfolge in Sachsen<br />

und Mecklenburg-Vorpommern, mit einer weiteren Zunahme dieser<br />

Aktivitäten gerechnet werden.<br />

Der NPD ist es bisher nicht gelungen, sich in bürgerliche Protestbewegungen<br />

einzuklinken geschweige denn an deren Spitze zu stellen. Aber die<br />

Versuche sind erkennbar. Zum Beispiel diejenigen gegen Braunkohletagebau<br />

und gegen die Schließung einer Möbelfabrik in Storkow.<br />

Aufgrund ihrer schwachen personellen Basis wird es die NPD schwer<br />

haben, zur 2008er Kommunalwahl in vielen Regionen des Landes geeignete<br />

Kandidaten aufzustellen. Ebenso wird sie ein fl ächendeckender<br />

Wahlkampf vor große logistische Herausforderungen stellen. Auch fi nanziell<br />

verfügt die Partei sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene über<br />

geringe Ressourcen.<br />

Rolle der „Freien Kräfte“<br />

Logistische Hilfestellung könnten der NPD – wie in Mecklenburg-Vorpommern<br />

– Neonazis leisten, die sich selbst „Freie Kräfte“ nennen. Als<br />

Bindeglied zwischen ihnen und der NPD könnten die „Jungen Nationaldemokraten“<br />

(JN) zunehmende Bedeutung erlangen. Im Raum Teltow/Königs<br />

Wusterhausen und Cottbus/Guben bestehen inzwischen Kontakte<br />

zwischen NPD und „Freien Kräften“ bis nach Berlin und in die sächsische<br />

Lausitz. Viele Neumitglieder in der JN, die aus der neonazistischen Kameradschaftsszene<br />

kommen, haben allerdings ein sehr ambivalentes Verhältnis<br />

zur NPD. Ihnen ist die Partei immer noch nicht radikal genug.<br />

Ohne die Mithilfe der „Freien Kräfte“ wird die NPD ihren Kommunalwahlkampf<br />

aber kaum organisieren können. Lassen die neonazistischen „Freien<br />

50


Rechtsextremistische Parteien<br />

Kräfte“ sich darauf ein, wird man auch versuchen, sich bei der Landtagswahl<br />

2009 über das „NPD-Ticket“ Sitze im Landtag zu verschaffen. Zwar<br />

gilt 2009 noch der „Deutschland-Pakt“ mit der DVU, der eine eigenständige<br />

Kandidatur der NPD bei den Landtagswahlen in <strong>Brandenburg</strong> ausschließt.<br />

Aber bei der dauerhaften Erfolglosigkeit der DVU wird sich die NPD nicht<br />

an den Extremisten-Pakt gebunden fühlen und Gegenkandidaten aufstellen.<br />

Erste deutliche Brüche im Extremisten-Pakt sind bereits in Thüringen<br />

erkennbar. Dort erhöht die NPD den Druck auf die DVU (siehe S. 43).<br />

Die Entwicklung bei den JN in <strong>Brandenburg</strong> zeigt, dass die neonazistischen<br />

Neuzugänge zur Partei kaum kontrollierbar sind. Sollten die Neonazis in<br />

der NPD sich dafür entscheiden, zentrale Positionen in der NPD zu besetzen,<br />

dürfte einem endgültigen Abrutschen der ohnehin schon rassistischen<br />

und demokratiefeindlichen Partei in den – auch gewaltgeneigten – Neonazismus<br />

nichts mehr im Wege stehen.<br />

Bei einem verstärkten Zusammenrücken von „Freien Kräften“ und NPD<br />

würde die derzeitige parteipolitische Unabhängigkeit der „Freien Kräfte“<br />

eingetauscht gegen eine Abhängigkeit von NPD und JN. Sicherlich würde<br />

auch bei dem Einen oder Anderen dabei die Aussicht auf lukrative Posten,<br />

z. B. Mandate, eine Rolle spielen. Bleiben diese aus, sind neue Formierungen<br />

zu erwarten.<br />

Insofern wird auch die JN in <strong>Brandenburg</strong> versuchen, die Zeit bis zur Kommunalwahl<br />

im Herbst 2008 für eine verstärkte Mitgliederwerbung zu nutzen.<br />

Mit neuen Anhängern ließen sich neue Stützpunkte gründen und die<br />

mögliche Teilnahme an der Landtagswahl besser organisieren. Einziges,<br />

aber nicht zu unterschätzendes Hindernis dürfte der Mangel an fähigem<br />

Personal sein.<br />

Auch dürften die Aktivitäten der Parteijugend JN nicht immer im Sinne der<br />

Mutterpartei NPD sein. Spannungen, insbesondere dann, wenn es um die<br />

Frage der Unterordnung geht, sind somit programmiert.<br />

51


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

52


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

NEONAZIS UND GEWALTBEREITER<br />

RECHTSEXTREMISMUS<br />

Kameradschaften zwischen Verbot,<br />

Scheinaufl ösungen und Umorientierung<br />

Die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik<br />

Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie (siehe Anlage). Vereinigungen,<br />

die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, sind verboten<br />

(Artikel 9, Absatz 2 Grundgesetz). Parteien werden vom Bundesverfassungsgericht<br />

verboten. Vereine und sonstige Organisationen verbietet der<br />

jeweils zuständige Innenminister.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> wird von dem gesetzlich vorgesehenen Verbot rege Gebrauch<br />

gemacht.<br />

Verbote in <strong>Brandenburg</strong> 2005 bis 2006<br />

„Hauptvolk“ und „Sturm 27“<br />

Am 6. April 2005 verfügte der Minister des Innern<br />

des Landes <strong>Brandenburg</strong> die Aufl ösung der Kameradschaft<br />

„Hauptvolk“ und ihrer Untergliederung<br />

„Sturm 27“. Über 300 Polizeibeamte hatten<br />

am 12. April 2005 in <strong>Brandenburg</strong>, Sachsen-Anhalt<br />

und Niedersachsen insgesamt 41 Objekte<br />

von 39 Rechtsextremisten durchsucht und dabei<br />

etwa 5.500 Asservate sichergestellt. Darunter waren<br />

auch strafrechtlich relevante Dinge: Stichwaffen, Waffen- und Munitionsteile,<br />

Propagandamaterialien, indizierte Tonträger.<br />

Die Kameradschaft „Hauptvolk“ war die mitgliederstärkste und aktivste Kameradschaft<br />

<strong>Brandenburg</strong>s. Ihr Mitgliederkern bestand aus etwa 35 Personen.<br />

Sie entstand im Jahre 2001 aus einem Zusammenschluss langjähriger<br />

Führungspersonen und Aktivisten der rechtsextremistischen Szene<br />

in Rathenow und Premnitz. Das Verbot hat die rechtsextremistischen Aktivitäten<br />

des Personenzusammenschlusses weitgehend zum Erliegen gebracht.<br />

53


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Kameradschaft „ANSDAPO“<br />

Das Verbot des neonazistischen Vereins „ANSDAPO“,<br />

einer neonazistischen Kameradschaft aus Strausberg,<br />

am 4. Juli 2005 hatte insgesamt 24 Wohnungsdurchsuchungen<br />

zur Folge. Es wurde eine Vielzahl relevanter<br />

Gegenstände und Dokumente gefunden. Insgesamt<br />

handelt es sich um 463 Gegenstände, darunter auch<br />

Waffen beziehungsweise Munition. Das Vereinszeichen<br />

der Kameradschaft war eine „Schwarze Sonne“ mit dem<br />

Schriftzug „ANSDAPO“ darüber.<br />

Eine Bestandskraft des Verbotes ist noch nicht eingetreten, da die Verbotsverfügung<br />

angefochten worden ist. Nachfolgeaktivitäten des Vereins sind<br />

nicht feststellbar.<br />

„Schutzbund Deutschland“<br />

Am 26. Juni 2006 verbot der Innenminister des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

den Verein „Schutzbund Deutschland“. Dieser Verein hatte mit seiner<br />

aggressiv-kämpferischen Propagandatätigkeit gegen die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung auf sich aufmerksam gemacht. Sowohl die<br />

Argumentation als auch die Gestaltung der Propagandamaterialien wiesen<br />

eine Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus auf. Rassistische<br />

und judenfeindliche Hetzschriften richteten sich massiv gegen den Gedanken<br />

der Völkerverständigung. Am 4. Juli 2006 durchsuchte die Polizei<br />

in <strong>Brandenburg</strong> und Sachsen-Anhalt 15 Wohnungen von Mitgliedern<br />

des „Schutzbundes Deutschland“. Dabei wurde unter anderem eine voll<br />

ausgestattete Druckerwerkstatt, die zur Herstellung von Propagandamaterial<br />

genutzt worden war, beschlagnahmt. Außerdem stellten sie mehrere<br />

zehntausend Flyer, Plakate, Aufkleber, Hefte und Bücher, aber auch einen<br />

Totschläger und Teile eines Karabiners sicher. Der Verein hat gegen das<br />

Verbot Rechtsmittel eingelegt.<br />

Nach dem Verbot des „Schutzbundes Deutschland“ wurde nur noch vereinzelt<br />

dessen Propagandamaterial verteilt. Auf mögliche Nachfolgeaktivitäten<br />

deutete zunächst ein Flugblatt der „Bewegung Neues Deutschland“<br />

hin. Die Aktivitäten der „Bewegung Neues Deutschland“ sind allerdings im<br />

Frühjahr 2007 zum Erliegen gekommen.<br />

54


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Als Reaktion auf das Verbot der Neonazi-Organisation „Schutzbund<br />

Deutschland“ und den zunehmenden Verfolgungsdruck durch brandenburgische<br />

Sicherheitsbehörden gaben im August 2006 mehrere neonazistische<br />

Kameradschaften ihre Aufl ösung bekannt. Dies betraf die Gruppierungen<br />

„Sturm Cottbus“ und „Lausitzer Front Guben“. Beide Aufl ösungen<br />

waren jedoch nur vorgetäuscht. Die gleichen Personen setzten danach<br />

ihre extremistischen Aktivitäten - nur in anderer Form - unvermindert fort.<br />

Zudem nahmen sie einen regen Informationsaustausch mit brandenburgischen<br />

und sächsischen Funktionären der „Nationaldemokratischen Partei<br />

Deutschlands“ (NPD) und ihrer Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“<br />

(JN) auf.<br />

Im September 2006 wurde die Homepage der „Gesinnungsgemeinschaft<br />

Süd-Ost <strong>Brandenburg</strong>“ (GGSOBB) von ihren Betreibern abgeschaltet. Es<br />

handelte sich hierbei um ein Internetprojekt, das Rechtsextremisten in der<br />

Grenzregion <strong>Brandenburg</strong>s und Sachsens als wichtige Kommunikationsplattform<br />

diente.<br />

Am 4. November 2006 hat sich der „Märkische Heimatschutz“ (MHS) nach<br />

fünf Jahren sang- und klanglos und nicht überraschend von der rechtsextremistischen<br />

Bühne Berlins und <strong>Brandenburg</strong>s verabschiedet. Begründet<br />

wurde der Schritt damit, dass man sich „von alten Strukturen lösen“ und<br />

„einen anderen politischen Weg“ beschreiten wolle. Insbesondere habe<br />

man vor, künftig „den parlamentarischen Weg zu gehen“.<br />

Im Herbst 2006 gründete sich die etwa zehn Mitglieder starke rechtsextremistische<br />

„Interessengemeinschaft Sturm Oranienburg“. Bevor die<br />

„Sturm“-Mitglieder größere Aktivitäten entfalten konnten, durchsuchte die<br />

Polizei am 6. Dezember 2006 Wohnungen von sieben ihrer Mitglieder.<br />

Noch am selben Tag gab ein Mitglied die „offi zielle“ Aufl ösung der „Interessengemeinschaft<br />

Sturm Oranienburg“ im Internet bekannt.<br />

All diese Gruppierungen folgten mit der öffentlich verkündeten „Aufl ösung“<br />

ihrer Strukturen einer Strategie, die von führenden sächsischen Neonazis<br />

im Internet ausführlich propagiert wird: Um „der zunehmenden Verfolgung“<br />

durch „das System“ zu entgehen, solle künftig auf „feste Strukturen“, „Vereinsausweise“<br />

und „Gruppenkassen“ verzichtet werden. Für den Zusammenhalt<br />

der „Widerstandsbewegung“ seien keine Gruppennamen erforderlich,<br />

einzig und allein „unsere Weltanschauung“ verbinde.<br />

55


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

In Folge von Verboten beziehungsweise Selbstaufl ösungen stehen die<br />

Betroffenen vor der Entscheidung, auszusteigen, oder sich anderen Extremisten<br />

anzuschließen. Einige steigen aus der Szene endgültig aus. Andere<br />

schließen sich bestehenden Strukturen von NPD und JN an.<br />

Von der rechtsextremistischen Kameradschaft<br />

über „Freie Kräfte“ hin zur NPD<br />

Nach den ersten hektischen Reaktionen der rechtsextremistischen Szene<br />

auf das Verbot des „Schutzbund Deutschland“ im Sommer 2006 sucht sie<br />

nunmehr nach neuen Wegen, um politisch aktiv zu sein. Ein Teil der Neonazis<br />

wendet sich der NPD zu, ein anderer Teil wirkt in überregionalen<br />

Netzwerken mit. Rechtsextremistische Kameradschaften hingegen haben<br />

im Land <strong>Brandenburg</strong> massiv an Bedeutung verloren. Aufgrund des staatlichen<br />

Verfolgungsdruckes sind in <strong>Brandenburg</strong> Kameradschaften zurzeit<br />

nicht dauerhaft bestandsfähig. Es gibt extremistische Strukturen, in denen<br />

Neonazis ebenso wirkungsvoll Aktivitäten entfalten können. Die NPD ist<br />

eine solche Struktur. Sie bietet Neonazis die Möglichkeit, auf kommunaler<br />

sowie auf Landesebene ihr Gedankengut zu verbreiten. Hinzu kommt das<br />

Internet mit seinen virtuellen Möglichkeiten zur Kommunikation und Mobilisierung.<br />

Reale Zusammenkünfte werden so teilweise ersetzt. Neonazis<br />

kommunizieren heute ganz selbstverständlich über das Internet, verabreden<br />

sich in Chatrooms oder laden sich Propagandamaterial aus dem<br />

Internet herunter.<br />

Das Verhältnis von Neonazis zur NPD ist und bleibt ambivalent. Nur wenige<br />

wenden sich vorbehaltlos der Partei zu. Für überzeugte „Nationale<br />

Sozialisten“ bleibt die NPD trotz ihrer zunehmenden Nazifi zierung eine<br />

„Systempartei“. Neonazis selbst sehen sich, in Anlehnung an die Hitler-<br />

Bewegung der 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, als antidemokratische<br />

Bewegung. Die deutsche Parteienstruktur und die Teilnahme an<br />

demokratischen Verfahren lehnen sie strikt ab. In <strong>Brandenburg</strong> ist es der<br />

NPD daher noch nicht gelungen, die neonazistischen „Freien Kräfte“ in<br />

gleichem Maße an sich zu binden, wie das in Sachsen und in Mecklenburg-Vorpommern<br />

der Fall ist.<br />

Weder in Rathenow noch in Strausberg konnte die NPD von den Verboten<br />

der Kameradschaften „Hauptvolk“/“Sturm 27“ und „ANSDAPO“ substanziell<br />

56


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

profi tieren. Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Havel-Nuthe ist jedoch<br />

ein ehemaliges „Hauptvolk“-Mitglied. Ansonsten sind in Rathenow nur wenige<br />

ehemalige Mitglieder von „Hauptvolk“/“Sturm 27“ in den dortigen Ortsverband<br />

der NPD eingetreten. Von der „ANSDAPO“ vollzog kein einziges<br />

ehemaliges Mitglied diesen Schritt. Ebenso wenig Erfolg hatte die NPD<br />

bisher in der Prignitz im Hinblick auf ehemalige „Schutzbund“-Mitglieder.<br />

Vieles deutet allerdings darauf hin, dass die Grenzen zwischen den NPD-<br />

Strukturen und der neonazistischen Szene aufweichen und dass neue,<br />

durch die Kameradschaftsszene geprägte Akteure eine andere Dynamik<br />

in diesen Prozess hineintragen. Die JN-Stützpunkte in Oberhavel und Oranienburg<br />

werden einerseits im Wesentlichen von ehemaligen Mitgliedern<br />

der aufgelösten MHS-Strukturen betrieben. Andererseits pfl egen auch Mitglieder<br />

des neuen JN-Stützpunktes Spreewald Kontakt zu Mitgliedern des<br />

JN-Stützpunktes in Hoyerswerda und damit zu den neonazistischen „Freien<br />

Kräften“ in der sächsischen Lausitz sowie in Südbrandenburg. Besonders<br />

im Südosten <strong>Brandenburg</strong>s bestehen sehr enge Kontakte zwischen<br />

„Freien Kräften“ und NPD. Führende Neonazis arbeiten zumindest anlassbezogen<br />

mit den NPD-Kreisverbänden Oderland und Spreewald (seit Dezember<br />

2007 Kreisverband Lausitz) zusammen. Sie nehmen an internen<br />

Treffen der Kreisverbände teil, unterstützen die Partei bei der Verteilung<br />

von Propagandamaterial und beraten sie in PR-Angelegenheiten.<br />

Schaffung überregionaler Netzwerke<br />

Bereits im Jahr 2005 waren solche Vernetzungsbestrebungen im Südosten<br />

<strong>Brandenburg</strong> zu beobachten. Das im selben Jahr gegründete „Lausitzer<br />

Aktionsbündnis“ (LAB) strebte strategisch eine Vernetzung unorganisierter<br />

Rechtsextremisten und neonazistischer Kameradschaften an. Insgesamt<br />

gehörten dem LAB etwa 20 bis 30 Rechtsextremisten an. Darüber hinaus<br />

konnte das LAB bis zu 150 Rechtsextremisten für eigene Veranstaltungen<br />

mobilisieren. Der überwiegende Aktionsradius lag in Sachsen.<br />

Im Jahr 2006 war eine Annäherung zwischen „Freien Kräften“ und der NPD<br />

im Südosten <strong>Brandenburg</strong>s feststellbar. Mitglieder der zum Schein aufgelösten<br />

Kameradschaften „Sturm Cottbus“ und „Lausitzer Front Guben“<br />

setzten ihre Aktivitäten unvermindert fort. Strukturelles Auffangbecken war<br />

die sächsische JN, deren Stützpunkt Hoyerswerda zunehmend die neonazistischen<br />

Strukturen des <strong>Brandenburg</strong>er Südostens organisatorisch<br />

bündelte.<br />

57


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Veranstaltungen, die noch im Jahr 2005 unter dem Dach des LAB stattfanden,<br />

trugen 2006 bereits das Logo der JN. 2007 ist der Einfl uss des<br />

JN-Stützpunktes Hoyerswerda auf das Lausitzer Netzwerk allerdings<br />

wieder zurückgegangen. In der Lausitz existiert nunmehr ein Partei ungebundenes<br />

neonazistisches Netzwerk, das auf einen festen Organisationsnamen<br />

verzichtet. Vielmehr werden wechselnde Arbeitsnamen genutzt,<br />

beispielsweise „Lausitzer Widerstandsbewegung“, „Nationale Sozialisten<br />

Lausitz“ oder „Lausitzer Aktionsbündnis“. Das Netzwerk vermeidet eindeutige<br />

und hierarchische Strukturen, verhält sich äußerst konspirativ und tritt<br />

öffentlich auch nicht geschlossen in Erscheinung.<br />

Bei diesem neu entstandenen namenlosen Netzwerk handelt es sich um<br />

ein Gefüge verschiedener Einzelgruppen und -personen, die lediglich<br />

durch die gemeinsame Ideologie verbunden sind. Eine steuernde Funktion<br />

kommt dem Neonazi Sebastian Richter zu. Für Demonstrationen sind derzeit<br />

maximal 150 Personen zu mobilisieren. Einige wenige „Netzwerker“<br />

fordern ein „freies, soziales und nationales Deutschland“. Das freiheitliche<br />

System müsse mit „allen Mitteln“ bekämpft werden, wenn „das Volk“ aus<br />

den „Fesseln des Kapitalismus“ befreit werden solle. Zudem bündeln die<br />

zentralen Akteure die Aktivitäten und pfl egen extremistische Kontakte.<br />

Im Jahr 2007 konnte das Lausitzer Netzwerk seinen Radius in Richtung<br />

Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Oberhavel ausweiten. Enge Kontakte<br />

bestehen auch zu Neonazis aus Leipzig und Chemnitz. Inhaltliche Differenzen<br />

werden zurzeit noch überbrückt, und dadurch hält das Netzwerk<br />

auch konträre politische Meinungen aus. So steht ein Teil seiner Aktivisten<br />

der NPD ablehnend gegenüber, andere wiederum unterstützen die Partei<br />

aktiv.<br />

Ein Teil hängt der rechtsextremistischen Musikszene an, ein anderer nicht.<br />

Es kommt vor, dass an bestimmten rechtsextremistischen Veranstaltungen<br />

nur Teilmengen des Netzwerkes teilnehmen. Ein solches Netzwerk hält<br />

auch unterschiedliche politische Meinungen der Akteure aus. Mitglieder<br />

des Netzwerkes nehmen an Demonstrationen teil und führen Mahnwachen<br />

und Plakatierungen durch. Sie organisieren auch interne Saal- und<br />

Vortragsveranstaltungen.<br />

58


Funktion des Internets<br />

Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Die Kommunikation per Internet und Handy, die heutzutage dem Lifestyle<br />

eines Großteils aller Jugendlichen entspricht, ermöglicht Kontaktpfl ege,<br />

Information, Abstimmung, Aufbau neuer Kontakte, Planung und Verabredung<br />

von Aktivitäten. Zur Verbreitung seiner Ideologie und zur Rekrutierung<br />

neuer Mitglieder nutzt das Netzwerk die Internet-Seiten www.jugendoffensive.info<br />

und www.lausitz-infos.net. Beide Seiten werden von dem<br />

Neonazi Richter betreut.<br />

Auf der Seite www.jugend-offensive.info fordert das Netzwerk rechtsextremistische<br />

Interessenten auf, „nationale Politik sichtbar zu machen“. Es<br />

wirbt für seine „fl exiblen Aktionsformen“ („z. B. Demonstrationen, Mahnwachen,<br />

Straßentheater, Flugblatt- und Plakataktionen, Arbeitseinsätze“)<br />

und appelliert an potenzielle Mitglieder, „mit uns zu kämpfen“. Persönliche<br />

Einsatz- und Opferbereitschaft sei Voraussetzung, um „aktiv dem Widerstand“<br />

anzugehören. „Widerstand“, so das Netzwerk, sei kein „Abenteuerspielplatz“,<br />

sondern ein „Freiheitskampf mit all seinen Konsequenzen“.<br />

Es müsse dauerhaft gekämpft werden, denn Veränderungen seien nicht<br />

von heute auf morgen zu erreichen. Eine Vielzahl der genannten rechtsextremistischen<br />

Aktivitäten ist auf einem Video dokumentiert, das mit der<br />

Webseite verlinkt ist.<br />

Untermalt wird diese Dokumentation von einem Lied der neonazistischen<br />

<strong>Brandenburg</strong>er Band „Hassgesang“. Das Video zeigt unter anderem vermummte<br />

Rechtsextremisten, die Hauswände mit Parolen wie „Mord an<br />

Hess“ oder „Freiheit für Zündel“ beschmieren. Sie kleben Plakate, die<br />

stumpfen Anti-Amerikanismus und Antisemitismus verbreiten („Den USamerikanischen<br />

Weltenbrand stoppen. Fuck USA“ und „Stop Israel“).<br />

Andere Losungen erinnern an den NS-Funktionär Horst Wessel oder thematisieren<br />

die Bombardierung Dresdens im Jahr 1945 („Massenmörder<br />

sind keine Befreier“). Manche greifen die Demokratie direkt an („Die Demokraten<br />

bringen uns den Volkstod“).<br />

59


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Heimattreue Deutsche Jugend e. V.“<br />

Seit etwa einem Jahr ist die „Heimattreue<br />

Deutsche Jugend“ (HDJ) verstärkt in das<br />

öffentliche Interesse gerückt. Berichte in<br />

Zeitungen und im Fernsehen machten auf<br />

das Treiben dieser rechtsextremistischen<br />

Jugendorganisation aufmerksam und dokumentierten,<br />

wie die HDJ Jugendliche ködert.<br />

Die HDJ stellt sich als Verband junger, lebensfroher Deutscher dar, die<br />

gegen den modernen Zeitgeist eingestellt seien. „Wir bekennen uns zu unserem<br />

Volk und leben den Gedanken der Volksgemeinschaft schon heute<br />

im Kleinen vor.“ „Kameradschaft leben! Deutschland entdecken! Werte erfahren!<br />

Geschichte verstehen! Zukunft gestalten!“ – so lauten die Parolen,<br />

die zu Zeltlagern, Tages-, Nacht- und Wochenendwanderungen, Sonnenwendfeiern,<br />

Heldengedenken, Singen, Volkstanz und regelmäßigen Heimabenden<br />

als „Gemeinschaftserlebnisse“ einladen.<br />

Der vollständige Name der HDJ lautet: „Heimattreue Deutsche Jugend<br />

- Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.“. Die Vorläufer<br />

des seit 2001 unter dieser Bezeichnung auftretenden Vereins sind „Die<br />

Heimattreue Jugend 1990 – Bund für Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V.“<br />

(DHJ) und der 1958 gegründete „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ). Die<br />

rechtsextremistische Ausrichtung hat die HDJ mit ihren Vorgängerorganisationen<br />

gemeinsam, ebenso wie die Buchstaben „HJ“ als Namensbestandteil<br />

– mutmaßlich in bewusster Anlehnung an die Abkürzung der<br />

„Hitlerjugend“ (HJ).<br />

Inhaltlich und personell lässt sich in der HDJ eine Kontinuität zur 1994 verbotenen<br />

„Wiking-Jugend“ (WJ) erkennen. Das zeigen die Aktivitäten des<br />

letzten WJ-Bundesführers, Rechtsanwalt Wolfram Nahrath, für die HDJ<br />

sowie auch des seit 2003 amtierenden HDJ-Bundesführers, Sebastian<br />

Räbiger. Er war zum Zeitpunkt des WJ-Verbotes deren „Gaubeauftragter“<br />

für Sachsen.<br />

Mit Wolfram Nahrath, Sebastian Räbiger sowie der „Bundesmädelführerin“<br />

Holle Böhm wohnen drei führende HDJ-Aktivisten in <strong>Brandenburg</strong>. Dabei<br />

60


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

bekleidet Nahrath keine offi zielle Funktion innerhalb der HDJ. Aber er ist<br />

der führende Kopf, der vor allem aus dem Hintergrund agiert. Von seiner<br />

besonderen Funktion zeugt auch die Besprechung des 5. Märkischen<br />

Kulturtages in der HDJ-Publikation „Funkenfl ug“: „Durch das Programm<br />

führte, wie durch bislang jeden Märkischen Kulturtag RA Wolfram Nahrath“.<br />

Obwohl sich die HDJ selbst als bundesweit agierende und strukturierte<br />

Organisation darstellt, ist sie bislang nur in einzelnen regionalen<br />

Schwerpunkten präsent.<br />

Der in Berlin ansässigen HDJ-Bundesführung sind die Leitstellen „Nord“<br />

(Hamburg), „Mitte“ (Dresden), „West“ (Detmold) sowie „Süd“ (Alzenau/Bayern)<br />

unterstellt. Darüber hinaus existieren noch mehrere „Einheiten“ mit<br />

regionalen Zusatzbezeichnungen, zu denen die Einheit „Preußen“ gehört.<br />

Diese umfasst den Raum Berlin/<strong>Brandenburg</strong>. Der eigentlichen Organisation<br />

sind verschiedene so genannte FFK (Freundes- und Familienkreise)<br />

angegliedert. Der Zweck dieser FFK liegt sowohl in der materiellen und<br />

organisatorischen Unterstützung als auch in der Einbindung ganzer Familien<br />

in die Kernorganisation, sie bilden so die Schnittstelle zwischen den<br />

Generationen.<br />

Ideologie der HDJ<br />

In der Februar-Ausgabe 2007 der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ legte<br />

Sebastian Räbiger in einem längeren Interview die Ziele der HDJ dar. Darin<br />

ist vom „größten Daseinskampf, den unser Volk je auszufechten hatte“<br />

die Rede. Dass hinter dieser Aussage ein rassistisches Weltbild steckt,<br />

zeigt sich daran, dass Räbiger einige Sätze später von „dem artfremden<br />

Tingeltangel der Umerzieher“ spricht. Demokratie sei durch „Umerziehung“<br />

„Artfremder“ nach Deutschland gekommen.<br />

Bereits im 7. Jahrgang erscheint (meist vierteljährlich) die Zeitschrift<br />

der HDJ „Funkenfl ug – jung<br />

stürmisch volkstreu“. Verantwortlicher<br />

Herausgeber ist<br />

Sebastian Räbiger. Längere<br />

Berichte und kurze Notizen<br />

beschreiben HDJ-Aktivitäten. Darüber hinaus belegt der „Funkenfl ug“<br />

inhaltlich die revisionistischen und rassistischen Thesen der HDJ. In der<br />

ersten Ausgabe 2006 drückte die Zeitung ihre Sympathie mit der verbo-<br />

61


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

tenen rechtsextremistischen „Wiking-Jugend“ und ihrem Vereinssymbol,<br />

der Odalrune, aus: „Wir dürfen die Odalrune zwar nicht in unserer Fahne<br />

tragen, doch sie ist dort, wo sie immer war und immer sein wird: in unserem<br />

Herzen. Niemand kann sie uns dort nehmen oder verbieten.“ Wie alle<br />

Rechtsextremisten vertritt auch die HDJ ein in erster Linie rassistisches<br />

Weltbild. So heißt es im „Funkenfl ug“ 2/2006: „Nur richtig Weißes macht<br />

glücklich“<br />

Der geschichtsrevisionistische Aspekt der HDJ-Ideologie zeigt sich in folgendem<br />

Zitat der „Funkenfl ug“-Ausgabe 2/2005:<br />

„Der 30. Januar 1933 wird Ausgangspunkt einer der größten Wendungen,<br />

die die Geschichte des deutschen Volkes kennt. Nach Zurückgewinnung<br />

des Saarlandes, Österreichs, Sudetendeutschlands<br />

und der Inschutzstellung Böhmen und Mährens repräsentieren über<br />

630.000 Quadratkilometer Fläche und 85,7 Millionen Einwohner das<br />

neu entstandene Großdeutschland. ... Auch wenn Vertriebenenverbände<br />

aufgehört haben, daran zu glauben, deutsche Gebiete wieder<br />

zurückzuerhalten, ... halten wir doch fest an deutscher Heimat, an<br />

deutschem Boden fest. Egal, wie klein der Verzicht auch sein mag, er<br />

bleibt Verrat!“<br />

Uniformierung der HDJ<br />

In den Ausgaben des „Funkenfl ugs“ ist zum Beziehen von Kleidungsstücken<br />

und weiterer Ausrüstung der HDJ sowie von CDs, Büchern und Kalendern<br />

jeweils eine Liste der „Abteilung Beschaffung“ abgedruckt. Mit der<br />

gleichförmigen Bekleidung ist eine Uniformierung der Mitglieder gegeben.<br />

Sie besteht bei den Männern aus weißem Hemd und schwarzer Zunfthose,<br />

bei den Frauen aus dunkelblauen Jacken und Röcken. Das Führungspersonal<br />

ist durch farbige Balken am Oberarm der Hemden gekennzeichnet.<br />

Mit dieser Uniformierung, die sich auch in den Artikeln und Abbildungen<br />

des „Funkenfl ug“ wiederfi ndet, verstößt die HDJ gegen das generelle Uniformverbot<br />

nach dem Versammlungsgesetz. Im Juni 2007 hatte Räbiger<br />

beim Bundesminister des Innern für die HDJ eine Ausnahmegenehmigung<br />

von diesem Verbot beantragt. Im September 2007 lehnte das Ministerium<br />

diesen Antrag ab. Laut Gesetz kann eine Erlaubnis, eine Uniform zu tragen<br />

erteilt werden, wenn sich der betreffende Jugendverband vorwiegend<br />

der Jugendpfl ege widmet. Das gilt beispielsweise für Jugendfeuerwehren,<br />

62


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Pfadfi nder und vergleichbare Einrichtungen. Das Ministerium sah die Aktivitäten<br />

der HDJ im Gegensatz dazu „als Förderung einer gemeinsamen<br />

politischen Gesinnung“.<br />

Ein Vorfall im Land <strong>Brandenburg</strong> zeigt die Bedeutung des Uniformverbots<br />

für das öffentliche Leben: Der Polizei fi el am 9. Juni 2007 in Oranienburg<br />

eine Gruppe von neun uniformierten jungen Männern auf. Zuerst gaben<br />

sie sich als „Pfadfi nder“ aus, im weiteren Verlauf der Kontrolle gaben sie<br />

an, zur HDJ zu gehören. Zu diesem Vorfall wird ein Ermittlungsverfahren<br />

bei der Staatsanwaltschaft Neuruppin geführt, das im September 2007 zu<br />

Hausdurchsuchungen bei den festgestellten Personen führte.<br />

Aktivitäten der HDJ<br />

Enge Kontakte bestehen zwischen der HDJ und der NPD. Einige Mandatsträger<br />

der HDJ sind zugleich Mitglieder der NPD oder beteiligen sich<br />

zumindest an deren Aktivitäten. Von 2001 bis 2006 fanden jährlich am südlichen<br />

Rande von Berlin die „Märkischen Kulturtage“ statt. Neben der HDJ<br />

traten als Veranstalter die „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ (GDF) und<br />

die „Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.“ (BKP) auf.<br />

Bereits das Programm des „1. Märkischen Kulturtags“ im Spreewald umfasste<br />

Inhalte wie Chordarbietungen, Vorträge über „Preußentum und<br />

preußische Könige“, Laienspiel und den Auftritt einer Fahnenschwinggruppe,<br />

ein Referat über deutsches Brauchtum, den Vortrag selbst geschriebener<br />

Texte, das Singen und Tanzen in großer Runde. Am „6. Märkischen<br />

Kulturtag“ am 4. November 2006 in Blankenfelde nahmen rund 200 Personen<br />

teil.<br />

Im Zusammenhang mit dem „6. Märkischen Kulturtag“ wurde die Journalistin<br />

Andrea Röpke von drei Personen verfolgt und geschlagen. Zu den<br />

Tatverdächtigen gehören der HDJ-Bundesführer Räbiger und ein Mitglied<br />

der NPD. Andrea Röpke ist bei der HDJ bekannt. Die Ausgabe 03/2006<br />

vom „Funkenfl ug“ enthält einen Artikel über sie und ihre Recherchen zur<br />

HDJ (sie berichtete über das Sommerlager der HDJ).<br />

Das Ermittlungsverfahren zu diesem Vorfall wurde bei der Staatsanwaltschaft<br />

Potsdam bearbeitet. Zurzeit fi ndet der Prozess vor dem Amtsgericht<br />

Potsdam statt.<br />

63


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Neben den „Märkischen Kulturtagen“ veranstaltet die HDJ in <strong>Brandenburg</strong><br />

weitere Veranstaltungen für einen größeren Personenkreis. Dazu gehören<br />

in nationalsozialistischer Tradition Sonnenwend-Feiern.<br />

Eine gewisse Publizität erreichte das Pfi ngstlager der HDJ vom 25. bis<br />

28. Mai 2007. Auf dem Privatgelände eines NPD-Mitglieds im niedersächsischen<br />

Eschede (Landkreis Celle) fanden das Lager vom Familienverband<br />

der HDJ und das Jugendlager mit weit über 100 Teilnehmern statt.<br />

Eine polizeiliche Aufl age hatte vorher das Tragen uniformähnlicher Kleidung<br />

verboten.<br />

Diese Lager sind ein wichtiger Weg für die HDJ, bereits Kinder für ihre<br />

Ziele zu gewinnen. Das nach außen getragene Pfadfi nder-Image dient lediglich<br />

zur Tarnung eines politischen Missbrauchs junger Menschen.<br />

64


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Neue Autonome: Neonazis kopieren<br />

linksextremistische Formationen<br />

Anti-Antifa<br />

Für Linksextremisten ist der „antifaschistische<br />

Kampf“ („Antifa“) eine der bekanntesten Kampagneformen,<br />

mit der es mindestens seit Beginn der<br />

80er Jahre gelingt, den bundesweiten Konsens gegen<br />

Rechtsextremismus für eigene extremistische<br />

Ziele zu instrumentalisieren.<br />

Zu Beginn der 90er Jahre begann die rechtsextremistische Szene mit dem<br />

Versuch, eine „Anti-Antifa“ als Gegenbewegung zu etablieren. Die Initialzündung<br />

dazu ging 1992 von dem heute noch aktiven Hamburger Neonazi<br />

Christian Worch aus. Sie erschöpfte sich in der Idee, ein „Anti“ vor „Antifa“<br />

zu ergänzen. Ansonsten kopierte die so entstandene „Anti-Antifa“ lediglich<br />

das linksextremistische Vorbild.<br />

Während die „Antifa“ ihre teilweise mit verdeckten Mitteln – wie dem heimlichen<br />

Verfolgen und Fotografi eren – erhobenen Daten über ihre Gegner<br />

in ihren Publikationen und Websites verbreitet, kommt die „Anti-Antifa“<br />

aber nicht wesentlich über Absichtserklärungen und Aufrufe hinaus. Ihre<br />

bisher aufgefundenen Datensammlungen über „Antifas“, „Linke“, Vertreter<br />

der Staatsgewalt und sonstige Personen des öffentlichen Lebens gleichen<br />

eher einem veralteten, schlecht recherchierten und sehr lückenhaften<br />

Sammelsurium als akribisch angelegten Personendossiers.<br />

Die „Anti-Antifa“-Arbeit erfüllt dennoch für die neonazistische Szene wichtige<br />

Funktionen. Sie pfl egt das gemeinsame Feindbild, kaschiert so interne<br />

Differenzen. Nur der gemeinsame Feind eignet sich, um persönliche Querelen<br />

vorübergehend zu überdecken.<br />

„Anti-Antifa“-Aktivisten zielen auf den Provokationswert ihrer Arbeit ab und<br />

wollen den Gegner einschüchtern und verunsichern. Die Aktionsformen<br />

sind dabei höchst unterschiedlich: Es werden Veranstaltungen des Gegners<br />

beobachtet oder besucht, Teilnehmer fotografi ert und gefi lmt, provozierende<br />

Zwischenrufe oder Wortbeiträge und gewalttätige Aktionen stören.den<br />

Veranstaltungsverlauf.<br />

65


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Beispiele für „Anti-Antifa“-Störungen von Veranstaltungen in <strong>Brandenburg</strong><br />

im Jahr 2007:<br />

Am 14. April störten Neonazis in Potsdam eine Versammlung der „AG Antirassismus“<br />

anlässlich des 62. Jahrestages der Bombardierung der Stadt.<br />

Die Neonazis fi lmten die Kundgebung und riefen aus einem Auto heraus<br />

mit einem Megafon die Parole „frei, sozial und national“.<br />

Am 24. Juni versammelten sich etwa 25 überwiegend schwarz gekleidete<br />

Rechtsextremisten in unmittelbarer Nähe einer Demonstration des Studentenparlaments<br />

der Technischen Universität Cottbus. Die Versammlung<br />

stand unter dem Motto „Gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“.<br />

Beispiel für gewalttätigen „Anti-Antifa“-Übergriff:<br />

In den frühen Morgenstunden des 3. November verübten Rechtsextremisten<br />

einen Anschlag auf den von ihnen als „links“ angesehenen Studentenclub<br />

„Grotte e. V.“ in Frankfurt (Oder). Die Täter warfen Steine und<br />

Flaschen auf das Gelände und skandierten dabei die Parole „Dumm, dümmer,<br />

Antifa“.<br />

Mit Palästinensertuch: „Autonome Nationalisten“<br />

Im Rechtsextremismus sind zwei gegenläufi ge Tendenzen zu beobachten.<br />

Einerseits der starke Trend zur NPD. Andererseits die „Autonomen<br />

Nationalisten“ (AN), die schon in ihrem Erscheindungsbild dem herkömmlichen<br />

Bekleidungsstil von Neonazis widersprechen. Etwa seit Ende 2003<br />

treten letztere in Deutschland bei rechtsextremistischen Demonstrationen<br />

wiederholt auf. In ihrem äußeren Erscheinungsbild und bei der Wahl ihrer<br />

Aktions- und Organisationsformen orientieren sie sich an linksextremistischen<br />

Autonomen und kopieren deren Kennzeichen sowie einige politische<br />

Kernaussagen.<br />

So tragen die Befürworter dieses Stils beispielsweise Palästinensertücher<br />

als Zeichen ihres Antisemitismus und T-Shirts mit dem Bild des marxistischen<br />

Revolutionärs Ernesto „Che“ Guevara. Mit schwarzer Kleidung,<br />

Turnschuhen, Sonnenbrillen, Baseball-Kappen und Kapuzenpullovern<br />

sind sie von „linken“ Jugendszenen kaum noch zu unterscheiden. Auf<br />

Transparenten werden kapitalismuskritische Positionen propagiert, pseu-<br />

66


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

dorevolutionäre Parolen verwendet<br />

und jugend- sowie sozialpolitische<br />

Forderungen erhoben. Neonazistische<br />

Reizwörter werden vermieden. Vielmehr<br />

verwendet man auf Transparenten<br />

Piktogramme und Ausdrücke in<br />

englischer Sprache. Slogans wie „Fight<br />

The System“, „Fuck The Law!“ oder<br />

„Kapitalismus zerschlagen, autonomen<br />

Widerstand organisieren!“ dokumentieren,<br />

dass man Berührungsängste zu<br />

linksextremistischem Sprachgebrauch<br />

offenbar abgelegt hat.<br />

Auch die Bezeichnung, unter der solche<br />

Personengruppen sowohl innerhalb der<br />

Szene als auch öffentlichkeitswirksam<br />

auftreten, klingt provokativ. Als „Autonome<br />

Nationalisten“ - teilweise auch Rechtsextremist oder Linksextremist?<br />

„Schwarzer Block“ oder „revolutionärer<br />

Block“ - ist es ihnen gelungen, sich im rechtsextremistischen und neonazistischen<br />

Spektrum zu etablieren.<br />

Streit unter Rechtsextremisten über „Autonome Nationalisten“<br />

Zwischen der „altbackenen“ NPD und jungen „Autonomen Nationalisten“<br />

werden Spannungen in der rechtsextremistischen Szene deutlich. Dabei<br />

kommt es sogar, wie am 7. Juli 2007 in Frankfurt am Main, am Rande einer<br />

rechtsextremistischen Demonstration zu Tätlichkeiten. Gerade in der Frage<br />

der Anwendung und Legitimität von Gewalt unterscheiden sich die AN<br />

besonders deutlich von der NPD, der neonazistischen Kameradschaftsszene<br />

oder gar der DVU. Während diese in ihrer Mehrheit im öffentlichen<br />

Raum um ein scheinbar gesetzeskonformes Auftreten bemüht sind und<br />

den Einsatz gewaltsamer Mittel aus taktischen Gründen ablehnen, sehen<br />

die AN in der Gewalt ein Mittel zur unmittelbaren Durchsetzung eigener<br />

Interessen. Jedoch werden Militanz und Gewalt eher reaktiv propagiert. Im<br />

Unterschied zu den linksextremistischen Autonomen, deren Motto „Antifa<br />

heißt Angriff“ eine überwiegend offensive Anwendung von Gewalt bedeu-<br />

67


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

tet, soll der „Schwarze Block“ nur dann aktiv in Erscheinung treten, wenn<br />

aufgrund „anhaltender Repressionen“ durch staatliche oder Antifa-Kräfte<br />

„Notwehr“ erforderlich sei. Allerdings reichen nur geringe „Provokationen“,<br />

um gewaltsame Aktivitäten der AN auszulösen.<br />

Kritiker aus dem Kreis des klassischen organisierten Rechtsextremismus,<br />

wie NPD-Generalsekretär Peter Marx und andere, geißeln das Konzept<br />

als „Krawall“ und „Rebellion“ gegen etablierte Szenestrukturen. Dem Modell<br />

wird angekreidet, mit der Übernahme „linker“ Symbolik den politischen<br />

Gegner zu kopieren. Ein militanter und vermummter Block habe für die<br />

eigene Szene eine fatale Wirkung auf das bürgerliche Spektrum, es drohe<br />

eine Eskalation der staatlichen Reaktionen gegen das breite rechtsextremistische<br />

Spektrum. Der „Schwarze Block“ sei reine Mode-Erscheinung,<br />

die sich nur auf den punktuellen Erlebniswert der Gewalt beziehe.<br />

Anhänger des „Schwarzen Blocks“ werfen ihren Gegnern innerhalb der<br />

rechtsextremistischen Szene ihrerseits altmodische und unfl exible Denkweise<br />

sowie fehlende neue Konzepte vor. Ein aggressives und militantes<br />

Verhalten gegenüber dem („linken“) politischen Gegner sei zwingend<br />

erforderlich, um Abwehrbereitschaft zu signalisieren und ein Klima der<br />

Einschüchterung zu erzeugen. Die AN tadeln die „Freien Nationalisten“<br />

beziehungsweise die „Freien Kräfte“ der Kameradschaftsszene und die<br />

NPD dafür, dass man mit dem „klassischen Bild des historischen Nationalsozialismus“<br />

und einem peniblen äußerlichen Auftreten eine Vielzahl<br />

potenzieller Sympathisanten verliere, die sich einem veralteten rechtsextremistischen<br />

Schema nicht unterwerfen wollten.<br />

Aber auch aus anderen Gründen lehnen die AN eine Annäherung an die<br />

NPD ab. Eine zu enge Anbindung an die NPD bedeute, sich den Spielregeln<br />

des „politischen Systems“ zu unterwerfen. Dies führe zu einer Verwässerung<br />

der eigenen Ziele. Eigene Motive und Konzepte müssten verschleiert<br />

werden oder wären dann nicht mehr umsetz- und realisierbar.<br />

68


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

„Autonome Nationalisten“ in <strong>Brandenburg</strong><br />

Rechtsextremisten in <strong>Brandenburg</strong> haben die Äußerlichkeiten der „Autonomen<br />

Nationalisten“ (AN) aufgegriffen. Auffällig ist insbesondere der<br />

Dresscode, der den jeweiligen Gruppen bei ihren Aktionen ein martialisches,<br />

gefährliches Erscheinungsbild verleihen und dem politischen Gegner<br />

ein Gefühl der Angst und Verunsicherung vermitteln soll.<br />

So fi elen bei der NPD-Demonstration am 28. Juli 2007 in Cottbus Rechtsextremisten<br />

mit Kapuzenpullis auf, die mit Slogans „Good Night Left Side“<br />

und „Hasta La Vista Antifascista“ bedruckt waren. Außerdem waren zwei<br />

sich kreuzende Pistolen auf der Rückseite der Pullover zu sehen, was den<br />

gewaltbereiten Charakter der Slogans unterstrich.<br />

Noch aggressiver wirkten Parolen auf schwarzen T-Shirts von Rechtsextremisten,<br />

die sich an der NPD-Demonstration am 16. Juni 2007 in<br />

Rathenow beteiligten: „Schwarz ist die Nacht, in der wir euch kriegen.<br />

Weiß sind die Männer, die für Deutschland siegen. Rot ist das Blut auf<br />

dem Asphalt.“ Oder: „Eure Galgen werden schon gezimmert“; „Die BRD<br />

ist uns völlig gleich. Unsere Heimat ist das Deutsche Reich.“ Auf einem<br />

schwarzen Transparent hetzten „Nationale Sozialisten“ aus Potsdam bei<br />

der Veranstaltung „gegen System und Kapitalismus“. Einige Träger des<br />

Transparents trugen Sonnenbrillen und schwarze Oberbekleidung.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> sind „Autonome Nationalisten“ eine Randerscheinung. Sie<br />

treten lediglich in Teilen des Berliner Umlandes mit starken Bezügen zu<br />

Berlin auf. Es ist noch nicht absehbar, ob sich diese - den gewaltbereiten<br />

Linksextremismus kopierende - Aktionsform dauerhaft überhaupt etablieren<br />

kann.<br />

69


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Halbe und Seelow: Rechtsstaat und Zivilgesellschaft<br />

drängen Rechtsextremisten zurück<br />

Der Waldfriedhof Halbe ist die größte Kriegsgräberstätte Deutschlands.<br />

Dort ruhen über 28.000 Opfer des Zweiten Weltkrieges. Es sind überwiegend<br />

im Kessel von Halbe Gefallene, aber auch hingerichtete Deserteure<br />

der Wehrmacht, Zwangsarbeiter und zwischen 1945 und 1947 Verstorbene<br />

aus dem sowjetischen Speziallager Ketschendorf.<br />

Halbe war 1945 Schauplatz einer der letzten Kesselschlachten des Zweiten<br />

Weltkrieges. Am 28. und 29. April 1945 schlossen Panzereinheiten der<br />

Roten Armee die Reste der geschlagenen 9. Armee ein. Deren Führung<br />

lehnte das Kapitulationsangebot ab und versuchte stattdessen, mit versprengten<br />

Einheiten aus Wehrmacht, SS, Volkssturm und Hitlerjugend aus<br />

dem Kessel auszubrechen. Dieser sinnlosen Fehlentscheidung fi elen mutmaßlich<br />

60.000 Menschen zum Opfer.<br />

Anfang der 90er Jahre wurde der Waldfriedhof in Halbe zu einem Wallfahrtsort<br />

von Alt- und Neonazis. Hunderte von Neonazis marschierten hier<br />

regelmäßig zum „Heldengedenktag“ auf und verklärten militärisches wie<br />

menschliches Versagen. Auf den Seelower Höhen hatten erbitterte Kämpfe<br />

der Wehrmacht in aussichtsloser Lage stattgefunden.<br />

Wer aber im November 2007 eine von Rechtsextremisten durchgeführte<br />

Demonstration zum „Heldengedenktag“ erwartet hatte, fand diese an den<br />

bislang üblichen Demonstrationsstätten in Halbe und Seelow nicht. Nur<br />

in den Wäldern konnten einzelne Rechtsextremisten ihr Heldengedenken<br />

verrichten. Grund hierfür ist das konsequente Handeln des Rechtsstaates,<br />

der seitdem die Entwürdigung der Gedenkstätten sowie die Störung der<br />

Totenruhe durch rechtsextremistische Aufmärsche unterbindet.<br />

Der Anmelder des für November 2007 geplanten Aufzugs, der Hamburger<br />

Neonazi Lars Jacobs, schrieb am 22. Oktober 2007 per Fax an das<br />

Polizeipräsidium Frankfurt (Oder): „ … hiermit melde ich die … öffentliche<br />

Versammlung in Halbe ab. … Ich werde mich rechtzeitig mit Ihnen in Verbindung<br />

setzen wegen dem Heldengedenktag im März 2008.“ Mit diesem<br />

Rückzug kaschieren die Neonazis ihre Niederlage und das deutliche<br />

Schwinden der Attraktivität solcher Aufmärsche in <strong>Brandenburg</strong>.<br />

70


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Mit Gegenveranstaltungen nahm die Zivilgesellschaft den Neonazis den<br />

Gedenkraum ab. Ebenso drängten behördliche Aufl agen sowie neue Gesetze<br />

die Rechtsextremisten zusehends in die Defensive. Dies lässt sich<br />

am kontinuierlichen drastischen Absinken der Teilnehmerzahlen dokumentieren:<br />

- November 2005: 1750 (Halbe)<br />

- November 2006: 1080 (erfolgloser Ausweichaufmarsch in Seelow,<br />

von Halbe dorthin verlagert)<br />

- März 2007: 500 (Halbe)<br />

Am 3. März 2007 fand unter dem Motto „Die Treue ist das Mark der Ehre“<br />

in Halbe zum wohl vorerst letzen Mal ein rechtsextremistisches „Heldengedenken“<br />

mit annähernd 500 Teilnehmern statt. Redner waren neben<br />

dem Reise-Neonazi Christian Worch, der die Versammlung auch leitete,<br />

zwei Kriegsteilnehmer sowie das bayerische NPD-Parteivorstandsmitglied<br />

Sascha Rossmüller und der Vorsitzende der NPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern,<br />

Udo Pastörs.<br />

Hinzu kommen – sicherlich auch ausgelöst durch Misserfolge – Querelen<br />

in der rechtsextremistischen Organisationsgruppe „Freundeskreis Halbe“.<br />

Die damit verbundene Desillusionierung innerhalb der rechtsextremistischen<br />

Szene und die zu erwartende Erfolglosigkeit beim Aufmarsch am<br />

Volkstrauertag 2007 hatte die Absage der bereits angemeldeten Demonstration<br />

nach sich gezogen.<br />

Im Ergebnis haben sich für die rechtsextremistische Szene Aufwand (Anmeldung,<br />

Organisation, Mobilisierung, Anreise) und propagandistischer<br />

Ertrag (gemeinsames Marscherlebnis, öffentliche Wirkung) nicht mehr<br />

gerechnet. Von hoher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die<br />

jüngste landesrechtliche Regelung zum Schutz der Friedhöfe und Gedenkstätten,<br />

das brandenburgische Gräberstätten-Versammlungsgesetz.<br />

Bei dieser Sachlage erscheint die Ankündigung der Rechtsextremisten, im<br />

März 2008 in großer Zahl nach Halbe zurückzukehren, zurzeit zwar fraglich.<br />

Dennoch gilt es, diese Räume des Gedenkens weiterhin in der Mitte<br />

der Gesellschaft zu bewahren, damit diese nicht erneut von Extremisten<br />

missbraucht werden können.<br />

71


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Hassmusik in <strong>Brandenburg</strong>: Rechtsextremisten auf<br />

den Spuren des „schwarzen“ Blues<br />

Die Musik von Rechtsextremisten mit ihren Gewalt und den Nationalsozialismus<br />

verherrlichenden Texten prägt die Orientierung und Erlebniswelt<br />

ihrer meist jungen Hörer. Dabei nutzen Skinhead-Bands beziehungsweise<br />

„Rechts Rocker“ einen Musikstil, den Rechtsextremisten noch vor nicht allzu<br />

langer Zeit als „Negermusik“ abgelehnt hätten. Und in der Tat: Der dem<br />

Heavy Metal entlehnte „Rechts Rock“ ist letztendlich nichts anderes als<br />

die Fortführung des afro-amerikanischen Blues mit anderen Mitteln. Denn<br />

aus dem Blues hat sich der Rock’n Roll, daraus der Beat und aus diesem<br />

letztendlich der Hard Rock mit seinem Genre Heavy Metal entwickelt. Ursprünglich<br />

afro-amerikanische Kultur in „Rechts Rock“ zu verbiegen, diesen<br />

als Kulturinstrument des „rein arisch Deutschen“ misszuverstehen und<br />

schließlich als kulturelle Waffe zum Erhalt eines „Deutschtums“ einsetzen<br />

zu wollen, beweist, dass im Rechtsextremismus auch in der Musik Kreativität<br />

und Eigenständigkeit fehlen.<br />

Im Land <strong>Brandenburg</strong> existiert eine aktive rechtsextremistische Musikszene.<br />

Zurzeit sind 26 rechtsextremistische Skinheadbands (2005: 13,<br />

2006: 23) bekannt, deren Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong> leben. 2007 fanden<br />

14 rechtsextremistische Konzerte (2005: 8, 2006: 8) in <strong>Brandenburg</strong> statt.<br />

Der Anstieg gibt Anlass zur Besorgnis. Darüber hinaus traten einige Bands<br />

im übrigen Bundesgebiet auf. Ein Schwerpunkt der Konzertaktivitäten nicht<br />

nur dieser Bands lag allerdings im Bundesland Sachsen.<br />

Nachdem in den letzten Jahren ein Besucherrückgang bei rechtsextremistischen<br />

Konzerten registriert wurde, waren 2007 bei einzelnen Konzerten<br />

- wie etwa am 3. November 2007 in Königs Wusterhausen - bis zu 500 Konzertbesucher<br />

anwesend. Im Jahr 2006 konnten mit maximal 250 Teilnehmern<br />

lediglich halb so viele Personen bei einem Konzert gezählt werden.<br />

Die durchschnittliche Besucherzahl bei rechtsextremistischen Konzerten<br />

lag 2006 bundesweit bei 135 Personen.<br />

Die große Anzahl der 2007 aktiven Bands ist auf die personelle und logistische<br />

Unterstützung durch die in der rechtsextremistischen Szene<br />

„etablierten“ Bands „Bloodshed“, „Burn Down“, „Confi dent of Victory“ und<br />

„Volkstroi“ sowie deren Hauptakteure Uwe Menzel und Rico Hafemann<br />

zurückzuführen. Sie unterstützen die Bands „Barbaren“, „Obskur“, „Cynic“<br />

72


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

und „Redrum“. Andererseits tummeln sich viele Musiker und Sänger in verschiedenen<br />

Bands und Bandprojekten. Daraus ergibt sich eine Vielzahl<br />

von personellen Überschneidungen (beispielsweise „Redrum“, „Cynic“,<br />

„Obskur“, „Bloodshed“, „Burn Down“, „Hope for the Weak“, „Sawdust“,<br />

„Confi dent of Victory“), ohne dass die Anzahl der eigentlich Aktiven steigt.<br />

Die Vernetzung der Bands wird an ihrer Besetzung deutlich. „Bloodshed“,<br />

„Outlaw“, „Hope for the Weak“, „Obskur“ und „Burn Down“ sind keine reinen<br />

<strong>Brandenburg</strong>-Bands, sondern erhalten Unterstützung durch Musiker vornehmlich<br />

aus Sachsen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass gemeinsame<br />

CD-Projekte in Planung sind, zum Beispiel eine Split-CD mit „Sawdust“,<br />

„Attack“ und „Moshpit“. Als Folge der aus Sicht der Szene besseren<br />

Bedingungen für Konzertveranstaltungen in Sachsen und der Kooperation<br />

zwischen brandenburgischen und sächsischen Rechtsextremisten wichen<br />

Hass-Musiker aus <strong>Brandenburg</strong> vornehmlich nach Sachsen aus.<br />

Von den Bands animiert grölten die Zuhörer ihre rechtsextremistische Gesinnung<br />

unter anderem durch „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufe heraus.<br />

Regelmäßig wird das Lied „Blut“ schon seit Jahren bei Konzerten, so auch<br />

am 25. August 2007 in Finowfurt, angestimmt:<br />

„Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig<br />

lasst die Messer fl utschen in den Judenleib<br />

Blut muss fl ießen, knüppelhageldick<br />

und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik...“<br />

Dieses antisemitische Hetzlied wurde bereits von der SA gesungen. Die<br />

Veranstaltung fand auf dem Grundstück des DVU-Funktionärs Klaus Mann<br />

statt, der offen den Nationalsozialismus befürwortet (s. S. 78).<br />

Das Lied „Hakenkreuz“ wird ebenfalls häufi g bei Konzerten gespielt:<br />

„Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um<br />

hißt die rote Fahne mit dem Hakenkreuz<br />

Schon als kleiner Junge, da war mir klar,<br />

welches Symbol leitend für mich war<br />

und heute da stehe ich noch voll dazu,<br />

für mich gilt es auch noch heut<br />

Rasse, Stolz und Hakenkreuz.<br />

Hakenkreuz, Hakenkreuz, Hakenkreuz ...<br />

Überall kannst Du es bei mir sehen<br />

erhalten soll es bleiben der ganzen Welt.“<br />

73


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Bei der Produktion eigener Tonträger waren brandenburgische Skinheadbands<br />

im Jahr 2007 sehr aktiv. Es wurden elf Tonträger (2005: 5, 2006: 9)<br />

mit zum Teil antisemitischen, fremdenfeindlichen und Gewalt verherrlichenden<br />

Inhalten veröffentlicht. Im Internet sind die Skinhead-Bands in<br />

Musik-Foren, mit Bandvorstellungen, Konzert- und CD-Ankündigungen,<br />

Konzertberichten, Angeboten von CDs und Merchandising-Produkten,<br />

kostenlosen <strong>Downloads</strong> und Verlinkungen zu rechtsextremistischen Skinheadorganisationen<br />

(zum Beispiel zu den Hammerskins), aber auch zur<br />

Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) präsent.<br />

Rechtsextremistische Skinhead-Bands in <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

1) Aryan Brotherhood (A.B.); Potsdam<br />

2) Barbaren; Eisenhüttenstadt<br />

3) Bloodshed (B.S.); Potsdam, Chemnitz<br />

4) Burn Down (B.D.); Potsdam<br />

5) Confi dent of Victory (C.O.V.); Senftenberg (mit dem Projekt Obskur,<br />

zu dem die sächsische Band Magog gehört)<br />

6) Cynic; Potsdam<br />

7) Downfall; Lübben<br />

8) Frontalkraft (FK); Cottbus<br />

9) Hassgesang (H.G.); Teltow (mit den Projekten Agnar, No Escape,<br />

Anger Within)<br />

10) Hope for the Weak (HFTW); Senftenberg, Lauchhammer, Dresden<br />

11) Jagdgeschwader; Beeskow<br />

12) Kontra, Eisenhüttenstadt<br />

13) Midgards Stimme; Teltow<br />

14) Opas Enkels; Rathenow<br />

15) Outlaw; Ortrand, Lauchhammer, Dresden<br />

16) Preußenfront; Barnim<br />

17) Redrum; Potsdam<br />

18) Resonanz; Eisenhüttenstadt<br />

19) Sawdust; Senftenberg<br />

20) Schwarzgraue Wölfe (SGW); Nauen<br />

21) SIGIL; Teltow<br />

22) Treueschwur; Belzig<br />

23) Valhöll; ohne regionale Zuordnung<br />

24) Volkstroi/USK (USK); Fürstenwalde, Beeskow<br />

25) Wolfskraft (WK); Beeskow<br />

26) Wintergewitter; Cottbus<br />

74


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Adressen <strong>Brandenburg</strong>er Bands*<br />

* Die Ziffern verweisen auf die Bandnamen auf nebenstehender Seite.<br />

Bei allen diesen Bands handelt es sich um Skinheadbands, die sich bei<br />

ihren Auftritten durch ihre Liedtexte und beispielsweise das Zeigen des<br />

„Hitlergrußes“ deutlich zum Nationalsozialismus bekennen. In ihren Texten<br />

verbreiten sie Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rufen zur Gewalt<br />

auf. Das Publikum brüllt begleitend „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“. Unter den<br />

Konzertbesuchern fi nden sich gewaltbereite Skinheads, Neonazis, Anhänger<br />

der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ und der „Jungen<br />

Nationaldemokraten“, Personen aus der Rockerszene und Fußball-Hooligans.<br />

75


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Tonträger-Veröffentlichungen in <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Folgende brandenburgische Skinhead-Bands veröffentlichten 2007 die in<br />

Klammern angegebenen Tonträger bzw. beteiligten sich an den genannten<br />

Produktionen:<br />

„Bloodshed“: („Zorn“)<br />

„Wintergewitter“: („Vaterlandstreue“)<br />

„Barbaren“, „Aryan Brotherhood“, „Macht & Ehre“: („Hass Schürender<br />

Lärm II“)<br />

„Burn Down“, „X.X.X.“: („Gift für die Ohren“ und „Gift für die Ohren 2“)<br />

„H.G.“ (steht für „Hassgesang“): („frei sein“)<br />

„Path of Resistance“, „Inborn Hate“ „Hope for the Weak“: („Hardcore Hoax<br />

United“ - bereits 2006 als CD erschienen)<br />

„Cynic“, „Bloodshed“, „Lost Souls“: („Die Söhne Potsdams II“ / Demo-CD“),<br />

„Frontalkraft“: („15 Jahre - Frontalkraft - 1992 - 2007“ / 3er LP-Box)<br />

„Anger Within“: (Beteiligung an dem Sampler „A.C.A.B. in Hungary“<br />

„Frontalkraft“: (Beteiligung an der Doppel-DVD „1. JN Sachsentag 2007“<br />

„Hassgesang“: (zwei Liedbeiträge auf der „Schulhof-CD“ „60 Minuten Musik<br />

gegen 60 Jahre Umerziehung‘‘)<br />

Die Lieder enthalten antisemitische, fremdenfeindliche Gewalt und den<br />

Nationalsozialismus verherrlichende Texte. Auf der CD „Vaterlandstreue“<br />

der Band „Wintergewitter“ werden beispielsweise antisemitische Klischees<br />

vertreten:<br />

„Wir ziehen mit Kameraden durch das deutsche Land<br />

mit der Fahne schwarz - weiß - rot in der rechten Hand.<br />

Mit unserem Aufmarsch machen wir Straßen wieder frei<br />

gegen dieses Zeckenpack und Lockentyrannei.“<br />

76


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Auf der CD „Hass Schürender Lärm II“ der Gruppe „Macht & Ehre“ fi ndet<br />

sich folgende revisionistische Anspielung auf die Waffen-SS:<br />

„Aus der Masse hat man sie erwählt,<br />

den Geist geschult, den Körper gestählt.<br />

Für ihr Volk und dessen größten Sohn,<br />

als Speerspitze der Revolution. Die Elite der Elite...<br />

Für sie ging es stets nur nach vorn, die besten Soldaten.<br />

Sie waren für den Kampf geboren, die besten Soldaten.<br />

Rücksichtslos gegen sich und jeden, die besten Soldaten.<br />

Fanatiker wild und verwegen, die besten Soldaten der Welt.<br />

Ihr Name wurde zum Synonym für Kampfeswillen brutal ungestüm.<br />

Sie haben ihr Ziel nie verraten, ideologische Soldaten.<br />

Sie brachten Schrecken zu jedem Feind,<br />

der Willen hat sie für den Kampf geeint.<br />

Vergessen sind heute viele Namen,<br />

doch sie sind unsere größten Ahnen.“<br />

CD-Produktion und Vertrieb erfolgen in den meisten Fällen durch die Unterstützung<br />

von rechtsextremistischen Musiklabels (PC Records Chemnitz<br />

oder Rebel Records Cottbus). Diese Labels stellt das Equipment zur<br />

Verfügung und vertreibt den fertigen Tonträger über einen Internetversand<br />

oder Ladengeschäfte. Bundesweit lagen nur vereinzelt Hinweise auf eine<br />

systematische Finanzierung von rechtsextremistischen Organisationen<br />

und Bestrebungen durch Vertriebe vor. Beispielsweise trugen einige Szene-Vertriebe<br />

zur Finanzierung der strafrechtlich relevanten „Schulhof-CD“<br />

2004 bei. Hier kreuzten sich die politischen Motive der „Schulhof-CD“-Verteiler<br />

mit den politisch-kommerziellen Interessen der Vertriebe.<br />

Der brandenburgische <strong>Verfassungsschutz</strong> hat dem Landeskriminalamt<br />

<strong>Brandenburg</strong> unter anderem die beiden auf Seite 76 abgebildeten CDs zur<br />

Anregung von Indizierungen bei der BPjM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Medien) übermittelt. Die BPjM hat mit Entscheidung Nr. 5511<br />

vom 11. Oktober 2007 (Bundesanzeiger Nr. 204 vom 31. Oktober 2007)<br />

die CD „Hass Schürender Lärm II“ sowie mit Entscheidung Nr. 7828 vom<br />

7. November 2007 (Bundesanzeiger Nr. 224 vom. 30. November 2007)<br />

die im Jahr 2005 veröffentlichte CD „DEMO“ der Band „Schwarzgraue<br />

Wölfe“ indiziert. Die Indizierung solcher Tonträger bietet der Polizei spezielle<br />

Handlungsmöglichkeiten im Kampf gegen den Rechtsextremismus.<br />

So dürfen sie beschlagnahmt werden, wenn sie Jugendlichen zugänglich<br />

sind.<br />

77


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Rechtsextremistische Konzerte 2007 in <strong>Brandenburg</strong><br />

6. Januar: Lübben (LDS) - aufgelöst<br />

3. März Schönow (BAR)<br />

3. März Velten OHV<br />

20. April Hermsdorf (OSL)<br />

21. April Bereich Bernau (BAR)<br />

12. Mai Finowfurt (BAR) - auf dem Grundstück des<br />

DVU-Funktionärs und Neonazis Klaus Mann, aufgelöst<br />

23.Juni Damsdorf (PM) - aufgelöst<br />

11. August Finowfurt (BAR) - auf dem Grundstück des<br />

DVU-Funktionärs und Neonazis Klaus Mann<br />

25. August Finowfurt (BAR) - auf dem Grundstück des<br />

DVU-Funktionärs und Neonazis Klaus Mann<br />

15. September Finowfurt (BAR) - auf dem Grundstück des<br />

DVU-Funktionärs und Neonazis Klaus Mann, aufgelöst<br />

29. September Lübben (LDS)<br />

6. Oktober Finowfurt (BAR) auf dem Grundstück des<br />

DVU-Funktionärs und Neonazis Klaus Mann<br />

20. Oktober Peitz (SPN) - aufgelöst<br />

27. Oktober Hermsdorf (OSL) - aufgelöst<br />

3. November Königs Wusterhausen (LDS)<br />

Das Grundstück von DVU-Funktionär Klaus Mann in Finowfurt.<br />

Der Garagenkomplex dient auch teilweise als Konzertraum.<br />

78


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Konzerte rechtsextremistischer Bands 2007 in <strong>Brandenburg</strong> *<br />

* In den schwarz markierten Orten fanden Konzerte statt, in den rot markierten<br />

Orten wurden sie von der Polizei verhindert bzw. aufgelöst (vgl.<br />

nebenstehende Angaben).<br />

79


Exekutivmaßnahmen<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Der Verfolgungsdruck ist nach wie vor hoch. So wird den Mitgliedern der<br />

Band „Confi dent of Victory“ vorgeworfen, während eines Skinhead-Konzerts<br />

in Mannheim am 19. März 2005 volksverhetzende Titel gespielt und<br />

das Publikum dadurch zum Zeigen des „Hitlergrußes“ und zu „Sieg Heil“-<br />

Rufen animiert zu haben. Am 17. Januar 2006 wurden Wohnungen und<br />

Kraftfahrzeuge von vier 22- bis 28-jährigen mutmaßlichen Bandmitgliedern<br />

in Senftenberg durchsucht. Im Sommer 2007 erließ das Amtsgericht Mannheim<br />

gegen alle vier Strafbefehle.<br />

Im Frühjahr 2007 erließ das Amtsgericht Tiergarten einen allgemeinen<br />

Beschlagnahmebeschluss für sämtliche Exemplare der CD „Gift für die<br />

Ohren“ der Bands „Burn Down“ und „X.X.X.“ Der Text zu dem Titel „Kill<br />

Bill“ beinhaltet unter anderem eine deutliche und direkte Aufforderung, den<br />

Frontmann einer Musikgruppe zu töten oder sonstige Gewalt gegen ihn<br />

zu verüben. Darauf fanden Durchsuchungen in Berlin und <strong>Brandenburg</strong><br />

statt, darunter in einem Hennigsdorfer Szeneladen. Es wurden insgesamt<br />

120 CDs und 500 Booklets, Cover und ein PC beschlagnahmt.<br />

Wie viele rechtsextremistische Bands und Konzerte es am Jahresende<br />

2008 geben wird, lässt sich nur schwer prognostizieren. Einerseits zeigt die<br />

Entwicklung des Jahres 2007, dass die Zahlen weiter gestiegen sind. Andererseits<br />

zerfallen einige Musikgruppen nach kurzer Zeit. Die klassische<br />

„Plattenproduktion“ verliert zunehmend an Bedeutung. Denn die Produktion<br />

von Tonträgern ist seit Jahren rückläufi g. An die Stelle von Studios tritt<br />

der PC; die Veröffentlichung bzw. den Vertrieb übernimmt das Internet.<br />

Dieser Trend dürfte unvermindert anhalten. Etablierte Bands werden weiterhin<br />

mit ihren Labels zusammenarbeiten. Bands mit weniger Erfahrung,<br />

Können und Kontakten setzen auf „Eigenvertrieb“ und „Eigenproduktion“<br />

mit kleinen Stückzahlen. Die Präsenz im Internet wird insgesamt zunehmen.<br />

Schließlich zeichnet sich dieser Trend auch in der nichtextremistischen<br />

Musikbranche deutlich ab.<br />

Rechtsextremistische Musiker beziehungsweise Bands werden im Jahr<br />

2008 verstärkt versuchen, auf abgeschiedenen Privatgeländen aufzutreten,<br />

um damit exekutiven Verbotsmaßnahmen zu entgehen. Etablierte<br />

Bands suchen nach Möglichkeiten, bundesweit oder gar im Ausland aufzutreten.<br />

80


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Rechtsextremismus und Fußball-Hooligans<br />

Der inzwischen vom Innenministerium<br />

<strong>Brandenburg</strong> verbotene „Schutzbund<br />

Deutschland“ bediente sich des Fußballsports,<br />

um auf sich aufmerksam zu<br />

machen. Im Frühjahr 2006 erschien ein<br />

Flugblatt mit dem Bild des Fußballprofi s<br />

Gerald Asamoah und der Parole „Nein<br />

Gerald – Du bist nicht Deutschland! Du<br />

bist BRD!“. Asamoah wurde aufgrund<br />

seiner Hautfarbe die Berechtigung abgesprochen,<br />

für die deutsche Nationalmannschaft<br />

zu stürmen.<br />

An diesem Beispiel wird klar: Fußball bietet<br />

Rechtsextremisten eine willkommene Gelegenheit, zu versuchen, die<br />

besondere emotionale Stimmung auf den Rängen der Stadien in rechtsextremistische<br />

Bahnen zu lenken. Daher gehört es seit Jahrzehnten zur<br />

Strategie von Neonazis und rechtsextremistischen Parteien, dort auch tätig<br />

zu sein. Darüber hinaus werden Fußballspiele als Anlass für gewalttätige<br />

Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner missbraucht. Auch in<br />

<strong>Brandenburg</strong> gibt es Überschneidungen zwischen Rechtsextremisten und<br />

Hooligans, insbesondere in Cottbus und Frankfurt (Oder). Es handelt sich<br />

dabei um ein Personenpotenzial von bis zu 70 Personen. Sogar eigene<br />

Fußballturniere werden veranstaltet, um Nachwuchs für rechtsextremistische<br />

Strukturen zu rekrutieren und bereits vorhandene persönliche Kontakte<br />

auszubauen.<br />

Überschneidungen zwischen Rechtsextremismus und Hooliganszene<br />

zeigen sich bei dem Frankfurter Fußballverein „FFC Viktoria ‘91“. Zu dessen<br />

Fanpotenzial gehören auch bis zu 40 Gewalttäter, die zum Teil der<br />

gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene zuzurechnen sind. Etwa<br />

15 rechtsextremistisch beeinfl usste Hooligans reisen regelmäßig zu den<br />

Auswärtsspielen des Vereins mit. Bei besonderen Auswärtsspielen können<br />

es jedoch bis zu 30 Personen sein. Die Aktivitäten dieses Fanpotenzials<br />

stellen eine diffuse Mischung zwischen rechtsextremistischer Gewalt und<br />

Propaganda dar. Diese ‚Fans’ zeigten beispielsweise am 13. Oktober 2007<br />

bei einem Verbandsligaspiel gegen den SV Babelsberg 03 ein Transparent<br />

mit der Aufschrift „FFC gegen Links“ und Keltenkreuzen. Als Ordner des<br />

81


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

SV Babelsberg 03 versuchten, das Banner zu entfernen, kam es zu Angriffen<br />

der Frankfurter „Fans“. Die vier Rädelsführer wurden für die Dauer des<br />

Spiels in Gewahrsam genommen. In der rechtsextremistischen Szene wird<br />

der SV Babelsberg 03regelmäßig als „Zeckenpest“ verunglimpft.<br />

Beispiele rechtsextremistischer Hooligan-Vorfälle<br />

Am 9. Juni 2007 rief eine Person in Frankfurt (Oder) aus einer ‚Fan’-Gruppe<br />

des „FFC Viktoria ‘91“ dreimal lautstark „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“.<br />

Die Gruppe war auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Eisenhüttenstadt.<br />

Die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) berichtete hierzu unter der Überschrift<br />

„Festnahmen und Platzverweise vor und nach Fußballspiel“:<br />

„Am Sonnabend fand vor 250 Zuschauern das Verbandsliga-Fußballspiel<br />

zwischen dem EFC Stahl Eisenhüttenstadt und dem Frankfurter<br />

FC Viktoria 91 (Spiel endete 1: 2) statt. Vor dem Spiel wurde bereits<br />

im Bahnhof Frankfurt (Oder) von 79 Fußballfans die Identität festgestellt.<br />

Sie wurden von Kräften der Bundespolizei nach Eisenhüttenstadt<br />

begleitet. Während der Begleitung der Viktoria-Fans zum Stadion in<br />

Eisenhüttenstadt durch die Polizei leistete eine Person Widerstand bei<br />

seiner Ingewahrsamnahme, die erfolgen sollte, weil er einem Platzverweis<br />

nicht nachkam. Hierbei wurde ein Polizeibeamter mit einer<br />

Flasche angegriffen und am Kopf verletzt. Der 26-jähriger Täter aus<br />

Frankfurt (Oder) wurde vorläufi g festgenommen. Er wurde am Sonntag<br />

dem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erließ. Ein Strafverfahren<br />

wurde wegen Volksverhetzung eingeleitet. Zwei weitere Personen aus<br />

dem Frankfurter „Fanblock“ wurden in Gewahrsam genommen. Während<br />

des Spiels wurden in der 2. Halbzeit mehrere Feuerwerkskörper<br />

gezündet, obwohl bereits vor dem Spiel 115 pyrotechnische Gegenstände<br />

sichergestellt worden waren. Nach der Rückkehr nach Frankfurt<br />

(Oder) wurde der Personengruppe auf dem Bahnhofsvorplatz ein<br />

Platzverweis für das Stadtzentrum ausgesprochen. 15 Fans, die dem<br />

Platzverweis nicht nachkamen, wurden in den Zentralen Gewahrsam<br />

des Polizeipräsidiums Frankfurt (Oder) verbracht und im Laufe des<br />

Abends und der Nacht entlassen.“<br />

Am 24. März 2007 kam es in Pritzwalk während des Spieles zwischen<br />

SC Pritzwalk und TSV Chemie Premnitz zu rassistischen Äußerungen<br />

gegenüber einigen Spielern der Pritzwalker Mannschaft, die laut Schieds-<br />

82


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

richter als „Bimbo“ beschimpft wurden. Ein Linienrichter hörte sogar die<br />

Worte „dreckige schwarze Negersau“ aus einer Gruppe Pritzwalker Jugendlicher.<br />

Selten können Rechtsextremisten in Fußballstadien ihre rechtextremistischen<br />

Parolen grölen und ihre Aggression ausleben. Denn Sicherheitsbehörden<br />

und Vereine haben das Problem in diesen Ligen erkannt und<br />

entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet. Hooligans und gewaltbereite<br />

Rechtsextremisten versuchen daher, ihr Gewaltpotential bei Spielen<br />

in tieferen Klassen einzusetzen. Neben dem bereits erwähnten FFC Viktoria<br />

`91 haben sich im letzten Jahr unter anderem Rechtsextremisten unter<br />

die Fans TSV Chemie Premnitz und SC Pritzwalk gemischt. (siehe oben<br />

genannte Beispiele).<br />

Die Sicherheitsbehörden und Vereine kann diese Ausweichbewegung in<br />

untere Spielklassen vereinzelt vor erhebliche Probleme stellen, denn die<br />

Anzahl der Spiele ist ungleich größer und Sicherheitsvorkehrungen sind<br />

kaum vorhanden.<br />

Rechtsextremistische Stadien-Aktivitäten haben wiederum die linksextremistische<br />

„Antifa“ auf den Plan gerufen. Die ist jedoch nicht nur am Rechtsextremismus,<br />

sondern ebenso an der Polizei interessiert und beobachtet<br />

diese mit der Aktion „Fußballfans beobachten Polizei“. Sie zielt darauf ab,<br />

Polizei-Einsätze unter eine „anwaltschaftliche Kontrolle“ zu stellen und<br />

unterstellt unverhältnismäßig starke Maßnahmen gegen „linke“ Fans und<br />

angebliche Nachsicht gegenüber Rechtsextremisten.<br />

83


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Auf der auch von Linksextremisten genutzten Website indymedia.de werden<br />

rechtsextremistische Hooligan-Aktivitäten registriert:<br />

„Schon seit längerem ist bekannt, dass sich bei fast jedem Spiel des<br />

Frankfurter Fußballclubs Viktoria rechte Hooligans und Neonazis in<br />

den Fankurven wiederfi nden, um ihren Club mit rassistischen und neonazistischen<br />

Sprechchören und Transparenten zu unterstützen. Immer<br />

wieder gab es dabei auch Übergriffe vor oder nach einem Fußballspiel,<br />

welche von den Frankfurter ‚Fans’ ausgingen. So gehört es schon zum<br />

gewohnten Bild bei Spielen des Verbandsligisten (5. Liga), dass die<br />

Partien durch eine große Anzahl von PolizeibeamtInnen abgesichert<br />

werden müssen. Durch das aggressive Auftreten der Neonazis bleiben<br />

alternative oder anders aussehende ZuschauerInnen den Spielen<br />

des Frankfurter Fußballvereins fern. (…) Am letzten Samstag sollte<br />

es aber nicht so sein. Das Ligaspiel SV Babelsberg 03 II gegen den<br />

FC Viktoria Frankfurt (Oder) im Frankfurter ‚Stadion der Freundschaft’<br />

stand an. Etwa 30 AntifaschistInnen beschlossen, ins Stadion zu gehen,<br />

um den Neonazis nun auch offensiv in ihren vermeintlichen ‚Freiräumen’<br />

entgegen zu treten. (...) Etwas verblüfft schauten dann auch<br />

die etwa 40 Neonazis, als sie die AntifaschistInnen in ‚ihrem’ Stadion<br />

entdeckten. Die Antifas begrüßten sie jedoch mit einem lauten ‚Nazis<br />

raus!’. Während des Spiels bestimmten die AntifaschistInnen in den<br />

Fankurven. Mit Sprechchören, Transparenten und Fahnen gegen Rassismus<br />

und Antisemitismus sowie der lautstarken Unterstützung des<br />

bei Neonazis als links geltenden Sportvereins Babelsberg 03 II gaben<br />

die AntifaschistInnen den Ton im Stadion an. Von der gegenüberliegenden<br />

Tribüne, wo sich die Neonazis befanden, war es hingegen eher<br />

ruhig, von vereinzelten antisemitischen Äußerungen einmal abgesehen.<br />

Diese gelungene Aktion zeigt einmal mehr, dass Rassisten und<br />

Antisemiten auf allen Ebenen angreifbar sind. So wird es sicherlich<br />

nicht die letzte Aktion gegen Nazis in Stadien hier und überall gewesen<br />

sein.“ (Fehler im Orginal)<br />

84


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Weitere Aktivitäten von Neonazis im Land <strong>Brandenburg</strong><br />

Die in mehreren Bundesländern in den letzten Jahren ausgesprochenen<br />

Verbote von neonazistischen Kameradschaften haben die rechtsextremistische<br />

Szene in eine nachhaltige Identitätskrise gestürzt und einen<br />

„Strukturwandel“ eingeleitet, der auch im Jahr 2007 anhielt. Bei öffentlichkeitswirksamen<br />

Aktionen verzichtete man zunehmend auf die Nennung<br />

identifi zierbarer Strukturen und trat vielmehr anonym und konspirativ in<br />

Erscheinung. Die neonazistische Szene konnte die persönlichen Kontakte<br />

aufrecht halten und das Mobilisierungspotenzial für eigene Aktivitäten im<br />

Wesentlichen behaupten. Daran haben lokale NPD-Funktionäre, die gleichzeitig<br />

in der Kameradschaftsszene aktiv sind, einen erheblichen Anteil.<br />

Dieses Potenzial entfaltete sich im Jahr 2007 jedoch überwiegend bei Veranstaltungen<br />

mit nur noch begrenzter Außenwirkung, da die rechtsextremistische<br />

Szene gegenwärtig nicht in der Lage ist, zentrale Großdemonstrationen<br />

zu organisieren.<br />

In Wunsiedel (Bayern) scheiterten die Neonazis im Jahr 2007 (wie bereits<br />

2005 und 2006) erneut daran, eine Gedenkkundgebung für den Hitler-<br />

Stellvertreter Rudolf Heß durchzuführen.<br />

Die Versammlungen zum „Heldengedenken“ in Halbe spielen für die rechtsextremistische<br />

Szene ebenfalls keine Rolle mehr. Während im November<br />

2006 etwa 1.080 Rechtsextremisten an einer Ersatzveranstaltung in Seelow<br />

teilnahmen, reisten am 3. März 2007 nur etwa 500 Szeneaktivisten<br />

nach Halbe. Das im Oktober 2006 in Kraft getretene Versammlungsgesetz<br />

für Gräberstätten verbot Teilnehmern den Weg zum Friedhof.<br />

Am 1. Mai 2007 zerstreuten sich die Rechtsextremisten auf insgesamt acht<br />

Veranstaltungen; eine NPD-Standkundgebung in Erfurt (Thüringen) hatte<br />

mit 1.300 Personen die meisten Teilnehmer.<br />

Nur noch 1.750 Rechtsextremisten nahmen am 13. Februar 2007 am<br />

jährlich stattfi ndenden „Trauermarsch“ der rechtsextremistischen „Jungen<br />

Landsmannschaft Ostpreußen“ in Dresden (Sachsen) teil. Damit sank die<br />

Resonanz der Szene an der Veranstaltung um mehr als 50 Prozent; im<br />

Jahr 2006 instrumentalisierten noch 4200 Rechtsextremisten den Jahrestag<br />

der Bombardierung Dresdens, um die Verbrechen des Nationalsozialismus<br />

zu relativieren und unter dem Begriff „Bombenholocaust“ die alliierte<br />

Kriegsführung gegen Hitler-Deutschland anzuprangern.<br />

85


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Umso mehr Wert legten Rechtsextremisten darauf, ihre verfassungsfeindlichen<br />

Weltbilder durch öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen oder Propagandaaktionen<br />

im regionalen Raum zu verbreiten. Sie stellen sich bei<br />

ihrem „Heldengedenk-Kult“ unverhohlen in die Tradition der Nationalsozialisten<br />

und nennen diesen Tag, wie ihre NS-Vorbilder seit 1934 „Heldengedenktag“<br />

statt „Volkstrauertag“. So begehen sie ihn zusätzlich regelmäßig<br />

im März.<br />

Auch in <strong>Brandenburg</strong> ließen sie 2007 kein Datum des rechtsextremistischen<br />

„Feiertagskalenders“ aus und zeigten sowohl am „Heldengedenktag“ als<br />

auch am Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges (8. Mai) und<br />

am Todestag von Rudolf Heß (17. August) an unterschiedlichen Orten des<br />

Landes Präsenz.<br />

Bei ihren Aktionen lenken Rechtsextremisten immer öfter mit billigen<br />

„Showeffekten“, beispielsweise dem Einsatz dramatischer Musik bei Märschen,<br />

von inhaltlichen und argumentativen Schwächen ab. Die Öffentlichkeit<br />

soll angesprochen werden, ohne jedoch von in sich widersprüchlichen<br />

und in jedem Fall menschenverachtenden rechtsextremistischen Aussagen<br />

abgeschreckt zu werden.<br />

Einseitige Thematisierung der Luftangriffe und des Kriegsendes<br />

Die Luftangriffe der Alliierten im Zweiten Weltkrieg werden von Rechtsextremisten<br />

propagandistisch ausgeschlachtet. Die zivilen Opfer dieser<br />

Angriffe werden als „Beleg“ für die rechtsextremistische These einer Weltverschwörung<br />

gegen Deutschland aufgeführt:<br />

In Potsdam und Cottbus zogen Mitte Februar jeweils rund 30 Neonazis in<br />

schwarzer Kleidung durch die Stadt, um „der Opfer des alliierten Bombenterrors“<br />

zu gedenken und Geschichtsklitterung zu betreiben. Ein ähnliches<br />

Bild stellte die Polizei einen Monat später, am 17. März 2007 in Spremberg,<br />

fest. Dort marschierten 35 schwarz gekleidete Neonazis durch Spremberg.<br />

Eigenen Angaben zufolge hatten sie auf dem Georgenbergfriedhof ein<br />

„Heldengedenken“ durchgeführt.<br />

Ebenfalls - wie in den alliierten Bombenangriffen - sehen Rechtsextremisten<br />

in der Kapitulation des nationalsozialistischen Regimes am 8. Mai<br />

1945 ihr verschwörungstheoretisches Weltbild bestätigt: Am 8. Mai 2007<br />

86


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

verhüllte in Birkenwerder eine unbekannte Gruppe mit dem Namen „Kommandogruppe<br />

Preußen“ die Spitze einer Gedenkstätte für die Opfer des<br />

Nationalsozialismus mit einem blauen Müllsack. FOTO Auf dem Müllsack<br />

war ein Flugblatt befestigt, auf dem der „Stopp des Schuldkultes“ gefordert<br />

wurde. Dem „Tag der Befreiung“ wurde diese Bedeutung abgesprochen,<br />

den Alliierten „Mord“ unterstellt. In Oranienburg stellten Rechtsextremisten<br />

am selben Tag 18 Holzkreuze an öffentlichkeitswirksamen Orten auf. Auf<br />

den Holzkreuzen war die Parole „8. 5. 1945 - KEINE BEFREIUNG!“ aufgesprüht.<br />

Auch in Guben demonstrierten Rechtsextremisten gegen das Gedenken<br />

an das Kriegsende, das sie eine „Schuldkult-Show“ nannten. An<br />

einem fünfstöckigen Wohnhaus hatten Aktivisten ein etwa 20 Meter langes<br />

Transparent mit der Aufschrift „8. Mai – Wir wurden nicht befreit – Besatzer<br />

raus“ aufgehängt.<br />

Solche geschichtsrevisionistischen Denkmuster kennzeichnen die rechtsextremistische<br />

Szene. Die deutsche Geschichte soll „entkriminalisiert“ und<br />

das Geschichtsbild geschönt werden. Ursache, Ausmaß und Besonderheit<br />

der NS-Verbrechen werden verharmlost, um das NS-Regime zunächst zu<br />

relativieren, um es sodann verherrlichen zu können. Erklärtes Ziel des Geschichtsrevisionismus<br />

ist ein „Schlussstrich“ unter der deutschen Vergangenheit.<br />

Rechtsextremisten fordern, die zum Schutz von Menschenrechten<br />

und bedrohten Minderheiten verpfl ichtende Erinnerung an den Holocaust<br />

abzuschaffen, um die „nationale Identität“ und das „nationale Selbstwertgefühl“<br />

der Deutschen zu stärken.<br />

Kriegsverbrecher Heß als Märtyrer<br />

In das Weltbild von Rechtsextremisten passt es, Persönlichkeiten des<br />

„Dritten Reiches“ als „Helden“ zu feiern, namentlich den Hitler-Stellvertreter<br />

Rudolf Heß. An seinem 20. Todestag, dem 17. August 2007, machten<br />

Rechtsextremisten im Land <strong>Brandenburg</strong> im Rahmen so genannter „Heß-<br />

Aktionswochen“ auf sich aufmerksam. In den Ortschaften Blankenfelde<br />

und Mahlow wurde ein Fackelmarsch von rund 50 Rechtsextremisten aus<br />

Berlin und <strong>Brandenburg</strong> durch Polizeikräfte verhindert. In Lübben mieteten<br />

Rechtsextremisten einen Kahn und beschmierten im Schutz der Nacht<br />

Spreebrücken mit der Parole „Mord an Heß“ und dem Konterfei des „Märtyrers“.<br />

In Halbe parkte am 13. August 2007 ein Lastkraftwagen am Straßenrand,<br />

auf dem das Konterfei von Rudolf Heß und die Parole „1894 – 1987<br />

– Mord verjährt nicht!“ abgebildet waren. Zwei Rechtsextremisten aus Bre-<br />

87


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

men hatten diesen LKW angemietet und reisten mit ihm unter dem Motto<br />

„Rudolf-Heß-Tour-2007“ quer durch Deutschland. Unter anderem passierte<br />

der LKW bei seiner Fahrt auch die britische Botschaft, das Olympiastadion<br />

in Berlin sowie das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig (Sachsen).<br />

Rudolf Heß gilt in der rechtsextremistischen Szene aufgrund seines ungebrochenen<br />

Bekenntnisses<br />

zum Nationalsozialismus,<br />

seiner 46jährigen Haftzeit<br />

und seiner vermeintlichen Ermordung<br />

durch den britischen<br />

Geheimdienst als „Märtyrer“.<br />

Jedes Jahr aufs Neue hüllt<br />

man ihn in eine Opferrolle und<br />

behauptet, Heß wollte Frieden<br />

und sei ermordet worden. Das<br />

NPD-Parteiorgan „Deutsche<br />

Stimme“ greift diesen neonazistischen<br />

Heldenkitsch in<br />

ihrer Ausgabe vom August<br />

2007 auf und schreibt, es sei<br />

„nicht leicht, auf der persönlichen<br />

und politischen Weste<br />

von Rudolf Heß schwarze<br />

Flecken zu entdecken“. Auch<br />

diese Vorgehensweise dient dazu, das NS-Regime in ein besseres Licht<br />

zu rücken. Heß wird zur Projektionsfl äche eines angeblich positiven Nationalsozialismus.<br />

Neben revisionistischen Themen greifen Rechtsextremisten seit einigen<br />

Jahren auch häufi g Themen auf, die in einer breiteren Öffentlichkeit kritisch<br />

diskutiert werden. Waren das in den vergangenen Jahren beispielsweise<br />

der Irakkrieg oder die Hartz IV-Gesetzgebung, so stand das Jahr 2007<br />

ganz unter dem Zeichen der Globalisierungskritik und der Kampagnen<br />

gegen den G8-Gipfel im mecklenburgischen Heiligendamm. Seit einigen<br />

Jahren schon haben Rechtsextremisten das Thema für sich entdeckt und<br />

nehmen eine globalisierungsfeindliche Haltung ein (siehe hierzu auch Seiten<br />

20 f, 23).<br />

88


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

„No-Go-Areas“ oder “National befreite Zonen“<br />

Die Diskussion um „national befreite Zonen“ und „no-go-areas“ begann im<br />

Jahr 1990. In der damaligen JN-Zeitschrift „Einheit und Kampf“ erschien<br />

ein Artikel, in dem Strategien zum Aufbau einer nationalistischen Parallelgesellschaft<br />

vorgestellt wurden. Wesentliche Bedeutung wurde dabei<br />

einer zu erzielenden sozialräumlichen Dominanz zugewiesen. Dies seien<br />

Bereiche,„auf die der Staat und seine Handlanger keinen Einfl uss haben<br />

werden“.<br />

Durch Ausübung von körperlicher Gewalt oder psychischem Terror sollte<br />

das Straßenbild so stark geprägt werden, dass sich bestimmte Personen<br />

nicht mehr auf die Straße oder in öffentliche Einrichtungen wagen und aus<br />

Angst vor Repressalien auch keine Anzeige erstatten sollten. Insbesondere<br />

„linke“ Personen, Menschen mit Migrationshintergrund oder gesellschaftliche<br />

Minderheiten wie Homosexuelle, Juden oder Behinderte sollten<br />

auf diese Weise aus dem gesellschaftlichen Leben verjagt werden.<br />

Auch im Land <strong>Brandenburg</strong> versuchen Rechtsextremisten weiterhin, diese<br />

Begriffe aufzunehmen. So wurden am 18. Juli 2007 in Guben die Ortseingangsschilder<br />

vollständig mit Aufklebern versehen. Auf ihnen stand der<br />

Begriff „National Befreite Zone“.<br />

89


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Führende Neonazis aus Guben sind bereits Ende der 90er Jahre mit enormer<br />

Gewaltbereitschaft in Erscheinung getreten. Unvergessen bleibt ihre<br />

Hetzjagd auf einen algerischen Staatsbürger am 13. Februar 1999, der sich<br />

auf seiner Flucht vor rechtsextremistischen Schlägern tödlich verletzte.<br />

Auf der rechtsextremistischen Homepage www.aktion-widerstand.net, die<br />

der Neonazi Rene Herrmann aus Eberswalde betreibt, wird unter dem Link<br />

„Schulungsmaterial“ zur Schaffung „befreiter Zonen“ aufgerufen. Ausführlich<br />

schwadroniert der Autor des Artikels über die Motive eines solchen<br />

Vorgehens. Mit pathetischen Formulierungen will er seine Leser glauben<br />

lassen, dass „wir siegen“ und Rechtsextremisten „das Böse, den Weltstaat,<br />

vernichten“ könnten, wenn „wir all unseren Idealismus, unsere Kraft,<br />

unseren Glauben und unseren Mut konzentrieren“. Wenn einmal ein Straßenzug<br />

erobert sei, würden aus diesem „Rinnsal Bäche, aus Bächen wird<br />

der große Sturm, der alles mit sich reißt, das sich der Sache des Volkes<br />

entgegenstemmt“.<br />

Auf die unterschiedlichen Bemühungen von Rechtsextremisten, „No-Go-<br />

Areas“ vorzugaukeln oder sie tatsächlich schaffen zu wollen, hat das Land<br />

<strong>Brandenburg</strong> umfassend reagiert. Der Rechtsstaat überlässt Rechtsextremisten<br />

auch künftig kein Areal und keinen Raum. Diskussionen um „No Go<br />

Areas“ sind immer auch mediale Ereignisse. Darauf spekulieren rechtsextremistische<br />

Strippenzieher. Für sie ist es letztendlich ohne Belang, wie<br />

über ihre „national befreiten Zonen“ berichtet wird. Hauptsache, es wird<br />

überhaupt darüber berichtet, damit so „Angstzonen“ entstehen.<br />

90


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Beispiele rechtsextremistischer Gewalt<br />

Rechtsextremistisch motivierte Gewalt geht in den meisten Fällen nicht<br />

von organisierten Neonazis oder Mitgliedern rechtsextremistischer Parteien<br />

aus, sondern von dem Spektrum der nicht organisierten Rechtsextremisten.<br />

Täter sind zumeist Jugendliche. Sie handeln häufi g aus der Gruppe<br />

heraus, ohne die Tat konkret geplant zu haben. Die Opfer sind meistens<br />

Menschen, die als „politischer Gegner“ aufgefasst werden. Hierzu zählen<br />

„Linke“, Schwächere oder Menschen, die als „Fremde“ wahrgenommen<br />

werden.<br />

Gewalt gegen den politischen Gegner<br />

Räumliche Schwerpunkte dieser Gewalt gegen vermeintlich „Linke“ sind<br />

eng verbunden mit regen Antifa-Aktivitäten vor Ort. Im Jahr 2007 waren<br />

räumliche Schwerpunkte rechtsextremistisch motivierter Gewaltstraftaten<br />

beispielsweise Finsterwalde, Frankfurt (Oder), Cottbus, Potsdam und Zossen<br />

zu fi nden. Diese Städte haben eine aktive Antifa-Szene. Oft sind die<br />

Konfrontationen Ausdruck von über Jahre hinweg gewachsenen Rivalitäten<br />

zwischen den beteiligten Personen.<br />

Beispiele spontaner rechtsextremistischer Gewalt gegen „Linke“:<br />

So schlug am 15. März 2007 ein Rechtsextremist am Bahnhof in Finsterwalde<br />

aus einer Gruppe von etwa 15 Personen heraus eine Person mehrfach<br />

mit der Faust ins Gesicht sowie an den Hinterkopf. Der Täter ordnete<br />

sein Opfer der linken Szene zu. Ein weiterer Tatverdächtiger sprang dem<br />

Geschädigten in den Rücken, so dass dieser zu Boden stürzte.<br />

Am 4. August 2007 kam es in Finsterwalde auf dem Marktplatz zunächst<br />

zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen einer etwa 20 Personen<br />

umfassenden Gruppierung der unorganisierten rechtsextremistischen<br />

Szene mit einer ebenso rund 20 Personen starken „linken“ Gruppierung.<br />

In weiterer Folge eskalierte die Situation. Die Gruppierungen griffen sich<br />

gegenseitig an, indem sie mit Fäusten schlugen und mit Füßen traten. Die<br />

Polizei nahm eine Person fest.<br />

Am 16. Juli 2007 griffen fünf Rechtsextremisten in Hennigsdorf eine Beteiligte<br />

an der Hausbesetzung in Hennigsdorf an. Sie packten sie am Hinterkopf<br />

und schlugen sie zweimal mit dem Gesicht gegen einen Briefkasten.<br />

91


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Rechtsextremistische Gewalt erfolgt jedoch nicht immer spontan und situationsbedingt.<br />

Teilweise ist sie auch geplant gezielt vorbereitet.<br />

Beispiele geplanter rechtsextremistischer Gewalt gegen „Linke“:<br />

Am 5. Juni 2007 versuchten fünf Rechtsextremisten mit Hilfe eines Molotowcocktails<br />

das Gebäude des Kreisvorstandes der Partei „Die Linkspartei.<br />

PDS“ in Oranienburg in Brand zu setzen. Mit einem Nothammer wurde in<br />

das Spezialglas der vergitterten Eingangstür ein Loch geschlagen und ein<br />

Brandsatz gezündet. Dabei geriet allerdings nur eine Rasennabe in Brand.<br />

Es entstand geringer Sachschaden.<br />

Am 10. Juni 2007 überfi elen etwa 20 zum Teil vermummte Personen den<br />

Jugendclub „Fragezeichen“ in Cottbus. Die Angreifer sprühten zunächst<br />

Reizgas auf die am Eingang stehenden Personen. Anschließend verletzten<br />

sie mehrere Gäste durch Schläge, beschädigten die Einrichtung und<br />

stahlen Getränke. Die Einrichtung gilt als Treffpunkt der linken Szene.<br />

Am 2. November 2007 fand in einer Gaststätte in Frankfurt/Oder, die als<br />

linker Szenetreff gilt, eine Ausstellung gegen Rechtsextremismus statt.<br />

Tags darauf warfen Unbekannte Steine und Flaschen auf das Gelände der<br />

Gaststätte. Dabei riefen sie „Dumm, dümmer, Antifa!“<br />

92


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Fremdenfeindliche Gewaltstraftaten<br />

Die im Jahr 2007 begangenen rechtsextremistisch motivierten Gewaltstraftaten<br />

gegen ausländische Gewerbetreibende gewannen, verglichen<br />

mit anderen fremdenfeindlichen Gewaltstraftaten, an Bedeutung.<br />

Beispiele rechtsextremistischer Gewalt gegen als „fremd“<br />

betrachtete Gewerbetreibende:<br />

So bespuckten und beleidigten drei alkoholisierte Tatverdächtige am<br />

31. Januar 2007 in Prenzlau einen vietnamesischen Imbissbetreiber und<br />

bedrohten ihn mit abgebrochenen Flaschenhälsen. Weiterhin versuchten<br />

sie, mit ihrem PKW den Imbiss zu rammen. Dabei schrie ein Tatverdächtiger<br />

„Du Schwein! Wir bringen Dich um!“. Einer der rechtsextremistischen<br />

Haupttäter befi ndet sich seit Ende April 2007 in Haft.<br />

Am 12. Februar 2007 warfen Unbekannte in Steinhöfel-Heinersdorf einen<br />

Brandsatz gegen ein Eiscafe, das von einem Deutschen türkischer Abstammung<br />

betrieben wird.<br />

Am 19. August 2007 griffen zwei Rechtsextremisten in Beeskow einen<br />

Vietnamesen an. Als er zusammen mit seinem 5jährigen Sohn und seiner<br />

Frau zu seinem Ladengeschäft zurückkehrte, erhielt er einen Faustschlag<br />

ins Gesicht und gegen seine Schulter. Beim Angriff riefen Sie „Raus, Raus<br />

aus Deutschland! Was wollt ihr hier.“<br />

Am 21. Oktober 2007 versuchten unbekannte Täter in Drebkau mit einem<br />

Molotowcocktail, erst einen Asia-Imbiss und anschließend einen Asia-Shop<br />

in Brand zu setzen. Zum Glück wurde niemand verletzt.<br />

93


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Rechtsextremisten betrachten Ausländer, oder Personen, die sie nach ihrem<br />

äußeren Erscheinungsbild dafür halten, als feindlich. Gegen solche<br />

Personen agieren sie wiederholt aus der Gruppe heraus. Nicht selten nutzen<br />

sie dafür den Rahmen öffentlicher Veranstaltungen.<br />

Meist kommt es nach gezielten anfänglichen Provokationen der Rechtsextremisten<br />

bei geringstem Anlass zu Tätlichkeiten und massiver Gewaltanwendung<br />

gegen die Opfer.<br />

Beispiele rechtsextremistischer Gewalt gegen als „fremd“<br />

betrachtete Personen<br />

Am 11. März 2007 beleidigten fünf Personen am Bahnhof Ludwigsfelde<br />

einen Bürger aus Sierra Leone mit den Worten „Scheiß Nigger“. Er wurde<br />

durch Wegschubsen am Einsteigen in den Zug gehindert und anschließend<br />

ins Gleisbett gestoßen. Man goss ihm Bier über den Kopf. Als er den<br />

Bahnsteig verließ, warf man mit einer Flasche nach ihm.<br />

Am 27. Mai 2007 versperrte ein Rechtsextremist in Cottbus einem Kameruner<br />

Studenten der Cottbusser Universität auf dem Gehweg mehrfach den<br />

Weg und beleidigte ihn mit den Worten „Geh mir aus dem Weg, du Neger!“.<br />

Als der Kameruner ausweichen konnte, wurde er von drei Rechtsextremisten<br />

verfolgt und eingeholt. Sie schubsten, schlugen und traten ihn.<br />

Am 9. Juni 2007 griffen etwa 20 Rechtsextremisten in Cottbus-Sachsendorf<br />

zwei afrikanische Asylbewerber an, schlugen und traten auf sie ein.<br />

Zuvor wurden die Opfer mit rassistischen Parolen beleidigt.<br />

Eine rechtsextremistisch motivierte Gewaltstraftat gegen einen indischen<br />

Staatsbürger in Prenzlau zeigt auf erschreckende Art und Weise das Ausmaß<br />

an Skrupellosigkeit von Rechtsextremisten:<br />

Zwei bekannte Rechtsextremisten feierten mit Gleichgesinnten am 20. April<br />

2007 in Prenzlau zunächst den Geburtstag Adolf Hitlers. Im Anschluss daran<br />

trafen sie auf einen indischen Staatsbürger, den sie unter anderem mit<br />

gezielten Schlägen und Tritten auf den Kopfbereich verletzten.<br />

Deswegen verurteilte sie das Landgericht Neuruppin am 19. Dezember<br />

2007 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei<br />

Jahren und einen Monat beziehungsweise anderthalb Jahren. Zusätzlich<br />

war ein Schmerzensgeld von 1.200 Euro zu zahlen.<br />

94


Antisemitische Straftaten<br />

Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Antisemitische Straftaten sind meist Propagandadelikte, vor allem in Verbindung<br />

mit Hakenkreuzschmierereien. Dazu gehören aber auch Bedrohung<br />

und Beleidigung, ferner Volksverhetzung, beispielsweise die Leugnung<br />

der Ermordung der Juden im Zweiten Weltkrieg.<br />

Antisemitische Gewaltstraftaten fi elen 2007 dagegen kaum an. Am 25. April<br />

2007 schlug allerdings ein Tatverdächtiger in Oranienburg eine Person und<br />

bezeichnete diese unter anderem als „Jude“.<br />

95


Ausblick<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Unterschiedliche, untereinander vernetzte oder gar sich gegenseitig überlagernde<br />

Organisationsformen kennzeichnen den brandenburgischen<br />

Neonazismus. Das Organisationsmodell Kameradschaft hat aufgrund<br />

der massiven staatlichen Repression vorerst an Bedeutung verloren.<br />

Nur vereinzelt organisieren sich Neonazis in Vereinen, zum Beispiel der<br />

„Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Stattdessen wird nunmehr eine<br />

Form gewählt, die ohne feste (Vereins-)Strukturen auskommt. Dies sind<br />

in besonderem Maße die so genannten „Freien Kräfte“. An linksextremistischen<br />

Aktionsformen orientierte „Autonome Nationalisten“ sind, von<br />

wenigen mit Berlin verknüpften Ausnahmen abgesehen, in <strong>Brandenburg</strong><br />

noch nicht fester Bestandteil des brandenburgischen Rechtsextremismus.<br />

Konzerte so genannter Hass-Bands bilden jedoch für alle diese Aktionsformen<br />

eine Art „kulturellen“ Überbau. Denn hier kommen Vertreter des<br />

gesamten rechtsextremistischen Spektrums zusammen. Ebenso ist allen<br />

die immer stärkere Nutzung des Internets gemein. Dies dient dabei längst<br />

nicht mehr der Informationsbeschaffung und -bereitstellung. Sondern seine<br />

Bedeutung für die strategisch dorthin verlagerte Kommunikation wächst<br />

zusehends. Schon deshalb, weil der Wegfall vereinsmäßiger Strukturen<br />

kompensiert werden muss.<br />

Trotz dieser Veränderungen hält die Identitäts- und Strukturkrise der rechtsextremistischen<br />

Szene in <strong>Brandenburg</strong> weiter an. Die gemeinsame Auseinandersetzung<br />

von zivilgesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen mit<br />

Rechtsextremismus hat schließlich erst dafür gesorgt, dass neonazistische<br />

Gruppierungen vorerst keine bedeutenden Kameradschaftsorganisationen<br />

mit festen Strukturen und Funktionen in <strong>Brandenburg</strong> bilden können. Die<br />

Vereinsverbote der letzten Jahre haben die Szene verunsichert und in ihren<br />

Strukturen erschüttert. Zur Mobilisierung müssen sie sich daher auf<br />

ihre persönlichen Kontakte, das Internet (Foren), gemeinsame rechtsextremistische<br />

Einstellungen als verbindendes Element und auf Mundpropaganda<br />

beschränken. Jedoch werden nur wenige Internet-Präsenzen<br />

brandenburgischer Rechtsextremisten regelmäßig aktualisiert.<br />

Als martialische Bezeichnungen werden Begriffe wie „Nationale Sozialisten“,<br />

„Freie Kräfte“ oder „Nationale Aktivisten“ genutzt. Sie enthalten<br />

höchstens noch einen regionalen Zusatz („Lausitz“, „Potsdam“, „Uckermark“),<br />

um der Szene einen Hauch von Wiedererkennung zu geben.<br />

96


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Problematisch verhält es sich ebenso mit rechtsextremistischen Massenkundgebungen.<br />

Deren Teilnehmer und Organisatoren haben mit erheblichen<br />

staatlichen Aufl agen und zivilgesellschaftlicher Gegenwehr zu rechnen.<br />

Oftmals fahren angereiste Rechtsextremisten frustriert wieder nach<br />

Hause, weil sie nicht zu ihrem ersehnten Marscherlebnis gekommen sind.<br />

Rechtsextremisten werden weiterhin im gewaltbereiten Fußballfan-Milieu<br />

Ausschau nach potentiellen Gleichgesinnten halten. Es ist daher nach wie<br />

vor mit Gewalt und offen rechtsextremistischen Äußerungen in und um<br />

Fußballstadien und Fußballplätzen zu rechnen. Dies gilt insbesondere für<br />

Spiele und Vereine niederer Klassen, weil hier Kontroll- und Präventionsmaßnahmen<br />

weniger intensiv betrieben werden.<br />

Potenzielle „Wallfahrtsorte“ der Rechtsextremisten wie Wunsiedel, Halbe<br />

oder Seelow wurden durch verschärfte Gesetze und zivilgesellschaftliches<br />

Engagement befriedet, Szeneveranstaltungen in Hinterzimmer und anrüchige<br />

Gaststätten verlagert. Sogar das herbstliche „Heldengedenken<br />

2007“ fand für ostdeutsche Neonazis in einem Saal bei Pirna (Sachsen)<br />

statt. Mittlerweile hat auch die NPD Probleme beim Anmieten geeigneter<br />

gastronomische Räumlichkeiten. Hintergrund sind couragierte Aktivitäten<br />

des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in <strong>Brandenburg</strong>, der sich<br />

und seine Mitglieder hier deutlich positioniert.<br />

Der NPD in <strong>Brandenburg</strong> ist es bislang nicht gelungen, die unorganisierte<br />

Neonazi-Szene dauerhaft und verlässlich für ihre Zwecke zu vereinnahmen.<br />

Zwar unterstützt man sich wechselseitig etwa bei Veranstaltungen,<br />

jedoch ist der rechtsextremistische Neonazismus in <strong>Brandenburg</strong> – im<br />

Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen – bislang überwiegend<br />

selbständig geblieben. Wenn es Annäherungen gibt, dann allerdings<br />

vermehrt in Richtung NPD sowie JN. Die DVU spielt mit Ausnahme eines<br />

führenden Funktionärs keine bedeutende Rolle.<br />

Die rechtsextremistische Szene wird aber weiterhin darum bemüht bleiben,<br />

aktuelle Strategie- und Aktionsformen zu fi nden. Zentrale Strippenzieherin<br />

ist oft die NPD. Sozial- und gesellschaftspolitische Themenfelder spielen<br />

inhaltlich weiter eine wichtige Rolle, um der Öffentlichkeit das Bild einer<br />

„anständigen“ Bewegung vorzugaukeln. Schon in den letzten Jahren wurden<br />

fl ächendeckend Themenkampagnen gegen den Irakkrieg, die „Agen-<br />

97


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

da 2010“ oder die EU-Osterweiterung organisiert. Ziel war es, Anschluss<br />

an den öffentlichen politischen Diskurs zu fi nden, Akzeptanz im politischen<br />

Kräftefeld und Sympathien in der Bevölkerung zu gewinnen.<br />

98


Neonazis und gewaltbereiter Rechtsextremismus<br />

Bei der Suche nach einer organisatorischen Klammer fällt der NPD eine<br />

erhebliche Bedeutung zu. Durch ihre Landtagsmandate in Sachsen und<br />

Mecklenburg-Vorpommern hat sie insbesondere in Ostdeutschland an<br />

Selbstbewusstsein und Zugkraft gewonnen. Obwohl es noch immer führende<br />

Neonazis in <strong>Brandenburg</strong> gibt, die systematische Zusammenarbeit<br />

mit der NPD ablehnen, schrumpfen in vielen rechtsextremistischen Kreisen<br />

diese Berührungsängste zur NPD. Die extremistische DVU scheint<br />

ohne Bedeutung zu sein. Die NPD sieht in den DVU-Wählern allenfalls<br />

‚Stimmvieh’.<br />

Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer an den NPD-Demonstrationen<br />

2007 im Land <strong>Brandenburg</strong> stammt aus dem neonazistischen Lager. Einige<br />

dokumentieren ihre Sympathie zur NPD nicht nur durch eine anlassbezogene<br />

Zusammenarbeit, sondern nutzen die NPD oder ihre Jugendorganisation,<br />

die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN), als organisatorisches<br />

Auffangbecken für ihre Aktivitäten. So gründeten ehemalige Kameradschaftsmitglieder<br />

JN-Stützpunkte oder sie wurden NPD-Funktionäre.<br />

Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt hat bereits 2004 bewusst die so<br />

genannte Drei-Säulen-Strategie seiner Partei um eine vierte Säule erweitert.<br />

Der „Kampf um den organisierten Willen“ bezieht sich auf den Versuch,<br />

möglichst alle „nationalen Kräfte“ zu bündeln. Die NPD versteht sich<br />

zwar als „Speerspitze der nationalen Erneuerung“, strebt aber ein Bündnis<br />

mit den „aktiven Kräften des nationalen Widerstandes“ an. Das Angebot<br />

zur Zusammenarbeit richtet sich nicht nur an die anderen rechtsextremistischen<br />

Parteien, sondern auch an Neonazis und rechtsextremistische<br />

Skinheads.<br />

Die NPD weiß, dass sie die parteiungebundenen Neonazis für ihre öffentlichkeitswirksamen<br />

Aktionen benötigt. Ohne sie würden eigene Veranstaltungen<br />

kümmerlich verlaufen. Umgekehrt verfügen die „Freien Kräfte“<br />

selbst nicht über die nötige fi nanzielle, logistische und organisatorische<br />

Schlagkraft für größere öffentlichkeitswirksame Aktionen. So besteht<br />

zwischen beiden Strömungen ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis.<br />

Dieses Extremisten-Bündnis wird enger, wenn die NPD bei Wahlen<br />

Mandate erringt. In <strong>Brandenburg</strong> werden die Kommunalwahlen im Herbst<br />

2008 ein bedeutender Testlauf für die rechtsextremistische Szene. Je<br />

erfolgreicher die NPD dort abschneidet, umso attraktiver wird sie für die<br />

„Freien Kräfte“. Sollte sie jedoch überwiegend am Einzug in die Kreistage<br />

scheitern, verliert sie Anziehungskraft.<br />

99


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

100


Militanz und Linksextremismus<br />

MILITANZ UND LINKSEXTREMISMUS<br />

Terrorismus: Generalbundesanwaltschaft<br />

ermittelt gegen „militante gruppe“<br />

Nach einem versuchten Brandanschlag am 31. Juli 2007 auf Fahrzeuge<br />

der Bundeswehr in der Stadt <strong>Brandenburg</strong> an der Havel wurden drei Verdächtige<br />

in unmittelbarer Tatortnähe festgenommen. In Berlin folgte wenig<br />

später eine weitere Festnahme.<br />

Den Beschuldigten wird unter anderem vorgeworfen, an drei LKW der Bundeswehr<br />

Zündvorrichtungen angebracht zu haben. Diese lösten zwar aus,<br />

konnten aber durch Polizeibeamte noch rechtzeitig entfernt werden. In der<br />

Wohnung eines Beschuldigten wurde ein leerer, nach Kraftstoff riechender<br />

Benzinkanister gefunden. Ferner fand man den Entwurf eines Positionspapiers<br />

der „militanten gruppe“ (mg). Den insgesamt vier Tatbeschuldigten<br />

wurde unter anderem die Mitgliedschaft in der terroristischen „mg“ zur Last<br />

gelegt.<br />

Anschläge der „militanten gruppe“<br />

In den Jahren 2000 bis 2006 ereigneten sich in Berlin rund 30 und in Sachsen-Anhalt<br />

zwei Anschläge. Im Land <strong>Brandenburg</strong> verübte die „mg“ in diesem<br />

Zeitraum fünf Brandanschläge. 2007 folgten weitere drei in Berlin. Ein<br />

weiterer Brandanschlag in <strong>Brandenburg</strong> ereignete sich in der Nacht vom<br />

14. auf den 15. Januar 2007 in Oranienburg. Vor dem Bahnhof wurden<br />

zwei Fahrzeuge der Bundespolizei zerstört. Bei allen Brandanschlägen<br />

wurden Zündzeitverzögerer eingesetzt. Es entstanden jeweils Schäden<br />

von bis zu 100.000 Euro.<br />

Abgesehen von symbolhaften Gewaltandrohungen gegen Menschen –<br />

2001 wurden mehreren Vertretern der Wirtschaft und der Politik Drohbriefe<br />

mit scharfen Patronen zugeschickt – hat die „mg“ Gewalt bisher nur gegen<br />

Sachen gerichtet. Anschlagsziele waren Gebäude sowie Fahrzeuge von<br />

Sozial-, Finanz- und Ordnungsämtern, Justizeinrichtungen, Polizei, Vertretungen<br />

von Großkonzernen und Autohäuser. Die „mg“ ordnet ihre Ziele den<br />

Themenfeldern „Globalisierung“ und „staatliche Repression“ zu.<br />

101


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

‚Markenzeichen’ der „mg“ ist die Veröffentlichung von Selbstbezichtigungsschreiben.<br />

Hierzu bietet vorzugsweise die Szenezeitschrift „INTERIM“ eine<br />

Plattform. Darüber hinaus dient „INTERIM“ der „mg“ als Forum für eine<br />

bereits 2001 initiierte „Militanzdebatte“. Auch Tageszeitungen und Rundfunkanstalten<br />

erhalten mitunter solche Schreiben, veröffentlichen sie aber<br />

selten. Ihre Formulierungen in den Bekennerschreiben erinnern an den<br />

menschenverachtenden Stil der RAF in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.<br />

Erklärtes Ziel der „mg“ ist die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung zu Gunsten eines kommunistischen Regimes.<br />

Die „mg“ strebt mit Verbalradikalismus, Feindbildprojektionen und fl ankierenden<br />

Anschlägen eine Führungsfunktion innerhalb des militanten Linksextremismus<br />

an.<br />

Auch der G8-Gipfel in Heiligendamm wurde von der „mg“ thematisiert. In<br />

der „INTERIM“-Ausgabe Nummer 639 kündigte sie im Juli 2006 an, unter<br />

den G8-Gipfelgegnern die „militante Option“ „forcieren“ zu wollen. Die Zeit<br />

der Protestmobilisierung sollte dafür genutzt werden.<br />

Ihr Brandanschlag im Januar 2007 auf Fahrzeuge der Bundespolizei in<br />

Oranienburg steht damit im Zusammenhang. Dies gilt ebenso für zwei am<br />

4. September 2006 am Bahnhof Berlin-Lichtenberg zerstörte Bundespolizei-Einsatzfahrzeuge.<br />

Als „vorzeitige Ausmusterung“ bezeichnet die „mg“<br />

solche Straftaten.<br />

Begründet wurde der Anschlag damit, dass „die weltweite Migrationskontrolle<br />

und Flüchtlingsbekämpfung bei der Mobilisierung gegen den G8-<br />

Gipfel eine hervorgehobene Rolle“ spielten. Militanter Antirassismus habe<br />

darauf Antworten zu fi nden. Und: „Wir haben eine mögliche gegeben.“<br />

102


Militanz und Linksextremismus<br />

Im Vorfeld des G8-Gipfels wurden am 9. Mai 2007 in Berlin, <strong>Brandenburg</strong>,<br />

Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Durchsuchungsmaßnahmen<br />

in insgesamt 42 Objekten durchgeführt. Sie fanden im<br />

Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Generalbundesanwaltschaft wegen<br />

des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung statt.<br />

Weitere Durchsuchungsmaßnahmen im Auftrag der Generalbundesanwältin<br />

erfolgten am 19. Juni 2007 in Berlin.<br />

Gegen die Ermittlungen demonstrierten mehrere tausend Teilnehmer in Berlin<br />

und Hamburg. Am 9. Mai 2007 folgten etwa 20 Angehörige der „linken“<br />

Szene einem Internet-Protestaufruf und protestierten in Potsdam gegen<br />

die bundesweiten Exekutivmaßnahmen gegen mutmaßliche Angehörige<br />

der „mg“. Am 18. Mai 2007 wurde ein Brandanschlag auf zwei Dienstfahrzeuge<br />

der Berliner Polizei in Spandau verübt. In ihrem Bekennerschreiben<br />

begründete die „militante gruppe“ ihre Tat mit den am 9. Mai 2007 erfolgten<br />

polizeilichen Exekutivmaßnahmen. Diese wurden als „Rundumschlag gegen<br />

vermeintliche AktivistInnen aus der militanten Linken“ bezeichnet.<br />

Rückblickend ist festzustellen, dass der Mobilisierungsversuch der „mg“<br />

– insbesondere die Forcierung einer „militanten Option“ im Vorfeld des<br />

G8-Gipfels – keine breite Resonanz gefunden hat. Die militanten Aktionen<br />

vor und während des G8-Gipfels gingen insbesondere von Mitgliedern des<br />

so genannten „Schwarzen Blocks“ aus. Auch die zahlreichen Brandstiftungen<br />

an Kraftfahrzeugen (vorwiegend der gehobenen Preisklasse), die<br />

seit dem G8-Gipfel vor allem in Berlin zu verzeichnen sind, dürften eher<br />

Einzelpersonen oder Kleinstgruppen aus dem militanten autonomen Spektrum<br />

zuzuschreiben sein. Obwohl die Polizei über 100 Brandanschläge registrierte,<br />

gingen nur wenige Bekennerschreiben bei den Medien ein. Die<br />

„mg“ beurteilt solche offenbar sehr individuell motivierten Gewaltanschläge<br />

abschätzig. So rügt sie Ende Mai 2007 die „unzusammenhängende Brandsatzlegerei“<br />

in Berlin.<br />

Die Unzufriedenheit der „mg“ mit dem Verlauf der G8-Mobilisierung zeigt<br />

sich auch in dem Vorwurf der „fehlenden politischen Kontur der ‚militanten<br />

Kampagne‘ zum Thema G8“. Der Versuch, militante Strukturen zu mobilisieren,<br />

sei in Anfängen stecken geblieben. Jetzt komme es darauf an,<br />

die Erfahrungen auszuwerten und einen neuen, allerdings stärker koordinierten<br />

Anlauf zu nehmen. Die „mg“ schlägt dazu das Thema „30 Jahre<br />

Deutscher Herbst“ vor. Sie belegt damit ihre Selbstverortung in der Tradition<br />

des linksextremistischen RAF-Terrorismus.<br />

103


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Wegen ihrer elitär wirkenden Art dürfte die „mg“ im linksextremistischen<br />

Spektrum kaum auf die ersehnte Resonanz stoßen. Es ist jedoch nicht<br />

auszuschließen, dass sie weiterhin Brandanschläge verüben wird.<br />

Im September 2007 wurde die eingangs erwähnte Militanzdebatte in der<br />

Zeitschrift „INTERIM“ von einer Gruppierung aufgegriffen, die sich „freie<br />

radikale“ nennt. Sie setzt sich mit den Konzepten der linksextremistischen<br />

Szene bei Protesten gegen den G8-Gipfel auseinander und schlägt eine<br />

militante Kampagne gegen Bundeswehreinrichtungen und Verantwortliche<br />

in Politik, Militär und Wirtschaft vor. Die Gefährdung von Menschenleben<br />

lehnt sie ab. Von der gesamten Linken wird Solidarität eingefordert. Politische<br />

Differenzen, so mit der „mg“, „können kein Hinderungsgrund sein,<br />

mit Menschen solidarisch zu sein, die andere Verhältnisse wollen und dabei<br />

verständlicherweise das Militär im Wege sehen“. Bislang sind nennenswerte<br />

Reaktionen gewaltbereiter Linksextremisten jedoch ausgeblieben.<br />

Von der terroristischen zur kriminellen Vereinigung?<br />

Gegen die „mg“ ermittelte die Generalbundesanwaltschaft zunächst nach<br />

Paragraf 129 a Strafgesetzbuch (Mitgliedschaft in einer terroristischen<br />

Vereinigung) von 2001 bis 2007. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte allerdings<br />

am 28. November 2007 fest, dass aufgrund der Neufassung des<br />

Paragrafen 129 a im Jahr 2003 in Anlehnung an EU-Vorschriften weitere<br />

Anforderungen vorliegen müssen, um sich hiernach strafbar zu machen.<br />

Der BGH bewertet die „mg“ auf Grundlage der begangenen und beabsichtigten<br />

Straftaten als nicht geeignet, die Bundesrepublik Deutschland<br />

im Sinne der neu gefassten Norm erheblich zu schädigen. Die „mg“ kann<br />

daher im laufenden Verfahren nicht als terroristische Vereinigung eingeordnet<br />

werden.<br />

104


Militanz und Linksextremismus<br />

Autonome Antifa und Gewalt<br />

„Kommt nach Jena und nehmt den Kampf auf!“ So wurde auf der Internetseite<br />

der „Antifaschistischen Aktion Bernau“ dazu aufgerufen, sich an<br />

„antifaschistischen Begleitaktionen zum zweiten ‚Fest der Völker‘“ der NPD<br />

am 8. September 2007 in Jena zu beteiligen. Außerdem hieß es: „Zum wiederholten<br />

Mal werden wir keine Mühe scheuen, dies zu verhindern!“ Für<br />

die Sprache der autonomen Szene sind provozierende Formulierungen<br />

charakteristisch. Unter „Verhinderung“ verstehen Autonome Störversuche<br />

und militante Aktionen gegen einen Gegner, der nicht nur in der Neonazi-<br />

Szene, sondern ebenso im demokratischen Staat selbst gesehen wird.<br />

An den Veranstaltungen gegen das Jenaer NPD-Fest beteiligten sich<br />

mehrheitlich friedlich etwa 3.000 Personen. Vermummte Autonome aus der<br />

gewaltbereiten Szene waren jedoch vor Ort. Sie versuchten, in kleineren<br />

Gruppen mit Blockaden den Zugang zur NPD-Veranstaltung zu verhindern.<br />

Gegen Teilnehmer der Gegenaktionen leitete die Polizei Verfahren wegen<br />

verschiedener Straftaten ein. Auf der auch von Linksextremisten genutzten<br />

Internetseite „indymedia“ wurde der Polizei daraufhin vorgeworfen, „eine<br />

faschistische Veranstaltung nicht nur zu schützen, sondern sie überhaupt<br />

erst zu ermöglichen“. Daher werde man „die Lehre ziehen, dass (nicht bloß<br />

gegen Nazis) nur ein gemeinsames entschlossenes Vorgehen sinnvoll ist<br />

und die Gewissheit, dass man selbst zur Tat schreiten muss, um Veränderungen<br />

der Polizei ... und dem Staat zum Trotz herbeizuführen“.<br />

Die autonome Antifa – „Antifa“ steht für Antifaschismus – kämpft seit jeher<br />

vordergründig gegen den Rechtsextremismus. Gewaltanwendung im „antifaschistischen<br />

Kampf“ ist in der autonomen Szene weitgehend unumstritten<br />

und wird als legitimes Mittel „autonomer Politik“ betrachtet.<br />

105


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Autonome lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung und das<br />

darauf beruhende, demokratisch verfasste Gemeinwesen der Bundesrepublik<br />

Deutschland ab. Sie behaupten, der marktwirtschaftliche Staat begünstige<br />

und toleriere um seiner Selbsterhaltung willen den Faschismus.<br />

Daher glauben sich Autonome berufen, den Kampf gegen Faschisten und<br />

Rassisten im Wege der Selbstjustiz in eigene Hände zu nehmen. Ziele sind<br />

dabei der politische Gegner, wie mutmaßliche oder tatsächliche Rechtsextremisten.<br />

Hinzu kommen staatliche Institutionen. Der „Repressionsapparat“<br />

hindere sie schließlich an der Verwirklichung ihres antifaschistischen<br />

Sendungsbewusstseins.<br />

Es ist dieses Bekenntnis zur Gewalt und Selbstjustiz, das Autonome<br />

von allen anderen Gruppierungen unterscheidet, welche ebenfalls „Herrschaftsfreiheit“<br />

anstreben und „alternative Lebensformen“ verschiedenster<br />

Art praktizieren wollen.<br />

Zwar war das Thema „Anti-Globalisierung“ im Jahr 2007 mit Aktionen gegen<br />

den G8-Gipfel in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) ein wichtiges<br />

Agitations- und Aktionsfeld der Autonomen. Jedoch blieb der Antifaschismus<br />

das Hauptaktionsfeld und damit zentrales ideologisches Bindeglied.<br />

Ebenso eignet sich „antifaschistischer Kampf“ als regelmäßiger Anlass für<br />

versuchte Bündnispolitik weit über die Grenzen gewaltbereiter Autonomer<br />

hinaus. Er bietet die Projektionsfl äche, um den zivilgesellschaftlichen Konsens<br />

gegen Rechtsextremismus für eigene Ziele zu instrumentalisieren.<br />

Eine autonome Antifa-Perspektive lässt allerdings als Gegenpole nur Nazis<br />

oder Faschisten auf der einen Seite und auf der anderen Seite Antifaschisten<br />

zu. Einrichtungen des demokratischen Rechtsstaates werden in<br />

dieser nur schwarz und weiß gestreiften Weltsicht häufi g als „faschistisch“<br />

diffamiert.<br />

106


Militanz und Linksextremismus<br />

Örtliche Schwerpunkte der autonomen Szene im Land <strong>Brandenburg</strong> sind<br />

vor allem Potsdam und Frankfurt (Oder). In Regionen wie Cottbus, Finsterwalde,<br />

Königs Wusterhausen, Oranienburg/Hennigsdorf, Rathenow,<br />

Strausberg sind nur wenig autonome Personengruppen auszumachen.<br />

Wie in den vergangenen Jahren richteten sich auch 2007 Aktionen gegen<br />

rechtsextremistische Veranstaltungen, aber auch gegen einzelne vermeintliche<br />

oder tatsächliche Rechtsextremisten. Bei beliebigen Gelegenheiten<br />

wird der „politische Gegner“ spontan oder nur wegen seines äußeren Erscheinungsbildes<br />

angegriffen:<br />

Am 4. Februar 2007 attackierten etwa sechs vermummte Täter am Potsdamer<br />

Hauptbahnhof einen Bundeswehrangehörigen. Er trug kurze Haare<br />

und eine Tarnjacke. Die Täter beschimpften ihn als „scheiß Nazi“, warfen<br />

ihn zu Boden, traten ihm ins Gesicht und setzten Pfefferspray ein.<br />

Am 3. März 2007 zog eine Gruppe von 20 bis 25 vermummten Personen<br />

nach einem Fußballspiel des SV Babelsberg 03 durch die Karl-Liebknecht-<br />

Straße in Potsdam. Sie rissen Pfl astersteine aus dem Gehweg und zertrümmerten<br />

zehn Schaufensterscheiben einer Bank sowie des Geschäftes<br />

„Union Jack“. Das Geschäft führt Kleidermarken, die auch bei Rechtsextremisten<br />

beliebt sind. Beim Eintreffen der Polizei fl üchteten die Straftäter<br />

in verschiedene Richtungen.<br />

Am 1. Mai 2007 wurden in Fredersdorf zwei Personen aus einer Gruppe<br />

heraus mit „scheiß Nazis und Rassisten“ verbal attackiert. Im Anschluss<br />

wurde eines der Opfer von drei Personen zu Boden gerissen und mit Füßen<br />

getreten. Mit einem Stein erhielt es zudem einen Schlag ins Gesicht.<br />

Am 2. Juni 2007 trug sich in Perleberg beim „Roland- und Schützenfest“<br />

eine Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen zu. Ein 18-Jähriger, der<br />

ein schwarzes T-Shirt mit dem weißen, in altdeutscher Schrift geschriebenen<br />

Aufdruck „Wehrt Euch. Kämpft!“ trug, soll „Scheiß Zecken“ gerufen<br />

haben. Daraufhin erhielt er mit einer Bierfl asche einen Schlag auf den<br />

Kopf. Eine 18-Jährige, die ihm helfen wollte, wurde von einer weiblichen<br />

Person mehrmals in den Bauch getreten.<br />

Am 14. Juli 2007 trafen in Hennigsdorf nach einer vorangegangenen<br />

Hausbesetzung durch Autonome drei Angehörige der „linken“ Szene in<br />

einem Supermarkt auf einen Jugendlichen. Da sie in diesem einen „Nazi“<br />

zu erkennen glaubten, sprühten sie ihm Pfefferspray ins Gesicht.<br />

107


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Das Auftreten von organisierten Rechtsextremisten im öffentlichen Raum<br />

nehmen Autonome ebenso zum Anlass, Straftaten gegen tatsächliche oder<br />

vermeintliche Rechtsextremisten zu begehen:<br />

Als Reaktion auf die angemeldete NPD-Demonstration rief die „Autonome<br />

Antifa Frankfurt (Oder)“ (AAFFO) zu einer „antifaschistischen Kundgebung“<br />

am 27. Januar 2007 vor Ort auf. Der Aufruf trug das Motto „Der Geschichte<br />

verpfl ichtet – der Befreiung gedenkend! Nazidemo sabotieren!“ und endete<br />

mit den Parolen „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Deutschland!“.<br />

Tatsächlich gab es eine Auseinandersetzung mit 10 bis 15 „Rechten“ und<br />

es kam zu Versuchen von 50 bis 60 Personen, die Strecke des NPD-Aufzuges<br />

zu blockieren. Anschließend veröffentlichte die „Recherchegruppe<br />

Frankfurt (Oder)“ im Internet über 200 Porträtfotos von Teilnehmern der<br />

NPD-Demonstration. Parallel dazu hielt die „Autonome Antifa Frankfurt<br />

(Oder)“ der Polizei in einer Erklärung vor, „Nazis vor Protest zu schützen“.<br />

Innerhalb der autonomen Szene wird diskutiert und bemängelt, dass Veranstaltungen<br />

und Aktionen im Rahmen ihres „antifaschistischen Kampfes“<br />

oft nur Reaktionen auf Demonstrationen, Versammlungen oder Info-Tische<br />

des politischen Gegners sind. Dies unterstreicht ein Flyer der „Autonomen<br />

Antifa Königs Wusterhausen“ (AAKW) anlässlich einer angemeldeten<br />

NPD-Demonstration am 6. Oktober 2007 in Königs Wusterhausen:<br />

„Um als AntifaschistInnen nicht lediglich den Nazis hinterher zu rennen<br />

und uns von ihnen die Inhalte unserer Aktionen diktieren zu lassen,<br />

werden wir am Vortag des Aufmarsches in KW mit eigenen Inhalten auf<br />

die Straße gehen. Für linke Freiräume und gegen den Leistungsterror<br />

der kapitalistischen Warengesellschaft! Jugendliche brauchen eine<br />

Perspektive, allerdings keine, die auf Arbeitsfetisch, Volksgemeinschaft<br />

und Antisemitismus abzielt. Darum: Für eine revolutionäre Perspektive<br />

– emanzipatorisch und antifaschistisch!“ Gleichzeitig wurde aufgerufen,<br />

am nächsten Tag den „Naziaufmarsch [zu] sabotieren!“.<br />

Auch wenn die autonome Antifa auf Veranstaltungen des politischen Gegners<br />

einerseits oft nur reagiert, agiert sie andererseits ereignisunabhängig<br />

und betreibt verstärkt die so genannte „Antifa-Recherche“. Hierbei werden<br />

politische Gegner gezielt ausgespäht und „geoutet“. Diese Daten fi nden<br />

als „Steckbriefe“ in Publikationen, Flugblättern und im Internet ihren Weg<br />

in die Öffentlichkeit. Solche Informationen können gewalttätigen Aktionen<br />

108


Militanz und Linksextremismus<br />

vorausgehen. Dazu zählt unter anderem das gezielte „Abfackeln“ von<br />

„Nazi“-Kraftfahrzeugen.<br />

Das „Antifaschistische Autorenkollektiv (Westhavelland)“ zeichnet für einen<br />

jährlich erscheinenden regionalen „Jahresrückblick“ verantwortlich. Er<br />

wurde für das Jahr 2006 pünktlich am 1. Januar 2007 im Internet veröffentlicht<br />

(www.westhavelland.antifa.net). Berichtet wird insbesondere über<br />

gegnerische Aktivitäten in Rathenow und Premnitz sowie über Treffpunkte,<br />

Fahrzeuge und Plakate der rechtsextremistischen Szene. Hinzu kommen<br />

Fotos von entsprechend charakterisierten und zugeordneten Personen.<br />

In Frankfurt (Oder) trat eine „Antifaschistische Recherchegruppe Frankfurt<br />

(Oder)“ mit „recherche output“ in Erscheinung. Die Gruppe beabsichtigt,<br />

ihre Publikation unregelmäßig als „Informationsblatt zur Braunzone in der<br />

Region Frankfurt (Oder)“ herauszugeben. Es enthält unter anderem Fotos<br />

mit Namen von vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsextremisten.<br />

Im März 2007 erschien von „recherche output“ die zweite Ausgabe. Darin<br />

wurde über den im „Bereich Frankfurt (Oder) zuständigen NPD-Aktivisten“<br />

und den Stadtteil, in dem er wohnt, berichtet. Einen Monat später, im April<br />

2007, wurden 15 Plakate im Umfeld seiner Wohnung verklebt. Sie trugen<br />

die Aufschrift „Frankfurts neuester Neonazi ..., Mit freundlichen Grüßen<br />

ihre Antifa“. „BeobachterInnen“ veröffentlichten die Plakat-Klebeaktion unter<br />

der Überschrift „NPD-Kader geoutet“ im Internet und forderten: „Ihm<br />

und seiner Arbeit möglichst viele Steine in den Weg zu räumen sollte das<br />

erklärte Ziel lokaler Antifas sein. KEINE RUHE FÜR NEONAZIS - NEO-<br />

NAZIS AUS DER ANONYMITÄT HOLEN“. Wenige Tage später, am 2. Mai<br />

2007, ging das Fahrzeug des NPD-Aktivisten in Flammen auf. Tatverdächtige<br />

konnten bislang nicht ermittelt werden.<br />

Im Juli 2007 veröffentlichte ein „Antifa Recherche Team Teltow-Fläming“<br />

(ART-TF) einen „Antifa Blickpunkt“. Darin wird schwerpunktmäßig die neonazistische<br />

Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ behandelt. Die<br />

Publikation enthüllt aus Antifa-Perspektive rechtsextremistische Aktivitäten<br />

im Norden des Landkreises Teltow-Fläming.<br />

Nach wie vor streben Autonome im Rahmen ihres „antifaschistischen<br />

Kampfes“ nach Bündnissen. Für Linksextremisten ist Bündnispolitik eine<br />

109


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

taktische Methode. Mit ihr wollen sie als Minderheit aus einer Position der<br />

Schwäche heraus versuchen, auf eine Veränderung der politischen Machtverhältnisse<br />

einzuwirken. Sie haben erkannt, dass sich durch Zusammenarbeit<br />

mit zivilgesellschaftlichen Organisationen eigene Positionen politisch<br />

besser vermarkten lassen. Häufi g sind es anlassbezogene Bündnisse, wie<br />

Veranstaltungen gegen NPD-Aktivitäten.<br />

Zwar gelingt es der autonomen Antifa nur schwer, derartige Bündnisse in<br />

ihrem Sinne zu dominieren. Doch eröffnet ihr dieses Vorgehen Möglichkeiten,<br />

das eigene Ansehen bei nicht-extremistischen Bündnispartnern<br />

günstig zu beeinfl ussen und so eine Erosion der Abgrenzung zu bewirken.<br />

Auch ohne zuvor ein Bündnis eingegangen zu sein, nutzen Autonome häufi<br />

g die Gelegenheit, sich an Demonstrationen nicht-extremistischer Organisationen<br />

zu beteiligen. Die bekundete Absicht, friedlich demonstrieren<br />

zu wollen, dient dabei häufi g nur als Vorwand, um eine Gelegenheit für<br />

Gewalttaten zu fi nden. Nicht immer wird die so genannte Kleingruppentaktik<br />

favorisiert. Die andere Taktik, nämlich „Masse zu demonstrieren“,<br />

hat aus Sicht der Szene den Vorteil, mit möglichst vielen Personen gegen<br />

die Teilnehmer rechtsextremistischer Demonstrationen und ebenso gegen<br />

Polizeikräfte vorgehen zu können.<br />

Rechtsextremistische Demonstrationen bieten außerdem Gelegenheit, die<br />

oben genannte Recherchearbeit zu betreiben: „Nazis“ werden fotografi ert<br />

und die Bilder im Internet veröffentlicht, wie nach der NPD-Demonstration<br />

am 27. Januar 2007 in Frankfurt (Oder) geschehen.<br />

110


Militanz und Linksextremismus<br />

Transformationsprozesse: Militanter Öko-Aktivismus<br />

und G8-Proteste<br />

Unter Globalisierung wird der Prozess zunehmender internationaler Verfl<br />

echtung in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Kultur und Kommunikation<br />

verstanden. Dieses gegenseitige globale Durchdringen und Zusammenrücken,<br />

welches beispielsweise Geldtransfer in Echtzeit rund um den<br />

Globus ermöglicht, vollzieht sich nicht überall gleich. Ebenso wirken sich<br />

vorhandene Chancen und Risiken in vielfältiger Weise unterschiedlich aus.<br />

Jedoch: All dies ist nichts Neues. Im Gegenteil. Seit der Mensch Räume<br />

erschlossen, besiedelt und angefangen hat, Handel zu treiben, globalisiert<br />

er sich und damit die Welt. In diesem prozesshaften Lauf der Dinge werden<br />

Dynamik, Strukturen und Mitteleinsatz angepasst, verbessert und so einer<br />

unermüdlichen Modernisierung unterworfen. Individuen, Gesellschaften,<br />

Institutionen, Unternehmen, Kommunikationssysteme und Staaten sind<br />

daran beteiligt. Die Liberalisierung des Welthandels bildet den Rahmen<br />

und bindet in diesen Prozess immer mehr Akteure ein.<br />

Kritiker, Gegner und Skeptiker der Globalisierung fi nden sich im extremistischen<br />

wie im demokratischen Spektrum der Bevölkerung. Im Folgenden<br />

wird nur noch von den extremistischen Globalisierungsgegnern die Rede<br />

sein. Nur sie stehen im Fokus des <strong>Verfassungsschutz</strong>es.<br />

Globalisierung als Thema von Extremisten<br />

Rechtsextremisten verkoppeln wie Linksextremisten ihre Globalisierungsgegnerschaft<br />

mit anti-kapitalistischen und anti-imperialistischen Ideologiefragmenten.<br />

Für beide Lager bietet Globalisierungsgegnerschaft ein<br />

politisch profi tables Betätigungsfeld, in welchem sie ihre extremistischen<br />

Positionen spiegeln, weiterentwickeln und nach Bündnispartnern Ausschau<br />

halten können.<br />

Rechtsextremisten betrachten die von ihnen scharf abgelehnte Migration<br />

als Ergebnis von Globalisierung. Dem setzen sie ihre rassisch homogenen,<br />

kollektivistisch wie hierarchisch durchformten, „Volksgemeinschaften“ entgegen.<br />

Hierzu müssen liberale Marktwirtschaft und Freiheit jedoch einem<br />

autoritären Protektionismus unterworfen werden. Nur so lässt sich nach ihrer<br />

Meinung Wirtschaft „bändigen“ und in eine außenhandelsunabhängige<br />

Nationalökonomie überführen.<br />

111


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Linksextremistische Globalisierungsgegner verstehen soziale Ungleichheit<br />

ausschließlich als Prozess kapitalistischer Reproduktion. Globalisierung<br />

verstärke diese Tendenz zusätzlich. Daher müsse die Grundlage allen<br />

Übels – der Kapitalismus – überwunden werden. Gewalt ist ihrer Meinung<br />

nach hierfür ein legitimes Mittel. Da Linksextremisten nationalstaatlich verfasste<br />

Gesellschaften ebenso überwinden wollen, befürworten sie Migration<br />

im Gegensatz zu Rechtsextremisten.<br />

Im folgenden Abschnitt wird dieses Thema mit Blick auf den Linksextremismus<br />

näher erläutert.<br />

Linksextremisten und Transformationsprozesse<br />

Gerade für Linksextremisten der herkömmlichen kommunistischen Schule<br />

bietet Globalisierungsgegnerschaft ein neues Betätigungsfeld. Der Marxismus-Leninismus<br />

mit seiner radikalen Ablehnung von Liberalismus und<br />

Freiheit lässt sich nunmehr unter leicht verändertem Vorzeichen zur ideologischen<br />

Grundlage der Globalisierungskritik umwandeln und kann in<br />

neuem Gewand erscheinen.<br />

In den letzten Jahren haben Linksextremisten, insbesondere gewaltbereite<br />

Autonome, „Antiglobalisierung“ konsequent zu einem neuen Schwerpunktthema<br />

erhoben. Sie richten ihre Proteste gegen die Symbole der Globalisierung.<br />

Das sind multinationale Konzerne, der Internationale Währungsfonds<br />

(IWF), die Weltbank (WB), die Welthandelsorganisation (WHO) oder<br />

eben Gipfeltreffen der wichtigsten Industriestaaten (G8).<br />

Im Juni 2007 war Deutschland Gastgeber des international bedeutsamen<br />

G8-Gipfels. Die Repräsentanten der acht wirtschaftlich bedeutendsten<br />

Staaten trafen sich in Heiligendamm. Schon gut zwei Jahre vor dem Gipfeltreffen<br />

hatten autonome Gruppen mit den Planungen einer möglichst breit<br />

angelegten Mobilisierungskampagne begonnen. Es blieb aber nicht nur bei<br />

Informations- und Mobilisierungsveranstaltungen sowie publizistischen Aktivitäten<br />

gegen den Gipfel. Seit Juli 2005 wurden zahlreiche Brandanschläge<br />

auf Fahrzeuge, Firmengebäude und staatliche Stellen verübt.<br />

Die Akteure dieser begleitenden „militanten Kampagne“ stellten in Taterklärungen<br />

einen Bezug zwischen ihren Aktionen und dem G8-Gipfel her.<br />

(siehe Seiten 132 ff.)<br />

112


Militanz und Linksextremismus<br />

Linksextremisten wissen, dass sie in der Gesellschaft nur eine kleine und<br />

zunehmend isolierte Gruppe darstellen. Deshalb sind sie stets auf der<br />

Suche nach Bündnispartnern. Breiter angelegte Proteste eröffnen ihnen<br />

Möglichkeiten, diese Isolation zumindest zeitweilig zu überwinden und Anhänger<br />

zu gewinnen.<br />

Globalisierungsfeindliche Netzwerke<br />

Zur Durchführung der Antiglobalisierungskampagne gegen den G8-Gipfel<br />

initiierten Linksextremisten drei bundesweite Netzwerke:<br />

- die Internet-Vernetzung „Dissent!“<br />

- die „Interventionistische Linke“ (IL)<br />

- das „Revolutionäre G8-Bündnis“.<br />

Maßgeblich bestimmten „Dissent!“ und IL die Vorbereitungen der Gipfelproteste.<br />

Während „Dissent!“ darauf bedacht war, möglichst nur linksextremistische<br />

Gruppierungen zu vereinen, strebte die IL ein möglichst breites<br />

Bündnis unter Einschluss großer Teile des bürgerlichen Protestspektrums<br />

an. „Dissent!“ befürchtete, dass antidemokratische Positionen in einem<br />

breiten Bündnis nicht durchsetzbar wären; der IL hingegen ging es darum,<br />

eine möglichst große Zahl von Protestteilnehmern zu bündeln. Das kleinere<br />

„Revolutionäre G8-Bündnis“ bildete sich ausschließlich aus extremistischen<br />

antiimperialistischen Gruppen. Es nannte sich später „Anti-G8-Bündnis für<br />

eine revolutionäre Perspektive“ und hat sein linksextremistisches Ziel, die<br />

Überwindung der Demokratie, am deutlichsten formuliert.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> haben alle drei bundesweiten Vernetzungen keinen nennenswerten<br />

Einfl uss auf Globalisierungsgegner gewinnen können. Relativ<br />

spät gründete sich das „Bündnis gegen Kapital und Nation“, auch „...ums<br />

Ganze!“-Bündnis genannt. In ihm kamen die antideutschen Strömungen<br />

des Linksextremismus zusammen. Aus <strong>Brandenburg</strong> war der Arbeitskreis<br />

„AK Antifa Potsdam“ daran beteiligt. Und schließlich konstituierte sich noch<br />

das „Antifaschistische und Antiimperialistische Aktionsbündnis gegen die<br />

G8“. In ihm wirkten mehrheitlich deutsche und ausländische marxistischleninistische<br />

Parteien und maoistische Gruppen zusammen.<br />

Es dauerte Monate, bis sich alle an der Vorbereitung der G8-Proteste<br />

beteiligten Gruppen nach mehreren Konferenzen auf eine „Gesamtcho-<br />

113


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

reographie der Proteste“ geeinigt hatten. Ein ursprünglich geplantes Gesamtbündnis<br />

war nicht zustande gekommen, denn bis zuletzt gab es zwischen<br />

den verschiedenen Gruppen unüberbrückbare Differenzen. Deshalb<br />

wurde der endgültige Terminplan der Gipfelgegner für die „Aktionswoche“<br />

erst relativ spät verabschiedet. Sichtbarer Ausdruck der Differenzen und<br />

Eigeninteressen ist auch, dass die Gruppen der Gipfelgegner bei der „Internationalen<br />

Großdemonstration“ in Rostock zum Teil zwei unterschiedliche<br />

Routen zurücklegten.<br />

Um das hochgesteckte Ziel von „über 100.000 Teilnehmern“ an der Großdemonstration<br />

gegen den G8-Gipfel in Rostock zu erreichen, kam es zu<br />

deutschlandweiten Mobilisierungsveranstaltungen. Unterstützt wurde die<br />

Mobilisierungskampagne durch Aktionen an zahlreichen Orten. Ziel dieser<br />

zahlreichen Aktivitäten war es, möglichst viele Menschen, die kritisch zur<br />

Globalisierung stehen, zur Großdemonstration und zu weiteren Protestaktionen<br />

nach Mecklenburg-Vorpommern zu bewegen. Mit dieser breit<br />

angelegten, teilweise von Linksextremisten verantworteten Kampagne,<br />

versuchten diese, dem Ziel „vom Protest zur Gegenmacht“ näher zu kommen.<br />

Auftaktveranstaltungen in <strong>Brandenburg</strong><br />

Einige bedeutende Auftaktaktionen der Globalisierungsgegner ereigneten<br />

sich in <strong>Brandenburg</strong>. Anlass dafür boten die drei wichtigsten Vorbereitungskonferenzen<br />

für den G8-Gipfel: das Treffen der G8-Umweltminister<br />

im März 2007 sowie die Treffen der G8-Finanzminster und G8-Außenminister<br />

im Mai 2007. Sie fanden in Potsdam und Umgebung statt.<br />

Zur Planung der Proteste gegen diese G8-Vorbereitungskonferenzen trat<br />

am 22. Februar 2007 ein regionales „Anti-G8-Bündnis Potsdam“ an die<br />

Öffentlichkeit. Es umfasste neun Partner, darunter die linksextremistischen<br />

Organisationen „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP), „Freie Arbeiterinnen<br />

und Arbeiter Union – Internationale Arbeiter Assoziation“ (FAU-IAA),<br />

und „Revolutionär Sozialistischer Bund / IV. Internationale“ (RSB) sowie<br />

autonome Gruppen, bei denen linksextremistische Tendenzen nachweisbar<br />

sind.<br />

114


Militanz und Linksextremismus<br />

Am 17. März 2007 organisierte dieses Bündnis in Potsdam einen Aufzug<br />

unter dem Motto „Gemeinsam die Welt zerstören, den G8 unter die Arme<br />

greifen“. Zeitlich fi el die Demonstration etwa mit dem Abschluss der G8-<br />

Umweltministerkonferenz zusammen. Eine Auftaktkundgebung fand nicht<br />

statt. Zu Beginn des Aufzugs beteiligten sich etwa 120 Personen. Während<br />

der Demonstration erhöhte sich die Zahl der teilweise kostümierten und<br />

maskierten Teilnehmer auf etwa 300. Der Veranstalter sprach von über<br />

500 Personen.<br />

Am 19. Mai 2007 führte das „Anti-G8-Bündnis Potsdam“ auf dem Potsdamer<br />

Bassinplatz ein Open-Air-Konzert durch. Es war als Protestveranstaltung<br />

gegen das Vorbereitungstreffen der G8-Finanzminister in Petzow bei<br />

Potsdam konzipiert. Plakate mit der Überschrift „G(8)IPFELSTURM“ und<br />

Hinweise auf entsprechenden Seiten im Internet luden zu dem fast ganztägigen<br />

„Event“ ein. Insgesamt elf Potsdamer Initiativen boten an Ständen,<br />

in Diskussionen und weiteren Aktionen Informationen zum G8-Gipfel in<br />

Heiligendamm sowie zu den dort geplanten Protestaktionen an. Die Angaben<br />

zu den Teilnehmerzahlen variieren stark: Während die Presse von bis<br />

zu tausend Teilnehmern sprach, verkündete der Veranstalter zweitausend<br />

Teilnehmer.<br />

Unter dem Motto „Außenministerinnen ... treffen. Gegen G8, Ausbeutung,<br />

Kapitalismus und Krieg“ fand am 30. Mai 2007 in Potsdam eine zweistündige<br />

Demonstration des „Anti-G8-Bündnisses Potsdam“ statt. Sie begann<br />

mit etwa 530 Teilnehmern am Hauptbahnhof und endete nach Zwischenkundgebungen<br />

und ohne eine besondere Abschlusskundgebung mit etwa<br />

600 Teilnehmern am Potsdamer Neuen Garten. Am Rande und unmittelbar<br />

nach dem Ende der Demonstration kam es zu Fällen von versuchter Körperverletzung,<br />

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und zwei Sachbeschädigungen.<br />

Im Vorfeld dieser Demonstration und des bevorstehenden G8-Gipfels wurde<br />

vom 24. bis 31. Mai 2007 in Potsdam eine Veranstaltungsreihe unter<br />

dem Motto „Alles nur Zirkus“ abgehalten. In einem kleinen Zirkuszelt auf<br />

dem Bassinplatz fanden laut Ankündigung „Diskussionen, Infos und Kulturprogramm<br />

zum Gipfel der G8 und aktueller sozialer Kämpfe“ statt.<br />

Abgesehen von den oben beschrieben Aktionen wurde <strong>Brandenburg</strong> auch<br />

zum Transitland für Gipfelgegner. Als symbolische Akte der Einbindung<br />

sowohl ost- als auch westeuropäischer Globalisierungsgegner und als ein<br />

115


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

weiteres Mobilisierungsmittel gegen den G8-Gipfel ersannen die Organisatoren<br />

„Fahrradkarawanen“ sowie „Euromärsche“. Die Strecken, die in<br />

Ungarn, Polen und Belgien begannen, waren so ausgelegt, dass die meisten<br />

Teilnehmer um den 1. Juni 2007 die Wittstock-Ruppiner Heide (das so<br />

genannte „Bombodrom“ passieren und zur Großdemonstration am 2. Juni<br />

2007 Rostock erreichen würden. Die Fahrradkarawanen bestanden aus<br />

jeweils etwa 20 Teilnehmern. Den von den Organisatoren erwünschten<br />

Effekt erzielten sie jedoch nicht, da sie von der Öffentlichkeit mehr oder<br />

weniger ignoriert wurden.<br />

Die „Gesamtchoreographie der Proteste“ stellte jeden Tag der „Aktionswoche“<br />

vom 1. bis 8. Juni 2007 unter ein besonderes Thema. Einige Themen,<br />

wie „Migration“, der Aktionstag „Gegen Militarismus, Krieg und Folter“ oder<br />

der „Internationale G8-Alternativkongress“, boten gewalttätigen Globalisierungsgegnern<br />

kaum Ansatzpunkte, so dass sie im Wesentlichen friedlich<br />

verliefen. Andere dagegen, wie der „Bombodrom“-Aktionstag, die „Internationale<br />

Großdemonstration“, der „Aktionstag Globale Landwirtschaft & G8“<br />

und die Blockaden, gaben Randalierern Anlass für Gewalt.<br />

1. Juni 2007: „Bombodrom“-Aktionstag<br />

Ein eher der Friedensbewegung zuzurechnendes Bündnis „No War – No<br />

G8“ rief für den 1. Juni zu einer „Besiedelung“ des „Bombodroms“ auf. Das<br />

Motto des Bündnisses „Von der Heide bis zum Strand“ beabsichtigte, einen<br />

„Zusammenhang zwischen den geplanten Kriegsübungen in der Heide<br />

und denen, die über die nächsten Kriege entscheiden“ herzustellen. Es<br />

war geplant, „eine in ein antimilitaristisches Rosa getauchte Zielpyramide<br />

vom „Bombodrom“ nach Heiligendamm zu bringen“.<br />

Mehrere Hundert Demonstranten betraten das von der Bundeswehr gesperrte<br />

Gelände, erklärten es für besetzt und strichen einen ehemaligen<br />

Kommandoturm in einem rosa Farbton an. Die von Bürgerbewegungen<br />

getragene Veranstaltung verlief friedlich. Linksextremisten gelang es nicht,<br />

die demokratische Bürgerbewegung zu unterlaufen und für ihre Zwecke zu<br />

missbrauchen.<br />

Unmittelbar vor dem G8-Gipfel fand in Hamburg das „Asien-Europa-Treffen“<br />

(ASEM) statt. An der gegen das Gipfeltreffen gerichteten Demonstration<br />

eines „Bundesweiten Bündnisses gegen EU und G8-Gipfel“ betei-<br />

116


Militanz und Linksextremismus<br />

ligten sich am 28. Mai 2007 in Hamburg rund 4.000 Personen. Darunter<br />

waren etwa 2.000 Linksextremisten. Von den ungefähr 500 Angehörigen<br />

des „Schwarzen Blocks“ gingen erhebliche Störungen aus. Selbst nach<br />

der Aufl ösung der Demonstration verübten militante Störergruppen in<br />

Kleingruppentaktik erhebliche Angriffe gegen die Polizei. Linksextremisten<br />

bezeichneten die Auseinandersetzungen später als „Warmlaufen für den<br />

G8-Gipfel“.<br />

2. Juni 2007: „Internationale Großdemonstration“<br />

Am 2. Juni 2007 fand in Rostock die „Internationale Großdemonstration“<br />

der Globalisierungsgegner unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich!“<br />

statt. An ihr beteiligten sich etwa 30.000 Personen. Der Veranstalter<br />

sprach von 60.000 bis 80.000. Er hatte ursprünglich mit „über 100.000 Teilnehmern“<br />

gerechnet.<br />

Auch aus Potsdam und Südbrandenburg waren zahlreiche Globalisierungsgegner<br />

mit mehreren gecharterten Bussen nach Rostock gereist. Auf<br />

diese Transfers griffen demokratische wie linksextremistische Globalisierungsgegner<br />

gleichermaßen zurück.<br />

Zwei Demonstrationszüge bewegten sich aus unterschiedlichen Richtungen<br />

durch die Rostocker Innenstadt zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung.<br />

In einem der beiden Demonstrationszüge hatten sich etwa<br />

2.000 gewaltbereite, schwarz gekleidete Teilnehmer schon bald vermummt<br />

und zu einem „Schwarzen Block“ formiert. Steine wurden auf ein Sparkassengebäude<br />

und ein Hotel geworfen. Nachdem Demonstrationsteilnehmer<br />

ein Polizeifahrzeug massiv angegriffen und die Beamten erheblich verletzt<br />

hatten, eskalierten die Übergriffe. Fahrzeuge von Anwohnern wurden umgestürzt<br />

und in Brand gesetzt, Polizeibeamte mit Pfl astersteinen, Flaschen<br />

und Molotow-Cocktails beworfen. Es gelang der Polizei erst mit einem<br />

deutlichen Kräfteeinsatz, die Lage zu beruhigen. Bei den Ausschreitungen<br />

wurden über 400 Polizeibeamte und etwa 500 Demonstranten verletzt.<br />

Unter den ermittelten Tatverdächtigen war auch ein 18-jähriger Globalisierungsgegner<br />

aus dem Land <strong>Brandenburg</strong>. Er warf während der gewalttätigen<br />

Übergriffe am 2. Juni 2007 in Rostock einen faustgroßen Stein gezielt<br />

in Richtung der Polizeibeamten. Das Ermittlungsverfahren erstreckt sich<br />

auf den Verdacht des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs<br />

und der gefährlichen Körperverletzung.<br />

117


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Nach den Ereignissen distanzierten sich die meisten an der Demonstration<br />

beteiligten Gruppen – mit Ausnahme des linksextremistischen „...ums Ganze!“-Bündnis<br />

– von den Gewaltexzessen.<br />

Die Auseinandersetzungen in Rostock haben den so genannten „Schwarzen<br />

Block“ wieder in das öffentliche Interesse gerückt. Der „Schwarze<br />

Block“ ist keine Organisation. Er besitzt weder Struktur noch Hierarchie<br />

oder einheitliche Ideologie. Ihn eint lediglich die „Aktionsform“, also die Bereitschaft<br />

zu Gewalt. Schwarze Kleidung, Maskierung und ein entpersonifi<br />

ziertes Gehabe täuschen eine organisatorische und ideologische Einheit<br />

vor, die in Wirklichkeit nicht existiert. Mitmachen kann praktisch jeder, der<br />

den Kleidercodex und die Gewaltbereitschaft erfüllt. Der Altersdurchschnitt<br />

liegt mit etwa 16 bis 26 Jahren deutlich unter dem der sonstigen Demonstrationsteilnehmer.<br />

Da im „Schwarzen Block“ fast ausschließlich Autonome und Anarchisten<br />

agieren, welche sich selbst als antiautoritär betrachten, fehlen klaren Führungsstrukturen.<br />

Gewaltsam wird dafür ‚das Außenstehende’ bekämpft. So<br />

kippt die angebliche Antiautorität schnell in brutales Verhalten um. Jeder<br />

Widerspruch wird von den Angehörigen des „Schwarzen Blocks“ als Provokation<br />

aufgefasst und dient als Vorwand für weitere Gewaltexzesse.<br />

Ihre Gewalttaten gegen politisch anders denkende Menschen sind häufi g<br />

mit Alkoholkonsum verbunden, wobei die geleerten Flaschen zusätzliche<br />

Wurfgeschosse liefern.<br />

3. Juni: „Aktionstag Globale Landwirtschaft & G8“<br />

Kampagnen gegen den legalen Anbau von gentechnisch veränderten<br />

Pfl anzen stehen dann im Konfl ikt mit der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung, wenn Linksextremisten diese für gewalttätige Aktionen instrumentalisieren<br />

und für sich beanspruchen, Recht und Gewalt selbst in<br />

die Hand zu nehmen.<br />

Beispielsweise kommen bei so genannten „Feldbefreiungen“ entsprechende<br />

genveränderte Anpfl anzungen großfl ächig zu Schaden. Maispfl anzen<br />

werden sogar mit Pfl astersteinen oder Eisenstangen präpariert, um<br />

die Erntemaschinen der Bauern zu beschädigen. „Feldbefreiungsaktionen“<br />

werden in der Regel von den jeweiligen Initiativen im Internet angekündigt.<br />

Regelmäßig leisten einige Aktivisten Widerstand gegenüber der Polizei.<br />

118


Militanz und Linksextremismus<br />

<strong>Brandenburg</strong> ist das Bundesland mit der größten Anbaufl äche für Genmais<br />

in der Bundesrepublik. Angemeldet sind 1.371 Hektar, das sind 49 Prozent<br />

der gesamten Genmais-Anbaufl äche in Deutschland. Aktivitäten der Gentechnik-Gegner<br />

sind in <strong>Brandenburg</strong> daher besonders ausgeprägt. Viele<br />

„Feldbefreier“ kommen aus anderen Bundesländern, wie aus einer Bekennerliste<br />

(„Wir sind freiwillige Feldbefreier. Wir reißen gewaltfrei Gendreck<br />

aus.“) unter der Internetadresse www.gendreck-weg.de hervorgeht.<br />

Das linksextremistische Netzwerk „Dissent!“ führte am 3. Juni 2007 den<br />

„Aktionstag globale Landwirtschaft & G8“ durch. Die Untergruppierung<br />

„Aktionsnetzwerk globale Landwirtschaft“ setzt sich weltweit „für den Kleinbauern<br />

und gegen Großgrundbesitzer sowie landwirtschaftliche Konzerne“<br />

ein. Die im Rahmen des Aktionstages in Rostock durchgeführte friedliche<br />

Demonstration mit etwa 1.000 Teilnehmern verlief weitgehend ohne Zwischenfälle.<br />

Allerdings war am selben Morgen in Strasburg (Mecklenburg-<br />

Vorpommern) ein Feld mit gentechnisch veränderten Maispfl anzen von<br />

unbekannten Tätern „abgeerntet“ – das heißt zerstört – worden.<br />

Bereits vor dem G8-Gipfel war es vor allem<br />

in <strong>Brandenburg</strong> zu gewalttätigen Handlungen<br />

gekommen, die Zerstörungen von<br />

Feldern mit Genmaispfl anzen nach sich<br />

zogen. Schon im Januar 2007, als vor dem<br />

Amtsgericht Zehdenick die Sachbeschädigungen<br />

vom 2006er „Gentechnikfreien Wochenende“<br />

verhandelt wurden, ereigneten<br />

sich im Vorfeld des Prozesses zahlreiche<br />

Schmierereien auf den benachbarten Straßen.<br />

Das Gerichtsgebäude selbst wurde mit<br />

Buttersäure und Farbe angegriffen.<br />

Eine besonderes Zeugnis ihrer Militanz hatten Genmais-Gegner bereits<br />

im September 2006 gegeben, als sie an vier Firmen-LKW der Märkischen<br />

Kraftfutter GmbH (Märka) in Eberswalde Brandsätze anbrachten, die aber<br />

aus technischen Gründen nicht zündeten. In dem mit „Autonome Gruppen“<br />

unterzeichneten Bekennerschreiben wiesen die Täter auf die Geschäftsbeziehungen<br />

von Märka zu dem amerikanischen Genmais-Konzern Monsanto<br />

hin. Im Hinblick auf den damals bevorstehenden G8-Gipfel wurden weitere<br />

Aktionen angekündigt.<br />

119


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Die umfangreichste Aktion der Genmais-Gegner – ein „Genfreies Wochenende“<br />

– wurde erst nach dem G8-Gipfel am 21. und 22. Juli 2007<br />

durchgeführt. Annähernd 300 „Unterstützer“ sowie etwa 200 „Feldbefreier“<br />

bekannten sich zuvor im Internet zur Teilnahme. Bei der Aktion nahm<br />

die Polizei 66 Personen in Gewahrsam. Ein weiteres Mal missbrauchten<br />

Personen aus dem linksextremistischen Spektrum demokratischen Protest<br />

gegen Gentechnik, indem sie zur Gewalt aufriefen.<br />

6. bis 8. Juni 2007: „Blockaden“<br />

Nach den Planungen der Globalisierungsgegner sollte der Flughafen Rostock-Laage<br />

am 6. Juni von mehreren Tausend Teilnehmern blockiert und<br />

die Ankunft der Regierungsdelegationen zum G8-Gipfel behindert werden.<br />

Tatsächlich fand sich jedoch nur eine bedeutend kleinere Zahl von Gipfelgegnern<br />

am Flughafen ein, so dass es nicht zu ernsthaften Störungen<br />

kam. Andere Gipfelgegner versuchten, die Verkehrsanbindung des Flughafens<br />

zu stören.<br />

Ebenfalls am 6. Juni 2007 überstiegen Globalisierungsgegner in der Nähe<br />

von Laage (Mecklenburg-Vorpommern) den Wildzaun an der Autobahn 19,<br />

den sie dabei erheblich beschädigten, und betraten die Autobahn. Dadurch<br />

kam der Fahrzeugverkehr zum Erliegen. Einige Personen konnten vorläufi<br />

g festgenommen werden. Darunter befand sich auch ein 18-jähriger Tatverdächtiger<br />

aus <strong>Brandenburg</strong>.<br />

120


Militanz und Linksextremismus<br />

Eine weitere Strategie der Gipfelgegner bestand darin, die Infrastruktur<br />

des Gipfeltreffens zu stören. Die Verkehrswege nach Heiligendamm<br />

sollten unterbrochen werden, um die Versorgung der Delegationen empfi<br />

ndlich zu stören, Versorgungsmittel, Dienstleistende und Dolmetscher<br />

sollten nicht an den Tagungsort gelangen. Militante Globalisierungsgegner<br />

errichteten am 7. Juni 2007 auf der Landstraße 11 zwischen Kühlungsborn<br />

und Jennewitz (Mecklenburg-Vorpommern) eine Straßensperre, so dass<br />

Rettungsfahrzeuge nicht mehr hindurch kamen. Vor dem Zugriff der Polizei<br />

zündeten sie die Barrikade an und fl üchteten. Unter den ermittelten Tatverdächtigen<br />

waren auch fünf <strong>Brandenburg</strong>er im Alter von 18 bis 25 Jahren.<br />

Am 7. Juni 2007 wurde in Wittenbeck (Mecklenburg-Vorpommern) eine<br />

Zufahrtsstraße für Einsatzkräfte nach Hinter Bollhagen blockiert. Zu den<br />

beteiligten Personen gehörten auch drei <strong>Brandenburg</strong>er im Alter von 20 bis<br />

24 Jahren. Sie hielten sich in der gerichtlich festgelegten Versammlungsverbotszone<br />

auf, saßen auf der Fahrbahn und hatten neben sich große<br />

Steine positioniert. Nach mehreren Ansprachen durch die Polizei begaben<br />

sie sich allerdings friedlich auf die Grünfl ächen neben der Fahrbahn.<br />

Die linksextremistischen Gegner des G8-Gipfels haben ihr Blockade-Ziel<br />

nicht erreicht. Das Medieninteresse am Thema Antiglobalisierung verebbte<br />

im Verlauf des Gipfels und der Krawalle schneller, als es sich die militanten<br />

Gipfelgegner wünschten. Die Gründe dafür können sogar in der Gewalt<br />

selbst zu fi nden sein.<br />

Ursprünglich hatten sich extremistische Globalisierungsgegner einen Sympathiegewinn<br />

und Mitgliederzulauf erhofft. Dazu ist es nicht gekommen.<br />

Die Zahl der im Zusammenhang mit den Gipfelprotesten ermittelten gewalttätigen<br />

Linksextremisten entspricht der von den Sicherheitsbehörden<br />

zuvor prognostizierten Zahl. Demnach konnte der linksextremistische Flügel<br />

der Anti-G8-Bewegung durch die Proteste keinen wesentlichen Zulauf<br />

verbuchen. Insofern dürfte sich auch die Zahl der Linksextremisten insgesamt<br />

durch diese Ereignisse nicht erhöht haben.<br />

Nachbereitungstreffen von Globalisierungsgegnern zeigen, wie sehr sie<br />

dies – neben materiellen Sorgen – schmerzt. Zudem ist es ihnen nicht<br />

gelungen, die Antiglobalisierungsbewegung als permanente Kampagne zu<br />

installieren. Dies belegt auch die geringe Resonanz, mit der das Thema<br />

schon wenige Monate nach dem Gipfel beim „2. Sozialforum in Deutschland“<br />

vom 18. bis 21. Oktober 2007 in Cottbus aufgenommen wurde.<br />

121


Ausblick<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Eine zentrale Rolle dürfte den Kommunalwahlen 2008 in <strong>Brandenburg</strong><br />

zufallen: Die autonome Antifa wird Auftritte rechtsextremistischer Parteien<br />

und Personen öffentlichkeitswirksam mit militanten Aktionen stören, um<br />

ihren „antifaschistischen Kampf“ fortzuführen. Zusammenstöße zwischen<br />

Rechts- und Linksextremisten sind zu erwarten.<br />

Mit der stagnierenden Anhängerschaft der autonomen Antifa dürfte sich<br />

allerdings für sie die Frage stellen, wie zukünftig die Bandbreite zwischen<br />

direkten Aktionen und Demonstrationen gegen den politischen Gegner,<br />

„Antifa-Recherche“ sowie Zusammenarbeit in Bündnissen ausgefüllt werden<br />

kann. Für Autonome wird das Aktionsfeld „Antifaschismus“ weiterhin<br />

der Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit bleiben. Auch künftig ist mit tätlichen<br />

Angriffen gegen den tatsächlichen oder vermeintlichen politischen<br />

Gegner zu rechnen. Dies kann sowohl spontan bei geeigneter Überzahl<br />

von ‚Antifas gegenüber Nazis’ erfolgen, als auch geplant im Rahmen von<br />

gezielten Überfällen oder Demonstrationen von Rechtsextremisten.<br />

Die autonome Antifa wird – wie in den vergangenen Jahren – den zur<br />

Gewährleistung des Versammlungsrechts und zur Unterbindung von militanten<br />

„Links-Rechts“-Auseinandersetzungen eingesetzten Polizeikräften<br />

aggressiv entgegentreten. Dem politischen Gegner wird das Demonstrationsrecht<br />

vollkommen abgesprochen und zur Selbsthilfe gegriffen. Da der<br />

eigentliche politische Gegner bei Demonstrationen oft nicht erreichbar ist,<br />

werden die Polizisten als „Handlanger der Nazis“ diffamiert und so zum<br />

Ersatzziel von Attacken. Zusätzlich wird die Behauptung in den Raum gestellt,<br />

staatliche Stellen sympathisierten mit Rechtsextremisten. Ebenso<br />

gehört es zum üblichen Argumentationsmuster von Linksextremisten, polizeiliche<br />

Maßnahmen regelmäßig als unverhältnismäßig zu verunglimpfen.<br />

Auch und gerade weil der Mobilisierungsversuch der „mg“, im Hinblick auf<br />

den G8-Gipfel die „militante Option zu forcieren“, 2007 nicht die gewünschte<br />

Resonanz fand, ist mit nachgeahmten Anschlägen seitens militanter<br />

Kampagnen zu rechnen.<br />

Im Jahr 2007 wurden „Antifa-Recherchen“ intensiver betrieben, dies dürfte<br />

sich in der Vorbereitung der Kommunalwahlen weiter verstärken. Deshalb<br />

werden sich vermehrt „Antifa-Recherche-Gruppen“ bilden, um in ihren Regionen<br />

vermeintliche oder tatsächliche Rechtsextremisten zu „outen“, das<br />

122


Militanz und Linksextremismus<br />

heißt öffentlich bloßzustellen. Manche der von der „Antifa-Recherche“ bislang<br />

ins Visier genommenen NPD-Aktiven betätigen sich zudem über ihre<br />

Region hinaus. Insofern wird die Vernetzung von Antifa-Recherche-Gruppen<br />

untereinander und überregional forciert. Via Internet haben Autonome<br />

kürzlich angekündigt, ihre Aktionen gegen Läden, die Devotionalien der<br />

rechtsextremistischen Szene verkaufen, fortzusetzen.<br />

Die weitere Stagnation der altkommunistischen Parteien wie der DKP und<br />

KPD in <strong>Brandenburg</strong> ist absehbar. Bei den brandenburgischen Kommunalwahlen<br />

2008 werden sie kaum eine Rolle spielen. Die aussichtslose<br />

Position drängt diese Parteien in Bündnisse: Im Vorfeld des G8-Gipfels in<br />

Heiligendamm schlossen sich in Potsdam verschiedene Globalisierungskritiker<br />

zu einem Anti-G8-Bündnis zusammen; welches im November 2007<br />

fortgeschrieben wurde. Die „Autonome Antifaschistische Linke Potsdam“<br />

(AALP), der „Revolutionär Sozialistische Bund“ (RSB) und die „Deutsche<br />

Kommunistische Partei“ (DKP) sowie weitere Gruppen bilden nun das „Antikapitalistische<br />

Bündnis Potsdam“.<br />

Linksextremistische Globalisierungsgegner verklären in „Nachbereitungstreffen“<br />

zum G8-Gipfel 2007 ihre Protestaktionen und versuchen in Bündnissen,<br />

das Thema „Antiglobalisierung“ als eine ständige Kampagne zu<br />

installieren. Sie sind bestrebt, die im Vorfeld zu Heiligendamm mit den<br />

bürgerlichen Globalisierungsgegnern eingegangenen Bündnisse fortzusetzen.<br />

Da für die meisten extremistischen Globalisierungsgegner die Teilnahme<br />

an Aktionen gegen den G8-Gipfel 2008 in Japan aus fi nanziellen<br />

Gründen nicht in Frage kommt, werden sie ihre globalisierungskritischen<br />

Aktionen auf Europa beschränken.<br />

Ein weiteres von Linksextremisten als kampagnenfähig eingeschätztes<br />

Themenfeld ist der Kampf gegen Gentechnik. <strong>Brandenburg</strong>, das Bundesland<br />

mit dem größten Anteil von Feldern gentechnisch veränderter Pfl anzen,<br />

ist besonders geeignet, um Globalisierungskritik und Anti-Gentechnik<br />

zu verknüpfen. International agierende Konzerne, die die Gentechnikforschung<br />

in <strong>Brandenburg</strong> betreiben, werden ebenso zum Angriffsobjekt für<br />

Sachbeschädigungen wie die Felder von einzelnen Bauern. Auch 2008<br />

wird es neben anderen Protestaktionen ein „gentechnikfreies Wochenende“<br />

geben. Es ist zu erwarten, dass erneut der legitime Protest gegen die<br />

Gentechnik durch Personen aus dem linksextremistischen Spektrum zu<br />

gewalttätigen Handlungen missbraucht wird.<br />

123


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

124


Islamisten und religiös motivierter Terrorismus<br />

BEDROHUNG DER FREIHEIT DURCH<br />

ISLAMISTEN UND RELIGIÖS<br />

MOTIVIERTEN TERRORISMUS<br />

Islamismus und Konvertiten - Herausforderung für<br />

die Sicherheitsbehörden<br />

Islamisten lehnen einen weltlichen Staat ab. Denn er basiere auf Gesetzen,<br />

die von Menschen geschaffen sind, was ihnen, so die Islamisten, jedoch<br />

nicht zustehe. Gesetze können nur von Allah kommen. Demokratischem<br />

Parlamentarismus, unabhängigen Gerichten und allen anderen Kernelementen<br />

der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wird somit<br />

schlichtweg die Legitimität entzogen. Obwohl die Idee der Untrennbarkeit<br />

von Religion und Staat allen Islamisten gemein ist, kann man keineswegs<br />

von einer „Islamistischen Internationale“ oder gar einer homogenen Gruppe<br />

sprechen. Auch die Gründe für terroristische Anschläge, die in Bekennerschreiben<br />

zum Ausdruck kommen, sind höchst unterschiedlicher Natur.<br />

So behauptete Aiman Zawahiri beispielsweise, dass die Anschläge vom<br />

11. September 2001 die „Produkte des Westens seien, die von den Mujaheddin<br />

lediglich zurückgeschickt wurden“ und inszeniert sich damit in einer<br />

Opferrolle. Eine ähnliche Position nehmen die Trolley Bomber von Koblenz<br />

ein. Sie behaupten, ihnen seien psychische Verletzungen durch die Veröffentlichung<br />

der Mohamed Karikaturen zugefügt worden.<br />

Hier wird deutlich, dass es sich beim Islamismus nicht um eine einheitliche<br />

Bewegung mit klaren politischen Zielen handelt, sondern um ein vages Ideengebilde,<br />

das als einziges gemeinsames Element nur den Hass auf die<br />

„Ungläubigen“ hat. Dass weltweit zahlreiche islamistische Terrornetzwerke<br />

existieren, belegen die zahlsreichen Verhaftungen nahezu überall in Europa.<br />

Auch für Deutschland ist dies mit einer konstanten Bedrohung verbunden.<br />

Mittlerweile wird Deutschland in den Videobotschaften der Terroristen<br />

explizit aufgeführt. Als Grund hierfür wird die Beteiligung der Bundeswehrsoldaten<br />

im Rahmen internationaler Einsätze angegeben. Der Einsatz in<br />

Afghanistan gegen den internationalen Terrorismus wird als Kampf gegen<br />

den Islam bewertet. Deutschland selbst wird zum potentiellen Anschlagsziel.<br />

Dabei ist es äußerst schwierig, die Bedrohung auszumachen. Einer-<br />

125


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

seits sickern ausländische Terroristen nach Deutschland ein. Andererseits<br />

entsteht zusehends auch ein so genannter „Homegrown Terrorism“, also<br />

Terroristen, die sich erst in Deutschland radikalisiert haben. Dabei handelt<br />

es sich nicht nur um Personen mit Migrationshintergrund, sondern auch<br />

um westlich sozialisierte Islam Konvertiten.<br />

Am 4. September 2007 wurden in Medebach-Oberschlehdorn, einem kleinen<br />

Dorf im nordrhein-westfälischen Hochsauerlandkreis, drei junge Männer<br />

festgenommen. Sie hatten sich dort ein Wochenendhaus gemietet. In<br />

der Abgeschiedenheit eines Ferienortes bereiteten sie Terroranschläge in<br />

Deutschland vor. Sicherheitsbehörden hatten die Männer schon seit Monaten<br />

unter Beobachtung. Auch der Ankauf von über 500 Litern dreißigprozentigem<br />

Wasserstoffperoxyd blieb den Beobachtern nicht verborgen.<br />

In solch hoher Konzentration lässt sich damit Sprengstoff herstellen. Die<br />

Kanister waren in einer abgelegenen Garage zwischengelagert.<br />

Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit verschiedener Sicherheitsbehörden<br />

konnten geplante Anschläge verhindert werden. Die mutmaßlichen<br />

Täter gingen der Polizei ins Netz. Es muss aber nicht immer gelingen,<br />

Anschlagsvorbereitungen rechtzeitig zu erkennen. Dass terroristisches<br />

Potential auch in Deutschland vorhanden ist, hat sich in den letzten Jahren<br />

immer häufi ger gezeigt. Die Täter der Anschläge auf die Zwillingstürme<br />

des New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 hatten unentdeckt<br />

in Deutschland gelebt und auch von hier aus ihren tausendfachen<br />

Massenmord vorbereitet.<br />

Mittlerweile rücken weniger symbolträchtige Orte, die nicht nur in Ballungszentren<br />

liegen, verstärkt ins Blickfeld terroristischer Bedrohung. Zu diesen<br />

so genannten „weiche Zielen“ gehören Züge oder kleinere Flughäfen,<br />

die sich nicht fl ächendeckend überwachen lassen. Das Ausweichen auf<br />

„weiche Ziele“ hängt vor allen mit der Entwicklung des islamistischen Terrorismus<br />

zu unabhängig agierenden Kleinstzellen zusammen. Logistisch<br />

sind diese kaum in der Lage, größere Anschläge auf gut geschützte Ziele<br />

durchzuführen.<br />

Die einzige Chance, terroristische Anschläge zu verhindern, besteht darin,<br />

die Täter schon in der Planungsphase auszumachen. Gelingen kann dies<br />

nur, wenn die Kommunikation unter den betroffenen Behörden reibungslos<br />

funktioniert, wenn die Sicherheitsbehörden über ausreichende gesetzliche<br />

126


Islamisten und religiös motivierter Terrorismus<br />

Befugnisse zum Schutz der Bevölkerung verfügen und wenn ihnen ausreichende<br />

Mittel zur Umsetzung des notwendigen Schutzauftrages bereitgestellt<br />

werden. Durch das „Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum“<br />

(GTAZ), das 2004 in Berlin seine Arbeit aufgenommen hat und in dem über<br />

30 Sicherheitsbehörden täglich Erkenntnisse zu aktuellen Lagen austauschen,<br />

wurde ein wesentlicher Schritt zur Optimierung der Kommunikationswege<br />

getan. Zusätzlich wurden wichtige Arbeitsgruppen eingerichtet,<br />

in denen Spezialisten aus unterschiedlichen Behörden gemeinsam spezielle<br />

Themenkomplexe analysieren. Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde des<br />

Landes <strong>Brandenburg</strong> ist hieran aktiv beteiligt.<br />

Das Land <strong>Brandenburg</strong> hat das bundesweite Konzept aufgegriffen und<br />

Ende 2006 das „Gemeinsame Analysezentrum Terrorismus/Extremismus“<br />

(GATE) eingerichtet. Im GATE arbeiten Mitarbeiter des Landeskriminalamtes<br />

und der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde in gemeinsamen Projekten eng<br />

zusammen. Eines der vorrangigen Ziele ist, den Kommunikationshorizont<br />

durch Tagungen und Symposien auch über die Sicherheitsbehörden hinaus<br />

zu erweitern und dabei andere gesellschaftliche Bereiche, zum Beispiel<br />

Universitäten, daran zu beteiligen. Das Symposion „Freiheit, Islam<br />

und Islamismus“, das die Europa-Universität „Viadrina“ und das GATE<br />

zusammen am 25. Oktober 2007 durchführten, ist ein Ergebnis dieses Ansatzes.<br />

Einladung für das Symposion „Freiheit, Islam und Islamismus“, das die<br />

Europa-Universität „Viadrina“ und das GATE am 25. Oktober 2007 durchführten<br />

127


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Ein weiteres Gremium, das teilweise auch durch die Mitarbeiter des GATE<br />

und des GTAZ bedient wird, ist die „Ständige Arbeitsgruppe Einbürgerungen<br />

/ Aufenthalt“ (SAGA) des Innenministeriums. Hier werden Informationen<br />

zwischen den Sicherheits- und Ausländerbehörden ausgetauscht,<br />

um bei Erteilungen oder Verlängerungen von Aufenthaltstiteln und Einbürgerungen<br />

problematische Fälle zu erkennen und die Ausländerbehörden<br />

über aktuelle Bewertungen der einzelnen islamistischen/terroristischen<br />

Gruppierungen sowie Sicherheitsbedenken in Kenntnis zu setzen.<br />

Obwohl die Sicherheitsbehörden durch zahlreiche Formen der Zusammenarbeit<br />

mit unterschiedlichen Behörden bestrebt sind, der Dynamik sowohl<br />

terroristischer wie auch extremistischer Bedrohung zu folgen, tauchen<br />

immer wieder neue Aspekte und damit neue Herausforderungen auf. Ein<br />

solcher Aspekt ist die steigende Bedeutung westlicher Islamkonvertiten,<br />

die sich bis ins islamistisch-terroristische Umfeld radikalisieren, oder gleich<br />

zum Jihadismus konvertieren.<br />

So hatte sich im November 2005 eine 37jährige Belgierin in der Nähe von<br />

Bagdad in die Luft gesprengt. Ungefähr ein halbes Jahr später musste eine<br />

weitere Frau aus Berlin in eine psychiatrische Anstalt eingeliefert werden,<br />

weil sie ein Selbstmordattentat in Afghanistan plante. Die Behörden stießen<br />

im Internet auf die Spur der Konvertitin, als sie sich erkundigte, ob es<br />

einer Muslima erlaubt sei, ihr Kind bei einem Attentat mitzunehmen.<br />

Seit einiger Zeit tauchen Konvertiten im Umfeld des gewaltbereiten Islamismus<br />

auf, darunter auch einige Deutsche. Hamsa – ehemals Thomas<br />

– Fischer ist einer von ihnen. Er ging 2003 nach Tschetschenien. Dort<br />

wollte er sein Leben im „Dschihad“ gegen russische Soldaten Allah opfern.<br />

Er wurde kurz nach seiner Einreise in Tschetschenien von russischen<br />

Sicherheitskräften erschossen. Hamsa Fischer wurde in Deutschland gewaltbereiter<br />

Islamist. Die entsprechende Indoktrinierung erhielt er im Ulmer<br />

Multi-Kulturhaus, an dem zahlreiche Gleichgesinnte verkehren. Dort fand<br />

er auch Personen, die über die notwendigen Kontakte verfügten, um ihm<br />

die Reise nach Tschetschenien zu ermöglichen. Geschichten wie die Hamsa<br />

Fischers sind keine Einzelfälle: Zwei der vier im Sauerland verhafteten<br />

Personen sind ebenfalls Islam-Konvertiten.<br />

In Deutschland leben zurzeit etwa 3,8 Millionen Muslime. Nach dem Christentum<br />

ist der Islam hier die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft. Die Zah-<br />

128


Islamisten und religiös motivierter Terrorismus<br />

len sind Schätzungen. Bei den Einwohnermeldeämtern werden Muslime<br />

unter der Kategorie „verschiedene Weltreligionen“ verbucht. Nach einer<br />

Erhebung des „Zentralinstituts Islam Archiv Deutschland“ mit Stand 1. März<br />

2000 lebten zu diesem Zeitpunkt erst 3,04 Millionen Muslime in Deutschland.<br />

Am 1. März 2001 war die Zahl bereits auf 3,24 Millionen gestiegen.<br />

Bei der repräsentativen Frühjahrsumfrage 2002, ebenfalls durchgeführt<br />

vom „Zentralinstitut Islam Archiv Deutschland“, hatte sich die Zahl der in<br />

Deutschland lebenden Muslime weiterhin auf 3,45 Millionen erhöht.<br />

Stimmen diese Zahlen annähernd, wovon auszugehen ist, entspricht dies<br />

einer jährlichen Steigerungsrate von 6,6 Prozent. Dagegen ist die Zahl der<br />

Konvertiten kaum zu bestimmen. Der „Zentralrat der Muslime in Deutschland<br />

e. V.“ gibt die Zahl der deutschen Muslime mit 630.000 an, darunter<br />

fallen jedoch nicht nur Konvertiten, sondern beispielsweise auch eingebürgerte<br />

ehemalige türkische Staatsangehörige. Das „Zentralinstitut Islam-<br />

Archiv – Deutschland“ setzt die Zahl der Konvertiten bei 12.000 an. Nach<br />

Schätzungen konvertieren etwa 250 bis 300 Deutsche jährlich zum Islam.<br />

So meldete das Nachrichtenmagazin Focus, dass sich die Zahl der Konvertiten<br />

2005 im Vergleich zu dem Jahr davor vervierfacht habe.<br />

Der Großteil der Konversionen steht im Zusammenhang mit Eheschließungen.<br />

Dabei sind Zweidrittel der Konvertiten weiblich. Die Tatsache, dass<br />

Partnerwahl im Zentrum der Konversionen steht, sagt jedoch nicht aus, ob<br />

es sich bei einer Konversion lediglich um bloße Anpassungsvorgänge handelt.<br />

Auch hier kann eine grundlegende spirituell-ethische Neuorientierung<br />

zugrunde liegen. Die Partnerwahl wäre dann eine Folge davon.<br />

Da die Beteiligung von Konvertiten am gewaltbereiten Islamismus auffällig<br />

ist und die Zahl der Konvertiten jährlich steigt, stellt sich für die Sicherheitsbehörden<br />

die Frage, ob diese Neu-Muslime für Radikalisierungen besonders<br />

anfällig sind. Ebenso ist zu fragen, ob sie statt zum Islam gleich zum<br />

Islamismus oder gar Jihadismus konvertieren.<br />

Eines aber ist sicher: Konvertiten sind für extremistische Organisationen<br />

wertvolle Mitglieder. Sie kennen sich in Deutschland aus und wissen genau,<br />

wie man sich verhalten muss, um nicht aufzufallen. Ihre ethnische<br />

Abstammung unterstützt dies optisch zusätzlich. Sie kennen die Kultur, die<br />

Behörden und sie bewegen sich hier gewissermaßen auf sicherem Terrain.<br />

129


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Islamismus in <strong>Brandenburg</strong><br />

In <strong>Brandenburg</strong> leben nur wenige Muslime, obwohl in Potsdam bereits<br />

1731 die erste Moschee auf deutschem Boden eingerichtet wurde. Die<br />

wenigen in <strong>Brandenburg</strong> wohnhaften Muslime nehmen mehrheitlich am<br />

– um ein vielfaches reicheren – muslimischen Leben in Berlin teil und<br />

besuchen dort ihnen vertraute Moscheen. In <strong>Brandenburg</strong> stehen solche<br />

Angebote weitgehend nur in den Universitätsstädten zur Verfügung. Dieser<br />

niedrige Organisationsgrad erschwert es islamistischen Organisationen,<br />

in <strong>Brandenburg</strong> für ihre Ziele zu werben und Anhänger zu gewinnen.<br />

So sind auch Strukturen islamistischer Netzwerke in <strong>Brandenburg</strong> bisher<br />

nicht festzustellen. Lediglich Einzelpersonen sind bekannt, die Kontakte zu<br />

islamistischen Strukturen in Berlin und anderen Bundesländern pfl egen.<br />

Einige von Ihnen versuchen auch Einfl uss auf die Moscheebesucher in<br />

<strong>Brandenburg</strong> zu nehmen, wobei die Resonanz in den Gemeinden zurzeit<br />

erfreulich gering ist.<br />

Im Internet wird man bei der Suche nach muslimischen Einrichtungen in<br />

Potsdam bei der „Islamischen Gemeinschaft Potsdam“ fündig, die auf ihrer<br />

Website in die Seminarräume des „Weimar Institut e. V.“ zu Veranstaltungen<br />

einlädt. Die Gemeinde stellt sich selbst als „Gemeinschaft der einheimischen<br />

Muslime in Potsdam, aber auch Berlin, zumeist europäischer<br />

Herkunft, wie Deutschland, Spanien England“ dar.<br />

Weiter heißt es dort: „Die Treffen der Gemeinschaft stehen allen Interessierten,<br />

Muslimen als auch Nichtmuslimen offen, ganz besonders Familien<br />

mit Kindern sollen sich wohlfühlen.“<br />

Weiter ist zu erfahren, dass der Verein vor knapp 10 Jahren in Weimar von<br />

„neuen deutschstämmigen Muslimen“ gegründet wurde. Gemäß Satzung<br />

des Vereins ist das „Weimar Institut“ „eine wissenschaftliche Einrichtung<br />

zur Erforschung und Deutung der abendländischen Geistesgeschichte und<br />

ihrer vielfältigen Beziehung und Affi nität zum Islam. Des Weiteren werden<br />

aktuelle ökologische, ökonomische und philosophische Probleme der Neuzeit<br />

unter wissenschaftlicher Zielsetzung bearbeitet.“ Als Gründungsmitglieder<br />

zeichnet 1995 für die Vereinssatzung neben dem jetzt bekannten<br />

Vereinsvorstand auch Andreas Rieger, bekannt als Abu Bakr Rieger. Seine<br />

aktuelle Verbundenheit zu der Gemeinschaft wird nicht zuletzt durch Vortragsveranstaltungen<br />

in Potsdam dokumentiert.<br />

130


Islamisten und religiös motivierter Terrorismus<br />

Rieger sah sich im Herbst 2007 in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender<br />

des Islamrates – einer der wichtigsten islamischen Dachverbände<br />

in Deutschland - einer kritischen Öffentlichkeit ausgesetzt. Hintergrund<br />

war die durch Spiegel Online bekannt gewordene Veröffentlichung eines<br />

Videos im Internet. Das Video zeigt eine Rede Riegers im Jahre 1993.<br />

Er sprach auf einer Veranstaltung der seit 2001 verbotenen Organisation<br />

„Kalifatsstaat“.<br />

Rieger wörtlich: „Wie die Türken haben wir Deutschen in der Geschichte<br />

schon oft für eine gute Sache gekämpft, obwohl ich zugeben muss, dass<br />

meine Großväter bei unserem gemeinsamen Hauptfeind nicht ganz gründlich<br />

waren.“ Wegen des Vorwurfs, dass Rieger „vor hunderten Muslimen<br />

das Bedauern darüber äußerte, dass die Deutschen die Juden nicht ganz<br />

vernichtet hätten“, wurde die Dialogwürdigkeit des Islamrates in der Islamkonferenz<br />

von mehreren Teilnehmern in Frage gestellt. Mit seinem Rücktritt<br />

von der Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Islamrates am<br />

2.Oktober 2007 zog Rieger nun Konsequenzen. In einer Presseerklärung<br />

gab er an, dass er dadurch verhindern wolle, dass Schaden für die Muslime<br />

in Deutschland entstehe. Rieger tut seine Feststellung als „unheilvolle<br />

Begleiterscheinung seines Seins“ ab. „Nie“ sei er „ein Rechtsradikaler oder<br />

ein Antisemit gewesen“.<br />

Rieger ist Herausgeber der „Islamischen Zeitung“, die sich als „Brücke<br />

zwischen Muslimen und Nichtmuslimen und als Ort des Austausches mit<br />

dem Phänomen Islam“ versteht. Neben Abu Bakr Rieger waren weitere im<br />

Impressum der „Islamischen Zeitung“ bekannt gegebene Verantwortliche<br />

zum Teil mehrfach Vortragende in der „Islamischen Gemeinschaft Potsdam“.<br />

Wiederholt werden in der „Islamischen Zeitung“ ausführliche Abhandlungen<br />

von einem Shaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi , dem Gründer und<br />

Kopf der Murabitun, veröffentlicht. Die damit dokumentierte besondere<br />

Verbindung zu Shaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi lässt Riegers Dementi des<br />

Antisemitismus fragwürdig erscheinen. Ein Porträt des Shaikh Dr. Abdalqadir<br />

As-Sufi hängt in der von der „Islamischen Gemeinschaft Potsdam“<br />

genutzten Räumlichkeit des „Weimar Instituts“.<br />

Bei der Ideologie der weltweit agierenden Murabitun-Gemeinschaft handelt<br />

es sich um ein Gemenge aus antikapitalistischen, antisemitischen und antiimperialistischen<br />

Ideen mit revisionistischen und rechtsesoterischen Ten-<br />

131


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

denzen. Shaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi stellt in seinen Veröffentlichungen<br />

den Holocaust in Frage und fi ndet lobende Worte für Hitler und den Nationalsozialismus.<br />

In der Schrift „The Sign of the Sword“ (1984) erklärt er allen<br />

Ungläubigen, insbesondere aber den Juden und dem von ihnen angeblich<br />

zu verantwortenden kapitalistischen Weltwirtschaftssystem den Krieg.<br />

In der 100. Ausgabe der „Islamischen Zeitung“ im Februar 2005 schreibt<br />

Shaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi zum Thema Tsunami, dass ein Tsunami keine<br />

bedeutungslose Naturkatastrophe sei, sondern eine Strafe Allahs für<br />

ausschweifenden Lebensstil. Ein Ereignis dieses Ausmaßes weise klar<br />

darauf hin, dass sich die Menschen an Orten, an denen es zu einer Tsunami-Katastrophe<br />

komme, einiges zu Schulden kommen ließen. Beispielhaft<br />

seien die „Leute Thamuds“. Mit dem Wissen, dass es sich bei „Thamuds“<br />

um einen Monat im jüdischen Kalender handelt, wird die antisemitische<br />

Anspielung des Shaikh Dr. Abdalqadir As-Sufi , die Juden seien Schuld an<br />

Naturkatastrophen, deutlich.<br />

Im letzten Jahr war der Ramadankalender der Berliner Moschee „Haus der<br />

Weisheit“ während der Veranstaltungen der „Islamischen Gemeinschaft<br />

Potsdam“ ausgelegt. Am 4. Oktober 2007 wurde durch die Bild-Zeitung<br />

bekannt, dass ein „Berliner Hassprediger“ verhaftet und ausgewiesen wurde.<br />

„Dem Imam wird vorgeworfen, in seinen Predigten den Hass gegen<br />

Israel und die USA geschürt zu haben“, hieß es in der Veröffentlichung. Es<br />

handelte sich um den Imam der Moschee „Haus der Freiheit“.<br />

132


Islamisten und religiös motivierter Terrorismus<br />

Wegen der Verbindungen führender Angehöriger und Unterstützer der<br />

„Islamischen Gemeinschaft Potsdam“ zu islamistischen Organisationen<br />

mit antisemitischen Tendenzen sind Zweifel an der toleranten Einstellung<br />

der Gemeinschaft und ihrer Verpfl ichtung auf demokratische Grundwerte<br />

angebracht. Diesen Zweifeln kommt erhebliches Gewicht zu, da die „Islamische<br />

Gemeinschaft Potsdam“ auch Kinderbetreuung anbietet und in<br />

Schulen über den Islam berichtet.<br />

Ausblick<br />

Die Erfahrungen sprechen dafür, dass sich in Deutschland und in <strong>Brandenburg</strong><br />

Personen aufhalten, die bereit sind, für einen totalitären islamistischen<br />

Staat nach ihren Vorstellungen auch mit terroristischen Mitteln<br />

zu kämpfen. Diese Personen oder Personengruppen rechtzeitig ins Visier<br />

der Sicherheitsbehörden zu bekommen, ist dabei die große Herausforderung.<br />

Die Sicherheitsbehörden werden diese Aufgabe aber nur in einem<br />

gesamtgesellschaftlichen Ansatz bewältigen können. Vom Islamismus und<br />

dem sich aus ihm herleitenden Terrorismus gehen derzeitig die größten<br />

Bedrohungen für die Bundesrepublik aus. Mit Anschlägen muss – trotz aller<br />

Anstrengungen – weiterhin gerechnet werden.<br />

Die Gesellschaft muss nicht nur Radikalisierung frühzeitig erkennen, sondern<br />

sie möglichst verhindern. Der <strong>Verfassungsschutz</strong> kann zwar durch<br />

sorgfältige Beobachtungen und Recherchen gewaltbereite Zellen, Rekrutierer<br />

und Prediger mit Indoktrinierungsabsicht erkennen, benennen und<br />

im Zusammenwirken mit den verschiedenen Exekutivbehörden bekämpfen.<br />

Ein noch verlässlicherer und wirksamerer Schutz der Bürger kann<br />

erreicht werden, wenn sich muslimische Gemeinden Radikalisierung und<br />

Indoktrination entgegenstellen. Sie können am ehesten erkennen, wenn<br />

ein Gemeindemitglied oder eine ganze Gemeinde in extremistische Milieus<br />

abgleitet. Und sie stehen in der Verantwortung, dies mit zu verhindern und<br />

zu bekämpfen. Der Unterschied zwischen Islam und Islamismus – und das<br />

muss ganz deutlich betont werden – muss auch innerhalb der Gemeinden<br />

kommuniziert werden. Denn der gewaltbereite Islamismus ist insbesondere<br />

eine Bedrohung für Muslime selbst.<br />

133


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

134


Extremistische Online-Aktivitäten<br />

EXTREMISTISCHE<br />

ONLINE-AKTIVITÄTEN<br />

Das wohl größte Kommunikationsnetzwerk in der Geschichte der Menschheit<br />

ist das Internet. Selbst wenn einem die Begriffe YouTube, MySpace<br />

Flickr, RSS-Feed, Weblogs oder Podcasting nichts sagen, ist doch Allgemeinwissen,<br />

dass kein anderes Medium dem Benutzer so vielfältige Möglichkeiten<br />

bietet, Informationen auf schnellstem Wege und unbegrenzt zu<br />

erhalten und auszutauschen. Das Internet hat sich als weltweite Kommunikationsplattform<br />

in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen<br />

Lebens durchgesetzt und wird auch künftig fast alle gesellschaftlichen und<br />

politischen Bereiche immer weiter berühren.<br />

Viele Angebote im Internet werden von den Betreibern immer gezielter auf<br />

Anforderungen der Nutzer ausgerichtet und qualitativ verbessert. Nicht<br />

zuletzt durch den Einsatz neuer Webtechnologien – so zum Beispiel so<br />

genannte Web2.0-Techniken – die seit einigen Jahren stetig entwickelt<br />

werden, nimmt das Internet zuvor ungeahnte Dimensionen der Geschwindigkeit<br />

und Größe an. Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden stellt das<br />

vor neue Herausforderungen. Das Zeitalter herkömmlicher Homepages mit<br />

‚starren’ Webinhalten ist längst Vergangenheit. Dynamik – auch extremistischer<br />

Inhalte – prägt das Internet heute. Offene Schnittstellenprogrammierungen<br />

ermöglichen einen freien Zugriff auf Programme und Dienste von<br />

außen. Interaktiv folgt der Nutzer diesen Möglichkeiten. Verlinkungen der<br />

Dienste untereinander und Schlagworterstellungen in den Anwendungen<br />

sorgen für eine massenhafte Verbreitung der neuen Möglichkeiten. Ebenso<br />

steigt die Geschwindigkeit, mit der Informationen oder Datenmaterial verbreitet<br />

werden. Leistungsstarke Computer und Breitband-Internetzugänge<br />

sind inzwischen fi nanziell erschwinglich und keine Besonderheit mehr.<br />

Aufgrund der rechtlich kaum geregelten Strukturen des Internets erschließen<br />

sich politische Extremisten transnationale Freiräume, die nicht mehr<br />

allein im nationalstaatlichen Rahmen begrenzt werden können. Um verbotene<br />

Texte und Symbole ins Internet einzustellen, nutzen deutsche<br />

Extremisten meist die Anonymität ausländischer Provider, etwa einen ukrainischen<br />

Anbieter. In vielen Ländern existiert nicht einmal der Straftatbestand<br />

der Volksverhetzung oder sie unterliegt keinem mit Deutschland<br />

135


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

vergleichbaren Strafrecht. Eine Verbreitung solcher Straftatbestände über<br />

ausländische Server lässt sich derzeit kaum verhindern. Vor allem in den<br />

USA ist die Einschreitschwelle deutlich höher als in den meisten europäischen<br />

Ländern. So fi nden sich im internationalen Forum der in den USA<br />

betriebenen Homepage von „Blood & Honour/Combat 18“ auch immer<br />

wieder Aussagen deutscher Rechtsextremisten, die keinen Hehl aus ihrer<br />

Einstellung machen und das Forum als rechtsfreien Raum betrachten.<br />

Extremisten bedienen sich verschiedener Verschlüsselungstechniken.<br />

Hierzu zählen „Pretty Good Privacy“ (PGP) oder „Gnu Privacy Guard“<br />

(GnuPG). Mit diesen Programmen werden elektronische Nachrichten codiert<br />

oder mit bestimmten Kennungen versehen. Nur der Empfänger, der<br />

den elektronischen Schlüssel für eine so geschützte Nachricht hat, kann<br />

diese auch lesen. Per E-Mail, Chat oder Forum ist offene wie verschlüsselte<br />

Kommunikation weltweit leicht herzustellen. Foren, wie das auf der<br />

rechtsextremistischen Webseite „Widerstand.info“, das „Hatecore Forum“<br />

oder das „Thiazi Forum“ dienen Rechtsextremisten als Plattform für ihre<br />

Hass-Gedanken.<br />

Mit der Einrichtung solcher Foren, Newsgroups oder Weblogs entstehen<br />

Kommunikationsknotenpunkte, die zum Meinungsaustausch, zur Information<br />

oder zum Aufruf für etwaige Aktionen genutzt werden können. Videos,<br />

Bilder und Dokumente können im Internet dauerhaft archiviert werden<br />

und sind jederzeit abrufbar. So entstehen regelrechte ‚Dienstleistungssysteme’.<br />

Sie sind die technische Basis für eine nationale und internationale<br />

Vernetzung politischer Gruppierungen. Es ist für Rechtsextremisten<br />

selbstverständlich, Informationen über Kundgebungen, Demonstrationen<br />

oder Großveranstaltungen von einschlägigen Websites zu beziehen. Auf<br />

ihnen werden aktuelle Infos, Termine, Veranstaltungsorte, aber auch Hinweise<br />

zu Ausweichveranstaltungen zeitnah eingestellt. Die Szene ist so<br />

schnellstmöglich und ständig auf dem Laufenden. Schließlich folgen im<br />

Nachgang Erlebnisberichte, mit denen Aktionen ausgewertet und neue<br />

Anhänger mobilisiert werden.<br />

136


Extremistische Online-Aktivitäten<br />

Videoplattformen wie YouTube bieten Extremisten die Möglichkeit, Filme<br />

über das Internet zu verbreiten. Die Videoclips werden mit Musik hinterlegt.<br />

Sie sollen gerade junge Menschen ansprechen. Beispielsweise zeigt<br />

das Video „Jugend Offensive“ auf den Webseiten von Jugend-Offensive.<br />

info gefi lmte Aktionen der rechtsextremistischen Szene (Plakataktionen,<br />

Protestaktionen, Demonstrationen, Verteileraktionen). Es enthält auch Sequenzen<br />

zu Aktionen in <strong>Brandenburg</strong> und ist mit Musik der aus <strong>Brandenburg</strong><br />

stammenden rechtsextremistischen Band „Hassgesang“ unterlegt.<br />

Dieses Video ist auf YouTube zu fi nden.<br />

Auch Vertreiber einschlägiger Szeneprodukte („RockNord“, „Wikinger Versand“),<br />

rechtsextremistische Bands („Frontalkraft“, „Wolfskraft“, „Downfall“)<br />

und Liedermacher fi nden im Internet Interessenten und Käufer.<br />

Entsprechend nimmt die Werbung für diese Artikel zu. In Foren werden<br />

Tonträger oder Konzerte besprochen und ausgewertet. Demoversionen<br />

einschlägiger Skinheadbands können angehört und heruntergeladen werden.<br />

So wurden beispielsweise Hörproben der rechtsextremistischen Band<br />

aus <strong>Brandenburg</strong> „Downfall“ über deren Homepage angeboten. Auf den<br />

Seiten des rechtsextremistischen Vertriebsdienst „PC-Records“ wurden<br />

die aktuellen CDs sowie Hörproben der Band „Bloodshed“ angeboten. Der<br />

brandenburgische Vertrieb „On the Streets“ wirbt auf seinen Seiten für die<br />

rechtsextremistische Band „Wintergewitter“ aus Cottbus. Einige Skinheadkonzerte,<br />

welche in <strong>Brandenburg</strong> stattfanden, wurden zum Beispiel ausführlich<br />

im „Thiazi Forum“ ausgewertet.<br />

Sowohl Linksextremisten als auch Rechtsextremisten nutzen das Internet,<br />

um ihre politischen Gegner öffentlich anzuprangern. Immer häufi ger späht<br />

man sich gegenseitig aus, ob auf Konzerten, Demonstrationen oder anderen<br />

Veranstaltungen. Stets wird beobachtet, fotografi ert und gefi lmt, um<br />

das Bildmaterial auf einschlägigen Seiten im Internet zu verbreiten. Man<br />

verfasst Steckbriefe und stellt sich gegenseitig an den virtuellen Pranger.<br />

Die „Antifaschistischen Gruppen im Westhavelland“ legen regelrechte Dossiers<br />

über Personen an, die sie der rechtsextremen Szene zurechnen.<br />

Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch die Internetpräsentationen<br />

selbst Ziel von Angriffen (Hacking) werden. In den letzten Jahren wurden<br />

häufi g Angriffe auf vor allem rechtsextremistische Homepages beobachtet.<br />

Die Angreifer kommen vermutlich aus den lokalen Gegenszenen. Mehrmals<br />

wurden die Kundendaten von Online-Versandhäusern („Aufruhr-Ver-<br />

137


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

sand“, „West-Versand“) gehackt und ins Internet eingestellt. Damit soll der<br />

politische Gegner aus dem Dunkel der Anonymität ins Rampenlicht der<br />

Öffentlichkeit gezerrt werden. Manchmal begnügen sich die Hacker damit,<br />

die Inhalte der Seiten einfach nur auszutauschen. Man demonstriert dem<br />

Gegner die eigene technische Überlegenheit. Ihn soll das nachhaltig verunsichern.<br />

Die rechtsextremistischen „Freien Kräfte“ im Internet<br />

Da wesentliche rechtsextremistische Organisationsstrukturen in <strong>Brandenburg</strong><br />

durch Verbote aufgelöst sind oder sie aus Furcht vor weiteren Verboten<br />

ihre Aufl ösung erklärt haben, setzen die Extremisten um so mehr<br />

auf die informelle Vernetzung. Diese Strategie verlangt zwangsläufi g gut<br />

funktionierende Kommunikationsmechanismen. Anders wäre der Informationsaustausch<br />

untereinander zu langsam und stünde einer raschen Mobilisierung<br />

im Weg. Auch Rechtsextremisten aus <strong>Brandenburg</strong> greifen daher<br />

auf das Internet zurück. Es werden Serverkapazitäten gemeinsam genutzt,<br />

Homepages untereinander verlinkt, Szeneinformationen ausgetauscht und<br />

über das Internet verbreitet.<br />

Allerdings konnte man im Jahr 2007 auch feststellen, dass die anfängliche<br />

Euphorie der rechtsextremistischen Szene <strong>Brandenburg</strong> über diese virtuelle<br />

Kommunikation erloschen scheint. Obwohl das Internet bei der Vernetzung<br />

der Szene zentral ist, dümpeln ihre „Internetprojekte“ vor sich hin.<br />

Beispielsweise haben die Betreiber der Webseiten „Nationaler Widerstand<br />

Berlin – <strong>Brandenburg</strong>“ augenscheinlich vollständig die Übersicht verloren.<br />

Das Informationsportal, welches angeblich im Auftrag vieler freier Nationalisten<br />

betrieben wird, ist ganz und gar nicht aktuell. Termine, Aktionen,<br />

Berichte und Pressemitteilungen sind veraltet oder werden nur sporadisch<br />

gepfl egt.<br />

Die Betreiber der Homepage „Freie Kräfte <strong>Brandenburg</strong>“ kämpfen ebenfalls<br />

mit ihrem Konzept, Neonazis aus <strong>Brandenburg</strong> ein politisches Forum<br />

zu schaffen. Gerade einmal ein Termin ließ sich dort fi nden. Das Infoportal<br />

„<strong>Brandenburg</strong>er Aktionsfront“ hört sich zwar dynamisch an, ist jedoch im<br />

Jahr 2006 stehen geblieben und verweist derzeit immer noch auf Webseiten<br />

von Gruppierungen, die sich zwischenzeitlich selbst aufgelöst haben<br />

(„Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost <strong>Brandenburg</strong>“, „Sturm Cottbus“).<br />

138


Extremistische Online-Aktivitäten<br />

Einige der Internetangebote sind aus Baukastensystemen zusammengezimmert.<br />

Überfrachtet mit vielen Bildchen wollen sie den Anschein erwecken,<br />

sie wären die Kommunikationsplattform ganzer Gruppierungen.<br />

Sie nennen sich „Nationaler Widerstand Premnitz“, „Freie Nationalisten<br />

Rathenow“ oder „Nationale Aktivisten Prenzlau/Uckermark“. Oftmals stehen<br />

wenige oder nur eine Person als Betreiber hinter solchen „Projekten“.<br />

Ständig wechselnde URLs und das mäßige Design zeigen, wie wenig professionell<br />

die Betreiber hier arbeiten. Darüber hinaus erzielen aber auch<br />

einige Homepages in der Szene selbst nicht die gewünschte Resonanz<br />

und werden recht schnell wieder vom Netz genommen.<br />

Für rechtsextremistische Parteien wächst<br />

die Bedeutung der Internetpräsenz<br />

Nicht nur Einzelpersonen und Kleinstgruppen, sondern auch größere,<br />

bundesweit verbreitete Organisationen aus dem rechtsextremistischen<br />

Spektrum nutzen das Internet seit langem zur Vernetzung ihrer Strukturen.<br />

Parteien wie die DVU und insbesondere die NPD halten mehr oder weniger<br />

professionelle Internet-Angebote bereit. Mit dem über das Internet<br />

verbreiteten Videoprojekt „Die Woche – Kritische Nachrichten“ versucht<br />

sich die NPD an einer eigenen Nachrichtensendung. Kreis- und Landesverbände<br />

aber auch kleinere Ortsverbände der NPD sowie die „Jungen<br />

Nationaldemokraten“ (JN) verbreiten ihre Informationen über eigene Internet-Seiten.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> sind das zum Beispiel die NPD-Kreisverbände<br />

Lausitz, Havel-Nuthe, Oderland / Ortsbereich Fürstenwalde oder die JN<br />

Spreewald. Die Betreiber strukturieren ihre Angebote übersichtlich nach<br />

einheitlichem Muster, halten Inhalte auf dem aktuellen Stand, geben Nachrichten<br />

zeitnah ein und integrieren multimediale Elemente.<br />

Mit der Ablösung herkömmlicher Homepages und der Einrichtung so genannter<br />

Weblogs folgen sie dem Trend, gezielt neue Webtechnologien<br />

zu übernehmen. Die Präsentation von Webinhalten wird dadurch dynamischer,<br />

zeitnäher und einfacher („Nationales Netztagebuch“ der NPD-<br />

Barnim). Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt befürwortet ausdrücklich<br />

die Darstellung der NPD im Internet. Es sei eine „wunderbare Möglichkeit,<br />

die Position der NPD ohne Zensur darzustellen“.<br />

139


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Linksextremisten nutzen Internet im großen Stil<br />

Für Linksextremisten stellt das Internet ein nicht mehr wegzudenkendes<br />

Medium der politischen Agitation dar. Fast alle bedeutenden linksextremistischen<br />

Gruppierungen besitzen eigene Webseiten oder sind über das<br />

Internet erreichbar. Die linksextremistische Szene vermeidet dabei im Gegensatz<br />

zur rechtsextremistischen weitgehend die Verbreitung strafrechtlich<br />

relevanter Inhalte. Insgesamt sind ihre Webpräsentationen auch um<br />

einiges professioneller, inhaltsreicher und aktueller gestaltet.<br />

Die Spannbreite linksextremistischer Nutzung des Internets geht von Eigendarstellungen<br />

einzelner Gruppierungen über Berichterstattungen zu<br />

Veranstaltungen bis zur Veröffentlichung szenerelevanter Dokumentationen.<br />

Neben den Webseiten einzelner Gruppierungen und Parteien, wie<br />

„Rote Hilfe“ oder DKP, gibt es Angebote, die von informellen Netzwerken<br />

erstellt, ausgebaut und regelmäßig aktualisiert werden. So werden beispielsweise<br />

„indymedia“ und „inforiot“ auch von Linksextremisten genutzt.<br />

Diese Webseiten ahmen bewusst den Stil von Nachrichtenagenturen nach.<br />

Solche Internetportale sind professionell aufgebaut und zeichnen sich<br />

durch Struktur und Aktualität aus. Sie werden vor allem auch zur Verbreitung<br />

von Demonstrations- und Aktionsaufrufen genutzt. Daneben dienen<br />

sie der linksextremistischen Szene zur Selbstdarstellung, als Archive und<br />

Diskussionsplattformen. Die Webseite „indymedia“ ist als Internetplattform<br />

der „linken“ Szene nicht mehr wegzudenken. Sie gilt inzwischen als eine<br />

der bedeutendsten internetbasierten Informationsseiten für die linksextremistische<br />

Szene. In zahlreichen Beiträgen werden hier Aktionsfelder und<br />

Diskussionsprozesse der Szene beschrieben.<br />

Sonderseiten, die speziell<br />

für Kundgebungen oder<br />

öffentlich wirksame Aktionen<br />

ins Internet gestellt<br />

werden, nehmen zu. Diese<br />

in der rechts- und linksextremistischen Szene üblichen „Kampagnen-<br />

und Mobilisierungsseiten“ enthalten in der Regel anlassbezogen und<br />

kurzfristig eingestellte Informationen zu aktuellen Themen- oder Aktionsschwerpunkten.<br />

So rief die kurzzeitig eingerichtete Website www.keinenpd-in-cottbus.de.vu<br />

zur Teilnahme an einer Kundgebung unter dem Titel<br />

„Keine Homezone für die NPD“ am 28. Juli 2007 in Cottbus auf. Haben<br />

140


Extremistische Online-Aktivitäten<br />

solche Seiten ihren Zweck erfüllt, werden diese Webseiten in der Regel<br />

wieder aus dem Netz genommen.<br />

Anders verhält es sich bei Webseiten, die über wiederkehrende Großereignisse<br />

berichten, etwa den G8-Gipfel. Diese Internet-Plattformen bleiben<br />

ständig im Netz und bieten recht umfangreiche Informationen in teilweise<br />

mehreren Sprachen. Berichte über die aktuelle Entwicklung, Kommentare<br />

sowie Presseartikel sind ebenso abrufbar wie Demonstrationsaufrufe und<br />

Hinweise zu Vorbereitungstreffen der Szene (www.antiG8.tk, www.G8-<br />

2007.de, dissentnetzwerk.org). Mailinglisten, Newsletter sowie Berichte<br />

über frühere G8-Gipfel runden die Angebote ab.<br />

Islamistische Medienproduzenten –<br />

ohne Internet geht nichts<br />

Auch Islamisten setzen immer stärker auf das Internet als Kommunikations-<br />

und Agitationsmedium. Viele für Deutschland relevante Organisationen<br />

äußern sich auf ihren Webseiten in türkischer oder arabischer Sprache.<br />

Es gibt aber auch immer häufi ger englisch- und deutschsprachige<br />

Angebote.<br />

Für ausländische Extremisten ist die unbehinderte und unbeobachtete<br />

Kommunikation wichtig. Ihre Mitglieder und Anhänger werden in den<br />

Herkunftsländern von den Sicherheitsbehörden gesucht oder leben über<br />

Exilländer verstreut. Politaktivsten können aus sicherer Entfernung über<br />

das Internet unmittelbar politische Erklärungen öffentlich verbreiten oder<br />

Aktionsanweisungen ausgeben.<br />

Auch islamistische Netzwerke erhöhen durch das Internet ihre personelle<br />

und operative Leistungskraft, wobei ihnen die dezentrale und wenig kontrollierbare<br />

Struktur des Internets zugute kommt. Islamisten können sich<br />

dabei als virtuelle Einheit darstellen. Ob terroristische Gruppierungen im<br />

Irak oder in Afghanistan, Webseiten der Terrororganisation „Al Kaida“ oder<br />

141


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

auch Medienprojekte wie die „Globale islamische Medienfront“: Nahezu<br />

alle bekannten islamistischen Organisationen sind im Internet mit eigenen<br />

Web-Auftritten vertreten. Die meisten Seiten sind sehr aufwändig gestaltet<br />

und mit Tondokumenten, zahlreichen Links oder Kurzfi lmen ausgestattet.<br />

Dort fi nden sich Einführungen in ideologische Grundlagen und Geschichte<br />

der Organisationen, oftmals in Verbindung mit Gewaltverherrlichung. Sie<br />

benutzen das Internet zur Selbstdarstellung und zu Propagandazwecken.<br />

Damit werden sie ihrem ausgeprägten Sendungs- und Mitteilungsbedürfnis<br />

gerecht.<br />

Die Filme folgen stets dem gleichen Plot: Zunächst werden Szenen aus<br />

historischen oder aktuellen Kriegen und Konfl ikten gezeigt, an denen auch<br />

Muslime beteiligt sind. Das sind beispielsweise der Bosnienkrieg (1992-<br />

1995), der Irakkrieg oder der Krieg in Tschetschenien. Dabei geht es den<br />

Machern auch darum, die Betrachter durch die Darstellung von Grausamkeit<br />

und Gewalt zu ängstigen. Gezeigt werden, häufi g mit pathetisch heroischer<br />

Musik untermalt, „Glaubenskrieger“.<br />

Anfänglich amateurhafte Berichterstattungen nahmen schnell professionelle<br />

Formen an. Die Qualität der Video- und Audiobotschaften hat sich<br />

in den letzten Jahren wesentlich verbessert. Ganze Reportagen werden<br />

zusammengestellt, teilweise ohne Qualitäts- und Zeitverlust. Man ist live<br />

vor Ort. Manche islamistischen Medienproduzenten wie „al-Furqan“ oder<br />

„al-Sahab“ werden so zu einer wichtigen Säule im medialen und propagandistischen<br />

Kampf der Islamisten und dienen dazu, islamistische Gräueltaten<br />

zu rechtfertigen und zu glorifi zieren.<br />

Die Terrororganisation „Al Kaida“ verbreitet regelmäßig<br />

Erklärungen und Drohungen über das<br />

Internet. So zum Beispiel auch zwei Videos<br />

(März und November 2007), in welchen die Bundesrepublik<br />

Deutschland erstmals als Feindbild<br />

erwähnt wird. „Al Kaida“ nutzt das Internet ebenso,<br />

um sich zu Anschlägen zu bekennen. Das<br />

Internet dient „Al Kaida“ somit auch der psychologischen<br />

Kriegsführung, der Wehrertüchtigung<br />

und der Verbreitung von Angst und Schrecken.<br />

142


Extremistische Online-Aktivitäten<br />

Der 2006 verstorbene „Al Kaida“-Anführer Al-Zarqawi rief in seinen im Internet<br />

veröffentlichten Tonbandbotschaften immer wieder zur Fortsetzung<br />

und Intensivierung des „Jihads“ gegen US-amerikanische Truppen im Irak<br />

auf. Der „Internet-Fernsehsender“ „Sout al-Khalifa“ („Stimme des Kalifats“)<br />

publiziert Videobeiträge zu Themen wie „Jihad“, internationaler „Mujahedin“,<br />

Palästina und Irak sowie Erklärungen von islamistisch-terroristischen<br />

Gruppierungen.<br />

Darüber hinaus werden Filmbeiträge beispielsweise zu Anschlägen und<br />

Entführungen im Irak eingespielt. Als Produzent der mehrsprachigen Internetsendungen<br />

tritt die Organisation „Global Islamic Media Front“ auf,<br />

unter deren Namen seit Jahren schon islamistische Propaganda im Internet<br />

verbreitet wird.<br />

Auch künftig werden Extremisten das Internet für ihre Zwecke nutzen. Zwar<br />

werden herkömmliche Homepages, die zudem mit strafrechtlichen Inhalten<br />

betrieben werden, weiter in den Hintergrund rücken, mit Sicherheit aber<br />

werden die neuen multimedialen Technologien genutzt, um noch schneller<br />

auf die Zielgruppen einwirken und um noch fl exibler im Netz agieren zu<br />

können. Spontane Aktionen, Demonstrationen oder Konzerte zu organisieren,<br />

wird immer einfacher, ob über RSS basierte Weblogs, über Chats<br />

und VoIP-Programme, wie Skype oder über Podcasting. Virtuell gestaltete<br />

Onlinewelten wie Second Life werden bereits vereinzelt genutzt um verfassungsfeindliche<br />

Kennzeichen und Symbole darzustellen. Die Vielzahl der<br />

im Internet angebotenen Anwendungen wird die Möglichkeiten zur Darstellung<br />

und zur Vernetzung im Internet weiter erhöhen.<br />

Kostengünstige Flatrates, hohe Übertragungsgeschwindigkeiten und<br />

Heim-PCs mit enormen Speicherkapazitäten werden es zukünftig fast jedem<br />

erlauben, mit Daten zu jonglieren, deren Volumengröße noch vor einigen<br />

Jahren nahezu jede Vorstellungskraft gesprengt hätte. Immer besser<br />

werden Suchmaschinen. Sie ermöglichen es selbst ungeübten Nutzern,<br />

schnell und einfach im Netz fündig zu werden. Kinder haben immer früher<br />

Zugang zum Internet. Es gehört zu ihrer Lebenswelt. Folglich kommen<br />

sie bereits sehr viel früher in ihrem Leben mit extremistischer Propaganda<br />

in Berührung als ältere Generationen. Zufällig oder in Folge gezielter<br />

Suche werden sie leicht mit extremistischen Ideen und Angeboten konfrontiert.<br />

Gleichzeitig sind die Sicherheitsbehörden gezwungen, sich dem<br />

technischen Wettlauf zu stellen, um das Internet den Extremisten nicht als<br />

rechtsfreien Raum zu überlassen.<br />

143


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

144


Moderne Industrie und Forschung brauchen Schutz<br />

MODERNE INDUSTRIE UND<br />

FORSCHUNG BRAUCHEN SCHUTZ<br />

Geheimschutz und Sicherheit<br />

Geheimschutz dient der Sicherung von solchen Informationen, die im öffentlichen<br />

Interesse geheim zu halten sind, vor Ausspähungen und unbefugtem<br />

Zugriff. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Unbefugte keine<br />

Kenntnis von Dingen oder Sachverhalten bekommen, die zum Nachteil der<br />

Bundesrepublik Deutschland oder des Landes <strong>Brandenburg</strong> verwendet<br />

werden können. Geheimhaltungsbedürftig sind beispielsweise Informationen<br />

über verteidigungswichtige militärische Einrichtungen und Sicherheitseinrichtungen<br />

für so genannte kritische Infrastruktur (z. B. Flughäfen).<br />

Man unterscheidet den materiellen Geheimschutz (beispielsweise Nutzung<br />

von Panzerschränken, IT-Sicherheit) und den personellen Geheimschutz<br />

(Sicherheitsüberprüfungen). Geheimzuhaltende Tatsachen, Gegenstände<br />

oder Erkenntnisse werden – unabhängig von ihrer Form – als Verschlusssachen<br />

bezeichnet. Diese dürfen nur von berechtigten (d. h. sicherheitsüberprüften)<br />

Personen eingesehen sowie bearbeitet werden.<br />

Das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen ist in <strong>Brandenburg</strong> durch<br />

das Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 30. Juli 2001 gesetzlich geregelt.<br />

Voraussetzung für die Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung ist die<br />

Einwilligung der betroffenen Person, d. b. dass niemand ohne Einwilligung<br />

überprüft werden darf.<br />

Das Verfahren beginnt mit dem Ausfüllen der Sicherheitserklärung des zu<br />

Überprüfenden. Mit seiner Unterschrift erklärt er seine Einwilligung. Hier<br />

zeigt sich ein wichtiges Prinzip des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens<br />

– die Freiwilligkeit. Die Einwilligung kann jederzeit und ohne Angabe von<br />

Gründen widerrufen werden. Dann wird das Verfahren ohne Ergebnis<br />

eingestellt. Der Umfang einer Überprüfung richtet sich nach der Anzahl<br />

und dem Geheimhaltungsgrad der Verschlusssachen, mit denen die zu<br />

überprüfende Person künftig zu tun haben soll. Die Angaben in der Si-<br />

145


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

cherheitserklärung werden von der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde überprüft.<br />

Wichtig ist hierbei, dass sich keine Widersprüche ergeben oder unwahre<br />

Angaben festgestellt werden. Bei der Sicherheitsüberprüfung dürfen keine<br />

nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt werden. Demzufolge sind also<br />

eine Observation der betroffenen Person oder eine Telefonüberwachung<br />

nicht zulässig.<br />

Im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung wird nach Sicherheitsrisiken gefragt.<br />

Dadurch sollen solche Personen aus sensiblen Bereichen ferngehalten<br />

werden, die Anlass zu Zweifeln an ihrer Zuverlässigkeit oder an ihrem<br />

Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung geben oder<br />

die für Ansprachen gegnerischer Nachrichtendienste gefährdet erscheinen.<br />

Am Ende der Überprüfung können unterschiedliche Entscheidungen<br />

stehen. Wenn keine sicherheitserheblichen Erkenntnisse vorliegen, kann<br />

die betroffene Person zum Umgang mit Verschlusssachen ermächtigt werden.<br />

Liegen hingegen sicherheitserhebliche Erkenntnisse vor und können<br />

diese durch weitere Maßnahmen nicht ausgeräumt werden, kann die überprüfte<br />

Person nicht ermächtigt werden. Zumeist führen die Überprüfungen<br />

jedoch zur Ermächtigung.<br />

Proliferation<br />

Als Proliferation bezeichnet man die illegale Verbreitung atomarer, biologischer<br />

und chemischer Waffen (ABC-Waffen) sowie der zu ihrem Einsatz<br />

erforderlichen Mittel und Träger-Technologien. Darunter fällt auch die Bereitstellung<br />

von wissenschaftlichem und technischem Know-how. Vor allem<br />

so genannte Krisenländer bemühen sich darum, über Proliferation in den<br />

Besitz von Massenvernichtungswaffen zu kommen. Bei einigen dieser<br />

Länder ist zu befürchten, dass – wie im Iran-Irak-Krieg (1980 -1988) durch<br />

Saddam Hussein angeordnet – A-, B- oder C-Waffen in einem bewaffneten<br />

Konfl ikt eingesetzt werden oder deren Einsatz zur Durchsetzung politischer<br />

Ziele angedroht wird.<br />

Problematisch sind Erzeugnisse und Technologien, die sowohl zivil als<br />

auch militärisch genutzt werden können („Dual-Use“), wie abgereichertes<br />

Uran oder auch Produkte, zum Beispiel Sendeeinrichtungen, die sich aber<br />

umfunktionieren und in der Waffentechnologie einsetzen lassen. Neben<br />

anderen Institutionen – beispielsweise dem Bundesamt für Wirtschaft und<br />

146


Moderne Industrie und Forschung brauchen Schutz<br />

Ausfuhrkontrolle und den Zolldienststellen – hat auch der <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

den gesetzlichen Auftrag, Proliferation frühzeitig zu erkennen und<br />

aufzuklären und so illegale Ausfuhren zu verhindern.<br />

Nach Erfahrungen der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden lassen folgende Anhaltspunkte<br />

auf mögliche illegale Beschaffungsaktivitäten im Zusammenhang<br />

mit Proliferation schließen:<br />

– Der tatsächliche Endverbleib der Güter ist unklar oder der beabsichtigte<br />

Verwendungszweck weicht erheblich von der vom Hersteller<br />

vorgegebenen Produktbestimmung ab oder der Kunde kann<br />

erst gar nicht erklären, wofür das Produkt gebraucht wird.<br />

– Der Kunde handelt normalerweise mit militärischen Gütern.<br />

– Der Käufer verfügt nicht über das erforderliche Fachwissen.<br />

– Ohne erkennbaren Grund werden Zwischenhändler eingeschaltet.<br />

– Der Kunde wünscht eine außergewöhnliche Etikettierung oder<br />

Kennzeichnung der Ware.<br />

– Der Kunde bietet an den Markt- und Branchengepfl ogenheiten<br />

gemessen atypische Zahlungsbedingungen an (Barzahlung, hohe<br />

Vorauszahlungen, ungewöhnliche Provisionen).<br />

– Der Käufer verzichtet, entgegen üblicher Handhabung, auf Einweisung<br />

in die Handhabung der Ware, auf Serviceleistung oder auf<br />

Garantie.<br />

– Firmenangehörige des Käufers werden, um in der Bedienung geschult<br />

zu werden, zur Herstellerfi rma nach Deutschland geschickt,<br />

obwohl eine Einweisung vor Ort praktischer und sinnvoller wäre.<br />

– Weitere Geschäftskontakte in Deutschland unterliegen einer ungewöhnlichen<br />

Verschwiegenheit.<br />

147


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Forschung, Entwicklung und Zukunftstechnologien<br />

vor Spionage schützen<br />

Der Schaden, der der deutschen Wirtschaft durch Wirtschaftsspionage,<br />

Produktpiraterie und Ideenklau entsteht, kann nur geschätzt werden. Erst<br />

im Oktober nannte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. August<br />

Hanning, die Summe von über 20 Milliarden Euro. Experten schätzen<br />

den Wert des bedrohten Wissens auf 50 Milliarden Euro.<br />

Deutschland steht auf der Liste der Spionageziele nach wie vor ganz oben.<br />

Deutsches Know-how ist der einzig nennenswerte Rohstoff, den die Bundesrepublik<br />

im internationalen Wettbewerb zu bieten hat. Innovationen<br />

kosten Geld, binden Ressourcen und verschlingen unter Umständen immense<br />

Summen für die Grundlagenforschung. Dieses Know-how gilt es<br />

zu schützen, vor staatlich gelenkter Wirtschaftsspionage genauso wie vor<br />

privater Konkurrenz- oder Industriespionage.<br />

Die Abgrenzung der einen von der anderen Spionageform ist nicht immer<br />

einfach. Letztendlich ist das allerdings für den Schutz des eigenen Wissens<br />

und der eigenen Produkte unerheblich, denn Schaden ist Schaden.<br />

Aufgabe der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde des Landes <strong>Brandenburg</strong> ist es,<br />

solchen Schaden abzuwenden.<br />

<strong>Brandenburg</strong> bildet zusammen mit Berlin einen leistungsfähigen und zukunftsträchtigen<br />

Wirtschaftsraum in der Mitte Europas. Technologiezentren<br />

und junge Unternehmen mit hoher Innovationskraft haben sich angesiedelt.<br />

Medizin-, Pharma- und Genforschung, Laser- und Verfahrenstechniken,<br />

Optoelektronik, Material-, Luft- und Raumfahrttechnik werden vorangetrieben<br />

und bestehen wie selbstverständlich neben den großen und<br />

bekannten Unternehmen.<br />

Während große Wirtschaftsunternehmen oft über mehr fi nanzielle Ressourcen<br />

für effektive Schutzmaßnahmen verfügen, stehen die Mittelstands-<br />

und Kleinunternehmen dem ungewollten Informationsabfl uss oft<br />

schutz- und ahnungslos gegenüber. Erfahrungen zeigen, dass es bei der<br />

Wirtschaftsspionage durch fremde Nachrichtendienste nicht auf die Größe<br />

eines Unternehmens ankommt. Einzig ausschlaggebender Faktor für das<br />

Fremdinteresse ist das zu beschaffende Know-how.<br />

148


Moderne Industrie und Forschung brauchen Schutz<br />

Fremde Nachrichtendienste beteiligen sich in zunehmendem Maße an diesem<br />

Ringen um ökonomische Vorteile zugunsten ihrer Länder. Dabei geht<br />

es immer um ein Ziel: Dem eigenen Staat Vorteile durch wirtschaftliche<br />

Ausspähung eines anderen Staates zu verschaffen. Für das ausgespähte<br />

Unternehmen ist es dabei völlig unerheblich, ob der fremde Nachrichtendienst<br />

den direkten Auftrag hat, Informationen für die heimische Wirtschaft<br />

zu beschaffen, oder ob solche Aktivitäten lediglich geduldet werden. Klar<br />

ist jedoch: Fremde Nachrichtendienste sind in den vergangenen Jahren<br />

umstrukturiert und mit neuen Kompetenzen versehen sowie personell verstärkt<br />

und fi nanziell hervorragend ausgestattet worden. Allein die Anzahl<br />

der Mitarbeiter in den russischen Nachrichtendiensten beträgt mit den<br />

dazugehörigen Grenztruppen rund 400.000. Der damalige russische Präsident<br />

Vladimir Putin erklärte im russischen Parlament am 10. Mai 2006:<br />

„Ich denke, dass der Staat bei der Beschaffung moderner Technologien im<br />

Ausland unterstützend tätig sein muss.“<br />

Spionageziele sind:<br />

– Forschungsergebnisse, Produktideen und Designstudien,<br />

– Studien über Entwicklungskosten,<br />

– Erfahrungswissen aus Entwicklung, Produktion und Management,<br />

– Verkaufsstrategien und Lagerbestände,<br />

– Kenntnisse über Kostenstrukturen, Preispolitik und strategische<br />

Ausrichtung,<br />

– Imageschädigung oder Sabotage und<br />

– Besitzerlangung von Kundendaten und -adressen.<br />

So fallen Jahr für Jahr auch deutsche Arbeitsplätze den Aktivitäten der<br />

Produktpiraterie und der Wirtschaftsspionage zum Opfer. Bundeskanzlerin<br />

Angela Merkel hat diese Themen schon mehrfach offen angesprochen.<br />

Ohne Gegensteuerung läuft Deutschland Gefahr, noch größeren Schaden<br />

zu nehmen.<br />

149


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Wenn bekannt ist, wie ein potenzieller Gegner denkt und agiert, um an<br />

Know-how zu gelangen, können Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.<br />

Folgende zentrale Methoden zur Ausspähung kommen in Deutschland zur<br />

Anwendung:<br />

– Auswertung offener wissenschaftlicher Informationen über Datenbanken,<br />

Produktbeschreibungen, Internet, Veröffentlichungen,<br />

Messe- und Veranstaltungsbesuche, Ausspähen von ausgestellten<br />

Maschinen auf Messen,<br />

– Gezielte persönliche Kontakte, Herstellung vertrauensvoller Beziehungen<br />

über Fachgespräche sowie Kontaktpfl ege über lange<br />

Zeiträume,<br />

– Bitten um Betreuung einer Delegation, wobei Delegationsmitglieder<br />

verbotswidrig aber gezielt Unterlagen oder Maschinen fotografi eren<br />

oder Datenträger „verschwinden“ lassen,<br />

– Mitarbeiter von Nachrichtendiensten werden als Praktikanten, Diplomanden,<br />

Doktoranden gezielt in deutsche Universitäten oder<br />

Unternehmen mit Hochtechnologie beziehungsweise mit „gewünschter<br />

Technologie“ eingeschleust,<br />

– Verpfl ichtung von Studenten, Ingenieuren und Wissenschaftlern<br />

der eigenen Nationalität, die in Deutschland leben und arbeiten,<br />

– Internetangriffe zur Ausspähung sensibler Daten.<br />

Bei allen Maßnahmen zum Schutz eines Unternehmens, seiner Produkte<br />

und des Know-how ist der wichtigste Faktor der Mensch selbst. Er stellt<br />

das entscheidende Glied in der Sicherheitskette dar. Alle technischen<br />

Maßnahmen und Sicherheitsregeln können nur dann greifen, wenn sie<br />

durch die Mitarbeiter akzeptiert und umgesetzt werden. Erfahrungen zeigen,<br />

dass etwa Zweidrittel aller Angriffe durch Firmenangehörige ausgeübt<br />

werden. Die Motive reichen von Unzufriedenheit, Geldgier oder überzogenem<br />

Selbstwertgefühl bis zu privaten wirtschaftlichen Schwierigkeiten<br />

oder Zukunftsängsten. Angehörige von Fremdfi rmen wie Reinigungspersonal<br />

oder Instandhaltungs- und Serviceunternehmen können ein weiterer<br />

Unsicherheitsfaktor sein.<br />

150


Moderne Industrie und Forschung brauchen Schutz<br />

Zur Prävention eines möglichen Informationsabfl usses sind Sicherheitskonzepte<br />

zwingend notwendig. Ein gutes Sicherheitskonzept hat an erster<br />

Stelle den Mitarbeiter im Blick. Ebenso kommt es auf die so genannten<br />

Kleinigkeiten an, die aber eine große Wirkung haben können. Hierzu zählt<br />

beispielsweise die Erstellung und Umsetzung eines IT-Sicherheitskonzepts.<br />

So können Kerninformationen des Unternehmens vor Ausspähung<br />

durch Dritte geschützt werden.<br />

Mögliche Anzeichen bereits erfolgter Ausspähung könnte der Verlust oder<br />

Diebstahl von Entwicklungsunterlagen, Software, Mustern, Zeichnungen<br />

oder sonstigen Datenträgern sein. Wenn sich ein Mitarbeiter in seinem<br />

Verhalten verändert hat und Auffälligkeiten wie besondere Neugier oder<br />

Inkompetenz deutlich werden, könnte dies ein Hinweis auf Informationsabfl<br />

uss sein. Auch ein unerklärlicher Rückgang von Aufträgen oder plötzlicher<br />

Kundenverlust sind kritisch zu hinterfragen.<br />

Der brandenburgische <strong>Verfassungsschutz</strong> ist für Unternehmen jederzeit<br />

ansprechbar und bietet Unterstützung an. Hierzu zählen:<br />

– allgemeine Beratungs- und Sensibilisierungsgespräche über die<br />

Gefahren der Wirtschaftsspionage,<br />

– Lagebilder über Erkenntnisse der Wirtschaftsspionage,<br />

– Analysen, warum bestimmte Unternehmen oder Produkte für den<br />

Abfl uss von Know-how interessant sind,<br />

– Kontakte zu anderen Institutionen und<br />

– Hilfe und Unterstützung bei konkretem Verdacht oder Schadensfall.<br />

151


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

152


<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung<br />

VERFASSUNGSSCHUTZ<br />

DURCH AUFKLÄRUNG<br />

In den vorherigen Kapiteln haben wir Schein und Sein der extremistischen<br />

Bestrebungen dargelegt. Extremisten haben das Ziel, Menschenrechte,<br />

Oppositionsfreiheit und Meinungsvielfalt abzuschaffen. Dagegen muss<br />

sich eine Demokratie wehren. Der beste Schutz der Verfassung ist deshalb<br />

der informierte Bürger. Hierzu trägt der <strong>Verfassungsschutz</strong> <strong>Brandenburg</strong><br />

bei, indem er Informationen über Feinde der Demokratie systematisch<br />

sammelt, auswertet und weitergibt.<br />

Adressaten dieser Informationen sind Polizei, Regierung und nicht zuletzt<br />

die Öffentlichkeit. Viele unserer rund 120 Verfassungsschützer nehmen<br />

Aufgaben in der Öffentlichkeitsarbeit wahr, indem sie in Vorträgen, Lagebildern<br />

und Hintergrundberichten über Bestrebungen gegen die freiheitliche<br />

demokratische Grundordnung informieren. Hierzu zählen nicht nur<br />

unterschiedlichste Veranstaltungen in Landkreisen, sondern beispielsweise<br />

auch Universitäten und Schulen. Diese aktive Präventionsarbeitarbeit<br />

ist für einen modernen Nachrichtendienst unverzichtbar. Und der Gesetzesauftrag<br />

sieht das auch so vor. Ein zentraler Kooperationspartner für<br />

ein konzeptionell abgestimmtes Vorgehen gegen Rechtsextremismus ist<br />

die Koordinierungsstelle der Landesregierung „Tolerantes <strong>Brandenburg</strong>“.<br />

Die Öffentlichkeit, die immer stärker auf das Informationsangebot des<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>es zurückgreift, ist so vielfältig wie die Gesellschaft in<br />

<strong>Brandenburg</strong> selbst: Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, Lehrkräfte,<br />

Mitarbeiter in Jugendeinrichtungen, politische Gremien auf Landes- und<br />

Kommunalebene, Medien und andere Multiplikatoren, Justizvollzugsanstalten,<br />

Wirtschafts- und Unternehmerverbände etc. ließen sich im vergangenen<br />

Jahr von Mitarbeitern des <strong>Verfassungsschutz</strong>es <strong>Brandenburg</strong><br />

über Rechts- und/oder Linksextremismus, Islamismus oder den Wirtschaftsschutz<br />

informieren.<br />

Einrichtungen und Verbände mit hohem sozialem Ansehen kommt eine<br />

Multiplikatorenrolle zu. Sie organisieren gemeinsam mit dem <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

Symposien, Schulungs- und Weiterbildungsangebote. Periodische<br />

Vorträge am Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM) ermöglichen<br />

153


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Kontakte zwischen Lehrern, Fachleuten der Jugendarbeit und Verfassungsschützern.<br />

Besonders erfreulich ist, dass wir für ganz <strong>Brandenburg</strong><br />

eine regelmäßige Zusammenarbeit mit der Freiwilligen Feuerwehr ab<br />

2007 vereinbaren konnten. Diese Arbeit ist nun fester Bestandteil im Weiterbildungsprogramm<br />

an der Feuerwehrschule in Eisenhüttenstadt. Mitarbeiter<br />

des Referates „<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung“ diskutierten<br />

beispielsweise mit Jugendlichen im Pfi ngstlager der Jugendfeuerwehr in<br />

Spremberg.<br />

Der zentrale Auftrag der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

ist der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Aufklärungsarbeit<br />

über den politischen Extremismus umfasst die Vermittlung<br />

des Schützenswerten: Das sind unsere demokratischen Werte, zusammengefasst<br />

im Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung,<br />

welche von Extremisten abgelehnt und bekämpft wird. Zu ihr zählen: Die<br />

Menschenrechte, das Recht des Volkes, die Volksvertretung frei zu wählen,<br />

die Bindung an Recht und Gesetz, Oppositionsfreiheit, die Ablösbarkeit<br />

der Regierung, die Unabhängigkeit der Gerichte und der Ausschluss<br />

jeder Gewalt- und Willkürherrschaft (siehe Anlage: Gesetzestexte).<br />

Die aktive Präventionsarbeit setzt bei der<br />

Zusammenarbeit mit Schulen an. Um anschaulich<br />

zu machen, was mit der freiheitlichen<br />

demokratischen Grundordnung verbunden<br />

ist, bieten wir für Jugendliche ab<br />

dem 17. Lebensjahr ein vom <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

<strong>Brandenburg</strong> entwickeltes Planspiel<br />

mit dem Titel „Demokratie und Extremismus“<br />

an. Dieses Planspiel macht die<br />

Konfl ikte zwischen Demokratie und ihren<br />

Feinden erlebbar. Und es zeigt auf, dass<br />

es zu Rechtsstaat, Freiheit und Demokratie<br />

keine Alternative gibt. Das Spiel wurde im<br />

Jahr 2007 unter pädagogischer Anleitung<br />

durch <strong>Verfassungsschutz</strong>mitarbeiter gut<br />

zehn Mal mit großem Erfolg durchgeführt.<br />

Veranstaltungsorte waren beispielsweise<br />

Halbe, Königs Wusterhausen, Lübben,<br />

Werder, Goyatz und Zossen.<br />

154


<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung<br />

Damit Informationen breiter gestreut werden können, setzt der <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

<strong>Brandenburg</strong> in der Öffentlichkeitsarbeit zum einen auf seine<br />

Publikationen, zum anderen auf sein Info-Mobil. Letzteres ermöglicht es<br />

den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Referats „<strong>Verfassungsschutz</strong><br />

durch Aufklärung“, auf Messen oder Veranstaltungen den direkten Kontakt<br />

mit den <strong>Brandenburg</strong>ern zu suchen. Das Info-Mobil war beispielsweise<br />

beim Präventionscup in Lübben, beim Radscharmützel in Bad Saarow und<br />

beim „Send-A-Sign“-Musikfestival in Halbe. Viele schätzen es, mit uns auf<br />

diesem Wege persönlich und direkt in Kontakt zu treten.<br />

Bei den Info-Ständen, wie auch zu den Veranstaltungen des <strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

<strong>Brandenburg</strong> führen wir immer unsere Informationsschriften für<br />

die Bürger mit. Zuallererst ist dies der jeweils aktuelle <strong>Verfassungsschutz</strong>bericht.<br />

Unsere Faltblattreihe „Feinde der Demokratie“ ist um den Bereich<br />

„Antisemiten“ erweitert und durch eine Neuaufl age der Blätter „Linksextremisten“,<br />

„Rechtsextremisten“ und „Hassmusiker“ aktualisiert worden.<br />

Sie dienen dem Zweck, allen Interessierten kurz und knapp darzustellen,<br />

welche Ziele Extremisten verfolgen und warum diese nicht mit der freiheitlichen<br />

demokratischen Grundordnung vereinbar sind.<br />

155


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

156


<strong>Verfassungsschutz</strong> durch Aufklärung<br />

Im November 2007 erschien eine überarbeitete Neuaufl age der von den<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>behörden <strong>Brandenburg</strong> und Berlin gemeinsam veröffentlichten<br />

Broschüre „Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus“.<br />

Darin werden verbotene Kennzeichen rechtsextremistischer Organisationen<br />

dargestellt und die gesetzlichen Grundlagen erörtert. Es fi nden<br />

sich ebenso legale Symbole und Mode-Labels, die in den rechtsextremistischen<br />

Jugendszenen beliebt sind. Mit dieser Broschüre richten wir uns<br />

besonders an Eltern, Lehrer, Jugendarbeiter, Streetworker und Polizisten.<br />

Schließlich müssen sie oft und schnell entscheiden, ob und wie sie vorgehen,<br />

wenn auffällige Symbole gezeigt werden. Die große Nachfrage nach<br />

der Broschüre bestätigt, wie sehr diese Informationen benötigt werden.<br />

Daher ist sie nun auch erstmals Bestandteil dieses <strong>Verfassungsschutz</strong>berichtes<br />

geworden (siehe Anlage: Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus).<br />

Der vorliegende <strong>Verfassungsschutz</strong>bericht 2007 sowie alle genannten<br />

Broschüren und Faltblätter stehen auf der seit 2006 barrierefrei gestalteten<br />

Homepage www.verfassungsschutz.brandenburg.de zur Verfügung.<br />

Zusätzlich wird dort regelmäßig über neueste Ereignisse im Extremismus<br />

oder neue Sichten dazu berichtet. Über die Homepage kann das Infomaterial<br />

auch bestellt werden.<br />

Der <strong>Verfassungsschutz</strong> nutzt zudem seine Website, um auf die eigenen<br />

Veranstaltungen und vielfältigen Angebote aufmerksam zu machen. Dazu<br />

gehörten 2007 die Symposien „Freiheit, Islam und Extremismus“ in Frankfurt<br />

(Oder) mit nahezu 300 Teilnehmern sowie „Antisemitismus - Gleichklang<br />

zwischen den Extremen“ in Potsdam mit rund 140 Teilnehmern.<br />

Im Jahr 2007 standen für die Aufgaben des <strong>Verfassungsschutz</strong>es 125 Planstellen<br />

zur Verfügung, 119 davon waren besetzt. Die Personalkosten beliefen<br />

sich auf 4.923.600 Euro. An sonstigen Haushaltsmitteln standen<br />

1.314.900 Euro zur Verfügung, davon wurden 1.311.281,49 ausgegeben<br />

Für das Jahr 2008 sind weitere vielfältige Aktivitäten geplant: Die Aufklärungsarbeit<br />

an Schulen, in der Feuerwehr und in der Wirtschaft soll intensiviert<br />

werden. Auch die Vernetzung mit Institutionen und Vereinen, die sich<br />

gegen Extremismus und für eine demokratische Kultur in <strong>Brandenburg</strong><br />

engagieren, wird ausgebaut. Ebenso folgen weitere Fachveranstaltungen,<br />

unter anderem zu den Themen Menschenrechte/Islamismus und rechtsextremistische<br />

Hooligans.<br />

157


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

158


Anhang<br />

ANHANG<br />

159


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

160


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Rechtsextremisten denken in rassistischen Kategorien von Über- und Unterordnung<br />

und drücken dies durch Symbole und Kennzeichen aus. In der<br />

Gruppe defi nieren Rechtsextremisten sich über ihre „Gemeinschaft“ und<br />

grenzen sich von anderen ab, die sie zu ihren „Feinden“ zählen. Durch<br />

Symbole werden Feindbilder und Gemeinschaftsgefühl gestärkt und in die<br />

Öffentlichkeit getragen. Vorbild ist die Symbolik des Nationalsozialismus.<br />

Es ist in Deutschland strafbar, Kennzeichen verbotener und ehemaliger nationalsozialistischer<br />

Organisation öffentlich zu zeigen. Deswegen suchen<br />

Rechtsextremisten nach Alternativen, um die Verbundenheit untereinander<br />

und ihre Ablehnung der Demokratie zum Ausdruck zu bringen. Dabei greifen<br />

sie auf Symbole, Codes und Modemarken zurück.<br />

Zeichen, die dem „Germanischen“ oder allgemein „Nordischen“ zugeordnet<br />

werden, sind zentral für die rechtsextremistische Symbolik. Die<br />

Runenschrift soll die angebliche Überlegenheit der „nordischen Rasse“<br />

demonstrieren. Die Frakturschrift wird als besonders „deutsche“ Schrift<br />

verstanden, obwohl gerade sie 1941 im „Dritten Reich“ als „Judenlettern“<br />

verboten wurde. Auch Zeichen aus internationalen rassistischen Zusammenhängen<br />

werden gebraucht, so etwa die „White Power“-Symbolik, welche<br />

bei US-amerikanischen Rassisten Anwendung fi ndet. Mittlerweile ist<br />

das ursprünglich in der „linken“ Protestkultur der 1980er Jahre verbreitete<br />

Palästinensertuch sogar bei Rechtsextremisten, besonders unter den „Autonomen<br />

Nationalisten“, ein sehr beliebtes Accessoire. Schließlich lassen<br />

sich darüber antisemitische Grundhaltungen zum Ausdruck bringen.<br />

Mittels der Symbolik erkennen Rechtsextremisten Gleichgesinnte und<br />

grenzen sich gleichzeitig von ihrer Umwelt ab. Dabei setzen sie auch auf<br />

Zahlencodes. Die als Gruß verwendete Zahl „14“ z. B. steht für die von USamerikanischen<br />

Rassisten verwendete, aus vierzehn Worten bestehende<br />

Formel „We must secure the existence of our people and a future for white<br />

children“ (Wir müssen den Bestand unseres Volkes und eine Zukunft für<br />

weiße Kinder sichern). Die „18“ steht für den ersten und achten Buchstaben<br />

im Alphabet (Adolf Hitler). „88“ wiederum signalisiert den verbotenen<br />

Gruß Heil Hitler. Symbolträchtig sind für Rechtsextremisten auch Daten:<br />

Der Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß oder der „Heldengedenktag“<br />

geben Rechtsextremisten immer wieder Anlass zu demonstrativen<br />

Aktionen.<br />

161


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

In geschlossenen Szeneveranstaltungen scheuen sich Rechtsextremisten<br />

wenig, verbotene oder strafbare Kennzeichen zu verwenden oder entsprechende<br />

Handlungen zu begehen. Das Zeigen des „Hitlergrußes“ oder auch<br />

das Brüllen von „Sieg Heil“ sind ritualisierte Bestandteile bei Skinheadkonzerten.<br />

In der Öffentlichkeit siegt hingegen regelmäßig die Angst vor<br />

Bestrafung über die politische Gesinnung. Rechtsextremisten versuchen<br />

öffentlich oft nur solche Symbole zu verwenden, die die Strafbarkeitsschwelle<br />

noch nicht überschreiten.<br />

Manche Kleiderlabel wie „LONSDALE“ haben eindeutig demonstriert, dass<br />

sie sich nicht mit ihrer rechtsextremistischen Kundschaft gemein machen.<br />

„LONSDALE“ war bei Rechtsextremisten beliebt, weil dieser Firmenname<br />

die Buchstaben NSDA und damit in ihren Augen eine Reminiszenz an die<br />

NSDAP enthält. Es gibt allerdings immer noch Markenbekleidung, die wenig<br />

Zweifel an der Gesinnung ihrer Hersteller und Träger aufkommen lässt:<br />

„CONSDAPLE“ etwa ist solch ein Kleiderlabel, das sich bei Rechtsextremisten<br />

richtiggehend anbiedert. Im Wort selbst befindet sich die Buchstabenfolge<br />

„NSDAP“.<br />

Das in Zeesen (Dahme-Spreewald) ansässige Unternehmen Mediatex<br />

GmbH produziert die bei Rechtsextremisten hoch im Kurs stehende Marke<br />

„Thor Steinar“. Das Sortiment der Firma Mediatex kann als Bedienung<br />

völkischer Symbolik in Farbgebung und Schrifttyp – etwa durch das Verwenden<br />

von Tarnfarben und -mustern oder gedruckten Schriftzügen in<br />

Runenschrift – verstanden werden. Auch gibt es Bekleidungsstücke mit<br />

militärischen Reminiszenzen. Hierzu zählt die ME 262 - ein in den letzten<br />

Monaten des Zweiten Weltkrieges als „Wunderwaffe“ angepriesenes<br />

Flugzeug.<br />

Das Tragen von „Thor Steinar“ dient als identitätsstiftendes Erkennungszeichen<br />

unter Rechtsextremisten. Nicht umsonst bezeichnet der einschlägig<br />

rechtsextremistisch bekannte Internet-Versandhandel „Rock-Nord“ die<br />

Käufer von „Thor Steinar“- Artikeln als „patriotische“ Kunden.<br />

162


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Die Mittel des Rechtsstaates können zwar rechtsextremistische Symbolik<br />

nicht völlig aus dem Licht der Öffentlichkeit verbannen. Allerdings sind Staat<br />

und Gesellschaft aufmerksam gegenüber einschlägigen Kennzeichen. Das<br />

zeigt sich auch am Verhalten der <strong>Brandenburg</strong>erinnen und <strong>Brandenburg</strong>er,<br />

die in ihrer ganz großen Mehrheit keine rechtsextremistischen Zeichen und<br />

Symbole dulden und zur Anzeige bringen. Die Strafverfolgung tut ihr Übriges.<br />

Dies nimmt Rechtsextremisten öffentlichen Raum und Aufmerksamkeit<br />

und dient damit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.<br />

Unter den Straftaten, die aus einer rechtsextremistischen Motivation heraus<br />

begangen werden, ragen in der Statistik regelmäßig die so genannten<br />

Propagandadelikte heraus. Bundesweit, wie auch in <strong>Brandenburg</strong>, machen<br />

sie über die Hälfte aller rechtsextremistischen Straftaten aus.<br />

Das nun folgende Kapitel soll Hinweise für die öffentliche Auseinandersetzung<br />

mit dem Rechtsextremismus und seinen Kennzeichen und Symbolen<br />

geben.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Unter den strafrechtlich erfassten so genannten Propagandadelikten versteht<br />

man die Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger<br />

Organisationen (§ 86 Strafgesetzbuch – StGB) und das Verwenden von<br />

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB). Bundesweit<br />

machen sie den größten Anteil der rechtsextremistischen Delikte<br />

aus.<br />

§ 86 Strafgesetzbuch (Gesetzestext)<br />

(1) Wer Propagandamittel<br />

1. einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten<br />

Partei oder einer Partei oder Vereinigung, von der unanfechtbar festgestellt<br />

ist, daß sie Ersatzorganisation einer solchen Partei ist,<br />

2. einer Vereinigung, die unanfechtbar verboten ist, weil sie sich gegen<br />

die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung<br />

richtet, oder von der unanfechtbar festgestellt ist,<br />

daß sie Ersatzorganisation einer solchen verbotenen Vereinigung ist,<br />

3. einer Regierung, Vereinigung oder Einrichtung außerhalb des räumlichen<br />

Geltungsbereichs dieses Gesetzes, die für die Zwecke einer der<br />

163


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

in den Nummern 1 und 2 bezeichneten Parteien oder Vereinigungen<br />

tätig ist, oder<br />

4. Propagandamittel, die nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen<br />

einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen,<br />

im Inland verbreitet oder zur Verbreitung im Inland oder Ausland herstellt,<br />

vorrätig hält, einführt oder ausführt oder in Datenspeichern öffentlich zugänglich<br />

macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe<br />

bestraft.<br />

(2) Propagandamittel im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche Schriften<br />

(§ 11 Abs. 3 StGB), deren Inhalt gegen die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung gerichtet<br />

ist.<br />

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn das Propagandamittel oder die Handlung der<br />

staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen,<br />

der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der<br />

Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder<br />

der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient.<br />

(4) Ist die Schuld gering, so kann das Gericht von einer Bestrafung nach<br />

dieser Vorschrift absehen.<br />

Das Gesetz nennt zwar nur den Begriff „Schriften“, hierzu zählen nach § 11<br />

Abs. 3 StGB jedoch auch:<br />

Tonträger: z. B. CDs, Magnetbänder, -kassetten und -platten, Schallplatten<br />

und Walzen;<br />

Bildträger: z. B. Videos, DVDs, CD-ROMs;<br />

Abbildungen: unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare<br />

Wiedergaben der Außenwelt, vor allem Fotos, Dias und in der<br />

Regel auch Filme;<br />

Darstellungen: jedes Gebilde von gewisser Dauer, das sinnlich wahrnehmbar<br />

Vorstellungen oder Gedanken ausdrückt, z. B. abstrakte Bilder,<br />

Plastiken, Datenträger, Bildschirmtexte aber auch Kennzeichen.<br />

Verwenden bedeutet jeden Gebrauch, der das Kennzeichen optisch oder<br />

akustisch wahrnehmbar macht, also insbesondere das Tragen, Zeigen,<br />

164


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Ausstellen, Vorführen, Vorspielen, Ausrufen, Veröffentlichen auf Webseiten.<br />

Vorrätig halten ist der Besitz zu einem bestimmten Verwendungszweck.<br />

Es genügen einzelne Stücke, die zur freien Verfügung stehen. Der Täter<br />

muss über den Absatz zumindest bestimmen können. Zu beachten ist: Die<br />

reine Lagerung ist für die Erfüllung eines Straftatbestands nicht ausreichend.<br />

Verbreiten umfasst das öffentliche Zugänglichmachen beziehungsweise<br />

die Weitergabe an eine größere, nicht mehr kontrollierbare Zahl von Personen.<br />

Auch die Weitergabe an eine einzelne Person kann bereits Verbreiten<br />

im Sinne des Gesetzes sein, wenn es von der Vorstellung getragen ist,<br />

dass die Sache von dieser Person weiteren Personen zugänglich gemacht<br />

wird.<br />

Vorkonstitutionelle, das heißt vor Inkrafttreten<br />

des Grundgesetzes 1949 entstandene Schriften<br />

(und andere Propagandamittel), z. B. das 1923<br />

von Adolf Hitler diktierte programmatische Buch<br />

des Nationalsozialismus „Mein Kampf“, stellen in<br />

erhalten gebliebenen historischen Exemplaren<br />

einen Sonderfall dar: Sie fallen nicht unter § 86<br />

StGB. Dennoch ist etwa die unveränderte Neuaufl<br />

age von „Mein Kampf“ in Deutschland nicht<br />

erlaubt. Der Freistaat Bayern besitzt zum Teil die<br />

Urheberrechte und gestattet keinen Nachdruck.<br />

Die Herstellung und Verbreitung der Schrift ist<br />

eine Straftat nach dem Urheberrecht.<br />

§ 86 a Strafgesetzbuch (Gesetzestext)<br />

(1) (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft,<br />

wer<br />

2. Gegenstände, die derartige Kennzeichen darstellen oder enthalten,<br />

zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland in der in<br />

Nummer 1 bezeichneten Art und Weise herstellt, vorrätig hält, einführt<br />

oder ausführt.<br />

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind namentlich Fahnen,<br />

Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 ge-<br />

165


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

nannten Kennzeichen K i h stehen h solche l h gleich, l i h die di ihnen ih zum Verwechseln<br />

V h l<br />

ähnlich sind.<br />

(3) § 86 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.<br />

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sind oftmals ohne besondere<br />

Fachkenntnisse erkennbar. Vor allem aus der Zeit des Nationalsozialismus<br />

ist eine Vielzahl von Beispielen bekannt. Für diese Epoche<br />

und das uneingeschränkte Bekenntnis zum damaligen Unrechtsregime<br />

sind insbesondere die Verwendung von Hakenkreuz oder „Sig“-Rune charakteristisch.<br />

Parteiabzeichen der NSDAP Doppelte „Sig“-Rune der SS<br />

Allerdings bezieht sich § 86 a StGB nicht nur auf Kennzeichen aus der Zeit<br />

des Nationalsozialismus. Auch Kennzeichen von neonazistischen Organisationen,<br />

die erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und sich oft<br />

der Symbolik des Nationalsozialismus in abgewandelter Form bedienen,<br />

sind nach § 86 a StGB strafrechtlich relevant. Nach dem Verbot einer Organisation<br />

dürfen auch deren Kennzeichen nicht mehr verwendet werden.<br />

Durch ihr nur begrenztes Erscheinen in der Öffentlichkeit sind diese im<br />

Gegensatz zum Hakenkreuz und der „Sig“-Rune jedoch weit weniger im<br />

öffentlichen Bewusstsein präsent und werden oft nicht sofort mit einem<br />

extremistischen Hintergrund verbunden.<br />

Hinzu kommen nicht durch das Strafrecht erfasste, vergleichsweise neue<br />

und in vielen Fällen verschlüsselte Symbole und Parolen der rechtsextremistischen<br />

und neonazistischen Szene, die nur deren Angehörigen selbst<br />

oder dem geschulten Beobachter die Verbindung zum Rechtsextremismus<br />

zeigen. Gleichwohl verrät der Benutzer damit einen bestimmten ideologischen<br />

Standort.<br />

166


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Sozialadäquanzklausel<br />

§ 86 Abs. 3 und § 86 a Abs. 3 StGB enthalten eine so genannte Sozialadäquanzklausel,<br />

d. h. die Verbote gelten nicht für bestimmte Verwendungen<br />

von Kennzeichen in den Bereichen der Wissenschaft und Lehre, der Kunst<br />

oder der staatsbürgerlichen Aufklärung, wie auch im Fall dieser Veröffentlichung.<br />

Gleichermaßen ist auch das Verwenden von Kennzeichen nicht<br />

strafbar, aus denen der unbefangene Beobachter eine Ablehnung der NS-<br />

Ideologie erkennen kann. Beispielhaft dafür sind folgende Darstellungen<br />

– hier wird das Hakenkreuz abgebildet, um z. B. gegen die Veröffentlichung<br />

rechtsextremistischer Zeitungen zu protestieren.<br />

Beispiele für die Verwendung des Hakenkreuzes<br />

gemäß der Sozialadäquanzklausel<br />

Ebenfalls erlaubt ist die Verwendung des Hakenkreuzes in durchgestrichener<br />

Form. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass der Gebrauch<br />

des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation nicht<br />

von § 86 a StGB erfasst wird, wenn der Inhalt der Darstellung in offenkundiger<br />

und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die<br />

Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt. 1<br />

1 Vgl. Urteil des BHG vom 15. März 2007, Az.: 3 StR 486/06<br />

167


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Symbole und Kennzeichen<br />

Hakenkreuz<br />

Das Hakenkreuz als wohl bekanntestes, untrennbar<br />

mit dem Nationalsozialismus verbundenes<br />

Kennzeichen, war keine Erfi ndung Hitlers. Bereits<br />

in frühgeschichtlicher Zeit war es in verschiedenen<br />

Kulturen, z. B. in China und Indien,<br />

als ein vermutlich der Sonnenscheibe nachgebildetes<br />

Schmuckornament verbreitet. Als Identifi<br />

kationszeichen für eine bestimmte Gruppierung<br />

wurde es im deutschsprachigen Raum in der Neuzeit erstmalig von „Turnvater“<br />

Jahn verwendet, indem er sein Motto „Frisch-Fromm-Fröhlich-Frei“<br />

in Hakenkreuzform schrieb. Das 1907 als offi zielles Symbol des deutschen<br />

Turnerbundes verwendete Hakenkreuz wurde auch von der nicht extremistischen<br />

„Wandervogelbewegung“ übernommen. Die „Wandervögel“ hatten<br />

es sich u. a. zum Ziel gesetzt, die jugendlichen Großstädter mit Fahrten<br />

und Zeltlagern zurück in die Natur zu führen.<br />

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der allgemeinen Mobilmachung<br />

führten junge Rekruten aus der „Wandervogelbewegung“ ihr Kennzeichen<br />

in das kaiserliche Heer ein. Einige der sich nach Kriegsende formierenden<br />

Freikorps verwendeten das Hakenkreuz auf ihren Fahnen weiter.<br />

Inspiriert durch ideologische Vordenker, die dem Hakenkreuz eine völkische<br />

und antisemitische, die „arische Herrenrasse“ symbolisierende<br />

Bedeutung gegeben hatten, wählte Adolf Hitler das Zeichen zum Symbol<br />

„seiner“ Bewegung. Zum Kennzeichen der „Nationalsozialistischen Deutschen<br />

Arbeiterpartei“ (NSDAP) wurde das Hakenkreuz am 7. August 1920<br />

auf der „Salzburger Tagung“ bestimmt.<br />

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 erhob der<br />

„Führer“ und Reichskanzler Adolf Hitler das ursprüngliche Parteikennzeichen<br />

am 5. November 1935 zum Hoheitszeichen des Deutschen Reiches<br />

(„Reichsfl aggengesetz“). Als Reichsadler mit Hakenkreuz symbolisierte es<br />

die Einheit von Partei und Staat. Hintergrund war die weitgehende Verquickung<br />

von staatlichen Funktionen mit Parteifunktionen im nationalsozialistischen<br />

Regime. Eine exakte Trennung von Hoheitszeichen und Parteisymbolen<br />

ist daher rückblickend nicht immer möglich.<br />

168


Flaggen<br />

Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Die von 1935 bis 1945 verwendete<br />

Reichskriegsfl agge des „Dritten Reiches“<br />

ist heute verboten. Auf der Suche<br />

nach einem Ersatz nutzen Rechtsextremisten<br />

bei ihren Aufmärschen oft<br />

Flaggen anderer Epochen, die nicht mit<br />

dem nationalsozialistischen Regime und<br />

seiner Ideologie verbunden sind.<br />

Insbesondere die Flagge des Norddeutschen Bundes und des deutschen<br />

Kaiserreiches sowie die Fahne der Reichswehr ab 1933 – vor der Bildung<br />

der Deutschen Wehrmacht 1935 und noch ohne Hakenkreuz – dienen<br />

häufi g als Ersatzsymbole.<br />

1867 – 1921<br />

Diese Fahne wurde 1867 vom Norddeutschen<br />

Bund zur Flagge der Kriegs- und<br />

Handelsmarine bestimmt und 1892 zur<br />

Kriegsfl agge des Deutschen Reiches<br />

erhoben.<br />

1922 – 1933<br />

Reichskriegsfl agge der Weimarer Republik<br />

1933 – 1935<br />

Fahne der Reichswehr<br />

169


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Eine Straftat ist die Verwendung dieser historischen Flaggen nicht. Da aber<br />

Rechtsextremisten diese Flaggen immer wieder bei Aufmärschen mitführen,<br />

werden sie kaum noch als Teil der Traditionspfl ege, sondern eher als<br />

Ausdruck einer politischen Gesinnung verstanden.<br />

Deshalb weisen in manchen Bundesländern, so auch in <strong>Brandenburg</strong>, Erlasse<br />

der Innenministerien die Polizei an, „das Zeigen oder Verwenden<br />

der Reichskriegsfl agge aus der Zeit vor 1933 in der Öffentlichkeit zu unterbinden<br />

und die Flagge [...] sicherzustellen“. Die öffentliche Verwendung<br />

der Flagge kann in diesem Kontext als „Verstoß gegen die öffentliche Ordnung“<br />

gewertet werden.<br />

In dem <strong>Brandenburg</strong>er Erlass vom August 1993 heißt es, dass die Flaggen<br />

als „ein Symbol neofaschistischer Anschauungen oder der Ausländerfeindlichkeit“<br />

einzustufen sind. Rechtsextremistische Gruppierungen benutzten<br />

sie als verbindendes Kennzeichen, weil sie glaubten, so die Bestimmungen<br />

des § 86 a StGB umgehen zu können.<br />

In Berlin wird das Zeigen oder Verwenden der (Kriegs-) Flagge des Norddeutschen<br />

Bundes in der Öffentlichkeit als Verstoß gegen die öffentliche<br />

Sicherheit und Ordnung im Sinne des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz<br />

der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Berlin (ASOG) gewertet. Dies<br />

kann unterbunden und die Flagge gegebenenfalls sichergestellt werden.<br />

Schriftzeichen<br />

Runen sind die ältesten germanischen Schriftzeichen. Sie stellten jedoch<br />

keine Schrift im eigentlichen Sinne dar, sondern dienten vor allem Priestern<br />

zu magischen und kultischen Zwecken. Mit der völkischen Verklärung<br />

des Germanentums entdeckten die Nationalsozialisten die von der<br />

lateinischen Schrift verdrängten Runen neu und sahen in diesen Zeichen<br />

einen wichtigen Bestandteil der „arischen Kultur“.<br />

Das „Runenalphabet“ (nach der ersten Buchstabenreihe „Futhark“ genannt)<br />

unterlag im Laufe der Zeit Veränderungen, was sowohl die Anzahl<br />

der Zeichen als auch ihre Form und Benennung betraf.<br />

170


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

„Runenalphabet“<br />

Unter der Vielzahl überlieferter Runen aus germanischer<br />

Zeit wurden jedoch nur wenige tatsächlich im Nationalsozialismus<br />

verwendet und instrumentalisiert. Am bekanntesten<br />

ist die „Sig“-Rune als Kennzeichen des „Deutschen Jungvolks“<br />

(DJ) und – als doppelte „Sig“-Rune – auch Kennzeichen<br />

der „Schutzstaffel“ (SS) der NSDAP. Der Ursprung der<br />

„Sig“-Rune ist umstritten, wahrscheinlich entspricht sie der<br />

„Sowulo“-Rune (auch „Sol“-Rune genannt) als Symbol für „Sig“-Rune<br />

die Sonne. Die SS verwendete die doppelte „Sig“-Rune in<br />

ihrem Abzeichen und machte sich damit die aggressive dynamische Form<br />

(Blitz) und die Assoziation mit dem Wort „Sieg“ zu Eigen.<br />

In der heutigen Zeit verwenden Rechtsextremisten neben der „Sig“-Rune<br />

vor allem noch die „Odal“- („Othila“) sowie die „Lebens“- bzw. „Todes“-<br />

Rune („Algiz“). „Lebens“- und „Todes“-Rune dienen ihnen oft zur Kennzeichnung<br />

entsprechender Geburts- und Todesdaten.<br />

„Lebens“-Rune „Odal“-Rune „Todes“-Rune<br />

171


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Hinzu kommen Symbole, die aus ursprünglichen Runen abgeleitet worden<br />

sind, z. B. die so genannten Wolfsangeln.<br />

Der seit September 2000 verbotene Personenzusammenschluss<br />

„Blood & Honour“ verwendete insbesondere<br />

eine an ein abgewandeltes, dreiarmiges Hakenkreuz<br />

erinnernde Triskele. Eine Strafbarkeit der Verwendung<br />

dieser Zeichen ist allerdings<br />

nur dann gegeben,<br />

wenn sie bei<br />

einem unbefangenen<br />

Dritten den Eindruck<br />

erwecken, es handele sich um Erkennungszeichen einer verbotenen Organisation.<br />

Rechtsextremisten gebrauchen darüber hinaus häufi g eine den Runen<br />

ähnelnde Schriftform, um so den heidnisch-germanischen Ursprung des<br />

deutschen Volkes zu betonen und eine Traditionslinie zu ihrem eigenen<br />

vermeintlichen Germanentum zu ziehen.<br />

Runenähnliche Schrift und Odalrune -<br />

hier in Verbindung mit der verbotenen Wiking-Jugend<br />

Eine weitere heute mitunter in rechtsextremistischen Kreisen gebräuchliche<br />

Schriftform ist die Frakturschrift. Diese Schriftart war vom 16. bis zum<br />

Beginn des 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum üblich.<br />

172


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Grußformen, Parolen und Losungen<br />

Während Symbole und Kennzeichen als optische Erkennungszeichen<br />

der nationalsozialistischen Ideologie unter das Strafrecht fallen, sind bestimmte<br />

Grußformen, Parolen und Lieder vor allem wegen ihrer Inhalte und<br />

ihrer Verwendung in der Zeit des „Dritten Reiches“ als Ausdruck besonderer<br />

Systemnähe heute verboten.<br />

Zu derartigen Grußformen gehören:<br />

„Heil Hitler“,<br />

„Sieg Heil“,<br />

„Sieg und Heil für Deutschland“,<br />

„Mit Deutschem Gruß“ (u. a. als Schlussformel für Briefe).<br />

Zu den Grußformen des Nationalsozialismus ist als charakteristische Geste<br />

auch der so genannte „Deutsche Gruß“ bzw. „Hitlergruß“ zu rechnen.<br />

Der „Deutsche Gruß“ bzw. „Hitlergruß“ ist ein Verstoß gegen § 86 a StGB.<br />

Die deutsche Neonazi-Szene verwendete seit den 1970er Jahren eine<br />

durch Michael Kühnen2 initiierte Abwandlung des „Deutschen Grußes“,<br />

den so genannten „Widerstandsgruß“ bzw. „Kühnengruß“. Hierbei sind bei<br />

erhobenem und ausgestrecktem rechten Arm Daumen, Zeige- und Mittelfi<br />

nger der Hand von einer Faust abgespreizt, wobei sie praktisch ein „W“<br />

bilden. Diese Grußform ist ebenfalls strafbar.<br />

Rechtsextremistische Bands zeigen bei ihren Auftritten häufi g den „Hitlergruß“<br />

und animieren auch das Publikum dazu. Zusammen mit einschlägigen<br />

Texten ist das ein offenes Bekenntnis zum Nationalsozialismus.<br />

„Deutscher Gruß“ oder „Hitlergruß“<br />

2 Michael Kühnen (1955 - 1991) war ein führender Kpof der Neonazi-Szene und<br />

Organisationsleiter der 1983 verbotenen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten /<br />

Nationaler Aktivisten“ (ANS / NA).<br />

173<br />

„Widerstands-“ oder „Kühnengruß“


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Verbotene Losungen des „Dritten Reiches“ sind:<br />

„Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ (allgemeine Losung des „Dritten Reiches“),<br />

„Deutschland erwache“ (Losung der SA),<br />

„Meine / Unsere Ehre heißt Treue“ (Losung der SS),<br />

„Blut und Ehre“ (Losung der Hitlerjugend).<br />

Die im Rahmen rechtsextremistischer Proteste gegen die Wehrmachtsausstellung<br />

im Jahr 1999 aufgekommene Parole „Ruhm und Ehre der Waffen-<br />

SS“ war in ihrer strafrechtlichen Relevanz umstritten. Sie wurde zunächst<br />

als Verstoß gegen § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB angesehen. Der Bundesgerichtshof<br />

hat diese Rechtsauffassung nicht bestätigt. Jedoch kommt eine<br />

Strafbarkeit nach § 130 Abs. 4 StGB in Betracht, wenn öffentlich oder in<br />

einer Versammlung der öffentliche Friede in einer die Würde der Opfer verletzenden<br />

Weise dadurch gestört wird, dass die nationalsozialistische Gewalt-<br />

und Willkürherrschaft gebilligt, gerechtfertigt oder verherrlicht wird.<br />

Codes<br />

Darüber hinaus verwendet die rechtsextremistische Szene häufi g interne,<br />

aus Zahlen- oder Buchstabenkombinationen bestehende Codes:<br />

14 Words ist die Abkürzung der Parole des amerikanischen Neonazi-<br />

Führers David Lane („American Nazi Party“) „We must secure<br />

the existence of our people and a future for white children“ –<br />

von deutschen Rechtsextremisten übernommen: „Wir müssen<br />

den Erhalt unserer Rasse sichern und eine Zukunft für weiße<br />

Kinder“.<br />

168 : 1 bezieht sich auf das Bombenattentat des amerikanischen<br />

Rechtsextremisten Timothy Mc Veigh auf ein Regierungsgebäude<br />

in Oklahoma City im Jahr 1995, bei dem 168 Menschen<br />

getötet wurden. Mc Veigh wurde zum Tode verurteilt und 2001<br />

hingerichtet.<br />

ZOG bedeutet „Zionist Occupied Government“ („zionistisch okkupierte<br />

Regierung“).<br />

WAR bedeutet „White Arian Resistance“ („weißer arischer Widerstand“).<br />

174


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

18 steht für den ersten („A“) und achten („H“) Buchstaben des Alphabets<br />

– als Abkürzung für „Adolf Hitler“.<br />

28 steht für den zweiten („B“) und achten („H“) Buchstaben des<br />

Alphabets – als Abkürzung für die in Deutschland verbotene<br />

Organisation „Blood & Honour“ (B & H).<br />

88 steht für den achten („H“) Buchstaben des Alphabets – als Abkürzung<br />

für „Heil Hitler“.<br />

Auch die Zahlenkombination „14 / 88“ ist eine häufi g gebrauchte, rechtsextremistische<br />

Grußformel mit der oben genannten Bedeutung. Auf diese<br />

Weise lässt sich jede Aussage verschlüsseln.<br />

Bekleidung<br />

Aktionsorientierte Rechtsextremisten haben in der Vergangenheit ihre<br />

Gesinnung häufi g durch ein nahezu uniformiertes Erscheinungsbild zum<br />

Ausdruck gebracht. Dieses Aussehen orientierte sich vor allem an der an<br />

sich ursprünglich nicht rechtsextremistischen Subkultur der Skinheads:<br />

So genannte Bomberjacken, Kampfstiefel und kurzrasierte Haare prägen<br />

auch heute noch das mediale Bild vom Rechtsextremismus. Allerdings haben<br />

sich die modischen Stile des Rechtsextremismus stark verändert und<br />

bieten kein eindeutiges Zuweisungsmerkmal mehr. Zum einen ist der Skinhead-Stil<br />

auch bei nicht rechtsextremistischen Jugendlichen anzutreffen.<br />

Zum anderen vermeiden Rechtsextremisten zunehmend ein martialisches,<br />

uniformiertes Auftreten und orientieren sich in der Öffentlichkeit eher an<br />

der Mainstream-Jugendkultur oder kopieren sogar Formen des Auftretens<br />

der linksextremistischen Autonomen-Szene. Im aktionsorientierten<br />

Rechtsextremismus werden Marken wie „LONSDALE“, „CONSDAPLE“<br />

und „Thor Steinar“ aber auch „Masterrace“ („Herrenrasse“) oder „Rizist“<br />

(für „Widerstand“) getragen.<br />

„LONSDALE“<br />

Beim Tragen unter der geöffneten Jacke sind die Buchstaben<br />

„NSDA“ zu erkennen. Es handelt sich aber um<br />

einen weitverbreiteten Sportartikelhersteller, der sich<br />

von dem Missbrauch seiner Produkte ausdrücklich<br />

distanziert und in Kampagnen gegen Rassismus engagiert.<br />

175


„CONSDAPLE“<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Auch bei „CONSDAPLE“ ist die Sichtbarkeit der Buchstaben<br />

„NSDAP“ das ausschlaggebende Element. Das<br />

Label dürfte im Gegensatz zu „LONSDALE“ gezielt für einen<br />

Absatz unter Rechtsextremisten kreiert worden sein,<br />

da es ausschließlich in entsprechenden Szeneläden oder<br />

im einschlägigen Versandhandel erhältlich ist.<br />

„Thor Steinar“<br />

Die ursprünglich norwegische, seit einigen Jahren in Zeesen (<strong>Brandenburg</strong>)<br />

produzierte Marke „Thor Steinar“ betont einen nordischen Hintergrund.<br />

„Thor Steinar“ verwendete zunächst ein aus zwei Runen zusammengesetztes,<br />

bei Rechtsextremisten<br />

beliebtes Logo. Dieses Logo wird<br />

von der Rechtssprechung in Berlin<br />

und <strong>Brandenburg</strong> sowie in anderen<br />

Bundesländern nicht als strafbar angesehen.<br />

Seit Anfang 2005 gebraucht<br />

die Firma ein strafrechtlich neutrales alt neu<br />

Logo.<br />

Immer seltener tragen Rechtsextremisten Aufnäher<br />

mit Losungen wie „Ich bin stolz ein Deutscher<br />

zu sein“ oder die so genannten „Gaudreiecke“,<br />

die sich an Kennzeichen der Hitlerjugend orientieren<br />

und der regionalen Zuordnung des Trägers<br />

dienen.<br />

Die öffentliche Verwendung von „Gaudreiecken“<br />

ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs<br />

gemäß § 86 a StGB strafbar, da sie unabhängig<br />

davon, ob sie mit den von der Hitlerjugend verwendeten<br />

Abzeichen im Detail übereinstimmen,<br />

mit diesen zumindest<br />

verwechselbar sind. Zudem vermitteln<br />

sie ihren Trägern die gleichen Symbolwerte<br />

und erfüllen eine wichtige gruppeninterne<br />

Funktion als sichtbares<br />

Symbol geteilter Überzeugungen.<br />

176


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Rechtsextremistische Musik<br />

Einen besonderen Fall rechtsextremistischer Symbolik stellt die Szene-<br />

Musik als gemeinschaftsbildendes Erkennungszeichen dar. Unter rechtsextremistischer<br />

Musik versteht man die Kombination rechtsextremistischer<br />

Texte mit verschiedenen Musikstilen (u. a. Rock / Hardrock, „Hatecore“,<br />

Heavy Metal, Gothic, Dark Wave, Schlager, Rockabilly, Volkslieder). Die<br />

Aufzählung zeigt, dass rechtsextremistische Musik nicht mit einem Musikstil<br />

verbunden ist, sondern ganz unterschiedlich klingen kann. Entscheidend<br />

für die Bewertung sind die Textinhalte.<br />

Musik des „Dritten Reichs“<br />

Die Zeit des Nationalsozialismus brachte eine Vielzahl von Kampf- und Propagandaliedern<br />

hervor, die insbesondere zur Verherrlichung des Systems<br />

und seiner Organisationen dienten. An erster Stelle ist das so genannte<br />

„Horst-Wessel-Lied“ („Die Fahne hoch, die Reihen fest geschlossen ...“) zu<br />

nennen, das während der NS-Diktatur zu einer zweiten Nationalhymne bestimmt<br />

worden war. Das Absingen oder -spielen dieses Liedes verwirklicht<br />

wegen seiner deutlichen Übereinstimmung mit der Ideologie des Nationalsozialismus<br />

einen Straftatbestand.<br />

Weitere mit der nationalsozialistischen Ideologie eng verknüpfte und daher<br />

unter den § 86 a StGB fallende Lieder sind beispielsweise:<br />

„Vorwärts! Vorwärts!“ („Unsre Fahne fl attert uns voran“) und<br />

„Ein junges Volk steht auf“ (Lieder der Hitlerjugend),<br />

„Sturm, Sturm, Sturm“ (Liedgut der NSDAP),<br />

„Brüder in Zechen und Gruben“ (Kampfl ied der NSDAP),<br />

„Siehst Du im Osten das Morgenrot“ (NSDAP-Liedgut),<br />

„Es stehet in Deutschland“ (Kampfl ied der SA),<br />

„Wir sind die Sturmkolonnen ... es lebe Adolf Hitler“ (SA-Liedgut).<br />

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat 1987 entschieden, dass ein Straftatbestand<br />

auch dann gegeben ist, wenn ein Lied ohne oder mit anderem<br />

Text gespielt wird: „Gerade die Melodie macht Symbolkraft aus“ 3 . Allerdings<br />

haben Nationalsozialisten vor allem in den 1920er Jahren einige Melodien<br />

von Arbeitervolksliedern übernommen und deren Texte geringfügig, aber<br />

an entscheidenden Stellen verändert. Deshalb sind bei der Beurteilung von<br />

Liedern, erst recht von einzelnen Melodien, immer die konkreten Umstände<br />

sowie die erkennbare Zielrichtung zu berücksichtigen.<br />

3 Urteil des OLG Oldenburg vom 5.10.1987, Az.: 1 Ss 481/87<br />

177


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Verbotene Personenzusammenschlüsse<br />

Bundesweit wurden seit 1951 mehr als 100 rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse,<br />

die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung<br />

richteten, verboten.<br />

Zum Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung hat der Gesetzgeber u. a.<br />

folgende Instrumente vorgesehen:<br />

Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (verbotene Vereinigungen),<br />

Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz (Verfassungswidrigkeit und Verbot von Parteien),<br />

§ 32 Parteiengesetz (Vollstreckung eines Parteiverbotes),<br />

§ 3 Vereinsgesetz (Vereinsverbot).<br />

Weil ein Partei- oder Vereinsverbot in einer von Meinungsvielfalt und der<br />

Achtung der Persönlichkeitsrechte jedes Einzelnen geprägten Gesellschaft<br />

nur letztes Abwehrinstrument sein kann, muss vor einem Verbot die<br />

Verfassungsfeindlichkeit des Personenzusammenschlusses ausdrücklich<br />

nachgewiesen werden. Ein Verbot einer Partei kann nur das Bundesverfassungsgericht<br />

aussprechen. Vereine können dagegen durch Verfügung<br />

des Bundesinnenministers und bei ausschließlich regionalen Aktivitäten<br />

durch den Innenminister oder -senator des jeweiligen Bundeslandes verboten<br />

werden.<br />

Voraussetzung für ein Verbot ist eine aggressiv-kämpferische Tätigkeit<br />

gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Dabei kommt es nicht auf die<br />

Erfolgsaussichten an. Diese Zielrichtung ist insbesondere dann zu unterstellen,<br />

wenn eine Vereinigung in programmatischer Ausrichtung, Vorstellungswelt<br />

und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus<br />

aufweist.<br />

Die nachstehend aufgeführten, rechtsextremistischen Personenzusammenschlüsse<br />

wurden durch den Bundesminister des Innern oder den Innenminister<br />

eines Bundeslandes nach dem Vereinsrecht verboten.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> wurden bisher fünf rechtsextremistische Organisationen<br />

verboten: Kameradschaft Schutzbund Deutschland (2006), Alternative Nationale<br />

Strausberger Dart Oiercing und Tattoo Offensive (ANSDAPO), Kameradschaft<br />

Hauptvolk und deren Untergliederung Sturm 27 (beide 2005),<br />

Kameradschaft Oberhavel (1997), Direkte Aktion / Mitteldeutschland (JF)<br />

(1995).<br />

178


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Ausgewählte verbotene Personenzusammenschlüsse /<br />

Verbotsland (ab 1982)<br />

179<br />

Jahr<br />

Volkssozialistische Bewegung Deutschlands (VSBD) / Bund 1982<br />

Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANSNA)<br />

/ Bund<br />

1983<br />

Nationale Sammlung (NS) / Bund 1989<br />

Nationalistische Front (NF) / Bund 1992<br />

Deutsche Alternative (DA) / Bund 1992<br />

Nationale Offensive (NO) / Bund 1992<br />

Nationaler Block (NB) / Bayern 1993<br />

Heimattreue Vereinigung Deutschlands (HVD) / BW 1993<br />

Freundeskreis Freiheit für Deutschland (FFD) / NRW 1993<br />

Wiking-Jugend e. V. (WJ) / Bund 1994<br />

Nationale Liste (NL) / Hamburg 1995<br />

Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei (FAP) / Bund 1995<br />

Direkte Aktion / Mitteldeutschland (JF) / BB 1995<br />

Kameradschaft Oberhavel / BB 1997<br />

Hetendorfer Vereine / Niedersachsen 1998<br />

Hamburger Sturm / Hamburg 2000<br />

Blood & Honour – Division Deutschland (B & H)<br />

einschl. White Youth (WY) / Bund<br />

2000<br />

Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) / Sachsen 2001<br />

Fränkische Aktionsfront (FAF) / Bayern 2004<br />

Kameradschaft Tor Berlin einschl. Mädelgruppe / Berlin 2005<br />

Berliner Alternative Süd-Ost (BASO) / Berlin 2005<br />

Kameradschaft Hauptvolk und Untergliederung Sturm 27 / BB 2005<br />

Alternative Nationale Strausberger Dart Piercing und Tattoo Offensive<br />

(ANSDAPO) / BB<br />

2005<br />

Kameradschaft Schutzbund Deutschland / BB 2006<br />

Kameradschaft Sturm 34 / Sachsen 2007


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Kennzeichen verbotener Personenzusammenschlüsse<br />

„Volkssozialistische Bewegung Deutschlands / Partei der Arbeit“ (VSBD / PDA)<br />

Das Keltenkreuz war Symbol der VSBD. Deren Verbot im Jahre 1982 beinhaltete<br />

auch das Verbot des Keltenkreuzes in der von dieser Organisation<br />

verwendeten Form. Eine „isolierte“ Verwendung des Keltenkreuzes ist nur<br />

dann strafbar, wenn weitere konkrete Umstände auf die VSBD hinweisen.<br />

„Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS)<br />

negatives Hakenkreuz „Sig“-Rune mit angesetzten Spitzen<br />

„Nationale Sammlung“ (ANS- Ersatzorganisation)<br />

180


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

„Nationalistische Front“ (NF)<br />

„Deutsche Alternative“ (DA)<br />

„Nationale Offensive“ (NO) Nationaler Block (NB)<br />

„Wiking-Jugend“ (WJ)<br />

Die „Wiking-Jugend“ verwendete als eines ihrer Symbole auch die „Odalrune“.<br />

Ohne Bezug zur WJ ist dieses Zeichen nicht strafbar.<br />

181


„Nationale Liste“ (NL)<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP)<br />

„Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ),<br />

später „Direkte Aktion / Mitteldeutschland“ (JF)<br />

„Kameradschaft Oberhavel“ „Kameradschaft Hauptvolk”<br />

ANSDAPO mit Sonnenrad<br />

Die Darstellung des Sonnenrades ist ohne Bezug zur ANSDAPO nicht<br />

strafbar.<br />

182


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

„Blood & Honour“ (B & H)<br />

„White Youth” mit Triskele<br />

183


Rat und Hilfe<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Mit rechtsextremistischen Phänomenen beschäftigt sich eine Vielzahl von<br />

Behörden und – teils staatliche, teils private – Institutionen, Gremien und<br />

Initiativen.<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong><br />

Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden des Bundes und der Länder haben die<br />

gesetzlich bestimmte Aufgabe, Strukturen und Aktivitäten von extremistischen<br />

Organisationen auch mit verdeckten Methoden, so genannten<br />

nachrichtendienstlichen Mitteln, zu beobachten, aktuelle Entwicklungen<br />

festzustellen und hierüber die politisch Verantwortlichen sowie die Öffentlichkeit<br />

zu unterrichten. Sie haben keine polizeilichen Zwangsbefugnisse.<br />

Neben den jährlich erscheinenden <strong>Verfassungsschutz</strong>berichten veröffentlichen<br />

die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden regelmäßig Informationsmaterial zu<br />

Themen des politischen Extremismus und bieten für interessierte Gruppen<br />

nach Vereinbarung auch fachbezogene Informationsvorträge an.<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong> <strong>Brandenburg</strong><br />

Ministerium des Innern des Landes <strong>Brandenburg</strong><br />

Abteilung <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

Henning-von-Tresckow-Str. 9 – 13<br />

14467 Potsdam<br />

Tel.: (0331) 866 – 25 00<br />

Fax: (0331) 866 – 26 09<br />

E-Mail: info@verfassungsschutz-brandenburg.de<br />

Internet: www.verfassungsschutz.brandenburg.de<br />

Polizeilicher Staatsschutz<br />

Aufgabe des polizeilichen Staatsschutzes ist die Ermittlung und Aufklärung<br />

politisch motivierter Straftaten nach der Strafprozessordnung (StPO). Zur<br />

Gefahrenabwehr hat der Staatsschutz die in den Polizeigesetzen der Länder<br />

vorgesehenen Befugnisse.<br />

Im Land <strong>Brandenburg</strong> gibt es zwei Polizeipräsidien mit ihren insgesamt<br />

15 Schutzbereichen und das Landeskriminalamt. Dort bieten Beamte Unterstützung<br />

an, wenn es darum geht, Straftaten vorzubeugen und anzuzeigen.<br />

184


Symbole und Kennzeichen des Rechtsextremismus<br />

Polizeipräsidium Potsdam<br />

Bürgertelefon: 0700 3333 0331<br />

Polizeipräsidium Frankfurt (Oder)<br />

Bürgertelefon: 0700 3333 0335<br />

Landerskriminalamt<br />

Tel.: 03334 388 – 2601<br />

Weitere Informationen fi nden sie unter:<br />

www.internetwache.brandenburg.de<br />

Koordinierungsstelle Tolerantes <strong>Brandenburg</strong><br />

Die Koordinierungsstelle unterstützt die Umsetzung des Handlungskonzeptes<br />

Tolerantes <strong>Brandenburg</strong> der Landesregierung gegen Rechtsextremismus,<br />

Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. Sie initiiert und begleitet den<br />

Auf- und Ausbau von Trägerstrukturen und Netzwerken zur Festigung der<br />

Bürgergesellschaft. Sie fungiert dabei als Ansprechpartner für regionale<br />

und landesweite Akteure, Initiativen und lokale Bündnisse und nimmt eine<br />

Brückenfunktion zwischen Zivilgesellschaft und Landesregierung wahr.<br />

Wichtige Partner sind – neben den Ressorts der Landesregierung – vor<br />

allem das landesweit wirkende Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus<br />

und Fremdenfeindlichkeit, die Mobilen Beratungsteams (MBT),<br />

die Regionalen Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule<br />

<strong>Brandenburg</strong> (RAA) und der Verein Opferperspektive.<br />

Gefördert und begleitet werden außerdem Träger und Projekte mit örtlicher<br />

bzw. regionaler Ausrichtung.<br />

Koordinierungsstelle Tolerantes <strong>Brandenburg</strong> der Landesregierung<br />

im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport<br />

Heinrich-Mann-Allee 107<br />

Haus 1 a<br />

14473 Potsdam<br />

Tel.: (0331) 866 – 35 60<br />

Fax.: (0331) 866 – 35 66<br />

E-Mail: angelika.thiel-vigh@mbjs.brandenburg.de<br />

Internet: www.tolerantes.brandenburg.de<br />

185


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien<br />

Die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren,<br />

Frauen und Jugend angesiedelte Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Medien (BPjM) überprüft Veröffentlichungen aller Art – z. B. Bücher, Filme,<br />

CDs, Computerprogramme, Homepages im Internet auf jugendgefährdende<br />

Inhalte. Dazu zählen vor allem unsittliche, verrohend wirkende, zu<br />

Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizende sowie den Krieg<br />

verherrlichende Schriften.<br />

Die BPjM wird auf Antrag einer Stelle, die vom Gesetz dazu besonders<br />

ermächtigt ist, oder durch die Anregung einer Behörde bzw. eines anerkannten<br />

Trägers der freien Jugendhilfe aktiv.<br />

Im Falle eines jugendgefährdenden Inhalts wird das jeweilige Produkt „indiziert“,<br />

das heißt seine Verbreitung unterliegt Beschränkungen. Es darf<br />

z. B. Kindern und Jugendlichen nicht mehr frei zugänglich gemacht werden.<br />

Die BPjM veröffentlicht regelmäßig fortgeschriebene Übersichten zu<br />

den indizierten Medien.<br />

Von einer Indizierung zu unterscheiden sind die in Zusammenhang mit<br />

einem Strafverfahren ergehenden Entscheidungen wie die polizeiliche<br />

Beschlagnahmung oder die spätere gerichtliche Einziehung solcher Produkte.<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien<br />

Rochusstr. 10<br />

53123 Bonn<br />

Tel.: (0228) 96 21 03 – 0<br />

Fax: (0228) 37 90 14<br />

E-Mail: info@bpjm.bund.de<br />

Internet: www.bundespruefstelle.de<br />

186


Personenpotenziale<br />

Personenpotenziale<br />

Mitgliederzahlen rechtsextremistischer Gruppierungen<br />

(z. T. geschätzt)<br />

<strong>Brandenburg</strong><br />

2006 2007<br />

subkulturell geprägte und sonstige<br />

gewaltbereite Rechtsextremisten*<br />

organisierte und unorganisierte<br />

550 500<br />

Neonazis 270 240<br />

NPD** 230 250<br />

DVU<br />

sonstige rechtsextremistische<br />

280 250<br />

Organisationen 50 50<br />

gesamt 1.380 1.290<br />

Mehrfachmitgliedschaften 60 60<br />

tatsächliches Personenpotenzial 1.320 1.230<br />

* Die Zahl der subkulturell geprägten und sonstigen gewaltbereiten Rechtsextremisten,<br />

darunter Skinheads, wird unter Berücksichtigung von Dunkelziffern<br />

und möglichen Doppelzählungen aus folgenden Teilgrößen errechnet:<br />

a) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die im Berichtsjahr<br />

straffällig geworden sind;<br />

b) bezifferbare Gruppen extremistisch motivierter, namentlich nicht bekannter<br />

Gewalttäter, die im betrachteten Jahr straffällig geworden sind;<br />

c) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die in vergangenen<br />

Jahren straffällig geworden und bei denen konkrete Anhaltspunkte<br />

für eine fortdauernde Gewaltbereitschaft gegeben sind;<br />

d) extremistisch orientierte Personen, denen keine einschlägigen Gewalttaten<br />

nachzuweisen sind, die aber aufgrund konkreter Einzelerkenntnisse<br />

(mutmaßliche Beteiligung an Gewalttaten, Verhalten, Äußerungen usw.)<br />

als gewaltbereit gelten müssen.<br />

** Die Mitgliederzahl der NPD wird unter Berücksichtigung der Unterorganisation<br />

„Junge Nationaldemokraten“ (JN) angegeben.<br />

187


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Mitgliederzahlen linksextremistischer Gruppierungen<br />

(z. T. geschätzt)<br />

<strong>Brandenburg</strong><br />

2006 2007<br />

Autonome* 300 300<br />

Anarchisten<br />

Einzelpersonen<br />

DKP 100 100<br />

KPD 15 15<br />

MLPD 25 25<br />

Rote Hilfe 150 160<br />

sonstige linksextremistische<br />

Organisationen 75 75<br />

gesamt** 665 675<br />

Mehrfachmitgliedschaften 60 60<br />

tatsächliches Personenpotenzial 605 615<br />

* Die Zahl der Angehörigen autonomer Gruppen wird unter Berücksichtigung<br />

von Dunkelziffern und möglichen Doppelzählungen aus folgenden Teilgrößen<br />

errechnet:<br />

a) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die im Berichtsjahr<br />

straffällig geworden sind;<br />

b) bezifferbare Gruppen extremistisch motivierter, namentlich nicht bekannter<br />

Gewalttäter, die im betrachteten Jahr straffällig geworden sind;<br />

c) namentlich bekannte extremistisch motivierte Gewalttäter, die in vergangenen<br />

Jahren straffällig geworden und bei denen konkrete Anhaltspunkte für eine fortdauernde<br />

Gewaltbereitschaft gegeben sind;<br />

d) extremistisch orientierte Personen, denen keine einschlägigen Gewalttaten<br />

nachzuweisen sind, die aber aufgrund konkreter Einzelerkenntnisse (mutmaßliche<br />

Beteiligung an Gewalttaten, Verhalten, Äußerungen usw.) als gewaltbereit<br />

gelten müssen.<br />

** Mitglieder linksextremistisch beeinfl usster Organisationen sind nicht mitgezählt.<br />

188


Personenpotenziale<br />

Mitgliederzahlen ausländerextremistischer und<br />

islamistischer Gruppierungen (z. T. geschätzt)<br />

<strong>Brandenburg</strong><br />

2006 2007<br />

Islamisten 50 50<br />

davon IGMG<br />

Einzelpersonen<br />

Linksextremisten 170 200<br />

davon KONGRA-GEL* 150 180<br />

Nationalistische Extremisten 35 35<br />

gesamt 255 285*<br />

* Hier werden auch mit Verbot belegte Gruppen mitgezählt.<br />

189


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Extremistische Parteien und Gruppierungen<br />

„Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD)<br />

und Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN)<br />

Gründungsjahr: 1964<br />

Sitz: Berlin<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1990<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>: 250<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante regionale<br />

und überregionale Publikationen: „Deutsche Stimme“ „Zündstoff–<br />

Deutsche Stimme für Berlin-<br />

<strong>Brandenburg</strong>“<br />

Internetadressen: www.brandenburg.npd.de<br />

www.npd.de<br />

„Deutsche Volksunion“ (DVU)<br />

Gründungsjahr: 1987<br />

Sitz: München<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1991<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante<br />

250<br />

überregionale Publikation: „National-Zeitung“ (NZ)<br />

Internetadressen: www.dvu-brandenburg.de,<br />

www.dvu.de<br />

190


Extremistische Parteien und Gruppierungen<br />

„Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP)<br />

Gründungsjahr: 1968<br />

Sitz: Essen<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1990<br />

Jugendorganisation: „Sozialistische Deutsche<br />

Arbeiterjugend“ (SDAJ)<br />

Studentenorganisation: „Assoziation Marxistischer<br />

StudentInnen“ (AMS)<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>: 100<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante regionale<br />

und überregionale Publikationen: „Unsere Zeit“ (UZ),<br />

„Roter <strong>Brandenburg</strong>er“ (DKP-<br />

Bezirkszeitung <strong>Brandenburg</strong>),<br />

„Trotz alledem!“ (Zeitung der<br />

DKP Potsdam-Umland),<br />

„Rote Kalenderblätter“<br />

Internetadressen: www.dkpbrandenburg.de<br />

www.dkp.de<br />

„Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD)<br />

Gründungsjahr: 1990<br />

Sitz: Berlin<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1990<br />

Jugendorganisation: „Kommunistischer Jugendverband<br />

Deutschlands“ (KJVD)<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante<br />

15<br />

überregionale Publikationen: „Die Rote Fahne“, „Trotz<br />

alledem“<br />

Internetadresse: www.k-p-d-online.de<br />

191


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

„Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD)<br />

Gründungsjahr: 1982<br />

Sitz: Gelsenkirchen<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1990<br />

Jugendorganisation: „Rebell“ (KJVD)<br />

Kinderorganisation: „Rotfüchse“<br />

Frauenorganisation: „Courage“<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante<br />

25<br />

überregionale Publikationen: „Rote Fahne“<br />

„Revolutionärer Weg“<br />

Internetadresse: www.mlpd.de<br />

„Rote Hilfe e. V.“ (RH)<br />

Gründungsjahr: 1975<br />

Sitz: Göttingen<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1993<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>:<br />

für <strong>Brandenburg</strong> relevante regionale<br />

160<br />

und überregionale Publikationen: „Die Rote Hilfe“<br />

„newsletter“<br />

Internetadressen: www.rote-hilfe-brandenburg.<br />

de.vu, www.rote-hilfe.de<br />

192


Extremistische Parteien und Gruppierungen<br />

„Volkskongress Kurdistans“ (KONGRA-GEL)<br />

Gründungsjahr (als PKK): 1978 in der Türkei<br />

Sitz: Nord-Irak<br />

in <strong>Brandenburg</strong> aktiv seit: 1993<br />

Mitglieder in <strong>Brandenburg</strong>: 180<br />

Publikationen: „Serxwebun“ (Unabhängigkeit)<br />

„Yeni Özgür Politika“ (Neue<br />

Freie Politik)<br />

Internetadressen: www.kongra-gel.org<br />

internationale Teilorganisation: „Koordination der kurdisch-demokratischen<br />

Gesellschaft in<br />

Europa“ (CDK)<br />

Betätigungsverbot für die PKK in Deutschland durch<br />

den Bundesminister des Innern am 26.11.1993<br />

193


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

194


Glossar<br />

Glossar<br />

Anarchismus<br />

Die Anhänger des Anarchismus streben eine „herrschaftsfreie“ Gesellschaft<br />

ohne den Zwang gesellschaftlicher Normen an. In Deutschland<br />

gibt es anarchistische Kleinparteien und Kleingruppen, die sich zum Teil<br />

auf klassische Theoretiker des Anarchismus wie Michael Bakunin, Errico<br />

Malatesta oder Pierre-Joseph Proudhon berufen, oft aber auch jeweils eigene<br />

Vorstellungen entwickeln. Sie haben jedoch im Gesamtspektrum des<br />

Linksextremismus nur eine randständige Bedeutung. Symbole und einige<br />

Forderungen der Anarchisten werden zum Teil auch von Autonomen (siehe<br />

„Autonome Antifa“) genutzt. Sie lehnen jedoch die festen Organisationsformen<br />

der „klassischen“ Anarchisten ab.<br />

Anti-Antifa<br />

Die „Anti-Antifa“ ist eine überwiegend von Neonazis (siehe „Neonazismus“)<br />

betriebene Kampagne. Mit ihr soll im „nationalen Lager“ eine organisationsübergreifende<br />

Plattform geschaffen werden, um Streit und Konkurrenz<br />

zwischen verschiedenen Neonaziorganisationen zu überwinden.<br />

Dies geschieht durch die Einrichtung eines gemeinsamen Feindbildes: die<br />

„Antifa“ (siehe „Autonome / Autonome Antifa“). So wie „Antifa“-Angehörige<br />

Daten über Rechtsextremisten sammeln, kopieren die Rechtsextremisten<br />

dieses Vorgehen und tragen Daten über „Antifa“-Aktivisten zusammen.<br />

Hierbei können auch Vertreter demokratischer Verbände oder staatlicher<br />

Instanzen ins Visier der Extremisten geraten. Ihre Daten über „Antifa“-Angehörige<br />

tauschen Neonazis untereinander aus. Diese Datensammlungen<br />

sollen die dort erfassten Personen bedrohen und einschüchtern.<br />

Anti-Deutsche<br />

„Anti-Deutsche“ sind eine Bewegung, die aus der „autonomen Antifa“ (siehe<br />

„Autonome / Autonome Antifa“) hervorgegangen ist. Ihr Verständnis von<br />

„Antifaschismus“ benennt den von den Nationalsozialisten propagierten<br />

Antisemitismus als den Kern des Faschismus (zum Faschismus siehe<br />

Rechtsextremismus und Nationalsozialismus). Wer Antifaschist sein wolle,<br />

so argumentieren sie, müsse deswegen in erster Linie ein Anti-Antisemit<br />

sein. „Anti-Deutsche“ sehen ihre unbedingte Solidarität mit Israel in dieser<br />

195


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Haltung begründet. „Anti-Deutsche“ tragen oft auf Demonstrationen Israel-Fahnen<br />

mit sich. Der Name „Anti-Deutsche“ geht auf die Überzeugung<br />

zurück, dass jeder deutsche Staat antisemitisch und somit faschistisch sei<br />

und deswegen schon von vorn herein jegliche Daseinsberechtigung verwirkt<br />

habe. Slogans wie „Wer Deutschland liebt muss scheiße sein, wir<br />

hau’n alles kurz und klein“ dokumentieren diese Ideologie.<br />

Antisemitismus<br />

Antisemiten behaupten, es gebe eine geheime weltweite Verschwörung<br />

des Judentums gegen den Rest der Welt. Der Kapitalismus wird genauso<br />

als Auswuchs der jüdischen Weltverschwörung angesehen wie Kommunismus,<br />

Rassismus, Islamismus und Imperialismus. Der Erfi nder des<br />

Begriffes „Antisemitismus“, Wilhelm Marr (1819-1904), betrachtete sogar<br />

die gesamte moderne Welt als Ergebnis eines angeblichen jüdischen<br />

Komplotts. Oft wird von Antisemiten ein Buch mit dem Titel „Protokolle<br />

der Weisen von Zion“ als Beleg für ihre Verschwörungsfantasien herangezogen.<br />

Jedoch ist das Buch eine plumpe Fälschung, welche Anfang des<br />

20. Jahrhunderts entstand.<br />

Rechtsextremistische Antisemiten meinen, Demokratie sei den Deutschen<br />

„wesensfremd“ und nach 1945 von „Angloamerikanern sowie Juden“ mittels<br />

„Umerziehung“ aufgezwungen worden. Sie bezeichnen die freiheitliche<br />

demokratische Grundordnung als „ZOG“ (siehe auch „Zionist Occupied<br />

Government“), als „zionistisch besetzte Regierung“. Kritische Auseinandersetzung<br />

mit dem „Dritten Reich“ betrachten sie als jüdischen Angriff auf<br />

die „deutsche Art“. Einerseits leugnen sie den organisierten Massenmord<br />

an europäischen Juden im „Dritten Reich“, andererseits beschuldigen<br />

sie die Überlebenden, vom Holocaust-Gedenken profi tieren zu wollen.<br />

Linksextremistische Antisemiten verstehen Israel als „Brückenkopf des<br />

US-Imperialismus im Nahen Osten“ und streiten dem Land jede Daseinsberechtigung<br />

ab. Islamistische Extremisten brechen mit der viele Jahrhunderte<br />

alten Tradition der religiösen Toleranz des Islam. Sie sind zum Teil<br />

– wie Rechtsextremisten auch – Rassisten, die Juden als Angehörige einer<br />

„verfl uchten Rasse“ verunglimpfen. Ähnlich wie linksextremistische Antisemiten<br />

betrachten Islamisten Israel als Teil einer „westlichen Verschwörung“<br />

gegen den Islam. Deswegen glauben sie auch nicht an einen Frieden im<br />

Nahen Osten, sondern fordern eine „Beendigung der jüdischen Existenz in<br />

Palästina“, die sie durch Terroranschläge und Krieg erreichen wollen.<br />

196


Glossar<br />

Ausländerextremismus<br />

Extremisten ausländischer Herkunft verfechten in Deutschland Anliegen,<br />

die ihren Ursprung in den politischen und religiösen Konfl ikten der jeweiligen<br />

Herkunftsländer haben. Sie gehen mit aggressiv-kämpferischer<br />

Propaganda und auch unter Anwendung von Gewalt gegen ihre Gegner<br />

vor. Damit schaden sie den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik<br />

und dem inneren Frieden. Sie fordern mitunter extremen Gehorsam ihrer<br />

Mitglieder und treiben mit Gewalt „Spenden“-Gelder ein. Hinzu kommen<br />

Bestrafungsaktionen gegen ehemalige Mitglieder, die als „Verräter“ bezeichnet<br />

werden.<br />

Solch aggressives Vorgehen hat bereits zu einigen Betätigungsverboten<br />

ausländerextremistischer Organisationen geführt. Manche Organisationen<br />

ausländischer Extremisten in Deutschland agieren als Vertreter von extremistischen<br />

Vereinigungen und Parteien ihrer Heimatländer, die dort zum<br />

Teil verboten sind (siehe „Ausländerorganisationen, extremistische“).<br />

Ausländerorganisationen, extremistische<br />

Zu Organisationen ausländischer Extremisten in Deutschland zählen:<br />

(a) linksextremistische Organisationen, die die bestehende soziale und politische<br />

Ordnung in ihren Heimatländern gewaltsam beseitigen und durch<br />

einen sozialistischen Staat marxistischer Prägung ersetzen wollen;<br />

(b) extrem-nationalistische Vereinigungen, die Macht- beziehungsweise<br />

Gebietszuwachs für die eigene Nation und die Abschaffung oder Nichtgewährung<br />

von Minderheitenrechten aggressiv propagieren;<br />

(c) separatistische Organisationen, die für die Loslösung ihrer Heimatregion<br />

aus bestehenden Staaten eintreten;<br />

(d) islamistische Gruppierungen, die die Trennung von Religion und Staat<br />

zugunsten eines autoritären theokratischen Systems aufheben wollen und<br />

(e) Gruppierungen, die in Verbindung mit Regierungsstellen ihrer Länder<br />

gegen Landsleute im Ausland, insbesondere Regimegegner, repressiv<br />

oder sogar terroristisch vorgehen. Die gewaltsamen Auseinandersetzungen<br />

zwischen rechtsextremistischen Anhängern der türkischen „Grauen<br />

Wölfe“ und linksextremistischen Anhängern der verbotenen Kurdischen<br />

Arbeiterpartei PKK im Herbst 2007 in mehreren deutschen Großstädten<br />

illustrieren die Gefahr, die von ausländerextremistischen Organisationen<br />

ausgehen kann.<br />

197


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Autonome / Autonome Antifa<br />

Autonome lehnen gesellschaftliche Normen und Zwänge ab und suchen<br />

nach einem freien, selbst bestimmten Leben in herrschaftsfreien Räumen.<br />

Bei ihnen kommen kommunistische und anarchistische Überzeugungen<br />

zusammen. Ideologisch reicht ihr Ursprung bis in die Anfänge der studentischen<br />

Protestbewegung der 60er Jahre zurück. Sie werden dann als Extremisten<br />

vom <strong>Verfassungsschutz</strong> beobachtet, wenn sie gewalttätig oder<br />

gewaltbereit sind, oder Gewalt befürworten. Autonome besitzen meist kein<br />

einheitliches, verbindliches Weltbild. Oft folgen sie verschwommenen anarchistischen<br />

und anarcho-kommunistischen Vorstellungen oder spontanen<br />

aktionistischen Antrieben. Sie wollen das demokratisch verfasste Gemeinwesen<br />

bekämpfen und möglichst zerschlagen, da der Staat und sein<br />

„Repressionsapparat“ sie an der Verwirklichung ihrer Absichten hindere.<br />

Gewalt – zum Beispiel gegen die Polizei – ist für Autonome oft die einzige<br />

Möglichkeit, einen Zusammenhalt innerhalb der Gruppe herzustellen, da<br />

alle Versuche, sich zu organisieren, als „Machtgier“ abgelehnt werden.<br />

Die „Autonome Antifa“ hat sich dem Kampf gegen den „Faschismus“ verschrieben.<br />

Der Faschismus-Begriff der Autonomen Antifa ist dabei sehr<br />

weit gespannt. Polizisten werden genauso als „Faschisten“ bezeichnet,<br />

wie beispielsweise Lehrer, Selbständige oder sonstige Bürger, die sich den<br />

reißerischen Parolen nicht anschließen wollen. Wenn die „Autonome Antifa“<br />

gegen tatsächliche Rechtsextremisten vorgeht, sucht sie oft Anschluss<br />

an demokratische Gruppen. Innerhalb der „Autonomen Antifa“ gibt es verschiedene,<br />

einander mitunter deutlich widersprechende Strömungen. Zusammenschlüsse<br />

halten oft nicht lange und zerbrechen aufgrund interner<br />

Streitigkeiten. Eine Strömung innerhalb der „Autonomen Antifa“ sind die<br />

„Anti-Deutschen“ (siehe „Anti-Deutsche“).<br />

Autonome Nationalisten<br />

„Autonome Nationalisten“ werden dem rechtsextremistischen Spektrum<br />

der „Freien Kräfte“ (siehe „Freie Kräfte / Freie Nationalisten“) zugeordnet.<br />

Sie orientieren sich ideologisch auch an nationalrevolutionären Ideen. Besonderes<br />

Merkmal ist die Übernahme von Verhaltensformen, die militanten<br />

Linksextremisten (siehe „Autonome / Autonome Antifa“) zugerechnet werden.<br />

„Autonome Nationalisten“ treten oft mit einem hohen Maß an Militanz<br />

gegen Polizeibeamte und politische Gegner auf. Wie gewaltbereite Links-<br />

198


Glossar<br />

extremisten bilden auch sie „Schwarze Blöcke“. Innerhalb der Neonazi-<br />

Szene sind „Autonome Nationalisten“ vor allem wegen ihres öffentlichen<br />

Erscheindungsbildes umstritten.<br />

Deutsche Kommunistische Partei (DKP)<br />

Die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) ist eine linksextremistische<br />

Partei (siehe auch „Linksextremismus“ und „Linksextremistische Parteien“).<br />

Sie wurde am 26. September 1968 in Essen gegründet. Ihre 18 Landesverbände<br />

(jeweils zwei in Nordrhein-Westfalen und Bayern) haben über<br />

4.000 Mitglieder, von denen etwa 200 jünger als 30 Jahre alt sind.<br />

Parteiorgan ist die Wochenzeitung „Unsere Zeit“ (UZ). Die „Sozialistische<br />

Deutsche Arbeiterjugend“ (SDAJ) ist eine der DKP nahestehende Jugendorganisation.<br />

Daneben ist Ende der 90er Jahre mit der „Assoziation<br />

Marxistischer Studierender“ (AMS) eine DKP-nahe Studentengruppe entstanden.<br />

Ziel der DKP ist „der Sozialismus als erste Stufe auf dem Weg<br />

zur klassenlosen Gesellschaft“, wobei ihr die „wissenschaftliche Theorie<br />

von Marx, Engels und Lenin“ als Grundlage dient. Im April 2006 wurde ein<br />

neues Parteiprogramm beschlossen, das seit 2001 Gegenstand kontroverser<br />

Diskussionen und innerparteilicher Richtungskämpfe war. Es setzt<br />

auf „Aktionseinheiten“ mit „neuen soziale Bewegungen“ (beispielsweise<br />

Montagsdemonstrationen, „Antifa“). Oberhalb der kommunalen Ebene<br />

konnte die DKP zu keiner Zeit Mandate erringen. Bei Landtags- und Europawahlen<br />

erreichte sie allenfalls Ergebnisse deutlich unter einem Prozent.<br />

In <strong>Brandenburg</strong> zählt die DKP etwa 100 Mitglieder.<br />

Deutsche Volksunion<br />

siehe Berichtsteil ab Seite 36<br />

Dschihad<br />

Dschihad bedeutet im Arabischen Anstrengung, innerer Kampf aber auch<br />

heiliger Krieg. In der islamischen Kultur hat der Begriff verschiedene Bedeutungen.<br />

Ein „Heiliger Krieg“ kann beispielsweise eine innere spirituelle<br />

Auseinandersetzung sein. Andere wiederum verstehen darunter den bewaffneten<br />

Kampf gegen „Ungläubige“ und „Feinde des Islam“. Für mili-<br />

199


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

tante Islamisten ist der bewaffnete Dschihad eine religiöse Pfl icht. In ihrer<br />

angestrebten Ordnung eines idealisierten Islam hält sich angeblich jeder<br />

aus Einsicht und Gottesfurcht ganz von selbst an angestrebte moralische<br />

wie soziale Maßstäbe. Nur der Islam kenne die alleinige Herrschaft Gottes<br />

über alle Menschen, alle anderen politischen und sozialen Systeme sähen<br />

menschliche Einrichtungen vor (z. B. das Parlament in der Demokratie),<br />

die die Menschen führen wollten. Dschihad sei deswegen ein Krieg zur<br />

Befreiung der Menschen von der Knechtschaft der Menschen. Durch den<br />

Dschihad werde der Mensch zum „Stellvertreter Gottes“, dem es gelingen<br />

könne, ein „Reich Gottes auf Erden“ zu errichten. In dieser Zielsetzung<br />

einer totalen Gesellschaft ähnelt der Dschihadismus kommunistischen<br />

Bewegungen (siehe Kommunismus) weit mehr als dem traditionellen Islam.<br />

Es kann angesichts ihres totalitären Religionsverständnisses nicht<br />

verwundern, dass sich dschihadistische Gewalt zumeist gegen Muslime<br />

selbst richtet.<br />

Extremismus<br />

In der Alltagssprache werden die Begriffe „Extremismus“ und „Radikalismus“<br />

häufi g gleichbedeutend verwendet. Für den <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

bestehen hier aber entscheidende Unterschiede. Denn „radikale“ Bestrebungen<br />

werden nicht vom <strong>Verfassungsschutz</strong> beobachtet, „extremistische“<br />

hingegen schon. Als „radikal“ wird eine Bestrebung dann verstanden, wenn<br />

sie eine politische Problemstellung von der Wurzel (lateinisch „radix“) her<br />

anpacken will, ohne dabei die freiheitliche demokratische Grundordnung<br />

beseitigen zu wollen. Im Gegensatz dazu stehen „extremistische“ Bestrebungen.<br />

Sie richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.<br />

So streben Teile des linksextremistischen Spektrums beispielsweise<br />

eine „Diktatur des Proletariats“ an. Rechtsextremisten wollen statt dessen<br />

einen rassistischen „totalen Führerstaat“ errichten. Und Islamisten sind<br />

auf einen „Gottesstaat“ ausgerichtet. Gewalt wird dabei häufi g als Mittel<br />

zur Durchsetzung der jeweiligen Ziele befürwortet, propagiert oder sogar<br />

praktiziert.<br />

Gemeinsam ist diesen extremistischen Gegenentwürfen die Ablehnung der<br />

freiheitlichen demokratischen Grundordnung (fdGo). Das Bundesverfassungsgericht<br />

hat die Prinzipien der fdGo 1952 folgendermaßen defi niert:<br />

(a) die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte;<br />

(b) die Volkssouveränität;<br />

200


Glossar<br />

(c) die Gewaltenteilung;<br />

(d) die Verantwortlichkeit der Regierung;<br />

(e) die Gesetzmäßigkeit der Regierung;<br />

(f) die Unabhängigkeit der Gerichte;<br />

(g) das Mehrparteienprinzip;<br />

(h) die Chancengleichheit aller politischen Parteien und<br />

(i) das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.<br />

Extremistische Bestrebungen, die einen oder mehrere dieser Grundwerte<br />

abschaffen wollen, werden vom <strong>Verfassungsschutz</strong> beobachtet (siehe<br />

auch „Ausländerextremismus“; „Linksextremismus“; „Rechtsextremismus“;<br />

„Terrorismus“).<br />

Extremistische Gefangenenhilfsorganisationen<br />

Sowohl Rechts- als auch Linksextremisten und Islamisten betreuen inhaftierte<br />

Sympathisanten und Mitglieder. Dazu stellen sie beispielsweise<br />

Rechtsanwälte zur Verfügung und Kontakte zur Außenwelt her. Für Extremisten<br />

ist die Arbeit mit Gefängnisinsassen deswegen bedeutsam, weil<br />

sie den Häftlingen einreden, „Kämpfer für die richtige Sache“ zu sein. Das<br />

deutsche Strafrecht wird als „Gesinnungsstrafrecht“ diffamiert. Solche<br />

Gefangenenhilfsorganisationen stellen ein Netzwerk zwischen Gefängnisinsassen<br />

und Extremisten her, das meist noch lange über die Haftdauer<br />

hinaus Bestand hat. Auf diese Weise „vermitteln“ sie oft Häftlinge nach<br />

deren Entlassung in extremistische Kreise.<br />

Die „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige<br />

e. V.“ (HNG) ist die aktivste rechtsextremistische Gefangenenhilfsorganisationen<br />

in Deutschland. Sie wurde 1979 gegründet und vermittelt<br />

vornehmlich Kontakte zwischen Szeneangehörigen und Häftlingen und<br />

sorgt auf diesem Weg dafür, dass Rechtsextremisten auch während ihrer<br />

Haftzeit nicht ihre Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung<br />

ändern. Die „Rote Hilfe e. V.“ (RH) ist eine bundesweite Solidaritätsorganisation,<br />

die politisch Aktive aus dem gesamten linksextremistischen<br />

Spektrum auf vielfältige Weise unterstützt. Die RH hat bundesweit über<br />

4.000 Mitglieder. Sie rekrutieren sich überwiegend aus dem autonomen<br />

Spektrum. Mit Beratungsangeboten, Prozessbegleitung und Gefangenenbesuchen<br />

steht die RH tatsächlichen oder vermeintlichen linksextremistischen<br />

Tatverdächtigen und Straftätern bei. Sie beteiligt sich an den<br />

201


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Rechtsanwalts- und Prozesskosten. Bei hohen Geldstrafen, Verlust des<br />

Arbeitsplatzes oder Haftstrafen gewährt sie auch fi nanzielle Hilfen zum<br />

Lebensunterhalt. Eigenständige islamistische Gefangenenhilfsorganisationen<br />

sind bislang nicht bekannt. Allerdings bemühen sich einzelne islamistische<br />

Gruppierungen um Gefangene in deutschen Gefängnissen, um sie<br />

auf Dauer für ihre jeweiligen Ideologien zu gewinnen.<br />

Faschismus<br />

siehe „Rechtsextremismus“ und „Nationalsozialismus“<br />

Freie Kräfte / Freie Nationalisten<br />

Mitte der 1990er Jahre entwickelten Neonazis das Konzept der „Freien<br />

Kräfte“ beziehungsweise „Freien Nationalisten“ als Reaktion auf zahlreiche<br />

Vereinsverbote. Ihre wesentlichsten Ausprägungen sind Kameradschaften<br />

(siehe „Kameradschaften“) und „Autonome Nationalisten“ (siehe „Autonome<br />

Nationalisten“). Einerseits bezeichnen sich Kameradschaftsmitglieder<br />

zum Teil selber als „Freie Kräfte“ beziehungsweise „Freie Nationalisten“,<br />

um sich von rechtsextremistischen Parteistrukturen abzugrenzen. Andererseits<br />

verwenden auch rechtsextremistische Personenzusammenschlüsse,<br />

die sich nicht als Kameradschaft defi nieren, diese Begriffl ichkeit. Insbesondere<br />

seit den Verboten von Kameradschaften in mehreren Bundesländern<br />

nutzen viele Neonazis auf ihren Transparenten oder Internet-Seiten nur<br />

noch den Begriff „Freie Kräfte“ und versehen ihn mit einem lokalen Namenszusatz.<br />

Der Begriff kommt bei Neonazis zunehmend nur noch unverbindlich<br />

zur Anwendung, um das eigene parteiungebundene Konzept<br />

zu verdeutlichen. Sie hoffen, damit den Sicherheitsbehörden weniger Angriffsfl<br />

ächen zu bieten.<br />

Fremdenfeindlichkeit<br />

Berührungsängste zwischen Personen unterschiedlicher Herkunft, die<br />

einander nicht kennen, sind menschlich und überwindbar. Jedoch sehen<br />

Rechtsextremisten in „Fremden“ generell einen zu bekämpfenden Feind.<br />

Ihre Fremdenfeindlichkeit richten Rechtsextremisten gegen alle Menschen,<br />

die sie als „fremd“ betrachten. Als vordergründige Unterscheidungsmerkmale<br />

werden von Rechtsextremisten Hautfarbe, Religion, vermutete Her-<br />

202


Glossar<br />

kunft und Ähnliches herangezogen. Opfer von Fremdenfeindlichkeit sind<br />

demnach Ausländer und Deutsche. Hierbei kommt es zu fremdenfeindlich<br />

motivierten Straftaten und nicht selten zu Gewaltstraftaten. Ihren Opfern<br />

sprechen Rechtsextremisten allein wegen des vermuteten „Fremdseins“<br />

die Menschenwürde und die Menschenrechte ab. (siehe auch „Rassismus“)<br />

Geheimschutz<br />

Mit dem Begriff Geheimschutz bezeichnet man den Schutz staatlicher<br />

Interessen vor Ausspähungen und unbefugtem Zugriff. Insbesondere Informationen<br />

über verteidigungswichtige militärische Einrichtungen und so<br />

genannte kritische Infrastruktur (z. B. Flughäfen) zählen dazu. Man unterscheidet<br />

den materiellen Geheimschutz (beispielsweise Nutzung von Panzerschränken,<br />

IT-Sicherheit) und den personellen Geheimschutz (Sicherheitsüberprüfungen).<br />

Der Geheimschutzbeauftragte ist verantwortlich für<br />

beide Bereiche. Rechtsgrundlage ist das <strong>Brandenburg</strong>ische Sicherheitsüberprüfungsgesetz.<br />

Die Kennzeichnung, Aufbewahrung, Verwaltung und<br />

den Transport von Verschlusssachen (materieller Geheimschutz) regelt<br />

verbindlich für alle Landesbehörden die Verschlusssachenanweisung.<br />

Islamismus<br />

Islamismus ist eine Sammelbezeichnung für eine politische, sozialrevolutionäre<br />

und in sich teilweise sehr zerstrittene Bewegung, die von einer Minderheit<br />

der Muslime getragen wird. Ihre Anhänger fordern unter Berufung<br />

auf einen von ihnen politisch idealisierten Islam die „Wiederherstellung“<br />

einer „islamischen Ordnung“. Sie verstehen den Islam als politische Ideologie,<br />

die sie als Gegenmodell zu westlichen, demokratischen Staats-<br />

und Gesellschaftsformen ansehen. Die von ihnen propagierte „islamische<br />

Ordnung“ göttlichen Ursprungs (Scharia), die im Koran, in der Praxis der<br />

muslimischen Urgemeinde (Sunna) und in den biographischen Berichten<br />

über den Propheten (Hadithe) verbindlich vorgegeben sei, müsse alle Lebensbereiche<br />

regeln. Militante Islamisten glauben sich legitimiert, die „islamische<br />

Ordnung“ mit Gewalt durchzusetzen. Sie beziehen sich dabei auf<br />

im Koran enthaltene Aufforderungen zum „Dschihad“ (siehe „Dschihad),<br />

den sie, abweichend von der Mehrheit der Muslime, als heilige Pfl icht zum<br />

unablässigen Krieg gegen alle „Feinde“ des Islams sowohl in muslimischen<br />

203


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

als auch in nichtmuslimischen Ländern verstehen. Manche Gruppen militanter<br />

Islamisten greifen zu Mitteln des Terrorismus (siehe „Terrorismus“).<br />

Die Gewalt gegen die so genannten „Verräter des wahren Islam“ richtet<br />

sich sehr häufi g auch gegen gläubige Muslime, die nicht in das enge Weltbild<br />

der Islamisten passen.<br />

Kameradschaften<br />

Kameradschaften (siehe auch „Freie Kräfte / Freie Nationalisten“) entstanden<br />

als Reaktion auf Verbote rechtsextremistischer Organisationen in<br />

den 1990er Jahren. Rechtsextremisten glaubten, dass sie durch diese Art<br />

der Zusammenschlüsse einem vereinsrechtlichen Verbotsverfahren ausweichen<br />

könnten. Ihr Wirkungskreis ist lokal oder regional begrenzt, oft<br />

spiegelt sich dies in der Namensgebung wieder. Innerhalb der Kameradschaften<br />

besteht eine Übereinstimmung zu gemeinsamer politischer Arbeit<br />

auf Basis rechtsextremistischer, insbesondere neonazistischer Grundorientierung.<br />

Ihre Binnenstruktur ist in der Regel streng hierarchisch aufgebaut.<br />

Letztlich ist das Selbstverständnis der NSDAP (siehe „Nationalsozialismus“),<br />

die sich nie als Partei, sondern immer als Hitler-Bewegung verstanden<br />

hat, das historisches Vorbild, dem Kameradschaften nacheifern.<br />

Die Verbote mehrerer neonazistischer Kameradschaften in <strong>Brandenburg</strong><br />

haben zur Folge gehabt, dass sich Mitläufer von einem kleinen harten<br />

Kern überzeugter Rechtsextremisten losgelöst haben und in der rechtsextremistischen<br />

Szene nicht mehr in Erscheinung traten. Andere Neonazis<br />

nutzen mittlerweile die Strukturen von NPD oder JN für ihre Aktivitäten.<br />

Das Kameradschaftsmodell scheint für Rechtsextremisten an Bedeutung<br />

zu verlieren.<br />

Kommunismus<br />

Kommunisten glauben an die Lehre von Karl Marx (1818-1883), der zufolge<br />

sich die gesamte Menschheitsgeschichte als Wechselspiel von Ausbeutung<br />

und Revolte dagegen verstehen ließe. Den an den Konfl ikten<br />

beteiligten Gruppen werden materielle Interessen unterstellt, die in der<br />

kommunistischen Lehre als „objektiv“ verstanden werden. Sollen es in der<br />

Geschichtsauffassung der Kommunisten erst Sklavenhalter und Sklaven,<br />

204


Glossar<br />

dann Feudalherren und Bauern gewesen sein, die einen so genannten<br />

Klassenkampf führten, so stünden sich heute Bourgeoisie und das so<br />

genannte Proletariat gegenüber. Dieses Proletariat solle eine Diktatur<br />

einrichten, die den Übergang zu einer klassenlosen Gesellschaft einleiten<br />

werde. Besonders die von Wladimir I. Lenin (1870-1924) eingeführte<br />

Lehre, wonach das Proletariat dabei von einer Avantgarde geführt werden<br />

müsse, hat die Erscheinungsform kommunistischer Gruppen in der letzten<br />

Jahrzehnten geprägt. Von der marxistisch-leninistischen Orthodoxie abweichende<br />

kommunistische Strömungen berufen sich oft auf Berufsrevolutionäre<br />

wie Leo Trotzki, Joseph Stalin oder Mao Zedong.<br />

Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)<br />

Die „Kommunistische Partei Deutschlands“ (KPD) ist eine linksextremistische<br />

Partei (siehe auch „Linksextremismus“ und „Linksextremistische<br />

Parteien“). Sie wurde 1990 in der DDR gegründet und wird in einigen Publikationen<br />

als „KPD-Ost“ oder „KPD (Rote Fahne)“ bezeichnet. Eine Partei<br />

gleichen Namens wurde 1956 verboten. Ihre Mitgliederzahl liegt in einem<br />

niedrigen dreistelligen Bereich. Ihr „Zentralorgan“ ist die Monatszeitschrift<br />

„Die Rote Fahne“. Als Jugendorganisation bildete sich 2002 der „Kommunistische<br />

Jugendverband Deutschlands“ (KJVD). Die KPD bekennt sich<br />

ohne Einschränkungen zu den Lehren von Marx, Engels und Lenin und distanziert<br />

sich nicht vom Stalinismus. Sofern sich die Partei an Wahlen beteiligt<br />

hat, fi elen die Ergebnisse mit einem Stimmenanteil von 0,1 – 0,2 %<br />

denkbar gering aus. In <strong>Brandenburg</strong> hat sie etwa 15 Mitglieder.<br />

Linksextremismus<br />

Kommunisten, Anarchisten und Autonome (siehe auch jeweils „Kommunisten“,<br />

„Anarchisten“ und „Autonome“) stellen die Hauptströmungen des<br />

Linksextremismus dar. Sie unterscheiden sich in einigen Punkten stark<br />

voneinander, sind sich aber in der Ablehnung der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung einig. Für Linksextremisten ist die Demokratie in<br />

Deutschland nur ein Deckmantel für die von ihnen unterstellte eigentliche<br />

Macht des Kapitals. Sie gehen davon aus, dass sowohl Gewaltenteilung<br />

als auch die Unabhängigkeit der Gerichte in Wirklichkeit gar nicht gegeben<br />

seien, sondern nur vorgespielt würden. Ihr Ziel ist eine Demokratie, die<br />

allerdings nichts mit der freiheitlichen demokratische Grundordnung zu tun<br />

205


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

hat, sondern eine Diktatur über die Mehrheit und damit eine Bevormundung<br />

Andersdenkender bedeutet. Die von ihnen häufi g genannten Werte<br />

„Gleichheit“, „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“ stellen sich bei näherem Hinsehen<br />

als Synonyme für die Zerstörung demokratischer Errungenschaften<br />

(zum Beispiel die Gewaltenteilung), für die Einschränkung persönlicher<br />

Freiheitsrechte (zum Beispiel die freie Berufswahl) und die Beseitigung<br />

des Rechts auf Eigentum dar.<br />

So unterschiedlich sie auch ausgerichtet sein mögen, verstehen sich doch<br />

alle linksextremistischen Organisationen als „antifaschistisch“. Damit ist<br />

allerdings nur teilweise der Kampf gegen Rechtsextremismus gemeint.<br />

Gemeinsam ist linksextremistischen Gruppen die Ausdehnung des Faschismus-Begriffes<br />

auch auf demokratische Einrichtungen.<br />

Linksextremistische Parteien<br />

Linksextremistische Parteien verstehen sich als Kaderorganisationen, die<br />

eine revolutionäre Umwälzung vorbereiten wollen. Die in <strong>Brandenburg</strong><br />

aktiven linksextremistischen Parteien „Deutsche Kommunistische Partei“<br />

(DKP; siehe auch „Deutsche Kommunistische Partei“) und „Kommunistische<br />

Partei Deutschlands“ (KPD; siehe auch „Kommunistische Partei<br />

Deutschlands“) sind marxistisch-leninistisch ausgerichtet. Die „Marxistisch-Leninistische<br />

Partei Deutschlands“ (MLPD; siehe auch „Marxistisch-<br />

Leninistische Partei Deutschlands“) orientiert sich daneben noch an den<br />

Lehren Joseph Stalins und Mao Zedongs. Sporadisch treten auch trotzkistische<br />

Parteien, zum Beispiel die „Partei für Soziale Gleichheit“ (PSG), bei<br />

Wahlen in Erscheinung.<br />

Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)<br />

Die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD) ist eine linksextremistische<br />

Partei (siehe auch „Linksextremismus“ und „Linksextremistische<br />

Parteien“). Sie hat bundesweit über 2.000 Mitglieder und wird vom<br />

Zentralkomitee der Partei (Stefan Engel / Vorsitz, dessen Ehefrau und zwölf<br />

weitere Parteimitglieder) geleitet. Ihr Sitz ist in Gelsenkirchen. Parteiorgan<br />

ist die Wochenzeitung „Rote Fahne“. Die Jugendorganisation „Rebell“ gibt<br />

ein gleichnamiges Magazin heraus. Die Kinderorganisation „Rotfüchse“<br />

soll bereits Kinder an die Ideologie der MLPD heranführen. Die Partei ist<br />

206


Glossar<br />

stalinistisch-maoistisch orientiert und sieht sich als „politische Vorhutorganisation<br />

der Arbeiterklasse in Deutschland“. Sie ist der Auffassung, dass<br />

sich der Sozialismus nur auf der Grundlage einer „proletarischen Denkweise“<br />

erkämpfen und aufbauen lasse. Da sie auf Bundes- und Landesebene<br />

keine nennenswerten Wahlergebnisse erzielen konnte, wendet sie sich seit<br />

dem Ende der 90er Jahre verstärkt der Kommunalpolitik zu. Die MLPD ist<br />

wegen ihrer maoistischen Positionen und der Relativierung stalinistischer<br />

Verbrechen im linksextremistischen Spektrum weitgehend isoliert.<br />

Nachrichtendienstliche Mittel<br />

Der <strong>Verfassungsschutz</strong> unterrichtet die Landesregierung und die Öffentlichkeit<br />

über Bestrebungen, die sich gegen die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung richten, damit Maßnahmen für deren Verteidigung eingeleitet<br />

werden können. Für diesen Gesetzesauftrag sammelt der <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

Informationen über Extremisten.<br />

Der <strong>Verfassungsschutz</strong> gewinnt seine Informationen aus offen zugänglichen<br />

Quellen (beispielsweise Internet-Seiten, Zeitschriften, Flugblätter)<br />

und durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Die sach- und personenbezogenen<br />

Auskünfte, Nachrichten und Unterlagen werden ausgewertet<br />

und die daraus gewonnen Erkenntnisse an zuständige Stellen weitergegeben,<br />

um so die demokratische Grundordnung zu schützen.<br />

Das <strong>Brandenburg</strong>ische <strong>Verfassungsschutz</strong>gesetz gestattet in Paragraf 6,<br />

Absatz 3 unter anderem folgende nachrichtendienstliche Mittel: Einsatz<br />

von V-Leuten (siehe „V-Leute“), Observation, Anwendung technischer<br />

Hilfsmittel wie Bild- und Tonaufzeichnungen außerhalb des Schutzbereichs<br />

der Wohnung sowie Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs.<br />

Die Intensität solcher Maßnahmen ist unterschiedlich. Nach streng<br />

geregelten Verfahren genehmigen beziehungsweise kontrollieren parlamentarische<br />

Kontrollgremien den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel.<br />

Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)<br />

siehe Berichtsteil ab Seite 9<br />

207


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Nationalsozialismus<br />

Nationalsozialismus war eine völkisch-antisemitisch-national-sozial-revolutionäre<br />

Bewegung in Deutschland (1919-45), die sich 1920 als „Nationalsozialistische<br />

Deutsche Arbeiterpartei“ (NSDAP) organisierte und die<br />

unter Führung Adolf Hitlers 1933 eine totalitäre Diktatur in Deutschland<br />

errichtete. Der Nationalsozialismus weist zahlreiche Parallelen, aber auch<br />

Unterschiede zum italienischen Faschismus auf.<br />

Neonazismus<br />

Die Begriffe „Neonazismus“ und „Rechtsextremismus“ werden umgangssprachlich<br />

häufi g synonym verwandt. Der <strong>Verfassungsschutz</strong> dagegen<br />

versteht unter Neonazis diejenigen Rechtsextremisten, die ein politisches<br />

System nach dem Vorbild des nationalsozialistischen „Dritten Reichs“ (siehe<br />

„Nationalsozialismus“) mit „rassenreiner Volksgemeinschaft“ (siehe<br />

„Rassismus“) und totalitärem Führerstaat anstreben. Die Verbrechen, die<br />

vom nationalsozialistischen Regime 1933-1945 begangen wurden, verharmlosen,<br />

verherrlichen und leugnen sie gleichzeitig. Adolf Hitler und Rudolf<br />

Heß sind für Neonazis Identifi kationsfi guren. Je nach Strömung werden<br />

zusätzlich andere Verbrecher des Regimes verehrt, zum Beispiel Otto<br />

und Gregor Strasser oder Ernst Röhm. Kleine Teile des neonazistischen<br />

Spektrums knüpfen an die Ideologie des Nationalbolschewismus an. Einige<br />

Neonazis stellen gegenwartsbezogene Themen in den Mittelpunkt ihrer<br />

völkischen und rassistischen Agitation, bleiben aber dem Führerprinzip<br />

und der rassistischen Fremdenfeindlichkeit verhaftet.<br />

Proliferation<br />

Unter Proliferation versteht man die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />

und Waffenträgersystemen beziehungsweise von Produkten<br />

und Kenntnissen, die zur Herstellung solcher Waffen dienen können. Oftmals<br />

ist bei Lieferungen solcher Produkte die beabsichtigte Rüstungsproduktion<br />

nicht erkennbar oder wird verschleiert, zumal sie häufi g sowohl im<br />

militärischen als auch im zivilen Bereich verwendet werden können - so<br />

genannte Dual-Use-Güter.<br />

208


Radikalismus<br />

siehe „Extremismus“<br />

Glossar<br />

Rassismus<br />

Alle Ausprägungen des Rechtsextremismus sind rassistisch. Rassisten teilen<br />

Menschen anhand bestimmter Merkmale in höher- und minderwertige<br />

Gruppen ein. Merkmale sind beispielsweise die Hautfarbe, die Nationalität<br />

oder Herkunft, Kultur und Religion. Um diese Gruppen voneinander ab- beziehungsweise<br />

auszugrenzen, verlangen Rassisten „ethnisch homogene“<br />

Nationen. Gewöhnlich gehen Rassisten dabei davon aus, dass Mitglieder<br />

der „weißen Rassen“ anderen überlegen seien. Daraus ziehen Rechtsextremisten<br />

ihre Rechtfertigung für Diskriminierung und Ausgrenzung aller<br />

ihnen unliebsamen Gruppen. Solch eine Diskriminierung verstößt gegen<br />

Verfassungsgrundsätze. Rassismus wird auch als Begründung für Fremdenfeindlichkeit<br />

(siehe „Fremdenfeindlichkeit“) benutzt. Eine spezielle<br />

Form des Rassismus ist der Antisemitismus (siehe „Antisemitismus“).<br />

Rechtsextremismus<br />

Folgende Einstellungen charakterisieren Rechtsextremisten: Ablehnung<br />

der Menschenrechte; Ablehnung der Gleichheit der Menschen vor dem<br />

Gesetz; übersteigerter, oft aggressiver Nationalismus, verbunden mit einer<br />

Feindschaft gegen Fremde oder fremd Aussehende, gegen Minderheiten,<br />

fremde Völker und Staaten (siehe „Rassismus“); Verschweigen, Verharmlosen<br />

oder Leugnen der nationalsozialistischen Verbrechen von 1933-1945<br />

(siehe „Revisionismus, rechtsextremistischer“).<br />

In unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung lassen sich in den einzelnen<br />

rechtsextremistischen Strömungen folgende Kernelemente ausmachen:<br />

Rassismus, ein biologistisch geprägtes Menschenbild und Antisemitismus;<br />

völkischer Kollektivismus, also pauschale Überbewertung einer<br />

meist rassistisch defi nierten „Volksgemeinschaft“ zu Lasten der Rechte<br />

und Interessen des Individuums; Militarismus samt dem Bestreben, auch<br />

zivile Bereiche des gesellschaftlichen Lebens nach hierarchischen Prinzipien<br />

(„Führer und Gefolgschaft“) zu ordnen; Etatismus, also die Forderung<br />

nach einer autoritären oder diktatorischen staatlichen Ordnung.<br />

209


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Angesichts der vielfältigen Ausprägungen des Rechtsextremismus ist es<br />

nicht sachgerecht, Rechtsextremisten unterschiedslos als „Nazis“, „Neonazis“<br />

oder „Faschisten“ zu bezeichnen. Den Nationalsozialismus von<br />

1933 bis 1945 betrachten nur die Anhänger des Neonationalsozialismus<br />

(siehe auch „Neonazismus“ und „Nationalsozialismus“) als fortgeltendes<br />

Leitbild.<br />

Auf den Faschismus, das in Italien 1922 bis 1944 bestehende Herrschaftssystem<br />

und dessen von Benito Mussolini geprägte faschistische Ideologie,<br />

berufen sich in Deutschland allenfalls rechtsextremistische Splittergruppen.<br />

Dennoch wird in der Alltagssprache „Faschismus“ oft mit „Rechtsextremismus“<br />

gleichgesetzt.<br />

Rechtsextremistische Parteien<br />

Rechtsextremistische Parteien wollen den demokratischen Staat des<br />

Grundgesetzes „abwickeln“ und durch einen totalitären Führerstaat ersetzen.<br />

Sie propagieren beispielsweise ein so genanntes „lebensrichtiges<br />

Menschenbild“, das rassistisch ist. In <strong>Brandenburg</strong> treten die „Nationaldemokratische<br />

Partei Deutschlands“ (NPD) und die „Deutsche Volksunion“<br />

(DVU) regelmäßig zu Wahlen an. Der zwischen beiden Parteien geschlossene<br />

„Deutschland-Pakt“ schließt zur Zeit jedoch ein gleichzeitiges Antreten<br />

oberhalb der kommunalen Ebenen aus. Während die DVU zentralistisch<br />

auf ihre Parteiführung in München ausgerichtet ist, nimmt die NPD<br />

verschiedene rechtsextremistische Strömungen in sich auf, zum Beispiel<br />

Neonazis. Im Wahlkampf zielen rechtsextremistische Parteien sowohl auf<br />

Stamm- als auch auf Protestwähler.<br />

Revisionismus, rechtsextremistischer<br />

Als (Geschichts-)Revisionismus bezeichnet man den politisch motivierten<br />

Versuch, Verbrechen unter nationalsozialistischer Herrschaft im Wege einer<br />

„nochmaligen Betrachtung“ zu relativieren oder zu leugnen. Durch vermeintlich<br />

entlastende und verzerrende Darstellung der Geschichte soll die<br />

rechtsextremistische Ideologie wieder politikfähig werden. Insbesondere im<br />

Rahmen einer gezielten „Revisionismus-Kampagne“ versuchen Rechtsextremisten<br />

aus aller Welt seit Jahren, den millionenfachen Mord an den europäischen<br />

Juden zu bestreiten oder zumindest die Zahl der Opfer in Frage<br />

210


Glossar<br />

zu stellen. Dazu berufen sich Revisionisten auf häufi g von ihnen selbst<br />

in Auftrag gegebene pseudowissenschaftliche „Gutachten“ („Leuchter-Report“,<br />

„Rudolf-Gutachten“), in denen versucht wird, die Massenvernichtung<br />

in den Konzentrationslagern als technisch unmöglich darzustellen. In der<br />

Bundesrepublik wird dieses Verhalten strafrechtlich geahndet.<br />

Sicherheitsüberprüfung<br />

siehe Geheimschutz<br />

Skinheads<br />

Die Wurzeln der Skinheadbewegung liegen im Großbritannien der späten<br />

1960er Jahre. Sie war ursprünglich eine unpolitische, der Arbeiterschicht<br />

entstammende Jugendbewegung. Auch heute interessiert sich ein großer<br />

Teil der Skinheadszene nicht für politische Themen, sondern fühlt sich lediglich<br />

einer von einschlägiger Musik und Mode geprägten Subkultur zugehörig.<br />

Die Öffentlichkeit nimmt allerdings von der vielschichtigen Skinheadszene<br />

hauptsächlich den rechtsextremistischen Flügel („Boneheads“, „White-<br />

Power-Skins“ und „Fascho-Skins“) wahr, der sich über eine bestimmte<br />

Mode sowie Musik und über eine von neonazistischen Ideologieelementen<br />

durchsetzte Einstellung defi niert. Wichtige Bindeglieder der internationalen<br />

rechtsextremistischen Skinheadszene sind Skinhead-Musik, die auf Tonträgern<br />

und bei Konzerten mit oft aggressiven, zum Teil neonazistischen<br />

Texten verbreitet wird, und Skinhead-Modeartikel. Die Produkte werden<br />

von zahlreichen Vertriebsdiensten im Versandhandel angeboten sowie<br />

über einschlägige Internetseiten, in Foren und Skin-Magazinen (Fanzines)<br />

beworben.<br />

Eine Minderheit in der Skinheadszene ist dem linksextremistischen Spektrum<br />

zuzuordnen. „Red Skins“, SHARPs („Skinheads Against Racial Prejudice“)<br />

oder R.A.S.H.s („Red and Anarchist Skinheads“) grenzen sich<br />

energisch gegen „Nazis und Rassismus“ ab. Ein kleiner Teil dieses Personenkreises<br />

vertritt linksextremistische Vorstellungen. Linksextremistische<br />

Skinheads fi nden sich auch in der autonomen Szene und engagieren sich<br />

zum Teil in der autonomen Antifa (siehe „Autonome / autonome Antifa“).<br />

211


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Spionage<br />

Wenn ein Staat mit verdeckten Mitteln und Methoden politische Entscheidungsprozesse<br />

sowie wirtschaftliche, wissenschaftliche und militärische<br />

Potenziale eines anderen Staates ausforscht, um auf unerlaubte Weise<br />

Vorteile und Informationen zu gewinnen, betreibt er Spionage. Spionageabwehr<br />

ist Auftrag des <strong>Verfassungsschutz</strong>es. Die politische und militärische<br />

Spionage erreichte während des „Kalten Krieges“ ihren Höhepunkt, bleibt<br />

aber auch heute angesichts zahlreicher Interessengegensätze in der Staatenwelt<br />

aktuell. Insbesondere die staatlich gelenkte Wirtschaftsspionage<br />

ist eine Bedrohung und Belastung, die sich gegen Firmen, Unternehmen<br />

und Verbände richtet. Sie ist zu unterscheiden von der wirtschaftlichen<br />

Konkurrenzspionage, mit der ein privates Unternehmen gegen ein anderes<br />

vorgeht. Diese Form der Spionage ist nicht Gegenstand des <strong>Verfassungsschutz</strong>auftrages.<br />

Terrorismus<br />

Terrorismus ist Gewalt gegen eine bestehende Ordnung, um einen politischen<br />

Wandel über schwere Straftaten zu erzwingen. Terror dient dabei<br />

als Druckmittel, indem Angst und Schrecken verbreitet werden. Terrorismus<br />

benötigt mediale Öffentlichkeit, die er gerade über zivile Opfer erzeugt.<br />

Trotzkismus<br />

Der Trotzkismus ist eine politisch-ideologische Richtung, die auf Leo<br />

Trotzki, einen der Hauptakteure der russischen Oktoberrevolution 1917,<br />

zurückgeht. Ziel der Trotzkisten ist eine „permanente Revolution“ und die<br />

„Diktatur des Proletariats“ unter ihrer Führung. Trotzkistische Parteien stehen<br />

abseits von den übrigen kommunistischen Parteien. Um dennoch über<br />

ihre engen Zirkel hinaus Einfl uss zu gewinnen, bedienen Trotzkisten sich<br />

der Methode des gezielten Unterwanderns (Entrismus).<br />

Verbotene Kennzeichen<br />

Nach Paragraf 86 a Strafgesetzbuch ist das Verwenden von Kennzeichen<br />

verfassungswidriger Organisationen strafbar. Kennzeichen sind Fahnen,<br />

Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Das Verbot umfasst<br />

212


Glossar<br />

Kennzeichen verbotener Parteien, verbotener Vereinigungen, Kennzeichen<br />

ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen oder zum Verwechseln<br />

ähnliche Kennzeichen. Bekannteste Beispiele solcher Straftaten sind das<br />

Schmieren von Hakenkreuzen oder das Zeigen des so genannten. „Hitlergrußes“.<br />

Verschlusssachen<br />

siehe Geheimschutz<br />

V-Mann<br />

Das brandenburgische <strong>Verfassungsschutz</strong>gesetz erlaubt in Paragraf 6,<br />

Absatz 3 den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel (siehe „Nachrichtendienstliche<br />

Mittel“), darunter unter anderem den Einsatz von V-Leuten und<br />

geheimen Informanten. V-Leute sind Privatpersonen, die aus unterschiedlichen<br />

Interessen Informationen aus dem Bereich des politischen Extremismus<br />

weitergeben, dem sie angehören oder in dem sie sich bewegen<br />

können. V-Leute sind keine Mitarbeiter der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde.<br />

Ein Vertrauensverhältnis besteht zu solch einer Person ausdrücklich nicht.<br />

Der Geheimhaltung bedarf es deshalb, weil Identität und Verbindung zum<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong> im Interesse der weiteren Informationsgewinnung geschützt<br />

werden müssen.<br />

“Zionist Occupied Government” (ZOG)<br />

“Zionist Occupied Government” (ZOG) kommt aus dem Englischen und<br />

heißt wörtlich übersetzt „Zionistisch besetzte Regierung”. Die Abkürzung<br />

ist eine in rechtsextremen Bewegungen übliche antisemitische Schmiererei.<br />

Mit dem Ausdruck ist gemeint, dass die Regierung von Juden „besetzt”<br />

beziehungsweise „erobert”, also fremdbestimmt sei und demnach das<br />

Staatsvolk nicht repräsentiere, sondern unterdrücke. Rechtsextremisten<br />

sehen in den „zionistisch besetzten Regierungen“ ein Indiz für eine jüdische<br />

Weltverschwörung.<br />

213


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

214


Gesetzestexte<br />

Gesetzestexte<br />

Gesetz über den <strong>Verfassungsschutz</strong> im Land <strong>Brandenburg</strong><br />

(<strong>Brandenburg</strong>isches <strong>Verfassungsschutz</strong>gesetz- BbgVerfSchG)<br />

Vom 5. April 1993 (GVBl. I/93, [Nr. 04], S. 78),<br />

zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 30. November 2007<br />

(GVBl. I/07, [Nr. 15], S. 193, 203)<br />

Erster Abschnitt<br />

Allgemeine Vorschriften<br />

§ 1<br />

Zweck des <strong>Verfassungsschutz</strong>es; Auftrag der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Der <strong>Verfassungsschutz</strong> dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und<br />

der Länder.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde unterrichtet die Landesregierung und andere<br />

zuständige Stellen über Gefahren für die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung, den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder.<br />

Dadurch soll es ihnen insbesondere ermöglicht werden, rechtzeitig die<br />

erforderlichen Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu ergreifen.<br />

§ 2<br />

Zuständigkeit der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde ist das Ministerium des Innern. Es unterhält für<br />

diese Aufgaben eine besondere Abteilung.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf einer polizeilichen Dienststelle nicht<br />

angegliedert werden.<br />

(3) <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden anderer Länder dürfen im Geltungsbereich<br />

dieses Gesetzes nur im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes im<br />

Einvernehmen, die des Bundes nach Maßgabe bundesrechtlicher Vorschriften<br />

nur im Benehmen mit der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde des Landes<br />

<strong>Brandenburg</strong> tätig werden.<br />

§ 3<br />

Aufgaben der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Zur Erfüllung ihres Auftrages sammelt die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

Informationen, insbesondere sach- und personenbezogene Auskünfte,<br />

Nachrichten und Unterlagen, über<br />

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,<br />

den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet<br />

sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane<br />

des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum<br />

Ziel haben,<br />

215


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten in der Bundesrepublik<br />

Deutschland für eine fremde Macht,<br />

3. Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung<br />

von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige<br />

Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,<br />

4. Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel<br />

9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche Zusammenleben<br />

der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.<br />

und wertet sie aus. Voraussetzung für ihr Tätigwerden ist das Vorliegen tatsächlicher<br />

Anhaltspunkte.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde wirkt mit<br />

1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse<br />

geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse<br />

anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich<br />

verschaffen können,<br />

2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfi<br />

ndlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen<br />

beschäftigt sind oder werden sollen,<br />

3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen<br />

Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen<br />

gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte.<br />

Die Befugnisse der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde bei der Mitwirkung nach Satz<br />

1 Nr. 1 und 2 sind in dem <strong>Brandenburg</strong>ischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz<br />

geregelt.<br />

§ 4<br />

Begriffsbestimmungen<br />

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind<br />

1. Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche<br />

politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in<br />

einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist,<br />

die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben,<br />

ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes<br />

Gebiet abzutrennen,<br />

2. Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes solche<br />

politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in<br />

einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet ist,<br />

den Bund, die Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit<br />

erheblich zu beeinträchtigen,<br />

3. Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung<br />

solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen<br />

216


Gesetzestexte<br />

in einem oder für einen Personenzusammenschluß, der darauf gerichtet<br />

ist, die in Absatz 3 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder<br />

außer Geltung zu setzen.<br />

(2) Eine Bestrebung im Sinne dieses Gesetzes ist insbesondere dann gegeben,<br />

wenn sie auf Gewaltanwendung gerichtet ist oder sonst ein kämpferisches<br />

und aggressives Verhalten gegenüber den in Absatz 3 genannten<br />

Grundsätzen erkennen läßt.<br />

(3) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes<br />

zählen:<br />

1. die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte,<br />

2. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen<br />

und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt<br />

und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner,<br />

unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,<br />

3. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und<br />

die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz<br />

und Recht,<br />

4. das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,<br />

5. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber<br />

der Volksvertretung,<br />

6. die Unabhängigkeit der Gerichte und<br />

7. der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.<br />

(4) Für einen Personenzusammenschluß handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen<br />

aktiv unterstützt. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht<br />

in einem oder für einen Personenzusammenschluß handeln, sind Bestrebungen<br />

im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt<br />

gerichtet oder aufgrund ihrer Wirkungsweise sonst geeignet sind, ein<br />

Schutzgut dieses Gesetzes erheblich zu beschädigen.<br />

(5) Straftaten von erheblicher Bedeutung im Sinne der §§ 16 Abs. 1 und 20<br />

Abs. 1 sind Verbrechen oder Vergehen, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe<br />

von sechs Monaten bedroht sind, sowie Rauschgifthandel, Falschgeld-,<br />

Sprengstoff- und Waffendelikte und Straftaten nach § 129 des Strafgesetzbuches.<br />

§ 5<br />

Unterrichtung der Öffentlichkeit<br />

Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde informiert die Öffentlichkeit in zusammenfassenden<br />

Berichten über Bestrebungen und Tätigkeiten im Sinne von § 3 Abs. 1.<br />

Sie unterrichtet jährlich die Öffentlichkeit über die Summe ihrer Haushaltsmittel<br />

und über die Gesamtzahl ihrer Bediensteten.<br />

217


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Zweiter Abschnitt<br />

Befugnisse<br />

§ 6<br />

Befugnisse der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde ist an Gesetz und Recht gebunden.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf die zur Erfüllung ihrer Aufgaben<br />

erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten<br />

verarbeiten, soweit nicht die Bestimmungen des <strong>Brandenburg</strong>ischen Datenschutzgesetzes<br />

oder besondere Regelungen in diesem Gesetz entgegenstehen.<br />

(3) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf zur Informationsbeschaffung als<br />

nachrichtendienstliche Mittel die folgenden Maßnahmen anwenden:<br />

1. Einsatz von Vertrauensleuten, sonstigen geheimen Informanten, zum<br />

Zwecke der Spionageabwehr überworbenen Agenten, Gewährspersonen<br />

und verdeckten Ermittlern;<br />

2. Observationen;<br />

3. Bildaufzeichnungen (Fotografi eren, Videografi eren und Filmen) außerhalb<br />

des Schutzbereiches des Artikels 13 des Grundgesetzes;<br />

4. verdeckte Ermittlungen und Befragungen;<br />

5. Mithören ohne Inanspruchnahme technischer Mittel;<br />

6. Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter<br />

Einsatz technischer Mittel außerhalb des Schutzbereiches des Artikels<br />

13 des Grundgesetzes;<br />

7. Beobachtung des Funkverkehrs auf nicht für den allgemeinen Empfang<br />

bestimmten Kanälen sowie die Sichtbarmachung, Beobachtung, Aufzeichnung<br />

und Entschlüsselung von Signalen in Kommunikationssystemen;<br />

8. Verwendung fi ngierter biographischer, berufl icher oder gewerblicher<br />

Angaben (Legenden);<br />

9. Beschaffung, Erstellung und Verwendung von Tarnpapieren und Tarnkennzeichen;<br />

10. Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs nach Maßgabe<br />

des Artikel 10-Gesetzes.<br />

Minderjährige dürfen nicht als Vertrauensleute, sonstige geheime Informanten,<br />

Gewährspersonen oder verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Soweit<br />

sich Personen aus berufl ichen Gründen auf ein Zeugnisverweigerungsrecht<br />

berufen können, darf die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde diese nicht von sich aus<br />

für ihre Zwecke in Anspruch nehmen; Informationen, die diese Personen unter<br />

Verletzung des § 203 des Strafgesetzbuches rechtswidrig an die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

weiterzugeben beabsichtigen, dürfen von dieser nicht<br />

entgegengenommen werden. Tarnpapiere und Tarnkennzeichen dürfen auch<br />

zu dem in § 7 Abs. 1 Nr. 5 genannten Zweck verwendet werden; die zuständigen<br />

Behörden des Landes sowie die Gemeinden und Gemeindeverbände sind<br />

218


Gesetzestexte<br />

verpfl ichtet, der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde für diese Tarnmaßnahmen Hilfe zu<br />

leisten.<br />

(4) Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

nicht zu. Sie darf die Polizei auch nicht im Wege der<br />

Amtshilfe um Maßnahmen ersuchen, zu denen sie selbst nicht befugt ist.<br />

(5) Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person mit ihrer<br />

Kenntnis erhoben, so ist sie über den Verwendungszweck aufzuklären.<br />

Die Aufklärungspfl icht umfaßt bei einer beabsichtigten Übermittlung auch<br />

den Empfänger der Daten. Die Aufklärung kann unterbleiben, wenn die<br />

Tatsache, daß die Erhebung für Zwecke der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

erfolgt, aus besonderen Gründen nicht bekannt werden soll. Die betroffene<br />

Person ist auf die Freiwilligkeit ihrer Angaben hinzuweisen.<br />

(6) Von mehreren geeigneten Maßnahmen hat die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

diejenige zu wählen, die die betroffene Person voraussichtlich am wenigsten<br />

beeinträchtigt. Eine Maßnahme darf keinen Nachteil herbeiführen,<br />

der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.<br />

(7) Beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel dürfen keine Straftaten begangen<br />

werden. Die abschließende Aufzählung der Straftatbestände, die<br />

verwirklicht werden dürfen, erfolgt in einer Dienstvorschrift nach Vorlage in<br />

der Parlamentarischen Kontrollkommission.<br />

§ 7<br />

Besondere Formen der Datenerhebung<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben Informationen,<br />

insbesondere personenbezogene Daten, mit den Mitteln gemäß § 6<br />

Abs. 3 nur erheben, wenn<br />

1. sich ihr Einsatz gegen Personenzusammenschlüsse, in ihnen oder einzeln<br />

tätige Personen richtet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für den<br />

Verdacht der Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 bestehen,<br />

2. sich ihr Einsatz gegen andere als die in Nummer 1 genannten Personen<br />

richtet, von denen aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß<br />

sie für diese bestimmte oder von diesen herrührende Mitteilungen entgegennehmen<br />

oder weitergeben,<br />

3. ihr Einsatz gegen andere als in den Nummern 1 und 2 genannten Personen<br />

unumgänglich ist, um Erkenntnisse über sicherheitsgefährdende oder<br />

geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen<br />

zu gewinnen, die sich durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete<br />

Vorbereitungshandlungen gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 genannten<br />

Schutzgüter wenden,<br />

4. auf diese Weise die zur Erforschung von Bestrebungen oder Tätigkeiten<br />

nach § 3 Abs. 1 erforderlichen Quellen in Personenzusammenschlüssen<br />

nach Nummer 1 gewonnen werden können oder<br />

219


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

5. dies zum Schutz der Bediensteten, Einrichtungen, Gegenstände und Quellen<br />

der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde gegen sicherheitsgefährdende oder<br />

geheimdienstliche Tätigkeiten erforderlich ist.<br />

Die Erhebung nach Satz 1 ist unzulässig, wenn die Erforschung des Sachverhaltes<br />

auf andere, die betroffene Person weniger beeinträchtigende Weise<br />

möglich ist; eine geringere Beeinträchtigung ist in der Regel anzunehmen,<br />

wenn die Information aus allgemein zugänglichen Quellen oder durch eine<br />

Auskunft nach § 15 gewonnen werden kann. Die Anwendung eines Mittels<br />

gemäß § 6 Abs. 3 darf nicht erkennbar außer Verhältnis zur Bedeutung des<br />

aufzuklärenden Sachverhaltes stehen, insbesondere nicht zu der Gefahr, die<br />

von der jeweiligen Bestrebung oder Tätigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 ausgeht.<br />

Die Maßnahme ist unverzüglich zu beenden, wenn ihr Zweck erreicht ist oder<br />

sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß er nicht oder nicht auf diese Weise erreicht<br />

werden kann.<br />

(2) Die mit den Mitteln nach § 6 Abs. 3 gewonnenen Informationen dürfen<br />

nur für den jeweiligen Erhebungszweck genutzt werden. Eine anderweitige<br />

Nutzung ist nur zulässig, wenn das zur Informationsgewinnung verwendete<br />

Mittel auch für den jeweils anderen Nutzungszweck hätte eingesetzt<br />

werden dürfen. Sie ist ferner zulässig im Rahmen von Sicherheitsüberprüfungen<br />

nach § 3 Abs. 2 und in Verwaltungsverfahren, in denen die Beteiligung<br />

der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde gesetzlich vorgeschrieben ist.<br />

(3) Das Mithören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes<br />

unter Einsatz technischer Mittel oder sonstige Maßnahmen nach § 6 Abs.<br />

3, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post und<br />

Fernmeldegeheimnisses gleichkommen, sind zulässig, wenn dadurch Erkenntnisse<br />

über sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten<br />

für eine fremde Macht oder Bestrebungen, die auf Gewaltanwendung<br />

gerichtet sind oder sonst ein kämpferisches und aggressives Verhalten<br />

gegenüber den in § 4 Abs. 3 genannten Grundsätzen erkennen lassen,<br />

gewonnen werden können. Ein solcher Eingriff bedarf im Einzelfall der<br />

vorherigen Zustimmung des Ministers des Innern, im Falle seiner Verhinderung<br />

der seines Vertreters. Die Parlamentarische Kontrollkommission<br />

ist in der jeweils nächsten Sitzung, bei Fortdauer der Maßnahmen jeweils<br />

in Abständen von drei Monaten, zu unterrichten. Die durch den Eingriff<br />

erhobenen Informationen dürfen nur nach Maßgabe des § 4 Abs. 2 des<br />

Artikel 10-Gesetzes, zur Erforschung oder Verfolgung einer Straftat nach<br />

§ 129 des Strafgesetzbuches sowie für die in Absatz 2 Satz 3 genannten<br />

Zwecke genutzt werden.<br />

(4) Beim Einsatz von Vertrauensleuten und verdeckten Ermittlern sowie bei<br />

Observationen fi nden die Bestimmungen in Absatz 3 Satz 3 entsprechende<br />

Anwendung, ohne daß die Identität der Vertrauensleute oder verdeckten<br />

Ermittler, auch nicht in mittelbarer Form, offenbart wird.<br />

220


Gesetzestexte<br />

§ 8<br />

Speicherung, Veränderung, Nutzung, Berichtigung,<br />

Sperrung und Löschung personenbezogener Daten<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 3<br />

Abs. 1 Informationen, insbesondere personenbezogene Daten, speichern,<br />

verändern und nutzen, wenn<br />

1. tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 vorliegen<br />

oder<br />

2. dies für die Erforschung und Bewertung von Bestrebungen oder Tätigkeiten<br />

nach § 3 Abs. 1 erforderlich ist.<br />

Die Speicherung von Informationen über das Verhalten Minderjähriger vor Vollendung<br />

des 14. Lebensjahres zu ihrer Person ist unzulässig. Mittels automatisierter<br />

Datenverarbeitung zu ihrer Person gespeicherte Daten Minderjähriger<br />

dürfen nur einem besonders beschränkten Personenkreis zugänglich gemacht<br />

werden. Die Speicherdauer ist auf das für die Aufgabenerfüllung erforderliche<br />

Maß zu beschränken.<br />

(2) Gespeicherte Daten sind zu berichtigen, wenn sie unrichtig sind. Wird die<br />

Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten, so ist dies im Zusammenhang<br />

mit dem Datum, dessen Richtigkeit bestritten wird, zu vermerken. Sie<br />

sind zu ergänzen, wenn sie unvollständig sind und dadurch schutzwürdige<br />

Interessen Betroffener beeinträchtigt sein können.<br />

(3) Personenbezogene Daten sind zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig<br />

war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nach § 3 Abs. 1<br />

nicht mehr erforderlich ist. Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde prüft bei der<br />

Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, spätestens nach fünf<br />

Jahren, sofern Minderjährige betroffen sind, nach zwei Jahren, ob gespeicherte<br />

personenbezogene Daten zu löschen oder zu berichtigen sind. Die<br />

Löschung unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dadurch<br />

schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. In<br />

diesem Fall sind die Daten zu sperren; sie dürfen nur noch mit Einwilligung<br />

der betroffenen Person verwendet werden. Ein schutzwürdiges Interesse<br />

liegt auch vor, wenn die betroffene Person einen Antrag nach § 12 Abs. 1<br />

gestellt hat.<br />

(4) Gespeicherte personenbezogene Daten über Bestrebungen nach § 3<br />

Abs. 1 Nr. 1 sind spätestens zehn Jahre, über Bestrebungen nach § 3<br />

Abs. 1 Nr. 3 und 4 sind spätestens 15 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten<br />

gespeicherten relevanten Information zu löschen, es sei denn, der Leiter<br />

der <strong>Verfassungsschutz</strong>abteilung im Ministerium des Innern, im Falle seiner<br />

Verhinderung sein Vertreter, trifft im Einzelfall eine andere Entscheidung.<br />

Daten über Minderjährige sind nach fünf Jahren zu löschen, es sei denn,<br />

dass nach Eintritt der Volljährigkeit weitere Erkenntnisse über Bestrebungen<br />

oder Tätigkeiten im Sinne von § 3 Abs. 1 angefallen sind.<br />

221


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

(5) Informationen aus der engeren Persönlichkeitssphäre des Betroffenen,<br />

die mittels automatisierter Datenverarbeitung gespeichert sind, dürfen nur<br />

einem besonders beschränkten Personenkreis zugänglich gemacht werden.<br />

(6) Personenbezogene Daten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle,<br />

der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen<br />

Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert<br />

werden, dürfen nur für diese Zwecke sowie zum Nachweis strafbarer<br />

Handlungen nach § 38 des <strong>Brandenburg</strong>ischen Datenschutzgesetzes verwendet<br />

werden.<br />

§ 9<br />

(aufgehoben)<br />

§ 10<br />

(aufgehoben)<br />

§ 11<br />

(aufgehoben)<br />

Dritter Abschnitt<br />

Auskunft und Einsicht<br />

§ 12<br />

Auskunft, Einsicht und Benachrichtigung<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde erteilt auf Antrag unentgeltlich Auskunft<br />

über die zur antragstellenden Person gespeicherten Daten sowie den<br />

Zweck und die Rechtsgrundlage ihrer Speicherung. Soweit sich die personenbezogenen<br />

Daten in Akten befi nden, ist auf Antrag der antragstellenden<br />

Person Einsicht zu gewähren. Die Akteneinsicht ist auf die Teile<br />

der Akten beschränkt, die personenbezogene Daten der antragstellenden<br />

Person enthalten. Auskunft oder Akteneinsicht können sich auf Antrag<br />

auch auf die Herkunft der Daten, den Zweck ihrer Übermittlung und die<br />

Empfänger von Übermittlungen innerhalb der letzten zwei Jahre erstrecken.<br />

Auskunft aus Akten oder Einsicht in Akten, die nicht zur Person des<br />

Betroffenen geführt werden, sind zu gewähren, soweit die antragstellende<br />

Person Angaben macht, die das Auffi nden der Daten mit angemessenem<br />

Aufwand ermöglichen.<br />

(1a) Soweit Daten zur Person mittels automatisierter Datenverarbeitung gespeichert<br />

sind, erhält die antragstellende Person Einsicht in Ausdrucke der<br />

gespeicherten Datensätze. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.<br />

(2) Auskunftserteilung oder Einsichtsgewährung können nur unterbleiben,<br />

wenn<br />

1. das öffentliche Interesse an der Geheimhaltung der Erkenntnisse sowie<br />

der nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden und Mittel der Verfassungs-<br />

222


Gesetzestexte<br />

schutzbehörde gegenüber dem Interesse der antragstellenden Person an<br />

der Auskunftserteilung oder Einsicht überwiegt oder<br />

2. die Daten oder die Tatsache der Speicherung nach einer Rechtsvorschrift<br />

oder wegen der überwiegenden berechtigten Interessen von Dritten<br />

geheimgehalten werden müssen.<br />

Die Entscheidung trifft der Leiter der <strong>Verfassungsschutz</strong>abteilung im Ministerium<br />

des Innern oder ein von ihm besonders beauftragter Mitarbeiter unter Abwägung<br />

der in den Nummern 1 und 2 genannten Interessen mit dem Interesse<br />

der antragstellenden Person an der Auskunftserteilung oder Einsicht.<br />

(3) Die Ablehnung der Auskunftserteilung oder der Einsichtsgewährung bedarf<br />

keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Verweigerung gefährdet<br />

würde; die Gründe sind aber festzuhalten. Die antragstellende Person<br />

ist auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen einer Begründung und darauf<br />

hinzuweisen, daß sie sich an den Landesbeauftragten für den Datenschutz<br />

wenden kann. Dem Landesbeauftragten ist auf sein Verlangen Auskunft zu<br />

erteilen und Einsicht zu gewähren. Stellt der Minister des Innern, im Falle<br />

seiner Verhinderung der Staatssekretär, im Einzelfall fest, daß durch die<br />

Auskunft oder die Einsicht die Sicherheit des Bundes oder eines Landes<br />

gefährdet würde, erhält nur der Landesbeauftragte persönlich Auskunft<br />

oder Einsicht. Mitteilungen des Landesbeauftragten an die antragstellende<br />

Person dürfen keine Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

zulassen, sofern sie nicht einer weitergehenden Auskunft<br />

zugestimmt hat.<br />

(4) Bezieht sich die Auskunftserteilung oder die Einsicht auf die Herkunft<br />

personenbezogener Daten von anderen <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden,<br />

der Staatsanwaltschaft und der Polizei, von Landesfi nanzbehörden, soweit<br />

diese personenbezogene Daten in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben<br />

im Anwendungsbereich der Abgabenordnung zur Überwachung<br />

und Prüfung speichern, vom Bundesnachrichtendienst, vom Militärischen<br />

Abschirmdienst und, soweit die Sicherheit des Bundes berührt wird, von<br />

anderen Behörden des Bundesministers der Verteidigung, ist sie nur mit<br />

Zustimmung dieser Stellen zulässig. Das gleiche gilt, wenn diese Behörden<br />

Empfänger von Übermittlungen personenbezogener Daten sind. Soweit<br />

es sich um Behörden des Landes handelt, gelten für die Versagung<br />

der Zustimmung die Absätze 2 und 3 entsprechend.<br />

(5) Von der ohne ihre Kenntnis erfolgten Erhebung personenbezogener Daten<br />

ist die betroffene Person zu benachrichtigen, sobald der Zweck der Erhebung<br />

es zuläßt. Bei Eingriffen nach § 7 Abs. 3 und 4 ist die Parlamentarische<br />

Kontrollkommission spätestens drei Jahre nach der Beendigung des<br />

Eingriffes zu unterrichten, sofern eine Mitteilung an die betroffene Person<br />

nicht erfolgt ist.<br />

223


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

(6) Wird der Landesbeauftragte für den Datenschutz nach § 12 Abs. 3 tätig,<br />

so kann er die Parlamentarische Kontrollkommission von sich aus unterrichten,<br />

wenn sich im Einzelfall Beanstandungen ergeben, eine Auskunft<br />

an die betroffene Person aber aus Geheimhaltungsgründen unterbleiben<br />

muß.<br />

Vierter Abschnitt<br />

Informationsübermittlung<br />

§ 13<br />

Zulässigkeit von Ersuchen<br />

Wird nach den Bestimmungen dieses Abschnittes um die Übermittlung von<br />

personenbezogenen Daten ersucht, dürfen nur die Daten übermittelt werden,<br />

die bei der ersuchten Behörde bekannt sind oder aus allgemein zugänglichen<br />

Quellen entnommen werden können.<br />

§ 14<br />

Übermittlung von Informationen an die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Die Behörden, Betriebe und Einrichtungen des Landes sowie die der Aufsicht<br />

des Landes <strong>Brandenburg</strong> unterstehenden juristischen Personen des<br />

öffentlichen Rechts unterrichten von sich aus die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

über die ihnen bekannt gewordenen Tatsachen einschließlich personenbezogener<br />

Daten, die sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche<br />

Tätigkeiten für eine fremde Macht oder Bestrebungen im Geltungsbereich<br />

dieses Gesetzes erkennen lassen, die durch Anwendung von Gewalt oder<br />

darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 1,<br />

3 und 4 genannten Schutzgüter gerichtet sind.<br />

(2) Die Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen<br />

Sachleitungsbefugnis, die Polizei übermitteln darüber hinaus von sich<br />

aus der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde auch alle anderen ihnen bekanntgewordenen<br />

Informationen einschließlich personenbezogener Daten über<br />

Bestrebungen nach § 3 Abs. 1, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür<br />

bestehen, daß die Übermittlung für die Erfüllung der Aufgaben der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

erforderlich ist.<br />

(3) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben die<br />

Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen<br />

Sachleitungsbefugnis, die Polizei sowie andere Behörden um Übermittlung<br />

der zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich<br />

personenbezogener Daten ersuchen, wenn sie nicht aus allgemein<br />

zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch<br />

eine die betroffene Person stärker belastende Maßnahme erhoben werden<br />

können. Die Ersuchen sind festzuhalten.<br />

224


Gesetzestexte<br />

(4) Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund einer Maßnahme<br />

nach § 100 a der Strafprozeßordnung bekanntgeworden sind, ist<br />

nach den Vorschriften der Absätze 1 bis 3 nur zulässig, wenn tatsächliche<br />

Anhaltspunkte dafür bestehen, daß jemand eine der in § 3 des Artikel 10-<br />

Gesetzes genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Auf die<br />

dabei übermittelten Kenntnisse und Unterlagen fi nden § 4 Abs. 1 Satz 2<br />

und 3 und § 4 Abs. 2 Satz 2 des Artikel 10-Gesetzes entsprechende Anwendung.<br />

Die Übermittlung personenbezogener Daten, die aufgrund anderer<br />

strafprozessualer Maßnahmen bekanntgeworden sind, ist zulässig,<br />

wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach<br />

§ 3 Abs. 1 bestehen. Sie dürfen nur zur Erforschung dieser Bestrebungen<br />

oder Tätigkeiten genutzt werden.<br />

§ 14a<br />

Übermittlung von Informationen durch nicht-öffentliche Stellen<br />

an die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Auskünfte nach § 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes<br />

dürfen nur auf schriftlichen Antrag des Leiters der <strong>Verfassungsschutz</strong>abteilung<br />

im Ministerium des Innern, im Falle seiner Verhinderung seines Vertreters,<br />

eingeholt werden. Über den Antrag entscheidet der Minister des<br />

Innern, im Falle seiner Verhinderung sein Vertreter.<br />

(2) Das Ministerium des Innern unterrichtet die G 10-Kommission über die<br />

beschiedenen Anträge vor deren Vollzug. Bei Gefahr im Verzug kann das<br />

Ministerium des Innern den Vollzug der Entscheidung auch vor Unterrichtung<br />

der Kommission anordnen. Die G 10-Kommission prüft von Amts wegen<br />

oder aufgrund von Beschwerden die Zulässigkeit und Notwendigkeit<br />

der Einholung von Auskünften. Entscheidungen über Auskünfte, die die G<br />

10-Kommission für nicht notwendig oder unzulässig erklärt, hat das Ministerium<br />

des Innern unverzüglich aufzuheben.<br />

(3) Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt sich auf die gesamte Erhebung,<br />

Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 1 erlangten Daten.<br />

(4) Für die Verarbeitung der nach § 8 Abs. 5 bis 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes<br />

erhobenen Daten ist § 4 des Artikel 10-Gesetzes entsprechend<br />

anzuwenden.<br />

(5) Für die Mitteilung an den Betroffenen fi ndet § 12 Abs. 1 und 3 des Artikel<br />

10-Gesetzes entsprechende Anwendung.<br />

(6) Das Ministerium des Innern unterrichtet im Abstand von höchstens sechs<br />

Monaten die Parlamentarische Kontrollkommission über die Durchführung<br />

von Maßnahmen nach Absatz 1.<br />

(7) Das Ministerium des Innern unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium<br />

des Bundes jährlich über die nach Absatz 1 durchgeführten<br />

225


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Maßnahmen nach Maßgabe des § 8 Abs. 10 Satz 1 zweiter Halbsatz des<br />

Bundesverfassungsschutzgesetzes.<br />

(8) Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10<br />

Grundgesetz, Artikel 16 Verfassung des Landes <strong>Brandenburg</strong>) wird nach<br />

Maßgabe des Absatzes 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 6 und 8 des Bundesverfassungsschutzgesetzes<br />

eingeschränkt.<br />

§ 15<br />

Registereinsicht durch die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf zur Aufklärung<br />

1. von sicherheitsgefährdenden oder geheimdienstlichen Tätigkeiten in der<br />

Bundesrepublik Deutschland für eine fremde Macht oder<br />

2. von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete<br />

Vorbereitungshandlungen gegen die freiheitliche demokratische<br />

Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines<br />

Landes gerichtet sind, oder<br />

3. von Bestrebungen in der Bundesrepublik Deutschland, die durch Anwendung<br />

von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen<br />

auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,<br />

4. von Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete<br />

Vorbereitungshandlungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung<br />

(Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes), insbesondere das friedliche<br />

Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes)<br />

gerichtet sind,<br />

von öffentlichen Stellen geführte Register einsehen.<br />

(2) Eine solche Einsichtnahme ist nur zulässig, wenn<br />

1. die Aufklärung auf andere Weise nicht möglich erscheint, insbesondere<br />

durch eine Übermittlung der Daten durch die registerführende Stelle der<br />

Zweck der Maßnahme gefährdet würde oder<br />

2. die betroffene Person durch eine anderweitige Aufklärung unverhältnismäßig<br />

beeinträchtigt würde und<br />

3. eine besondere gesetzliche Geheimhaltungsvorschrift oder ein Berufsgeheimnis<br />

der Einsichtnahme nicht entgegensteht.<br />

(3) Die Anordnung für die Maßnahme nach Absatz 1 trifft der Leiter der <strong>Verfassungsschutz</strong>abteilung<br />

im Ministerium des Innern, im Falle seiner Verhinderung<br />

sein Vertreter.<br />

(4) Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur zu den in Absatz<br />

1 genannten Zwecken verwendet werden. Gespeicherte Informationen<br />

sind zu löschen und Unterlagen zu vernichten, sobald sie für diese<br />

Zwecke nicht mehr benötigt werden.<br />

(5) Über die Einsichtnahme ist ein gesonderter Nachweis zu führen, aus dem<br />

ihr Zweck, die in Anspruch genommene Stelle sowie die Namen der be-<br />

226


Gesetzestexte<br />

troffenen Person, deren Daten für eine weitere Verwendung erforderlich<br />

sind, hervorgehen. Der Nachweis ist gesondert aufzubewahren, gegen unberechtigten<br />

Zugriff zu sichern und am Ende des zweiten Kalenderjahres,<br />

das dem Jahr der Erstellung folgt, zu vernichten.<br />

§ 16<br />

Übermittlung personenbezogener Daten durch die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf personenbezogene Daten an inländische<br />

Behörden übermitteln, wenn dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich<br />

ist oder die empfangende Behörde die Daten zum Schutz vor<br />

Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1, zur Abwehr einer erheblichen<br />

Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung einer Straftat<br />

von erheblicher Bedeutung (§ 4 Abs. 5) benötigt oder wenn eine andere<br />

gesetzliche Vorschrift dies vorsieht. Die Übermittlung ist festzuhalten. Die<br />

empfangende Behörde darf die übermittelten Daten, soweit gesetzlich<br />

nichts anderes bestimmt ist, nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie ihr<br />

übermittelt wurden.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde darf personenbezogene Daten an ausländische<br />

öffentliche Stellen sowie an über- und zwischenstaatliche Stellen<br />

übermitteln, wenn dies zum Schutz von Leib oder Leben oder zur Erfüllung<br />

eigener Aufgaben, insbesondere bei grenzüberschreitenden Bestrebungen<br />

oder Tätigkeiten im Sinne von § 3 Abs. 1, erforderlich ist. Die Übermittlung<br />

unterbleibt, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland<br />

oder überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person,<br />

insbesondere die Gefahr einer rechtsstaatswidrigen Verfolgung, entgegenstehen.<br />

Die Übermittlung ist festzuhalten. Die empfangende Stelle<br />

ist darauf hinzuweisen, daß die übermittelten Daten nur zu dem Zweck<br />

verwendet werden dürfen, zu dem sie ihr übermittelt wurden, und daß die<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>behörde sich vorbehält, um Auskunft über die Verwendung<br />

der Daten zu bitten.<br />

(3) Personenbezogene Daten dürfen an andere Stellen nicht übermittelt werden,<br />

es sei denn, daß<br />

1. die betroffene Person zugestimmt hat,<br />

2. dies zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des<br />

Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder<br />

3. zum Schutz der in § 3 Abs. 2 Nr. 2 genannten Einrichtungen erforderlich<br />

ist<br />

und der Minister des Innern oder von ihm besonders bestellte Beauftragte ihre<br />

Zustimmung im Einzelfall erteilt haben. Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde führt<br />

227


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

hierüber einen Nachweis, aus dem der Zweck der Übermittlung, ihre Veranlassung,<br />

die Fundstelle und der Empfänger hervorgehen. Der Nachweis ist gesondert<br />

aufzubewahren, gegen unberechtigten Zugriff zu sichern und am Ende<br />

des zweiten Kalenderjahres, das dem Jahr der Erstellung folgt, zu vernichten.<br />

Die empfangende Stelle darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verwenden,<br />

zu dem sie ihr übermittelt wurden. Sie ist auf die Verwendungsbeschränkung<br />

und darauf hinzuweisen, daß die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde sich<br />

vorbehält, um Auskunft über die Verwendung der Daten zu bitten.<br />

§ 17<br />

Übermittlung von Informationen durch die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

an Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Angelegenheiten<br />

des Staats- und <strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

(1) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde übermittelt den Staatsanwaltschaften und,<br />

vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, der Polizei<br />

von sich aus die ihr bekanntgewordenen Informationen einschließlich<br />

personenbezogener Daten, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür<br />

bestehen, daß die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von<br />

Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Delikte nach Satz 1 sind die in den<br />

§§ 74 a und 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Straftaten<br />

sowie sonstige Straftaten, bei denen aufgrund ihrer Zielsetzung, des Motivs<br />

des Täters oder dessen Verbindung zu einer Organisation tatsächliche<br />

Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie gegen die in Artikel 73 Nr. 10 Buchstabe<br />

b oder c des Grundgesetzes genannten Schutzgüter gerichtet sind.<br />

(2) Die Polizei darf zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten nach Absatz 1<br />

Satz 2 die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde um Übermittlung der erforderlichen<br />

Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen.<br />

(3) Übermittlungen nach den Absätzen 1 und 2 sind festzuhalten.<br />

§ 18<br />

Übermittlung personenbezogener Informationen an die Öffentlichkeit<br />

Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Erkenntnisse der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

dürfen personenbezogene Daten nur bekanntgegeben werden,<br />

wenn dies für das Verständnis des Zusammenhanges oder der Darstellung von<br />

Organisationen oder unorganisierten Gruppierungen zwingend erforderlich ist<br />

und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse der betroffenen<br />

Person überwiegen. Personenbezogene Informationen über Personen der<br />

Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung<br />

ihres Amtes dürfen veröffentlicht werden, wenn überwiegende schutzwürdige<br />

Interessen dieser Personen nicht beeinträchtigt werden.<br />

228


Gesetzestexte<br />

§ 19<br />

Übermittlungsverbote<br />

Die Übermittlung nach den Vorschriften dieses Abschnittes unterbleibt, wenn<br />

1. eine Prüfung durch die übermittelnde Stelle ergibt, daß die Information<br />

zu löschen oder für die empfangende Stelle nicht mehr erforderlich ist,<br />

2. für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, daß unter Berücksichtigung<br />

der Art der Information und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen<br />

der betroffenen Person das öffentliche Interesse an der Übermittlung<br />

überwiegen, wovon in der Regel auszugehen ist, wenn die Information die<br />

engere Persönlichkeitssphäre der betroffenen Person berührt,<br />

3. überwiegende Sicherheitsinteressen dies erfordern oder<br />

4. besondere gesetzliche Übermittlungsregelungen entgegenstehen; die<br />

Verpfl ichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspfl ichten oder von<br />

Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen<br />

Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.<br />

§ 20<br />

Minderjährigenschutz<br />

(1) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten<br />

Minderjähriger dürfen nach den Vorschriften dieses Gesetzes übermittelt<br />

werden, solange die Voraussetzungen der Speicherung nach § 8<br />

Abs.1 Satz 2 erfüllt sind. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor,<br />

ist eine Übermittlung nur zulässig, wenn sie zur Abwehr einer erheblichen<br />

Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung einer Straftat von<br />

erheblicher Bedeutung (§ 4 Abs. 5) erforderlich ist.<br />

(2) Informationen einschließlich personenbezogener Daten über das Verhalten<br />

Minderjähriger vor Vollendung des sechzehnten Lebensjahres dürfen<br />

nicht an ausländische oder über- oder zwischenstaatliche Stellen übermittelt<br />

werden.<br />

§ 21<br />

Pfl ichten der empfangenden Stelle<br />

Die empfangende Stelle prüft, ob die nach den Vorschriften dieses Gesetzes<br />

übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich<br />

sind. Ergibt die Prüfung, daß die Daten nicht erforderlich sind, hat<br />

sie die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die<br />

Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich<br />

sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich wäre; in diesem<br />

Fall sind die Daten zu sperren.<br />

229


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

§ 22<br />

Nachberichtspfl icht<br />

Erweisen sich personenbezogene Daten nach ihrer Übermittlung gemäß den<br />

Vorschriften dieses Gesetzes als unvollständig oder unrichtig, so sind sie unverzüglich<br />

gegenüber der empfangenden Stelle zu berichtigen.<br />

Fünfter Abschnitt<br />

Parlamentarische Kontrolle<br />

§ 23<br />

Parlamentarische Kontrollkommission<br />

In Angelegenheiten des <strong>Verfassungsschutz</strong>es unterliegt die Landesregierung<br />

unbeschadet der Rechte des Landtages der Kontrolle durch die Parlamentarische<br />

Kontrollkommission.<br />

§ 24<br />

Zusammensetzung und Amtsdauer der Parlamentarischen<br />

Kontrollkommission<br />

(1) Die Parlamentarische Kontrollkommission wird vom Landtag gebildet. Der<br />

Landtag beschließt über ihre Größe, die fünf Mitglieder nicht überschreiten<br />

soll, und Zusammensetzung und wählt die Mitglieder. Die parlamentarische<br />

Opposition muß angemessen vertreten sein.<br />

(2) Scheidet ein Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission aus dem<br />

Landtag oder aus seiner Fraktion aus oder wird es Mitglied der Landesregierung,<br />

so verliert es seine Mitgliedschaft in der Parlamentarischen Kontrollkommission.<br />

Ein neues Mitglied ist unverzüglich zu bestimmen. Das<br />

gleiche gilt, wenn ein Mitglied aus anderen Gründen aus der Parlamentarischen<br />

Kontrollkommission ausscheidet.<br />

(3) Die Parlamentarische Kontrollkommission übt ihre Tätigkeit auch über das<br />

Ende einer Wahlperiode des Landtages hinaus solange aus, bis der nachfolgende<br />

Landtag nach Absatz 1 eine neue Parlamentarische Kontrollkommission<br />

gebildet hat.<br />

§ 25<br />

Kontrollrechte der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />

(1) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission<br />

umfassend über die allgemeine Tätigkeit der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde,<br />

das Lagebild und Vorgänge von besonderer Bedeutung und auf<br />

Verlangen der Kommission über Einzelfälle. Die Kommission hat Anspruch<br />

230


Gesetzestexte<br />

auf diese Unterrichtung. Sie kann von der Landesregierung alle für ihre<br />

Kontrollaufgaben erforderlichen Auskünfte, Unterlagen, Akten- und Dateneinsicht,<br />

Stellungnahmen und den Zutritt zur <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

verlangen sowie bei besonderem Aufklärungsbedarf mit Zustimmung des<br />

Innenministers Bedienstete zum Sachverhalt befragen, sofern dem nicht<br />

überwiegende öffentliche oder private Belange entgegenstehen; die Landesregierung<br />

hat dies vor der Parlamentarischen Kontrollkommission zu<br />

begründen.<br />

(2) Die Landesregierung unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission<br />

auch über die Herstellung des Einvernehmens für das Tätigwerden von<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>behörden anderer Länder im Land <strong>Brandenburg</strong> gemäß<br />

§ 2 Abs. 2 sowie in allgemeiner Form über die Herstellung des Benehmens<br />

für das Tätigwerden des Bundesamtes für <strong>Verfassungsschutz</strong> gemäß § 5<br />

Abs. 2 des Bundesverfassungsschutzgesetzes.<br />

(3) Eingaben einzelner Bürger (Petenten) über ein sie betreffendes Verhalten<br />

der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde sind nach Zustimmung des Petenten der<br />

Parlamentarischen Kontrollkommission zur Kenntnis zu geben, wenn sie<br />

nicht an sie selbst gerichtet sind. Sie hat auf Antrag eines Mitgliedes Petenten<br />

zu hören.<br />

(4) Die Kontrolle der Durchführung des Artikel 10-Gesetzes bleibt den aufgrund<br />

von Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz von der Volksvertretung<br />

bestellten Organen und Hilfsorganen vorbehalten.<br />

(5) Für die Parlamentarische Kontrollkommission gilt § 23 Abs. 3 Satz 1 des<br />

<strong>Brandenburg</strong>ischen Datenschutzgesetzes entsprechend.<br />

§ 26<br />

Verfahrensweise der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />

(1) Die Parlamentarische Kontrollkommission gibt sich eine Geschäftsordnung;<br />

im übrigen gelten die Bestimmungen der Geschäftsordnung des<br />

Landtages.<br />

(2) Die Parlamentarische Kontrollkommission tagt nicht öffentlich. Auf Antrag<br />

eines Mitgliedes beschließt die Kommission über die Herstellung der Öffentlichkeit,<br />

soweit das öffentliche Interesse oder berechtigte Interessen<br />

eines einzelnen dem nicht entgegenstehen. Sofern die Öffentlichkeit ausgeschlossen<br />

ist, sind die Mitglieder der Kommission zur Verschwiegenheit<br />

über Angelegenheiten verpfl ichtet, die ihnen dabei bekannt geworden sind.<br />

Das gilt auch für die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission. Die<br />

Verpfl ichtung zur Verschwiegenheit kann von der Kommission aufgehoben<br />

werden, wenn die Gründe für die Verschwiegenheit nachträglich weggefallen<br />

sind. Die Aufhebung der Vertraulichkeit von Beratungsgegenständen,<br />

231


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

die in die Verantwortlichkeit des Bundes oder eines anderen Landes fallen,<br />

ist nur mit deren Zustimmung möglich.<br />

(3) Die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichtet den Landtag jährlich<br />

über ihre Tätigkeit.<br />

Sechster Abschnitt<br />

Schlußvorschriften<br />

§ 27<br />

Geltung des <strong>Brandenburg</strong>ischen Datenschutzgesetzes<br />

Bei der Erfüllung der Aufgaben nach § 3 durch die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde<br />

fi nden die §§ 4a, 9, 12 bis 19, 33 c und 33 d des <strong>Brandenburg</strong>ischen Datenschutzgesetzes<br />

keine Anwendung.<br />

§ 28<br />

Erlaß von Verwaltungsvorschriften<br />

Der Minister des Innern wird ermächtigt, die zur Durchführung dieses Gesetzes<br />

erforderlichen Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Über solche, die nachrichtendienstliche<br />

Mittel nach § 6 Abs. 3 betreffen, ist die Parlamentarische Kontrollkommission<br />

vorab zu unterrichten.<br />

§ 29<br />

(Inkrafttreten, Außerkrafttreten)<br />

232


Gesetzestexte<br />

Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder<br />

in Angelegenheiten des <strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

und über das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

(Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG)<br />

Vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970),<br />

zuletzt geändert durch § 32 des Gesetzes<br />

vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2590)<br />

– Auszug –<br />

Erster Abschnitt<br />

Zusammenarbeit, Aufgaben der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden<br />

§ 1<br />

Zusammenarbeitspfl icht<br />

(1) Der <strong>Verfassungsschutz</strong> dient dem Schutz der freiheitlichen demokratischen<br />

Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes und<br />

der Länder.<br />

(2) Der Bund und die Länder sind verpfl ichtet, in Angelegenheiten des <strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

zusammenzuarbeiten.<br />

(3) Die Zusammenarbeit besteht auch in gegenseitiger Unterstützung und Hilfeleistung.<br />

§ 2<br />

<strong>Verfassungsschutz</strong>behörden<br />

(1) Für die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern unterhält der Bund<br />

ein Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong> als Bundesoberbehörde. Es untersteht<br />

dem Bundesminister des Innern. Das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

darf einer polizeilichen Dienststelle nicht angegliedert werden.<br />

(2) Für die Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund und der Länder untereinander<br />

unterhält jedes Land eine Behörde zur Bearbeitung von Angelegenheiten<br />

des <strong>Verfassungsschutz</strong>es.<br />

§ 3<br />

Aufgaben der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden<br />

(1) Aufgabe der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden des Bundes und der Länder<br />

ist die Sammlung und Auswertung von Informationen, insbesondere von<br />

sach- und personenbezogenen Auskünften, Nachrichten und Unterlagen,<br />

über<br />

1. Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,<br />

den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet<br />

sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane<br />

des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum<br />

Ziele haben,<br />

233


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

2. sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten im Geltungsbereich<br />

dieses Gesetzes für eine fremde Macht,<br />

3. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die durch Anwendung<br />

von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige<br />

Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,<br />

4. Bestrebungen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, die gegen den<br />

Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes),<br />

insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26<br />

Abs. 1 des Grundgesetzes) gerichtet sind.<br />

(2) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden des Bundes und der Länder wirken mit<br />

1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen Interesse<br />

geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse<br />

anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn sich<br />

verschaffen können,<br />

2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an sicherheitsempfi<br />

ndlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen Einrichtungen<br />

beschäftigt sind oder werden sollen,<br />

3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen<br />

Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen<br />

gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte,<br />

4. bei der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten<br />

Fällen.<br />

Die Befugnisse des Bundesamtes für <strong>Verfassungsschutz</strong> bei der Mitwirkung<br />

nach Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz vom 20. April<br />

1994 (BGBl. I S. 867) geregelt.<br />

(3) Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden sind an die allgemeinen Rechtsvorschriften<br />

gebunden (Artikel 20 des Grundgesetzes).<br />

§ 4<br />

Begriffsbestimmungen<br />

(1) Im Sinne dieses Gesetzes sind<br />

a) Bestrebungen gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes solche<br />

politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in<br />

einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist,<br />

die Freiheit des Bundes oder eines Landes von fremder Herrschaft aufzuheben,<br />

ihre staatliche Einheit zu beseitigen oder ein zu ihm gehörendes<br />

Gebiet abzutrennen;<br />

b) Bestrebungen gegen die Sicherheit des Bundes oder eines Landes<br />

solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen<br />

in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet<br />

ist, den Bund, Länder oder deren Einrichtungen in ihrer Funktionsfähigkeit<br />

erheblich zu beeinträchtigen;<br />

234


Gesetzestexte<br />

c) Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung<br />

solche politisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen<br />

in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet<br />

ist, einen der in Absatz 2 genannten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen<br />

oder außer Geltung zu setzen.<br />

Für einen Personenzusammenschluss handelt, wer ihn in seinen Bestrebungen<br />

nachdrücklich unterstützt. Voraussetzung für die Sammlung und Auswertung<br />

von Informationen im Sinne des § 3 Abs. 1 ist das Vorliegen tatsächlicher<br />

Anhaltspunkte. Verhaltensweisen von Einzelpersonen, die nicht in einem oder<br />

für einen Personenzusammenschluss handeln, sind Bestrebungen im Sinne<br />

dieses Gesetzes, wenn sie auf Anwendung von Gewalt gerichtet sind oder<br />

aufgrund ihrer Wirkungsweise geeignet sind, ein Schutzgut dieses Gesetzes<br />

erheblich zu beschädigen.<br />

(2) Zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes<br />

zählen:<br />

a) das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen<br />

und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt<br />

und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner,<br />

unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,<br />

b) die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und<br />

die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz<br />

und Recht,<br />

c) das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,<br />

d) die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber<br />

der Volksvertretung,<br />

e) die Unabhängigkeit der Gerichte,<br />

f) der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkürherrschaft und<br />

g) die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte.<br />

§ 5<br />

Abgrenzung der Zuständigkeiten der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden<br />

(1) Die Landesbehörden für <strong>Verfassungsschutz</strong> sammeln Informationen, Auskünfte,<br />

Nachrichten und Unterlagen zur Erfüllung ihrer Aufgaben, werten<br />

sie aus und übermitteln sie dem Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong> und<br />

den Landesbehörden für <strong>Verfassungsschutz</strong>, soweit es für deren Aufgabenerfüllung<br />

erforderlich ist.<br />

(2) Das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong> darf in einem Lande im Benehmen<br />

mit der Landesbehörde für <strong>Verfassungsschutz</strong> Informationen, Auskünfte,<br />

Nachrichten und Unterlagen im Sinne des § 3 sammeln. Bei Bestrebungen<br />

und Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ist Voraussetzung,<br />

dass<br />

235


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

1. sie sich ganz oder teilweise gegen den Bund richten,<br />

2. sie sich über den Bereich eines Landes hinaus erstrecken,<br />

3. sie auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland berühren<br />

oder<br />

4. eine Landesbehörde für <strong>Verfassungsschutz</strong> das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

um ein Tätigwerden ersucht.<br />

Das Benehmen kann für eine Reihe gleichgelagerter Fälle hergestellt werden.<br />

(3) Das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong> unterrichtet die Landesbehörden<br />

für <strong>Verfassungsschutz</strong> über alle Unterlagen, deren Kenntnis für das Land<br />

zum Zwecke des <strong>Verfassungsschutz</strong>es erforderlich ist.<br />

§ 6<br />

Gegenseitige Unterrichtung der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden<br />

Die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden sind verpfl ichtet, beim Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong><br />

zur Erfüllung der Unterrichtungspfl ichten nach § 5 gemeinsame<br />

Dateien zu führen, die sie im automatisierten Verfahren nutzen. Diese Dateien<br />

enthalten nur die Daten, die zum Auffi nden von Akten und der dazu notwendigen<br />

Identifi zierung von Personen erforderlich sind. Die Speicherung personenbezogener<br />

Daten ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 10 und 11 zulässig.<br />

Der Abruf im automatisierten Verfahren durch andere Stellen ist nicht zulässig.<br />

Die Verantwortung einer speichernden Stelle im Sinne der allgemeinen Vorschriften<br />

des Datenschutzrechts trägt jede <strong>Verfassungsschutz</strong>behörde nur für<br />

die von ihr eingegebenen Daten; nur sie darf diese Daten verändern, sperren<br />

oder löschen. Die eingebende Stelle muss feststellbar sein. Das Bundesamt<br />

für <strong>Verfassungsschutz</strong> trifft für die gemeinsamen Dateien die technischen und<br />

organisatorischen Maßnahmen nach § 9 des Bundesdatenschutzgesetzes. Die<br />

Führung von Textdateien oder Dateien, die weitere als die in Satz 2 genannten<br />

Daten enthalten, ist unter den Voraussetzungen dieses Paragraphen nur<br />

zulässig für eng umgrenzte Anwendungsgebiete zur Aufklärung von sicherheitsgefährdenden<br />

oder geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht<br />

oder von Bestrebungen, die darauf gerichtet sind, Gewalt anzuwenden oder<br />

Gewaltanwendung vorzubereiten. Die Zugriffsberechtigung ist auf Personen<br />

zu beschränken, die unmittelbar mit Arbeiten in diesem Anwendungsgebiet<br />

betraut sind; in der Dateianordnung (§ 14) ist die Erforderlichkeit der Aufnahme<br />

von Textzusätzen in der Datei zu begründen.<br />

§ 7<br />

Weisungsrechte des Bundes<br />

Die Bundesregierung kann, wenn ein Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung<br />

des Bundes erfolgt, den obersten Landesbehörden die für die Zusammenarbeit<br />

der Länder mit dem Bund auf dem Gebiete des <strong>Verfassungsschutz</strong>es<br />

erforderlichen Weisungen erteilen.<br />

236


Gesetzestexte<br />

Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses<br />

(Artikel 10-Gesetz – G 10)<br />

Vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Artikel 5<br />

des Gesetzes vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198)<br />

– Auszug –<br />

§ 1<br />

Gegenstand des Gesetzes<br />

(1) Es sind<br />

1. die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden des Bundes und der Länder, der Militärische<br />

Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst zur Abwehr<br />

von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung<br />

oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich<br />

der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten<br />

Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages,<br />

2. der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1<br />

Abs. 2 des BND-Gesetzes auch zu den in § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 6 und<br />

§ 8 Abs. 1 Satz 1 bestimmten Zwecken<br />

berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, in<br />

den Fällen der Nummer 1 auch die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden<br />

Sendungen zu öffnen und einzusehen.<br />

(2) Soweit Maßnahmen nach Absatz 1 von Behörden des Bundes durchgeführt<br />

werden, unterliegen sie der Kontrolle durch das Parlamentarische<br />

Kontrollgremium und durch eine besondere Kommission (G 10-Kommission).<br />

§ 3<br />

Voraussetzungen<br />

(1) Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 dürfen unter den dort bezeichneten<br />

Voraussetzungen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte<br />

für den Verdacht bestehen, dass jemand<br />

1. Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats (§§ 80 bis 83 des<br />

Strafgesetzbuches),<br />

2. Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84<br />

bis 86, 87 bis 89 des Strafgesetzbuches, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes),<br />

3. Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit<br />

(§§ 94 bis 96, 97 a bis 100 a des Strafgesetzbuches),<br />

4. Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109 e bis 109 g des Strafgesetzbuches),<br />

5. Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland<br />

stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantikvertrages<br />

(§§ 87, 89, 94 bis 96, 98 bis 100, 109 e bis 109 g des Strafge-<br />

237


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

setzbuches in Verbindung mit § 1 des NATO-Truppen-Schutzgesetzes,<br />

6. Straftaten nach<br />

a) den §§ 129a und 130 des Strafgesetzbuches sowie<br />

b) den §§ 211, 212, 239 a, 239 b, 306 bis 306 c, 308 Abs. 1 bis 3, § 315<br />

Abs. 3, § 316b Abs. 3 und § 316c Abs. 1 und 3 des Strafgesetzbuches,<br />

soweit diese sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,<br />

den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten,<br />

oder<br />

7. Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes<br />

plant, begeht oder begangen hat. Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte<br />

für den Verdacht bestehen, dass jemand Mitglied einer Vereinigung<br />

ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten<br />

zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung,<br />

den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet<br />

sind.<br />

(2) Die Anordnung ist nur zulässig, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf<br />

andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Sie darf sich<br />

nur gegen den Verdächtigen oder gegen Personen richten, von denen auf<br />

Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sie für den Verdächtigen<br />

bestimmte oder von ihm herrührende Mitteilungen entgegennehmen<br />

oder weitergeben oder dass der Verdächtige ihren Anschluss benutzt.<br />

Maßnahmen, die sich auf Sendungen beziehen, sind nur hinsichtlich solcher<br />

Sendungen zulässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen,<br />

dass sie von dem, gegen den sich die Anordnung richtet, herrühren oder<br />

für ihn bestimmt sind. Abgeordnetenpost von Mitgliedern des Deutschen<br />

Bundestages und der Parlamente der Länder darf nicht in eine Maßnahme<br />

einbezogen werden, die sich gegen einen Dritten richtet.<br />

§ 9<br />

Antrag<br />

(1) Beschränkungsmaßnahmen nach diesem Gesetz dürfen nur auf Antrag<br />

angeordnet werden.<br />

(2) Antragsberechtigt sind im Rahmen ihres Geschäftsbereichs<br />

1. das Bundesamt für <strong>Verfassungsschutz</strong>,<br />

2. die <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden der Länder,<br />

3. das Amt für den Militärischen Abschirmdienst und<br />

4. der Bundesnachrichtendienst<br />

durch den Behördenleiter oder seinen Stellvertreter.<br />

(3) Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen. Er muss alle für die<br />

Anordnung erforderlichen Angaben enthalten. In den Fällen der §§ 3 und<br />

8 hat der Antragsteller darzulegen, dass die Erforschung des Sachverhalts<br />

auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.<br />

238


Gesetzestexte<br />

§ 10<br />

Anordnung<br />

(1) Zuständig für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen ist bei Anträgen<br />

der <strong>Verfassungsschutz</strong>behörden der Länder die zuständige oberste<br />

Landesbehörde, im Übrigen ein vom Bundeskanzler beauftragtes Bundesministerium.<br />

§ 12<br />

Mitteilungen an Betroffene<br />

(1) Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 sind dem Betroffenen nach ihrer<br />

Einstellung mitzuteilen, wenn eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung<br />

ausgeschlossen werden kann. Lässt sich in diesem Zeitpunkt noch<br />

nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung vorliegt, ist die Mitteilung vorzunehmen,<br />

sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen<br />

werden kann. Einer Mitteilung bedarf es nicht, wenn die G 10-<br />

Kommission einstimmig festgestellt hat, dass<br />

1. diese Voraussetzung auch nach fünf Jahren nach Beendigung der Maßnahme<br />

noch nicht eingetreten ist,<br />

2. sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft<br />

nicht eintreten wird und<br />

3. die Voraussetzungen für eine Löschung sowohl bei der erhebenden<br />

Stelle als auch beim Empfänger vorliegen.<br />

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Beschränkungsmaßnahmen nach den §§ 5<br />

und 8, sofern die personenbezogenen Daten nicht unverzüglich gelöscht<br />

wurden. Die Frist von fünf Jahren beginnt mit der Erhebung der personenbezogenen<br />

Daten.<br />

(3) Die Mitteilung obliegt der Behörde, auf deren Antrag die Anordnung ergangen<br />

ist. Wurden personenbezogene Daten übermittelt, erfolgt die Mitteilung<br />

im Benehmen mit dem Empfänger.<br />

§ 16<br />

Parlamentarische Kontrolle in den Ländern<br />

Durch den Landesgesetzgeber wird die parlamentarische Kontrolle der nach<br />

§10 Abs. 1 für die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen zuständigen<br />

obersten Landesbehörden und die Überprüfung der von ihnen angeordneten<br />

Beschränkungsmaßnahmen geregelt. Personenbezogene Daten dürfen nur<br />

dann an Landesbehörden übermittelt werden, wenn die Kontrolle ihrer Verarbeitung<br />

und Nutzung durch den Landesgesetzgeber geregelt ist.<br />

§ 21<br />

Einschränkung von Grundrechten<br />

Das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des<br />

Grundgesetzes) wird durch dieses Gesetz eingeschränkt.<br />

239


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Gesetz zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes (G10AGBbg)<br />

Vom 14. Dezember 1995 (GVBl. I/95, S. 286),<br />

zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Oktober 2002 (GVBl. I/02, S. 154)<br />

§ 1<br />

Anordnung von Beschränkungen<br />

(1) Oberste Landesbehörde im Sinne des § 10 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes<br />

ist das Ministerium des Innern.<br />

(2) Antragsberechtigt nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 des Artikel 10-Gesetzes ist der<br />

Leiter der <strong>Verfassungsschutz</strong>abteilung im Ministerium des Innern, im Falle<br />

seiner Verhinderung sein Vertreter.<br />

(3) Die Anordnung von Beschränkungen ist durch den Minister des Innern, im<br />

Falle seiner Verhinderung durch seinen Vertreter zu unterzeichnen.<br />

§ 2<br />

G 10-Kommission<br />

(1) Der Landtag wählt eine Kommission, die die vom Ministerium des Innern<br />

angeordneten Beschränkungsmaßnahmen überprüft. Sie ist auch zuständige<br />

Stelle im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 des Artikel 10-Gesetzes. Sie<br />

besteht aus dem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen<br />

oder Diplomjurist sein muß, und zwei Beisitzern. Für jedes Mitglied<br />

der Kommission wird ein Vertreter gewählt; der Vertreter des Vorsitzenden<br />

muß die Befähigung zum Richteramt besitzen oder Diplomjurist sein. Jede<br />

Fraktion hat das Recht, ein Kommissionsmitglied sowie dessen Vertreter<br />

vorzuschlagen.<br />

(2) Die Bestellung der Mitglieder der Kommission erfolgt für die Dauer einer<br />

Wahlperiode. Die Amtszeit endet mit der Neuwahl der Mitglieder, spätestens<br />

jedoch drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode.<br />

(3) Die Mitglieder der Kommission sind in ihrer Amtsführung unabhängig und<br />

Weisungen nicht unterworfen. Sie treffen ihre Entscheidungen mehrheitlich.<br />

(4) Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung, die nach Anhörung der<br />

Landesregierung der Bestätigung durch die Parlamentarische Kontrollkommission<br />

nach § 23 des <strong>Brandenburg</strong>ischen <strong>Verfassungsschutz</strong>gesetzes<br />

vom 5. April 1993 (GVBl. I S. 78) bedarf.<br />

(5) Die Beratungen der Kommission sind geheim. Ihre Mitglieder sind zur Geheimhaltung<br />

der Angelegenheiten verpfl ichtet, die ihnen im Rahmen ihrer<br />

Tätigkeit in der Kommission bekanntgeworden sind. Dies gilt auch für die<br />

Zeit nach ihrem Ausscheiden aus der Kommission.<br />

(6) Die Mitglieder der Kommission und ihre Vertreter erhalten eine Entschädigung<br />

für Aufwand, die vom Präsidium des Landtages festgesetzt wird.<br />

Daneben werden als Kosten für Reisen die notwendigen Fahrtkosten nach<br />

den für Landesbeamte der Besoldungsgruppe A 15 geltenden Bestimmungen<br />

erstattet.<br />

240


Gesetzestexte<br />

(7) Der G 10-Kommission ist die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige<br />

Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen.<br />

§ 3<br />

Überprüfung angeordneter Beschränkungsmaßnahmen<br />

(1) Das Ministerium des Innern unterrichtet unverzüglich die G 10-Kommission<br />

über die von ihm angeordneten Beschränkungsmaßnahmen vor deren<br />

Vollzug. Bei Gefahr im Verzuge kann es den Vollzug der Beschränkungsmaßnahme<br />

bereits vor der Unterrichtung der Kommission anordnen; die<br />

Unterrichtung hat dann unverzüglich, spätestens jedoch eine Woche nach<br />

der Anordnung zu erfolgen. Die Kommission entscheidet von Amts wegen<br />

oder aufgrund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit<br />

von Beschränkungsmaßnahmen. Anordnungen, die die Kommission für<br />

unzulässig oder nicht notwendig erklärt, hat das Ministerium des Innern<br />

unverzüglich aufzuheben. Die Kontrollbefugnis der Kommission erstreckt<br />

sich auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der nach dem<br />

Artikel 10-Gesetz erlangten personenbezogenen Daten. Die Kommission<br />

kann dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf<br />

Akteneinsicht Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes<br />

geben.<br />

(2) Das Ministerium des Innern unterrichtet nach Einstellung einer Beschränkungsmaßnahme<br />

in der nächsten Sitzung, spätestens innerhalb von drei<br />

Monaten, die Kommission über das Ergebnis der Maßnahme und die von<br />

ihm nach § 12 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes vorgenommene Mitteilung<br />

an betroffene Personen oder über die Gründe, die einer Mitteilung entgegenstehen.<br />

Kann zum Zeitpunkt der Einstellung noch nicht abschließend<br />

über die Mitteilung entschieden werden, unterrichtet es die Kommission<br />

auf ihr Verlangen weiterhin, spätestens alle drei Jahre. Hält die Kommission<br />

eine Mitteilung an die betroffene Person für geboten, hat das Ministerium<br />

des Innern diese unverzüglich zu veranlassen. Betroffenen Personen<br />

steht nachträglich der Rechtsweg offen.<br />

§ 4<br />

Unterrichtung der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />

Das Ministerium des Innern unterrichtet auf Anforderung, mindestens jedoch<br />

im Abstand von drei Monaten, die Parlamentarische Kontrollkommission in<br />

allgemeiner und anonymisierter Form über die Durchführung des Gesetzes<br />

zu Artikel 10 Grundgesetz sowie über die Ergebnisse der angeordneten Beschränkungsmaßnahmen.<br />

Der Bericht wird in geheimer Sitzung behandelt.<br />

§ 5<br />

Inkrafttreten<br />

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.<br />

241


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts<br />

(Vereinsgesetz-VereinsG)<br />

Vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593),<br />

zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 21. Dezember 2007<br />

(BGBl. I S. 3198)<br />

- Auszug -<br />

Erster Abschnitt<br />

Allgemeine Vorschriften<br />

§ 1<br />

Vereinsfreiheit<br />

(1) Die Bildung von Vereinen ist frei (Vereinsfreiheit).<br />

(2) Gegen Vereine, die die Vereinsfreiheit mißbrauchen, kann zur Wahrung<br />

der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nur nach Maßgabe dieses Gesetzes<br />

eingeschritten werden.<br />

§ 2<br />

Begriff des Vereins<br />

(1) Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform<br />

jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer<br />

Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen<br />

und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.<br />

(2) Vereine im Sinne dieses Gesetzes sind nicht<br />

1. politische Parteien im Sinne des Artikels 21 des Grundgesetzes,<br />

2. Fraktionen des Deutschen Bundestages und der Parlamente der Länder.<br />

Zweiter Abschnitt<br />

Verbot von Vereinen<br />

§ 3<br />

Verbot<br />

(1) Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes)<br />

behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde<br />

festgestellt ist, daß seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen<br />

zuwiderlaufen oder daß er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung<br />

oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist<br />

die Aufl ösung des Vereins anzuordnen (Verbot). Mit dem Verbot ist in der<br />

Regel die Beschlagnahme und die Einziehung<br />

1. des Vereinsvermögens,<br />

2. von Forderungen Dritter, soweit die Einziehung in § 12 Abs. 1 vorgesehen<br />

ist, und<br />

242


Gesetzestexte<br />

3. von Sachen Dritter, soweit der Berechtigte durch die Überlassung der<br />

Sachen an den Verein dessen verfassungswidrige Bestrebungen vorsätzlich<br />

gefördert hat oder die Sachen zur Förderung dieser Bestrebungen<br />

bestimmt sind,<br />

zu verbinden.<br />

(2) Verbotsbehörde ist<br />

1. die obersten Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige<br />

Behörde für Vereine und Teilvereine, deren erkennbare Organisation und<br />

Tätigkeit sich auf das Gebiet eines Landes beschränken;<br />

2. der Bundesminister des Innern für Vereine und Teilvereine, deren Organisation<br />

oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt.<br />

Die oberste Landesbehörde oder die nach Landesrecht zuständige Behörde<br />

entscheidet im Benehmen mit dem Bundesminister des Innern, wenn sich<br />

das Verbot gegen den Teilverein eines Vereins richtet, für dessen Verbot nach<br />

Satz 1 Nr. 2 der Bundesminister des Innern zuständig ist. Der Bundesminister<br />

des Innern entscheidet im Benehmen mit Behörden, die nach Satz 1 Nr. 1 für<br />

das Verbot von Teilvereinen zuständig gewesen wären.<br />

(3) Das Verbot erstreckt sich, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf<br />

alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, daß sie nach<br />

dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins<br />

erscheinen (Teilorganisationen). Auf nichtgebietliche Teilorganisationen<br />

mit eigener Rechtspersönlichkeit erstreckt sich das Verbot nur, wenn<br />

sie in der Verbotsverfügung ausdrücklich benannt sind.<br />

(4) Das Verbot ist schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren<br />

Signatur nach § 37 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes<br />

abzufassen, zu begründen und dem Verein, im Falle des Absatzes 3<br />

Satz 2 auch den Teilorganisationen, zuzustellen. Der verfügende Teil des<br />

Verbots ist im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt<br />

des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein oder, sofern sich das<br />

Verbot hierauf beschränkt, der Teilverein seinen Sitz hat; Verbote nach<br />

§ 15 werden nur im Bundesanzeiger bekanntgemacht. Das Verbot wird mit<br />

der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger,<br />

wirksam und vollziehbar; § 80 der Verwaltungsgerichtsordnung bleibt unberührt.<br />

(5) Die Verbotsbehörde kann das Verbot auch auf Handlungen von Mitgliedern<br />

des Vereins stützen, wenn<br />

1. ein Zusammenhang zur Tätigkeit im Verein oder zu seiner Zielsetzung<br />

besteht,<br />

2. die Handlungen auf einer organisierten Willensbildung beruhen und<br />

3. nach den Umständen anzunehmen ist, daß sie vom Verein geduldet<br />

werden.<br />

243


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

§ 5<br />

Vollzug des Verbots<br />

(1) Soweit das Verbot nach diesem Gesetz nicht von der Verbotsbehörde<br />

selbst oder den von ihr gemäß § 10 Abs. 3 und § 11 Abs. 3 beauftragten<br />

Stellen zu vollziehen ist, wird es von den von der Landesregierung bestimmten<br />

Behörden vollzogen.<br />

(2) Folgt dem Verbot eines Teilvereins, bevor es unanfechtbar geworden ist,<br />

ein den Teilverein einschließendes Verbot des Gesamtvereins, so ist von<br />

diesem Zeitpunkt an nur noch das Verbot des Gesamtvereins zu vollziehen.<br />

§ 6<br />

Anfechtung des Verbotsvollzugs<br />

(1) Wird eine Maßnahme zum Vollzug des Verbots angefochten und kommt es<br />

für die Entscheidung darauf an, ob das Verbot rechtmäßig ist, so hat das<br />

Verwaltungsgericht, wenn es die Rechtmäßigkeit des Verbots bezweifelt,<br />

das Verfahren auszusetzen, bis über das Verbot unanfechtbar entschieden<br />

ist, und dieses Ergebnis seiner Entscheidung zugrunde zu legen.<br />

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen zum Vollzug des<br />

Verbots haben keine aufschiebende Wirkung.<br />

§ 8<br />

Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen<br />

(1) Es ist verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen<br />

(Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) eines nach § 3 dieses<br />

Gesetzes verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen)<br />

oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen<br />

fortzuführen.<br />

(2) Gegen eine Ersatzorganisation, die Verein im Sinne dieses Gesetzes ist,<br />

kann zur verwaltungsmäßigen Durchführung des in Absatz 1 enthaltenen<br />

Verbots nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden,<br />

in der festgestellt wird, daß sie Ersatzorganisation des verbotenen Vereins<br />

ist. Die §§ 3 bis 7 und 10 bis 13 gelten entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage<br />

gegen die Verfügung haben keine aufschiebende Wirkung.<br />

Die für die Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zuständigen<br />

Behörden und Dienststellen sind bei Gefahr im Verzug zu vorläufi gen Maßnahmen<br />

berechtigt, die außer Kraft treten, wenn die Verbotsbehörde nicht<br />

binnen zweier Wochen die in Satz 1 bestimmte Verfügung trifft.<br />

244


Gesetzestexte<br />

§ 9<br />

Kennzeichenverbot<br />

(1) Kennzeichen des verbotenen Vereins dürfen für die Dauer der Vollziehbarkeit<br />

des Verbots nicht mehr<br />

1. öffentlich, in einer Versammlung oder<br />

2. in Schriften, Ton- oder Bildträgern, Abbildungen oder Darstellungen, die<br />

verbreitet werden oder zur Verbreitung bestimmt sind,<br />

verwendet werden. Ausgenommen ist eine Verwendung von Kennzeichen<br />

im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger<br />

Bestrebungen und ähnlicher Zwecke.<br />

(2) Kennzeichen im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen,<br />

Uniformstücke, Parolen und Grußformen. Den in Satz 1 genannten<br />

Kennzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich<br />

sind.<br />

(3) Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins,<br />

die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen<br />

oder von selbständigen, die Zielrichtung des verbotenen<br />

Vereins teilenden Vereinen verwendet werden.<br />

(4) Diese Vorschriften gelten auch für die Verwendung von Kennzeichen einer<br />

Ersatzorganisation für die Dauer der Vollziehbarkeit einer Verfügung nach<br />

§ 8 Abs. 2 Satz 1.<br />

Vierter Abschnitt<br />

Sondervorschriften<br />

§ 14<br />

Ausländervereine<br />

(1) Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend Ausländer<br />

sind (Ausländervereine), können über die in Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes<br />

genannten Gründe hinaus unter den Voraussetzungen des Absatzes<br />

2 verboten werden. Vereine, deren Mitglieder oder Leiter sämtlich<br />

oder überwiegend ausländische Staatsangehörige eines Mitgliedstaates<br />

der Europäischen Union sind, gelten nicht als Ausländervereine. § 3 Abs. 1<br />

Satz 2 und § 12 Abs. 1 und 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass die<br />

Beschlagnahme und die Einziehung von Forderungen und Sachen Dritter<br />

auch im Falle des Absatzes 2 zulässig sind.<br />

(2) Ausländervereine können verboten werden, soweit ihr Zweck oder ihre<br />

Tätigkeit<br />

1. die politische Willensbildung in der Bundesrepublik Deutschland oder<br />

das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern oder von<br />

verschiedenen Ausländergruppen im Bundesgebiet, die öffentliche Sicher-<br />

245


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

heit oder Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik<br />

Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet,<br />

2. den völkerrechtlichen Verpfl ichtungen der Bundesrepublik Deutschland<br />

zuwiderläuft,<br />

3. Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets fördert, deren Ziele oder<br />

Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden<br />

staatlichen Ordnung unvereinbar sind,<br />

4. Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung politischer, religiöser<br />

oder sonstiger Belange unterstützt, befürwortet oder hervorrufen soll oder<br />

5. Vereinigungen innerhalb oder außerhalb des Bundesgebiets unterstützt,<br />

die Anschläge gegen Personen oder Sachen veranlassen, befürworten<br />

oder androhen.<br />

(3) Anstelle des Vereinsverbots kann die Verbotsbehörde gegenüber Ausländervereinen<br />

Betätigungsverbote erlassen, die sie auch auf bestimmte<br />

Handlungen oder bestimmte Personen beschränken kann. Im übrigen<br />

bleiben Ausländervereinen gegenüber die gesetzlichen Vorschriften zur<br />

Wahrung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unberührt.<br />

246


Personen- und Organisationsverzeichnis<br />

Al Kaida<br />

Al-Zarqawi, Abu Mussab<br />

ANSDAPO<br />

Anti-Antifa<br />

Antifa<br />

Personen- und Organisationsverzeichnis<br />

Antifaschistisches und Antiimperialistisches<br />

Aktionsbündnis gegen die G8<br />

Anti-G8-Bündnis für eine revolutionäre Perspektive<br />

Anti-G8-Bündnis Potsdam<br />

Apfel, Holger<br />

Appel, Detlef<br />

As-Sufi , Shaikh Abdalqadir<br />

Autonome Antifaschistische Linke Potsdam<br />

Autonome Nationalisten<br />

Antikapitalistisches Bündnis Potsdam<br />

Baier, Klaus<br />

Beier, Klaus<br />

Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e. V.<br />

Bewegung Neue Ordnung (BNO)<br />

Bewegung Neues Deutschland<br />

Blood & Honour<br />

Böhm, Holle<br />

Bordin, Norman<br />

Bündnis gegen Kapital und Nation<br />

Bund Heimattreuer Jugend<br />

Claus, Michael<br />

Combat 18<br />

Deckert, Günter<br />

Deutsche Kommunistische Partei (DKP)<br />

Deutsche Volksunion (DVU)<br />

247<br />

Seite<br />

141 ff.<br />

143<br />

54, 56<br />

65 f., 92<br />

65, 67, 83 f., 91, 105 f.,<br />

108 f., 113, 122<br />

113<br />

113<br />

114 f.<br />

28<br />

17<br />

131 f.<br />

122<br />

66 f., 68 f., 96<br />

122<br />

10,<br />

13 f., 15, 17<br />

63<br />

15 ff., 31<br />

54 f.<br />

114, 136<br />

60<br />

29<br />

113<br />

60<br />

47<br />

114, 136<br />

28<br />

114, 122, 140, 186, 189<br />

9, 12, 15, 36 ff., 49,<br />

67, 73, 78, 97, 99, 117,<br />

139, 185, 188


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Dissent!<br />

Färber, Julius<br />

Fechner, Birgit<br />

Fischer, Thomas (Hamsa)<br />

Freie Arbeiterinnen und Arbeiter Union - Internationale<br />

Arbeiter Assoziation (FAU-IAA)<br />

Freie Kräfte<br />

Freie Kräfte Teltow-Fläming<br />

Freundeskreis Halbe<br />

Frey, Gerhard<br />

Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF)<br />

Georg, Friedrich<br />

Gesellschaft für freie Publizistik e. V.<br />

Gesinnungsgemeinschaft Süd-Ost <strong>Brandenburg</strong><br />

Graf, Arnold<br />

Guse, Marcel<br />

Hähnel, Jörg<br />

Hafemann, Nico<br />

Hammerskins<br />

Hauptvolk<br />

Heimattreue Deutsche Jugend - Bund zum Schutz für<br />

Umwelt, Mitwelt und Heimat e. V. (HDJ)<br />

Heinze, Angela<br />

Herrmann, Rene<br />

Hesselbarth, Liane<br />

Interessengemeinschaft Sturm Oranienburg<br />

Interventionistische Linke (IL)<br />

Islamische Gemeinschaft Millli Görüs (IGMG)<br />

Jakobs, Lars<br />

Jugendheimer, Bernd<br />

Junge Landsmannschaft Ostpreußen (JLO)<br />

Junge Nationaldemokraten (JN)<br />

248<br />

113, 119<br />

27<br />

42<br />

128<br />

114<br />

16, 20 f., 31 ff.,<br />

50 f., 56 f., 68,<br />

96, 116, 138 f.<br />

109<br />

71<br />

36, 42, 46<br />

63<br />

37<br />

34<br />

55, 138<br />

41<br />

45<br />

15<br />

72<br />

74<br />

53, 56 f.<br />

24, 60 ff., 96<br />

41<br />

89<br />

43<br />

55<br />

113<br />

187<br />

70<br />

41<br />

85<br />

16, 21 f., 28 ff.,<br />

50 f., 55 ff., 89,<br />

97, 99, 117, 139,<br />

185, 188


Kalifatsstaat<br />

Kameradschaft Süd<br />

Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)<br />

KONGRA-GEL (Volkskongress Kurdistans<br />

Kuhn, Klaus<br />

Lausitzer Aktionsbündnis (LAB)<br />

Lausitzer Front Guben (LFG)<br />

Lausitzer Widerstandsbewegung<br />

Mann, Klaus<br />

Mann, Sybille<br />

Märkischer Heimatschutz (MHS)<br />

Marx, Peter<br />

Marxistich-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)<br />

Menzel, Klaus-Jürgen<br />

Menzel, Uwe<br />

militante gruppe (mg)<br />

Molau, Andreas<br />

Monkowiak, Thomas<br />

Müller, Michel<br />

Nahrath, Wolfram<br />

Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)<br />

Nationaler Bildungskreis (NBK)<br />

Nationaler Hochschulbund (NHB)<br />

Pakleppa, Jens<br />

Palau, Stella<br />

Pastörs, Udo<br />

Paul, Matthias<br />

Privenau, Markus<br />

Räbiger, Sebastian<br />

Redlhammer-Raback, Bärbel<br />

Reinholz, Gordon<br />

Personen- und Organisationsverzeichnis<br />

249<br />

130<br />

29<br />

12, 186, 189<br />

187,191<br />

41<br />

31, 57 f<br />

55, 57<br />

58<br />

45 f., 73, 76<br />

47 ff.<br />

30 f., 55, 57<br />

17, 68<br />

186, 190<br />

10<br />

72<br />

101 ff., 122<br />

34 f.<br />

41<br />

17<br />

60 f..<br />

9 ff., 30 f., 33 ff.,<br />

38 ff., 51, 55 ff.,<br />

61, 63, 65 ff., 71,<br />

74, 88, 97 ff., 105,<br />

108 ff., 117, 123,<br />

139 f., 152 ff.,185,<br />

188<br />

29<br />

29<br />

31<br />

16, 48 f., 152 f.<br />

11, 21, 71<br />

10<br />

40<br />

60 f.<br />

41<br />

30


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Revolutionäres G8-Bündnis<br />

Revolutionär Sozialistischer Bund/IV. Internationale<br />

Richter, Sebastian<br />

Rieger, Jürgen<br />

Ring Nationaler Frauen (RNF)<br />

Rochow, Stefan<br />

Rossmüller, Sascha<br />

Rote Hilfe (RH)<br />

Salomon, Thomas<br />

Sandow, Mike<br />

Schäfer, Michael<br />

Schilling, Bodo<br />

Schmidt, Mirko<br />

Schön, Jürgen<br />

Schuldt, Sigmar-Peter<br />

Schulz, Mario<br />

Schulz, Roland<br />

Schulze, Norbert<br />

Schutzbund Deutschland<br />

Schwemmer, Günther<br />

Schwerdt, Frank<br />

Skinhead-Bands, rechtsextremistische<br />

Sturm 27<br />

Sturm Cottbus<br />

Sukrow, Detlef<br />

Thalheim, Michael<br />

Tittmann, Siegfried<br />

Tönhardt, Dietmar<br />

Tönhardt, Manuela<br />

...ums Ganze!-Bündnis<br />

Valenta, Philipp<br />

Voigt, Udo<br />

Wiking-Jugend<br />

Wilhelm-Tietjen Stiftung für Fertilisation Ltd.<br />

Willig, Angela<br />

250<br />

113<br />

114, 123<br />

21, 29, 31, 58 f<br />

35<br />

16, 19<br />

28<br />

71<br />

118, 140, 186, 190<br />

17<br />

17<br />

28<br />

41<br />

10<br />

10<br />

36<br />

15, 17, 31<br />

41<br />

41<br />

54 ff., 81<br />

41, 45<br />

24<br />

72 ff., 115<br />

53, 56 f<br />

55, 57, 138<br />

41<br />

19<br />

38, 40<br />

40, 46<br />

40<br />

113, 118<br />

28 f.<br />

9, 12, 21, 99, 139<br />

60, 62<br />

35<br />

12


Wirth, Matthias<br />

Worch, Christian<br />

Zasowk, Ronny<br />

Zawahiri, Aiman<br />

Personen- und Organisationsverzeichnis<br />

251<br />

15<br />

65, 71<br />

17, 21<br />

125


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

252


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

Fotonachweis: BTU Cottbus (Titel), Ministerium des Innern (21, 30, 46, 67,<br />

69, 78, 83, 89, 95, 102, 104, 105, 106, 110, 156(3)<br />

Titelmotiv: Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum<br />

der BTU Cottbus<br />

Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung<br />

<strong>Brandenburg</strong> unentgeltlich herausgegeben. Sie ist nicht zum gewerblichen Vertrieb<br />

bestimmt. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern<br />

während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.<br />

Das gilt für Landtags-, Bundestags- und Kommunalwahlen sowie für die Wahl der<br />

Mitglieder des europäischen Parlaments. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung<br />

auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das<br />

Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel.<br />

Untersagt ist gleichfalls die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung.<br />

Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese<br />

Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu<br />

einer bevorstehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die auf Parteinahme<br />

der Landesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden<br />

werden könnte.<br />

253


<strong>Verfassungsschutz</strong>bericht Land <strong>Brandenburg</strong> 2007<br />

254


I. Die Grundrechte<br />

Artikel 1<br />

(1) Die Würde des Menschen ist<br />

unantastbar. Sie zu achten und zu<br />

schützen ist Verpfl ichtung aller<br />

staatlichen Gewalt.<br />

(2) Das Deutsche Volk bekennt<br />

sich darum zu unverletzlichen und<br />

unveräußerlichen Menschenrechten<br />

als Grundlage jeder menschlichen<br />

Gemeinschaft, des Friedens und<br />

der Gerechtigkeit in der Welt.<br />

(3) Die nachfolgenden Grundrechte<br />

binden Gesetzgebung, vollziehende<br />

Gewalt und Rechtsprechung als<br />

unmittelbar geltendes Recht.<br />

Artikel 2<br />

(1) Jeder hat das Recht auf die freie<br />

Entfaltung seiner Persönlichkeit,<br />

soweit er nicht die Rechte anderer<br />

verletzt und nicht gegen die<br />

verfassungsmäßige Ordnung oder<br />

das Sittengesetz verstößt.<br />

(2) Jeder hat das Recht auf Leben<br />

und körperliche Unversehrtheit.<br />

Die Freiheit der Person ist unverletzlich.<br />

In diese Rechte darf nur auf<br />

Grund eines Gesetzes eingegriffen<br />

werden.

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