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Lesen Sie hier den Artikel von PD Dr. med. Wolfgang Zschiesche

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Betrieblicher Gesundheitsschutz im Wandel –<br />

vom reaktiven zum aktiven Arbeitsschutz<br />

Überkommenes Vorgehen:<br />

Reaktion auf berufliche Gefährdungen<br />

In der Vergangenheit wurde der Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />

in <strong>den</strong> Unternehmen in erster Linie an be -<br />

stehen<strong>den</strong> Gefährdungen ausgerichtet. Es bestand eine<br />

starke Fixierung auf Vorschriften staatlicher und berufsgenossenschaftlicher<br />

Art sowie auf die Einhaltung <strong>von</strong><br />

zulässigen Grenzwerten, insbesondere für chemische und<br />

physikalische Gefährdungen. Unternehmer, Personalverantwortliche<br />

wie auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

und Betriebsärzte wur<strong>den</strong> in der Regel als Reaktion auf<br />

das Vorliegen bestimmter Gefährdungen oder Belastungen<br />

eingeschaltet. Die betriebsärztliche Tätigkeit<br />

beschränkte sich größtenteils auf Untersuchungen <strong>von</strong><br />

Mitarbeitern zur Früherkennung möglicher Gesundheitsschä<strong>den</strong><br />

durch bestimmte Einwirkungen am<br />

Arbeitsplatz, die im Wesentlichen im Arbeitsschutz-<br />

Regelwerk festgelegt waren und bis heute sind. Weiterführende<br />

Ansätze wur<strong>den</strong> mit der Frage „Wo steht das<br />

geschrieben“ häufig blockiert. Somit handelte es sich um<br />

ein System, das <strong>den</strong> Anforderungen an ein modernes<br />

betriebliches Gesundheitsschutzsystem aus vielerlei<br />

Grün<strong>den</strong> nicht mehr gerecht wird.<br />

Internationalisierung und Globalisierung:<br />

Ein Thema auch im betrieblichen<br />

Gesundheitsschutz<br />

Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung<br />

Unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation fand<br />

1986 die erste Internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung<br />

statt. Hierin wurde ein Gesamtkonzept<br />

zur Gesundheitsförderung unter Einbeziehung auch des<br />

Wirtschaftssektors gefordert. Als wesentliche Ziele wur<strong>den</strong><br />

u. a. deklariert: Gesundheitsförderung, aktive Beteiligung<br />

der betroffenen Personen; Schaffung gesundheitsförderlicher<br />

Lebenswelten; Stärkung der persönlichen<br />

Kompetenzen.<br />

Luxemburg-Deklaration der Europäischen Union<br />

Die Mitglieder des Europäischen Netzwerkes für<br />

betriebliche Gesundheitsförderung haben 1997 Kernelemente<br />

der betrieblichen Gesundheitsförderung benannt.<br />

Diese umfassen insbesondere:<br />

x Erstellung <strong>von</strong> Unternehmens-Grundsätzen, -Leit -<br />

linien und Führungsgrundsätzen, die in <strong>den</strong> Beschäftigten<br />

einen Erfolgsfaktor und nicht nur einen<br />

Kostenfaktor sehen<br />

x Gestaltung der Arbeitsorganisation mit adäquater<br />

Einflussmöglichkeit auf die eigene Arbeit und<br />

soziale Unterstützung<br />

x Verankerung <strong>von</strong> Gesundheitszielen in allen Unternehmensbereichen<br />

x Schaffung eines integrierten Arbeits- und Gesundheitsschutzes<br />

x Einbeziehung der Beschäftigten in Fragen der<br />

Gesundheit (partizipativer Ansatz)<br />

x Systematische Durchführung aller Maßnahmen und<br />

Programme (Projektmanagement)<br />

x Verbindung <strong>von</strong> Risikoverminderung mit dem Ausbau<br />

<strong>von</strong> Schutzfaktoren und Gesundheitspotenzialen<br />

(Ganzheitlichkeit).<br />

Nationale Umsetzung<br />

Eine EU-Rahmenrichtlinie zum Arbeitsschutz ist mit<br />

dem Arbeitsschutzgesetz seit 1996 in Kraft gesetzt wor<strong>den</strong>.<br />

Hierin sind systematische Arbeitsschutzregeln und<br />

die Schaffung einer geeigneten Arbeitsschutzorganisation<br />

vom Unternehmer gefordert. Die Beschäftigten<br />

haben das Recht auf eine arbeits<strong>med</strong>izinische Untersuchung<br />

und Beratung, unabhängig <strong>von</strong> der Größe und<br />

Mitarbeiterzahl des Betriebes.<br />

Die Verhütung „arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren“<br />

ist im Sozialgesetzbuch VII als Aufgabe der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung verankert. Im Sozialgesetzbuch V ist<br />

festgelegt, dass die Krankenkassen bei der Verhütung<br />

arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren mit <strong>den</strong> Trägern<br />

der gesetzlichen Unfallversicherung zusammenarbeiten.<br />

Die Krankenkassen können darüber hinaus ergänzende<br />

Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

durchführen.<br />

Zu <strong>den</strong> arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zählen<br />

nicht nur unmittelbar erkennbare Gefährdungen wie<br />

z. B. durch Gefahrstoffe und durch physikalische Einwirkungen<br />

(z. B. Lärm), sondern auch „weiche“ Einfluss -<br />

faktoren, die Auswirkungen auf die Gesundheit der<br />

Mitarbeiter haben können. Hierzu gehören insbesondere<br />

die Arbeitsplatzgestaltung, Faktoren der Arbeitsumgebung,<br />

geistige Belastung etc. Gerade diese vermeintlich<br />

„weichen“ Faktoren können auf das Betriebsgeschehen<br />

oft erheblichen (wenngleich auch vordergründig nicht<br />

immer leicht erkennbaren) Einfluss haben. Die Kooperation<br />

<strong>von</strong> Berufsgenossenschaften als Trägern der gesetzlichen<br />

Unfallversicherung im gewerblichen Bereich und<br />

<strong>den</strong> Krankenkassen eröffnet <strong>den</strong> Betrieben ein breites<br />

Unterstützungsangebot und erleichtert die Schaffung<br />

eines integrierten Gesamt-Konzeptes.<br />

Ferner ist auf das Arbeitssicherheitsgesetz aus dem Jahr<br />

1974 und die neue Unfallverhütungsvorschrift BGV<br />

A2 „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“<br />

hinzuweisen. In diesen wer<strong>den</strong> die wesentlichen,<br />

z. T. sogar vorgeschriebenen, Anlässe einer entsprechen<strong>den</strong><br />

Beratung und ggf. Untersuchung benannt.<br />

Darüber hinaus ist die systematische Eingliederung<br />

<strong>von</strong> Mitarbeitern mit wiederholten oder längeren<br />

Erkrankungen mittlerweile im Sozialgesetzbuch IX<br />

verankert.<br />

Aus allen Vorschriften ergibt sich ein umfassender Auftrag<br />

an <strong>den</strong> Unternehmer zur Schaffung eines geschlossenen<br />

Gesundheitsschutz-Systems im Betrieb und – in<br />

Form der Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte – zur<br />

Einbeziehung entsprechender Stabsfunktionen als<br />

Berater.<br />

Brücke 4/07 17


18<br />

BETRIEBLICHE SICHERHEITSARBEIT<br />

Brücke 4/07<br />

Gestaltungselemente eines modernen<br />

betrieblichen Gesundheitskonzeptes<br />

Ein modernes Konzept des Gesundheitsschutzes integriert<br />

folgende Elemente:<br />

x Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz<br />

(Arbeitsschutz)<br />

Verhütung <strong>von</strong> Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten,<br />

arbeitsbedingten Erkrankungen und Gesundheitsstörungen<br />

x Rehabilitation (Eingliederung)<br />

Integration <strong>von</strong> Mitarbeitern mit chronischen, längeren<br />

oder schweren Erkrankungen sowie nach Unfällen,<br />

mit Behinderungen und Leistungseinschränkungen<br />

x Betriebliche Gesundheitsförderung<br />

Förderung der Gesundheit der Mitarbeiter<br />

Was hat mein Unternehmen da<strong>von</strong>?<br />

In vielen größeren Unternehmen, zunehmend aber auch<br />

in mittelständischen Betrieben, wer<strong>den</strong> umfassende<br />

Konzepte des betrieblichen Gesundheitsschutzes und<br />

der betrieblichen Gesundheitsförderung schon seit längerem<br />

durchgeführt. Andere Unternehmen zweifeln<br />

noch und beschränken sich auf die rechtlich verlangten<br />

Mindestvorgaben. Ein häufig zu hörendes Argument<br />

gegen weiterreichende Maßnahmen ist die Aussage, dass<br />

diese nur Geld kosten wür<strong>den</strong>, aber nichts Konkretes für<br />

das Unternehmen einbrächten. Gegen weiterführende<br />

Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung<br />

wird außerdem vorgebracht, dass dieser Bereich der<br />

Gesundheitsvorsorge jedem Einzelnen obliege und die<br />

Verantwortung nicht dem Unternehmer aufgebürdet<br />

wer<strong>den</strong> könne.<br />

Dies ist formal gesehen zwar richtig. Dennoch betrifft<br />

es <strong>den</strong> Arbeitgeber und das gesamte Unternehmen<br />

unmittelbar (und zwar negativ!), wenn ein Mitarbeiter<br />

wegen unzureichender Arbeitsorganisation, Erkrankungen<br />

oder Gesundheitseinschränkungen oder wegen<br />

psychischer Fehlbelastungen ausfällt oder verminderte<br />

Leistung erbringt. Dies gilt auch, wenn es sich z. T. um<br />

„Volkskrankheiten“ oder andere nicht oder nur anteilig<br />

durch die Arbeit verursachte Leistungseinschränkungen<br />

handelt. Auch diese können erhebliche negative Aus -<br />

wirkungen auf <strong>den</strong> Betrieb haben.<br />

Wesentliche negative Folgen bei Fehlzeiten<br />

bzw. eingeschränkter Arbeitsleistung<br />

x Ausfall der Arbeitskraft <strong>von</strong> erfahrenen und<br />

qualifizierten Mitarbeitern<br />

– Lohnfortzahlung bei Krankheit<br />

– Störung <strong>von</strong> Arbeitsablauf und Arbeitsorgani-<br />

sation<br />

– Notwendigkeit <strong>von</strong> Überstun<strong>den</strong> durch andere<br />

Mitarbeiter<br />

– Demotivierung anderer Mitarbeiter<br />

– Einstellung <strong>von</strong> Ersatzkräften<br />

– Verzögerte Auftragserledigung<br />

– Unzufrie<strong>den</strong>heit der Kun<strong>den</strong><br />

– Ausbleiben <strong>von</strong> Folgeaufträgen<br />

– Wirtschaftliche Einbußen<br />

Infolge des demografischen Wandels müssen die Unternehmen<br />

damit rechnen, in Zukunft vermehrt mit älteren<br />

Belegschaften zu arbeiten. Es liegt deshalb im Eigeninteresse<br />

der Unternehmen, die Mitarbeiter langfristig<br />

nicht nur arbeitsfähig, sondern auch leistungsbereit und<br />

für ihre Aufgaben leistungsfähig zu halten. Dies gelingt<br />

nur, wenn ein geschlossenes Konzept zum Gesundheitsschutz<br />

und zur Gesundheitsförderung im Betrieb vorliegt,<br />

das schon bei <strong>den</strong> Jungen ansetzt. Gerade in<br />

Zeiten des ständigen Wandels („Change Management“)<br />

auch betrieblicher Strukturen sind verlässliche Rahmenbedingungen<br />

des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung<br />

ein essenzieller Ankerpunkt für das<br />

Unternehmen.<br />

Wesentliche positive Effekte eines funktionieren<strong>den</strong><br />

Systems des betrieblichen Gesundheitsschutzes und der<br />

Gesundheitsförderung sind:<br />

x Optimale Anpassung des Arbeitsplatzes an <strong>den</strong> Mitarbeiter<br />

x Optimale Eignung des Mitarbeiters für die gestellte<br />

Aufgabe<br />

x Hohe Effizienz <strong>von</strong> Arbeitsabläufen<br />

x Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit<br />

und der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter<br />

x Hohe Motivation und Leistungsbereitschaft der<br />

Mitarbeiter<br />

x Erhalt des Wissens- und Erfahrungsschatzes<br />

langjähriger Mitarbeiter<br />

x Möglicher Ansatz für eine Reduzierung <strong>von</strong><br />

Fehlzeiten<br />

x I<strong>den</strong>tifizierung der Mitarbeiter mit dem<br />

Unternehmen<br />

x Argument bei der Gewinnung qualifizierter<br />

Mitarbeiter.<br />

Kosten-Nutzen-Analysen<br />

Anders als produktionstechnische Kennzahlen lassen<br />

sich positive finanzielle Auswirkungen <strong>von</strong> Maßnahmen<br />

des betrieblichen Gesundheitsschutzes und einer<br />

betrieblichen Gesundheitsförderung wesentlich schwerer<br />

nachweisen. So ist im Einzelfall z. B. nicht vorhersehbar,<br />

welche und wie viele Erkrankungen und <strong>hier</strong>aus<br />

resultierende Fehlzeiten durch derartige Maßnahmen<br />

vermie<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> oder wie gesteigerte Motivation und<br />

Leistungsfähigkeit zu einem besseren finanziellen<br />

Ergebnis des Unternehmens geführt haben.<br />

Dennoch wer<strong>den</strong> derartige Kennzahlen zunehmend auch<br />

in diesen Bereichen eingeführt. Besonders deutlich wer<strong>den</strong><br />

diese Effekte, wenn in einem Unternehmen die<br />

Kennzahlen vor und nach Einführung systematischer<br />

Gesundheitsschutz- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />

miteinander verglichen wer<strong>den</strong>. Untersuchungen<br />

<strong>von</strong> Krankenkassen und Gesellschaften der<br />

betrieblichen Gesundheitsförderung haben in unter-


schiedlichen Branchen eine „Rendite“ (Return on<br />

Investment) je eingesetztem Euro <strong>von</strong> im Durchschnitt<br />

3 bis 4 Euro, teils auch mehr, ergeben. Dies bedeutet,<br />

dass je aufgewandtem Euro für die Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />

bis zu vier Euro oder mehr in das<br />

Unternehmen zurückgeflossen sind. Hierbei wer<strong>den</strong> im<br />

Idealfall auch langfristige Effekte über mehrere Jahre<br />

beobachtet. Andere Studien zeigen, dass alleine durch<br />

ein zielgenaues Eingliederungs-Management <strong>von</strong> Mitarbeitern<br />

erhebliche Reduzierungen <strong>von</strong> Krankheitstagen<br />

resultieren können.<br />

Derartige positive Effekte müssen sich nicht zwangsläufig<br />

einstellen. Mittlerweile zeigt jedoch eine Vielzahl<br />

<strong>von</strong> Untersuchungen, dass sich bei einer intelligent<br />

durchgeführten betrieblichen Gesundheitsförderung für<br />

das Unternehmen auch wirtschaftliche Vorteile ergeben.<br />

Gesundheitsschutz in kleinen und mittleren<br />

Betrieben<br />

Auch für kleinere Betriebe ist die Einrichtung eines<br />

systematischen Gesundheitsschutzes und einer Gesundheitsförderung<br />

sinnvoll. Gerade im Handwerksbereich<br />

hängt die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in ganz<br />

entschei<strong>den</strong>dem Maße <strong>von</strong> der Arbeitsfähigkeit, der<br />

Leistungskraft und der Motivation jedes einzelnen der<br />

Mitarbeiter ab. Mechanisierung und Automatisierung<br />

spielen <strong>hier</strong> nur eine untergeordnete Rolle. Hinzu<br />

kommt, dass auch <strong>von</strong> Kleinbetrieben durch Auftrag -<br />

geber zunehmend der Nachweis eines betrieblichen<br />

Gesundheitsschutzsystems verlangt wird.<br />

Unterstützung durch Fachkräfte für<br />

Arbeitssicherheit und Betriebsärzte<br />

Sicherheitsfachkräfte (Sifa) und Betriebsärzte verstehen<br />

sich schon lange nicht mehr als „Reparaturinstanz“<br />

im Betrieb. Fachkräfte für Arbeitssicherheit<br />

wer<strong>den</strong> seit etlichen Jahren in ihrem Ausbildungsplan<br />

nicht nur mit <strong>den</strong> arbeitsschutzrechtlichen<br />

Vorgaben vertraut gemacht; sie lernen darüber hinaus<br />

vielmehr, wie sie die Bedürfnisse eines integrierten<br />

Gesundheitsschutzes und gesundheitsförderlicher<br />

Maßnahmen im Unternehmen erkennen,<br />

diese im Unternehmen etablieren und umsetzen<br />

können.<br />

Auch Betriebsärzte und ihre berufsständischen Fachgesellschaften<br />

verstehen sich schon längst als „Gesundheitsmanager“<br />

im Betrieb, die alle Aspekte eines systematischen<br />

Gesundheitsschutzes im Betrieb, der<br />

Gesundheitserhaltung und der Gesundheitsförderung<br />

der Mitarbeiter im Auge haben. Nur der Betriebsarzt<br />

kennt die beruflichen Anforderungen einerseits und<br />

<strong>den</strong> Gesundheitsstatus, die Leistungsfähigkeit und Leis -<br />

tungsbegrenzungen der Mitarbeiter andererseits. Er ist<br />

die Schnittstelle zu behandeln<strong>den</strong> Ärzten, Rehabilitationseinrichtungen<br />

und zu <strong>den</strong> Trägern der Sozialversicherungen.<br />

Sifas und Betriebsärzte sind darüber hinaus verpflichtet<br />

(BGV A2) im Betrieb zusammenzuarbeiten. Beide<br />

sollen sich zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen<br />

abstimmen.<br />

Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (Arbeitsschutz) berücksichtigt<br />

folgende Kernelemente<br />

Unfallgefahren<br />

Leitern, erhöhte Stand -<br />

orte, elektrischer Strom,<br />

Quetsch- u. Scherstellen,<br />

Stolperfallen, Rutschgefahr,<br />

etc.<br />

Physikalische<br />

Einwirkungen<br />

Lärm, Vibrationen;<br />

Hitze; UV-Strahlung,<br />

Röntgenstrahlung, Laser;<br />

Elektromagnetische<br />

Felder, etc.<br />

Chemische<br />

Einwirkungen<br />

Gefahrstoffe, Dämpfe,<br />

Gase, Stäube, Rauche;<br />

Passivrauchen/Nicht -<br />

raucherschutz etc.<br />

Biologische<br />

Arbeitsstoffe<br />

Bakterien, Viren, Pilze,<br />

Endotoxine; Körperflüssigkeiten,<br />

Blut, Speichel;<br />

Abwässer, Naturfasern,<br />

etc.<br />

Arbeitsgestaltung<br />

Arbeitsumfeld<br />

Ergonomie<br />

menschengerechte<br />

Arbeitsplatzgestaltung;<br />

Heben, Tragen, Körperhaltung;<br />

Bildschirm,<br />

Büro, etc.<br />

Klima<br />

Temperatur, Luftfeuchte,<br />

Luftgeschwindigkeit<br />

Beleuchtung<br />

Beleuchtungsstärke, Kontrast,<br />

Lichtfarbe; Spiegelung,<br />

Blendung, etc.<br />

Absaugung<br />

Lüftung<br />

Psychomentale<br />

Belastungen<br />

Zeitdruck, Arbeitsvolumen,Qualitätsanforderungen,Zeitmanagement;<br />

Arbeitsablauf,<br />

Schnittstellen; Störge -<br />

räusche, Gerüche, etc.<br />

Psychosoziale<br />

Belastungen<br />

Vorgesetztenverhalten,<br />

Führungsqualität; Mitarbeiter-Kommunikation,<br />

Teamarbeit.etc.<br />

Brücke 4/07 19


20<br />

BETRIEBLICHE SICHERHEITSARBEIT<br />

Brücke 4/07<br />

Steuerung <strong>von</strong> Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung<br />

im Betrieb<br />

Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz<br />

Der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (Arbeitsschutz)<br />

umfasst die in der Tabelle auf Seite 19 aufgelisteten<br />

Kernelemente. Für die Verhütung (Prävention) <strong>von</strong><br />

Unfällen sowie <strong>von</strong> Erkrankungen durch physikalische,<br />

chemische und biologische Einwirkungen existiert ein<br />

weit gefasstes staatliches und berufsgenossenschaftliches<br />

Regelwerk mit Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften.<br />

Für die Gestaltung des Arbeitsplatzes und des<br />

Arbeitsumfelds gibt es nur wenige, meist allgemein<br />

gehaltene, Vorschriften; zahlreiche Normen zeigen <strong>den</strong><br />

Stand der Technik auf und dienen als Richtschnur. Im<br />

Bereich der seelischen Belastungen (psychomental und<br />

psychosozial) gibt es keine Vorschriften, und auch Normen,<br />

die in der betrieblichen Praxis als praktische<br />

Umsetzungshilfe dienen könnten, fehlen weitestgehend.<br />

Hier muss man sich am Rat <strong>von</strong> Experten und an<br />

erfolgreichen Beispielen orientieren.<br />

<strong>Dr</strong>eh- und Angelpunkt ist die Durchführung einer sorgfältigen<br />

Gefährdungsermittlung und Gefährdungsbeurteilung<br />

nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Hieraus<br />

ergeben sich alle erforderlichen Maßnahmen, um rechtliche<br />

Vorgaben zu erfüllen und weitergehende arbeitsbedingte<br />

Gesundheitsgefahren zu vermei<strong>den</strong>. Durch entsprechende<br />

Änderungen am Arbeitsplatz sowie durch<br />

Unterweisung und Aufklärung der Mitarbeiter können<br />

Gesundheitsgefahren vermie<strong>den</strong> und der Entstehung<br />

<strong>von</strong> Gesundheitsstörungen vorgebeugt wer<strong>den</strong>.<br />

Integration und Eingliederung <strong>von</strong> Mitarbeitern<br />

Das Diagramm unten verdeutlicht die Kernelemente der<br />

betrieblichen Eingliederung. Bei Bedarf wird insbesondere<br />

der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin mit <strong>den</strong><br />

behandeln<strong>den</strong> Ärzten, dem Durchgangsarzt und der<br />

<strong>med</strong>izinischen Reha-Einrichtung in engem Kontakt<br />

stehen. Das Diagramm oben veranschaulicht ihre Bedeutung<br />

als Steuerungsstelle der Eingliederung. Die in dem<br />

Diagramm aufgeführten Institutionen können dem<br />

Unternehmen erhebliche Hilfestellung sowohl materieller<br />

als auch finanzieller Art zum Erhalt des Arbeits -<br />

platzes und zur Anpassung des Arbeitsplatzes an die<br />

gesundheitlichen Einschränkungen bieten. Daneben<br />

ermöglichen sie eine zielgenaue, auf die tatsächlichen<br />

Arbeitstätigkeiten abgestimmte berufliche und <strong>med</strong>izinische<br />

Rehabilitation. Viele Unternehmer wissen dies<br />

nicht und verschenken so wertvolle Ressourcen.<br />

Betriebliche Gesundheitsförderung<br />

Von <strong>den</strong> <strong>hier</strong> dargestellten drei Elementen stellt die<br />

betriebliche Gesundheitsförderung die am wenigsten<br />

regulierte Form dar. Hierfür existieren keine staatlichen<br />

oder berufsgenossenschaftlichen Vorschriften. Gleichwohl<br />

gibt es in der Fachliteratur zahlreiche Hinweise,<br />

wie eine betriebliche Gesundheitsförderung effizient<br />

gestaltet wer<strong>den</strong> kann. Darüber hinaus sind viele Beispiele<br />

guter und erfolgreicher Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />

in Betrieben veröffentlicht.


Wichtige Maßnahmen und Elemente betrieblicher<br />

Gesundheitsförderung sind:<br />

x Gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit<br />

(arbeitsbedingte Ressourcen)<br />

– Unterstützung und Einbeziehung der Mitarbeiter<br />

– Ausreichende Handlungsspielräume<br />

– Personalentwicklung<br />

– Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter<br />

– Optimierung <strong>von</strong> Arbeitplatz, Arbeitsabläufen und<br />

Arbeitsumgebung<br />

– Adäquates Führungsverhalten der Vorgesetzten<br />

x Gesundheitsförderliches Eigenverhalten<br />

(persönliche Ressourcen)<br />

– Gesundheitsbewusstes Verhalten<br />

– Körperliche Bewegung und sportliche Aktivität<br />

– Fitness für die Arbeitstätigkeit<br />

– Verbesserung der Ernährung<br />

– Stressmanagement<br />

– Zeitmanagement<br />

x Vorsorgemaßnahmen<br />

– Früherkennung beruflich verursachter Gesundheitsstörungen<br />

– Vorbeugung und Früherkennung sowie Behandlung<br />

<strong>von</strong> häufigen Erkrankungen (Herz-Kreislauf,<br />

Bluthochdruck, Diabetes, Wirbelsäulenbeschwer<strong>den</strong>,<br />

Krebserkrankungen etc.)<br />

x Vermeidung <strong>von</strong> Suchtverhalten<br />

– Anlaufstelle (Schweigepflicht!) für Betroffene<br />

– Alkohol- und <strong>Dr</strong>ogenberatung<br />

– Maßnahmen zur Nikotinentwöhnung<br />

x Stärkung des betrieblichen Gemeinschaftsverhaltens<br />

(soziale Ressourcen)<br />

– Regelmäßige Teambesprechungen<br />

– Gemeinschaftsveranstaltungen<br />

x Integrierung des privaten Umfelds<br />

– Gemeinsame Aktivitäten mit Familien/Partnern<br />

der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

– Ggf. Hilfe bei der Kinderbetreuung, flexible<br />

Arbeitszeiten etc.<br />

– Ggf. betrieblicher Transport der Mitarbeiter <strong>von</strong>/<br />

zur Arbeit<br />

Integratives System <strong>von</strong> betrieblichem<br />

Gesundheitsschutz und betrieblicher Gesundheitsförderung<br />

Natürlich ist es nicht sinnvoll, die dargestellten drei<br />

Elemente eines Systems des betrieblichen Gesundheitsschutzes<br />

und der Gesundheitsförderung ungeordnet<br />

nebeneinander stehen zu lassen. Sinnvoll ist ein integriertes<br />

System, das diese Elemente koordiniert und zu<br />

einem sinnvollen Ganzen zusammenfasst.<br />

Wichtige Elemente <strong>hier</strong>für sind:<br />

x Analyse der Arbeitssituation<br />

– Objektivierung (z. B. Messung <strong>von</strong> Gefahrstoffen;<br />

arbeitswissenschaftliche Instrumente)<br />

– Check-Listen<br />

– Befragung <strong>von</strong> Personalverantwortlichen<br />

– Mitarbeiterbefragungen<br />

– Beobachtung und Einschätzung <strong>von</strong> Experten<br />

– Interviews mit Vorgesetzten, Mitarbeitern, Sicherheitsbeauftragten,<br />

Betriebsrat, Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft<br />

x Betriebliche Einrichtungen und<br />

Steuerungselemente<br />

– Arbeitsschutzausschuss (nach Arbeitssicherheitsgesetz)<br />

– Arbeitskreis Gesundheit<br />

– Ggf. weitere Steuerungskreise<br />

– Gesundheitszirkel / Zufrie<strong>den</strong>heitszirkel<br />

x Formen der Aktivitäten<br />

– Ständige Angebote und Aktivitäten (z. B. betriebs -<br />

ärztliche Sprechstunde)<br />

– Programme<br />

– Projekte (einmalig / wiederkehrend)<br />

– Aktionen (einmalig / wiederkehrend)<br />

x Beratung durch vorgeschriebene Stabsstellen im<br />

Betrieb (nach Arbeitssicherheitsgesetz, BGV A2)<br />

– Fachkraft für Arbeitssicherheit<br />

– Betriebsarzt / Betriebsärztin<br />

x Weitere betriebliche und externe Beraterinnen<br />

und Berater, z. B.<br />

– Sozialarbeiter/innen<br />

– Arbeitspsychologen und -psychologinnen, Sozialwissenschaftler/innen<br />

– Sportpädagoginnen und Sportpädagogen<br />

– Ernährungswissenschaftler/innen<br />

x Beratung durch Sozialversicherungsträger<br />

– Gesetzliche Unfallversicherung / Berufsgenossenschaften<br />

– Krankenkassen<br />

Lohnend ist die Angliederung oder gar Einbettung eines<br />

Gesundheitssystems in bereits bestehende oder im Aufbau<br />

befindliche betriebliche Managementsysteme, wie<br />

z. B. Qualitätsmanagementsysteme. Die Berufsgenossenschaft<br />

unterstützt <strong>Sie</strong> gerne bei der Einführung eines<br />

Arbeitsschutz-Managementsystems. Für kleine und<br />

mittlere Unternehmen gibt es <strong>hier</strong>für besonders passgenaue<br />

Betriebs-Managementsysteme (BMS).<br />

Hauptanliegen dieses <strong>Artikel</strong>s war es, <strong>den</strong> Leserinnen<br />

und Lesern einen grundlegen<strong>den</strong> Überblick darüber zu<br />

geben, welche Aspekte bei der zeitgemäßen Unsetzung<br />

des betrieblichen Gesundheitsschutzes zu berücksichtigen<br />

sind. Anschauliche Beispiele, wie eine Gesundheitsförderung<br />

im Betrieb erfolgreich eingeführt und umgesetzt<br />

wer<strong>den</strong> kann, fin<strong>den</strong> <strong>Sie</strong> in einer der nächsten<br />

Ausgaben der „Brücke“.<br />

Die wichtigsten Grundsätze für ein erfolgreiches integriertes<br />

betriebliches System des Gesundheitsschutzes<br />

und der Gesundheitsförderung haben wir auf der<br />

folgen<strong>den</strong> Seite für <strong>Sie</strong> zusammengestellt.<br />

Brücke 4/07 21


22<br />

BETRIEBLICHE SICHERHEITSARBEIT<br />

Brücke 4/07<br />

Wichtige Grundsätze für ein erfolgreiches integriertes betriebliches<br />

System des Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung<br />

x Ein betriebliches System des Arbeits-, Gesundheitsschutzes und der Gesundheitsförderung hat nur<br />

dann Aussicht auf Erfolg, wenn es <strong>von</strong> der Betriebsleitung gewollt und aktiv gestaltet und begleitet<br />

wird. Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung sind Chefsache!<br />

x Vermei<strong>den</strong> <strong>Sie</strong> Wildwuchs! Herr des Verfahrens muss stets der Unternehmer/Unternehmensleitung/<br />

Geschäftsführung/Betriebsleitung sein.<br />

x Bin<strong>den</strong> <strong>Sie</strong> die Belegschaft aktiv und konstruktiv in die Gestaltung des Konzeptes ein. Eine enge<br />

Abstimmung mit <strong>den</strong> Vorstellungen und Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hilft,<br />

Enttäuschungen auf allen Seiten zu vermei<strong>den</strong><br />

x Ziehen <strong>Sie</strong> für Ihre Aktivitäten die Sicherheitsfachkraft und <strong>den</strong> Betriebsarzt bzw. die Betriebsärztin<br />

zu Rate. Legen <strong>Sie</strong> gemeinsam mit diesen fest, ob und ggf. welche externen Einrichtungen und<br />

Fachleute zusätzlich beigezogen wer<strong>den</strong> sollen<br />

x Legen <strong>Sie</strong> fest, welche Ziele <strong>Sie</strong> mit <strong>den</strong> Maßnahmen erreichen wollen<br />

x Beachten <strong>Sie</strong>, dass sowohl der Aufbau eines solchen Systems als auch der Ablauf (Umsetzung)<br />

betrachtet wer<strong>den</strong> müssen<br />

x Legen <strong>Sie</strong> ein klares Konzept und klare Aufträge für externe Einrichtungen und Fachleute fest<br />

x Fangen <strong>Sie</strong> mit kleinen Schritten an. Ein langsamer, schrittweiser Aufbau lässt Nachsteuerungen<br />

und Korrekturen leichter zu als ein <strong>von</strong> Anfang an festgelegtes und „durchgezogenes“ Konzept<br />

x Steuern <strong>Sie</strong> bei Bedarf nach! Erweist sich ein Instrument oder eine Maßnahme als nicht praktikabel,<br />

wird <strong>von</strong> der Belegschaft nicht akzeptiert oder ist nicht effizient, so ändern <strong>Sie</strong> Ihr Konzept!<br />

x Betrieblicher Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung müssen immer wieder angestoßen wer<strong>den</strong>.<br />

<strong>Sie</strong> sind keine Selbstläufer!<br />

x Greifen <strong>Sie</strong> Ideen <strong>von</strong> der Basis auf und setzen <strong>Sie</strong> diese regelmäßig in gezielte Aktivitäten durch<br />

die Geschäftsführung um! Erfolg versprechend ist die Integration <strong>von</strong> Gesundheitsschutz und<br />

Gesundheitsförderung in bereits bestehende weitere Systeme des Unternehmens, z. B. Qualitäts-<br />

Management-Systeme<br />

x Denken <strong>Sie</strong> in langen Zeiträumen! Alle Unternehmen, die eine erfolgreiche Systematik des betrieblichen<br />

Gesundheitsschutzes und insbesondere auch der betrieblichen Gesundheitsförderung eingerichtet<br />

haben, haben dies schrittweise über viele Jahre getan.<br />

x Überprüfen <strong>Sie</strong> in regelmäßigen Abstän<strong>den</strong>, auch nach längerer Zeit, die Akzeptanz, Wirksamkeit<br />

und Effizienz der Maßnahmen! Wur<strong>den</strong> die angestrebten Ziele wirklich erreicht? Was können <strong>Sie</strong><br />

verbessern?<br />

<strong>Dr</strong>. <strong>Wolfgang</strong> <strong>Zschiesche</strong><br />

zschiesche.wolfgang@bgfe.de

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