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6/2009<br />
Quo vadis GdF?<br />
Wie geht es weiter?<br />
Europäische Flugsicherung<br />
ATCEUC Autumn Meeting<br />
Flugvermessung II<br />
Die Einsätze der „Adidas-Bomber“<br />
Mission Impossible<br />
AWACS-Einsatz über Afghanistan<br />
Jubiläum<br />
10 Jahre „Stiftung Mayday“<br />
Spendenaktion<br />
Out of Danska
PRC – Report: Licht und Schatten im letzen Jahr S. 27<br />
Suchen und Retten.<br />
Ein Tag bei SAR 41 in Nörvenich S. 40<br />
Mission Impossible S. 43<br />
Vulcan to the Sky – über altes Eisen,<br />
das noch lange nicht zum alten Eisen gehört S. 47<br />
Inhalt<br />
MARC communiqué ……………………………….………………………...…... 4<br />
Editorial von Michael Schäfer ……………………………….……………... 5<br />
Aktuell<br />
Quo vadis, GdF? Eine Organisation im Spagat<br />
zwischen Beute- und Solidargemeinschaft ……………….............. 6<br />
Bericht aus der Geschäftsstelle …………………….......................... 10<br />
Beitragsanpassung 2009/2010 …………………….......................... 10<br />
Chance <strong>als</strong> ehrenamtlicher Richter ……………………..................... 11<br />
Bericht aus der Tarifkommission ……………………........................ 12<br />
ATC Aktuell<br />
(VA) FORIT – HISTORY………………......…………......…………......……… 13<br />
ATC International<br />
Bericht vom ATCEUC Autumn Meeting Geneva 2008 …………….. 14<br />
Bericht vom 26. IFATCA European Regional Meeting,<br />
Kos, Griechenland, 23. – 25. Oktober 2009 …………………………… 16<br />
Bericht von der IFATSEA 39 th General Assembly in Toulouse … 18<br />
PRC – Report: Licht und Schatten im letzten Jahr ………………….. 27<br />
Baghdat Tower an den Irak übergeben ………………………………….. 29<br />
Eagle Award – ANSPs Vietnams und<br />
Singapurs ausgezeichnet ………………………………………………………. 30<br />
Halbjahresbilanz bei skyguide. Massiver Rückgang<br />
des Flugverkehrs ….................................................................. 32<br />
Flugsicherung Singapurs erneut ausgezeichnet …................... 32<br />
Neue Regeln über dem Hudson …............................................ 37<br />
Humor<br />
Standpunkte oder Die Zahl des Tages .…………..…...……...…....... 20<br />
Aus der Redaktion<br />
Rückblick 2009. 6 fl ugleiter-Ausgaben – 450 Seiten<br />
pure Informationen ................................................................. 21<br />
Recht<br />
Betriebsratswahlen 2010 …………..…………...…...…...................... 23<br />
Intern<br />
Dienstplangestaltung …………..…………...…...…...…...................... 24<br />
Weihnachten und Neujahr – Gedanken aus der UZ ………......... 25<br />
Spendenaktion „Out of Dansha“ ………..................................... 59<br />
Joe’s Corner<br />
Camp Kaden – Herbstminimalismus ...….................................. 26<br />
Incidents<br />
Neues vom National Transportation Safety Board –<br />
NTSB – USA …...…................................................................... 33<br />
International<br />
Weniger <strong>als</strong> ein Pizza-Kurier ...….............................................. 34<br />
Stiftung Mayday<br />
10 Jahre „Critical Incident Stress Management“ …...…............. 38<br />
Satire<br />
Die Ferienmacher – eine satirische Typologie:<br />
Bei ihm piept‘s: Der Sicherheitsschleuser …...…....................… 39<br />
Luftwaffe<br />
Suchen und Retten. Ein Tag bei SR 41 in Nörvenich …...…........ 40<br />
Mil. Aviation<br />
Mission Impossible? …...…...................................................... 43<br />
Airshow<br />
Jetnoise über Toronto .…...….................................................... 46<br />
Vulcan to the Sky – über altes Eisen,<br />
das noch lange nicht zum alten Eisen gehört .…...…..............… 47<br />
Fleet Week – Angels over Alcatraz .…...….................................. 49<br />
Report<br />
Flugvermessung in Deutschland (Teil 2) …...…......................... 50<br />
Renaissance der Nachtfl ugpost .…...…..................................... 53<br />
Airports ..…………...…...…........................................................... 54<br />
Airlines ..…………...…...…........................................................... 56<br />
Bücher .……………………………………….…......................................... 60<br />
Last Call .……………………………………….…...................................... 62<br />
3 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
4<br />
Editorial<br />
CONSOLIDATION<br />
Extract of MARC communiqué 9 th September 2009:<br />
“MARC identifi es that there is no progress to be seen in<br />
the work of many operational task forces. On the other<br />
hand, to hide this lack of results, ANSP are pushing forward<br />
a possible concept of centre consolidation. In this<br />
early stage MARC is strictly against this discussion.<br />
The focus should be on defragmentation of the airspace,<br />
civil military cooperation and to solve the problems of<br />
the main hot spots.“<br />
MARC members are extremely concerned about<br />
the project to create a multinational en route centre<br />
over the airspace of Switzerland, Southern Germany<br />
and East of France as opposed to our virtual ACC<br />
concept.<br />
We do not have a “one- fi t- all” preconceived opinion<br />
on the question of centre consolidation. Any project<br />
of that nature, and of that magnitude must however<br />
be supported by tangible and well- documented proof<br />
of expected results for all parties, including staff.<br />
MARC members are willing to participate in an open<br />
manner. But rather than promoting centre consolidation<br />
at all cost, we urge FABEC to focus on the statutes<br />
of an Organization providing air navigation services<br />
over the whole FABEC, and on the General Terms<br />
and Conditions of Employment for staff employed in<br />
the FABEC area.<br />
Communique Amsterdam,<br />
4 th November 2009<br />
COOPERATION<br />
Extract of MARC communiqué 9 th September 2009:<br />
“The absence of any institutional roadmaps, of clear<br />
and constructive go<strong>als</strong> has disorganized FABEC processes.<br />
It has opened gaps, shifting the focus and priorities<br />
on individual interests, rather than on the pursuit<br />
of a regional coherent concept. “<br />
Less than two months after the publication of the<br />
communiqué, FABEC demonstrates what happens<br />
when organizations are asked to cooperate without<br />
clear instructions. Service providers try to secure<br />
their position, or simply to ensure their survival. Discussions<br />
on the future of the Maastricht centre take<br />
place within Eurocontrol exclusively, discussions on<br />
the statutes of the French provider are held without<br />
coordination within FABEC, ... .<br />
All those issues can, and should be, linked in FABEC.<br />
National changes designed and implemented only<br />
at local level no longer make any sense. MARC calls<br />
upon the FABEC states and providers to stop pursuing<br />
purely national strategies when they should join<br />
forces, work and think together to achieve a common<br />
goal.
Editorial<br />
Liebe Mitglieder,<br />
liebe Kolleginnen<br />
und Kollegen, geneigte Leser!<br />
Ein für die GdF außerordentlich erfolgreiches Jahr<br />
neigt sich dem Ende zu; abgeschlossen mit dem einvernehmlichen<br />
Ergebnis der Schlichtung zwischen<br />
GdF und DFS zur betrieblichen Altersversorgung für<br />
die beurlaubten Soldaten. Diese Anpassung war überfällig,<br />
ist eine substantielle Verbesserung der bisherigen<br />
Versorgungsregelung und sorgt für eine ausgewogene<br />
zusätzliche Altersversorgung zur Pension für<br />
die beurlaubten Kollegen und Kolleginnen. In einer<br />
Zeit, in der die gesetzliche Altersversorgung, auch die<br />
Pensionen, sicherlich nicht mehr alleine eine ausreichende<br />
Altersversorgung sicherstellt, ist die gefundene<br />
Regelung weitsichtig und ein notwendiger und<br />
wichtiger Schritt im Rahmen der zivil militärischen<br />
Integration.<br />
Gerade auch bei der Implementierung des FABEC, im<br />
Rahmen der Umsetzung SES, ist die zivil militärische<br />
Integration ein enorm wichtiger Aspekt. Die Arbeiten<br />
zu diesem und anderen Themen haben begonnen; der<br />
Prozess gestaltet sich aber doch schwierig und zäh. Für<br />
die MARC Gruppe (siehe nebenstehendes Communique)<br />
erweckt es den Eindruck, dass schnelle Erfolge<br />
und Verbesserungen, so genannte „quick wins“, nicht<br />
in Aussicht stehen und daher Centerzusammenlegungen,<br />
wie die Triangle Border Initiative zwischen<br />
Frankreich, Deutschland und der Schweiz initiiert<br />
werden. Hiervon betroffen ist der gesamte Luftraum<br />
der Schweiz, Teile des süddeutschen Luftraums und<br />
Teile des ostfranzösischen Luftraums. MARC lehnt<br />
eine solche Diskussion zu so einem frühen Zeitpunkt<br />
der FABEC Entwicklung strikt ab. Unserer Auffassung<br />
nach sollte der Fokus auf dem Airspace design, auf<br />
der grenzüberschreitenden Resektorisierung<br />
und bei der zivil militärischen Zusammenarbeit<br />
liegen.<br />
Es ist nunmehr an der Zeit bzw. schon überfällig,<br />
dass die Mitarbeitervertretungen international<br />
in die Entwicklung des FABEC eingebunden<br />
werden. Die GdF hat sich mit den europäischen<br />
FABEC Gewerkschaften in der MARC Gruppe<br />
zusammengeschlossen, um die Einbindung sicherzustellen.<br />
Auf FABEC Ebene soll ein regionales Forum<br />
installiert werden, welches mit den ANSP Vertretern<br />
den regionalen „Sozialen Dialog“ aufnimmt.<br />
Am 02. Dezember fand hierzu ein Gespräch mit Maurice<br />
Georges, CEO DSNA [Directeur des services de<br />
la navigation aérienne] und gleichzeitig Chairman<br />
FABEC social dialogue committee, statt. Dieses Treffen<br />
fand nach dem Redaktionsschluss des „der fl ugleiter“<br />
statt. Somit kann über Ergebnisse erst in der<br />
nächsten Ausgabe berichtet werden.<br />
Vor uns liegt ein spannendes Flugsicherungsjahr 2010.<br />
Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen<br />
ein ruhiges, gesegnetes Weihnachtsfest und<br />
ein gesundes neues Jahr. Guten Rutsch!<br />
Michael Schäfer<br />
Bundesvorsitzender<br />
von Michael<br />
Schäfer,<br />
Gewerkschaftsvorsitzender<br />
5 der fl ugleiter 2009/06
von<br />
Dirk<br />
Vogelsang<br />
der fl ugleiter 2009/06<br />
Aktuell<br />
6<br />
Quo vadis, GdF?<br />
Eine Organisation im Spagat zwischen<br />
Beute- und Solidargemeinschaft<br />
Nach jüngsten Schätzungen haben die DGB-Gewerkschaften in den Spartengewerkschaften müssen<br />
letzten zehn Jahren ca. 30 Prozent ihres Mitgliederbestandes ein- Auseinandersetzungen „mit sich<br />
gebüßt. Im selben Zeitraum sind eine Reihe so genannter Sparten- selbst“ führen<br />
gewerkschaften entstanden, die entgegen dem allgemeinen Trend Andererseits ist mit dem Wegfall von<br />
kontinuierlich Mitglieder, Einfl uss und damit letztlich auch (Tarif-) DAG/ver.di und deren tarifpolitischer<br />
Macht hinzugewonnen haben.<br />
Bedeutungslosigkeit in der Flugsiche-<br />
Photo: DFS<br />
rung (wie in den meisten Bereichen<br />
des Luftverkehrs) auch eine Projektionsfl äche entfallen,<br />
auf die früher sämtlicher Unmut und die zunehmende<br />
Unzufriedenheit über Tarifergebnisse, die in<br />
vielerlei Hinsicht <strong>als</strong> defi zitär empfunden wurden,<br />
gerichtet werden konnten. Genauso wie andere Spartengewerkschaften<br />
ist die GdF auch in dieser Hinsicht<br />
auf sich alleine gestellt und muss die unvermeidliche<br />
Auseinandersetzung über die Resultate der gewerkschaftlichen<br />
– hier vor allem tarifl ichen – Interessenvertretung<br />
„mit sich selbst“ führen. Dabei sind Tendenzen<br />
erkennbar, welche die Besorgnis begründen,<br />
dass die GdF Gefahr läuft, sich durch zunehmende<br />
Unzufriedenheit, interne Konfl ikte und rivalisierenden<br />
Gruppenegoismus ohne nennenswerte Einwirkung<br />
des Gegners selbst zu schwächen.<br />
✈ Eine Koalition gut ausgebildeter und selbstveranwortlicher<br />
Mitglieder kann dem Arbeirgber in gleicher<br />
Augenhöhe entgegentreten oder sogar eine Überparität<br />
erreichen.<br />
Die GdF gehört dazu. Seit ihrer Anerkennung <strong>als</strong> tariffähige<br />
Koalition im Jahre 2004 hat sie die vermutlich<br />
dynamischste Entwicklung aller „Spezialistengewerkschaften“<br />
vollzogen und in atemberaubendem Tempo<br />
ein Tarifwerk geschaffen, dessen Qualität und Regelungsdichte<br />
selbst in der über Jahrzehnte verfeinerten<br />
deutschen Tarifl andschaft einen Ausnahmecharakter<br />
haben dürfte.<br />
Die Lösung aus der langjährigen Kooperation mit<br />
DAG/ver.di und der endgültige Schritt in die völlige,<br />
<strong>als</strong>o auch tarifl iche Selbstständigkeit hat zu einem<br />
neuen Bewusstsein und auch – daraus zwangsläufi g<br />
folgend – Selbstbewusstsein geführt. Mit der Etablierung<br />
der GdF <strong>als</strong> Flugsicherungsgewerkschaft für die<br />
Flugsicherungsarbeitnehmer (satzungsgemäß derzeit<br />
aber auch nur diese) waren die Gefahren und Erfahrungen<br />
der Fremdsteuerung, des Primats übergeordneter<br />
tarifpolitischer Interessen, der zunehmenden<br />
fachlichen Inkompetenz und der Ausnutzung <strong>als</strong> Zugpferd<br />
für Trittbrettfahrer dauerhaft beseitigt.<br />
Einige Beispiele:<br />
• Vergleichsweise marginale Zugeständnisse wie etwa<br />
die Verschiebung der 2,2% Tabellenerhöhung um<br />
sechs Monate werden (nicht nur im ATC-net) zum<br />
Anlass für Beschimpfungen der GdF-Tarifabteilung<br />
und Austrittsdrohungen genommen;<br />
• Tarifergebnisse, die nicht für jede Gruppe, die direkt<br />
oder indirekt betroffen ist, das absolute Maximum<br />
herausholen, werden pauschal einer negativen<br />
Bewertung unterzogen, selbst wenn 80 oder 90 Prozent<br />
der insgesamt gesteckten Ziele erreicht wurden;<br />
• „Gerechtigkeits“-Debatten und Neiddiskussionen<br />
werden teilweise erbittert und emotionalisiert bei<br />
zahlreichen Gelegenheiten geführt, obwohl in den<br />
jeweiligen Einzelthemen – etwa Belastungsausgleich<br />
– die beanstandete „Benachteiligung“ nicht<br />
erkennbar oder zumindest bezweifelbar ist;<br />
• Unlautere oder unsachliche Motive werden – oftm<strong>als</strong><br />
der Verhandlungsführung, aber nicht nur dieser –<br />
vielfach ohne nähere Befassung mit dem gesamten<br />
Sachverhalt oder gründliche Informationen mit moralischem<br />
Zeigefi nger unterstellt, sobald eine Regelung<br />
den eigenen Interessen nicht zu entsprechen scheint.<br />
Diese Erscheinungen führen zwangsläufi g zu der<br />
Frage, wie es möglich ist, dass eine hoch gekaderte,
gut organisierte, fachlich und personell bestens aufgestellte<br />
Funktionselite wie die GdF Tendenzen zur<br />
(Selbst-) Beschädigung in einem Ausmaß erkennen<br />
lässt, das zwar noch nicht bedrohlich, aber doch mehr<br />
ist, <strong>als</strong> das komplette Arbeitgeberlager in zahlreichen<br />
Tarifkonfl ikten und Schlichtungen bewirken konnte.<br />
Die Suche nach der richtigen Antwort führt zu einer<br />
tiefer liegenden Frage, nämlich der, wodurch überhaupt<br />
eine Gewerkschaft stark oder schwach wird.<br />
Was macht das Wesen – und damit die Attraktionskraft<br />
– einer tariffähigen Koalition aus?<br />
Formaljuristisch ist die Frage einfach zu beantworten.<br />
Die geringe Verhandlungsmacht des einzelnen (individuellen)<br />
Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber<br />
wird durch die sehr viel stärkere (kollektive) Verhandlungsmacht<br />
der Koalition ersetzt. Sind die Mitglieder<br />
dieser Koalition dann noch eine rare, gut ausgebildete<br />
und selbstverantwortlich tätige Spezies – <strong>als</strong>o Leute in<br />
Schlüsselfunktionen –, dann kann aus dem Bemühen<br />
um Herstellung von Parität gegenüber dem Arbeitgeber<br />
(„Verhandeln auf gleicher Augenhöhe“) sogar<br />
eine Überparität, eine in der Tendenz dominante Stellung<br />
werden. Kommt es dazu, ist die übliche Reaktion<br />
auf der Arbeitgeberseite der Vorwurf der Erpressung<br />
und des Tarifdiktats.<br />
Chancen und Risiken einer Funktionselite<br />
Die GdF, soviel ist klar, hat alle Merkmale einer Funktionselite:<br />
Sie besteht überwiegend aus Mitgliedern,<br />
die einen Selektionsprozess durchlaufen haben, die<br />
Erlaubnisse und Lizenzen in den Händen halten, die<br />
kaum oder gar nicht ersetzbar sind, die sich durch<br />
Aktuell<br />
große fachliche Kompetenz auszeichnen und dem entsprechend<br />
selbstbewusst auftreten. So weit, so schön.<br />
Jedoch birgt die zur druckvollen Machtentfaltung notwendige<br />
Kollektivierung von Interessen auch Risiken:<br />
die Befugnis durch Kollektivverträge (Tarifverträge)<br />
verbindliche Normen für alle zu schaffen, impliziert<br />
stets die Möglichkeit, ja oft sogar den Zwang, von Problemen<br />
Einzelner abzusehen. Während <strong>als</strong>o einerseits<br />
die Bündelung von Einzelinteressen ein x-faches an<br />
Verhandlungsmacht bewirkt, droht andererseits die<br />
Vernachlässigung von speziellen Gruppeninteressen<br />
oder besonderen Problemlagen („Allen Leuten Recht<br />
getan, ist eine Kunst, die niemand kann“).<br />
Erreicht diese Vernachlässigung ein bestimmtes Ausmaß<br />
und wird zur prägenden Erfahrung von Vielen, verliert<br />
die Koalition ihre Bindungsfähigkeit und identitätsstiftende<br />
Wirkung gegenüber den Mitgliedern. Die Folge ist<br />
ein Massenexodus oder – wo diese Option besteht – die<br />
Abwanderung zu anderen, zukünftig konkurrierenden<br />
Organisationen. Genau dies ist DAG und ver.di passiert,<br />
die letztlich ohnmächtig erleben mussten, wie ihre am<br />
besten organisierten Berufsgruppen geschlossen austraten,<br />
um sich <strong>als</strong> Tarifparteien zu verselbstständigen. Ziel<br />
der Separierung war aber nichts anderes <strong>als</strong> die (Wieder-)<br />
Herstellung von kollektiver Verhandlungsmacht auf einer<br />
neuen, eigenen Plattform. Diese Plattform ist mittlerweile<br />
gut etabliert und von einer solchen Stärke, dass die GdF<br />
in vielen Bereichen (beispielhaft seien hier nur die Versorgungsregelungen<br />
genannt) genau die Alleinstellungsmerkmale<br />
erreicht hat, welche die Arbeitgeber von Beginn<br />
an – auch <strong>als</strong> dies noch gar nicht zutraf – polemisch gegen<br />
die GdF ins Feld geführt hatten.<br />
Photo: FSG<br />
✈ Die Stuttgarter<br />
Towerlotsen haben<br />
ihre APRON-<br />
Kollegen nicht<br />
im Regen stehen<br />
lassen – gut belegtesStuttgarter<br />
Vorfeld.<br />
7 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
Aktuell<br />
8<br />
Die Diskrepanz zwischen dem objektiv Erreichten (dessen<br />
Güte im weiteren Umfeld längst anerkannt ist!) und dem<br />
Mangel an subjektiver Zufriedenheit ist in vielen Fällen so<br />
augenfällig, dass die Frage nach den Gründen drängend<br />
geworden ist. Worauf sind die eingangs geschilderten<br />
Erscheinungen, die ja keine zufälligen Einzelfälle sind,<br />
sondern auf eine verbreitete Grundeinstellung hindeuten,<br />
letztlich zurückzuführen? In einer unlängst geführten<br />
privaten Unterhaltung lautete die Antwort eines GdF-<br />
Funktionärs kurz und trocken so: „Kombination aus Gier<br />
und kurzem Gedächtnis“. Mag sein, dass beides auch<br />
eine Rolle spielt, aber der Hauptgrund dürfte woanders<br />
liegen. Denn die Nörgler, Neider, Unzufriedenen und allzeit<br />
bereiten Kritiker im Herbst 2009 sind zum Großteil<br />
dieselben, die gemeinsam mit anderen (ehemaligen)<br />
Mitgliedern von VdF und FTI im Herbst 2004 in einer<br />
harten Auseinandersetzung die Anerkennung der GdF<br />
durchgesetzt haben. Allenfalls dem ganz jungen Nachwuchs,<br />
der nach 2004 von der Akademie oder direkt von<br />
außen gekommen ist, könnte man die Unwissenheit und<br />
Ignoranz der „im Schlaraffenland geborenen“ unterstellen<br />
– ein Teil dieses Nachwuchses betrachtet sicherlich<br />
Besitzstände und Zuwächse <strong>als</strong> selbstverständlich, die<br />
es in keinster Weise sind. Aber die Masse derjenigen,<br />
die den Ablösungsprozess zwischen 2002 und 2004, vor<br />
allem aber den Kraftakt im November 2004, selbst erlebt<br />
haben, müsste sie es nicht besser wissen?<br />
Bei genauer Betrachtung ist schon diese Frage f<strong>als</strong>ch<br />
gestellt, denn die Masse gibt es so nicht. Das Flugsicherungspersonal<br />
und damit auch die GdF besteht aus<br />
zahlreichen größeren und kleineren Gruppen, deren<br />
Interessen keineswegs überall deckungsgleich sind:<br />
operative Mitarbeiter/ administrative Mitarbeiter /<br />
Centerlotsen / Towerlotsen / APRON-Lotsen / Flugdatenbearbeiter<br />
/ Flugberater / Techniker / Ingenieure /<br />
beurlaubte Soldaten / Übergangsversorgte etc. etc.<br />
Die meisten dieser Mitarbeitergruppen sind weit überdurchschnittlich<br />
organisiert, gut vernetzt und wachen<br />
eifersüchtig über die Berücksichtigung ihrer Belange.<br />
Grundsätzlich ist dies in Ordnung, ja stärkt eine<br />
Gewerkschaft sogar eher und sollte keine Schwierigkeiten<br />
bereiten. Allerdings sind nach und nach Faktoren<br />
hinzugekommen, die diese Haltung immer mehr<br />
zu einem Problem werden ließen; im Wesentlichen<br />
sind dies die folgenden Punkte:<br />
• Die Überbetonung von Partikular- (Einzel-) Interessen<br />
hat traditionell einen hohen Stellenwert in der<br />
GdF, damit ist latent immer die Gefahr verbunden,<br />
den Gesamtkontext aus den Augen zu verlieren.<br />
• Die historische Erfahrung, dass gute Tarifergebnisse<br />
erkämpft werden müssen, ist verblasst und einer<br />
„come and serve“-Mentalität gewichen, die den<br />
Erfolg <strong>als</strong> vorprogrammiert und garantiert ansieht.<br />
• Die relative Ohnmacht des Arbeitgebers, wie sie<br />
u.a. in bislang sechs Schlichtungen (!) zum Ausdruck<br />
kam, hat zunehmend das Missverständnis<br />
befördert, dass bloße Vorhandensein des enormen<br />
Potenti<strong>als</strong> der GdF reiche aus und dies müsse nicht<br />
auch subjektiv abgerufen werden.<br />
Im Ergebnis all dieser Entwicklungen verbraucht die GdF<br />
heute einen stetig größer werdenden Teil ihrer materiellen<br />
und personellen Ressourcen für innere Kämpfe<br />
oder Streitigkeiten (selbst wenn diese vielfach verdeckt<br />
geführt werden) und einen immer geringeren Teil<br />
für die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber sowie<br />
dem weiteren Umfeld. Dieser „nach innen“ gerichtete<br />
Energieverzehr, der nicht mit der wünschenswerten<br />
inhaltlichen Diskussion verwechselt werden darf, führt<br />
zu einer latenten Schwächung auch nach außen, selbst<br />
wenn vorerst noch keine drastischen Auswirkungen<br />
spürbar scheinen. Perspektivisch droht eine Abkopplung<br />
von realen Entwicklungen, die besorgniserregend<br />
genug sind. Erklärtermaßen wollen die Arbeitgeber die<br />
Macht der Spartengewerkschaften brechen, unter der<br />
jetzigen neuen Regierung erst recht. Szenarien für ein<br />
„divide et impera!“ (teile und herrsche) sind längst in<br />
der Schublade, das Spektrum reicht von der Abspaltung<br />
kompletter Belegschaftsteile (administrative/operative<br />
✈ Die GdF besteht aus<br />
zahlreichen Gruppen,<br />
deren Interessen keineswegs<br />
überall deckungsgleich<br />
sind – Augsburger<br />
Regionallotsen.<br />
Photo: W. Fischbach
Bereiche) über Ausgründungspläne (Technik, Peripheriebereiche)<br />
bis hin zur Filetierung auch in den Kernbereichen<br />
(Etablierung einer Mehrklassengesellschaft bei<br />
Lotsen, Abspaltung der Tower, aggressive Ausweitung<br />
von AT-Konstruktionen usw.).<br />
Strategie ist unerlässlich<br />
All diese Pläne fi nden willkommene Aufsetzpunkte und<br />
geeignete Spaltungslinien, wenn sie auf eine Struktur<br />
treffen, die von Gruppenegoismus und Neiddiskussionen<br />
geprägt ist. Eine Gewerkschaft, die numerisch so<br />
klein ist wie die GdF, kann sich eine, auch nur teilweise<br />
Aufl ösung des Solidaritätsprinzips nicht leisten – dies<br />
wäre unweigerlich der Anfang vom Ende.<br />
Um es an einem positiv verlaufenen Beispiel zu verdeutlichen:<br />
Hätten die Stuttgarter Towerlotsen (und<br />
damit die GdF) ihre APRON-Kollegen „im Regen stehen“<br />
gelassen und tatenlos zugesehen, wie sie von der<br />
Geschäftsführung des Airports fertiggemacht werden,<br />
hätte dies negative Auswirkungen für die GdF weit über<br />
Stuttgart hinaus gehabt. Die versammelten Arbeitgeber<br />
haben diesen Zusammenhang längst begriffen,<br />
wie die (letztlich erfolglosen) juristischen Schritte von<br />
Lufthansa, Germanwings, Air Berlin und Hapag Lloyd<br />
gegen den von der GdF organisierten Unterstützungsstreik<br />
zeigen. Immerhin: hier hat die GdF ihre Kraft <strong>als</strong><br />
Solidarverband eindrucksvoll unter Beweis gestellt.<br />
Eine Beutegemeinschaft basiert auf dem Prinzip des<br />
gemeinsamen Jagens ausschließlich zum größtmöglichen<br />
Nutzen des Einzelnen – ist zumindest diese Erwartung<br />
nicht vorhanden, gibt es keine gemeinsame Aktion.<br />
Dem gegenüber basiert die Solidargemeinschaft auf<br />
der Erkenntnis, dass der maximale eigene Nutzen<br />
dauerhaft nur gesichert ist, wenn die Interessen aller<br />
zum Verband gehörigen berücksichtigt und befriedigt<br />
werden, selbst wenn dies in Einzelfällen Abstriche<br />
bedeutet. Vor allem aber: Anders <strong>als</strong> eine Beutegemeinschaft<br />
stellt sich eine Solidargemeinschaft nicht<br />
willkürlich oder „aktionseinheitsmäßig“ her, sondern<br />
nur <strong>als</strong> Ergebnis einer kontinuierlichen Refl ektion und<br />
eines Diskurses. Dessen roter Faden muss die Frage<br />
sein, wie sich die Interessen Einzelner in den Interessen<br />
Aller wieder fi nden.<br />
Strategisch sollte die GdF dabei folgende<br />
Hauptfragen beantworten:<br />
1. Welches sind die Bewertungsparameter, an denen<br />
sich der (relative) Erfolg oder Misserfolg von<br />
Tarifergebnissen messen lässt (Einzel-/Gemeininteressen,<br />
kurz-, mittel- und langfristige Ziele,<br />
materielle/“kulturelle“ Aspekte)?<br />
2. Welche Effekte im Sinne von objektiven Auswirkungen<br />
(z.B. relative Personalverknappung,<br />
unterschiedliche materielle Zuwächse) bringt die<br />
GdF-Tarifpolitik hervor und wie wirken diese auf<br />
die GdF-Handlungsebene zurück (z.B. „Verhandlungen<br />
mit sich selbst“, interne Streitigkeiten)?<br />
Aktuell<br />
3. Welchen satzungsgemäßen Organisationsbereich<br />
defi niert die GdF langfristig und wie steht sie zur<br />
Zersplitterung/Allianzenbildung innerhalb der<br />
deutschen Gewerkschaftslandschaft?<br />
4. Welche Perspektive, Plattform oder Organisationsstruktur<br />
strebt die GdF in Europa an und wie sehen<br />
die einzelnen Etappen auf dem Weg dahin aus?<br />
5. Welchen Stellenwert haben der innergewerkschaftliche<br />
Umgang miteinander, die Erhaltung<br />
der eigenen, insbesondere personellen Ressourcen<br />
und die Diskursfähigkeit der GdF (immaterielle<br />
Faktoren) im Verhältnis zur „Tarifeffektivität<br />
und -produktivität“ (materielle Faktoren)?<br />
Auf diese – und weitere – Fragen wird die GdF ab<br />
2010 Antworten fi nden müssen. Wird die notwendige<br />
Diskussion nicht tief und breit geführt, lebt die<br />
GdF immer mehr von der (augenblicklich noch reichhaltigen)<br />
Substanz und es steigt die Gefahr, nach<br />
und nach auszuzehren. 2010, spätestens 2011 (das<br />
verfl ixte 7. Jahr) steht die GdF am Scheideweg. Ein<br />
Hin- und Herlavieren, mal Beute- und mal Solidargemeinschaft<br />
wird ebenso wenig funktionieren wie der<br />
Versuch, irgendwo dazwischen zu bleiben.<br />
Denn auch hier gilt:<br />
In Gefahr und großer Noth<br />
bringt der Mittelweg den Tod.<br />
(Friedrich von Logau, 1605-1655)<br />
9 der fl ugleiter 2009/06
(VA) FORIT – HISTORY<br />
AAber<br />
nein, ganz im Gegenteil,<br />
ddanach<br />
sieht es zur Zeit ganz und<br />
ggar<br />
nicht aus. Die Schulung wird<br />
am 17. Februar beginnen und<br />
VAFORIT wird spätestens ein<br />
Jahr danach eingeführt werden.<br />
Februar 2011 – wirklich!<br />
Das sagen dieses Mal nicht nur<br />
die Projektmanager, sondern<br />
tatsächlich alle Beteiligten.<br />
Und weil die Anfänge dieses größten DFS-Projekts<br />
aller Zeiten nun doch schon so weit zurückliegen,<br />
dass sich kaum noch jemand daran erinnern kann,<br />
fi ndet ihr nachfolgend eine Aufstellung der VAFORIT<br />
– HISTORY von 1995 bis gestern:<br />
1995 Kick-off mit der Anforderungserhebung für ein<br />
Very Advanced Flight Data Processing System,<br />
VA-FDPS<br />
1996 Weltweite Marktsichtung<br />
1997 Feinplanung Systemprojekt VAFORIT<br />
1998 Genehmigung der Realisierung des Projekts<br />
VAFORIT<br />
1999 VAFORIT Entwicklungsvertrag mit INDRA<br />
2001 VAFORIT nur für den Oberen Luftraum im UAC-KA.<br />
Nach dem 11. Sept. muss die DFS sparen.<br />
2002 -05 Entwicklung und technische Integration der<br />
Komponenten VA-FDPS, EVA(Eurodisplay very<br />
advanced) und VATCAS (Very advanced ATCAS)<br />
2003 Optimierung in Langen<br />
VATI-K, das Projekt zur Einrüstung von P1/<br />
VAFORIT im UAC Karlsruhe<br />
2005 Das Trainerteam und das SiBe Team (Sicherheitsbewertung)<br />
werden gegründet<br />
2006 1. Verschiebung des Inbetriebnahmezieles Ende<br />
06/Anfang 07<br />
2007 Dez. Zweite Verschiebung der geplanten Inbetriebnahme<br />
VAFORIT Ende 08/Anfang 09. Die<br />
Karten werden auf den Tisch gelegt, ein neuer<br />
Cutover-Termin ist offen<br />
Eine neue Zeitrechnung mit einer<br />
neuen Organisationsstruktur beginnt!<br />
2008 Jan. Die Taskforce wird mit 12 Mitgliedern<br />
gegründet, darunter 5 Lotsen, 1 FDB, und 2<br />
Sachbearbeiter mit Lotsenhintergrund.<br />
Das ‚Operational Requirements Concept P1/<br />
VAFORIT‘ wird defi niert und fortan umgesetzt.<br />
Das Kernteam wird zum Testteam.<br />
2008 Jun. Ein neuer Cutover-Termin: Ende 2010/<br />
Anfang 2011<br />
ATC Aktuell<br />
VAFORIT History? Heißt das etwa, dass es schon vorbei ist, bevor es richtig angefangen hat? VAFORIT wird<br />
eingemottet, weil es zu teuer geworden ist und die ganze very advanced Philosophie eh‘ nix taugt? Na ja, den<br />
Einen oder Anderen würde es wahrscheinlich freuen …<br />
2009 Jun. Abschluss der iterativen CO-4 Entwicklung<br />
mit insgesamt 5 Operational-Checks und 5<br />
Debug-Checks durch die Taskforce<br />
2009 Okt. Erfolgreiche Site Acceptance Tests<br />
2009 Dez. Die Einführung von ISIS wird vorgezogen<br />
Und so könnte es weitergehen:<br />
2010 Beginn der Schulung am 17. Februar.<br />
4 x 3 Tage plus 2,5 Tage CBT im Selbststudium<br />
2010 Sep. Beginn der NightLive Operations<br />
2010 Nov. Beginn der OPS-Weekends<br />
2011 Einführung VAFORIT im Februar 2011<br />
2011 Verkehrsfl usssteuerungsmaßnahmen,<br />
Bearbeitung der Bugliste<br />
2012 Schulung der Münchener Kollegen,<br />
Erweiterung der Funktionalitäten<br />
2013 Abarbeiten der Bugliste<br />
von<br />
Holger Müller<br />
Benvenuti a Reno Radar<br />
Giulio, Marco, Paolo, Dario, Francesco, Luca, Fabio, Veronika, Luigi, Fabio<br />
10 Italiener aus Mailand, Roma, Padua und Brindisi haben sich im November<br />
über die Alpen getraut und werden ab 02. Januar das OJT beginnen. Zwei<br />
Jahre lang dürfen sie dann auf nur einem Sektor ihr Dasein fristen und die<br />
größten Personallöcher stopfen!<br />
Frohes Fescht und buon natale wünscht Euch die GdF-Ortsgruppe KA!<br />
13 der fl ugleiter 2009/06
von<br />
Jörg Biermann<br />
der fl ugleiter 2009/06<br />
Humor<br />
20<br />
2006/2007<br />
Tarifverhandlungen GdF/DFS drohen zu eskalieren<br />
Geschätzte Mehrkosten pro Passagier<br />
eines DFS-kontrollierten Fluges:<br />
0,38 EUR<br />
(Quelle: „der fl ugleiter“ 3/2007)<br />
Damalige Kommentare:<br />
DFS: Raubzügler<br />
BARIG: Gefährdung des Luftverkehrsstandortes<br />
Deutschland<br />
Photo: Flughafen München<br />
Standpunkte<br />
oder<br />
Die Zahl des Tages<br />
Ab 2012<br />
Gem. EU-Verordnung müssen alle in Europa operierenden<br />
Fluggesellschaften ihre CO2-Emissionen<br />
reduzieren und dafür Zertifi kate für ihre Flugzeuge<br />
erwerben.<br />
Geschätzte Mehrkosten pro Passagier<br />
eines Atlantikfl uges:<br />
10 EUR (0,38 + 2500%)<br />
(Quelle: FAZ 29.8.09)<br />
Kommentar:<br />
EU: Zu vernachlässigende Kosten<br />
(Quelle: FAZ 29.8.09)
Weihnachten und Neujahr –<br />
Gedanken aus der UZ<br />
Eigentlich ist die Vorweihnachtszeit eine gute Chance, einmal inne<br />
zu halten, um für Neues Kraft zu schöpfen. Doch das ist in und um<br />
Langen nicht zu spüren. Auch nicht in der UZ. Die Telefone klingeln<br />
unentwegt, hektische Schritte auf den Fluren bestimmen den Alltag.<br />
Zeit ist rar. Das Übliche eben.<br />
Die große Umstrukturierung muss sich erstmal setzen<br />
und funktionieren. Das Projekt „Leadership und<br />
Performance“ sorgte für Stimmung und kritische<br />
Töne in unseren Führungsetagen. Anfänglich belächelt,<br />
kommt es nun zumindest der Realität Schritt für<br />
Schritt näher. Was das Vorhaben in den Führungsetagen<br />
auslöst, bleibt abzuwarten. Dazu mussten auch<br />
wir lernen, dass wir eng mit allem, was außerhalb<br />
der DFS geschieht, verbunden sind und sich Wachstum<br />
ins Gegenteil umkehren kann. Den Gürtel enger<br />
schnallen, erforderte wiederum die Anstrengung aller<br />
Beteiligten.<br />
Passend zu unserer unruhigen Zeit hat die DFS ein<br />
Kolloquium zum Thema Burnout – „Entfl ammt, Verbrannt,<br />
Ausgebrannt“ veranstaltet. Drei Referenten<br />
aus den Bereichen Arbeitsmedizin, tiefenpsychologische<br />
Beratung und ganzheitliche Medizin haben zu<br />
dem komplexen Thema vorgetragen. Dieses durchaus<br />
unangenehme und sehr persönliche Thema in<br />
unserem Haus zu sensibilisieren, ist ein wichtiges<br />
Umdenken in der vermeintlich so leistungsorientierten<br />
Unternehmenskultur. Da stellen sich wichtige Fragen.<br />
Was fördert eine Überlastung bei uns? Weshalb sind<br />
viele Menschen hier trotz guter tarifl icher Arbeitsbedingungen<br />
so unglücklich, empfi nden Angst und den<br />
Verlust an Freude?<br />
Welche Kultur haben wir? Orientiert sie sich vorwiegend<br />
am Status oder am Wohle aller? Wie viel Interesse<br />
hat jeder am anderen? Menschen mit einem stabilen<br />
Selbstwertgefühl müssen keinen Druck ausüben,<br />
Intern<br />
um Leistungsbereitschaft zu erzeugen. Die Interessen<br />
der Führenden und der Geführten zu harmonisieren,<br />
wäre der bessere Weg. Notwendige Veränderungsprozesse<br />
vorausschauend und geduldig umzusetzten,<br />
belastet die Gemeinschaft weniger. Durch zahlreiche<br />
Umstrukturierungen oder abrupte Kurskorrekturen<br />
entstehen Schäden und Konfl ikte. Menschliche Größe<br />
bei den Führenden kann bei den Mitarbeitern ungeahnte<br />
Potenziale und Wertschöpfung hervorbringen.<br />
Zwänge, Abmahnungen und seelischer Druck bewirken<br />
das Gegenteil. Gute Führung heißt auch, den Mitarbeitern<br />
mehr Eigenverantwortung zuzugestehen,<br />
Probleme mit Bedacht zu lösen und Zweifel im Dialog<br />
auszuräumen.<br />
Vielleicht ist die spätherbstliche Stille eine Chance,<br />
einfach nur zu „sein“, sich nicht treiben zu lassen und<br />
die Identifi kation mit Objekten gegen Selbstakzeptanz<br />
und inneren Frieden zu tauschen.<br />
von<br />
Daniela<br />
Franke<br />
25 der fl ugleiter 2009/06
PRC – Report:<br />
Licht und Schatten im letzten Jahr<br />
Alle Jahre wieder legt die PRC (Performance Review Commission)<br />
ihren Bericht zur Lage der europäischen Flugsicherung vor. Dabei<br />
zeigt die PRC, die <strong>als</strong> unabhängige Organisation unter dem Dach<br />
EUROCONTROLs organisiert ist, wie sich die europäischen Flugsicherungsdienstleister<br />
im Vorjahr geschlagen haben, ob sie die<br />
gesteckten Ziele erreicht haben und welche Aufgaben zukünftig<br />
in Angriff genommen werden müssen. Der PRC geht es dabei nicht<br />
darum, einzelne ANSPs besonders hervorzuheben und andere an<br />
den Pranger zu stellen. Vielmehr beabsichtigt sie, mit ihrem Bericht<br />
zu einer positiven Weiterentwicklung des europäischen Flugsicherungssystems<br />
beizutragen.<br />
Auch im letzten Jahr haben die Verkehrszahlen in Europa<br />
zugenommen, Wenn auch in wesentlich geringerem<br />
Maß <strong>als</strong> im Vorjahr. Betrug 2007 das Wachstum<br />
noch fünf Prozent, so waren es, nachdem sich die Verkehrsentwicklung<br />
ab dem August negativ entwickelte,<br />
im letzten Jahr nur noch 0,4 Prozent. Die DFS lieferte<br />
da ein wenig bessere Zahlen. Obwohl sich die Finanz-<br />
und Wirtschaftskrise auch in Deutschland negativ auf<br />
die Verkehrszahlen auswirkte, konnte am Ende des<br />
Jahres immer noch ein Wachstum von 1,1 Prozent verzeichnet<br />
werden.<br />
Sicherheit <strong>als</strong> oberstes Ziel<br />
Was die Frage der Sicherheit betrifft, so kann die<br />
PRC positives berichten. Im letzten Jahr haben sich<br />
keine Unfälle ereignet, die auf das Versagen oder<br />
auf Fehlleistungen der Flugsicherung zurückzuführen<br />
wären. Auch wenn zum Zeitpunkt, zu welchem der<br />
Bericht abgefasst wurde, einige Zwischenfälle noch<br />
nicht abschließend untersucht und beurteilt waren,<br />
so glaubt die PRC hinsichtlich der Staffelungsunterschreitungen<br />
und „Runway Incursions“ ein positives<br />
Urteil abgeben zu können. Hatte die Zahl dieser Zwischenfälle<br />
bereits 2007 gegenüber dem Vorjahr abge-<br />
✈ Im Streckenbereich konnten die gesteckten Ziele<br />
nicht erreicht werden.<br />
Photo: Airbus Industrie<br />
ATC International<br />
nommen, so geht die PRC davon aus,<br />
dass sich der positive Trend der letzten<br />
drei Jahre auch 2008 fortgesetzt<br />
hat. Allerdings kritisiert sie, dass die<br />
Mehrzahl der Mitgliedsstaaten die<br />
„EUROCONTROL Safety Regulatory<br />
Requirements (ESARR)“ bis jetzt nicht<br />
in vollem Umfang umgesetzt haben.<br />
Besonderen Wert liegt die PRC auf ein<br />
vertrauliches Meldesystem und die<br />
Einführung von „Just Culture“: „The<br />
PRC supports confi dentially of individual<br />
incident reports as well as protection of individu<strong>als</strong><br />
in a just culture environment.“<br />
Generell erinnert die PRC daran, dass die Programme<br />
USOAP (ICAO Universal Safety Oversight Audit Programme)<br />
und ESIMS (ESARR Implementation Monitoring<br />
and Support) im Jahr 2011 auslaufen und ersetzt<br />
werden müssen. Dabei betont die PRC die Notwendigkeit<br />
eines auf die europäischen Gegebenheiten ausgerichteten<br />
Sicherheitsplans (structured ANS safety<br />
oversight scheme), der eine Kombination aus Befragungen,<br />
nachträglichen Betrachtungen und Überprüfungen<br />
darstellen sollte.<br />
Pünktlichkeit, Qualität und Kosteneffi zienz<br />
Natürlich kann eine Institution wie die PRC an Themen<br />
wie Pünktlichkeit, Qualität bzw. Leistungsfähigkeit<br />
ebenso wenig vorbei gehen wie an den Fragen der<br />
wirtschaftlichen und fi nanziellen Effi zienz des europäischen<br />
Flugsicherungssystems.<br />
Nach einer kontinuierlichen Verschlechterung im<br />
Zeitraum von 2003 bis 2007 hat die Pünktlichkeit<br />
im letzten Jahr generell zugenommen, was natürlich<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
27 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
ATC International<br />
28<br />
auch auf die verringerte Nachfrage zurückzuführen<br />
ist. Meist resultieren Abfl ugverzögerungen auf dem<br />
„Turn-Around“-Prozess. Dennoch sind rund 27% der<br />
Abfl ugverzögerungen durch die Flugsicherung hervorgerufen<br />
worden. Zieht man die Auswirkungen ab, die<br />
durch entsprechende Wetterlagen auf die Verkehrsabwicklung<br />
hervorgerufen wurden, dann waren es<br />
noch 24%.<br />
Beim Streckenbereich musste die PRC feststellen,<br />
dass die vorgegebenen Ziele nicht erreicht werden<br />
konnten. Im letzten Sommer haben die Verspätungen,<br />
die auf die Flugsicherung bzw. auf das Air Traffi c<br />
Management zurückzuführen waren, zum vierten Mal<br />
zugenommen und die Zielmarke um 90% überschritten.<br />
4,3% (anstatt der vorgegebenen 3.3%) der Flüge<br />
waren um mehr <strong>als</strong> 15 Minuten verzögert. In anderen<br />
Zahlen ausgedrückt: anstatt des angestrebten Verspätungswertes<br />
von einer Minute pro Flug waren es<br />
1,9. Damit können die europäischen ANSPs eigentlich<br />
ganz gut leben und die fl iegende Kundschaft sicherlich<br />
auch. What are less than two minutes within a<br />
whole life?<br />
Die Leistungsfähigkeit der Flugsicherung an den Flughäfen<br />
und in den dazugehörenden Nahverkehrsbereichen<br />
ist jedoch etwas schwieriger festzustellen.<br />
Schließlich agiert hier eine größere Zahl von Mitspielern<br />
(Flughäfen, Fluggesellschaften) <strong>als</strong> dies im Streckenbereich<br />
der Fall ist. Zudem gibt es Faktoren wie<br />
die Flughafenkapazität, auf welche die Flugsicherung<br />
keinen oder nur einen sehr geringen Einfl uss nehmen<br />
kann. Bei der Verspätungsrate der wichtigsten Flughäfen<br />
hat sich die PRC äußerst diplomatisch ausgedrückt<br />
und die „average excess time within the last 100 NM“<br />
eines Flughafens angegeben. Spitzenreiter ist hier der<br />
Flughafen London-Heathrow mit einer „excess time“<br />
von etwas mehr <strong>als</strong> neun Minuten. Frankfurt folgt mit<br />
etwas mehr <strong>als</strong> fünf Minuten auf dem zweiten (Negativ)<br />
Platz. Mit ca. drei Minuten rangiert München auf<br />
✈ Die durchschnittliche Verspätungsrate an den<br />
Flughäfen liegt bei 2,1 Minuten.<br />
Photo: Werner Fischbach<br />
dem vierten. Der europäische Durchschnittswert liegt<br />
bei 2,1 Minuten. Ein Wert, der von durchaus verkehrsreichen<br />
Flughäfen wie Paris – Charles de Gaule oder<br />
Amsterdam nicht erreicht bzw. von diesen unterschritten<br />
wurde.<br />
So stellen die Flughäfen die größten Herausforderungen<br />
an ein zukünftiges Verkehrswachstum dar. Die<br />
PRC sieht deshalb die Notwendigkeit, die Flughäfen in<br />
das Flugsicherungssytem (ATM-Network) zu integrieren<br />
sowie die Betriebsabläufe an den Flughäfen und<br />
in den Nahverkehrsbereichen zu optimieren.<br />
Im Vergleich zu den USA sieht die PRC keine großen<br />
Unterschiede. Bei den Anfl ügen liegen die USA und<br />
Europa hinsichtlich der Pünktlichkeit gleichauf, wobei<br />
die Verspätungsrate in den USA größere Ausschläge<br />
nach oben und unten aufweist. Allerdings haben die<br />
Amerikaner bei der Abfl ugpünktlichkeit die Nase<br />
vorne, wobei jenseits des Großen Teiches größere<br />
Rollstecken zurückgelegt werden müssen. Auch bei<br />
der Streckenführung (direct route extension) sind die<br />
Amerikaner besser. Um ungefähr ein Prozent.<br />
Was die Kosten angeht, so sind die europäischen<br />
Flugsicherungsdienstleister effi zienter geworden. Im<br />
Zeitraum von 2003 bis 2007 haben die Kosten von<br />
0,87 EUR/km auf 0,76 EUR/km abgenommen. Das<br />
entspricht einer Reduzierung von jährlich 3,4%. Damit<br />
haben die europäischen ANSPs das für den Zeitraum<br />
von 2003 bis 2008 vorgegebene Ziel einer jährlichen<br />
Reduktion von drei Prozent erreicht.<br />
Die durch die weltweite Krise nachlassende Nachfrage<br />
gibt den europäischen ANSPs die Chance, etwas<br />
„durchzuatmen“. Diese Phase, so meint die PRC,<br />
sollten sie nutzen, um sich für ein zukünftiges Verkehrswachstum<br />
zu wappnen. Chancen für Verbesserungen<br />
sind immer gegeben; Programm wie SES, FABs<br />
und SESAR sollten dabei helfen.
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
der fl ugleiter 2009/06<br />
ATC International<br />
30<br />
Eagle Award – ANSPs Vietnams<br />
und Singapurs ausgezeichnet<br />
Seit 1998 bewertet die IATA (International Air Transportation Association),<br />
<strong>als</strong>o der internationale Verband der Fluggesellschaften,<br />
Flugsicherungsdienstleister und Flughäfen, ob diese sich so verhalten<br />
und entwickeln wie die Fluggesellschaften sich dies vorstellen.<br />
Wer ihren Kriterien standhält und sich besonders hervortut, der<br />
wird dann mit dem sogenannten Eagle Award ausgezeichnet.<br />
Natürlich ist es eine besondere Auszeichnung, von seinen<br />
Kunden für herausragende Leistungen belohnt zu<br />
werden und jeder CEO eines ANSP (Air Navigation Service<br />
Provider) bzw. eines Flughafens darf stolz sein,<br />
den Eagle Award entgegen nehmen zu dürfen. Und für<br />
die anderen dürfte die jährliche Verleihung Ansporn<br />
genug sein, ihr Unternehmen nicht nur effi zient, sondern<br />
auch kundenfreundlich, sprich „adlerkonform“<br />
aufzustellen. Die DFS konnte sich schon recht früh,<br />
nämlich im Jahr 2000 in den exklusiven Verein der<br />
Adlerpreisträger einreihen. Die Australier (AirServices<br />
Australia) konnten gleich zweimal die begehrte Trophäe<br />
ergattern (1999 und 2005). Allerdings gab es<br />
auch zwei Jahre (2002 und 2004), in welchen die IATA<br />
keine Flugsicherungsorganisation einer Verleihung<br />
✈ Singapur Tower – sichtbares<br />
Aushängeschild der<br />
Eagle Award Trägers 2009.<br />
Photo: CAAS<br />
würdig fand. 2002 und 2004 sind <strong>als</strong>o<br />
„adlerlose“ Jahre. Zumindest was die<br />
Flugsicherung betrifft.<br />
Auf der diesjährigen IATA-Generalversammlung<br />
(65th IATA Annual General<br />
Meeting and World Air Transport Summit)<br />
wurden zwei Flugsicherungsdienstleister ausgezeichnet<br />
– die Vietnam Air Navigation Services Corporation<br />
(VANSCORP), weil sie sich in den letzten Jahren<br />
am schnellsten entwickelt hat (most improved ANSP)<br />
und Civil Aviation Authority of Singapore (CAAS) <strong>als</strong><br />
beste Flugsicherungsorganisation schlechthin. Dazu<br />
wurde der bulgarische Flugsicherungsdienstleister<br />
BULATSA lobend erwähnt (Honorable Mention).<br />
Die Vietnamesen wurden für ihre Investitionen in<br />
moderne Technologien und der Umsetzung der „ICAO-<br />
Roadmap“ für CNS (Communication, Navigation and<br />
Surveillance) sowie für ihre Fortschritte hinsichtlich<br />
Verlässlichkeit, Effi zienz und Kundenorientierung<br />
belohnt. CAAS aus Singapur wurde <strong>als</strong> Weltmarktführer<br />
bezeichnet, der sich <strong>als</strong> verlässlicher Dienstleister<br />
erwiesen und eine führende Rolle sowohl regional <strong>als</strong><br />
auch weltweit erarbeitet hat. Und BULATSA wurde<br />
insbesondere wegen ihrer Kosteneffi zienz und Dienstleistungsqualität<br />
lobend erwähnt. Dabei hat der IATA<br />
besonders gut gefallen, dass die Bulgaren einen Fünf-<br />
Jahres-Plan zur Reduzierung der Streckengebühren<br />
verabschiedet und die Streckengebühren im letzten<br />
Jahr um 5.5% zurückgefahren haben.<br />
Kriterien für den „Eagle Award“<br />
Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die<br />
IATA die Preisträger für ihren „Eagle Award“ aussucht.<br />
Denn bekanntlich ist es für einen Außenstehenden<br />
ziemlich schwierig, die Qualität einer Flugsicherungsorganisation<br />
zu bewerten. Zumal es sich bei der IATA<br />
um eine Organisation handelt, die hinsichtlich der<br />
Flugsicherung bestenfalls um ein gesundes Halbwissen<br />
verfügen dürfte. Um einen ANSP bewerten, dürfte<br />
es nicht reichen, dessen Außendarstellung, die Qualität<br />
der Pressearbeit und die Höhe der Gebühren zu<br />
beurteilen.<br />
Wichtig ist schließlich, wie es um die Sicherheitskultur<br />
eines ANSPs bestellt ist. Kann diese <strong>als</strong> non-punitiv<br />
bezeichnet werden und kommen die Grundsätze der<br />
„Just Culture“ auch wirklich zur Anwendung? Werden<br />
die Leistungen der Controller und des technischen Person<strong>als</strong><br />
von der Unternehmensleitung entsprechend<br />
anerkannt und macht sich dies sowohl in sozialer<br />
<strong>als</strong> auch in fi nanzieller Hinsicht bemerkbar? Hat der<br />
jeweilige ANSP wie zum Beispiel die DFS Programme<br />
wie CISM (Critical Incident Stress Management) einge-
ichtet? Das alles sind Punkte, die eigentlich nur Geld<br />
kosten und die – zumindest auf den ersten Blick – sich<br />
nach außen nicht bemerkbar machen. Aber für die<br />
Motivation der Controller und für die Durchführung<br />
einer sicheren und effi zienten Flugverkehrskontrolle<br />
sind sie unverzichtbar.<br />
Kundenzufriedenheit, Kosteneffi zienz und eine kontinuierliche<br />
Weiterentwicklung, so erklärt die IATA in<br />
ihrer Pressemitteilung, sind die ausschlaggebenden<br />
Kriterien für die Verleihung des Eagle Awards. „The<br />
best value for money performance of airports and<br />
ANSPs“. Ein ehrlicher und offener Gedankenaustausch<br />
(meaningful consultation process) zwischen<br />
den Airlines und den Dienstleistern, Transparenz bei<br />
den Informationen (insbesondere bei den Finanzen),<br />
Kostenehrlichkeit hinsichtlich der Gebühren, eine<br />
gerechte und faire Kostenstruktur und Verbesserung<br />
bei der Produktivität. Wobei beim letzten Punkt auch<br />
die Bereitschaft, mit benachbarten Flugsicherungsdienstleistern<br />
zu kooperieren, bewertet wird. Von<br />
Sicherheit ist keine Rede. Das ist ärgerlich, denn eine<br />
Flugsicherungsorganisation sollte nicht nur nach Kriterien<br />
wie einer transparenten Kostenstruktur, niedrigen<br />
Gebühren und einem offenen Konsultationsprozess<br />
beurteilt werden. Was jedoch nicht bedeutet,<br />
dass die Eagle-Preisträger die oben angeführten, für<br />
die Sicherheit bei der Flugverkehrskontrolle erforderlichen<br />
Kriterien nicht erfüllen würden.<br />
Doch so wichtig der Eagle Award für die Flugsicherungsdienstleister<br />
weltweit auch sein mag – man<br />
sollte nicht vergessen, dass er von den Kunden der<br />
Flugsicherung verliehen wurde. Und die wiederum<br />
bewerten nach ihren Kriterien die Kundenfreundlichkeit<br />
eines ANSPs.<br />
Auf der anderen Seite wäre es durchaus von Interesse,<br />
wie die IATA auf einen, von den Flugsicherungsdienstleistern<br />
vergebenen Award reagieren würde. Wenn<br />
<strong>als</strong>o CANSO oder IFATCA die Kooperationsbereitschaft<br />
der Airlines gegenüber der Flugsicherung bewerten<br />
würden. Wenn sie herausstellen würden, welche Airlines<br />
die Flugsicherung im voraus über einen „aircraft<br />
change“ informieren oder rechtzeitig mitteilen würde,<br />
dass ein bestimmter Flug seinen Slot nicht einhalten<br />
kann. Anstatt auf den letzten Drücker zu warten, so<br />
dass dieser Slot dann keinem anderen mehr zugeteilt<br />
werden kann und er ungenutzt verfällt. Um nur einige<br />
Beispiele zu nennen; die Liste ließe sich beliebig<br />
fortsetzen.<br />
Eagle Awards für die Flughäfen<br />
Eagle Awards werden jedoch nicht nur für die Flugsicherung<br />
verliehen, sondern auch an Flughäfen. Das<br />
ist konsequent, denn schließlich sind diese nicht nur<br />
wichtige Partner, sondern Kostenfaktoren für die Fluggesellschaften.<br />
Wobei es Airlines geben soll, die für<br />
ihre Güte, bestimmte (Regional)Flughäfen anzufl iegen,<br />
von den Airports ein fi nanzielles Entgegenkommen<br />
erwarten. Doch dies sind Ausnahmen. Dennoch<br />
ATC International<br />
✈ Als „best airport“ zeichnete die IATA den internationalen<br />
Flughafen von Kuala Lumpur aus.<br />
Photo: W. Fischbach<br />
– die Flughäfen bzw. deren Gebührenordnung stellen<br />
einen nicht ganz unbeträchtlichen Kostenfaktor für die<br />
Fluggesellschaften dar und sie fragen sich natürlich,<br />
ob sie für das Geld, das sie auf den Tisch des Flughafens<br />
legen, auch entsprechende Gegenleistungen<br />
erhalten.<br />
So wurden auch dieses Jahr für Flughäfen zwei Eagles<br />
verliehen. Einmal an Genf-Cointrin <strong>als</strong> den „most<br />
improved airport“ und an die Malaysia Airports Holdings<br />
Berhard (MAHB) für den internationalen Flughafen<br />
Kuala Lumpur <strong>als</strong> „best airport“. Ein Schelm,<br />
der dabei an etwas Böses denken mag. Schließlich<br />
wurde die Generalversammlung ausgerechnet in<br />
der malaysischen Hauptstadt abgehalten. Allerdings<br />
schien dies die IATA nicht besonders zu beeindruckten.<br />
Sie zeichnete MAHB aus, weil sie weltweit die<br />
niedrigsten Gebühren erhebt und angesichts der<br />
weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise die Landegebühren<br />
für zwei Jahre um 50% gesenkt hat. Natürlich<br />
ging es auch beim Flughafen Genf ums Geld. Der hat<br />
nämlich 2,5 Mio. US$ an die Airlines zurückgegeben,<br />
damit diese besser durch die Krise kommen. Aber<br />
das ist nicht alles. Der Flughafen wurde zusätzlich<br />
für seine Bereitschaft, die Fluggesellschaften regelmäßig<br />
über die Höhe der Kosten zu konsultieren und<br />
ein gesundes Gleichgewicht bei den Einnahmen aus<br />
dem Flug- und dem Nicht-Fluggeschäft herzustellen,<br />
ausgezeichnet.<br />
Deutsche Flughäfen haben es dieses Mal (wieder)<br />
nicht geschafft, einen Eagle zu erhalten. Allerdings<br />
wurde der Flughafen München von den Passagieren<br />
ausgezeichnet und ist bei den „World Airport Awards“<br />
des Londoner Skytrax-Instituts in diesem Jahr erneut<br />
auf dem fünften Platz gelandet. Dabei haben es die<br />
Münchner dieses Jahr verpasst, den Platz des Europameisters<br />
zu verteidigen und mussten ihren Kollegen<br />
aus Zürich den Vorrang lassen. Die schafften den<br />
vierten Platz hinter Seoul, Hongkong und Singapur.<br />
31 der fl ugleiter 2009/06
von<br />
Stefan Bitterle,<br />
Hauptmann,<br />
LwA PrInfoZLw<br />
der fl ugleiter 2009/06<br />
Luftwaffe<br />
40<br />
Suchen und Retten<br />
Ein Tag bei SAR 41 in Nörvenich<br />
Wenn im Bereitschaftsraum das Telefon klingelt, muss es schnell<br />
gehen: Ein Einsatz für SAR 41. Schnell nimmt der Pilot Oberleutnant<br />
Mario Weber (29) den Flugauftrag aus dem Fax und verschafft sich<br />
auf der Karte einen Überblick, wohin er gleich fl iegen soll. Ein kurzer<br />
Blick auf das aktuelle Wetter, die Treibstoffberechnung, eventuelle<br />
fl iegerische Besonderheiten. Unterdessen entfernt Bordtechniker<br />
Stabsfeldwebel Uwe Peters (46) die Sicherungsleinen<br />
vom Hauptrotor des Hubschraubers, während Luftrettungsmeister<br />
Stabsfeldwebel Mario Rader (41) schnell einen Blick auf die Rettungsgeräte<br />
wirft. Schon läuft die Turbine der Bell UH-1D an, der<br />
Rotor nimmt Drehzahl auf. Startfreigabe von Nörvenich Tower für<br />
German Air Force 795, und schon sind wir auf dem Weg zum Einsatzgebiet.<br />
„Nach spätestens 15 Minuten sind wir in der Luft. In der<br />
Regel geht es allerdings schneller“, verrät Mario Rader.<br />
Der Auftrag: Suche nach einem vermissten Luftfahrzeug<br />
in der Eifel. Eine zweimotorige zivile Piper<br />
Seneca V mit drei Menschen an Bord von Paris nach<br />
Köln wird vermisst. Die Höchstfl ugdauer, wie sie im<br />
Flugplan vermerkt wurde, ist überschritten. Jetzt kann<br />
das Flugzeug nicht mehr in der Luft sein. Damit man<br />
es peilen kann, verfügt es über einen so genannten<br />
Emergency Locator Transmitter (ELT). Der sendet auf<br />
einer einheitlichen Notfunkfrequenz<br />
ein Peilsignal, das durch einen starken<br />
Stoß wie einen Aufprall oder auch von<br />
Hand durch den Piloten ausgelöst werden<br />
kann. Nach zwanzig Minuten fi nden<br />
wir in einem Waldstück ein Flugzeugwrack.<br />
Trümmer sind im Umkreis<br />
verstreut, drei Menschen winken.<br />
Offensichtlich konnte der Pilot eine<br />
Notlandung machen. In einer Lichtung<br />
setzen wir auf.<br />
Sieben Tage die Woche, 24 Stunden<br />
am Tag bereit<br />
So sähe ein realistisches Szenario<br />
aus, wie er in den Vorschriften der zivilen UNO-Luftfahrtunterorganisation<br />
im Anhang 12 vorgesehen ist<br />
und von deutschen Verkehrsbehörden an die SAR-<br />
Hubschrauber der Luftwaffe und Marine delegiert<br />
wurde. Heute aber machen wir nur einen Übungsfl ug,<br />
um uns mit dem Gelände vertraut zu machen. Einmal<br />
pro Woche, jeden Dienstag wird die Crew in Nörvenich<br />
abgelöst, der Dienst dauert sieben Tage, 24 Stun-<br />
✈ Im Landeanflug zum Helipad.
den am Tag. Den größten Teil der Zeit verbringt die<br />
Besatzung mit Warten. Mario Weber und Uwe Peters<br />
waren noch nicht in Nörvenich, deshalb weist Mario<br />
Rader die beiden in das Einsatzgebiet ein. Nach dem<br />
Take Off fl iegen wir nach Nordosten Richtung Köln:<br />
Die Uniklinik in Lindenthal ist das erste Ziel. 90 Knoten<br />
zeigt der Fahrtmesser, wir fl iegen in nur 900 Fuß<br />
Höhe, etwa 200 Meter über dem Boden. Der Tower<br />
vom Flughafen Köln Bonn erteilt uns die Einfl uggenehmigung<br />
in die Kontrollzone. In nur sechs Minuten<br />
sind wir da. Von hier geht es weiter zur Kinderklinik<br />
Amsterdamer Straße. Bei den aktuellen Sichten von<br />
50 Kilometern mit ein paar Regenschauern ist sie mit<br />
ein paar Hinweisen von Mario Rader leicht zu fi nden.<br />
Der Luftrettungsmeister sitzt hinten.<br />
Als Ortskundiger unterstützt er Bordtechniker Peters,<br />
der vorne links sitzt und ständig zwischen Fenster und<br />
seiner Sichtfl ug-Karte hin- und herschaut. Rader kann<br />
von seinem Sitz auch eine Patiententrage überwachen,<br />
die quer vor ihm eingebaut ist. Darüber die Konsolen<br />
von Herz- und Kreislaufüberwachungsinstrumenten<br />
und eine Sauerstoffanlage. Von Haken in der<br />
Decke baumeln Infusionsbeutel mit Kochsalzlösung.<br />
Wenn es ganz kompliziert wird, würde Rader auch die<br />
Seilwinde bedienen.<br />
Gefl ogen wird nach Sicht<br />
Der Hubschrauber wird morgens um halb acht von<br />
der Besatzung aus dem Bunker gezogen und ist dann<br />
ständig einsatzbereit: Der Sprit reicht für knapp drei<br />
Stunden, gefl ogen wird nach Sicht – 800 Meter nach<br />
vorn muss der Pilot sehen können, frei von Wolken<br />
bleiben und den Boden im Blick, das sind die Mindestanforderungen.<br />
In der kalten Jahreszeit sind solche<br />
Wetterlagen keine Seltenheit.<br />
✈ Stabsfeldwebel Rader wirft einen<br />
schnellen Blick auf das Rettungsgerät.<br />
Photos: Stefan Bitterle<br />
Luftwaffe<br />
Wir fl iegen nach Westen, über Düren in das Tagebaugebiet<br />
bei Bergheim. Winzig sehen die gigantischen<br />
Braunkohlebagger aus. Fast ein wenig verloren stehen<br />
sie in den terrassenförmigen Flözen. Über der<br />
Kante der Grube schüttelt der Hubschrauber leicht,<br />
auch sonst ist es bockig an dem kalten Frühlingsvormittag<br />
– „Rückseitenwetter“ sagen die Flieger dazu.<br />
Wenn wir jetzt in die Grube hineinfl ögen, wären wir<br />
unter dem Meeresspiegel. Manches Flugzeug hat sich<br />
da schon verrechnet und ist abgestürzt, deshalb lassen<br />
wir das lieber bleiben.<br />
Vor uns jetzt die Ausläufer der Eifel. Menschenleer<br />
liegt der Hürtgenwald südlich von Aachen unter uns.<br />
„Der Wald, in dem die Drachen wohnen, hat ihn der<br />
Kriegsberichterstatter Ernest Hemingway genannt“,<br />
erläutert Mario Rader. Hemingway hat die amerikanischen<br />
Truppen auf dem Weg nach Köln begleitet.<br />
Hier im Hürtgenwald hatten die Amerikaner während<br />
der Kämpfe um Aachen Ende 1944 empfi ndliche Verluste<br />
erlitten.<br />
Der Höhenmesser zeigt mittlerweile fast 2.000 Fuß.<br />
Um unsere Höhe über Grund konstant zu halten, müssen<br />
wir natürlich allmählich steigen. Links und rechts<br />
drehen die mächtigen Rotoren von Windkraftanlagen.<br />
Die Leitstelle von Simmerath, einem kleinen Eifelort,<br />
krächzt im Funk. „Wir arbeiten mit den zivilen Rettungsstellen<br />
gut zusammen“, sagt Rader. „Gerade<br />
41 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
Luftwaffe<br />
42<br />
hier im Nationalpark Eifel sind am Wochenende<br />
wahre Heerscharen von Besuchern auf den Straßen,<br />
auch viele Motorradfahrer. Da werden wir oft dazu<br />
gerufen.“<br />
Zusammenarbeit mit zivilen Stellen<br />
Wobei SAR 41 kein Rettungshubschrauber im eigentlichen<br />
Sinn ist. Deshalb gehört zur Standardbesatzung<br />
auch kein Notarzt. Heute gibt es in Deutschland<br />
ein fl ächendeckendes Netz von zivilen Rettungshubschraubern<br />
des Katastrophenschutz und etwa des<br />
ADAC oder anderer kommerzieller Anbieter. Sie sind<br />
auf Flughäfen und bei Krankenhäusern stationiert und<br />
können jeden Punkt in Deutschland binnen weniger<br />
Minuten erreichen. Sollte das jedoch nicht ausreichen,<br />
können die Behörden auch die SAR-Kommandos der<br />
Bundeswehr um Unterstützung bitten. Das geschieht<br />
über das Rescue Co-Ordination Center beim Lufttransportkommando<br />
in Münster.<br />
„Viele Gerettete bedanken sich bei uns“<br />
„Mein erster Einsatz war 1998 bei der ICE-Katastrophe<br />
im niedersächsischen Eschede“, erinnert sich Bordtechniker<br />
Peters. „Ich war dam<strong>als</strong> beim SAR-Kommando<br />
in Erfurt und wir sind dam<strong>als</strong> sofort hingefl ogen.“<br />
Ein bleibendes Erlebnis, das dem 46jährigen in<br />
Erinnerung geblieben ist. Aber auch die zahlreichen<br />
folgenden Einsätze, bei denen er helfen konnte. „Viele<br />
Menschen schreiben uns später und bedanken sich<br />
bei uns. Das hinterlässt ein gutes Gefühl.“ Mit 5000<br />
Flugstunden ist Peters schon ein alter Hase. Pilot<br />
Mario Weber hingegen hat gerade seine Ausbildung<br />
abgeschlossen und schiebt seinen ersten SAR-Dienst.<br />
Erst einen Einsatz hat der 29jährige Oberleutnant<br />
gefl ogen – vorgestern hat er einen Patienten in eine<br />
Spezialklinik überführt.<br />
„Powerline“, ruft Peters und macht den Piloten auf<br />
eine Hochspannungsleitung aufmerksam. Die sieht<br />
man oft sehr spät, weil sie so dünn sind. „Einmal haben<br />
wir erst nach der Landung gesehen, dass da auf der<br />
Wiese lauter grüne Pfosten rumstanden, die wir fast<br />
mitgenommen hätten. Da sieht man dann beim Start<br />
zweimal raus.“ Das Wetter ist schlechter geworden.<br />
Unter den Scheibenwischern klebt Schnee. Zwischen<br />
Schauern können wir die Ruhrt<strong>als</strong>perre erkennen und<br />
die markante Gebäudeanlage von Vogelsang. Rechts<br />
die Kaserne des Luftwaffenversorgungsregiment<br />
Mechernich, in der Ortsmitte ein Krankenhaus. „Auf<br />
dem Dach können wir mit zehn Tonnen Gewicht landen“,<br />
sagt Mario Rader. Künftig wird das nicht mehr<br />
gehen. Wenn die betagte UH1D der modernen und<br />
größeren NH90 weicht, werden nicht mehr so viele<br />
Rettungsfl üge stattfi nden. Dazu ist der mittlere Transporthubschrauber<br />
zu groß und zu schwer.<br />
Höchste Konzentration<br />
Starker Rückenwind schiebt uns mit fast 30 Knoten<br />
über Zülpich zurück nach Nörvenich. Am rechten Horizont<br />
ist die markante Silhouette des Siebengebirges<br />
✈ Stabsfeldwebel Peter entfernt die Sicherungsleinen<br />
vom Hauptrotor.<br />
✈ Bordtechniker hält Ausschau nach Hindernissen.<br />
sichtbar, vor uns im Norden der Kirchturm von Kerpen<br />
<strong>als</strong> Anfl ughilfe. Nur noch 500 Fuß zeigt der Höhenmesser<br />
an, Nörvenich Tower gibt uns die Einfl uggenehmigung<br />
in die Kontrollzone und die Landeerlaubnis.<br />
Nochmal höchste Konzentration – Rader hat die<br />
rechte Tür geöffnet, um den Piloten einweisen zu können.<br />
Viel Platz ist nicht zwischen den Bäumen rund um<br />
das Hubschrauberlandefeld. Nach einer Stunde Flug<br />
setzen wir sicher wieder auf. Während Bordtechniker<br />
Peters dafür sorgt, dass der Hubschrauber wieder<br />
vollgetankt wird, erledigt Pilot Weber den Papierkrieg<br />
und Luftrettungsmeister Rader kocht uns erst mal<br />
einen Kaffee. Debriefi ng. Der Flug ist gut gelaufen, die<br />
beiden neuen Kameraden sind vertraut mit der Area.<br />
Immer erreichbar<br />
Jetzt heißt es wieder Warten. Lesen, ein bisschen<br />
Sport, Laufen in der Umgebung des Hangars – immer<br />
erreichbar und in Reichweite. Ein großer Fernseher<br />
steht im Aufenthaltsraum – zeigen Serien wie Medicopter<br />
112 die Realität? Die Männer lachen. „Ich sehe<br />
mir das gar nicht erst an“, sagt Bordmechaniker<br />
Peters, die anderen beiden nicken beifällig.<br />
Manchmal wird es eng bei den Einsätzen, sagen die<br />
drei Männer. Und manchmal geht es auch nicht gut<br />
aus. Es sind auch SAR-Besatzungsangehörige bei SAR-<br />
Einsätzen ums Leben gekommen. „1994 sind unsere<br />
Kameraden in Mannheim abgestürzt“, erinnert sich<br />
Rader. „Das war ein schlimmes Erlebnis für mich. Aber<br />
insgesamt ist es ein sehr befriedigender und abwechslungsreicher<br />
Beruf, der mir viel Spaß macht.“
✈ NATO AWACS im Einsatz – bis jetzt jedoch<br />
noch nicht über Afghanistan.<br />
Photo: NATO<br />
Mission Impossible?<br />
Am 2. Juli hat der Bundestag dem Einsatz von AWACS-Flugzeugen<br />
in Afghanistan zugestimmt. Die angeblich auch Flugsicherungsaufgaben<br />
übernehmen sollten. Zum Einsatz ist bis jetzt noch keines<br />
gekommen.<br />
Am 12. Juni stimmten die Verteidigungsminister des<br />
Bündnisses dem Plan der NATO zu, zur – so ließ das<br />
Bundesverteidigungsministerium die Öffentlichkeit<br />
wissen – „Überwachung des zivilen Luftverkehrs in<br />
Afghanistan“ vier E-3A AWACS-Maschinen am Hindukusch<br />
einzusetzen. Und da die Luftwaffe einen Großteil<br />
der Besatzungen stellt, musste die Abgeordneten<br />
des Bundestags entscheiden, ob sie diesem Plan<br />
zustimmen wollten oder nicht. Das Ganze wurde recht<br />
zügig durchgezogen – bereits am 2. Juli votierten 480<br />
von 556 Abgeordneten für den Antrag auf Entsendung<br />
der AWACS (die Linkspartei hatte komplett<br />
dagegen gestimmt). Weniger sensible Berichterstatter<br />
würden behaupten, das Ganze sei durchs Parlament<br />
gepeitscht worden.<br />
Dass es schnell gehen musste, hatte seine Gründe.<br />
Denn die Nachrichten aus Afghanistan waren (und<br />
sind) nicht besonders erfreulich. Die einst vertriebenen<br />
Taliban sind in das Land zurückgekehrt und<br />
haben große Teile des Landes zurückerobert. Die<br />
NATO lief (und läuft heute immer noch) Gefahr, das<br />
Land an die Islamisten zu verlieren. Mit den E-3A<br />
wäre das Bündnis in der Lage, die Operationen der<br />
ISAF (International Security Assistance Force) – Truppen<br />
zu unterstützen. Denn neben der Luftraumüber-<br />
Mil. Aviation<br />
wachung, so erklärt der in Geilenkirchen stationierte<br />
NATO E-3A – Verband auf seiner Homepage, können<br />
die AWACS-Flugzeuge „auch Aufgaben der taktischen<br />
Gefechtsführung wahrnehmen, z.B. Unterstützung<br />
und Leitung eigener Luftfahrzeuge bei offensiven<br />
oder defensiven Operationen im Kampf gegen das<br />
gegnerische Luftkriegspersonal, Luftnahunterstützung,<br />
Abriegelung des Gefechtsfeldes aus der Luft,<br />
Such- und Rettungseinsätze (SAR) für Kampfeinsätze,<br />
Aufklärung, taktischer Lufttransport und Luftbetankungseinsätze“.<br />
Typische Aufgaben einer modernen<br />
Kriegsführung eben.<br />
Doch so offen wollte man dies zumindest in Deutschland<br />
nicht beschreiben. Denn noch immer bestehen<br />
die Bundesregierung und die Mehrheit der im Bundestag<br />
vertretenen Parteien darauf, dass die NATO<br />
in Afghanistan keinen Krieg führt (der neue Verteidigungsminister<br />
scheint da jedoch eine andere Sicht der<br />
Dinge zu haben). Die Soldaten in Afghanistan befi nden<br />
sich deshalb nicht im Krieg, sondern – so wird<br />
suggeriert – in einem Stabilitätseinsatz. Und um die<br />
Abgeordneten zur Zustimmung zu bewegen, wurde in<br />
der Öffentlichkeit die militärischen Aufgaben etwas in<br />
den Hintergrund gestellt und die „zivilen“ Aufgaben<br />
der AWACS herausgestellt.<br />
von<br />
Werner<br />
Fischbach<br />
43 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
Mil. Aviation<br />
44<br />
Flugsicherungsaufgaben durch AWACS?<br />
Bereits am 17. Juni hatte das Verteidigungsministerium<br />
in einer Pressemeldung die Entscheidung<br />
des Kabinetts zur Teilnahme deutscher Soldaten an<br />
den AWACS-Einsätzen mit der Notwendigkeit einer<br />
„Überwachung des zivilen Luftverkehrs“ begründet.<br />
„Aufgrund der steigenden Zahl an militärischen und<br />
zivilen Luftbewegungen, müssen die nicht vorhandenen<br />
Sicherheitsstrukturen durch NATO-AWACS –<br />
Maschinen gewährleistet werden“, hatte der damalige<br />
Verteidigungsminister Jung erklärt und weiter<br />
ausgeführt: „Eine Flugsicherung ist auch im Interesse<br />
unserer Soldatinnen und Soldaten und dient ihrem<br />
Schutz.“ Welcher Abgeordnete wollte sich gegen<br />
eine Verbesserung der Sicherheit bzw. der Flugsicherungsstrukturen<br />
sowie dem Schutz unserer Soldaten<br />
aussprechen? Wohl keiner! Von den „Schmuddelkindern“<br />
der Linksfraktion mal abgesehen.<br />
Allerdings hatte Jung nicht dargelegt, wie Flugsicherung<br />
durch die AWACS denn durchgeführt werden soll.<br />
Schließlich ist eine E-3A so etwas wie ein fl iegender<br />
Gefechtsstand bzw. eine fl iegende Frühwarnzentrale<br />
und kein Flugsicherungskontrollzentrum, das in eine<br />
etwas modifi zierte Boeing 707 eingebaut wurde. Flugsicherung<br />
besteht bekanntlich darin, durch entsprechende<br />
Freigaben die im Luftraum operierenden Flugzeuge<br />
nach internationalen Vorschriften zu staffeln.<br />
Dazu ist es nicht nur erforderlich, mit den beteiligten<br />
Besatzungen in Funkkontakt zu treten (was eventuell<br />
von einer AWACS aus noch möglich wäre), sondern<br />
die zu kontrollierenden Flüge mit den benachbarten<br />
Stellen zu koordinieren. Dass eine fl iegende Kontrollzentrale<br />
die erforderliche Koordination mit den Platzkontrollstellen<br />
in Kabul oder Mazare Sharif bzw. mit<br />
ausländischen Kontrollstellen in Pakistan oder gar im<br />
Iran durchführt, ist schwer vorstellbar. Dazu kommt,<br />
dass zur „taktischen Besatzung“ einer AWACS ein<br />
Chef-Jägerleitoffi zier und zwei Jägerleitoffi ziere gehören.<br />
Von Flugsicherungsoffi zieren ist auf der Home-<br />
✈ Berücksichtigung des zivilen Luftverkehrs mit Hilfe<br />
der AWACS? Ariana B727 beim Start in Kabul.<br />
Photo: Mod UK<br />
page des AWACS-Verbands keine Rede. Ob für den<br />
Einsatz über Afghanistan eventuell der Einsatz von<br />
militärischen Controllern an Bord der AWACS vorgesehen<br />
war, entzog sich der Kenntnis des weiblichen<br />
Presseoffi ziers (oder nennt man dies Presseoffi zierin?)<br />
in Geilenkirchen.<br />
Deshalb stellt sich die Frage, ob die Behauptung, der<br />
Einsatz der AWACS-Flugzeuge diene auch zur Optimierung<br />
der Flugsicherungsdienste in Afghanistan<br />
nicht nur ein Köder war, mit welchem die Abgeordneten<br />
des Bundestages zur Zustimmung für das<br />
beantragte Mandat bewogen werden sollten. Dabei<br />
ist im Antrag der Bundesregierung von Flugsicherung<br />
nicht die Rede. Vielmehr sollen die „NATO-AWACS-<br />
Flugzeuge ... die Koordinierung des gesamten militärischen<br />
Flugverkehrs unter Berücksichtigung ziviler<br />
Nutzer sowie Aufgaben zur Unterstützung von Luftoperationen<br />
übernehmen“. Flugverkehrskontrolle ist<br />
irgendwie etwas anderes.<br />
Endstation Konya<br />
Nachdem die ganze Angelegenheit in trockenen<br />
Tüchern war, wurden vier E-3A nach Konya in der<br />
Türkei verlegt. Konya ist einer von vier Außenstellen<br />
(Forward Operating Bases/Locations – FOB/FOL) des<br />
AWACS-Verbandes. Die drei anderen liegen in Aktion<br />
(Griechenland), Trapani (Italien) und Oerland (Norwegen).<br />
Konya bot sich an, weil sich diese Basis am<br />
nächsten zu Afghanistan befi ndet. Allerdings wurde<br />
bis jetzt noch kein einziger Einsatz über Afghanistan<br />
gefl ogen und sämtliche E-3A wurden wieder nach<br />
Geilenkirchen zurück verlegt.<br />
Der Grund hierfür liegt in den fehlenden Überfl ugrechten<br />
Aserbaidschans und Turkmenistans, deren<br />
Territorien auf dem Weg nach Afghanistan durchquert<br />
werden müssen (der kürzeste Weg durch den<br />
Iran scheidet aus nahe liegenden Gründen aus). Nach<br />
einem Bericht im Magazin „Cicero“ haben die beiden
Staaten die NATO ziemlich lange hingehalten. Erst<br />
bestanden sie darauf, dass jeweils ein Beobachter<br />
der beiden Staaten an Bord der AWACS mitfl iegen<br />
sollte, dann sollen die Verhandlungen an den fi nanziellen<br />
Forderungen gescheitert sein. Letztlich soll<br />
jedoch Russland starken Druck auf die beiden Staaten<br />
ausgeübt haben, der NATO die Überfl ugrechte zu<br />
verweigern. Das ist für die NATO ärgerlich, aber aus<br />
russischer Sicht durchaus verständlich. Denn die<br />
AWACS-Maschinen haben die Fähigkeit, den Luftraum<br />
in einem Umkreis von 400 km zu überwachen. So<br />
wären die Besatzungen der E-3A beim Flug über die<br />
beiden Staaten in der Lage, bis nach Südrussland zu<br />
schauen und festzustellen, was sich da im russischen<br />
Luftraum so alles abspielt. Dass dies dem Kreml nicht<br />
unbedingt gefallen hat, ist leicht nachzuvollziehen.<br />
So wurde die ehrgeizige AWACS-Mission (zunächst)<br />
zu einer „mission impossible.“<br />
Nun sucht die NATO nach einem alternativen Standort<br />
für die AWACS-Flugzeuge, wobei offensichtlich<br />
eine Basis in den Vereinigten Arabischen Emiraten<br />
bevorzugt wird. Doch auch da ergeben sich ähnliche<br />
Probleme. Denn um von den Emiraten in den afghanischen<br />
Luftraum zu gelangen, muss entweder über<br />
den Iran oder über Pakistan gefl ogen werden. Da der<br />
Iran aufgrund der politischen Lage wohl ausscheidet,<br />
bleibt noch Pakistan. Um dessen Regierung für die<br />
erforderlichen Überfl ugrechte zu gewinnen, scheint<br />
allerdings erhebliches diplomatisches Geschick von<br />
Nöten zu sein.<br />
Das vom Bundestag erteilte AWACS-Mandat läuft am<br />
13. Dezember aus. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung<br />
bei ihrem Antrag auf eine Verlängerung<br />
einen realistischen und mit allen beteiligten Staaten<br />
> While taxiing at London ‚s, Gatwick Airport , the<br />
crew of a US Air fl ight departing for Ft. Lauderdale<br />
made a wrong turn and came nose to nose with a<br />
PanAm 727. An irate female ground con-troller lashed<br />
out at the US Air crew, screaming: ‚US Air 2771,<br />
where the hell are you going? I told you to turn right<br />
onto Charlie taxiway! You turned right on Delta!<br />
Stop right there. I know it‘s diffi -cult for you to tell<br />
the difference between C and D, but get it right!‘<br />
> Continuing her rage to the embarrassed crew, she<br />
was now shouting hysterically: ‚God! Now you‘ve<br />
screwed everything up! It‘ll take forever to sort this<br />
out! You stay right there and don‘t move till I tell<br />
you to! You can expect progressive taxi instruc-<br />
Mil. Aviation<br />
✈ Die Bundesregierung möchte den Ausbau der zivilen<br />
Flugsi-cherung in Afghanistan voran-treiben – Mazare<br />
Sharif Tower und Terminal.<br />
Photo: Luftwaffe<br />
abgestimmten Plan vorlegt. So kommentiert Rainer<br />
Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD,<br />
das derzeitige „AWACS-Desaster“: „Wären diese<br />
Rahmenbedingungen und Probleme vorher bekannt<br />
gewesen, wäre es nicht zu einem entsprechenden<br />
Bundestagsmandat gekommen.“ Eine wohl richtige,<br />
wenn auch späte Feststellung.<br />
Die Bundesregierung sieht dies wohl ähnlich und hat<br />
ihr AWACS-Mandat (erst einmal) nicht verlängert.<br />
Auf einen Passus ihres ehemaligen Antrags sollte<br />
sie jedoch nicht verzichten. Nämlich auf jenen, nach<br />
welchem sie sich für den Wiederaufbau der afghanischen<br />
Kapazitäten in der zivilen Flugverkehrskontrolle<br />
einsetzt. Dem kann sich nicht mal die Linke<br />
widersetzen.<br />
tions in about half an hour, and I want you to go<br />
exactly where I tell you, when I tell you, and how<br />
I tell you! You got that, US Air 2771?‘<br />
> Yes, ma‘am,‘ the humbled crew responded.<br />
> Naturally, the ground control communications frequency<br />
fell terribly silent after the verbal bas-hing of<br />
US Air 2771. Nobody wanted to chance engaging the<br />
irate ground controller in her current state of mind.<br />
Tension in every cockpit out around Gatwick was<br />
defi nitely running high. Just then an unknown pilot<br />
broke the silence and keyed his microphone, asking:<br />
> ‚Wasn‘t I married to you once?‘<br />
Off the Tape<br />
45 der fl ugleiter 2009/06
von<br />
M. Helbig<br />
der fl ugleiter 2009/06<br />
Report<br />
50<br />
Flugvermessung in Deutschland<br />
(Teil 2)<br />
Der erste Teil („der fl ugleiter“ 5/2009) dieses Berichts über die<br />
Geschichte der Flugvermessung in Deutschland umfasste die Zeit<br />
von 1952 bis 1976. Der nun folgende zweite Teil beschäftigt sich mit<br />
den Jahren 1976 bis 1995. Während dieser Jahre hatte die Hawker<br />
Siddeley HS 748 die Hauptlast der Vermessungsfl üge getragen.<br />
Ihrer auffälligen Bemalung wegen, drei schmale „Bauchbinden“ in<br />
orangefarbigen Tagesleuchtfarben, handelten sich die Maschinen<br />
den Spitznamen „Adidas-Bomber“ ein.<br />
Gemeinsame Flugvermessungsstelle<br />
Nach einem Beschluss vom 30. Juni 1972 zwischen dem<br />
Bundesministerium für Verkehr (BMV) und Bundesministerium<br />
für Verteidigung (BMVg) zur Einrichtung<br />
einer Gemeinsamen Flugvermessungsstelle (GFMS)<br />
konnte diese, nach Unterzeichnung der Vereinbarung<br />
am 09. Juli 1976, den Betrieb am 01. November 1976<br />
aufnehmen. Als nicht-kommerzielles Unternehmen<br />
war sie für die Überprüfung und Vermessung sämtlicher<br />
ziviler und militärischer Funknavigationsanlagen<br />
in der Bundesrepublik Deutschland verantwortlich.<br />
Die Durchführung des Flugbetriebs oblag der Bundeswehr,<br />
während die Bundesanstalt für Flugsicherung<br />
(BFS) die zivile Zulassung und die Halterpfl ichten der<br />
Luftfahrzeuge übernahm. Die GFMS fand auf dem<br />
Militärfl ugplatz Lagerlechfeld ein neues Zuhause. Der<br />
dafür notwendige Flugzeugpark, sieben Hawker Siddeley<br />
HS 748 (eine weitere Maschine war im Januar<br />
1976 zur BFS gestoßen), drei de Havilland „Dove“ und<br />
eine Hawker Siddeley HS 125-600B, stammte von der<br />
✈ 1. Das Gesicht eines Arbeitstiers.<br />
2. Ein „Adidas-Bomber“ beim Nightstop in München.<br />
3. Nachtruhe bei der Vermessungsstaffel.<br />
Photos: Harald M. Helbig<br />
BFS. Die Bundeswehr musterte ihre<br />
zuvor verwendeten eigenen Vermessungsfl<br />
ugzeuge aus.<br />
Auch die GFMS musste sich von Flugzeugen<br />
trennen. Im Dezember 1976<br />
stellte die GFMS eine der veralteten<br />
de Havilland „Dove“ außer Dienst und<br />
übergab sie dem Deutschen Museum<br />
in München. Die „D-IFSB“ wurde aber im Oktober 1978<br />
nach Hatfi eld in Großbritannien überführt, und im März<br />
1979 dem „Mosquito Aircraft Museum“ <strong>als</strong> Leihgabe<br />
des Deutschen Museums zur Verfügung gestellt. Noch<br />
heute kann man sie im nördlich von London gelegenen<br />
Luftfahrtmuseum „de Havilland Aircraft Heritage Centre“<br />
besichtigen. Allerdings nagte der Zahn der Zeit an<br />
der „Dove“, so dass sich die Maschine heute in einem<br />
bedauernswerten Zustand befi ndet. Sie soll aber, vertraut<br />
man auf die Informationen der Homepage des<br />
Museums, in absehbarer Zeit restauriert werden.<br />
Unfälle<br />
Aber nicht nur Ausmusterungen reduzierten die Vermessungskapazitäten<br />
der GFMS: Im Jahr 1977 fi el die<br />
HS 125 für längere Zeit aus, nachdem sie bei Radarvermessungsfl<br />
ügen im Raum Düsseldorf nach einem Blitzschlag<br />
erheblich beschädigt worden war und auf dem<br />
britischen Militärfl ugplatz Wildenrath notlanden musste.<br />
Auch das Jahr 1978 hatte für den BFS-Jet unerfreu-
lich<br />
begonnen:<br />
Beim Endanfl ug<br />
der HS 125 auf den Düsseldorfer<br />
Flughafen am 07. März<br />
1978 fi elen plötzlich beide Triebwerke<br />
aus. Nachdem der Jet die Landekursantenne<br />
berührte, landete er sicher auf dem Rasen vor der<br />
Piste 24, der heutigen 23L. Glücklicherweise kam bei<br />
der Notlandung niemand zu Schaden. Als Unfallursache<br />
wurde Eis vermutet, das in die Triebwerke geriet<br />
und diese beschädigte. Um dringend anstehende<br />
Flugvermessungen weiterführen zu können, mietete<br />
die GFMS vorübergehend eine Cessna 421 des Nürnberger<br />
Flugdienstes (NFD) an. Die verunglückte HS<br />
125 stand aber wieder ab dem 17. Juli 1978 zur Verfügung.<br />
Von 1956 bis Ende 1979 verzeichneten die zivilen<br />
Messfl ugzeuge insgesamt 40.000 Flugstunden.<br />
Weitere Ausmusterungen<br />
Zum 31. Oktober 1980 stellten die beiden verbliebenen<br />
de Havilland „Dove“ den Flugbetrieb für die GFMS<br />
ein. Sie wurden an private Halter verkauft, wobei nur<br />
die „D-IFSA“ bis heute fl ugfähig ist. Die „D-IFSC“ verunfallte<br />
irreparabel nach einem Triebwerksausfall<br />
beim Start am 24. Juni 1983 in München-Riem und<br />
diente danach viele Jahre <strong>als</strong> Ersatzteilspender für<br />
ihre Schwestermaschine.<br />
Aber auch die in die Jahre gekommenen HS 748 sahen<br />
langsam ihrem Ende entgegen: Am 01. Januar 1982<br />
wurde die „D-AFSE“ und die „D-AFSD“ im Mai 1982<br />
in Lechfeld stillgelegt. Über die bundeseigene Treu-<br />
✈ Nach der Wiedervereinigung kam die HS-125 mit BFS-<br />
Prominenz nach Berlin-Schönefeld.<br />
Photo: G. Wicker<br />
Report<br />
handgesellschaft VEBEG (Verwertungsgesellschaft für<br />
besatzungseigene Güter) fanden sich für beide Flugzeuge<br />
im August bzw. November 1984 neue Eigentümer.<br />
Über einen Umweg gelangte die „D-AFSE“ nach<br />
Kanada, wo sie nach einem Unfall im Dezember 1999<br />
abgeschrieben werden musste, während die „D-AFSD“<br />
noch heute ihren Dienst bei der kanadischen Wasaya<br />
Airways versieht.<br />
Von 1956 bis 1982 hatten die Messfl ugzeuge der BFS<br />
bzw. GFMS insgesamt mehr <strong>als</strong> 50.000 Flugstunden<br />
angesammelt. Aufgrund notwendiger Baumaßnahmen<br />
wurde der Flugplatz Lagerlechfeld vom 15. Mai bis 05.<br />
November 1982 geschlossen, weshalb die Flotte der<br />
GFMS vorübergehend zum Lufttansportgeschwader<br />
61 nach Penzing bei Landsberg verlegte. Effi zienzsteigernde<br />
Maßnahmen erlaubten, die „D-AFSF“ am 15.<br />
Mai 1987 vorübergehend aus dem Flugmessbetrieb zu<br />
nehmen und <strong>als</strong> Erprobungsträger für ein seinerzeit in<br />
Entwicklung befi ndliches digitales Funkmesssystem<br />
zu verwenden. Am 31. März 1989 wurde die D-AFSG in<br />
Lechfeld stillgelegt und im Juli 1989 an die kanadische<br />
Air Inuit ebenfalls veräußert, bei der sie bis heute im<br />
Einsatz steht. Somit reduzierte sich der Flugzeugbestand<br />
der GFMS auf nur noch fünf Flugzeuge.<br />
Deutsche Wiedervereinigung<br />
Natürlich brachte auch die deutsche Wiedervereinigung<br />
einige Veränderungen bei der GFMS mit sich.<br />
So konnte sie von der Interfl ug ein Messfl ugzeug vom<br />
Typ Ilyushin Il-18 und von der Nationalen Volksarmee<br />
(NVA) eine Antonov An-26 übernehmen. Die Dresdner<br />
Basis, auf der beide Flugmessdienststellen unter-<br />
51 der fl ugleiter 2009/06
der fl ugleiter 2009/06<br />
Report<br />
52<br />
gebracht waren, wurde vorübergehend <strong>als</strong> Außenstelle<br />
weiterbetrieben. Auch den Flugzeugen war<br />
nur eine kurze Einsatzzeit vergönnt: Die Il-18 wurde<br />
im März 1992 an die Frachtfl uggesellschaft „Il-18 Air<br />
Cargo GmbH“ verkauft und die An-26 im Jahr 1994<br />
dem Luftwaffen-Museum in Gatow übergeben. Die<br />
Flugvermessung der Radar- und Navigationseinrichtungen<br />
in den neuen Bundesländern übernahm die<br />
GFMS jedoch erst im Laufe des Jahres 1991. Dabei<br />
erforderte es besonderer Anstrengungen, um den<br />
Flugvermessungsbedarf abdecken zu können. Auch<br />
die Messfristen wurden bis zu den höchstzulässigen<br />
Toleranzgrenzen ausgenutzt.<br />
Neue Messfl ugzeuge<br />
Nach Planungen der BFS sollten die verbliebenen vier<br />
HS 748 zwischen 1992 und 1995 durch moderneres<br />
Fluggerät ersetzt werden. Dies war notwendig geworden,<br />
da einerseits die vertraglichen Verpfl ichtungen<br />
des Herstellers im Jahr 1990 ausliefen, wodurch<br />
Schwierigkeiten bei der Ersatzteilbeschaffung zu<br />
erwarten waren und andererseits die Technik des<br />
Flugzeugs selbst veraltet war, weshalb die Betriebskosten<br />
enorm anstiegen.<br />
So erhielt die Deutsche Lufthansa Consulting GmbH<br />
im Jahr 1990 den Auftrag, Vorschläge für ein Nachfolgemuster<br />
zu erarbeiten. Schon im Dezember jenes<br />
Jahres stellte die Beraterfi rma im Rahmen einer Präsentation<br />
drei in Frage kommende Flugzeuge vor:<br />
BAe „Jetstream“ 31S, Beech 1900D und Embraer/FMA<br />
CBA-123 „Vector“. Die beiden erstgenannten Muster<br />
schieden nach Verhandlungen mit den Herstellern<br />
aus. Allerdings konnte auch mit Embraer/FMA nicht<br />
das Ziel erreicht werden, schon 1991 Verträge zu<br />
unterzeichnen, weil der Hersteller einfach kein gültiges<br />
Angebot vorlegen konnte. Das Problem war das<br />
Flugzeug selbst: Zwar war der erste Prototyp der CBA-<br />
123 „Vector“ am 18. Juli 1990 gefl ogen, aber aufgrund<br />
geringer Nachfrage entschied sich der Hersteller, die<br />
CBA-123 nach drei gebauten Prototypen nicht in Serie<br />
zu fertigen und aus dem Programm zu nehmen. Die<br />
GFMS musste sich nun nach einer anderen Lösung<br />
umsehen. Diese sah vor, die Beschaffung neuer Messfl<br />
ugzeuge einstweilen zurückzustellen und die HS 748<br />
zu modifi zieren, um sie bis 1998 zu betreiben.<br />
DFS<br />
Durch die Organisationsprivatisierung der Bundesanstalt<br />
für Flugsicherung (BFS) entstand am 16. Oktober<br />
1992 die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS). Die 2.<br />
Ressortvereinbarung zwischen dem BMV und dem<br />
BMVg aus dem Jahr 1991 hatte die Flugvermessung<br />
militärischer Flugsicherungsanlagen und damit die<br />
GFMS nun vollständig in die Hände der DFS gegeben.<br />
So übernahm die DFS im Dezember 1992 den Flugbetrieb<br />
der GFMS zusammen mit den rund einhundert<br />
Mitarbeitern und mit Wirkung vom 01. Januar 1993<br />
schließlich sämtliche Flugsicherungsdienste von der<br />
BFS. Zum 01. Oktober 1993 schrumpfte die Vermessungsfl<br />
otte weiter: Die „D-AFSF“ wurde stillgelegt,<br />
womit nur noch drei HS 748 (D-AFSH, D-AFSI, D-AFSJ)<br />
zur Verfügung standen, von denen wiederum eine<br />
Maschine lediglich <strong>als</strong> Reserve diente. Die Flugzeuge<br />
erhielten eine leicht modifi zierte Lackierung. Nicht<br />
vergessen werden darf die An-26 in Dresden, die weiterhin<br />
militärische Navigationsanlagen sowjetischer<br />
Bauart überprüfte.<br />
Die interministerielle Vereinbarung über die GFMS lief<br />
im Dezember 1994 aus und wurde nicht verlängert.<br />
Stattdessen übertrug man die Vermessungsaufgaben<br />
ab Januar 1995 der neugegründeten Deutschen Flugmessgesellschaft<br />
mbH (DFMG). (Fortsetzung folgt)<br />
Dank<br />
Bedauerlicherweise wurde es versäumt, die Herkunft<br />
der interessanten Aufnahmen des ersten Teils im fl ugleiter<br />
5/2009 zu erwähnen. Sie stammten allesamt aus<br />
dem Firmenarchiv der DFS. Für die Bereitschaft, diese<br />
Schätze zur Verfügung und zusammen zu stellen,<br />
möchte ich mich bei Herrn Bernhard Fischer an dieser<br />
Stelle herzlich bedanken.<br />
Diese kleine Serie wäre auch ohne weitere Unterstützung<br />
nicht realisierbar gewesen. Dabei musste ich<br />
feststellen, dass die Pressestelle der DFS deutlich<br />
professioneller arbeitet <strong>als</strong> jene vergleichbarer Unternehmen.<br />
Öffentlichkeitsarbeitsabteilungen anderer<br />
Firmen, wie jene der Deutsche Lufthansa, könnten<br />
hier dazulernen. In der Hoffnung, dass die betroffenen<br />
DFS-Mitarbeiter aus diesem Grunde nicht abgeworben<br />
werden, möchte ich mich namentlich besonders bei<br />
Bernhard Fischer, Heinz-Jürgen Koch, Rüdiger Mandry,<br />
Ute Otterbein, Dr. Axel Rienitz, Claudia Sielaff und<br />
Manuela Speer für ihre Hilfe bedanken.<br />
Flugstundenstatistik<br />
Jahr Flugstunden Jahresergebnis<br />
1976 3.102<br />
1977 4.225<br />
1978 4.250<br />
1979 4.348<br />
1980 4.076<br />
1981 4.054<br />
1982 3.543<br />
1983 3.426<br />
1984 2.995<br />
1985 3.026<br />
1986 3.264<br />
1987 3.166<br />
1988 3.053<br />
1989 2.766<br />
1990 2.885<br />
1991 3.264<br />
1992 3.294<br />
1993 keine Angaben<br />
1994 keine Angaben 948.000 DM