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Abschlussbericht zur Telekom-Bespitzelungsaffäre - Ver.di

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RA Prof. Dr. jur. Herta Däubler-Gmelin RA Gerhart Baum<br />

Bundesministerin der Justiz a. D. Bundesminister a. D.<br />

RA Michael Merzhäuser RA Dr. jur. Julius Reiter<br />

Schwegler Rechtsanwälte RA Olaf Methner<br />

Unter den Linden 12<br />

10117 Berlin Baum, Reiter & Collegen<br />

Fon: +49 30 440 1370 Benrather Schloßallee 101<br />

Fax: +49 30 440 13712 D40 497 Düsseldorf<br />

kanzlei@schwegler-rae.de Fon: +49 211 836 805 70<br />

Fax: +49 211 836 805 78<br />

RA Holger Rothbauer kanzlei@baum-reiter.de<br />

RAe Bausch und Kollegen<br />

Karlstr.6 .<br />

72072 Tübingen<br />

Fon: +49 7071 1504949<br />

Fax: +497071<br />

kanzlei@rae-bausch.eu.<br />

Bericht der Anwälte<br />

über <strong>di</strong>e Bespitzelungsskandale der DTAG in den Jahren 2005 und 2006 gegen <strong>di</strong>e<br />

gewählten Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter im Aufsichtsrat der DTAG und<br />

gegen Betriebsräte der DTAG, gegen hauptamtlich und ehrenamtlich tätige<br />

Gewerkschafter in hohen Funktionen, sowie gegen deren Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter, gegen Familienangehörige und Journalisten (Bespitzelungsbericht).<br />

Dieser Bericht ist auch für <strong>di</strong>e Öffentlichkeit bestimmt.<br />

Im Mai 2008, nachdem <strong>di</strong>e Bespitzelungsaktionen durch den Ärger des Chefs der mit<br />

Bespitzelungsaktionen beauftragten Firma „Network“ über nicht bezahlte<br />

Rechnungen an <strong>di</strong>e DTAG öffentlich geworden war, wurden RA Gerhart Baum,<br />

Bundesminister des Inneren a. D. und RA Prof. Herta Däubler-Gmelin,<br />

Bundesministerin der Justiz a. D., von den geschä<strong>di</strong>gten Mandatsträgern der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der DTAG, ihren Familienangehörigen und


2<br />

Mitarbeitern, sowie vom Vorsitzenden des DGB und weiteren betroffenen<br />

hauptamtlichen Funktionsträgern der Gewerkschaften mit ihrer <strong>Ver</strong>tretung beauftragt.<br />

Die Rechtsanwälte G. Baum und Prof. Dr. H. Däubler-Gmelin haben <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>tretung<br />

der Geschä<strong>di</strong>gten gemeinsam mit den Rechtsanwälten M. Merzhäuser (Schwegler-<br />

Rechtsanwälte, Berlin/Düsseldorf), O. Methner und Dr. J. Reiter (Baum Reiter &<br />

Collegen, Düsseldorf) und H. Rothbauer (RAe Bausch & Kollegen, Tübingen)<br />

durchgeführt.<br />

Diese Anwälte waren auch an der Ausarbeitung des Bespitzelungsberichts beteiligt.<br />

Selbstverständlich ist <strong>di</strong>eser Bericht auch vielfach mit unseren bespitzelten<br />

Mandanten erörtert worden. Ihre Hinweise, Erkenntnisse und Überlegungen sind in<br />

ihn eingeflossen.


I.<br />

Einführung und zusammenfassende Wür<strong>di</strong>gung<br />

1.<br />

3<br />

Mit <strong>di</strong>esem Bericht legen <strong>di</strong>e Anwälte der von den Bespitzelungsskandalen der DTAG<br />

2005 und 2006, den damit verbundenen jahrelangen Rechtsbrüchen und dem<br />

Telefondatenmissbrauch der DTAG betroffenen und geschä<strong>di</strong>gten Mandatsträger der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der DTAG ihren Bericht vor, um <strong>di</strong>e<br />

Dimensionen der Bespitzelungen, aber auch <strong>di</strong>e Grenzen aufzuzeigen, an <strong>di</strong>e wir bei<br />

der Aufklärung des Skandals bei Unternehmen und Justiz gestoßen sind.<br />

Ohne Zweifel handelt es sich bei den Bespitzelungsskandalen um einen der<br />

schwerwiegendsten Eingriffe eines Unternehmens in <strong>di</strong>e Grund- und Persönlichkeitsrechte<br />

sowie in <strong>di</strong>e Unternehmens- und Mitbestimmungsrechte von gewählten<br />

Mandatsträgern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />

Der Zeitpunkt war nicht zufällig: In den Jahren 2005 und 2006 waren <strong>di</strong>e<br />

Spannungen zwischen Unternehmensleitung und Arbeitnehmerinnen und<br />

Arbeitnehmern der DTAG mit Händen zu greifen. Die von der Unternehmensleistung<br />

beschlossenen Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen mit<br />

Standortschließungen, Arbeitsplatz- und damit verbundenem Personalabbau im<br />

großen Umfang, riefen große Unruhe hervor. Betriebsräte, Arbeitnehmervertreter im<br />

Aufsichtsrat der DTAG und <strong>di</strong>e Gewerkschaft äußerten heftige Kritik und überlegten<br />

Gegenmaßnahmen; verschärft wurden <strong>di</strong>e Spannungen durch <strong>di</strong>e Art der Führung<br />

des Aufsichtsratsvorsitzes durch Dr. Zumwinkel und dessen einseitigen<br />

Bestimmungsanspruch bis hinein in Vorstand und Aufsichtsrat der DTAG.


4<br />

Nach dem Wechsel des Vorstandsvorsitzes der DTAG zu Herrn Obermann erhielt <strong>di</strong>e<br />

Unternehmensleitung im Laufe des Sommers 2007 interne Informationen über den<br />

Bespitzelungsskandal. Daraufhin wurden interne Aufklärungsversuche eingeleitet, <strong>di</strong>e<br />

jedoch behindert wurden durch <strong>di</strong>e starke Stellung des damaligen<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Zumwinkel und deshalb im weiteren <strong>Ver</strong>lauf zu<br />

bemerkenswert wenig Folgerungen führten: Weder wurde Anzeige bei der<br />

Staatsanwaltschaft erstattet, noch wurden ernsthafte strukturelle <strong>Ver</strong>änderungen<br />

herbeigeführt; auch gegen den damaligen Leiter der Konzernsicherheit, Herrn<br />

Trzeschan, der schon damals als einer der Hauptbeteiligten feststand, wurde<br />

le<strong>di</strong>glich ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das nach erstaunlichen<br />

Merkwür<strong>di</strong>gkeiten im <strong>Ver</strong>fahren nur zu einem <strong>Ver</strong>weis führte.<br />

Der neue Vorstandsvorsitzende der DTAG, Herr Obermann, hat – nachdem der<br />

Skandal Ende Mai 2008 öffentlich geworden war - am 3. Juni 2008 in einer Rede vor<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DTAG <strong>di</strong>e vollstän<strong>di</strong>ge Aufklärung der<br />

Bespitzelungsskandale versprochen und damit einer Erwartung unserer Mandanten<br />

entsprochen, an dem sich das Vorgehen der DTAG, aber auch das der<br />

Ermittlungsbehörden und Gerichte messen lassen muss.<br />

Wir stellen heute fest: Die Bespitzelungsskandale sind nicht vollstän<strong>di</strong>g aufgeklärt. Es<br />

bleiben auch nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und den Feststellungen<br />

des zustän<strong>di</strong>gen Landgerichts Bonn viele Fragen über Ausmaß und Einzelheiten der<br />

Bespitzelungen offen. Die <strong>Ver</strong>antwortlichkeit für <strong>di</strong>e Anordnung der Bespitzelungen<br />

ist ebenfalls nicht ausreichend geklärt, auch wenn <strong>di</strong>e DTAG bis in <strong>di</strong>e jüngste Zeit<br />

versucht hat, Licht in das Dunkel zu bringen.<br />

Diese unbefrie<strong>di</strong>gende Situation ist auch darauf <strong>zur</strong>ückzuführen, dass <strong>di</strong>e<br />

Hauptbeteiligten keinen bzw. keinen vollstän<strong>di</strong>gen Beitrag <strong>zur</strong> Aufklärung geleistet<br />

haben und <strong>di</strong>e Hinweise der durch <strong>di</strong>e Bespitzelungen Geschä<strong>di</strong>gten nicht<br />

angemessen aufgenommen wurden.


5<br />

Bei vielen der geschä<strong>di</strong>gten Bespitzelungsopfern bleibt deshalb trotz aller von uns<br />

sehr wohl gewür<strong>di</strong>gten Entschul<strong>di</strong>gungs- und Ehrenerklärungen der jetzigen<br />

Unternehmensleitung der DTAG, trotz der erreichten erheblichen strukturellen<br />

<strong>Ver</strong>besserungen und trotz der Wiedergutmachungsbemühungen der DTAG, ein<br />

Gefühl der Enttäuschung <strong>zur</strong>ück, das sich vor allen Dingen auch auf <strong>di</strong>e<br />

ungenügenden Aufklärungsbemühungen der Staatsanwaltschaft bezieht.<br />

2.<br />

Ein großes Ärgernis für <strong>di</strong>e Anwälte und insbesondere auch für <strong>di</strong>e Geschä<strong>di</strong>gten<br />

war, dass den Anwälten Einsicht in <strong>di</strong>e staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten nur<br />

in Ausschnitten und erst in einem sehr späten Zeitpunkt gewährt wurde.<br />

Schon bei Durchsicht <strong>di</strong>eser Teile wurde deutlich, dass <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft zwar<br />

jahrelang mit der Aufklärung und strafrechtlichen Wür<strong>di</strong>gung beschäftigt war, ihre<br />

Ermittlungen jedoch von Anfang an konsequent nur auf einen relativ kleinen<br />

Ausschnitt der Rechtsbrüche und Gesetzesverstöße konzentrierte.<br />

Die Bespitzelungsopfer wurden von der Justiz nicht angehört. Le<strong>di</strong>glich ein Einzelner<br />

aus dem Personenkreis der Geschä<strong>di</strong>gten, gegen den zuvor ein Ermittlungsverfahren<br />

eingeleitet worden war, wurde von der Staatsanwaltschaft und später vom Gericht als<br />

Zeuge gehört.<br />

Die von den Anwälten für <strong>di</strong>e Bespitzelungsopfer erstatteten Strafanzeigen mit ihren<br />

vielen Hinweisen wurden ganz offensichtlich nicht weiter gewür<strong>di</strong>gt.<br />

Entsprechend eng ausgelegt war dann auch <strong>di</strong>e Anklageerhebung und ihr folgend<br />

das Strafverfahren vor dem Landgericht Bonn. Selbst besonders schwer betroffene<br />

Bespitzelungsopfer wurden nicht als Nebenkläger zugelassen.


6<br />

Unser Bericht enthält wesentlich mehr Fakten als <strong>di</strong>e Ermittlungsergebnisse der<br />

zustän<strong>di</strong>gen Staatsanwaltschaft, <strong>di</strong>e, wie schon erwähnt, den Anwälten erst sehr spät<br />

und nur in Teilausschnitten zugänglich gemacht wurden.<br />

Die strafrechtliche Aufarbeitung ist bis heute nicht abgeschlossen; aller<strong>di</strong>ngs rechnen<br />

wir aufgrund der Erfahrungen mit der Justiz in <strong>di</strong>esem <strong>Ver</strong>fahren nicht mehr mit<br />

neuen wesentlichen Erkenntnissen:<br />

- Das Urteil der Großen Strafkammer des Landgerichts Bonn gegen den<br />

ehemaligen Leiter der Konzernsicherheit der DTAG, Herrn Trzeschan, ist am<br />

30.11.2010, also zweieinhalb Jahre nach der Einreichung der ersten<br />

Strafanzeige, ergangen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, weil der <strong>Ver</strong>tei<strong>di</strong>ger<br />

Revision eingelegt hat.<br />

- Die Hauptverhandlung gegen einen <strong>Ver</strong>antwortlichen der von der DTAG mit<br />

Bespitzelungsaktionen beauftragten Firma Network, Herrn Kühn., ist immer<br />

noch nicht terminiert; weder Beginn noch <strong>Ver</strong>lauf <strong>di</strong>eses Strafverfahrens sind<br />

absehbar.<br />

- Die Staatsanwaltschaft Bonn hat <strong>di</strong>e Ermittlungsverfahren gegen den früheren<br />

Vorstandsvorsitzenden der DTAG, Herrn Ricke, und den früheren<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Zumwinkel eingestellt. Dagegen und gegen <strong>di</strong>e<br />

damit verbundenen Rechtsbrüche haben <strong>di</strong>e durch <strong>di</strong>e Bespitzelungsskandale<br />

und <strong>di</strong>e damit verbundenen Rechtsbrüche geschä<strong>di</strong>gten gewählten<br />

Mandatsträger der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Beschwerde<br />

eingelegt. Dieser Beschwerde hat <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft Bonn nicht<br />

abgeholfen; <strong>di</strong>e Generalstaatsanwaltschaft Köln hat bis heute nicht<br />

entschieden. Wann <strong>di</strong>es geschieht, ist ebenfalls nicht absehbar.<br />

- Bekanntlich hatte <strong>di</strong>e frühere Unternehmensleitung der DTAG gegen führende<br />

Betriebsräte, Gewerkschafter und Arbeitnehmervertreter der DTAG schwerste<br />

Vorwürfe erhoben, sie wider besseres Wissen des <strong>Ver</strong>rats von


7<br />

Unternehmensgeheimnissen bezichtigt und öffentlich solche Vorwürfe <strong>zur</strong><br />

Rechtfertigung der Bespitzelungsaktionen benutzt. Diese falschen<br />

Behauptungen wurden auch nach Bekanntwerden des Bespitzelungsskandals<br />

im Mai 2008 immer wieder wiederholt. Die darin liegenden <strong>Ver</strong>leumdungen<br />

haben <strong>di</strong>e Geschä<strong>di</strong>gten in ihren Strafanzeigen der Staatsanwaltschaft<br />

angezeigt. Trotz der klaren Rechtsbrüche hat Staatsanwaltschaft Bonn hier<br />

nicht weiter ermittelt, sondern <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>fahren eingestellt. Auch dagegen haben<br />

<strong>di</strong>e Geschä<strong>di</strong>gten Beschwerde eingelegt; bis heute ist über <strong>di</strong>ese Beschwerde<br />

nicht entschieden. Wann <strong>di</strong>es geschieht, ist derzeit nicht absehbar.<br />

- In den Bespitzelungsaktionen lag, soweit Betriebsräte betroffen waren, auch<br />

eine strafbare Behinderung der Betriebsratsarbeit; auch <strong>di</strong>ese ist angezeigt<br />

worden; auch <strong>di</strong>esen Vorwürfen ist <strong>di</strong>e zustän<strong>di</strong>ge Staatsanwaltschaft Bonn<br />

jedoch nicht weiter nachgegangen.<br />

Bereits <strong>di</strong>ese Aufzählung zeigt, dass unsere mehrfach vorgetragene Kritik an der<br />

Ermittlungstätigkeit der zustän<strong>di</strong>gen Staatsanwaltschaft und an der strafrechtlichen<br />

Aufarbeitung der Bespitzelungsskandale durch <strong>di</strong>e Justiz insgesamt, fortbesteht.<br />

Dabei richtet sich unsere Kritik weniger gegen <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>urteilung des Angeklagten<br />

Herrn Trzeschan oder gegen das Strafmaß des gegen ihn ergangenen, noch nicht<br />

rechtskräftigen Urteils des Landgerichts Bonn.<br />

Die Geschä<strong>di</strong>gten und ihre Anwälte kritisieren jedoch mit Nachdruck, dass <strong>di</strong>e Justiz<br />

<strong>di</strong>e besondere Schwere und Bedeutung der mit den Bespitzelungsskandalen<br />

verbundenen <strong>Ver</strong>letzungen der durch unsere <strong>Ver</strong>fassung verbrieften<br />

Persönlichkeitsrechte weder ausreichend erkannt, noch vollstän<strong>di</strong>g aufgeklärt und<br />

strafrechtlich angemessen gewür<strong>di</strong>gt hat, sondern <strong>di</strong>e strafrechtliche Aufarbeitung


8<br />

durch frühzeitige und unangemessene Entscheidungen auf wenige Ausschnitte des<br />

Tatgeschehens verengte.<br />

- So wurde nicht angemessen berücksichtigt, dass <strong>di</strong>e mit den Bespitzelungen<br />

verbundenen Rechtsbrüche <strong>di</strong>e Rechte der Betriebsräte und der<br />

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der DTAG verletzt und damit gezielt und<br />

systematisch sowohl <strong>di</strong>e Unternehmensmitbestimmung als auch <strong>di</strong>e<br />

Betriebsverfassung geschwächt haben.<br />

- Nicht ausreichend bewertet wurde auch, dass <strong>di</strong>e Bespitzelungsaktionen und<br />

<strong>di</strong>e damit verbundenen Rechtsbrüche Grundrechte von gewerkschaftlichen<br />

Mandatsträgern bis hin zum Vorsitzenden des Deutschen<br />

Gewerkschaftsbundes und zum Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.<strong>di</strong> verletzt<br />

und damit auch in <strong>di</strong>e für unsere Demokratie unverzichtbare Institution der<br />

Sozialpartnerschaft eingegriffen haben. Hätten sich <strong>di</strong>e Bespitzelungsskandale<br />

gegen vergleichbar hochrangige Repräsentanten der Wirtschaft und deren<br />

<strong>Ver</strong>bände gerichtet, wäre gerade <strong>di</strong>eser Aspekt wohl kaum derart aus dem<br />

Blickfeld der Justiz geraten.<br />

- Wie schon erwähnt, kritisieren wir weiterhin nachdrücklich, dass <strong>di</strong>e wider<br />

besseres Wissen erhobene Bezichtigung führender Mandatsträger der<br />

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, sie hätten<br />

Unternehmensgeheimnisse verraten, von der Justiz nicht angemessen als<br />

strafbare Belei<strong>di</strong>gung und <strong>Ver</strong>leumdung geahndet wurde. Dies betrifft in erster<br />

Linie <strong>di</strong>e frühere Unternehmensleitung; aber auch <strong>di</strong>e neue<br />

Unternehmensleitung ist <strong>di</strong>eser Beschul<strong>di</strong>gung zunächst monatelang nicht<br />

entgegengetreten. Besonders erbittert hat <strong>di</strong>e Geschä<strong>di</strong>gten dabei, dass <strong>di</strong>e<br />

neue Unternehmensleitung von den Mitarbeitern der Arbeitnehmervertreter<br />

noch im Herbst 2008 neue schriftliche Geheimhaltungsverpflichtungen


9<br />

eingefordert hat, obwohl bekannt war, dass <strong>di</strong>e Rechtsverletzungen beim<br />

Unternehmen lagen. Wir kritisieren auch, dass <strong>di</strong>e Justiz <strong>di</strong>e Bedeutung und<br />

<strong>di</strong>e Schwere der mit den gezielten Bespitzelungsaktionen verbundenen<br />

<strong>Ver</strong>letzungen des grundrechtlich garantierten Schutzes von Journalisten und<br />

ihren Informationsquellen nicht angemessen gewertet hat; auch hier wurde<br />

nicht ausreichend gewür<strong>di</strong>gt, dass <strong>di</strong>e Informations- und Pressefreiheit<br />

schlichtweg konstitutiv für unsere verfassungsmäßige Ordnung sind. Wir<br />

halten es auch für ungeheuerlich, dass <strong>di</strong>e frühere Unternehmensleitung der<br />

DTAG, als sie darüber informiert wurde, dass Angestellte der DTAG<br />

veranlasst hatten, einen „Maulwurf“ in der Redaktion einer Zeitschrift zu<br />

platzieren, nicht sofort eingegriffen, sondern das offensichtlich für akzeptabel<br />

gehalten hat. Mehr als befremdlich ist auch, dass <strong>di</strong>e Justiz keinen Anlass<br />

gesehen hat, <strong>di</strong>es zu ahnden.<br />

- Die Justiz hat auch <strong>di</strong>e mit den Bespitzelungsaktionen untrennbar verbundene<br />

<strong>Ver</strong>letzung straf bewehrter Datenschutzregelungen und damit des<br />

Datenschutzes insgesamt nicht ausreichend Beachtung geschenkt. Sie hat<br />

sich, wie schon erwähnt, im Wesentlichen auf <strong>di</strong>e strafrechtliche <strong>Ver</strong>folgung<br />

von <strong>Ver</strong>mögensdelikten konzentriert. Das führte <strong>zur</strong> frühzeitigen <strong>Ver</strong>engung<br />

der strafrechtlichen Ermittlungen auf <strong>di</strong>e dem Leiter der Konzernsicherheit<br />

Herrn Trzeschan vorgeworfenen <strong>Ver</strong>mögensdelikte und <strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>nachlässigung<br />

der vollen Aufklärung der von der DTAG in Auftrag gegebenen jahrelangen<br />

und sehr breit angelegten Bespitzelungsaktionen.<br />

- Wir kritisieren weiterhin <strong>di</strong>e juristisch höchst zweifelhafte Entscheidung, dem<br />

durch den Vorstand der DTAG bestellten und bezahlten RA Prof. Dr.<br />

Hoffmann - Becking nach Maßgabe einer im Belieben des früheren<br />

Aufsichtsratsvorsitzenden der DTAG Dr. Zumwinkel stehenden<br />

Aussageerlaubnis ein Zeugnisverweigerungsrecht zuzubilligen. Auch damit


10<br />

blieben dem Gericht wichtige Erkenntnisquellen <strong>zur</strong> Aufklärung und<br />

strafrechtlichen Aufarbeitung der Bespitzelungsskandale verschlossen.<br />

- Ein wichtiger Punkt unserer Kritik ist auch <strong>di</strong>e Entscheidung, keinen der durch<br />

<strong>di</strong>e Bespitzelungen Geschä<strong>di</strong>gten mit einer Ausnahme zu hören. Der<br />

Ausschluss der Geschä<strong>di</strong>gten und ihrer möglicherweise wertvollen, <strong>zur</strong><br />

Aufklärung beitragenden Hinweise bewirkte, dass wichtige Fakten für <strong>di</strong>e<br />

strafrechtlichen Ermittlungen nicht nutzbar gemacht werden konnten. Damit<br />

wurde auch das <strong>Ver</strong>trauen der Geschä<strong>di</strong>gten in <strong>di</strong>e Aufklärung der Justiz stark<br />

erschüttert, zumal auch der Antrag einiger durch <strong>di</strong>e Bespitzelungsaktionen in<br />

ihren Rechten besonders verletzter Mandatsträger auf Zulassung als<br />

Nebenkläger in dem strafrechtlichen <strong>Ver</strong>fahren gegen den ehemaligen Leiter<br />

der Konzernsicherheit der DTAG schlichtweg abgelehnt wurde.<br />

- Die Justiz hat auch <strong>di</strong>e Aufklärung der Frage vernachlässigt, warum <strong>di</strong>e<br />

Bespitzelungsaktionen neben einigen Journalisten ausschließlich den<br />

beschriebenen Personenkreis aus gewählten Arbeitnehmervertretern,<br />

Angehörigen und Mitarbeitern, sowie herausgehobenen haupt- und<br />

ehrenamtlich tätigen Funktionsträgern von Gewerkschaften betroffen haben.<br />

Die Justiz hat <strong>di</strong>ese Tatsache als zufällige Auswirkung des von der DTAG<br />

eingesetzten Systems MEGS eingeordnet. Dieses System beziehe nicht allein<br />

<strong>di</strong>e ursprünglich gezielt überwachten Personen in <strong>di</strong>e Bespitzelung ein,<br />

sondern auch deren Gesprächspartner und zusätzlich deren Gesprächspartner;<br />

daraus erkläre sich <strong>di</strong>e hohe Zahl der betroffenen Geschä<strong>di</strong>gten. Diese<br />

Bewertung ist jedoch nicht schlüssig, da schon <strong>di</strong>e von der Justiz als primäre<br />

Bespitzelungsopfer benannten Geschä<strong>di</strong>gten in der langen Bespitzelungszeit<br />

mit erheblich mehr und anderen Personen telefoniert haben, als heute als zum<br />

Kreis der Bespitzelten gehörend bekannt sind. Das Gleiche dürfte für <strong>di</strong>e<br />

Gesprächspartner ihrer Gesprächspartner gelten. Daraus folgt zwingend, dass


11<br />

aus dem Kreis der <strong>Ver</strong>antwortlichen der DTAG heraus bewusst <strong>di</strong>e<br />

Entscheidung getroffen worden sein muss, <strong>di</strong>e Bespitzelung auf <strong>di</strong>e heute<br />

bekannten Bespitzelungsopfer und damit genau auf den Personenkreis der<br />

genannten Geschä<strong>di</strong>gten zu konzentrieren. Trotz schriftlicher Hinweise der<br />

Anwälte nach der Ablehnung der Nebenklage hat <strong>di</strong>e Justiz <strong>di</strong>ese<br />

Überlegungen nicht aufgenommen, sondern an der unangemessenen<br />

<strong>Ver</strong>engung der Strafverfolgung festgehalten.<br />

- Die uns trotz der ärgerlichen Beschränkung des Einblicks in <strong>di</strong>e staatsanwaltschaftlichen<br />

Ermittlungsakten vorliegenden Dokumente enthalten eine<br />

ganze Reihe tragfähiger Hinweise darauf, dass <strong>di</strong>e Bespitzelungsaktionen<br />

nicht nur auf <strong>Ver</strong>mögensstraftaten einzelner DTAG - Mitarbeiter <strong>zur</strong>ückgehen<br />

und nicht nur durch <strong>di</strong>e zweifelsfrei mangelhaften internen Kontrollen in der<br />

DTAG erklärt werden können; vielmehr weisen <strong>di</strong>ese Dokumente darauf hin,<br />

dass es den früheren <strong>Ver</strong>antwortlichen der DTAG auch um <strong>di</strong>e Bespitzelung<br />

der gewählten Mandatsträger der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der<br />

DTAG in der schon erwähnten Zeit erheblicher Spannungen und<br />

Auseinandersetzungen ging.<br />

Alle <strong>di</strong>ese Kritikpunkte haben das <strong>Ver</strong>trauen der Geschä<strong>di</strong>gten trotz der nach der<br />

Aufdeckung des Skandals erreichten <strong>Ver</strong>besserungen beeinträchtigt; viele Fragen<br />

blieben offen.<br />

- Bei vielen Geschä<strong>di</strong>gten besteht der <strong>Ver</strong>dacht weiter, dass <strong>di</strong>e<br />

Bespitzelungsaktionen neben den heute bekannten Rechtsverletzungen<br />

möglicherweise auch Inhalte von Mails und Telefongesprächen, sowie andere<br />

Felder erfasst haben. Die Tatsache, dass auch Einzelverbindungsnachweise<br />

von Festnetzanschlüssen von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat einer


12<br />

Tochtergesellschaft unrechtmäßig gespeichert und im <strong>Ver</strong>antwortungsbereich<br />

des Konzernvorstands der DTAG „aufgefunden“ wurden, gehört zu solchen<br />

Hinweisen, denen <strong>di</strong>e Ermittlungsbehörden trotz wiederholter Aufforderungen<br />

nicht nachgegangen sind.<br />

- Wie schon erwähnt, halten <strong>di</strong>e uns vorliegenden Dokumente auch den<br />

<strong>Ver</strong>dacht aufrecht, dass der frühere Leiter der Konzernsicherheit zumindest<br />

auch Anordnungen früherer <strong>Ver</strong>antwortlicher der DTAG ausgeführt hat. Solche<br />

Hinweise finden sich in den Akten von RA Prof. Dr. Hoffmann-Becking<br />

ebenso, wie in den Belegen über <strong>di</strong>e wiederholte Freigabe und Anweisung<br />

großer Beträge <strong>zur</strong> Bezahlung extern vergebener Bespitzelungsaktionen<br />

durch den ehemaligen Leiter des gemeinsamen Büros des<br />

Vorstandsvorsitzenden und des Aufsichtsratsvorsitzenden. Schließlich weisen<br />

auch <strong>Ver</strong>lauf und Ergebnis des gegen den früheren Leiter der<br />

Konzernsicherheit durchgeführten Disziplinarverfahrens in <strong>di</strong>ese Richtung. Die<br />

im Disziplinarverfahren angewandte Position, wonach <strong>di</strong>e Erfassung und<br />

Speicherung von telefonischen <strong>Ver</strong>bindungsdaten tolerierbar sei, ist nicht<br />

hinnehmbar und hat sich während des Gerichtsverfahrens nicht bestätigt. Die<br />

dafür in der DTAG <strong>Ver</strong>antwortlichen haben ihre Positionen bis heute inne.<br />

3.<br />

Trotz unserer Kritik auch an der DTAG, weil <strong>di</strong>e selbst gesetzten Aufklärungsversprechen<br />

nicht vollstän<strong>di</strong>g erfüllt wurden bzw. werden konnten, wür<strong>di</strong>gen wir<br />

ausdrücklich, dass <strong>di</strong>e derzeitige Führung der DTAG unter dem Einfluss der<br />

gewählten Mandatsträger der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der DTAG nach<br />

anfänglichem Zögern wichtige Folgerungen aus dem Bespitzelungsskandal gezogen<br />

hat.


13<br />

- So sollen <strong>di</strong>e wichtigen strukturellen <strong>Ver</strong>änderungen in Vorstand und<br />

Aufsichtsrat der DTAG, <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>besserungen im Bereich Datenverarbeitung<br />

und Datenschutz, aber auch <strong>di</strong>e Einführung eines besonderen<br />

Datenschutzbeirates nicht nur jede Wiederholung solcher<br />

Bespitzelungsaktionen verhindern, sondern auch <strong>di</strong>e Einhaltung der<br />

Datenschutzbestimmungen für Kunden und Beschäftigte sicherstellen.<br />

- Ganz zweifellos befindet sich <strong>di</strong>e DTAG mit <strong>di</strong>esen durchgesetzten<br />

<strong>Ver</strong>änderungen auf dem richtigen Weg und hat ein beachtliches Datenschutzniveau<br />

erreicht.<br />

- Wir wür<strong>di</strong>gen auch <strong>di</strong>e Ehrenerklärung und <strong>di</strong>e Entschul<strong>di</strong>gung des<br />

Vorstandsvorsitzenden der DTAG, Herrn Obermann, gegenüber den<br />

Geschä<strong>di</strong>gten Beide haben viel dazu beigetragen, den ungeheuren<br />

<strong>Ver</strong>trauensschaden soweit wie möglich wieder gut zu machen.<br />

- Auch <strong>di</strong>e Gesten der DTAG <strong>zur</strong> Wiedergutmachung des Schadens der durch<br />

<strong>di</strong>e Bespitzelungsskandale Betroffenen haben den Neuanfang erleichtert und<br />

viel <strong>zur</strong> Wiederherstellung des <strong>Ver</strong>trauens von Kunden und Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern in <strong>di</strong>e DTAG geleistet. Dazu gehört auch der mittlerweile<br />

rechtskräftige <strong>Ver</strong>gleich zwischen der DTAG und dem früheren Vorsitzenden<br />

des Vorstandes, Herrn Ricke, sowie dem früheren Vorsitzenden des<br />

Aufsichtsrates der DTAG, Dr. Zumwinkel, <strong>di</strong>e sich erhebliche Vorwürfe im<br />

Hinblick auf ihre <strong>Ver</strong>antwortung für <strong>di</strong>e schweren Rechtsbrüche vor und<br />

während der Bespitzelungsaktionen gefallen lassen müssen. Auch das wirkt<br />

als Bestätigung, dass beide im Hinblick auf <strong>di</strong>e zahlreichen schweren<br />

Rechtsbrüche als Manager bzw. Chefaufseher versagt haben. In <strong>di</strong>esem<br />

<strong>Ver</strong>gleich haben sie sich zu erheblichen Schadensersatzzahlungen


14<br />

verpflichtet, <strong>di</strong>e über <strong>di</strong>e von der D & O – <strong>Ver</strong>sicherung übernommenen<br />

Beträge hinaus reichen.<br />

II.<br />

Auswertung der Ermittlungsakten, Zeugenaussagen und des Urteils LG Bonn<br />

Im Folgenden begründen wir <strong>di</strong>e in unserer zusammenfassenden Einführung<br />

beschriebene Unzufriedenheit mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, mit ihrer<br />

Wür<strong>di</strong>gung der <strong>Ver</strong>letzungen der Betroffenen und dem viel zu engen Blickwinkel der<br />

Justiz hinsichtlich der Dimension des Bespitzelungsskandals auf der Grundlage der<br />

uns <strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>fügung gestellten eingeschränkten Einsicht in <strong>di</strong>e Ermittlungsakten der<br />

Staatsanwaltschaft, unserer Prozessbeobachtung während der fünfzehn <strong>Ver</strong>handlungstage<br />

vor dem Landgericht Bonn und dessen Urteil genauer. Wir sind dabei nach<br />

folgenden vier Kategorien vorgegangen:<br />

1. Ausmaß und Dimension des Bespitzelungsskandals<br />

2. Belastungen der Beschul<strong>di</strong>gten, insbesondere von Herrn Ricke und<br />

Dr. Zumwinkel<br />

3. Belastungen des Unternehmens DTAG<br />

4. Unterlassungen der Ermittlungsbehörden<br />

Dabei weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass <strong>di</strong>e folgenden Ausführungen<br />

ausschließlich Wiedergaben der uns vorliegenden Aussagen und Dokumente aus<br />

dem Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung sind, ohne dass wir <strong>di</strong>e<br />

behaupteten Sachverhalte auf ihren tatsächlichen Wahrheitsgehalt überprüfen<br />

konnten und überprüft haben.


1.<br />

Ausmaß und Dimension des Bespitzelungsskandals<br />

15<br />

Aus den Ermittlungsakten der StA Bonn zum <strong>Ver</strong>fahren 430 Js 811/08, insbesondere<br />

aus den <strong>Ver</strong>nehmungen der Beschul<strong>di</strong>gten und Zeugen sowie aus den<br />

beschlagnahmten Unterlagen sind Hinweise ersichtlich, dass das Ziel und der<br />

Umfang der Bespitzelungen weit über <strong>di</strong>e Feststellungen des LG Bonn in seinem<br />

Urteil vom 30.11.2010 hinausgehen. Dies betrifft sowohl <strong>di</strong>e Erhebung und<br />

Auswertung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten im Projekt „Rheingold“ als auch <strong>di</strong>e weiteren<br />

Datenschutzverstöße im Projekt „Clipper“.<br />

Auch <strong>di</strong>e Zeugenaussagen und Einlassungen der Angeklagten in der<br />

Hauptverhandlung haben <strong>di</strong>esen Eindruck von der Dimension der Bespitzelung aus<br />

unserer Sicht nicht widerlegen können. Teilweise sind <strong>di</strong>e Tatsachenerkenntnisse<br />

aus der Hauptverhandlung sogar über <strong>di</strong>e Ermittlungsergebnisse der<br />

Staatsanwaltschaft und den Anklageinhalt hinausgegangen. So hat <strong>di</strong>e<br />

Hauptverhandlung z. B. ergeben, dass Herr Trzeschan im Juli 2005 im Rahmen des<br />

Projektes „Rheingold“ Herrn Cox <strong>zur</strong> Erfassung von Festnetzverbindungsdaten mit<br />

dem Überwachungssystem „SigMon“ veranlasst hatte. Dies war nicht einmal<br />

Gegenstand der Anklage.<br />

Einlassungen von Herrn Trzeschan in der Hauptverhandlung<br />

a.<br />

Herr Trzeschan hat sich auch <strong>zur</strong> Dimension der Bespitzelung in der<br />

Hauptverhandlung vor dem LG Bonn geäußert. Hiernach habe er bereits in der<br />

ersten Begegnung mit Herrn Ricke am 20.01.2005 <strong>di</strong>e Möglichkeit der Erhebung von<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdaten <strong>zur</strong> Ermittlung der Quelle der In<strong>di</strong>skretionen angesprochen.<br />

Clipper sei <strong>di</strong>e Fortsetzung bzw. Änderung des Auftrages von Herrn Ricke vom


16<br />

20.01.2005. Diese Fortführung des Auftrags hielt Herr Trzeschan für sinnvoll und sah<br />

sie vom ursprünglichen Auftrag mit umfasst. Da eine für <strong>di</strong>e Konzernsicherheit<br />

relevante Presseauswertung nicht bestand und nach Ansicht von Herrn Trzeschan im<br />

Fall Rheingold zu keinem Erfolg führte, sollte <strong>di</strong>eses Projekt als „Frühwarnsystem“ für<br />

zukünftige In<strong>di</strong>skretionen fortgesetzt werden.<br />

Nach Herrn Trzeschans Kotaktaufnahme <strong>zur</strong> Firma Network habe Herr Kühn <strong>di</strong>e Idee<br />

der „Infotapete“ gehabt, auf der alle Auswertungen von Presse-/Me<strong>di</strong>enberichten<br />

über <strong>di</strong>e DTAG seit 1996 aufgelistet wurden. Dabei habe sich Herr Trzeschans<br />

<strong>Ver</strong>dacht auf <strong>di</strong>e vier Mitglieder des Präsi<strong>di</strong>alausschusses des Aufsichtsrates der<br />

DTAG konzentriert. Die „Tapete“ wurde im Frühsommer 2005 Herrn Ricke<br />

präsentiert. Herr Trzeschan bezog den <strong>Ver</strong>dacht dann einfach so ohne plausible<br />

Begründung auf Herrn Wegner. Zum weiteren Nachweis und <strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>hinderung<br />

zukünftiger In<strong>di</strong>skretionen habe sich Herr Trzeschan dann nach seiner Aussage<br />

gemeinsam mit Herrn Kühn entschieden, <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>bindungsdaten zu erheben. Dass so<br />

viele <strong>Ver</strong>bindungsdaten erhoben wurden, hätte nicht Herr Trzeschan, sondern Herr<br />

Kühn entschieden und organisiert.<br />

Ein offizielles Ende des Projektes „Rheingold“ gab es nach Auffassung von Herrn<br />

Trzeschan nicht. Es ging nach seiner Einschätzung unmittelbar in das Projekt<br />

„Clipper“ über. „Clipper“ sei eben <strong>di</strong>e Fortsetzung bzw. Änderung des Auftrages von<br />

Herrn Ricke vom 20.01.2005 gewesen.<br />

b.<br />

Wesentliche Einlassungen von Herrn Kühn im Ermittlungsverfahren<br />

Auch bezüglich der Dimension der Bespitzelung sind Äußerungen des Angeklagten<br />

Herr Kühn nur aus den Ermittlungsakten aufschlussreich, da das <strong>Ver</strong>fahren gegen<br />

ihn vom LG Bonn aufgrund seiner krankheitsbe<strong>di</strong>ngten <strong>Ver</strong>handlungsunfähigkeit<br />

abgetrennt wurde.


17<br />

In seiner <strong>Ver</strong>nehmung durch <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft hat Herr Kühn ausgesagt, Herr<br />

Trzeschan sei an ihn herangetreten mit der Äußerung, „man wolle den Willy <strong>di</strong>ngfest<br />

machen“. Herr Trzeschan habe nach Herrn Kühns Eindruck offensichtlich bereits den<br />

<strong>Ver</strong>dacht gehegt, Herr Wegner sei der Informant. Hierzu sollten <strong>di</strong>e künftigen<br />

Telefonverbindungsdaten von Herrn Wegner und Herrn Kowalewsky daraufhin<br />

ausgewertet werden, ob beide miteinander telefonierten. Gegenstand der<br />

Untersuchung sollten zunächst <strong>di</strong>e Festnetzdaten sein. Es seien daraufhin Herrn<br />

Kowalewskys Privat- und Redaktionsanschluss, Herrn Wegners Privat- und ein oder<br />

zwei Dienstanschlüsse ausgewertet worden. Das Projekt sei dann (immer noch im<br />

Sommer 2005) auf ein zweites Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmerseite, Herrn<br />

Löffler, ausgedehnt worden. Daneben habe sich Herr Trzeschan um <strong>di</strong>e<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdaten von Herrn Wegners T-Mobile-Anschluss bemüht. Außerdem seien<br />

<strong>di</strong>e Aufsichtsratsmitglieder Herr Treml und Herr Falbisoner als mögliche Informanten<br />

in den Fokus geraten.<br />

Aus einem weiteren <strong>Ver</strong>merk des Bundeskriminalamts ergibt sich <strong>di</strong>e Auswertung der<br />

Korrespondenz zwischen KS3 und Network aus dem maßgeblichen Zeitpunkt. Aus<br />

den <strong>Ver</strong>nehmungen der Herren Gottschalch, Cox und in<strong>di</strong>rekt Kühn ergebe sich<br />

einheitlich, dass nicht viel später Herr Trzeschan bemüht war, <strong>Ver</strong>bindungsdaten von<br />

Herrn Wegner in <strong>di</strong>e Ermittlungen einzubeziehen.<br />

Aller<strong>di</strong>ngs sind aus den Ermittlungsakten Hinweise ersichtlich, dass bereits früher<br />

Bespitzelungen stattfanden. So gibt es einen <strong>Ver</strong>merk des BKA bezüglich der<br />

Auswertung der Festplatte „Icy Box“ der Fa. Network. Darin ist eine Zeitaufstellung<br />

des Network-Mitarbeiters Herr Carlstedt enthalten, wonach er bereits am 05.04.2005<br />

im Projekt „Rheingold“ mit einer Telefonnummernauswertung/-recherche begonnen<br />

hat.<br />

Auch das haben <strong>di</strong>e StA Bonn und auch das Landgericht bei ihren<br />

Tatsachenfeststellungen völlig außer Acht gelassen.


c.<br />

Aussagen der Herren Gottschalch, Vinck und Cox<br />

18<br />

Zum Sachverhalt der Bespitzelung ist zunächst <strong>di</strong>e Äußerung von Herrn Cox in<br />

seiner (unternehmensinternen) Anhörung relevant: Die ganze Sache fing hiernach<br />

mit einem Besuch von Herrn Zeller, dem damaligen Leiter des Bereichs US7, sowie<br />

Herrn Trzeschan im zweiten Quartal oder Anfang des dritten Quartals 2005 an. Nach<br />

ihrer Aussage seien mehrfach interne Beschlüsse des Vorstands auf unbekanntem<br />

Wege an <strong>di</strong>e Öffentlichkeit gelangt. Herr Ricke sei außer sich gewesen und habe<br />

daher <strong>Ver</strong>treter der Konzernsicherheit zu sich gerufen, damit <strong>di</strong>ese sich des<br />

Problems der In<strong>di</strong>skretionen annehmen.<br />

Nach Herrn Cox’ Erinnerung äußerte Herr Trzeschan, er habe Herrn Ricke unter vier<br />

Augen einen Vorschlag unterbreitet, wie man das Problem der laufenden<br />

In<strong>di</strong>skretionen angehen könne. In <strong>di</strong>e Umsetzung <strong>di</strong>eses Vorschlags, dem Herr Ricke<br />

offensichtlich zugestimmt hätte, wurde dann Cox’ Team eingebunden. Herr Cox<br />

verstand <strong>di</strong>e Äußerungen so, dass der Auftrag von Herrn Ricke kam.<br />

Herr Trzeschan übergab beim Erstbesuch nach Herrn Cox` Erinnerung ein Blatt mit<br />

55 Nummern aus dem Mobilfunk- und dem Festnetzbereich, <strong>di</strong>e auf Überwachung<br />

gelegt werden sollten. Herr Trzeschan erklärte, dass er den Auftrag natürlich nicht<br />

über den normalen Regelprozess, d.h. über das SR-Tool einstellen könne, da <strong>di</strong>es<br />

viel zu brisant sei. Er sicherte Herrn Cox jedoch zu, im weiteren <strong>Ver</strong>lauf des Projekts<br />

einen schriftlichen Auftrag nach<strong>zur</strong>eichen. Herr Cox gab dann <strong>di</strong>e Nummern in<br />

SigMon ein und übermittelte sie an einen Mitarbeiter aus Zellers Abteilung namens<br />

Tiefenbach.<br />

Nach den ersten Datenlieferungen kam Herr Trzeschan eines Tages mit Herrn Kühn<br />

zu Herrn Cox nach Neuss. Herr Trzeschan erklärte, dass Herr Kühn ein externer<br />

Dienstleister sei, der beauftragt worden sei, statt einer unternehmensinternen


19<br />

Auswertung eine neutrale externe Auswertung der erhobenen Daten vorzunehmen.<br />

Herr Cox bekam von Herrn Kühn eine Mailadresse und einen ZIP-Schlüssel, an<br />

<strong>di</strong>ese Mailadresse gingen <strong>di</strong>e ersten Datenlieferungen als ZIP-Datei. Nach einiger<br />

Zeit wurde Herrn Cox von Herrn Kühns Mitarbeitern eine Web-Adresse im Internet<br />

mitgeteilt, bei der Herr Cox fortan <strong>di</strong>e Daten hinterlegen sollte, damit Herr Kühn sie<br />

dort abziehen konnte. Zweifel hatte Herr Cox nicht, denn immerhin handelte es sich<br />

ja nach Trzeschans Äußerung um einen Auftrag des Vorstandsvorsitzenden.<br />

Bezüglich der Dimension der Bespitzelung ist weiterhin <strong>di</strong>e Aussage Herrn<br />

Gottschalchs in seiner <strong>Ver</strong>nehmung bemerkenswert: Wenn eine Mobilfunknummer<br />

bekannt und dementsprechend in <strong>di</strong>e Überwachung aufgenommen worden war,<br />

wurden u. a. auch <strong>di</strong>e Geodaten geliefert.<br />

Dies belegt zum einen, dass Herr Gottschalch entgegen der Feststellung des LG<br />

Bonn in seinem Urteil vom 30.11.2010 sehr wohl <strong>di</strong>e Funktionsweise des<br />

Überwachungssystems MEGS bekannt war. Zum anderen lässt <strong>di</strong>ese Aussage<br />

erkennen, dass offenbar nicht nur reine <strong>Ver</strong>bindungsdaten, sondern (bei<br />

überwachten Mobilfunknummern) auch Geodaten geliefert und offensichtlich<br />

gespeichert wurden. Hiermit hätten sogar Bewegungsprofile der überwachten<br />

Mobiltelefone erstellt werden können.<br />

d.<br />

Sonstiges: Aussage von Herrn Kowalewsky, Handakte von RA Prof. Dr.<br />

Hoffmann-Becking<br />

Dass es deutliche Anhaltspunkte für eine gezielte Ausrichtung der Bespitzelung<br />

gegen Arbeitnehmervertreter der DTAG gibt, belegen auch <strong>di</strong>e Aussagen des<br />

Journalisten Herr Kowalewsky zu einem persönlichen Gespräch mit Herrn<br />

Trzeschan. So hat Herr Kowalewsky sowohl in seiner Zeugenvernehmung im<br />

Ermittlungsverfahren als auch im <strong>Ver</strong>fahren vor dem LG Bonn bekundet, dass <strong>di</strong>e<br />

Herren Trzeschan und Kühn nach Herrn Trzeschans Aussage ihm gegenüber bei der


20<br />

Ermittlung der un<strong>di</strong>chten Stelle Artikel von Herrn Kowalewsky und anderen<br />

Journalisten über viele Monate analysiert und dann überlegt hätten, wer alles von<br />

<strong>di</strong>esen Infos gewusst haben könnte. Und da sei Herr Wegner klar <strong>di</strong>e erste Person<br />

gewesen, nachdem man „natürlich“ Herrn Ricke und Dr. Zumwinkel und andere<br />

Vorstände vorher als mögliche Informanten gestrichen hatte. Herr Kowalewsky<br />

merkte hierzu gegenüber Herrn Trzeschan an, wenn man so vorgeht, dass man<br />

sowohl alle Vorstände als auch alle Kapital-<strong>Ver</strong>treter streicht und dann nur auf einen<br />

Informanten kommt, dann müsse man ja automatisch auf einen oder mehrere der<br />

führenden Arbeitnehmervertreter als Informanten kommen. Daraufhin habe Herr<br />

Trzeschan geantwortet, Herr Kowalewsky habe Recht, das hätte <strong>di</strong>e DTAG alles „viel<br />

einfacher“ haben können.<br />

Einen weiteren Hinweis darauf, dass mit der einseitigen <strong>Ver</strong>dächtigung von Herrn<br />

Wegner ein Angriff auf <strong>di</strong>e Mitbestimmung bei der DTAG verbunden gewesen sein<br />

könnte, ergibt sich aus RA Prof. Dr. Hoffmann-Beckings Notizen zum Gespräch vom<br />

07.10.2005 mit Herrn Ricke und Dr. Zumwinkel.<br />

Im Zusammenhang mit der Darstellung der Handlungsoptionen für Herrn Ricke und<br />

Dr. Zumwinkel gegenüber Herrn Wegner hatte Prof. Dr. Hoffmann-Becking notiert:<br />

„BRratswahl Frühjahr 06 WW kan<strong>di</strong><strong>di</strong>ert“. Diese Notiz stand ersichtlich nicht in<br />

unmittelbarem Zusammenhang mit den (haltlosen) aktienrechtlichen<br />

Anschul<strong>di</strong>gungen gegen Herrn Wegner und dürfte auf Überlegungen der<br />

Gesprächsteilnehmer im Hinblick auf eine mitbestimmungsrechtliche Schwächung<br />

der Arbeitnehmervertreter bei der DTAG hindeuten. Befremdlich ist, dass weder <strong>di</strong>e<br />

Staatsanwaltschaft noch das Landgericht Bonn <strong>di</strong>ese Notiz Prof. Dr. Hoffmann-<br />

Beckings beachtet haben, obwohl Prof. Dr. Hoffmann-Beckings Handakte der DTAG<br />

<strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>fügung stand und daher nicht seinem Aussageverweigerungsrecht unterliegen<br />

dürfte.<br />

In <strong>di</strong>esem Zusammenhang ist auch <strong>di</strong>e Aussage von Herrn Ricke vor dem LG Bonn<br />

am 22.10.2010 zu beachten. Demnach habe ihm Herr Trzeschan erklärt, ein<br />

ehemaliger Mitarbeiter von „Capital“ habe eine eidesstattliche <strong>Ver</strong>sicherung


21<br />

abgegeben (oder werde sie abgeben), dass Herr Wegner der Informant von Herrn<br />

Kowalewsky sei. Herr Trzeschan habe auch erwähnt, derjenige, der <strong>di</strong>e<br />

eidesstattliche <strong>Ver</strong>sicherung abgibt, benötige eine „Starthilfe“.<br />

Aus unserer Sicht erscheint es ungeheuerlich, dass <strong>di</strong>e DTAG und ihr früherer<br />

Vorstandsvorsitzender es hinnahmen und nutzen wollten, einen „Maulwurf“ in einem<br />

Presseunternehmen zu verwenden, und dass sie solch einen Einsatz auch noch für<br />

legitim <strong>zur</strong> Erlangung „gerichtsverwertbarer Beweise“ hielten.<br />

2.<br />

Belastung der Beschul<strong>di</strong>gten<br />

Aus den Ermittlungsakten der StA Bonn zum <strong>Ver</strong>fahren 430 Js 811/08 sowie aus den<br />

Zeugenaussagen im Strafverfahren vor dem LG Bonn ergeben sich <strong>di</strong>verse<br />

Hinweise, <strong>di</strong>e neben dem inzwischen verurteilten Klaus Trzeschan auch und<br />

insbesondere Herrn Ricke und Dr. Zumwinkel belasten. Diese ergeben sich aus den<br />

Einlassungen der Angeklagten bzw. Beschul<strong>di</strong>gten, aber auch aus anderen<br />

Unterlagen.<br />

a.<br />

Einlassungen von Herrn Trzeschan in der Hauptverhandlung<br />

Herr Trzeschan erklärte in seiner Einlassung in der Hauptverhandlung, er habe in der<br />

ursprünglichen Besprechung mit Herrn Ricke u. a. am 20.01.2005 über zumindest<br />

einen „alten Fall“ berichtet, in dem <strong>di</strong>e DTAG der Lufthansa im Jahr 2000 durch <strong>di</strong>e<br />

Mitteilung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten geholfen habe, eine In<strong>di</strong>skretion innerhalb der<br />

Lufthansa aufzudecken. Hierbei war Herr Trzeschan tätig gewesen. Auch von einem<br />

anderen Fall bei der DTAG selbst habe Herr Trzeschan berichtet. Nach der<br />

gemeinsamen Besprechung sei Herr Trzeschan zu einem Vier-Augen-Gespräch mit


22<br />

Herrn Ricke geblieben, bei dem Herr Trzeschan nochmals <strong>di</strong>e Möglichkeit der<br />

Erhebung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten angesprochen habe. Auch wenn Herr Ricke keinen<br />

expliziten Auftrag <strong>zur</strong> Erhebung und Auswertung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten erteilte, sei<br />

für Herrn Trzeschan klar gewesen, dass neben der ausdrücklich beauftragten<br />

Auswertung von Presseartikeln „sozusagen im Paket“ als unterstützende Metho<strong>di</strong>k<br />

auch <strong>di</strong>e Erhebung und Auswertung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten von seinem Auftrag<br />

umfasst gewesen sei.<br />

Dass <strong>di</strong>ese Aussage, bereits am 20.01.2005 sei <strong>di</strong>e Erhebung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten<br />

angesprochen worden, zutreffen dürfte, ergibt sich auch aus der Übergabe der<br />

Mobilfunkrufnummern der Aufsichtsratsmitglieder durch eine Mitarbeiterin im<br />

gemeinsamen Büro des Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden entsprechend<br />

ihrer Zeugenaussage. In ihrem Kalender war bei der Übergabe der Mobil-Nummern<br />

an Herrn Trzeschan der Zusatz „AN-<strong>Ver</strong>treter“ eingetragen gewesen, wodurch also<br />

bereits Bezug auf das Ermittlungsziel genommen wurde. Dieser Eintrag datierte auch<br />

vom 25.01.2005, also unmittelbar nach dem Gespräch mit Herrn Ricke. Da sich Herr<br />

Ricke bei seiner eigenen Aussage auch eindeutig über <strong>di</strong>e Gesprächsteilnehmer am<br />

20.01.2005 geirrt hatte (Herr Trzeschan anstelle von Herrn Steininger), ist klar, dass<br />

er erst recht das für ihn verfängliche Vier-Augen-Gespräch mit Herrn Trzeschan im<br />

Anschluss an <strong>di</strong>e Sitzung bestritten hat.<br />

Nach unserer Auffassung ist <strong>di</strong>es ein deutlicher Hinweis darauf, dass bereits<br />

frühzeitig der <strong>Ver</strong>dacht des Geheimnisverrats ohne jeglichen Anhaltspunkt einseitig<br />

gegen <strong>di</strong>e Mandatsträger der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat<br />

der DTAG gerichtet wurde.<br />

Herr Trzeschan hat sich weiter dahingehend eingelassen, dass er Mitte Oktober für<br />

Dr. Zumwinkel eine erste Fassung eines „Sprechzettels“ erstellt habe. Am<br />

30.10.2005 habe er <strong>di</strong>esen Sprechzettel für Herrn Ricke erweitert. Dabei seien auch<br />

ausdrücklich <strong>di</strong>e Einzelverbindungen zwischen Herrn Wegner und Herrn Kowalewsky<br />

vom 20. und 21.09.2005 aufgeführt gewesen. Diesen „Sprechzettel“ hat das LG<br />

Bonn aller<strong>di</strong>ngs nicht für authentisch gehalten.


23<br />

In <strong>di</strong>esem Zusammenhang ist aller<strong>di</strong>ngs bemerkenswert, dass selbst <strong>di</strong>e StA Bonn<br />

eine Kenntnis der <strong>Ver</strong>bindungsdatenerhebung zumindest durch Dr. Zumwinkel im<br />

Oktober 2005 für „nicht fern liegend“ hält. Sie stützt ihre Annahme auf <strong>di</strong>e Aussage<br />

des Zeugen RA Prof. Dr. Hoffmann-Becking, der von Herrn Trzeschan über <strong>di</strong>e<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdatenerhebung informiert worden sein soll und <strong>di</strong>es auch gegenüber<br />

Herrn Ricke und Dr. Zumwinkel erwähnt habe. Aller<strong>di</strong>ngs ließ sich nach Meinung der<br />

StA Bonn <strong>di</strong>ese Annahme nicht mehr durch den Zeugen RA Prof. Dr. Hoffmann-<br />

Becking bestätigen, nachdem er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berief (S.<br />

12 ff. des Schreibens der StA Bonn v. 25.02.2011 an <strong>di</strong>e Anwälte Prof. Dr. Däubler-<br />

Gmelin und Baum).<br />

Zum Projekt „Clipper“ erklärte Herr Trzeschan in der Hauptverhandlung, dass <strong>di</strong>es<br />

<strong>di</strong>e Fortsetzung bzw. Änderung des Auftrages von Herrn Ricke vom 20.01.2005<br />

gewesen sei. Diese Fortführung des Auftrags habe Herr Trzeschan als sinnvolles<br />

und vom ursprünglichen Auftrag mit umfasstes „Frühwarnsystem“ <strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>hinderung<br />

zukünftiger In<strong>di</strong>skretionen für <strong>di</strong>e DTAG angesehen. .<br />

b.<br />

Wesentliche Einlassungen von Herrn Kühn im Ermittlungsverfahren<br />

Äußerungen des Angeklagten Kühn ergeben sich nur aus den Ermittlungsakten, da<br />

das <strong>Ver</strong>fahren gegen ihn vom LG Bonn aufgrund seiner krankheitsbe<strong>di</strong>ngten<br />

<strong>Ver</strong>handlungsunfähigkeit abgetrennt wurde und <strong>zur</strong> Zeit nicht absehbar ist, wann <strong>di</strong>e<br />

Hauptverhandlung terminiert wird.<br />

Diese Einlassungen im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen lassen<br />

aus unserer Sicht zumindest in<strong>di</strong>rekt ebenfalls Rückschlüsse auf <strong>di</strong>e Belastung der<br />

Beschul<strong>di</strong>gten zu, da Herr Kühn im Rahmen <strong>di</strong>eser Einlassungen über seine<br />

Gespräche mit Herrn Trzeschan und dessen Berichte über den Hintergrund seiner<br />

Beauftragung berichtet hat.


24<br />

Er erklärte in seiner <strong>Ver</strong>nehmung, er habe aus den Erwähnungen von Herrn Dr.<br />

Zumwinkel durch Herr Trzeschan während des gesamten Projekts „Rheingold“ den<br />

Eindruck gewinnen müssen, dass Herr Dr. Zumwinkel über den Gesamtumfang des<br />

Projekts „Rheingold“ inkl. der ausgewerteten <strong>Ver</strong>bindungsdaten informiert war. Herr<br />

Kühn glaubte auch sich zu erinnern, dass Herr Trzeschan Herrn Ricke persönlich<br />

informiert habe.<br />

Anfang 2006 habe Herr Trzeschan Herrn Kühn alsdann angesprochen, um ein<br />

Frühwarnsystem zu entwickeln, das un<strong>di</strong>chte Quellen aufspüre. Gegenstand des<br />

Projekts soll <strong>di</strong>e Speicherung von Daten - <strong>Telekom</strong>munikationsverbindungsdaten -<br />

ohne konkreten Anlass gewesen sein. Herr Kühn habe <strong>di</strong>e Übernahme des Clipping-<br />

Service für <strong>di</strong>e DTAG durch <strong>di</strong>e Firma Network vorgeschlagen. Ende Februar/Anfang<br />

März 2006 habe Herr Kühn dann angefangen, das Konzept in <strong>di</strong>e Tat umzusetzen,<br />

indem er zunächst rückwirkend <strong>di</strong>e letzten 12-15 Monate, also ab dem 01.01.2005,<br />

Presseberichterstattung ausgewertet habe. Beurteilungskriterium sei <strong>di</strong>e Frage<br />

gewesen, ob ein Artikel Interna enthalte und ggf. mit welcher Wahrscheinlichkeit er<br />

Interna enthalte. Als Ergebnis habe man etwa im April 2006 festgestellt, dass<br />

bestimmte Autoren immer wieder das höchste Ranking erreichten. Ein Personenkreis<br />

von mindestens 50 Personen sei als Informant für Topinformationen in Frage<br />

gekommen.<br />

Die Erhebung der <strong>Ver</strong>bindungsdaten sowie deren statistische Aufbereitung eines<br />

solchen Kreises sei völlig undurchführbar und unbezahlbar gewesen. Deshalb sei als<br />

einzige Lösung in Frage gekommen, <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>bindungsdaten der Top-Brisanz-<br />

Journalisten zu erheben.<br />

c.<br />

Einlassungen der Herren Gottschalch, Grombach, Ricke<br />

Herr Gottschalch sagte aus, er habe den ersten Auftrag damals von Herrn Trzeschan<br />

bekommen und von ihm zwei Rufnummern erhalten, <strong>di</strong>e überwacht werden sollten.


25<br />

Nach seiner Erinnerung handelte es sich um <strong>di</strong>e Rufnummern von Herrn Wegner und<br />

Herrn Kowalewsky. Diese Nummern gab Herr Gottschalch an Herrn Grombach, der<br />

<strong>di</strong>e von ihm ermittelten Informationen über <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>bindungen an Herrn Gottschalch<br />

<strong>zur</strong>ückgab, bevor Herr Gottschalch sie an Herrn Trzeschan weiterleitete. Später<br />

übergab Herr Gottschalch <strong>di</strong>e Daten <strong>di</strong>rekt an den Mitarbeiter Bartsch der Firma<br />

Network. In der Hauptverhandlung vor dem LG Bonn erklärte Herr Gottschalch als<br />

Angeklagter zudem, Herr Trzeschan habe ihm gegenüber erwähnt, dass der Auftrag<br />

<strong>zur</strong> Auswertung der <strong>Ver</strong>bindungsdaten von Herrn Ricke komme. Nach Gottschalchs<br />

damaliger Auffassung habe es sich bei der Auswertung der <strong>Ver</strong>bindungsdaten um<br />

eine Maßnahme <strong>zur</strong> Bekämpfung missbräuchlicher Nutzung der <strong>Telekom</strong>munikation<br />

gehandelt, <strong>di</strong>e nach § 100 Abs. 3 TKG zulässig gewesen sei. Er sei sich insofern zu<br />

„100 % handlungssicher“ gewesen. Inzwischen sei sich Herr Gottschalch in Bezug<br />

auf <strong>di</strong>e Rechtmäßigkeit seines damaligen Handelns unsicher. Wenn man damals<br />

„den Richtigen gefunden hat“, seien <strong>di</strong>e Maßnahmen möglicherweise zielführend<br />

gewesen, aber „nicht klug“. Zitat Herr Gottschalch: „Wenn man sich mit der Presse<br />

und dem Sozialpartner anlegt, zieht man in jedem Fall den Kürzeren.“ Auf eine<br />

entscheidende Einsicht in <strong>di</strong>e Rechtswidrigkeit seiner Handlungen lässt <strong>di</strong>es aus<br />

unserer Sicht aber nicht schließen, zumal <strong>di</strong>e DTAG mit der rechtswidrigen<br />

Datenerhebung ja den „Richtigen“ gerade nicht fand.<br />

Herr Grombach erklärte in seiner Anhörung durch <strong>di</strong>e DTAG schon im Zuge des<br />

Disziplinarverfahrens, Herr Gottschalch habe 2005 zu ihm Kontakt aufgenommen<br />

und ihm mitgeteilt, dass es um einen Auftrag von ganz oben gehe. Inhalt des<br />

Auftrags sei, eine oder mehrere Personen zu identifizieren, <strong>di</strong>e vertrauliche<br />

Informationen aus dem Konzern unbefugt an Dritte herausgeben würden bzw.<br />

herausgegeben hätten. Zumindest im <strong>Ver</strong>lauf der Zusammenarbeit teilte Herr<br />

Gottschalch hiernach Herrn Grombach mit, dass Herr Ricke der Auftraggeber sei.<br />

Herrn Grombachs Aufgabe war es, zu einer „Handvoll“ von Herrn Gottschalch<br />

mitgeteilter Mobilfunkrufnummern ein- und ausgehende Gespräche in den Systemen<br />

der T-Mobile zu erheben.


26<br />

Herr Grombach konnte in seiner Anhörung durch <strong>di</strong>e DTAG am 11.062011 im Zuge<br />

des Disziplinarverfahrens nicht ausschließen, dass er im Rahmen seiner<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdatenrecherchen auch eigenstän<strong>di</strong>g <strong>Ver</strong>kehrsdaten zu Mobilfunkanschlüssen<br />

erhob, <strong>di</strong>e ihm für <strong>di</strong>e Aufklärung interessant erschienen. Nach seiner<br />

Erklärung war ihm bei Durchführung des Auftrags wahrscheinlich bekannt, dass <strong>di</strong>e<br />

von ihm auf Überwachung gelegten Karten entweder von Mitgliedern des<br />

Aufsichtsrats oder des Vorstands benutzt wurden. Die von ihm in den Systemen<br />

MEGS und/oder CARMEN erhobenen <strong>Ver</strong>bindungsdaten übermittelte er jeweils<br />

Herrn Gottschalch per E-Mail. Nach seiner Erinnerung lieferte Herr Grombach über<br />

einen Zeitraum von etwa 3 bis 4 Monaten <strong>di</strong>e Daten an Herrn Gottschalch.<br />

Herr Ricke hat sich im Ermittlungsverfahren nur über seinen <strong>Ver</strong>tei<strong>di</strong>ger RA Prof. Dr.<br />

Hamm schriftlich geäußert. Bereits hierin wurde von ihm behauptet, dass am<br />

Gespräch vom 20.01.2005 nur Herr Balz, Herr Lennartz und Herr Steininger<br />

teilgenommen hätten. Erstmals habe ein Treffen Herrn Rickes mit Herrn Trzeschan<br />

am 24.02.2005 stattgefunden. Ein weiteres Treffen am 06.06.2005 <strong>di</strong>ente hiernach<br />

der erstmaligen Information Herrn Rickes über den Stand der Bemühungen in der<br />

Sicherheitsabteilung. Herr Ricke erinnerte sich daran, dass eine Papierrolle auf<br />

seinem Tisch ausgebreitet wurde, auf der <strong>di</strong>e Namen von mehreren<br />

Aufsichtsratsmitgliedern skizziert und ihr jeweiliger Kenntnisstand im zeitlichen<br />

Zusammenhang mit Presseveröffentlichungen dargestellt werden sollte. Dabei<br />

gehörte Herr Wegner zum Kreis von vier „<strong>Ver</strong>dächtigen“.<br />

Erst im Gespräch mit Herrn Trzeschan am 30.08.2005 habe Herr Ricke erfahren,<br />

dass Herr Wegner auf Basis einer eidesstattlichen <strong>Ver</strong>sicherung, <strong>di</strong>e ein ehemaliger<br />

Mitarbeiter der Zeitschrift „Capital“ bereit sei zu unterschreiben, als Urheber des<br />

Geheimnisverrats praktisch überführt wäre.<br />

Herr Ricke konnte sich nicht erinnern, ob Herr Trzeschan weitere Unterlagen dabei<br />

hatte, welchen konkreten Inhalt <strong>di</strong>e eidesstattliche <strong>Ver</strong>sicherung gehabt bzw. wer sie<br />

genau unterschrieben haben sollte. Herr Ricke sagte in seiner <strong>Ver</strong>nehmung vor<br />

Gericht: „Ich habe Herrn Trzeschan vollstän<strong>di</strong>g vertraut und geglaubt.“ Im Ergebnis


27<br />

stand für Herrn Ricke auch ohne jeglichen belastbaren Nachweis fest, dass er wegen<br />

der hervorgehobenen Stellung von Herrn Wegner <strong>di</strong>e Informationen an Dr.<br />

Zumwinkel weiterleiten müsse. Dies sei am 30.08.2005 abends geschehen.<br />

Herr Ricke erinnerte sich, dass irgendwann im September oder Anfang Oktober Herr<br />

Klinkhammer zusammen mit Herrn Trzeschan und Herrn Steininger zu einem<br />

kurzfristig telefonisch angekün<strong>di</strong>gten Besuch bei ihm im Büro erschien. Herr Ricke<br />

habe in dem Gespräch Herrn Trzeschan aufgefordert, Herrn Klinkhammer alles zu<br />

erzählen, was er auch ihm selbst berichtet hatte. Dies sei dann auch geschehen.<br />

Herr Ricke erklärte weiter, im Gespräch am 19.10.2005 mit Herrn Dr. Zumwinkel und<br />

Herrn Prof. Dr. Hoffmann-Becking hätte es keinen Hinweis auf laufende oder<br />

irgendwann während seiner Amtszeit stattgefundene illegale Methoden wie der<br />

<strong>Ver</strong>wendung von <strong>Telekom</strong>munikations-<strong>Ver</strong>bindungsdaten gegeben. Allgemein hatte<br />

Herr Ricke angeblich auch von der Beauftragung irgendwelcher Drittunternehmen<br />

durch <strong>di</strong>e Sicherheitsabteilung der DTAG in dem gesamten fraglichen Zeitraum keine<br />

Kenntnis. Von der Existenz und Tätigkeit der Fa. Network Deutschland GmbH für <strong>di</strong>e<br />

DTAG hat Herr Ricke angeblich erstmals etwas aus der Presse im Jahre 2008 und<br />

dann aus den Ermittlungsakten erfahren.<br />

Glaubhaft erscheint uns <strong>di</strong>es aufgrund der o.g. Faktenlage nicht.<br />

Zum einen wäre es höchst unwahrscheinlich, dass Herr Ricke in den wiederholten<br />

Treffen mit Herr Trzeschan anlässlich der Berichte über <strong>di</strong>e Ermittlungen nicht<br />

zumindest nach dem Hintergrund <strong>di</strong>eser Ermittlungen und den ermittelnden<br />

Personen gefragt hätte.<br />

Zum anderen hat Herr Steininger in seiner Zeugenaussage vor dem LG Bonn am<br />

06.10.2010 erklärt, dass es mit den Firmen Argen, Toribos und Network<br />

Rahmenvereinbarungen gab, so dass Herr Trzeschan ohne Rücksprache mit dem<br />

Einkauf Aufträge erteilen konnte. Auf Frage der StA gab Herr Steininger an, dass er<br />

von Herrn Trzeschan wüsste, der Auftrag an Network <strong>zur</strong> Presseauswertung sei ein<br />

Großauftrag gewesen, der auch zu riesigen Ausgaben führen werde.


28<br />

Derartige Großaufträge können aber kaum ohne jegliches Wissen oder Interesse des<br />

Vorstandsvorsitzenden durchgeführt worden sein.<br />

d.<br />

Sonstiges: Aussage und Handakte von RA Prof. Dr. Hoffmann-Becking<br />

Aus der Handakte von RA Prof. Dr. Hoffmann-Becking sowie aus seiner<br />

staatsanwaltlichen <strong>Ver</strong>nehmung vom 23.06.2008 ergibt sich aus unserer Sicht<br />

ebenfalls belastend, dass Herr Ricke und Herr Dr. Zumwinkel über <strong>di</strong>e Erhebung von<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdaten in Kenntnis gesetzt worden sein müssten. So erstellte hiernach<br />

Prof. Dr. Hoffmann-Becking für das Gespräch zwischen Herrn Ricke, Herrn Dr.<br />

Zumwinkel und Herrn Wegner am 31.10.2005 einen „Sprechzettel“. Hiernach sollten<br />

<strong>di</strong>e erhobenen <strong>Ver</strong>bindungsdaten als „Druckmittel“ gegen Wegner verwendet<br />

werden. In seiner <strong>Ver</strong>nehmung vom 23.06.2008 hat Prof. Dr. Hoffmann-Becking<br />

gegenüber der StA Bonn ausgesagt, dass nach seiner Erinnerung in <strong>di</strong>esem<br />

Gespräch über <strong>di</strong>e Erhebung von <strong>Ver</strong>bindungsdaten vom Handy von Herrn Wegner<br />

gesprochen worden sei. Die technische Frage, auf welche Art und Weise <strong>di</strong>ese<br />

Daten ermittelt worden seien, sei jedoch überhaupt nicht erörtert worden.<br />

Es erscheint uns aber wenig glaubhaft, dass <strong>di</strong>eses sensible Thema nicht erörtert<br />

und Prof. Dr. Hoffmann-Becking vor einer rechtswidrigen Datenerhebung quasi <strong>di</strong>e<br />

Augen verschlossen haben soll.<br />

4.<br />

Belastung des Unternehmens<br />

Aus den Ermittlungsakten und dem Prozessverlauf vor dem Landgericht Bonn ergibt<br />

sich, dass wesentliche Aspekte des Datenskandals, sowohl in der mündlichen


29<br />

<strong>Ver</strong>handlung, als auch in seiner Entscheidung völlig außer Acht gelassen wurden.<br />

Das Gericht, das um <strong>di</strong>e Aufklärung persönlicher Schuld Einzelner bemüht war, hat in<br />

vielen Fragen <strong>di</strong>e Position und Dimension des Unternehmens Deutsche <strong>Telekom</strong><br />

völlig ausgeblendet oder nur am Rande gestreift. So ergeben sich erhebliche<br />

Belastungen des Unternehmens nicht nur im Hinblick auf den Zeitraum des<br />

Datenskandals, sondern auch im Hinblick auf <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>gangenheit.<br />

Es lassen sich Handlungsweisen und Praktiken illegaler Methoden des Umganges<br />

mit Daten erkennen, <strong>di</strong>e schon in früheren Vorgängen angewandt und genutzt<br />

wurden um sie dann im Rahmen des Datenskandals weiter, wenn man es so<br />

ausdrücken kann, zu „verfeinern“ und auch miteinander zu „verzahnen“.<br />

Diese Handlungsweisen lassen sich in <strong>di</strong>e folgenden grundlegenden Raster<br />

unterteilen:<br />

1. Austausch vertraulicher Kunden- und Geschäftsdaten durch <strong>di</strong>e<br />

Konzernsicherheit mit anderen Unternehmenssicherheiten,<br />

2. Illegales Erheben von Daten,<br />

3. Zusammenarbeit der Konzernsicherheit mit Drittunternehmen bei der<br />

Auswertung und Erhebung von Daten und ein damit verbundener erheblicher<br />

finanzieller Freiraum,<br />

Auffällig ist dabei, dass <strong>di</strong>e Konzernsicherheit wohl in einem teilweise<br />

überwachungsfreien, oder zumindest einer Überwachung nicht zugänglichen,<br />

Rahmen gearbeitet haben muss, denn <strong>di</strong>e datenschutzrechtlichen <strong>Ver</strong>stöße waren<br />

keine Einzelfälle.


a.<br />

30<br />

Austausch vertraulicher Kunden- und Geschäftsdaten durch <strong>di</strong>e<br />

Konzernsicherheit mit Sicherheitsabteilungen anderer Unternehmen<br />

Es ergibt sich aus den Ermittlungsakten, dass <strong>di</strong>e Konzernsicherheit der DTAG nicht<br />

nur mit durch sie selbst gewonnen Informationen arbeitete, sondern mit den<br />

Sicherheitsabteilungen anderer Unternehmen zumindest informell zusammen arbeitete.<br />

Nach Angaben eines Beschul<strong>di</strong>gten wurden vertrauliche Kunden- und<br />

Geschäftsdaten anderer Unternehmen durch Mitarbeiter der Konzernsicherheit<br />

einbezogen, <strong>di</strong>e auf der Grundlage von Kontakten auf Arbeitsebene zu Angehörigen<br />

der Sicherheitsabteilungen anderer Unternehmen beschafft und nachfolgend an eine<br />

<strong>di</strong>e Daten auswertende Drittfirma weitergegeben wurden. Anhand <strong>di</strong>eser Daten seien<br />

Bewegungsprofile eines Journalisten und eines Aufsichtsratsmitgliedes (Herr<br />

Kowalewsky und Herr Wegner) erstellt worden. Den Aussagen des Beschul<strong>di</strong>gten<br />

zufolge stammten <strong>di</strong>ese „Fremddaten“ von mehreren Unternehmen, <strong>di</strong>e das Wort<br />

„Deutsch“ im Firmennamen führen. Als beispielhafter Beleg hierfür wurde ein<br />

Faxschreiben mit der Absenderkennung „LH Konzernsicherheit“ an <strong>di</strong>e<br />

Konzernsicherheit der DT AG <strong>zur</strong> Einsichtnahme präsentiert, das Daten über den<br />

Flug eines Journalisten (Herr Kowalewsky) enthielt.<br />

Im Jahre 2000 habe <strong>di</strong>e Konzernsicherheit der <strong>Telekom</strong> an <strong>di</strong>e Konzernsicherheit<br />

eines anderen deutschen Unternehmens Telefondaten bzw. <strong>Ver</strong>bindungsdaten im<br />

Rahmen der „Kollegenhilfe“ geliefert. Dabei soll es sich ebenfalls um<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdaten eines Journalisten gehandelt haben.


.<br />

31<br />

Zusammenarbeit der Konzernsicherheit mit Drittunternehmen bei der illegalen<br />

Auswertung und Erhebung von Daten und ein großer unüberwachter<br />

finanzieller Freiraum<br />

Aus den Akten ergibt sich weiterhin, dass Drittunternehmen, wie insbesondere z. B.<br />

<strong>di</strong>e Firma Network Deutschland GmbH, in erheblichem Maß <strong>zur</strong> Erhebung und<br />

Auswertung der Daten bis hin zu Massendatenanalysen unter erheblichem<br />

Kostenaufwand herangezogen wurden.<br />

Zum Einen handelte es sich dabei um Massendatenanalysen (Projekt „Rheingold“).<br />

Zum Anderen wurde aber auch auf einzelne Personen hin und ihre „gefährliche“<br />

Relevanz hin für <strong>di</strong>e DTAG ermittelt (Projekt „Clipper“).<br />

So erteilte man einem Drittunternehmen den Auftrag, regelmäßig zu überprüfen,<br />

welche Journalisten aus ausgewählten Publikationen <strong>Telekom</strong>interna veröffentlichen<br />

und hierüber Bericht erstatten und ein Ranking über sie zu erstellen.<br />

Die <strong>Telekom</strong>munikationsverbindungsdaten aus dem Festnetz- und Mobilfunkdatenbereich<br />

der höchst gerankten Journalisten sowie <strong>di</strong>e <strong>Telekom</strong>munikationsverbindungsdaten<br />

geschäftlicher und privater Anschlüsse mehrerer Aufsichtsratsmitglieder<br />

der Arbeitnehmerseite wurden dann in den Systemen der Deutschen <strong>Telekom</strong><br />

und der T-Mobile Deutschland systematisch erhoben und zu Analysezwecken an <strong>di</strong>e<br />

Firma Network Deutschland GmbH übersandt.<br />

Hierbei fällt insbesondere auf, dass <strong>di</strong>e <strong>di</strong>e Firma Network Deutschland GmbH<br />

hierfür erhebliche Kosten in Rechnung gestellt hat, <strong>di</strong>e auch auf <strong>Ver</strong>anlassung der<br />

Konzernsicherheit zumindest bis in den November 2006 anstandslos bezahlt wurden,<br />

ohne dass <strong>di</strong>ese im Zusammenhang mit ihrer Zahlung inhaltlich überprüft oder im<br />

Nachgang durch <strong>di</strong>e Revision bemängelt wurden.


32<br />

Hätte eine solche Überprüfung von dritter Seite im Unternehmen stattgefunden, hätte<br />

man schon zu einem weit früheren Zeitraum <strong>di</strong>e rechtswidrige Zusammenarbeit der<br />

Konzernsicherheit mit der Fa. Network Deutschland GmbH unterbinden können.<br />

c.<br />

Ergebnis<br />

Somit ergibt sich, dass über Jahre hinweg insbesondere im Bereich der<br />

Konzernsicherheit eklatant gegen den Datenschutz verstoßen wurde. Eine<br />

Überwachungsstruktur nach klaren Standards insbesondere <strong>di</strong>e Konzernsicherheit<br />

betreffend hat es nicht gegeben, obwohl aus Hinweisen in der <strong>Ver</strong>gangenheit eine<br />

Notwen<strong>di</strong>gkeit zwingend hierfür bestanden hätte.<br />

4.<br />

Unterlassungen und <strong>Ver</strong>säumnisse der Ermittlungsbehörden<br />

Nachdem nicht nur <strong>di</strong>e DTAG selbst erst am 21.05.2008 – nach unseren jetzigen<br />

Erkenntnissen zu einem äußerst späten Zeitpunkt, da unternehmensinterne<br />

Erkenntnisse längst vorlagen -, sondern auch wir als <strong>Ver</strong>treter der Geschä<strong>di</strong>gten am<br />

10.07.2008 Strafanzeigen wegen <strong>Ver</strong>letzung des Fernmeldegeheimnisses, des<br />

Datenschutzgesetzes sowie aller sonst in Betracht kommender Strafvorschriften<br />

sowie entsprechende Strafanträge für alle in Betracht kommenden Antragsdelikte (z.<br />

B. Behinderung der Betriebsratstätigkeit und Mitbestimmung sowie Ehrdelikte)<br />

gestellt hatten, dauerte es trotz mindestens vier weiterer ausdrücklicher<br />

Ergänzungsschreiben mit unzähligen Hinweisen für <strong>di</strong>e Ermittlungsbehörden bis zum<br />

19.08.2010, bis wir wenigstens eine eingeschränkte Akteneinsicht in <strong>di</strong>e<br />

Ermittlungsakten per Beschluss durch das Landgericht Bonn erhielten. Aus der<br />

Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft Bonn vom 08.06.2010, in der unsere


33<br />

Strafanzeigen und Schreiben nicht einmal Erwähnung finden, und aus den später<br />

übersandten Teilen der Ermittlungsakten ergibt sich, dass unseren detailliert<br />

dargelegten <strong>Ver</strong>dachtsmomenten, insbesondere dem <strong>Ver</strong>dacht auf ein gezieltes<br />

Vorgehen gegen Arbeitnehmervertreter/innen in keinster Weise nachgegangen<br />

wurde.<br />

Das ist ein <strong>Ver</strong>stoß gegen § 152 Strafprozessordnung (StPO), nämlich der Pflicht der<br />

Staatsanwaltschaft, bei konkreten Hinweisen für einen tatsächlichen Geschehensablauf<br />

genau zu prüfen, ob <strong>di</strong>e Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten<br />

vorliegt, um dann mit <strong>di</strong>esem Anfangsverdacht <strong>di</strong>e Ermittlungen umfassend<br />

aufzunehmen.<br />

Dieser Bericht beschränkt sich auf einige besonders schwerwiegende<br />

Unterlassungen der Ermittlungsbehörden; <strong>di</strong>e vollstän<strong>di</strong>ge Aufzählung ist unserer<br />

abschließenden Beschwerdebegründung gegen <strong>di</strong>e Einstellungsverfügung der<br />

Staatsanwaltschaft Bonn hinsichtlich der „Nicht“-Anklageerhebung gegen Herrn<br />

Ricke und Dr. Zumwinkel zu entnehmen:<br />

a.<br />

Aus den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft, den Zeugenvernehmungen des<br />

Landgerichts Bonn (Herr Dr. Balz und Herr Bauer von der DTAG) sowie aus dem<br />

Urteil des Landgerichts Bonn ergibt sich eindeutig, dass <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft<br />

Bonn gleich zu Beginn der Ermittlungen Ende Mai 2008 umfangreiche<br />

Ausdrucklisten zu den technischen Vorgängen der Einzelverbindungsnachweiserhebung<br />

über <strong>di</strong>e DTAG erhalten hatte. So heißt es unter anderem in der<br />

Ermittlungsakte: „Die Erstellung eines unter dem Projektnamen „Hagelsturm“<br />

geführten Softwareprogramm, welches in <strong>di</strong>e Systeme der Deutschen <strong>Telekom</strong><br />

installiert und eingespielt wurde, erlaubte es zudem, <strong>di</strong>e Durchführung einer<br />

automatisierten Massendatenanalyse des gesamten Telefonverkehrs durch


34<br />

spezielle Filterungen und <strong>Ver</strong>knüpfungen mit Adress- und Bankdaten von Kunden<br />

vorzunehmen.“<br />

Aus den vorgenannten Quellen ergeben sich darüber hinaus ebenfalls eindeutig<br />

eine Vielzahl von hoch technisierten Systemen (z. B. das „MEGS“), <strong>di</strong>e<br />

grundsätzlich geeignet sind, eine unzulässige Überwachung und Ausspähung der<br />

Mitarbeiter/innen und von Kunden/innen vorzunehmen. Die Staatsanwaltschaft hat<br />

es trotz entsprechender konkreter Hinweise unterlassen, <strong>di</strong>e verwendete<br />

verschiedene Software und <strong>di</strong>e technischen Systeme genauer ggf. durch IT-<br />

Sachverstän<strong>di</strong>ge untersuchen zu lassen. Hierbei hätte geklärt werden müssen und<br />

können, dass <strong>di</strong>e Reduzierung der <strong>Ver</strong>bindungsnachweise auf ausschließlich<br />

Arbeitnehmervertreter/innen, Gewerkschafter und Journalisten ausschließlich<br />

durch <strong>di</strong>e gezielte Einrichtung und Eingaben von durch Menschen eingerichteter<br />

und programmierter Filtersystemen möglich war.<br />

Darüber hinaus hat es <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den mehrere<br />

Leitzordner umfassenden Ausdrucklisten von <strong>Ver</strong>bindungsnachweisen, <strong>di</strong>e im<br />

Vorstandsbereich aufbewahrt wurden unterlassen, <strong>di</strong>ese daktyloskopisch auf<br />

Fingerabdrücke untersuchen zu lassen um festzustellen, wer genau über <strong>di</strong>e<br />

Anzahl der Beschul<strong>di</strong>gten hinaus <strong>di</strong>ese Unterlagen in Händen gehalten hat und<br />

damit auch Kenntnis der unzulässigen Vorgänge und der zu Unrecht erhobenen<br />

<strong>Ver</strong>bindungsdaten erlangt hat.<br />

b.<br />

Aus der Ermittlungsakte ergeben sich darüber hinaus Hinweise auf<br />

Sprachauswertungen von Telefonaten, E-Mail-Überprüfungen und Einsichtnahme<br />

in private Bankdaten. Diesen Hinweisen hat <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft Bonn keinerlei<br />

Beachtung geschenkt und hat sich frühzeitig in ihrer Ermittlungshypothese auf den<br />

Straftatbestand der <strong>Ver</strong>letzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses reduziert.<br />

Sie hat trotz des klar erkennbaren Anfangsverdachtes <strong>di</strong>e Ermittlungen nicht auf


35<br />

anderweitige Straftatbestände wie z. B. das Ausspähen von weiteren Daten etc.<br />

ausgedehnt.<br />

c.<br />

Schon vor unserer Strafanzeige im Juli 2008 ist laut Ermittlungsakte von Beginn<br />

der Ermittlungen Ende Mai 2008 klar erkennbar gewesen, dass eine<br />

Zielgerichtetheit gegen eine bestimmte Gruppe hinsichtlich der Einzelverbindungsnachweise<br />

vorlag, nämlich <strong>di</strong>e der Arbeitnehmervertreter bei der DTAG und der<br />

mit der DTAG in <strong>Ver</strong>bindung gebrachten Gewerkschafter. Obgleich <strong>di</strong>e<br />

Staatsanwaltschaft in ihrer Ermittlungshypothese Ende Mai 2008 selbst deutlich<br />

vermerkt hat, dass es sich insbesondere beim Projekt „Rheingold“ ausschließlich<br />

um Einzelverbindungsdaten von „geschä<strong>di</strong>gten Arbeitnehmervertretern“ handelt,<br />

wurde über den Straftatbestand der Behinderung der Betriebsratstätigkeit gem.<br />

§ 119 BetrVG sowie der <strong>Ver</strong>letzung der Mitbestimmungsrechte weder ermittelt<br />

noch beschieden. Die Staatsanwaltschaft hätte erkennen müssen, dass in den<br />

Jahren 2005 und 2006 umfassende Umstrukturierungsmaßnahmen mit<br />

erheblichen Konflikten im DT-Konzern stattgefunden haben. Die gesamten<br />

Rahmenbe<strong>di</strong>ngungen wurden von der Staatsanwaltschaft weder ermittelt noch im<br />

Rahmen der Eruierung der Motivlagen <strong>zur</strong> Kenntnis genommen.<br />

d.<br />

Laut Ermittlungsakte vermerkt ein Staatsanwalt Ende Mai 2008 bereits, dass Herr<br />

Ricke als ehemaliger Vorstandsvorsitzender und Dr. Zumwinkel als ehemaliger<br />

Aufsichtsratsvorsitzender ebenfalls als Beschul<strong>di</strong>gte in Betracht kommen.<br />

Dennoch unterlässt es <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft anders als bei den anderen fünf<br />

Beschul<strong>di</strong>gten zeitnah Anträge auf Hausdurchsuchung und Beschlagnahme von<br />

Unterlagen beim zustän<strong>di</strong>gen Amtsgericht Bonn zu stellen. Diese Anträge<br />

bezüglich Hausdurchsuchungen bei Herrn Ricke und Dr. Zumwinkel werden<br />

zeitlich sehr viel später gestellt. Bei der Hausdurchsuchung im Hause Dr.


36<br />

Zumwinkel in Italien war bei Eintreffen der Beamten ein von Dr. Zumwinkel<br />

bevollmächtigter Rechtsanwalt sogar schon vor Ort. Aus den Ermittlungsakten<br />

ergibt sich zudem nicht, ob <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft den Anwalt und den<br />

Beschul<strong>di</strong>gten überhaupt danach befragt hat, ob zuvor relevante Dokumente und<br />

Unterlagen „aufgeräumt“ worden waren.<br />

e.<br />

Mit <strong>Ver</strong>fügung zum Durchsuchungsantrag bei den o. g. fünf Beschul<strong>di</strong>gten an das<br />

Amtsgericht Bonn beschreibt <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft den Vorgang, dass auf<br />

<strong>Ver</strong>anlassung der Konzernsicherheit bei der Wirtschaftsredaktion der Zeitung<br />

Capital ein „Maulwurf“ eingeschleust worden sein soll, der sich dort<br />

Outlookkontaktdaten sowie Informationen über redaktionsinterne Vorgänge und<br />

Termine verschafft haben soll und <strong>di</strong>ese über <strong>di</strong>e DTAG an <strong>di</strong>e Fa. Network<br />

Deutschland GmbH weitergeleitet haben soll. Auch <strong>di</strong>esem <strong>Ver</strong>dacht, der im Falle<br />

seiner Bestätigung in mehrfacher Hinsicht höchst strafbar wäre, ist <strong>di</strong>e<br />

Staatsanwaltschaft mit keinerlei ausreichenden Ermittlungsmaßnahmen<br />

nachgegangen. Sie hat nicht einmal geprüft, ob <strong>di</strong>eses Ausspähen von Daten<br />

möglicherweise eine auch gegenüber den von uns vertretenen Geschä<strong>di</strong>gten eine<br />

systematisch verwendete Methode war.<br />

f.<br />

Trotz eines <strong>Ver</strong>merks in der Ermittlungsakte, dass schon im Jahr 2003 ein<br />

Mitarbeiter der DTAG für den Bereich IT-Sicherheit sich hilfesuchend an den<br />

Bundesrechnungshof gewandt hatte, da es bei den IT-Systemen der Deutschen<br />

<strong>Telekom</strong> im Themenbereich „Abhören und unbefugte Kenntnisnahme“ erhebliche<br />

Probleme gebe, ist <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft weder dem Themenbereich „Abhören<br />

und unbefugte Kenntnisnahme“ bei der DT AG noch im Rahmen der Ermittlungen<br />

zu den Projekten „Rheingold“ und „Clipper“ der Frage der <strong>Ver</strong>wendung und<br />

Möglichkeiten <strong>di</strong>eser unsicheren IT-Systeme nachgegangen. Es wurde daher nicht


37<br />

ermittelt, ob über <strong>di</strong>e Erhebung von Mobilfunk- und Festnetz-<br />

Einzelverbindungsnachweisen hinaus andere „Abhörmaßnahmen“ wie<br />

Sprachauswertungen von Fest- oder Mobilfunktelefonaten stattgefunden haben<br />

oder nicht.<br />

g.<br />

Ein <strong>Ver</strong>merk in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft stellt fest, dass <strong>di</strong>e<br />

bei den Beschul<strong>di</strong>gten beschlagnahmten Computer augenscheinlich keine<br />

Hinweise und Namensnennungen insbesondere der Herren Dr. Zumwinkel und<br />

Ricke, aber auch nicht zu beispielsweise Herrn Wilhelm Wegner enthalten. Bei<br />

Herrn Trzeschan war auffällig, dass überhaupt keine T-Laufwerk-Sicherung<br />

vorhanden war. Ebenso bei den Herren Gottschalch, Grombach, Steininger und<br />

Ricke. Es stellt sich für uns <strong>di</strong>e Frage, ob hier nicht gezielt und systematisch<br />

<strong>Ver</strong>änderungen bzw. Löschungen vorgenommen wurden. Auch <strong>di</strong>eser Frage<br />

wurde nicht weiter nachgegangen.<br />

In der Ermittlungsakte wird ebenfalls vermerkt, dass für <strong>di</strong>e Jahre 2005 und 2006<br />

keinerlei E-Mail oder andere Dokumente in den Postfächern der Beschul<strong>di</strong>gten<br />

vorhanden sind, <strong>di</strong>e irgendeine Beziehung <strong>zur</strong> Ermittlungsthematik haben. Eine<br />

Systematik der Löschung von Dateien lässt sich daher nicht erkennen. Die<br />

Staatsanwaltschaft hätte aufgrund <strong>di</strong>eser Erkenntnisse zum einen anordnen<br />

müssen, alles zu versuchen, um gelöschte Dateien wieder herzustellen bzw. hätte<br />

sie noch bestehende Postfächer auch im Umfeld sämtlicher Beschul<strong>di</strong>gter sichern<br />

müssen. Gleichzeitig hätten Erkenntnisse eingeholt werden müssen, <strong>di</strong>e zu einer<br />

koor<strong>di</strong>nierten und abgesprochenen Löschung und Bereinigung von<br />

Datenbeständen geführt haben. Zu klären wäre auch gewesen, ob es Hinweise<br />

oder Warnungen vor dem Handeln der Staatsanwaltschaft gegeben hat, <strong>di</strong>e zu<br />

<strong>di</strong>esen Löschungen bzw. Bereinigungen auf den entsprechenden Datenträgern<br />

geführt haben.


38<br />

Insgesamt zeigen schon <strong>di</strong>ese, wie erwähnt nicht abschließenden konkreten<br />

Beispiele <strong>di</strong>e Unterlassungen der Staatsanwaltschaft deutlich auf; <strong>di</strong>e<br />

Staatsanwaltschaft hat entgegen ihrer ursprünglichen eigenen Ermittlungshypothese<br />

nur einen kleinen Ausschnitt aus dem tatsächlichen Geschehensablauf in den Jahren<br />

2005 und 2006 bei der DTAG für <strong>di</strong>e strafrechtliche Bewertung herangezogen und<br />

eine sehr schnelle Reduzierung des Täter- und Teilnehmerkreises auf nur vier<br />

Personen vorgenommen. Diese Unterlassungen und Reduzierungen stellen nach<br />

unserer strafrechtlichen Beurteilung einen <strong>Ver</strong>stoß gegen das Legalitätsprinzip gem.<br />

§ 152 StPO dar, also einen <strong>Ver</strong>stoß gegen <strong>di</strong>e Pflicht der Staatsanwaltschaft bei<br />

Vorliegen eines Anfangsverdachtes <strong>di</strong>e Ermittlungen aufzunehmen.<br />

III.<br />

Erfahrungen und Bewertungen durch einzelne geschä<strong>di</strong>gte Mandatsträger und<br />

Beschäftigte<br />

Aus dem Kreis der vielen durch <strong>di</strong>e Bespitzelungsaktionen geschä<strong>di</strong>gten Betroffenen<br />

haben <strong>di</strong>e langjährige Sekretärin des Vorsitzenden des Konzernbetriebsrates der<br />

DTAG, Frau Helene Hultgren, der frühere Vorsitzende des Konzernbetriebsrates der<br />

DTAG und Mitglied des Aufsichtsrats der DTAG, Herrn Wilhelm Wegner und der stv.<br />

Vorsitzende des Aufsichtsrates der DTAG, Herr Lothar Schröder, eigene Berichte<br />

angefügt, in denen sie ihre Erfahrungen und Bewertungen festhalten.<br />

1.<br />

Helene Hultgren<br />

mich hat <strong>di</strong>e <strong>Bespitzelungsaffäre</strong> tief erschüttert und es hat lange gedauert, bis ich in<br />

der Lage war, meine Erfahrungen und Empfindungen zu Papier zu bringen.


39<br />

Bekanntlich arbeite ich ja seit 10 Jahren bei der DTAG im Büro des<br />

Konzernbetriebsratsvorsitzenden.<br />

Da der Vorsitzende des KBR auch Mitglied im AR der DTAG war, hielten er und auch<br />

ich eine gute Zusammenarbeit insbesondere auch mit den Mitarbeitern im gemeinsamen<br />

Büro des Vorsitzenden des Aufsichtsrates und des Vorstandsvorsitzenden für<br />

sinnvoll und zweckmäßig. Das wiederum führte dazu, dass gelegentlich auch<br />

Gespräche über den täglichen Alltag und über den Tellerrand hinaus mit ihnen<br />

geführt wurden.<br />

Heute nach Kenntnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen und in Kenntnis des<br />

Prozessverlaufs des Skandals und damit auch über das <strong>Ver</strong>halten der Mitarbeiter im<br />

gemeinsamen Büro des Vorstandsvorsitzenden und des Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

fühle ich mich hintergangen, weil ich annehme, dass <strong>di</strong>e Mitarbeiter vieles wussten<br />

und ich im Nachhinein den Eindruck nicht los werde, sie nutzten <strong>di</strong>ese Gespräche<br />

auch dazu um mich aushorchen.<br />

Ich wurde Anfang November 2008 von der StA Bonn schriftlich davon in Kenntnis<br />

gesetzt, dass in <strong>di</strong>esem Bespitzelungsskandal auch meine Handy-Rufnummer und<br />

damit auch meine <strong>Ver</strong>bindungsdaten überwacht und aufgezeichnet worden waren.<br />

Ich war schockiert und tief betroffen. Da ich wusste, dass im Zuge der Aufarbeitung<br />

des Bespitzelungsskandals <strong>di</strong>e Arbeitnehmervertreter sich von Anwälten vertreten<br />

ließen, habe ich nach Erhalt des Schreibens der StA Bonn unmittelbar auch <strong>di</strong>ese<br />

Anwälte darüber in Kenntnis gesetzt.<br />

Obwohl der Skandal im Mai 2008 öffentlich wurde bin ich erst nach dem Forum der<br />

Betriebsräte im Konzern im November 2008 vom damaligen Leiter HRM angerufen<br />

worden. In <strong>di</strong>esem Telefonat hat er sich im Namen des Konzerns entschul<strong>di</strong>gt und für<br />

<strong>di</strong>e nächsten Tage einen Brief von Herrn Dr. Balz und vom Vorstandsvorsitzenden<br />

Herrn Obermann angekün<strong>di</strong>gt. Dieses Schreiben habe ich dann wenige Tage später<br />

erhalten.


40<br />

Nachdem der Bespitzelungsskandal in den Me<strong>di</strong>en mit vielen Einzelheiten öffentlich<br />

und damit auch <strong>di</strong>e Arbeitsweise im Büro des Aufsichtsrat der DTAG deutlich wurde,<br />

bin ich über das <strong>Ver</strong>halten mir gegenüber sehr enttäuscht. Selbst auf meine<br />

ausdrücklichen Nachfragen erhielt ich keine oder nur ausweichende Antworten. Es<br />

wurde mir so nebenbei erklärt, man habe den Auftrag erhalten vom August bis<br />

Dezember 2005 Aufzeichnungen darüber zu führen, welches Mitglied im Aufsichtsrat<br />

und deren Mitarbeiter – wobei nicht gesagt wurde ob das nur <strong>di</strong>e Mitarbeiter in den<br />

Büros der Arbeitnehmervertreter betraf – wann <strong>di</strong>e schriftlichen Unterlagen für <strong>di</strong>e<br />

jeweilige Sitzungen des Aufsichtsrat erhalten haben.<br />

Ich wurde im Herbst 2008 von einer Mitarbeiterin im Büro des Aufsichtsrats massiv<br />

unter Druck gesetzt, <strong>di</strong>e kategorisch von mir verlangte erneut eine Geheimhaltungserklärung<br />

zu unterschreiben. Auf meine Entgegnung, dass ich bereits seit Jahren <strong>di</strong>e<br />

Unterlagen vom Büro des Aufsichtsrats für meinen Chef erhalte und ich vor Jahren<br />

bereits eine Geheimhaltungserklärung unterschrieben habe entgegnete <strong>di</strong>e<br />

Mitarbeiterin, das spiele keine Rolle, notwen<strong>di</strong>g sei <strong>di</strong>e Abgabe einer neuen Erklärung.<br />

Trotz meiner Bedenken habe ich dann schließlich <strong>di</strong>e Erklärung unterschrieben,<br />

weil <strong>di</strong>e Tätigkeit im Büro der Vorsitzenden des Konzernbetriebsrats eng mit<br />

seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat der DTAG verbunden ist.<br />

Nachdem ich meine Bedenken mit Mitgliedern des Aufsichtsrats besprochen hatte<br />

und <strong>di</strong>e falsche <strong>Ver</strong>dächtigung durch <strong>Ver</strong>antwortliche der DTAG immer deutlicher<br />

wurde, habe ich meine bereits unterschriebene und an das Büro des Aufsichtsratsvorsitzenden<br />

<strong>zur</strong>ückgeschickte Erklärung telefonisch <strong>zur</strong>ückgefordert. In dem<br />

Telefonat wurde mir deutlich zu verstehen gegeben, dass eine Rückgabe der<br />

Erklärung nicht in Frage komme. Deshalb habe ich trotz mehrfacher Aufforderung<br />

meine Erklärung auch nicht <strong>zur</strong>ückbekommen. Zurück bleibt für mich ein bitteres<br />

Gefühl der Enttäuschung nach den vielen Jahren der, wie ich meine, guten Zusammenarbeit.<br />

Im Zusammenhang mit meinem Wechsel aus dem Büro des Konzernbetriebsrat in<br />

<strong>di</strong>e Geschäftsstelle des Gesamtbetriebsrats der DTKS hat dann der Leiter des


41<br />

gemeinsamen Büros des Vorsitzenden des Aufsichtsrats und des<br />

Vorstandsvorsitzenden mich persönlich aufgesucht und mich aufgefordert, alle<br />

Unterlagen in meinem PC, <strong>di</strong>e ich <strong>zur</strong> Vorbereitung der Sitzungen des AR der DTAG<br />

erhalten hatte, in seinem Beisein zu löschen. Das habe ich angesichts der Tatsache,<br />

dass ich seit Jahren meine <strong>Ver</strong>trauensposition <strong>zur</strong> Zufriedenheit aller ausgefüllt habe,<br />

als schlimmes Zeichen des Misstrauens empfunden; das <strong>Ver</strong>halten des Leiters hat<br />

mich mehr als <strong>di</strong>skre<strong>di</strong>tiert.<br />

Der Bespitzelungsskandal und seine Folgen haben mich – wie bereits erwähnt – tief<br />

erschüttert. Auch meine Gesundheit hat sehr darunter gelitten: ich wurde krank.<br />

Den Prozessverlauf habe ich soweit es mir möglich war mit Aufmerksamkeit verfolgt.<br />

Auch <strong>di</strong>e Gespräche der Anwälte mit den Mandanten und <strong>di</strong>verse Telefonkonferenzen<br />

haben mir einen ungefähren Überblick über das Geschehene vermittelt. Ich kann<br />

<strong>di</strong>e vorgebliche Naivität des Handelns in der Zentrale – insbesondere im Büro des<br />

Vorsitzenden von Aufsichtsrat und Vorstandsvorsitzendem der DTAG nicht nachvollziehen.<br />

Wenn <strong>di</strong>e Konzernsicherheit von <strong>di</strong>esem Büro <strong>di</strong>e Telefonrufnummern (Festnetz<br />

und Mobilfunk) der Mitglieder des Aufsichtsrats (wahrscheinlich ja nur <strong>di</strong>e der<br />

Arbeitnehmervertreter) herausverlangt, wenn im <strong>Ver</strong>lauf des Prozesses von den<br />

Mitarbeitern dafür nur eine mehr als fragwür<strong>di</strong>ge Begründung abgegeben wird, dann<br />

ist zu vermuten, es ist dazu nicht vollumfänglich das gesagt worden, was hätte<br />

gesagt werden können und müssen. Dazu zählt auch ob E-Mails ausgeforscht,<br />

Telefongespräche nicht nur registriert sondern auch abgehört und ob <strong>di</strong>e im Outlook<br />

hinterlegten Terminkalender ausgespäht wurden.<br />

Das Büro der Vorsitzenden von Aufsichtsrat und Vorstand war nicht unwesentlich in<br />

den Bespitzelungsskandal verwickelt. Der Schock über <strong>di</strong>ese Erkenntnis sitzt tief und<br />

das <strong>Ver</strong>trauen ist zerstört.


2.<br />

42<br />

Wilhelm Wegner<br />

Vollumfängliche Aufklärung? – Aus Sicht der Opfer bleibt ein großes<br />

Unbehagen!<br />

In seiner Rede vor Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DTAG in der Zentrale<br />

wenige Tage nach der <strong>Ver</strong>öffentlichung des SPIEGEL vom 3. Juni 2008 hat der<br />

Vorstandsvorsitzende Herr Obermann u. a. folgendes gesagt:<br />

- „Wir dürfen auch nicht zulassen, dass gegen Recht und Gesetz verstoßen wird.<br />

Wo Dinge erkennbar falsch laufen, müssen wir handeln. Wir alle!<br />

- Wir unterstützen <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft voll und ganz bei ihrer Arbeit. Wir<br />

haben das größte Interesse daran, dass <strong>di</strong>eser Fall vollumfänglich aufgeklärt<br />

wird, damit wir das <strong>Ver</strong>trauen der Kunden in unser Unternehmen wieder stärken<br />

können. Das ist unser Ziel!<br />

- Seien Sie versichert, wir tun hier alles, um <strong>di</strong>e Dinge aufzuklären und das<br />

<strong>Ver</strong>trauen wieder her zu stellen - das <strong>Ver</strong>trauen unserer Kun<strong>di</strong>nnen und Kunden<br />

ebenso wie unser <strong>Ver</strong>trauen untereinander“.<br />

A Eine vollumfängliche Aufklärung hat es nicht gegeben – war sie<br />

wirklich gewollt?<br />

1. Begleitend zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hätte <strong>di</strong>e Unterneh-<br />

mensleitung intern z. B. durch <strong>di</strong>e Einrichtung eines sogenannten „Runden<br />

Tisches“ einen zusätzlichen eigenen Beitrag <strong>zur</strong> vollumfänglichen Aufklärung<br />

leisten können, insbesondere zu dem, was in der Besprechung am 20. Januar<br />

2005 besprochen, verabredet und vereinbart wurde.


43<br />

2. Es wäre Zielführender gewesen, wenn auch <strong>di</strong>e Kanzlei Oppenhoff und Partner<br />

ihren Bericht mit dem Erkenntnisstand vom 31. August 2008 hätte fortsetzen<br />

können.<br />

3. Die vielfältigen Fragen, <strong>di</strong>e von uns im Laufe der Aufarbeitung des Skandals<br />

gestellt wurden, (z. B. Fragen <strong>zur</strong> Sitzung des AR der DTAG am 28. Mai 2008,<br />

Fragen zum Bericht Oppenhoff) sind bisher einer zugesagten Beantwortung<br />

nicht oder nur teilweise zugeführt worden.<br />

4. Es ist mehr als bedauerlich, dass nach mehr als 2 Jahren Ermittlungen der StA<br />

Bonn nur gegen vier Personen Anklage erhoben wurde. Hinweise unsererseits<br />

an <strong>di</strong>e StA Bonn u. a. auf <strong>Ver</strong>letzung von Art. 2 und 5 GG wurden wenig oder<br />

gar nicht beachtet.<br />

Ebenso bedauerlich ist, dass vom LG Bonn der Antrag unserer Anwälte auf<br />

Zulassung als Nebenkläger nicht entsprochen wurde und einige vom Gericht<br />

geladene Zeugen von ihrem Recht auf Nichtaussage Gebrauch gemacht<br />

haben.<br />

5. Die von Herrn Trzeschan praktizierte Fremdvergabe von Ermittlungs<strong>di</strong>enstlei-<br />

stungen und den dafür vom Finanzbereich bereitgestellten finanziellen Rahmen<br />

von 750 Tsd. Euro pro Jahr ohne Einhaltung der sonst verbindlichen innerbetrieblichen<br />

Regeln, hätte aufgearbeitet werden können. Denn nicht alles wurde<br />

durch <strong>di</strong>e staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen erfasst und aufgearbeitet.<br />

Herr Trzeschan hat aufgrund der Schwächen in der Organisation bewusst<br />

gegenüber der Buchhaltung im Dezember 2005 angekün<strong>di</strong>gt, Belege erst 2006<br />

vorzulegen. Im Prozessverlauf wurde es so dargestellt, dass <strong>di</strong>ese Zahlungen in<br />

der Buchhaltung als Währungsverlust endgültig ausgebucht wurden.<br />

Wer hat das zu verantworten? Und was haben <strong>di</strong>e Wirtschaftprüfer dazu<br />

gesagt?<br />

6. Spätestens im Herbst 2007 war <strong>di</strong>e Unternehmensleitung über Art und Umfang<br />

des Skandals vollumfänglich informiert. Auf der Grundlage des Code of


44<br />

Conduct und anderer unternehmensinterner Regelungen wie z. B. der Regeln<br />

zu Compliance hätten Gespräche zwischen der Unternehmensleitung und<br />

stellv. VAR und dem Vors. des KBR stattfinden müssen.<br />

7. Vieles im Prozessverlauf ist nach dem was wir heute wissen nicht<br />

nachvollziehbar, so sagt z. B. der frühere Büroleiter von Dr. Zumwinkel, Herr<br />

Ude in seiner Zeugenaussage vor dem LG: „Für mich war klar Wegner war es“,<br />

ohne den nachvollziehbaren Beweis für <strong>di</strong>ese ungeheuerliche Behauptung zu<br />

liefern!<br />

8. Im gesamten Ablauf der Affäre waren erfahrene juristische Berater und<br />

Manager des Unternehmens in <strong>di</strong>e Maßnahmen einbezogen. Offensichtlich ist<br />

von deren Seite zu keinem Zeitpunkt das gesetzeswidrige und kriminelle<br />

Handeln der Konzernsicherheit erkannt und abgestellt worden. Für ein<br />

<strong>Telekom</strong>munikationsunternehmen, dessen Kerngeschäft der Umgang mit<br />

grundgesetzlich geschützten Daten der in<strong>di</strong>viduellen <strong>Telekom</strong>munikation<br />

darstellt, ist <strong>di</strong>eser Sachverhalt mehr als bedenklich.<br />

9. Die unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Untersuchungsführer und<br />

dem Rechtsbereich im Zusammenhang mit dem Disziplinarverfahren gegen<br />

Herrn Trzeschan hätten besser und effektiver aufgearbeitet werden müssen.<br />

Die schriftlichen Ausführungen des Untersuchungsführers Herr Nokiel in seinem<br />

Memo vom 25. September 2005 im Disziplinarverfahren gegen Herrn<br />

Trzeschan mir gegenüber sind für mich im höchsten Maße <strong>di</strong>skre<strong>di</strong>tierend. Die<br />

Formulierungen haben <strong>di</strong>e Grenze <strong>zur</strong> <strong>Ver</strong>letzung meiner Persönlichkeitsrechte<br />

weit überschritten. Wo waren bzw. sind <strong>di</strong>e Daten und Fakten dafür, wo waren<br />

bzw. sind <strong>di</strong>e gerichtsverwertbaren Beweise?<br />

Warum wurden <strong>di</strong>e Herren Treml und Wegner im Disziplinarverfahren vom<br />

Untersuchungsführer nicht angehört?<br />

Der Vorsitzende Richter der Großen Strafkammer des zustän<strong>di</strong>gen<br />

Landgerichts Bonn erklärt u. a. in seiner mündlichen Urteilsbegründung: „Man<br />

hatte nichts, aber auch gar nichts gegen Wegner in der Hand“! Und ich füge


45<br />

hinzu, wenn Herr Trzeschan und Andere – insbesondere Dr. Zumwinkel und<br />

Herr Ricke. – auch nur das „kleinste Schwarze unter meinen kleinen Finger<br />

gefunden hätten – sie hätten mir den Hals umgedreht“.<br />

Im Zusammenhang mit der Erfassung und Auswertung von<br />

<strong>Telekom</strong>munikationsdaten sollte sich der Untersuchungsführer auch folgende<br />

Aussagen des Vorsitzenden Richters des Landgerichts Bonn in Großbuchstaben<br />

an <strong>di</strong>e Wand seines Büros heften. Der Richter sagte: „Es handelt sich bei<br />

der illegalen Erhebung von Telefonverbindungsdaten nicht um eine Affäre,<br />

sondern es waren massivste Straftaten“! Und weiter zum Projekt Clipper: „Was<br />

der Staat nicht darf, das darf auch sonst keiner“!<br />

In Kenntnis der Grundsätze des Beamtenrechts ist Herr Nokiel, als immer noch<br />

für den Beamtenbereich bei der DTAG und damit auch als Untersuchungsführer<br />

in Disziplinarverfahren Zustän<strong>di</strong>ger nicht mehr tragbar.<br />

10. Nach meiner Wahrnehmung gibt es im Unternehmen immer noch <strong>di</strong>e latente<br />

Auffassung, Wegner sei derjenige gewesen, der das alles ausgelöst habe. Der<br />

Tenor lautet: Wegner war es, wir haben und hatten zwar keine Beweise, <strong>di</strong>e<br />

Methoden mögen illegal gewesen sein, aber wenn <strong>di</strong>e Konzernsicherheit soweit<br />

an der Sache dran war, dann ist da auch etwas gewesen.<br />

Hier wird von Seiten der Unternehmensleitung nicht energisch genug gegengesteuert.<br />

11. Enttäuschend ist für mich auch <strong>di</strong>e Wahrnehmung bzgl. der Unterstützung aus<br />

den eigenen Reihen. Wahrnehmbar war für mich <strong>di</strong>e Andeutung ich solle bis <strong>zur</strong><br />

Aufklärung des Sachverhalts mein Mandat im KBR ruhen lassen und damit<br />

auch den Vorsitz im KBR abgeben.<br />

Von Seiten des Arbeitgebers wurde mir gegenüber nicht nur angedeutet, sondern<br />

auch mit Namensnennung gesagt, dass Kolleginnen und Kollegen sich<br />

dahingehend geäußert haben sollen, sie hätten für <strong>di</strong>e Vorgehensweise des<br />

Arbeitgebers durchaus <strong>Ver</strong>ständnis und würden sich nicht wundern, wenn <strong>di</strong>e


46<br />

gegen mich erhobenen Vorwürfe ganz oder teilweise den Tatsachen<br />

entsprechen würden.<br />

B Fazit:<br />

Es bleibt ein großes Unbehagen. „Vollumfänglich“ ist der Skandal nicht aufgeklärt<br />

worden. Auch hier gilt offensichtlich – Täterschutz ist wichtiger als<br />

Opferschutz!<br />

Anzuerkennen ist dabei jedoch, dass in der Aufbau- und Ablauforganisation sowie in<br />

der Prozessgestaltung nach Aufdeckung des Skandals im Konzern einiges auf dem<br />

Weg gebracht und <strong>Ver</strong>einbarungen getroffen wurden, <strong>di</strong>e – soweit man das als<br />

Außenstehender beurteilen kann - anerkennenswert sind.<br />

C Mein Dank geht an,<br />

- Herrn Lothar Schröder, an Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin, an Herrn Baum<br />

und an <strong>di</strong>e Anwälte in den Kanzleien. Lothar Schröder und Frau Däubler-<br />

Gmelin waren <strong>di</strong>e <strong>di</strong>ejenigen, <strong>di</strong>e mir nach dem Bekanntwerden des Skandals<br />

im Mai 2008 ausführlich zugehört und mir von Anbeginn geglaubt<br />

haben. Die nachfolgenden intensiven Gespräche mit Anwälten in der<br />

Kanzlei Baum, Reiter und Kollegen waren ebenso vertiefend und glaubwür<strong>di</strong>g.<br />

- Kollegen, <strong>di</strong>e mir in persönlich, bittersten Stunden beigestanden haben, zu<br />

nennen sind in erster Linie Jupp Bednarski, Wolfgang Borkenstein,<br />

Hartmut Rohling und Franz Treml.<br />

- meine ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Stäben und<br />

insbesondere an Helene Hultgren, <strong>di</strong>e Mitarbeiterin im Sekretariat des<br />

KBR.


<strong>Ver</strong>trauenssachen<br />

3.<br />

47<br />

Bewertung durch Herrn Lothar Schröder<br />

„<strong>Ver</strong>trauen wird dadurch erschöpft, dass es in Anspruch genommen wird.“ Wie recht<br />

Bertolt Brecht mit <strong>di</strong>eser Feststellung hatte. Es erschöpft sich am meisten durch eine<br />

missbräuchliche Inanspruchnahme.<br />

Natürlich erschöpft sich <strong>Ver</strong>trauen durch den <strong>Ver</strong>rat von Geschäftsgeheimnissen. Es<br />

erschöpft sich aber auch <strong>Ver</strong>trauen, wenn man grundlos Arbeitnehmervertretern<br />

derartige Straftaten vorwirft. Es erschöpft <strong>Ver</strong>trauen, wenn ein Unternehmen nach<br />

unrechtmäßigen Mitteln greift, um falsche Behauptungen zu untermauern und es<br />

erschöpft in gewaltigem Umfang <strong>Ver</strong>trauen, wenn <strong>di</strong>es in einem Unternehmen<br />

geschieht, dessen Geschäftsgrundlage <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>traulichkeit der Kommunikation ist.<br />

3 Jahre nach Bekanntwerden rechtswidriger Ausspähungen der Telefondaten von<br />

Mandatsträgern musste <strong>di</strong>eser Liste der <strong>Ver</strong>trauensbrüche ein weiteres Element<br />

hinzugefügt werden: <strong>Ver</strong>trauen erschöpft sich, wenn <strong>di</strong>e Justiz nur unzulänglich<br />

Rechtsverstößen nachgeht.<br />

Die Deutsche <strong>Telekom</strong> hat in Sachen Datenschutz <strong>di</strong>e letzten 3 Jahre viel dazu<br />

beigetragen, verspieltes <strong>Ver</strong>trauen wieder herzustellen. Der Datenschutzbeirat hat<br />

sie dabei unterstützt. 3 Jahre lang gab es keine Empfehlung des<br />

Datenschutzbeirates, dem der Konzern nicht gefolgt ist. Arbeitnehmervertreter<br />

konnten viel anschieben. Prozesse wurden umgekrempelt und 4-Augen-Prinzipien<br />

implementiert, ein Immunitätsschutz für Mandatsträger vorgegeben. Die<br />

Aufmerksamkeit in Datenschutzfragen im <strong>Telekom</strong>-Konzern ist gewaltig gestärkt<br />

worden. Ein Vorstand kümmert sich um Compliance und Datenschutz. Der<br />

Oppenhoff- und der Schäfer-Bericht haben dabei geholfen Undurchsichtiges<br />

transparent zu machen und <strong>Ver</strong>änderung anzuschieben. Konsequent hat <strong>di</strong>e<br />

<strong>Telekom</strong> zivilrechtliche Ansprüche gegen Herrn Ricke und Herrn Zumwinkel verfolgt.<br />

Konsequent wurden im Rahmen eines Open-Book-Projektes <strong>di</strong>e <strong>zur</strong>ückgegebenen


48<br />

Akten der Staatsanwaltschaft, selbst nach ethisch anrüchigem <strong>Ver</strong>fahren,<br />

durchgekämmt. Die Deutsche <strong>Telekom</strong> hat Wiedergutmachungszahlungen an Opfer<br />

und gemeinnützige Institutionen geleistet, <strong>di</strong>e dem Maß der Schuld gerecht werden,<br />

<strong>di</strong>e Höhe ist bisher in Deutschland einzigartig.<br />

Einen Freibrief für ethisch und rechtlich einwandfreies <strong>Ver</strong>halten kann <strong>di</strong>e <strong>Telekom</strong><br />

nach den 3 Jahren sicherlich nicht erhalten. Aber <strong>di</strong>e Anerkennung für <strong>di</strong>e Fähigkeit<br />

dazu zu lernen und einzusehen ist ver<strong>di</strong>ent.<br />

Mit Bekanntwerden der Rechtsbrüche war das <strong>Ver</strong>trauen zwischen<br />

ArbeitnehmervertreterInnen und der Unternehmensspitze nahezu gänzlich erschöpft.<br />

Der Rechtsbruch erfolgte zu einer Zeit, als tiefgreifende Konflikte Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmervertreter trennten und Arbeitnehmervertreter Anlass genug hatten dem<br />

Management Maßlosigkeit im Anspruch und im Handeln vorzuwerfen. Der<br />

sogenannte „Bespitzelungsskandal“ hat leider belegt, dass ein Management, das<br />

sich unter allen Umständen durchsetzen will, auch eigene Sicherheitsleute ermutigen<br />

kann, ethische und rechtliche Grenzen zu überschreiten. Belegt ist damit auch:<br />

Datenschutz ist kein Täterschutz, wie polemisierende Sicherheitspolitiker manchmal<br />

behaupten. Fehlender Datenschutz ist <strong>di</strong>e Ermutigung zu Missbrauch wirtschaftlicher<br />

Macht.<br />

Persönlich ist es schwer <strong>Ver</strong>trauen <strong>zur</strong>ück zu gewinnen, wenn man erfahren musste,<br />

wie naiv es ist darauf zu vertrauen, dass es Rechts- und Anstandsgrenzen für den<br />

Umgang mancher Manager mit Arbeitnehmervertretern im Zweifel nicht gibt. Es hilft<br />

<strong>di</strong>e Erkenntnis, dass <strong>Ver</strong>trauensbrüche sich nicht verallgemeinern lassen und immer<br />

einzelne <strong>Ver</strong>antwortliche oder besser Unverantwortliche Rechtsbrüche begehen<br />

niemals ein ganzes Unternehmen. <strong>Ver</strong>trauen wurde missbraucht und Mandatsträger<br />

zu Opfern gemacht. Deshalb bleibt Skepsis in der Sozialbeziehung und es bleibt<br />

Distanz, auch wenn von Seiten des Managements immer wieder von vertrauensvoller<br />

Zusammenarbeit gesprochen wird.<br />

<strong>Ver</strong>trauen wird auch erschöpft, wenn zu Unrecht ein Vorschuss darauf gegeben wird.<br />

Die Opfer haben in das Justizsystem vertraut und einen <strong>Ver</strong>trauensvorschuss


49<br />

gewährt. Sie können mit den Konsequenzen nicht zufrieden sein. Sie waren Opfer<br />

und durften keine aktiv Beteiligten am Prozess sein. Sie wurden verleumdet und <strong>di</strong>e<br />

ehrverletzenden <strong>Ver</strong>leumdungen wurden nicht geahndet. Sie waren Hinweisgeber<br />

gegenüber der Staatsanwaltschaft und ihre In<strong>di</strong>zien wurden nicht aufgegriffen. Sie<br />

waren alle Betroffene aber nur einer von ihnen wurde von der Staatsanwaltschaft<br />

oder vom Gericht angehört.<br />

Die Persönlichkeitsrechte wurden aber von allen verletzt und sie alle sollen glauben<br />

eine programmtechnische Routine und nicht programmierende oder selektierende<br />

Menschen waren <strong>di</strong>e Ursache des Übels.<br />

Vor Gericht wurde behauptet, Opfer wären sie nur, weil ein<br />

Datenverarbeitungssystem sie automatisch auf eine Überwachungsliste gesetzt hat.<br />

Wie realitätsfremd und ignorant muss man sein, um solche Begründungslinien zu<br />

akzeptieren. Menschen programmieren Datenverarbeitungssysteme. Die Technik an<br />

sich überwacht keine Menschen. Dazu müssen Aufträge geschrieben, programmiert<br />

und programmtechnische Abläufe vorgegeben werden. Wie naiv muss man sein, <strong>di</strong>e<br />

Schutzbehauptungen von den programmtechnischen Zwangläufigkeiten zu<br />

akzeptieren. Das deutsche Justizsystem verspielt <strong>Ver</strong>trauen, wenn es auf derartige<br />

Begründungslinien abstellt.<br />

Auch <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft hat <strong>Ver</strong>trauen erschöpft. Mir wurde zu Unrecht<br />

vorgeworfen, Daten über <strong>di</strong>e Ausbildungsverhältnisse der <strong>Telekom</strong> an <strong>di</strong>e Presse<br />

gegeben zu haben. Ungeprüft konnte eine derartige verleumderische Behauptung in<br />

der Deutschen <strong>Telekom</strong> weitergegeben werden. Ungebremst wird sich ein derartiges<br />

<strong>Ver</strong>fahren auch künftig noch entfalten können, weil <strong>di</strong>e Staatsanwaltschaft dem<br />

Vorwurf der üblen Nachrede nicht nachgeht. Niemand überprüfte, ob <strong>di</strong>e Anzahl der<br />

Ausbildungsplätze zu den Geschäftsgeheimnissen gehört, ob der Aufsichtsrat<br />

überhaupt damit beschäftigt war, ob Andere <strong>di</strong>e Informationen weiter gegeben haben<br />

könnten und ob schlichtweg <strong>di</strong>e Behauptungen stimmen, Lothar Schröder wäre ein<br />

Straftäter, weil er Geheimnisse weiter gibt. <strong>Ver</strong>trauen erschöpft sich, wenn derartiges<br />

unreflektiert bleibt.


50<br />

Es nährt Misstrauen, wenn Aufklärungshinweise nicht aufgegriffen werden. Zu<br />

Beginn des Bespitzelungsskandals wurde ich vom Unternehmen informiert, dass sich<br />

meine Einzelverbindungsnachweise – Telefondaten aus häuslicher Umgebung mit<br />

ungeschwärzten Endziffern – im Büro des Aufsichtsrates wiedergefunden hätten.<br />

War <strong>di</strong>es administrative Dummheit, <strong>di</strong>e aus der Umschaltung eines ehemals<br />

Privatanschlusses in einen Dienstanschluss entstand oder eine perfide Form der<br />

Totalüberwachung? Die Frage hat mich beschäftigt und beschäftigt mich bis heute.<br />

Die Staatsanwaltschaft hat nicht dazu beigetragen, Antworten auf <strong>di</strong>ese Frage zu<br />

finden. Der Ordner mit den Einzelverbindungsnachweisen wurde an <strong>di</strong>e<br />

Staatsanwaltschaft übergeben, verbunden mit der Bitte untersuchen zu lassen, ob<br />

sich darauf Fingerabdrücke von Personen der Konzernsicherheit finden. Bis heute<br />

wurde eine entsprechende Untersuchung nicht durchgeführt. Dies erschöpft<br />

<strong>Ver</strong>trauen in das deutsche Justizsystem.<br />

Dieser Anwaltsbericht zeigt, dass darüber hinaus noch viel mehr Fragen offen<br />

geblieben sind. Eine besonders delikate Frage treibt bis heute um: Woher hatte Herr<br />

Ricke in einer <strong>Ver</strong>handlung, in der er mir gegenüber saß, vertrauliche Notizen, mit<br />

denen sich <strong>di</strong>e ver.<strong>di</strong>-<strong>Ver</strong>treter intern auf <strong>di</strong>e <strong>Ver</strong>handlungen vorbereitet haben? Die<br />

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben keine Aufklärung verschafft.<br />

Es bleibt Unbehagen und Skepsis gegenüber dem Justizsystem. Die Opfer, auch ich,<br />

wir haben am Anfang noch sehr stark auf <strong>di</strong>e Möglichkeit der Strafverfolgung und auf<br />

<strong>di</strong>e Möglichkeiten des deutschen Justizsystems vertraut. Nach 3 Jahren ist<br />

zumindest bei mir das <strong>Ver</strong>trauen erschüttert und <strong>di</strong>e Motivation <strong>zur</strong>ückgegangen, mit<br />

noch mehr Rechtsmitteln weiter zu streiten.<br />

Hätte <strong>di</strong>e deutsche Justiz zumindest so viele Konsequenzen gezogen, wie <strong>di</strong>e<br />

Deutsche <strong>Telekom</strong>, dann hätten <strong>di</strong>e Opfer adäquate Genugtuung auch in<br />

strafrechtlicher Hinsicht erhalten und <strong>di</strong>eser Anwaltsbericht könnte mehr Antworten<br />

geben, als er Fragwür<strong>di</strong>gkeiten auflisten muss.<br />

Eine Konsequenz muss politisch aus den Vorgängen gezogen werden.<br />

Arbeitnehmervertreter sind bei der <strong>Ver</strong>tei<strong>di</strong>gung ihrer Rechte weitergekommen, weil


51<br />

sie <strong>di</strong>e Sache selbst in <strong>di</strong>e Hand genommen haben. Das neue<br />

Beschäftigungsdatenschutzgesetz muss in Sachen Persönlichkeitsrechte <strong>di</strong>e<br />

Möglichkeit dafür bieten, dass Mitbestimmungsträger Persönlichkeitsrechte<br />

vertei<strong>di</strong>gen und nicht willkürlichen Interpretationen der Arbeitgeber zum geltenden<br />

Recht ausgesetzt sind. Das Beschäftigtendatenschutzgesetz darf nicht nachträglich<br />

legitimieren, was bei der <strong>Telekom</strong> geschah. Es braucht einen Immunitätsschutz für<br />

Mandatsträger und wirksamere Mitbestimmungsrechte als wir sie in der Gegenwart<br />

haben.<br />

Der Bespitzelungsskandal sollte Anlass dafür geben, nicht darauf zu vertrauen, dass<br />

sich in den Betrieben Recht und Anstand von alleine durchsetzt. Dieses <strong>Ver</strong>trauen<br />

wurde erschöpft.

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