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<strong>explore</strong>:<br />
Kundenmagazin der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
01 März 2006<br />
Das<br />
Frühling<br />
Fitness und Ernährung<br />
So fühlen wir uns wohl!
04<br />
06<br />
07<br />
09<br />
12<br />
14<br />
17<br />
<strong>explore</strong>: ENTDECKUNG<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: WISSEN<br />
<strong>explore</strong>: GLOBAL<br />
02 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
EDITORIAL<br />
Sehr geehrte Kunden und Freunde,<br />
INHALT<br />
war es Robert Koch Ende des 19. Jahrhunderts als Begründer der experimentellen<br />
Bakteriologie oder waren es Watson & Crick mit ihrem Modell<br />
des „Erbmoleküls“ DNA in den 50ern, die den Startschuss gaben für das,<br />
was wir heute „life sciences“ – Lebenswissenschaften – nennen? Fest<br />
steht: Die moderne Biologie hat der Gesundheitsforschung zu neuen Erkenntnissen<br />
verholfen und neue Möglichkeiten eröffnet – Ersatzorgane aus<br />
dem Labor oder gesundheitsfördernde Lebensmittel, so genannte „functional<br />
foods“. Die neuen Möglichkeiten werden im vor uns liegenden Jahrhundert<br />
alle Lebensbereiche durchdringen. Dieses Heft vermittelt Ihnen<br />
einen Eindruck von dem, was da auf uns zukommt. Viel Spaß beim Lesen!<br />
Ihr Dr. Matthias Pohl, Leiter Biotechnologie bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> EnSys Hannover<br />
04 06<br />
07 09<br />
14<br />
Überleben in der Wildnis<br />
Verirrt: Wie überleben und was essen, wenn man – rein theoretisch – abseits<br />
der Zivilisation wäre?<br />
Nahrungstabus – Regeln aus der Weisheit alter Kulturen<br />
Tabus entstehen nicht einfach so. Sie haben oft uralte Hintergründe, die zu<br />
erforschen spannend sein kann.<br />
Schnecken schmecken und Schrecken schlecken<br />
Woher kommt es, dass wir manche Nahrungsmittel – wenn auch zum Teil<br />
bekanntermaßen gesund – grundsätzlich abstoßend finden?<br />
Die Lust an Fett und Fleisch<br />
Von der reinen Lust zum ernsten Problem: Hintergründe zum Appetit auf alles,<br />
was dick macht.<br />
Ersetzt der Kühlschrank die eigene Fürsorge?<br />
Functional Food: Was steckt hinter den vielversprechenden Vokabeln „Probiotisch“<br />
& Co.?<br />
Biochemie des Kochens und der Gewürze<br />
Geruch, Geschmack, Gewürz – die richtigen Zutaten fürs Kochen zu finden,<br />
erfordert ein ganz spezifisches Wissen.<br />
Zwischen 70-Stunden-Woche,<br />
Freizeitstress und Langeweile<br />
Jonglierkunst: Freizeit und Job zu koordinieren fällt vielen schwer. Dabei wird<br />
heute durchschnittlich weniger gearbeitet als früher.
INHALT<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Wir leben nicht, um zu essen; wir essen, um zu leben.<br />
Netzwerk<br />
Verbindungen, Kommunikation, Strukturen – hier bündeln sich an Knotenpunkten<br />
Kompetenz und Know-how für eine gut funktionierende Partnerschaft.<br />
Altern ohne Grenzen<br />
Die Lebenserwartung des Menschen steigt bekanntlich nach wie vor.<br />
Wo sind die Grenzen dieser Entwicklung? Wie alt werden wir?<br />
In ihren Schuhen gehn<br />
Einmal in die Fußstapfen der Generation 60+ treten und schwindende Sehkraft<br />
und Fingerfertigkeit hautnah erleben.<br />
Ein Mann im Ohr<br />
Verbesserte Elektronik verhilft Menschen mit Hörproblemen ihre Behinderung<br />
einzugrenzen. Sogar Partys verlieren durch die Technik ihren Schrecken.<br />
Ersatz-Organe aus dem Labor<br />
Regenerative Medizin: Kranke und geschädigte Körperteile nachwachsen lassen.<br />
Wird dies in Zukunft die Organverpflanzung ersetzen?<br />
Kampf gegen Winzlinge<br />
Bakterien entwickeln immer neue Resistenzen gegen Antibiotika. Das Ziel:<br />
Erreger von Krankheiten wirksamer eindämmen, Krankheiten zu therapieren.<br />
Freispruch für Bewegungsmuffel?<br />
Wer lebt gesünder? Das Faultier oder das Maultier?<br />
Impressum<br />
<strong>explore</strong>: <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>explore</strong>: LEBEN<br />
<strong>explore</strong>: LEBEN<br />
<strong>explore</strong>: ZUKUNFT<br />
<strong>explore</strong>: ZUKUNFT<br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Sokrates<br />
(um 470 – 399 v. Chr.),<br />
griech. Philosoph<br />
19 27 29 34<br />
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<strong>explore</strong>: 1/2006 - 03
04 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
ENTDECKUNG Überleben in der Wildnis<br />
Überleben in der Wildnis<br />
Von Cornelia Dick-Pfaff<br />
Sich hoffnungslos in der Wildnis zu verirren, gehört hierzulande kaum zur alltäglichen<br />
Bedrohung. Doch was tun, wenn es doch passiert? Wie findet man Essbares? Was ist im Fall<br />
der Fälle zu beachten?<br />
Deutschland ist derart dicht besiedelt,<br />
dass es nahezu unmöglich ist, sich in<br />
der Wildnis zu verirren und zu verhungern.<br />
So schnell verhungert man auch<br />
nicht: Drei Wochen kommt der<br />
Mensch ohne Nahrung aus – voraus-<br />
gesetzt, er hat zu Trinken. Ohne<br />
Flüssigkeit wird es nach spätestens<br />
drei Tagen eng. Um Trinkwasser zu<br />
bekommen, gibt es einige Möglichkeiten.<br />
Im Notfall kann über nicht allzu<br />
lange Zeiträume sogar der eigene Urin<br />
Löwenzahn kann unbedenklich verzehrt werden.<br />
Doch nicht bei jedem Kraut kann man<br />
sich so sicher sein.<br />
das Verdursten hinauszögern. „Man<br />
kann Regen auffangen, Wasser mithilfe<br />
in der Natur auffindbarer Materialien<br />
filtern“, erklärt Andreas Hartmann, der<br />
im Siegerland Kurse in Überlebenstraining<br />
anbietet. „Auch kann man geeig-
Überleben in der Wildnis ENTDECKUNG<br />
Bei Pilzen gilt grundsätzlich Vorsicht – sie<br />
gehören nicht auf den Notfallspeiseplan.<br />
nete Gewässer suchen, deren Trinkqualität<br />
sich etwa an so genannten<br />
Zeigerorganismen wie Bachflohkrebsen<br />
oder Köcherfliegenlarven erkennen<br />
lässt. Diese brauchen eine hohe<br />
Wasserqualität zum Leben.“ Um völlig<br />
sicher zu gehen, dass das Wasser frei<br />
von eventuell gefährlichen Keimen ist,<br />
wird es zehn Minuten lang abgekocht.<br />
Feuer ist somit ebenso wichtig für das<br />
Überleben wie eine provisorische<br />
Unterkunft.<br />
Auch in Sachen Essbares hat die<br />
Natur den Tisch reich gedeckt. „Es<br />
gibt einige Pflanzen, von denen man<br />
sich ernähren könnte“, sagt Hartmann.<br />
„Allerdings liefern die nur Kohlenhydrate.<br />
Für die Eiweißzufuhr braucht<br />
man tierische Nahrung.“ Gegrilltes<br />
Reh, geschmorter Hase oder gebratenes<br />
Wildschwein wären mit Sicherheit<br />
sogar eher ein Leckerbissen als eine<br />
Notration – so sich die Tiere einfangen<br />
lassen. Dies ist für den Ungeübten und<br />
wenig Erfahrenen sicher alles andere<br />
als einfach, vor allem, wenn es an der<br />
entsprechenden Ausrüstung fehlt. Mit<br />
Stöcken, Steinen und Rindenstreifen<br />
lassen sich mit etwas Geschick<br />
immerhin primitive Jagdwerkzeuge<br />
bauen. Allerdings ist das in Deutschland<br />
sofort problematisch; denn Jagen<br />
und Fischen ohne Genehmigung sind<br />
per Gesetz verboten. Höchstens in<br />
einer absoluten Notsituation würde<br />
man sich nicht strafbar machen.<br />
Insekten sind dagegen weit leichter zu<br />
erjagen, und der Verzehr ist völlig legal.<br />
„Doch braucht man entsprechende<br />
Mengen“, so Hartmann. „Regenwürmer<br />
Auch Beeren sollten nur dann gegessen werden,<br />
wenn man sich sicher ist, dass sie genießbar<br />
sind.<br />
etwa sind eine hervorragende Eiweißquelle.“<br />
Auch Fliegen lassen sich recht<br />
bequem erbeuten. Jedoch wird es für<br />
viele notwendig sein, ein gewisses<br />
Unbehagen zu überwinden – auch<br />
wenn dieses unbegründet ist. Schließlich<br />
sind Insekten ernährungstechnisch<br />
betrachtet eine gesunde Mahlzeit,<br />
weshalb man sich mit ihnen ausgezeichnet<br />
über Wasser halten kann.<br />
Die einfachste Beute stellen Pflanzen<br />
dar – schließlich rennen sie nicht weg.<br />
Doch Vorsicht: Jede Pflanze ist essbar,<br />
manche allerdings nur einmal. Kaum<br />
jemand weiß aber von jedem Kraut,<br />
Baum, Strauch und Gras, ob es<br />
genießbar ist oder nicht. Sicher ist den<br />
meisten bekannt, dass etwa Löwenzahn<br />
oder Brom- und Himbeeren<br />
unbedenklich verzehrt werden können.<br />
Doch so leicht ist das nicht immer.<br />
„Man sollte grundsätzlich die Finger<br />
von Sachen lassen, die man nicht<br />
kennt“, warnt Hartmann.<br />
Kommt man in die Notlage, keine bekannten<br />
Pflanzen zu finden, ist es unerlässlich,<br />
einen ausführlichen Genießbarkeitstest<br />
durchzuführen, bevor sie<br />
im Magen landen. Manche Teile einer<br />
Pflanze können essbar sein, während<br />
andere ungenießbar sind. Deshalb ist<br />
es wichtig, den Test mit Früchten,<br />
Knollen, Wurzeln, Blättern und Stängeln<br />
gesondert vorzunehmen. Und<br />
auch die Art der Zubereitung kann eine<br />
wichtige Rolle spielen: Bei Pilzen und<br />
roten Früchten ist es allerdings grundsätzlich<br />
ratsam, sich in Zurückhaltung<br />
zu üben, es sei denn, man ist sich<br />
sicher, dass sie essbar sind.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Der Selbstversuch im absoluten Notfall –<br />
Wie mache ich den Genießbarkeitstest?<br />
Oberstes Kriterium: Das Objekt der Begierde<br />
spricht einen optisch an. Es hat nichts<br />
Abstoßendes wie klebrige oder schleimige<br />
Sekrete, spitze Stacheln oder tote Insekten<br />
unter der Pflanze. Man bricht ein Stück von<br />
der Pflanze ab. Fließt Milch heraus, sollte der<br />
Versuch besser abgebrochen werden. Es gibt<br />
Ausnahmen wie etwa den Löwenzahn, doch<br />
lieber einmal zu oft Vorsicht walten lassen.<br />
Fließt keine Milch, kann der besonders<br />
Vorsichtige zunächst noch einige Stunden<br />
abwarten, ob der Kontakt mit der Pflanze<br />
Hautirritationen hervorruft.<br />
Dann folgt die Geruchsprobe. Riechen die<br />
Pflanzensäfte auch noch nach dem Zerreiben<br />
zwischen den Fingern neutral oder angenehm,<br />
kann man ein vorsichtiges Geschmacksexperiment<br />
mit den Lippen oder<br />
spitzer Zunge wagen. Tritt auch dann kein<br />
Brennen oder Jucken auf, wird ein kleines<br />
Pflanzenstück auf die Zunge gelegt. Ist nach<br />
15 Minuten keine auffällige Reaktion zu<br />
bemerken, zerkaut man es. Dann ist nochmals<br />
15 Minuten Warten angesagt. Verspürt<br />
man immer noch kein Brennen, Jucken oder<br />
Taubheitsgefühl, wird das Zerkaute heruntergeschluckt.<br />
Nun heißt es acht Stunden warten. Bei dem<br />
geringsten Verdacht auf eine Vergiftung sollte<br />
das Verzehrte sofort erbrochen und viel<br />
Wasser getrunken werden. Zeigen sich keinerlei<br />
Probleme, kann eine kleinere Portion<br />
der Pflanze verzehrt werden. Wird auch die<br />
nach acht Stunden gut vertragen, sind größere<br />
Mengen unbedenklich. Der gleiche Test<br />
wird ebenso mit einem bereits zubereiteten<br />
Pflanzenteil vorgenommen.<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Überleben ums Verrecken“ von Rüdiger<br />
Nehberg, Piper, Mai 2005,<br />
ISBN: 3492244106, 492 Seiten, 12,90 Euro<br />
„Survival“ von Alexander Stilwell, Heel, April<br />
2001, ISBN: 3893659153, 192 Seiten,<br />
15 Euro<br />
Survival-Lexikon von Rüdiger Nehberg, Piper,<br />
Mai 2000, ISBN: 3492230555, 355 Seiten,<br />
9,90 Euro<br />
LINKS:<br />
Andreas Hartmann, Überlebenstraining im<br />
Siegerland: http://www.survival-abenteuer.de<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 05
Von Dr. Doris Marszk<br />
06 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
MENSCH Nahrungstabus – Regeln aus der Weisheit alter Kulturen<br />
Nahrungstabus – Regeln aus<br />
der Weisheit alter Kulturen<br />
Im Prinzip ist der Mensch ein Allesesser. Aber er isst nicht überall alles. Während etwa in Europa<br />
allgemein der Käse geschätzt wird, ist er für Chinesen schlichtweg faule Milch und damit „igitt“.<br />
Den Europäern dagegen dreht sich schon bei der bloßen<br />
Vorstellung von gebratenen Heuschrecken der Magen um.<br />
Einige solcher Nahrungsmittel sind reine Geschmacksache.<br />
Andere wiederum sind mit einem Tabu belegt. Meistens<br />
wird so ein Tabu durch eine Religion eingeführt und damit<br />
begründet, dass es Gott, Allah oder Jahve nicht gefällt,<br />
wenn die Gläubigen dieses oder jenes essen. Doch oft<br />
steckt ein rationaler Kern hinter solchen Tabus.<br />
So läuft etwa das Schweinefleisch-Verbot für Muslime und<br />
Juden letztlich darauf hinaus, dass das Schwein ein<br />
Nahrungskonkurrent für Menschen ist, wie der Kulturanthropologe<br />
Marvin Harris herausgefunden hat. Er hat<br />
unterschiedliche Erklärungsansätze analysiert: Das<br />
Schwein sei unrein, es esse Kot, man könne Trichinose<br />
durch Schweinefleischverzehr bekommen. Aber das meiste<br />
gilt auch für „erlaubte“ Tiere. Harris gelangte zu einer<br />
schlüssigeren Erklärung, als er im Alten Testament auf die<br />
Vorschrift stieß: „Alles, was die Klauen spaltet und wiederkäut<br />
unter den Tieren, das sollt ihr essen“ (3. Mose 11,3).<br />
Das Schwein spaltet zwar die Klauen, ist aber kein<br />
Wiederkäuer. Und genau das unterscheidet es vom Rind,<br />
vom Schaf und von der Ziege. Wiederkäuer können mühelos<br />
große Mengen von Gräsern und Blättern verdauen. Mit<br />
einem Schwein hingegen müsste der Mensch seine<br />
Nahrung teilen, denn das Schwein isst alles, was auch der<br />
Mensch isst. In einer Gegend mit Wüstenklima, wo ohnehin<br />
nicht alles angebaut werden kann, kann so ein<br />
Nahrungskonkurrent zu einem ernsthaften Problem werden.<br />
Das Tabu hat sich also hier entwickelt, um für<br />
Menschen einer bestimmten Region die Nahrungsressourcen<br />
zu bewahren. So kann sich in Nahrungstabus<br />
die Weisheit der Vorfahren offenbaren.
Schnecken schmecken und Schrecken schlecken MENSCH<br />
Trüffel sind für die einen eine teure Delikatesse,<br />
für andere dagegen nur muffelig riechende<br />
Speisepilze.<br />
Schnecken schmecken<br />
und Schrecken schlecken<br />
Von Dörte Saße<br />
Bei Austern scheiden sich die Geister, obwohl<br />
sie als Delikatesse in vielen Feinschmeckerrestaurants<br />
auf der Speisekarte stehen.<br />
Fischeier: Nicht nur der Geschmack zeichnet<br />
sie aus. Sie enthalten viele Vitamine und<br />
Mineralstoffe.<br />
„Es gibt begründeten und unbegründeten Ekel“, sagt Überlebensexperte Rüdiger Nehberg. Der<br />
unbegründete ist von der Gesellschaft geprägt, in der man aufgewachsen ist, und in der Not<br />
müsse man sich davon freimachen. Doch auch ohne Not greifen Menschen andernorts zu<br />
Nahrungsmitteln, bei denen es uns hierzulande schüttelt: Würmer und Heuschrecken,<br />
Hundefleisch und Affenhirn, gegrillte Fledermäuse, verfaulte Eier oder Quallensalat.<br />
Spiegeleier oder Rührei sind bei vielen<br />
Menschen beliebt. Eingelegte Eier sind aus der<br />
Mode gekommen.<br />
Weinbergschnecken sind vor allem in Frankreich<br />
beliebte Genussmittel, aber aufgrund<br />
ihrer Konsistenz nicht jedermanns Sache.<br />
Tintenfisch und Octopussalat stehen in jedem<br />
guten griechischen Restaurant auf der<br />
Speisekarte.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 07
Schleimig, glitschig – diese Assoziation hält manchen vom Verzehr von Schnecken ab. Begründet?<br />
Dabei gibt es gute Gründe für solche<br />
Essgewohnheiten – abgesehen von<br />
wiederum gesellschaftlich geprägten<br />
Motiven, wenn jemand etwa aus<br />
Potenzgründen Haifischflossensuppe,<br />
Tigerpenis oder angebrütete Eier verspeist.<br />
Der einfachste Grund: Den<br />
Menschen schmeckt ihr täglich Mahl.<br />
Was sie von Kindheit an gewohnt sind,<br />
kann gar nicht ekelhaft sein.<br />
Regionale Verwunderlichkeiten<br />
Oder weshalb verspeisen wir ohne<br />
Wimpernzucken Garnelen, Tintenfischringe<br />
oder auch Blutwurst?<br />
Seltener geworden sind Spezialitäten<br />
wie Kalbsbries, die weiche, weiße<br />
Thymusdrüse, oder Kutteln aus<br />
Magen und Darm von Rind und<br />
Lamm. Zwar sind sie aus der Alltagsküche<br />
und somit dem „allgemeinen<br />
Geschmacksempfinden“ verschwunden<br />
– nicht zuletzt, weil nur noch wenige<br />
das Zubereiten gelernt haben oder<br />
sich Zeit dafür nehmen. Doch in<br />
Feinschmeckerrestaurants sind sie<br />
nach wie vor aktuell. Dort, wo sich<br />
auch Weinbergschnecken, Froschschenkel,<br />
roh zu schlürfende Austern,<br />
Pferdefleisch und salzige Fischeier<br />
namens Kaviar wiederfinden – oder<br />
Trüffel, die, wüsste man nicht um ihren<br />
hohen Geldwert, wohl als muffelig riechend<br />
abgeurteilt würden.<br />
In Schweden hat jeden Sommer wieder<br />
der „Surströmming“ Konjunktur,<br />
der „saure Ostseehering“: Leicht gesalzen<br />
gärt er mehrere Monate bis zur<br />
fauligen Reife und wird schließlich mit<br />
Genuss zu Kartoffeln gegessen.<br />
Wohlweislich nur im Freien, denn der<br />
Gestank, heißt es, hält sich tagelang in<br />
08 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
MENSCH Schnecken schmecken und Schrecken schlecken<br />
Wohnung und Kleidung. Ähnlich unappetitlich<br />
wirken die schwarzgrünen<br />
„Tausendjährigen Eier“, die in China<br />
mithilfe von Asche und Limettensaft<br />
binnen 50 Tagen zum delikaten Geschmack<br />
von scharfem Käse heranreifen.<br />
Und warum gilt Affenhirn als unzivilisierte<br />
Speise, wenn Kalbshirn auch<br />
in Deutschland eine Delikatesse ist?<br />
Und auch die norddeutsche Spezialität<br />
Bregenwurst ist nach dem Organ<br />
benannt – wenngleich sie heutzutage<br />
hirnfrei zubereitet wird.<br />
Ratten auf dem Speiseplan<br />
Kulturelle Gewohnheiten bestimmen<br />
auch, welche Tierarten gegessen werden:<br />
In Europa verspeist man genüsslich<br />
des Inders heilige Kühe, weshalb<br />
sollten Koreaner keine Hunde und<br />
Peruaner keine Meerschweinchen zu<br />
sich nehmen? Eine CIA-Studie will<br />
weltweit 22 Kulturen ermittelt haben, in<br />
denen Ratten auf dem Speisezettel<br />
stehen. Dort haftet ihnen offenbar nicht<br />
der Ruf des Pesttieres an. Ohnehin<br />
vernichtet gutes Kochen sämtliche<br />
Erreger, und der Fressschädling bringt<br />
gleich noch einen Nutzen.<br />
Krabbelnde Delikatessen<br />
Dieses Argument gilt auch für Insekten<br />
wie Heuschrecken oder Maikäfer.<br />
Noch im 19. Jahrhundert druckten<br />
Zeitungen in Deutschland und Frankreich<br />
Rezepte für Maikäfersuppen.<br />
Überhaupt sind Insekten zahlreich vorhanden<br />
und lassen sich relativ leicht<br />
fangen. Und am wichtigsten: Insekten<br />
sind extrem gesund, eine wandelnde<br />
Proteinbombe samt Spurenelementen.<br />
In vielen Ländern lässt sich damit der<br />
Nährstoffbedarf decken, wenn größere<br />
Tiere fehlen, vom gemästeten Fabrikhähnchen<br />
bis zum tagelang transportierten<br />
Schlachtrind. Und überhaupt<br />
sind Insekten lecker, sagen Kenner:<br />
Heuschrecken schmecken knackig<br />
und fettreich wie Haselnüsse, Maden<br />
und Würmer ähnlich wie Garnelen.<br />
Ameiseneier erinnern an cremigen<br />
Camembert, Honigameisen sind gleich<br />
süß gefüllt und gebratene Fruchtfliegen<br />
oder Libellen bessern jede<br />
Gemüsepfanne auf.<br />
Alles nur Provokation?<br />
Wer allerdings hierzulande Insekten<br />
isst, fachsprachlich ein Entomophage,<br />
will wohl bloß provozieren. Oder mit<br />
dem Ekelfaktor kokettieren: mit dem<br />
Wurm im Tequilaglas oder Skorpion<br />
und Heuschrecke im Lolli...<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Strange Food. Skurrile Spezialitäten.<br />
Insekten, Quallen und andere Köstlichkeiten“<br />
von Jerry Hopkins, Komet Verlag, 2001,<br />
ISBN: 3898361063, 240 Seiten, 22 Euro<br />
„Das Insektenkochbuch“ von Ingo Fritzsche,<br />
Bubpa Gitsaga, Natur und Tier-Verlag, 2002,<br />
ISBN: 393158769X, 80 Seiten, 16,80 Euro<br />
„Wohlgeschmack und Widerwillen. Die Rätsel<br />
der Nahrungstabus“ von Marvin Harris, Klett-<br />
Cotta Verlag, 2005, ISBN: 3608944125,<br />
308 Seiten, 19,50 Euro<br />
„Nektar und Ambrosia“ von Klaus E. Müller,<br />
C.H.Beck Verlag, 2003, ISBN: 3406510264,<br />
173 Seiten, 14,90 Euro<br />
„Alles, was man essen kann“ von Waverley<br />
Root, Eichborn Verlag, 2003,<br />
ISBN: 3821847344, 408 Seiten, 19,90 Euro
Die Lust an Fett und Fleisch MENSCH<br />
Die Lust an Fett<br />
und Fleisch<br />
Der Diäten-Killer<br />
Von Dr. Doris Marszk<br />
Nur ein kleiner Teil un-<br />
sererErnährungsgewohn- heiten ist genetisch fest-<br />
gelegt, der Rest ist kultur-<br />
abhängig. Wer aber glaubt,<br />
diese Kultur könne doch<br />
leicht verändert werden<br />
zugunsten einer „gesün-<br />
deren“ Kost, der kennt die<br />
Macht der Gewohnheit<br />
noch nicht...<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 09
Vor über einer Million Jahren wandelte sich der Mensch<br />
vom Vegetarier zum Fleischesser<br />
Am Anfang ist der Appetit auf Süßes. Das ist in der gesamten<br />
Menschheit gleich. Der Mensch kommt mit einer<br />
geschmacklichen Voreinstellung auf die Welt, die das Süße<br />
sucht und das Bittere meidet. Das ist gut so, weil dadurch<br />
ein Neugeborenes bereitwillig die Muttermilch einsaugt, die<br />
es mit wichtigen Nährstoffen versorgt. „Viele nahrhafte<br />
Pflanzen, die Kohlenhydrate enthalten, sind im Prinzip süß“,<br />
erklärt Dr. Christine Brombach von der Bundesforschungsanstalt<br />
für Ernährung und Lebensmittel in<br />
Karlsruhe. „So haben wir kein Problem damit, uns davon zu<br />
ernähren. Aber von dieser Grundeinstellung für Süßes einmal<br />
abgesehen, ist Geschmack kulturell erlernt. Ob wir<br />
etwas mögen oder nicht mögen, hängt weitgehend von<br />
unseren Erfahrungen ab, die wir machen.“ Darum können<br />
wir in späteren Lebensjahren auch Geschmack an<br />
Bitterem, Scharfem oder Würzigem finden.<br />
Es sind vor allem die Eltern und Großeltern, die uns die<br />
Erfahrungen vermitteln. Was sie essen und uns kochen,<br />
das essen wir. Wenn man in Europa aufgewachsen ist,<br />
erfährt man auf diese Weise, dass beispielsweise ein<br />
Kaninchen oder eine Gans einen leckeren Braten ergibt,<br />
nicht aber ein Hund oder eine Katze – über Pferde streiten<br />
sich die Geister. In Feldforschungen hat Christine<br />
Brombach herausgefunden, dass auch heute noch beispielsweise<br />
die hessische Küche mit Handkäs mit Musik (in<br />
Essig-Öl-Marinade eingelegter Harzer Roller mit Zwiebelringen),<br />
Dörrfleisch (Räucherspeck) und grüner Soße sehr<br />
lebendig ist – trotz Fastfood, Pizza und Pasta.<br />
Apropos Pizza und Pasta: Einiges hat sich ja auch verändert,<br />
zum Beispiel unsere Haltung zum Knoblauch.<br />
Während ältere Deutsche bei Knoblauch meist Reißaus<br />
nehmen, wird er von der jüngeren Generation geliebt.<br />
Brombach führt dies auf eine positive Erfahrung zurück, die<br />
die Deutschen während ihrer ab den 50er-Jahren in Mode<br />
gekommenen Italien-Reisen gemacht haben. In Massen<br />
lernten die Deutschen, dass Knoblauch nicht nur essbar,<br />
sondern auch sehr lecker ist. Auch Spaghetti, Pizza, Oliven<br />
oder Peperoni sind so auf den deutschen Speisezettel<br />
gelangt. Allerdings nimmt der Mensch nicht einfach neue<br />
Geschmäcker an, sobald es ihn irgendwo anders hin verschlägt.<br />
„Aus Ernährungsbiografien von Frauen, die es<br />
nach dem Krieg durch Flucht oder Vertreibung nach<br />
Hessen verschlagen hat, wissen wir, dass sie auch<br />
Jahrzehnte später noch das aßen, was sie aus ihrer Heimat<br />
gewöhnt waren. Sie haben die hessische Küche kaum<br />
angenommen“, sagt Brombach.<br />
Essen im Gesamtzusammenhang sehen<br />
Der Appetit auf Fleisch und Fett und das Bedürfnis nach tierischem<br />
Eiweiß ist vermutlich sehr früh in der menschlichen<br />
Entwicklungsgeschichte entstanden und hat die Evolution<br />
wesentlich beeinflusst. Möglicherweise geht sie auf eine<br />
Änderung der Nahrungsgewohnheiten unserer frühen<br />
Vorfahren zurück. Der Homo habilis, der vor rund zwei<br />
10 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
MENSCH Die Lust an Fett und Fleisch<br />
Der Mensch sucht von Geburt an die Süße und meidet die Bitterkeit.<br />
Im Prinzip ist das gut für sein Ernährungsverhalten.<br />
Was sonst noch schmeckt, lernt der Mensch von den Angehörigen,<br />
die ihn füttern und bekochen.<br />
Der Mensch ist auch bereit, etwas Neues zu probieren. Es muss aber<br />
positiv besetzt sein.
Die Lust an Fett und Fleisch MENSCH<br />
Millionen Jahren lebte, hat sich noch weitgehend vegetarisch<br />
ernährt. Der Homo erectus, etwa 500.000 Jahre jünger,<br />
der in einer Zeit des Wandels lebte, musste sich darauf<br />
einstellen, zwischen Pflanzenkost und tierischer Nahrung<br />
zu wechseln. Anfangs noch Aassammler, nutzte der sich<br />
entwickelnde Mensch immer mehr seine Werkzeugtechnik,<br />
um Jagdwaffen herzustellen. Seit diesem Übergang zum<br />
Fleisch essenden Wesen ist der Mensch nie mehr zum reinen<br />
Vegetarismus zurückgekehrt. Bei Beobachtungen von<br />
heutigen Naturvölkern hat der Kulturanthropologe Marvin<br />
Harris festgestellt, dass sie häufig neben einem Ausdruck<br />
für „Ich habe Hunger“ einen eigenen Ausdruck für „Ich habe<br />
Hunger auf Fleisch“ haben. In einigen dieser Völker stehen<br />
die Jäger, also fast alle erwachsenen Männer des Dorfes,<br />
unter einem hohen Druck, immer genügend Fleisch zu<br />
beschaffen. Wenn es dauerhaft zu wenig Fleisch gibt,<br />
kommt es auch zu Abwanderungen von Dorfbewohnern in<br />
ein anderes Gebiet, wo das Jagdglück vielleicht größer ist.<br />
Auch von Religionen wird diese Art des Essens von Fleisch<br />
nicht verdammt. Harris hat auch darauf hingewiesen, dass<br />
keine der großen Weltreligionen jemals ihre Anhänger zum<br />
Vegetarismus aufgefordert hat.<br />
Fettsucht – ein Problem der westlichen<br />
Industrienationen<br />
Für die Menschen in Industrienationen ist der Genuss von<br />
Fett und Fleisch mittlerweile zum ernsten Problem geworden.<br />
Forscher schlagen Alarm angesichts einer Gesellschaft,<br />
in der es immer mehr Übergewichtige gibt.<br />
Darum fragen sich auch Physiologen, ob Fett vielleicht eine<br />
ganz besondere Substanz ist. Vielleicht kommt der Mensch<br />
an Fett einfach nicht vorbei, was erklärt, warum Diätbemühungen<br />
oft scheitern. Ein französisches Wissenschaftler-Team<br />
hat jetzt einen bisher unbekannten<br />
Geschmacksrezeptor in der menschlichen Mundhöhle entdeckt.<br />
Es handelt sich dabei, wie Philippe Besnard und<br />
seine Kollegen von der Université de Bourgogne im Journal<br />
of Clinical Investigation darlegen, um das Glykoprotein<br />
CD36. Durch Fett stimuliert, beeinflusst der Eiweißstoff<br />
unser Verhalten und den Verdauungsstoffwechsel.<br />
Von Entdeckungen wie dieser erhoffen sich Wissenschaftler<br />
bessere Diätstrategien. Dr. Brombach ist skeptisch: „Essen<br />
ist ein „Totalgeschehen“, das den individuellen und sozial<br />
geteilten Alltag durchdringt und prägt“, sagt die Forscherin.<br />
„Da reicht es nicht, einfach irgendwelche Sensoren zu<br />
überlisten.“ Sie plädiert dafür, Essen im Gesamtzusammenhang<br />
zu sehen und so verfestigte Gewohnheiten<br />
überlegt zu verändern. „Wir müssen dafür sorgen, dass die<br />
Veränderungen alltagskompatibel sind. Dafür muss man<br />
aber auch erforschen, was der Essalltag in einer bestimmten<br />
Region ist. Wenn es gelingt, in den Alltagsstrukturen<br />
des Essens etwas zu verändern, ohne dass es stört, dann<br />
kann das erfolgreich sein. Aber das ist eine Strategie der<br />
kleinen Schritte.“<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Fettreiche Lebensmittel sind beispielsweise:<br />
Lebensmittel Fettgehalt in g<br />
1 Becher (150 g) Joghurt (3,5 % Fett) 5<br />
150 g Quark (20 % Fett i. Tr.) 7<br />
1 Portion (30 g) Camembert (60 % Fett i. Tr.) 10<br />
1 Scheibe (30 g) Butterkäse (50 % Fett i. Tr.) 9<br />
1 Portion (50 g) Mascarpone 24<br />
1 Scheibe (30 g) Tilsiter (45 % Fett i. Tr.) 9<br />
1 Croissant 12<br />
1 Müsliriegel 5<br />
1 Praline mit Nüssen 2<br />
1 Portion Kaffeesahne (10 % Fett) 2<br />
1 Portion Schlagsahne (30 % Fett) 5<br />
1 Hühnerei 6<br />
1 Bratwurst, fein 40<br />
1 Fleischkäse gebraten 35<br />
1 Frikadelle 12<br />
1 Paar Wiener Würstchen 18<br />
1 Portion (30 g) Leberwurst, fein 10<br />
1 Portion (25 g) Cervelatwurst 8<br />
1 Portion (25 g) Salami 7<br />
Fettarme Lebensmittel sind beispielsweise:<br />
Lebensmittel Fettgehalt in g<br />
1 Scheibe (30 g) Edamer (30 % Fett i. Tr.) 5<br />
1 Scheibe (30 g) Schafskäse 5<br />
1 Scheibe (30 g) Tilsiter (30 % Fett i. Tr.) 5<br />
1 Scheibe (30 g) Kochschinken 1<br />
1 Scheibe (20 g) geräucherter Schinken 3<br />
1 Portion (30 g) Cornedbeef 2<br />
1 Becher (150 g) Joghurt (1,5 % Fett) 2<br />
150 g Magerquark 0,5<br />
1 Stück Apfelkuchen (Hefeteig) 3<br />
100 g Fruchtgummi 0<br />
Etwa 40 Prozent der deutschen Bevölkerung sind zu schwer (body mass<br />
index über 25). Übergewichtige Menschen essen in der Regel mehr Fett<br />
als Normalgewichtige. Das haben Untersuchungen an der Universität<br />
Göttingen bestätigt. Ohne Zweifel: Fett gibt Lebensmitteln und Speisen<br />
einen „vollmundigen“ Geschmack und versorgt den Körper mit wichtigen<br />
fettlöslichen Vitaminen und ungesättigten Fettsäuren. In „Polstern“ angelegt,<br />
wirkt es außerdem als Organ- und Kälteschutz. Doch wenn die<br />
Fettzufuhr auf Dauer die nötige Energiemenge übersteigt, entstehen<br />
unangenehme Folgen. Denn was zuviel ist, legt der Körper sofort für<br />
„schlechte Zeiten“ in Depots wie Bauch, Hüften, Oberschenkeln und in<br />
den Organen an. Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Arteriosklerose,<br />
Herzinfarkt, Schlaganfall und Stoffwechselerkrankungen sind<br />
die möglichen Folgen. Außerdem erhöht eine große Menge Nahrungsfett<br />
das Risiko für die Entstehung von Krebs, insbesondere Dickdarmkrebs,<br />
Brustkrebs, Gebärmutterkrebs und Prostatakrebs.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 11
Von Jan Oliver Löfken<br />
Gesund leben möchte jeder. Sport<br />
und eine ausgewogene Ernährung<br />
sind die Schlüssel dazu. Tatsächlich<br />
investieren die Menschen in westlichen<br />
Industrieländern immer weniger<br />
Zeit und Mühe in ihre Nahrungsaufnahme,<br />
sie verlernen das Kochen<br />
und greifen zu Fast Food und Fertiggerichten.<br />
Auf diesen Trend reagiert<br />
die Lebensmittelindustrie und verspricht<br />
mit vielen neuen Zusätzen<br />
auch eine bessere Gesundheit.<br />
Moderne Mahlzeiten sollen nicht nur<br />
satt machen, sondern zugleich alle<br />
Defizite, durch Eile bei der Ernährung<br />
verursacht, ausgleichen.<br />
„Die Lebensmittel werden immer besser,<br />
aber der Ernährungszustand wird<br />
immer schlechter“, sagt Michael<br />
Warburg, Lebensmittelchemiker bei<br />
Unilever Bestfoods in Hamburg.<br />
Produkten seines Unternehmens werden<br />
daher schädliche Fette wie<br />
Cholesterin entzogen oder neue<br />
Bakterien zur Unterstützung der<br />
Darmflora zugesetzt. Auch andere<br />
Konzerne wie Nestlé oder Procter &<br />
Gamble verfolgen diesen Trend; denn<br />
nach Angabe des britischen<br />
Marktforschers Leatherhead Food<br />
International umfasst der Markt für<br />
funktionelle Lebensmittel heute etwa<br />
20 Milliarden Euro. In den nächsten<br />
zehn Jahren könnten „Functional<br />
Food“-Produkte sogar einen Anteil<br />
von bis zu zehn Prozent am gesamten<br />
Lebensmittelmarkt erreichen.<br />
12 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
MENSCH Ersetzt der Kühlschrank die eigene Fürsorge?<br />
Ersetzt der Kühlschrank<br />
die eigene Fürsorge?<br />
Functional Food ist zunehmend in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes. Probiotische<br />
Zusätze in Joghurts, Omega-3-Fettsäuren in Keksen oder Vitamine in Gummibärchen sollen<br />
Wohlbefinden und Gesundheit der Verbraucher steigern. Nützen diese neuen Nahrungsmittel<br />
wirklich, oder steigern sie nur die Umsätze der Hersteller?<br />
Zum Functional Food gehört zum Beispiel<br />
probiotischer Joghurt. Er hält die Darmflora<br />
im Gleichgewicht, schützt vor unerwünschten<br />
Bakterien und stärkt die Abwehrkräfte.<br />
Fisch enthält neben den gesunden Omega-3-<br />
Fettsäuren zahlreiche unterschiedliche<br />
Vitamine, so dass bereits eine Portion Seefisch<br />
den täglichen Vitaminbedarf eines<br />
Menschen deckt.<br />
Doch was heißt eigentlich „funktionell“?<br />
Nach der Definition des International<br />
Life Sciences Institute ist ein<br />
Lebensmittel funktionell, wenn es über<br />
seinen reinen Nährwert hinaus eine<br />
oder mehrere Körperfunktionen positiv<br />
beeinflusst. „Und der positive Einfluss<br />
muss durch die normal aufgenommene<br />
Nahrungsmenge vermittelt werden“,<br />
sagt Hans Steinhart, Professor<br />
für Lebensmittelchemie an der Universität<br />
Hamburg. Doch dieser positive<br />
Nachweis ist schwierig zu erbringen.<br />
Zahlreiche Studien belegen diesen<br />
Effekt, andere dagegen widersprechen<br />
diesen Ergebnissen.<br />
Ein Blick ins Kühlregal des Supermarkts<br />
zeigt, welche Substanzen sich<br />
bereits am Markt durchgesetzt haben:<br />
Joghurtsorten enthalten lebende, probiotische<br />
Bakterien, die vor schädlichen<br />
Mikroorganismen schützen und<br />
das Gleichgewicht der Darmflora erhalten<br />
sollen. In die gleiche Produktgruppe<br />
werden auch so genannte<br />
Prebiotika zugesetzt. Das sind Ballaststoffe<br />
aus speziellen Pflanzenfasern,<br />
die als Nahrung für die gewünschten<br />
Mikroorganismen dienen und damit<br />
ihre Ansiedlung im Magen-Darm-Trakt<br />
fördern. Das dadurch gestärkte<br />
Immunsystem könnte so besser<br />
gegen Erkältungen gewappnet sein.<br />
Andere Milchprodukte enthalten Kombinationen<br />
aus Kohlenhydraten, Vitaminen<br />
und Kalzium. Sie sollen nicht<br />
nur die Verdauung anregen, sondern<br />
auch für eine reinere Haut sorgen.<br />
Müsliriegel werden mit bestimmten<br />
Nahrungsfasern versetzt, um die Aufnahme<br />
von Zucker im Darm zu verlangsamen.<br />
Dadurch sollen sie auch<br />
für Diabetiker geeignet sein. Noch wei-
Ersetzt der Kühlschrank die eigene Fürsorge? MENSCH<br />
ter gehen amerikanische Forscher<br />
vom Agricultural Research Service in<br />
Albany. Mit einem Zusatz einer geschmacksneutralenZellulose-Substanz<br />
in Hamburgern verhinderten sie<br />
die Aufnahme von Fett im Darm um ein<br />
gutes Drittel. „Wenn Sie gern fettreiche<br />
Nahrung essen, könnte der Zusatz von<br />
Hydroxypropylmethylzellulose die<br />
Schäden begrenzen“, ist Forscher<br />
Wallace H. Yokoyama überzeugt.<br />
Ungesättigte Fettsäuren sind ebenfalls<br />
als Zusatzstoff, beispielsweise in Getreideerzeugnissen,<br />
beliebt. Omega-3-<br />
Fettsäuren können vor Herz- und<br />
Kreislauferkrankungen schützen und<br />
werden bisher meist noch als Kapseln<br />
in Apotheke und Drogerie angeboten.<br />
Vorzugsweise bei Getränken, Tiefkühlgemüse<br />
oder Frühstücksflocken<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Werden wir durch Functional Food<br />
gesünder?<br />
Udo Pollmer:<br />
Wohl kaum. Das ist in erster Linie<br />
Ablasshandel für Esssünden.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Studien zu Vor- und Nachteilen von<br />
Functional Food sind widersprüchlich.<br />
Welche zugesetzten Substanzen können<br />
wirklich der Gesundheit dienen?<br />
Udo Pollmer:<br />
Welche Wirkung eine Substanz entfaltet,<br />
hängt auch davon ab, wer sie verzehrt.<br />
Was dem einen nützt, kann dem<br />
nächsten schon schaden und bewirkt<br />
beim Dritten rein gar nichts. Selbst<br />
wenn nachgewiesen ist, dass ein<br />
Zusatz beispielsweise den Cholesterinspiegel<br />
senkt, wissen wir nicht, ob<br />
damit auch tatsächlich das Herzinfarktrisiko<br />
abnimmt. Da Menschen<br />
mit hohem Cholesterinspiegel seltener<br />
an Infektionen erkranken, wäre auch<br />
zu prüfen, ob durch weniger Zusatz<br />
die Infektanfälligkeit steigt.<br />
sind zugesetzte Vitamine und Mineralstoffe<br />
zu finden.<br />
„Aber solche pflanzlichen und tierischen<br />
Wohltäter gibt es auch in der<br />
Natur“, sagt Silke Schwartau, Ernährungsfachfrau<br />
der Verbraucherzentrale<br />
Hamburg. Und in der traditionellen<br />
Form, vom Obst bis zum Fisch,<br />
seien diese auch viel günstiger.<br />
Der Konsument sollte wieder lernen, in<br />
welchem Gemüse, welchem Obst<br />
oder Fisch die gesunden Substanzen<br />
in ausreichender Menge schlummern.<br />
Nicht allein der schnelle Griff ins Kühlregal,<br />
sondern ein überlegter Einkauf<br />
von Rohwaren und deren fachgerechte<br />
Zubereitung ist nach wie vor ein<br />
guter Weg für eine bewusste und<br />
gesunde Ernährung.<br />
<strong>explore</strong>: INTERVIEW<br />
Udo Pollmer, Wissenschaftlicher Leiter des Europäischen<br />
Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften<br />
e.V.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Sind diese gesundheitsfördernden<br />
Substanzen nicht über „klassische“<br />
Nahrung verfügbar?<br />
Udo Pollmer:<br />
In aller Regel schon, aber häufig nicht<br />
in der Dosis.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Können funktionelle Lebensmittel auch<br />
der Gesundheit schaden?<br />
Udo Pollmer:<br />
Natürlich. Aber auch das hängt vom<br />
Einzelfall und der Dosis ab. So erhöhten<br />
beispielsweise beta-Carotinpillen<br />
die Lungenkrebsrate bei Rauchern.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Greifen Sie selbst schon mal zu<br />
Probiotika-Produkten, „Wellness“-Getränken<br />
oder Vitamin-Süßigkeiten?<br />
Udo Pollmer:<br />
Nein. Mein Tipp: Essen Sie nichts, was<br />
Ihnen nicht bekommt, und sei es noch<br />
so gesund.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Funktionelle Lebensmittel:<br />
Ein Milliardenmarkt<br />
Wieviel Produkte mit Nahrungsmittelergänzungen<br />
essen wir bereits?<br />
Weltweit sehen Analysten für funktionelle<br />
Lebensmittel ein immenses Wachstumspotenzial.<br />
Bereits in den nächsten Jahren<br />
könnten Umsätze von 230 Milliarden US<br />
Dollar erzielt werden. Am verbreitetsten sind<br />
die Ergänzungen zu klassischen Nahrungsmitteln<br />
in den USA und in Japan.<br />
In Deutschland liegt das Umsatzvolumen bei<br />
rund einer Milliarde Euro. Tendenz steigend.<br />
Wie in allen anderen EU-Ländern gründet sich<br />
dieser Trend vor allem auf Milchprodukte mit<br />
einem Zweidrittel-Anteil am „Functional<br />
Food“-Markt. Von zentraler Bedeutung sind<br />
hier probiotische Joghurtkulturen. Doch mit<br />
anderen Zusätzen wie beispielsweise Omega-<br />
3-Fettsäuren und speziellen Ballaststoffen<br />
könnte der Anteil bei Brotwaren oder<br />
Frühstücksflocken steigen.<br />
Insgesamt wird das Marktpotenzial hierzulande<br />
auf bis zu sechs Milliarden Euro geschätzt,<br />
was einem Anteil von fünf bis zehn Prozent<br />
des Nahrungsmittelvolumens insgesamt entsprechen<br />
würde.<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Functional Food“ von Richard Fuchs, Verlag<br />
Gesundheit, 1999, ISBN: 3333010518,<br />
208 Seiten, etwa 15 Euro<br />
„Funktionelle Lebensmittel. Gesünder essen<br />
mit probiotischem Joghurt und Pflanzenzusätzen?“<br />
von Stephanie Wetzel und Ileana<br />
von Puttkamer, Verbraucherzentrale Bundesverband,<br />
2005, ISBN: 3936350485,<br />
76 Seiten, 5,80 Euro<br />
„Esst endlich normal“ von Udo Pollmer, Piper,<br />
2005, 304 Seiten, ISBN: 3492047912,<br />
14 Euro<br />
LINKS:<br />
Kompetenzzentrum Functional Food an der<br />
Universität Hannover:<br />
www.functional-food.org<br />
Deutsche Gesellschaft für Ernährung, DGE:<br />
www.dge.de<br />
Europäisches Informationszentrum für<br />
Lebensmittel: www.eufic.org<br />
Europäisches Institut für Lebensmittel- und<br />
Ernährungswissenschaften e.V.:<br />
www.das-eule.de<br />
International Life Sciences Institute:<br />
www.ilsi.org<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 13
MENSCH Biochemie des Kochens und der Gewürze<br />
Biochemie<br />
des<br />
Kochens<br />
und der<br />
Gewürze<br />
Von Dr. Heiner Wolfes<br />
Bewusster Umgang mit Lebensmitteln ist ein Teil<br />
von „Wellness“. Durch jahrhundertelange<br />
Erfahrung entwickelten sich in unterschiedlich<br />
heißen Zonen Gerichte, die eine optimale<br />
Ernährung garantieren. Dabei war die Fähigkeit,<br />
mit Feuer umzugehen, Voraussetzung für die<br />
Entwicklung einer der bedeutendsten Kulturtechniken<br />
des Menschen: das Kochen. Das<br />
Erhitzen von Speisen bringt viele Vorteile mit<br />
sich: Krankheitserreger werden getötet,<br />
Nahrungsmittel werden in ihrer Struktur verändert<br />
und leichter verdaulich. Es finden physikalische<br />
und chemische Prozesse statt, die vor<br />
allem geschmackliche Merkmale verändern.<br />
Chemische Reaktionen aufgrund des Erhitzens<br />
von Speisen erzeugen neue, als angenehm empfundene<br />
Geruchsstoffe.<br />
14 - <strong>explore</strong>: 1/2006
Biochemie des Kochens und der Gewürze MENSCH<br />
Beim Kochen werden Gewürze<br />
verwendet, die bei der<br />
Zubereitung von Speisen<br />
als Genussmittel Wohl-<br />
Dill<br />
geschmack und Aroma verbessern.<br />
Ursprünglich wurden<br />
Gewürze als Heilmittel verwendet,<br />
weil ihre Inhaltstoffe pharmakologische<br />
Wirkungen zeigen. Gewürze enthalten<br />
natürliche, physiologisch wirksame<br />
Substanzen; sie verbessern<br />
die Verdauung der mit ihnen<br />
gekochten Gerichte und haben gesundheitsfördernde<br />
Wirkungen. Der Genuss eines Gerichts setzt sich<br />
aus mehreren Sinneseindrücken zusammen: Als<br />
erstes spielen der optische Eindruck und die<br />
Textur der zerkauten Speise eine wichtige<br />
Rolle bei der Beurteilung des Essens.<br />
Die Wahrnehmung des Geschmacks<br />
kombiniert die Empfindungen von Zunge<br />
und Nase.<br />
Die Inhaltsstoffe der Gewürze spielen eine<br />
wesentliche Rolle für den Geschmack eines<br />
Gerichts, obwohl sie selten einen<br />
Zwiebel<br />
Nährwert besitzen. Dabei spielen chemische<br />
Unterschiede der wirksamen Gewürzsubstanzen<br />
eine wichtige Rolle: So wird<br />
beispielsweise Kohlgerichten oft Kümmel<br />
beigefügt, weil das Carvon im Kümmelöl<br />
Blähungen infolge der schwefelhaltigen<br />
Speise vorbeugt.<br />
Pfefferminzöl ist<br />
trotz der gleichen chemischen<br />
Formel räumlich spie-<br />
gelbildlich aufgebaut und schmeckt ganz<br />
anders: Der typische Pfefferminzgeschmack<br />
wirkt kühlend und antibakteriell.<br />
Pfefferminze<br />
Lorbeer<br />
Kochrezepte haben sich aus den regional verfügbaren<br />
Zutaten entwickelt, die mit den vorhandenen Ge-<br />
würzen kombiniert werden konnten, um<br />
einen optimalen Geschmack zu erzeugen.<br />
Letztendlich können aber<br />
alle diese Kochvorschriften<br />
auf biochemische<br />
Begründungen zurückgeführt<br />
werden:<br />
Gemüse wird in Salzwasser<br />
gekocht, da der Salz-<br />
zusatz verhindert, dass die im Gemüse vorhandenen<br />
Mineralien durch Osmose diffundieren und das<br />
Gemüse an Geschmack verliert. Fisch wird mit Zitronen<br />
serviert, weil die Eiweiße der Fische leicht in Amine zerfallen,<br />
die den typischen Fischgeruch erzeugen. Wenn<br />
Fisch mit Zitronensäure beträufelt wird, reagiert die<br />
Säure mit den basischen Aminen zu geruchlosen<br />
Salzen.<br />
In den heißen Zonen der Erde wird<br />
Knoblauch verwendet, weil das Allicin der<br />
Lauchpflanze gegen Bakterien wirkt, die<br />
Gefahr der mikrobiellen Zersetzung wird<br />
herabgesetzt. Knoblauch wird insbesondere<br />
in der mediterranen Küche,<br />
zum Beispiel beim Pesto, verwendet,<br />
wobei die Vitamin-C-reichen<br />
Blätter von Petersilie und Basilikum<br />
mit Olivenöl zu einer gesunden<br />
Nudelsauce verrieben werden.<br />
Die Gewürze tropischer Länder sind traditionelle<br />
Konservierungsmittel, die vor Lebensmittelvergiftungen<br />
schützen. So enthält Chili das<br />
Capsaicin, das die Vermehrung von Keimen<br />
hemmt. Aus dem Wissen über die Wirkung von<br />
Gewürzen ist die Phytopharmakologie entstanden,<br />
eine Wissenschaft, die sich mit der therapeutischen<br />
Wirkung von Pflanzen beschäftigt.<br />
Kochen mit Gewürzen ist sicher keine<br />
Wissenschaft, aber jeder Schritt beim<br />
Kochen ist wissenschaftlich zu begründen.<br />
Petersilie Wacholder Thymian Schnittlauch Pfeffer<br />
Petersilie, Wacholder, Thymian, Schnittlauch und Pfeffer sind vielverwendete Gewürze. Die Geschmackskomponente der Gewürze wird beim Menschen<br />
von zwei Organen erfasst: Die Nase kann Hunderte von Gerüchen erfassen, diese Gerüche werden im Gehirn mit den nur fünf Geschmacksempfindungen<br />
der Zunge (süß, sauer, salzig, bitter und umami [japanisch für fleischiges]) kombiniert und abgespeichert. Geschmack ist also eine Kombination der Sensorik<br />
der Zunge und des Geruchsinns. Jeder weiß, dass man bei Erkältung ein Gericht nicht genießen kann, weil der Geruch fehlt.<br />
Zitrone<br />
Oregano<br />
Rosmarin<br />
Chili<br />
<strong>explore</strong> 1/2006 - 15
16 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
MENSCH Biochemie des Kochens und der Gewürze<br />
GEWÜRZ ANWENDUNG INHALTSSTOFFE WIRKUNG<br />
BASILIKUM<br />
CHILI<br />
DILL<br />
KNOBLAUCH<br />
LORBEER<br />
MUSKAT<br />
NELKEN<br />
OREGANO<br />
PETERSILIE<br />
PFEFFER<br />
PFEFFERMINZE<br />
ROSMARIN<br />
SAFRAN<br />
SCHNITTLAUCH<br />
THYMIAN<br />
WACHOLDER<br />
ZITRONE<br />
ZWIEBEL<br />
südländische Speisen<br />
scharfe Gerichte<br />
Fischgerichte<br />
südländische Speisen<br />
Fleisch- und Fischgerichte<br />
Kohlgerichte, Wurst, Saucen<br />
Marinaden, Tunken, Lebkuchen<br />
südländische Speisen<br />
deutsches Universalgewürz<br />
deutsches Universalgewürz<br />
Gewürzstoffmischungen,<br />
Fleischgerichte<br />
südländische Speisen<br />
Suppen, Fischgerichte<br />
grünes Gewürz für bereits<br />
gekochte Speisen<br />
südländische Speisen<br />
Braten, fette Speisen<br />
deutsches Universalgewürz<br />
Basisgewürz für Suppen, Braten<br />
<strong>explore</strong>: KLEINES GEWÜRZLEXIKON<br />
ätherische Öle<br />
Capsaicin, Vitamin C<br />
ätherische Öle<br />
Allicin, Enzyme, Vitamine<br />
Bitterstoffe, ätherische Öle<br />
Muskatsäure, ätherische Öle<br />
Eugenol<br />
Bitterstoffe, ätherische Öle<br />
Vitamin C, Apiol<br />
ätherische Öle, Piperin<br />
Menthol, Gerbstoffe, Bitterstoffe<br />
Cineol, Borneol, Gerbstoffe<br />
Picrocrocin, Safranöl<br />
Vitamin C, Carotin, Mineralstoffe<br />
Cymol, Thymol<br />
Juniperin, Invertzucker<br />
Vitamin C, Zitronensäure<br />
ätherische Öle, Panthensäure<br />
verdauungsfördernd, krampflösend<br />
antibakteriell<br />
appetitanregend, harntreibend, gegen<br />
Blähungen<br />
magenfördernd, antibakteriell,<br />
blutdrucksenkend<br />
appetitanregend, verdauungsfördernd<br />
verdauungsfördernd<br />
verdauungsfördernd, appetitanregend<br />
appetitanregend, verdauungsfördernd<br />
appetitanregend, verdauungsfördernd,<br />
harntreibend<br />
magenstärkend, reguliert Herztätigkeit<br />
krampflösend, galletreibend, gegen<br />
Blähungen<br />
nervenstärkend, appetitanregend,<br />
krampflösend<br />
appetitanregend<br />
appetitanregend, blutdrucksenkend<br />
antiseptisch, gegen Blähungen, harntreibend<br />
harntreibend, verbesserte Blutzirkulation<br />
appetitanregend, bindet Fischgeruch<br />
nervenberuhigend, verdauungsfördernd,<br />
gegen Erkältungen<br />
Die Entstehung von Brat- und Kocharomen<br />
Im vergangenen Jahrhundert entdeckte der französische Chemiker Maillard, dass die typischen Brat- und Kocharomen durch Reaktionen von Aminosäuren<br />
und Zuckern entstehen. Erhitzt man im Reagenzglas die Aminosäure Cystein mit Traubenzucker, so entsteht der Geruch nach gebratenem Fleisch.<br />
Erhitzt man länger, stellt sich der Geruch nach Zwiebeln ein. Cystein ist ein Bestandteil der Eiweiße, die im Fleisch vorkommen. Je höher die Temperatur<br />
bei diesen Umsetzungen liegt, desto mehr gesundheitsschädliche Stoffe werden gebildet: Dabei kann auch das Nervengift Acrylamid entstehen.<br />
Rezept Lammkeule – acrylamidarm gebraten<br />
Zu hohe Temperaturen beim Braten fördern die Entstehung von Acrylamid. Einen acrylamidarmen Braten kann man nach diesem Rezept bereiten: Eine<br />
Lammkeule (1,5-2 kg) wird mit Küchenpapier trockengerieben und mit einer Paste aus 1 TL Thymian, 1 TL provenzalischer Kräuter, 2 gehackten<br />
Knoblauchzehen, Pfeffer, Salz und Olivenöl bestrichen. Die Keule wird im Umluftofen acht Stunden bei 85°C gebraten. Nach sechs Stunden nimmt man<br />
den Deckel des Bräters ab und übergießt das Fleisch mit dem ausgetretenen Saft. Zwei Stunden später kann das Fleisch aus dem Ofen genommen<br />
und aufgetragen werden. Es ist unglaublich zart mit einem südländischen Aroma. Ein großer Vorteil dieser Garmethode ist der Zeitfaktor, denn es spielt<br />
kaum eine Rolle, ob der Braten nach 7, 8 oder 9 Stunden aufgetragen wird, das Ergebnis ist immer optimal. Voraussetzung ist aber, dass die<br />
Zubereitungstemperatur von 85°C exakt eingehalten wird.
Zwischen 70-Stunden-Woche, Freizeitstress und Langeweile GLOBAL<br />
Zwischen 70-Stunden-Woche,<br />
Freizeitstress und Langeweile<br />
Von Almut Bruschke-Reimer<br />
Noch nie verfügten die Menschen in westlichen Industrieländern über so viel Freizeit und Urlaub wie<br />
heute. Doch es ist paradox: Die Klagen der Berufstätigen über Zeitnot nehmen ständig zu. Rentner<br />
und Arbeitslose haben andere Sorgen: Ein Zuviel an Freizeit macht nicht glücklich, sondern kann<br />
erdrückend sein. Ist es in Deutschland mit dem „kollektiven Freizeitpark“, wie Helmut Kohl die<br />
Bundesrepublik 1993 bezeichnete, womöglich gar nicht so weit her?<br />
Zeit: ein knappes Gut<br />
„Ich weiß nicht, wo die Zeit bleibt“,<br />
stöhnt Christine K. Die 34-Jährige<br />
arbeitet halbtags im Büro. Ihr Mann<br />
Wolfgang profitiert in seiner Firma von<br />
der 35-Stunden-Woche. Dank moderner<br />
„Zeitsparmaschinen“ wie Spül-<br />
maschine, Mikrowelle und Tiefkühltruhe<br />
haben Christine und Wolfgang<br />
ihren Haushalt gut im Griff. Echte<br />
Muße ist für sie jedoch ein Fremdwort,<br />
denn private Verpflichtungen und<br />
Termine halten die beiden ständig auf<br />
Trab. Da ist das Theaterabonnement,<br />
die Mitgliederversammlung des Musikvereins,<br />
die Essenseinladung für<br />
Geschäftsfreunde, die Kunstausstellung<br />
oder ein Kurztrip mit den<br />
Kegelbrüdern nach Paris.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 17
Für viele Menschen normaler Alltag:<br />
Schlangestehen am Flughafen, während die<br />
Zeit davon läuft.<br />
„Das Arbeiten ist meinem Gefühl<br />
nach dem Menschen so gut ein<br />
Bedürfnis als Essen und Schlafen“,<br />
Wilhelm von Humboldt (1767-1835), deutscher<br />
Gelehrter und Staatsmann.<br />
Christine und Wolfgang sind typisch<br />
für viele Deutsche. Zwar ist in den vergangenen<br />
100 Jahren die Arbeitszeit<br />
dramatisch gesunken. Statt wie unsere<br />
Urgroßväter von Montag bis Sonnabend<br />
16 Stunden täglich in der Fabrik<br />
oder auf dem Feld zu schuften, lassen<br />
viele nach sieben bis acht Stunden<br />
den Bleistift fallen oder die Maschinen<br />
stehen und eilen nach Hause. Auch<br />
freitags gönnen sich die meisten einen<br />
frühen Start ins Wochenende. Noch<br />
um das Jahr 1850 waren, nach Abzug<br />
der Schlafenszeit, von den verbleibenden<br />
5.840 „wachen“ Jahresstunden<br />
3.920 Stunden allein mit Arbeit ausgefüllt.<br />
Alle anderen Dinge mussten die<br />
Menschen in den verbleibenden 1.920<br />
Stunden erledigen.<br />
„Der Mensch beschäftigt sich<br />
damit, sein Glück zu suchen, aber<br />
sein größtes Glück liegt darin, dass<br />
er beschäftigt ist“,<br />
Emile-Auguste Chartier (Alain) (1868-1951),<br />
französischer Philosoph und Essayist.<br />
Heute hat sich das Verhältnis von<br />
Arbeit zu Freizeit nahezu umgekehrt:<br />
Lediglich etwa 1.600 Arbeitsstunden<br />
sind geblieben. Zeit im Überfluss, sollte<br />
man meinen. Doch weit gefehlt.<br />
Tatsächlich hat die Zeit des reinen<br />
Ausruhens und Nichtstuns im Vergleich<br />
zu früher nur unwesentlich<br />
zugenommen, haben Forscher festgestellt.<br />
Menschen von heute quälen sich<br />
außerhalb ihrer Arbeitszeit mit Zeitkillern,<br />
die für unsere Vorfahren überhaupt<br />
kein Thema waren.<br />
Stundenlanges Stehen im Stau, endloses<br />
Brüten über der Steuererklärung,<br />
dröge Elternabende – die Liste der<br />
18 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
GLOBAL Zwischen 70-Stunden-Woche, Freizeitstress und Langeweile<br />
Ob auf dem Weg in den Urlaub oder zur Arbeit<br />
– Staus auf deutschen Straßen kosten Zeit<br />
und Nerven.<br />
Freizeitaktivitäten, die doch eigentlich<br />
gar keine freie Zeit sind, ist lang.<br />
Daneben plagt viele Deutsche offensichtlich<br />
die Angst, etwas zu versäumen,<br />
nicht überall dabei zu sein.<br />
„Glück liegt nicht darin, dass man<br />
tut, was man mag, sondern mag,<br />
was man tut“,<br />
Sir James Matthew Barrie (1860-1937), britischer<br />
Dramatiker und Buchautor von „Peter<br />
Pan“.<br />
Kein Wunder, dass manchen da die<br />
Puste ausgeht. Zeitwohlstand wird für<br />
viele zum Luxus, hat das Freizeitforschungsinstitut<br />
der British American<br />
Tobacco (BAT) in Hamburg herausgefunden.<br />
Nach einer BAT-Umfrage hat<br />
die Hälfte der Arbeiter, Angestellten<br />
und Beamten heute höchstens drei<br />
Stunden wirkliche Freizeit pro Tag. Der<br />
Trend zurück zur 40-Stunden-Woche<br />
und die wachsende Zahl von Selbstständigen<br />
und „Ich-AGs“ wird die persönliche<br />
Zeitnot noch verschärfen,<br />
befürchtet BAT-Freizeitforscher Horst<br />
Opaschowski. Abstriche am Freizeitprogramm<br />
sind programmiert. Schon<br />
heute klagen Freiberufler über 70-<br />
Stunden-Wochen. Urlaub ist für viele<br />
tabu.<br />
„Trägheit macht traurig“,<br />
Thomas von Aquin (1225-1274), Heiliger,<br />
Philosoph, Theologe und Kirchenlehrer.<br />
Schlimmer noch als Arbeits- oder<br />
Freizeitstress scheint jedoch das völlige<br />
Fehlen von Zeitdruck zu sein.<br />
Arbeitslose tun sich besonders schwer<br />
mit dem Überfluss an Zeit, nicht zuletzt<br />
weil das Geld für Freizeitvergnügungen<br />
fehlt. Auch so mancher Rentner sitzt<br />
stundenlang am Frühstückstisch und<br />
studiert die Zeitung bis ins Detail,<br />
damit ja die Zeit vergeht. Ein Leben<br />
ohne Tätigkeit und Ziel führt sehr bald<br />
in die Depression, dass wussten schon<br />
Zeit ist ein kostbares und knappes Gut. Daher<br />
fällt vielen Menschen Warten – ob an der Kasse<br />
am Supermarkt oder beim Arzt – schwer.<br />
die Bürger der Antike, schreibt<br />
Biophysiker Stefan Klein in seinem<br />
Buch „Die Glücksformel“. Fürs „Zeit-<br />
Schlaraffenland“ ist der Mensch anscheinend<br />
nicht gemacht. Sind Arbeitslose<br />
und Rentner also zur<br />
Hoffnungslosigkeit verdammt? Nein,<br />
sagt Horst Opaschowski, denn der<br />
Ausstieg aus dem Erwerbsleben<br />
müsse nicht den Ausstieg aus dem<br />
Arbeitsleben bedeuten. Es komme gar<br />
nicht so sehr darauf an, was man tue,<br />
um sich gut zu fühlen, weiß Stefan<br />
Klein. Hauptsache, man ist beschäftigt.<br />
Ob Tapezieren, Snowboard fahren,<br />
sich bei einem sozialen Projekt engagieren<br />
oder Holz hacken – jede Art<br />
Aktivität kann höchst befriedigend sein.<br />
Nur übertreiben sollte man nicht.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Freizeit im Wandel der Geschichte<br />
Freizeit bedeutet für uns heute das Gegenteil<br />
von Arbeitszeit. Jeder kann freie Stunden mehr<br />
oder weniger nach Lust und Laune gestalten.<br />
Das war jedoch nicht immer so. Für die<br />
Griechen in der Antike war Freizeit keine private<br />
Zeit, sondern der ernsthaften Beschäftigung<br />
mit Kultur, Musik und Politik vorbehalten. Nur<br />
freie Männer hatten darauf ein Anrecht. Sklaven<br />
verbrachten ihre wenigen Erholungsstunden<br />
meist bei Spielen und Festen. Bei den<br />
Römern war es ähnlich, zudem wurden<br />
Zirkusspiele als Freizeitvergnügen für die<br />
Massen populär. Freizeit im Mittelalter war vor<br />
allem durch das Christentum geprägt. Sechs<br />
Tage galt es zu arbeiten, am siebten Tag war<br />
religiöse Besinnung und Kräftesammeln für die<br />
kommende Woche angesagt. Nach der Reformation<br />
im 16. Jahrhundert entstand die<br />
protestantische Arbeitsethik: Arbeit galt als<br />
Pflicht und Dienst am Mitmenschen, Spiel und<br />
Spaß waren verpönt. Erst sehr spät, im Zuge<br />
der Industrialisierung verstand man unter<br />
Freizeit die Abwesenheit vom Arbeitsplatz.
Unser Netzwerk<br />
Verbindungen, die Kunden nutzen<br />
19 - <strong>explore</strong>: 1/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Mehr zu den mit gekennzeichneten<br />
Themen unter:<br />
www.tuev-nord.de/<strong>explore</strong><br />
IT-Grundschutz für<br />
Unternehmen<br />
Kontakt:<br />
Adrian Altrhein<br />
a.altrhein@tuvit.de<br />
0271 3378-195<br />
Der Schutz von Computern und<br />
Netzwerken gegen Bedrohungen<br />
wie Angriffe oder höhere Gewalt ist<br />
für Unternehmen von zentraler Bedeutung.<br />
PC-Arbeitsplätze, Server<br />
und Netzwerkkomponenten wie<br />
Router und Firewalls müssen so<br />
geschützt sein, dass sie für Berechtigte<br />
in vollem Umfang zur Verfügung<br />
stehen, aber eine versehentliche<br />
oder absichtliche unberechtigte<br />
Nutzung von außen oder innen<br />
praktisch ausschließen. Um das<br />
sicherzustellen benötigen Unternehmen<br />
und Behörden einen IT-<br />
Sicherheitsprozess. Als „Starter“<br />
zum Sicherheitsprozess bieten die<br />
Fachleute von <strong>TÜV</strong>iT eine umfassende<br />
Untersuchung auf Basis des<br />
IT-Grundschutzhandbuchs des<br />
Bundesamtes für Sicherheit in der<br />
Informationstechnik an. „Zum IT-<br />
Grundschutz gehören zum einen<br />
klassische IT-Sicherheitsthemen,<br />
wie eine gut konfigurierte Firewall,<br />
eindeutige Passwortvergabe- und<br />
Nutzungsrichtlinien sowie festgelegte<br />
Administratoren- und Benutzerrechte.<br />
Zum anderen steht der<br />
Faktor Mensch im Vordergrund“,<br />
sagt Adrian Altrhein von <strong>TÜV</strong>iT. Da<br />
zahlreiche Angriffe auf fehlendes<br />
Bewusstsein und Ausnutzung der<br />
menschlichen Schwächen setzen,<br />
prüft Altrhein zusammen mit seinen<br />
Kollegen sowohl die vorhandene IT-<br />
Landschaft auf Lücken und<br />
Schwachstellen, als auch die<br />
Organisation und das Management<br />
der IT-Sicherheit. „Wer eine Zertifizierung<br />
anstrebt, hat so bereits die<br />
erforderliche Basis geschaffen“,<br />
sagt Altrhein.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 20<br />
Kontakt:<br />
Vadim Gudoshnik<br />
info@tuev-dieks.com<br />
+380 562 3687-04<br />
Energieaudits steigern<br />
die Wertschöpfung<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Dieks, Ukraine<br />
Wenn in der Region um die ukrainische<br />
Stadt Dnepropetrowsk weniger<br />
Energie verbraucht wird als noch vor<br />
einigen Jahren, haben die Energieaudits<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Dieks einen<br />
Anteil daran, denn mit den Audits<br />
wurden und werden den Unternehmen<br />
in der Region Einsparpotenziale<br />
gezeigt. Die Kunden, vor allem die<br />
energieintensiven Chemieunternehmen,<br />
wissen das Know-how der<br />
Fachleute zu schätzen. Den Ablauf<br />
der Audits erklärt Vadim Gudoschnik,<br />
Geschäftsführer von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Dieks: „Zunächst betrachten wir den<br />
aktuellen Energieverbrauch.<br />
Besonderes Augenmerk wird dabei<br />
auf die Bewertung des Energieverlustes<br />
gelegt, denn hier gibt es das<br />
größte Potenzial. Abschließend geht<br />
es darum, aus der Bestandsaufnahme<br />
heraus Empfehlungen auszusprechen,<br />
um so zu Einsparungen zu<br />
kommen.“<br />
Für seine Kunden hält Gudoschnik<br />
zwei Angebote bereit: eine Expressüberprüfung<br />
und eine umfangreiche<br />
Begutachtung. Bei der Expressüberprüfung<br />
geht es im Wesentlichen um<br />
das Aufspüren ineffektiver Energienutzung.<br />
Bei der umfangreichen Begutachtung<br />
erhalten Kunden darüber<br />
hinaus einen von der staatlichen<br />
Energieüberwachungsbehörde genehmigten<br />
Energiepass sowie kurz- und<br />
mittelfristige Unterstützung bei der<br />
Umsetzung von Einsparprogrammen.<br />
Vadim Gudoschnik: „Wir freuen uns,<br />
dass wir durch unsere Energieaudits<br />
Produktionskosten verringern helfen,<br />
denn dadurch erhöhen die Unternehmen<br />
ihre Wertschöpfung und<br />
tragen so zur positiven Entwicklung<br />
des Landes bei.“<br />
Energie sparen helfen: Die Kunden, vor allem energieintensive Unternehmen in der<br />
Chemiebranche, wissen das Know-how der Fachleute von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Dieks zu schätzen.
Kontakt:<br />
Dr. Peter Morawietz<br />
pmorawietz@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-3301<br />
<strong>TÜV</strong> EUROSPA nimmt<br />
Kureinrichtungen in Europa<br />
unter die Lupe<br />
Ziel: Messbare Qualitätskriterien<br />
Wie lassen sich die Angebote von<br />
Kureinrichtungen angesichts großer<br />
Qualitäts- und Preisunterschiede<br />
innerhalb Europas vergleichen?<br />
Die Antwort heißt <strong>TÜV</strong> EUROSPA.<br />
Auf dieses Qualitätszeichen haben<br />
sich jetzt der Europäische Heilbäderverband,<br />
das Europäische Tourismus<br />
Institut, das SGS Institut Fresenius<br />
und <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Cert geeinigt. <strong>TÜV</strong><br />
EUROSPA steht für gemeinsame und<br />
unabhängig messbare Qualitätskriterien.<br />
„Unser Ziel ist es, für Endkunden<br />
ein transparentes System zu<br />
schaffen“, sagt Dr. Peter Morawietz<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Cert. So soll <strong>TÜV</strong><br />
EUROSPA im Gegensatz zu vielen<br />
nationalen Zeichen und Siegeln wie<br />
beispielsweise den nationalen Sterne-<br />
Kategorien bei Hotels zu einer europaweiten<br />
Transparenz und Vergleichbarkeit<br />
der kurmedizinischen Einrichtungen<br />
führen. Und zwar gleichermaßen<br />
für Verbraucher, Krankenversicherungen<br />
und Reiseveranstalter.<br />
Gleichzeitig erhalten die Kur- und<br />
Gesundheitseinrichtungen wertvolle<br />
Hinweise zur Optimierung ihrer<br />
Dienstleistungen.<br />
Hauptbestandteil der Zertifizierung ist<br />
ein Kriterienkatalog mit den Schwerpunkten<br />
„Wohlfühlqualität“ und/oder<br />
kurmedizinische Qualität. „Bei Zertifizierungen<br />
greifen wir auf unser internationales<br />
Netzwerk von Auditoren<br />
zurück. Unsere erfahrenen Auditoren<br />
begleiten Sie praxisbezogen auf Ihrem<br />
Weg zu einer effektiven und effizienten<br />
Zertifizierung“, so Dr. Peter Morawietz<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Cert.<br />
Kontakt:<br />
Nikolaus Petersen<br />
npetersen@<br />
tuev-nord.de<br />
030 201774-40<br />
Doppeltes Qualitätssiegel<br />
für Berliner Callcenter<br />
Hoher Standard für die Service-<br />
Branche<br />
Die Callcenter-Branche boomt.<br />
Bundesweit gibt es bereits 5.500<br />
Einrichtungen mit zusammen mehr als<br />
350.000 Mitarbeitern. Gleichzeitig<br />
steigen die Anforderungen an das<br />
Personal und die Qualität der Dienstleistungen.<br />
Speziell für Call- und<br />
Service-Center haben <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT und die Arbeitsgemeinschaft<br />
Berliner und Brandenburger Call<br />
Center (ABCC) mit ihren 39 Mitgliedern<br />
ein Qualitätssiegel entwickelt.<br />
Das neue Qualitätssiegel steht für<br />
einen hohen Standard bei Management,<br />
Personal und Ausstattung der<br />
Callcenter.<br />
Als erstes Unternehmen wurde jetzt<br />
die Agentur für Dialogmarketing (adm)<br />
in Berlin gleich zweifach ausgezeichnet:<br />
Neben dem Qualitätssiegel erhielt<br />
das Callcenter auch das Zertifikat<br />
nach DIN EN ISO 9001:2000. „Das<br />
Qualitätssiegel war für uns der Einstieg<br />
in ein prozessorientiertes<br />
Management-System; als branchenspezifisches<br />
Gütesiegel bestätigt es<br />
unsere Qualität durch eine unabhängige<br />
Stelle“, freut sich adm-Qualitätsmanagement-Beauftragte<br />
Ulrike Bart.<br />
„Die Zertifizierung unseres Qualitätsmanagement-Systems<br />
war zur<br />
Perfektion ein wichtiger, aber nicht<br />
mehr so großer Schritt.“<br />
Nikolaus Petersen, Leiter der<br />
Geschäftsstelle Berlin der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>Gruppe</strong>, begrüßt die Entscheidung<br />
der Berliner Agentur: „Der Weg von<br />
adm ist eine sehr empfehlenswerte<br />
Vorgehensweise zur kontinuierlichen<br />
Verbesserung der Qualität in Callcentern.<br />
Und er zeigt, dass sich die<br />
junge Branche Qualitätsanforderungen<br />
des Marktes erfolgreich stellt.“<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Ferenc Finszter<br />
finszter@tuevnord.hu<br />
+36 6-1 2055881<br />
Erfolgreiche Kooperation<br />
mit Fahrzeugspezialisten<br />
in Ungarn<br />
Die Bilanz ist positiv, die hohen Ziele<br />
wurden erfüllt. „Wir haben in unserem<br />
Netzwerk hervorragende Arbeit<br />
geleistet“, sagt Ferenc Finszter,<br />
Projektleiter bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> KTI in<br />
Budapest. Gemeint ist das Engagement<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> KTI im Kompetenzzentrum<br />
für elektronische<br />
Fahrzeugsysteme und Fahrzeugführung<br />
an der Technischen und<br />
Wissenschaftlichen Universität<br />
Budapest, das auf ein Jahr erfolgreiche<br />
Arbeit zurückblicken kann.<br />
Wie andere Unternehmen aus dem<br />
Bereich Automotive hat auch <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> KTI der Universität Budapest<br />
Know-how zur Verfügung gestellt.<br />
Ziel ist es, der Universität die Anforderungen<br />
der Wirtschaft nahe zu<br />
bringen. Im Gegenzug kann sich die<br />
Industrie neuer wissenschaftlicher<br />
Erkenntnisse aus den Hochschulen<br />
bedienen. Besonders reizvoll aus<br />
Sicht von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> KTI: Das<br />
Kompetenzzentrum in Budapest ist<br />
in die nationale Gesetzgebung eingebunden.<br />
„Unsere Aufgabe ist es,<br />
Vorschriften und Normen für die<br />
Begutachtung und Typprüfung<br />
elektronischer Fahrzeugsysteme<br />
zu definieren. Und die müssen im<br />
Einklang mit internationalen Vorschriften<br />
und Standards stehen“,<br />
sagt Finszter. „Wir leisten mit unserem<br />
Know-how wertvolle Arbeit.<br />
Das betrifft Grundlagenforschung,<br />
anwendungsorientierte Forschung<br />
und Produktentwicklung gleichermaßen.“<br />
21 - <strong>explore</strong>: 1/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Wojciech Kozak<br />
katowice@<br />
tuv-nord.pl<br />
+38 3278101-91<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Polska bildet<br />
Ingenieure aus<br />
Die Zertifizierung von Produkten<br />
und Managementsystemen gehören<br />
zum typischen Angebot von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> Polska. Doch das Unternehmen<br />
engagiert sich auch stark<br />
in der Ausbildung, etwa mit Vorlesungen<br />
an der Technischen Hochschule<br />
Wroclaw, an der Universität<br />
Wroclaw und an der Technischen<br />
Hochschule in Czestochowa.<br />
Hier hält Wojciech Kozak seine<br />
Vorlesungen zu Themen rund um<br />
Qualitäts- und Umweltmanagement.<br />
„Anfangs wollten wir Studenten mit<br />
praktischen Aspekten des Qualitätsmanagements<br />
bekannt machen“,<br />
erläutert Kozak die Intention des<br />
Engagements von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Polska. Inzwischen ist daraus aber<br />
weit mehr geworden, denn zusammen<br />
mit der Ökonomischen Akademie<br />
Oskar Lange in Wroclaw<br />
bietet man ein Aufbaustudium zum<br />
Thema „Qualität im Unternehmen“<br />
an. „Wir freuen uns, dass wir mit<br />
unserer Kompetenz überzeugen<br />
können“, sagt Wojciech Kozak,<br />
„und dass wir unsere Erfahrung an<br />
angehende Ingenieure weitergeben<br />
können.“ Dafür gibt es ausreichend<br />
Gelegenheit: Bereits seit zwei<br />
Jahren gibt es ein zweites gemeinsames<br />
Projekt von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Polska und der Akademie in<br />
Breslau: „QM-Beauftragter,<br />
Manager, Auditor“. Und im vergangenen<br />
Jahr startete an der Fakultät<br />
für Transport der Schlesischen<br />
Technischen Hochschule in<br />
Katowice ein ähnliches Projekt zum<br />
Thema Qualitätsmanagement. <br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 22<br />
Kontakt:<br />
Andreas Elsenheimer<br />
aelsenheimer@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-4144<br />
Räder auf dem Prüfstand<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität nimmt<br />
Fallturm in Betrieb<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität investiert weiter<br />
in modernste Prüf- und Messtechnik:<br />
so hat das Institut für Fahrzeugtechnik<br />
und Mobilität (IFM) von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Mobilität in Essen einen neuen<br />
Prüfstand, einen so genannten<br />
Fallturm, in Betrieb genommen. Mit<br />
dem Fallturm können die Fahrzeughersteller<br />
den Schwellentest für die<br />
Räder von der Straße ins Labor verlegen.<br />
Beim Schwellentest werden die<br />
Räder durch Missbrauch absichtlich<br />
geschädigt. Um die Verformung der<br />
Räder zu erfassen, werden sie vor<br />
und nach der Prüfung dreiaxial gescannt.<br />
„Um Korrelationsmessungen<br />
vornehmen zu können, besteht auch<br />
die Möglichkeit, bei der Prüfung die<br />
serienmäßige Radaufhängung zu verwenden“,<br />
erläutert Andreas Elsenheimer<br />
vom IFM. Das dreidimensionale<br />
Messverfahren und die während<br />
der Prüfung gesammelten Daten zu<br />
Kraft, Beschleunigung und Verformung<br />
der Räder sind entscheidend<br />
für die Baumusterfreigaben. <br />
Aufwändiger Test von Rädern: <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität in Essen bietet Fahrzeugherstellern Prüfung<br />
am Fallturm.
Energie-Tagung<br />
Kraftwerks-Forum in<br />
Brandenburg ein Erfolg<br />
Kontakt:<br />
Dr. Gerhard Dreier<br />
gdreier@tuev-nord.de<br />
040 8557-2262<br />
Mit 118 Teilnehmern war das zweite<br />
Brandenburgische Kraftwerks-Forum<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong>, IHK Cottbus und ETI<br />
Brandenburg luden zum Kraftwerks-Forum ein.<br />
in Lübben (Spreewald) ein großer<br />
Erfolg. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung<br />
von der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>Gruppe</strong> in Kooperation mit der<br />
Industrie- und Handelskammer<br />
Cottbus und der Brandenburgischen<br />
Energie-Technologie Initiative.<br />
Die Vorträge spannten einen weiten<br />
Bogen: Reinhardt Hassa, Vorstand<br />
Kraftwerke Vattenfall Europe Generation,<br />
bekannte sich zum Energiestandort<br />
Deutschland und berichtete<br />
über neue Kraftwerke auf Basis fossiler<br />
Energieträger. Dr. Gerhard Dreier<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Industrieberatung<br />
stellte die Möglichkeiten und die<br />
Komplexität des Handels mit CO 2 -<br />
Emissions-Zertifikaten dar. Er regte<br />
die Unternehmen an, ein Emissionshandelsmanagement<br />
einzurichten und<br />
verwies dabei auf die Kompetenz der<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> in diesem<br />
Geschäftsfeld. Professor Udo Hellwig<br />
von ERK Eckrohrkessel, Berlin,<br />
berichtete über Optimierungspotenziale<br />
bei Verbrennungsanlagen zur<br />
thermischen Abfallverwertung. Im<br />
Anschluss an die Tagung besichtigten<br />
die Teilnehmer eine hochmoderne<br />
mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage<br />
des kommunalen<br />
Abfallverbands Niederlausitz.<br />
Dessen Vorstandsvorsitzender Rolf<br />
Friedrich führte die Umwandlung von<br />
Hausmüll zu Brennstoff-Pellets in der<br />
Praxis vor: Immerhin 50 Prozent der<br />
Siedlungsabfälle in der Region werden<br />
danach bereits in Ersatzbrennstoff<br />
umgewandelt.<br />
Die Tagungs-CD ist für 4,90 Euro<br />
erhältlich bei der Geschäftsstelle<br />
Berlin: berlin@tuev-nord.de. <br />
Kontakt:<br />
Dirk Giesing<br />
dgiesing@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-3255<br />
Vorab-Check für ein<br />
Facharztzentrum<br />
Wichtiger Beitrag zur Bauqualität<br />
Einen Vorab-Check wird das Facharzt-Zentrum<br />
Mersch in Lünen von<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Systems erhalten.<br />
„Bauvorschriften werden eingehalten,<br />
Baumängel haben keine<br />
Chance. So werden wir einen wichtigen<br />
Beitrag zur Kosten- und<br />
Terminsicherheit sowie zur Bauqualität<br />
leisten“, sagt Dirk Giesing,<br />
dessen Team während der gesamten<br />
Bauphase für das baubegleitende<br />
Qualitätscontrolling sorgt.<br />
Insgesamt drei Bausteine umfasst<br />
der Auftrag an <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Systems:<br />
Das baubegleitende Qualitätscontrolling,<br />
Schall- und Wärmeschutznachweise<br />
sowie die Erstellung<br />
des Brandschutzkonzepts<br />
und dessen Umsetzung. Schon<br />
während der gesamten Planungsphase<br />
ist Dirk Giesing mit seinem<br />
Team eingebunden, und bis zur<br />
Endabnahme wird er immer wieder<br />
vor Ort auf der Baustelle sein.<br />
„Unsere Prüfungen während der<br />
Bauphase können Mängel schnell<br />
erkennen, Handwerker haben dann<br />
sofort die Chance zu korrigieren“,<br />
sagt Giesing. Daher rechne sich<br />
eine solche Maßnahme nicht nur für<br />
Bauherren, in diesem Fall den<br />
Bauverein zu Lünen, sondern auch<br />
für die ausführenden Firmen. 2007<br />
sollen die Ärzte in das neue Haus<br />
einziehen. <br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Stephan Kuß<br />
skuss@tuev-nord.de<br />
0201 825-2412<br />
Energiepass für Gebäude<br />
sorgt für Transparenz<br />
Wie hoch ist der Energiebedarf<br />
eines Gebäudes? Bislang musste<br />
man sich bei dieser Frage auf die<br />
Angaben des Verkäufers oder<br />
Vermieters verlassen. Jetzt soll sich<br />
das ändern. Als Folge der EU-<br />
Richtlinie „Gesamtenergieeffizienz<br />
von Gebäuden“ wird in Deutschland<br />
der Energiepass eingeführt. Mit seiner<br />
Hilfe kann man die zu erwartenden<br />
Energiekosten im Vergleich zu<br />
anderen Objekten bewerten.<br />
Damit wird die Entscheidung für<br />
Kauf oder Miete einer Wohnung<br />
oder eines Hauses erleichtert.<br />
Berücksichtigt wird beim Energiepass,<br />
der von der Deutschen<br />
Energie-Agentur entwickelt wurde,<br />
zunächst die thermische Charakteristik<br />
eines Hauses. Darüber hinaus<br />
werden auch Heizungsanlagen<br />
und Warmwasserversorgung,<br />
Klimaanlagen, Beleuchtung, Belüftung,<br />
passive Solarsysteme und<br />
Sonnenschutz sowie natürliche<br />
Belüftung und Innenraumklimabedingungen<br />
berücksichtigt.<br />
Um die EU-Richtlinie effizient umzusetzen,<br />
hat die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
ein maßgeschneidertes Dienstleistungsangebot<br />
erarbeitet.<br />
„Unsere Kunden entscheiden<br />
selbst, ob sie über den gesetzlich<br />
geforderten Umfang hinaus gleich<br />
auch über sinnvolle Maßnahmen<br />
zum Energiesparen informiert<br />
werden möchten“, erklärt Stephan<br />
Kuß, Branchenmanager Gebäudetechnik<br />
bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Systems.<br />
Das Unternehmen bietet auch weitere<br />
Leistungen an. Dazu zählen<br />
das Qualitätscontrolling am Bau,<br />
ganzheitliche Immobilienbewertungen<br />
sowie die Bewertung<br />
der Bausubstanz und möglicher<br />
Schadstoffquellen. <br />
23 - <strong>explore</strong>: 1/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Dr. Thomas Hahm<br />
thahm@tuev-nord.de<br />
040 8557-2193<br />
Kontakt:<br />
Axel Schulz<br />
aschulz@<br />
tuev-nord.de<br />
040 8557-2244<br />
Kraftwerke im dreidimensionalen<br />
Modell<br />
Sie sind gefragte Spezialisten, und<br />
die Betreiber von Kraftwerken können<br />
auf ihr Know-how nicht verzichten:<br />
Dr. Thomas Hahm und Axel<br />
Schulz von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> SysTec.<br />
„Detail Engineering“ lautet das<br />
Stichwort, mit dem der Strömungsfachmann<br />
Dr. Hahm und der Spezialist<br />
für die Berechnung von Bauteilen<br />
und Komponenten, Schulz,<br />
die Materialbeschaffenheit von<br />
Kraftwerksbauteilen unter die Lupe<br />
nehmen. Immer dann, wenn es<br />
durch Temperaturänderungen zu<br />
Spannungen, Verformungen oder<br />
gar Schäden in Bauteilen kommt,<br />
nutzen Dr. Hahm und Schulz ihr<br />
Fachwissen und vernetzen es.<br />
Dabei erstellen sie am Rechner<br />
komplexe dreidimensionale Modelle,<br />
aus denen sich Lösungen ergeben.<br />
„Bei älteren Anlagen gibt es immer<br />
viel Verbesserungspotenzial“, sagt<br />
Dr. Hahm. So treten beispielsweise<br />
Spannungen in Rohren auf, wenn<br />
die Betriebstemperatur erhöht<br />
wurde, um den Wirkungsgrad der<br />
Anlage zu steigern. Zu den Kunden<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> SysTec zählen die<br />
Betreiber konventioneller Kraftwerke<br />
ebenso wie die Hersteller von<br />
Brennstoffzellen. „Viele Ingenieure<br />
betrachten Strömungen und<br />
Spannungen im Material isoliert,<br />
treffen Annahmen, um so zu<br />
Ergebnissen zu kommen“, sagen<br />
die beiden Fachleute von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> SysTec. Doch das sei zu<br />
ungenau. Axel Schulz: „Wir können<br />
die Wechselwirkung direkt an unserem<br />
Modell ablesen, deshalb sind<br />
wir so erfolgreich.“<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 24<br />
Kontakt:<br />
Stephan Becker<br />
sbecker@<br />
tuev-nord.de<br />
040 8557-2010<br />
Uniklinik in Halle erhält<br />
Zertifikat von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT<br />
Qualitätsnorm DIN EN ISO<br />
9001:2000 erfüllt<br />
Das Zentrallabor des Klinikums der<br />
Medizinischen Fakultät der Martin-<br />
Luther-Universität in Halle erfüllt die<br />
Erfolgreich zertifiziert: Die Uniklinik Halle.<br />
Kriterien der Qualitätsnorm DIN EN<br />
ISO 9001:2000. Das hat <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT nach einem erfolgreichen Audit<br />
festgestellt. „Das Zertifikat bescheinigt<br />
uns eine qualitativ hochwertige Arbeit<br />
und bestätigt den maßgeblichen<br />
Beitrag unseres Zentrallabors zu der<br />
herausragenden Stellung der universitären<br />
Medizin“, sagte der Ärztliche<br />
Direktor des Universitätsklinikums,<br />
Professor Dr. Hans Gert Struck, anlässlich<br />
der Übergabe des Zertifikats.<br />
Durch die Standardisierung der<br />
Analysemethoden, eine klare Zuordnung<br />
von Aufgaben, eine sehr<br />
gute und moderne Geräteausstattung<br />
sowie eine ständige Weiterbildung<br />
des Personals erreiche man eine<br />
kontinuierliche Verbesserung in der<br />
Qualität, fügte die Leiterin des Zentrallabors,<br />
Dr. Annegret Heider, hinzu.<br />
Das Zentrallabor der Martin-Luther-<br />
Universität in Halle ist eines der größten<br />
Krankenhauslabore in Sachsen-<br />
Anhalt. Im vergangenen Jahr nahmen<br />
die 48 Mitarbeiter 2,8 Millionen<br />
Untersuchungen vor.<br />
Positiv: Klare Zuordnung von Aufgaben,<br />
moderne Geräte, Weiterbildung des<br />
Personals.<br />
Professor Dr. Hans Gert Struck, Direktor, und Dr. Annegret Heider, Leiterin Zentrallabor der<br />
Uniklinik Halle, freuen sich über das Zertifikat.
Kontakt:<br />
Ulrich Unger<br />
uunger@tuev-nord.de<br />
0511 986-1971<br />
Sicherheit für den Berufsalltag<br />
durch online-<br />
Potenzialanalyse<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie bietet<br />
Persönlichkeitsanalyse an<br />
IIn Kürze wird die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie<br />
eine aussagekräftige online-<br />
Potenzialanalyse für ihre Seminarteilnehmer<br />
anbieten. Interessierte haben<br />
die Möglichkeit, eine detaillierte<br />
Analyse ihrer persönlichen Stärken<br />
und Entwicklungspotenziale zu erhalten,<br />
um sich auf dieser Basis für die<br />
individuell richtigen Seminare zu entscheiden.<br />
„Ich bin mir sicher, dass<br />
dieses Tool gut angenommen werden<br />
wird“, sagt Ulrich Unger, Leiter der<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie in Hannover.<br />
Denn die Investition in Zeit und Geld<br />
für das Verfahren lohne sich auf jeden<br />
Fall, weil man das, was man schon<br />
beherrsche, nicht noch einmal lernen<br />
müsse.<br />
Mit dieser Potenzialanalyse habe jeder<br />
die Chance, sein eigenes Persönlichkeitsprofil<br />
festzustellen und gezielt an<br />
ihm zu arbeiten. „Das wird im Berufsalltag<br />
helfen, Sicherheit zu erlangen“,<br />
sagt Unger über das Verfahren, das<br />
auf das Angebot aus dem Bildungsblock<br />
„Unternehmensführung“ zugeschnitten<br />
ist; in diesem werden vor<br />
allem soft skills trainiert.<br />
Die Potenzialanalyse beruht auf einem<br />
von Professor Dr. Julius Kuhl von der<br />
Universität Osnabrück entwickelten<br />
scan-Verfahren, das speziell auf die<br />
Anforderungen an technische Führungskräfte<br />
zugeschnitten ist. Es werden<br />
die 20 Persönlichkeitsmerkmale,<br />
die für die Tätigkeit einer technischen<br />
Führungskraft erfolgskritisch sind,<br />
erfasst. Einige Tage nach dem halbstündigen<br />
online-Verfahren erhält der<br />
Teilnehmer eine detaillierte Auswertung<br />
per Mail, die sein Persönlichkeitsprofil<br />
dem einer erfolgreichen<br />
technischen Führungskraft gegenüberstellt.<br />
So werden auf einen Blick<br />
individuelle Stärken und Entwicklungspotenziale<br />
deutlich. <br />
Sicherheit auf<br />
Kinderspielplätzen<br />
Kontakt:<br />
Stephan Kuß<br />
skuss@tuev-nord.de<br />
0201 825-2412<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Systems will Gefahren<br />
vermeiden<br />
Auf Spielplätzen geht es immer hoch<br />
her. Kein Wunder, dass die Spielgeräte<br />
unter der ständigen Beanspruchung<br />
leiden. Regelmäßige, vom<br />
Gesetzgeber vorgeschriebene Kontrollen<br />
der Betriebs- und Verkehrssicherheit<br />
der Geräte sollen die Kinder<br />
vor Unfällen schützen. „Natürlich<br />
gehört Nervenkitzel zum Spielen auf<br />
Spielplätzen dazu, gerade auf<br />
Klettergeräten“, sagt Stephan Kuß,<br />
Branchenmanager Gebäudetechnik<br />
bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Systems. „Wir sind<br />
dafür da, um Gefahren durch mangelhafte<br />
Spielgerätesicherheit weitgehend<br />
auszuschließen.“ Regelmäßige<br />
Begehungen und Inspektionen der<br />
Plätze und Geräte sind laut Kuß<br />
schon deshalb notwendig, weil das<br />
Material unter der Witterung leidet.<br />
So sind Holz und Metall empfindlich<br />
gegen Nässe. Kunststoffe leiden in<br />
praller Sonne ebenso wie bei starkem<br />
Frost. Ein weiteres Problem ist der<br />
zunehmende Vandalismus.<br />
Branchenmanager Kuß empfiehlt<br />
daher, die in der europäischen Norm<br />
DIN EN 1176 „Spielplatzgeräte“<br />
genannten Prüffristen unbedingt einzuhalten.<br />
Dazu zählen wöchentliche<br />
Routine-Begehungen, Quartalsinspektionen<br />
sowie die jährliche Hauptinspektion.<br />
Kontrollen, auf die etwa<br />
die Wohnungsgesellschaft<br />
Nassauische Heimstätte in Frankfurt<br />
nicht verzichten möchte. „Als eine der<br />
größten Wohnungsgesellschaften in<br />
Deutschland ist es für uns eine<br />
Selbstverständlichkeit, den Kindern<br />
unserer mehr als 100.000 Mieter ein<br />
sicheres Umfeld zu bieten“, sagt<br />
Michael Mayer-Marczona, Fachbereichsleiter<br />
Außenanlagen der<br />
Gesellschaft und damit zuständig für<br />
die Spielplätze der etwa 43.500<br />
Wohnungen.<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Dr. Hans-Jürgen<br />
Beckmann<br />
jbeckmann@<br />
tuev-nord.de<br />
0511 986-1931<br />
Outdoor-Noise-Richtlinie:<br />
Standard gefordert<br />
Europa ist auf gutem Weg, sich auf<br />
einen Standard festzulegen, um<br />
Schallemissionen zu bewerten.<br />
Das war das Fazit des Vortrags von<br />
Dr. Hans-Jürgen Beckmann von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT das Unternehmen ist<br />
für diesen Bereich Europäische Benannte<br />
Stelle. Zwar gibt es bereits<br />
die so genannte Outdoor-Noise-<br />
Richtlinie, die sich mit 57 Arten von<br />
Geräten und Maschinen befasst, die<br />
für den Gebrauch im Freien vorgesehen<br />
sind. Als Voraussetzung für den<br />
freien Warenverkehr müssen Hersteller<br />
die CE-Konformitätserklärung<br />
abgeben und diese Produkte mit<br />
einem garantierten Schallleistungspegel<br />
kennzeichnen. Bei 22<br />
Maschinenarten muss der Schallleistungspegel<br />
darüber hinaus einen<br />
jeweils in der Richtlinie festgelegten<br />
Grenzwert einhalten. Diese wurden<br />
zum Jahreswechsel gesenkt. Bei der<br />
Schwierigkeit die neuen, um zwei bis<br />
drei dB reduzierten Grenzwerte einzuhalten,<br />
liegt das Problem. Doch<br />
die Methoden, den Schallleistungspegel<br />
zu berechnen, sind unterschiedlich.<br />
So könnten Berechnungen<br />
mit einer niedrigen Toleranz,<br />
so die Einschätzung von Dr. Hans-<br />
Jürgen Beckmann, zu Marketing-<br />
Zwecken benutzt werden, um so<br />
Vorteile gegenüber dem Wettbewerb<br />
herauszustellen, die aber unter Umständen<br />
gar nicht vorhanden seien.<br />
Dagegen bedeutet ein niedriger Wert<br />
aber auch, dass bei Kontrollmessungen<br />
unter Umständen eher Grenzwerte<br />
überschritten würden als bei<br />
einer hohen Toleranz, was eher problematisch<br />
für den Hersteller selbst<br />
wäre. <br />
25 - <strong>explore</strong>: 1/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 26<br />
Kontakt:<br />
Dr. Hermann Saalfeld<br />
hsaalfeld@<br />
tuev-nord.de<br />
0541 5823-193<br />
Umrüsten auf Gas bringt<br />
Vorteile<br />
Angesichts der hohen Preise für<br />
Benzin und Diesel wird Erdgas als<br />
Kraftstoff zunehmend attraktiver.<br />
Dazu kommt, dass die Umrüstung<br />
der Fahrzeuge auf Gas von den<br />
regionalen Energieversorgern gefördert<br />
wird. Allerdings macht beispielsweise<br />
der Versorger EWE eine<br />
Förderung davon abhängig, ob der<br />
Umrüstbetrieb von der Initiative<br />
Erdgas als Kraftstoff (IEK) zertifiziert<br />
ist. Angeboten wird den Kfz-Werkstätten<br />
eine solche Zertifizierung<br />
jetzt von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT. Die<br />
Kritierien für die Zertifizierung werden<br />
dabei von der IEK vorgegeben.<br />
„Gerade bei technischen Geräten<br />
spielt Vertrauen eine große Rolle“,<br />
sagt Dr. Hermann Saalfeld von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT. „Und da sind neue,<br />
schnelle und zuverlässig verfügbare<br />
Prüf- und Bewertungsverfahren<br />
ganz im Interesse der Sicherheit<br />
unserer Kunden.“<br />
MESSEN 2006 – Treffpunkt<br />
(Auszug aus dem Messekalender)<br />
CeBIT 2006<br />
9. bis 15. März, Messe Hannover, Halle: 7<br />
Hannover Messe 2006<br />
ENERGY-Alternative Energieformen<br />
24. bis 28. April, Messe Hannover, Halle: 13<br />
Kontakt:<br />
Christiane Steinkämper<br />
csteinkaemper@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-3337<br />
„O.K. für Kids“: Neues<br />
Gütesiegel für Unternehmen<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT zeichnet kinderfreundliche<br />
Unternehmen aus<br />
Mit dem Gütesiegel „O.K. für Kids“<br />
zeichnen der Deutsche Kinderschutzbund<br />
und <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT erstmalig<br />
in Deutschland kinderfreundliche<br />
Unternehmen aus. „Zertifizierte Einrichtungen<br />
wie Hotels und Gaststätten<br />
können künftig damit werben, dass<br />
Kinder bei ihnen willkommen sind“,<br />
sagt Christiane Steinkämper von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT. Voraussetzung für die<br />
Vergabe des Gütesiegels ist eine kinderfreundliche<br />
Infrastruktur. Die Kriterien,<br />
nach denen <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT<br />
die Einrichtungen zertifiziert, wurden<br />
vom Deutschen Kinderschutzbund<br />
unter Federführung des Landesverbandes<br />
Nordrhein-Westfalen entwickelt.<br />
Das neue Gütesiegel findet bereits<br />
großen Anklang. „Immer häufiger<br />
findet man unser Siegel in der Öffentlichkeit“,<br />
sagt Steinkämper. So wurde<br />
das Unternehmen Familotel mit dem<br />
„O.K. für Kids“-Siegel ausgezeichnet.<br />
ACHEMA 2006<br />
Internationaler Ausstellungskongress für Chemische<br />
Technik, Umweltschutz und Biotechnologie<br />
15. bis 19. Mai, Messe Frankfurt, Halle: 9.2 (2.OG.), Stand: F39<br />
WindEnergy 2006<br />
International Trade Fair Hamburg<br />
16. bis 19. Mai, Messe Hamburg<br />
ILA 2006<br />
Internationale Luft- und Raumfahrt-Ausstellung,<br />
Berlin-Brandenburg<br />
16. bis 21. Mai, Messe Berlin<br />
Bei der Vergabe des Gütesiegels kooperieren<br />
die Partner <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT und Deutscher Kinderschutzbund<br />
in idealer Weise: Beide Institutionen<br />
genießen einen hohen Bekanntheitsgrad,<br />
ein gutes Image und<br />
damit eine große Akzeptanz in der<br />
Öffentlichkeit. Der Kinderschutzbund<br />
gilt als „Kenner der Szene“ rund um<br />
die Themen Kinder und Familie; <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT gilt als erfahrener Zertifizierer<br />
von Organisationen, Prozessen<br />
und Produkten. <br />
Kontakt:<br />
Gerhard Roos<br />
luftverkehr@<br />
tuev-nord.de<br />
0531 391-9820<br />
Lufthansa Technical Training<br />
und <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie:<br />
Mehr Sicherheit in der Luftfahrt<br />
Lufthansa Technical Training und die<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie werden künftig<br />
gemeinsam Personal in Sachen Luftsicherheit<br />
und Luftfahrttechnik qualifizieren.<br />
So wird das einzigartige Fachwissen<br />
eines weltweit führenden<br />
Aviationkonzerns mit dem Know-how<br />
eines großen technischen Dienstleisters<br />
gebündelt. Während Lufthansa<br />
Technical Training sich auf den technischen<br />
Part spezialisiert, konzentriert<br />
sich die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie auf die<br />
Schulung von Sicherheitspersonal,<br />
Führungskräften und sonstigem Personal<br />
bei Unternehmen der Luftfahrt<br />
und Luftfracht sowie Zulieferer und<br />
angeschlossene Dienstleister. „Mit<br />
dieser Kooperation stärken wir unseren<br />
Schwerpunkt Aviation und setzen<br />
Zeichen in der Branche, indem wir<br />
unsere Kompetenzen und Erfahrungen<br />
gebündelt zur Verfügung stellen“,<br />
sagt Gerhard Roos vom Aviation<br />
Training Center der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Akademie<br />
in Braunschweig. Hintergrund<br />
der Kooperation sind die verschärften<br />
Sicherheitsanforderungen an Mensch<br />
und Technik, die sich aus den europäischen<br />
Anforderungen zum Erhalt<br />
des hohen Flugsicherheitsniveaus sowie<br />
der europäischen Verordnung für<br />
die Sicherheit in der Zivilluftfahrt und<br />
dem Luftsicherheitsgesetz ergeben.
Altern ohne Grenzen LEBEN<br />
Altern ohne Grenzen<br />
Von Prof. Dr. Thomas J. Schult<br />
Der Anteil der Alten steigt: Liegt das nur an der geringen Geburtenrate oder auch an höherer<br />
Lebenserwartung? Hat unsere Gesellschaft ihre maximale Lebensspanne eigentlich schon aus-<br />
geschöpft, oder werden dreistellige Geburtstage einmal zum Alltag gehören?<br />
Die vergangenen 150 Jahre haben<br />
den Industrieländern einen starken<br />
Anstieg der Lebenserwartung beschert:<br />
Wohlstand, Ernährung, Hygiene<br />
und Medizin sind die bestimmenden<br />
Faktoren dafür. Doch was<br />
genau den Prozess des Alterns beeinflusst,<br />
ist noch lange nicht genau<br />
erforscht. Der Wiener Medizinprofessor<br />
Siegfried Meryn zählte immerhin<br />
300 Theorien, die zurzeit diskutiert<br />
werden. Doch immer wieder geben<br />
Biologen oder Mediziner Grenzen für<br />
die durchschnittliche Lebenserwartung<br />
an, die Menschen angeblich<br />
nicht werden überschreiten können.<br />
Forscher vom Rostocker Max-Planck-<br />
Institut für demografische Forschung<br />
haben solche Prognosen aus den vergangenen<br />
80 Jahren systematisch<br />
untersucht und eine erstaunliche<br />
Entdeckung gemacht: Alle bis 1990<br />
getroffenen Vorhersagen stellten sich<br />
kurze Zeit später als falsch heraus,<br />
weil es immer ein Land gab, dessen<br />
weibliche Bevölkerung eine höhere<br />
Lebenserwartung erreichte. Im Schnitt<br />
dauerte es nur fünf Jahre von der<br />
Veröffentlichung einer scheinbaren<br />
Obergrenze der Lebenserwartung bis<br />
zur Falsifizierung.<br />
Die Entwicklung in den Industrieländern<br />
seit 1840 zeigt keineswegs,<br />
dass sich die Lebenserwartung einem<br />
Grenzwert annähert. Lebenserwartung<br />
definieren die Wissenschaftler dabei<br />
als die durchschnittliche Zahl von<br />
Jahren, die ein Neugeborenes leben<br />
wird, das in jeder Lebensphase den<br />
altersspezifischen Risiken ausgesetzt<br />
wäre, die zur Zeit seiner Geburt<br />
herrschten. „Diese Annahme hat Konsequenzen“,<br />
so der Rostocker Forscher<br />
Heiner Maier. „Wenn wir über<br />
Lebenserwartung im Jahr 2005 sprechen,<br />
dann ist das sowieso schon<br />
eine Unterschätzung, weil wir annehmen,<br />
dass die Lebensverhältnisse<br />
gleich bleiben.“<br />
Aber selbst bei dieser vorsichtigen<br />
Annahme entwickelt sich die Lebenserwartung<br />
einer Industrienation linear<br />
und steigt im langjährigen Mittel um<br />
rund drei Monate pro Jahr, was bei-<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 27
spielsweise auf Fortschritte in der<br />
Medizin zurückzuführen ist. Die kommen<br />
in der Regel allen Bewohnern zu<br />
Gute, nicht nur den Neugeborenen,<br />
sodass ein Deutscher pro Jahr zwar<br />
zwölf Monate älter wird, dafür aber drei<br />
Monate zusätzliche Lebenszeit geschenkt<br />
bekommt. Man könnte es<br />
auch so sehen: Eigentlich altert er nur<br />
neun Monate im Jahr.<br />
Der Anstieg der Lebenserwartung seit<br />
1970 ist dabei nicht vorrangig auf die<br />
verringerte Kindersterblichkeit zurückzuführen,<br />
wie der Rostocker<br />
Institutsleiter James W. Vaupel feststellt:<br />
„Demographische Analysen zeigen<br />
deutlich, dass der bei weitem<br />
wichtigste Faktor für die Zunahme der<br />
Hochbetagten der Rückgang der<br />
Sterblichkeit im hohen Alter jenseits<br />
des 80. Geburtstags ist.“ Die Sterberate<br />
im Alter erreicht dabei ein Plateau<br />
und steigt dann mit zunehmendem<br />
Alter nicht weiter an.<br />
Diese Entwicklung ist ein Indiz für die<br />
beruhigende Feststellung, dass auch<br />
die Zahl der im Großen und Ganzen<br />
gesunden Lebensjahre zunimmt, nicht<br />
nur die Zahl der Jahre, die wir als<br />
Pflegefall oder gar als Komapatient<br />
verbringen. Wenn heute ein Viertel der<br />
Achtzigjährigen von Alzheimer betroffen<br />
ist, dann dürfte dieser Anteil in den<br />
nächsten Jahrzehnten bei den dann<br />
Achtzigjährigen sinken.<br />
Neben der medizinischen Forschung<br />
bestimmen aber auch Faktoren die<br />
Lebenserwartung, die in der Verantwortung<br />
des Einzelnen liegen.<br />
„Rauchen, saufen, fressen, prügeln:<br />
Macho-Rituale kosten Lebensjahre“<br />
titelte die Zeitschrift „Ärztliche Praxis“<br />
und stellte fest, dass ein reicher<br />
Deutscher im Schnitt zehn Jahre länger<br />
lebt als sein armer Nachbar.<br />
Doch die Zeitspanne, in der wir leben,<br />
ergibt sich nicht nur aus den Verhältnissen,<br />
in denen wir leben. Vielfältige<br />
biologische Faktoren beeinflussen<br />
den Alterungsprozess. Wissenschaftler<br />
konnten in Tierversuchen<br />
etwa nachweisen, dass viele Lebewesen<br />
allein durch Kalorienreduktion<br />
deutlich länger leben. Oder dass sich<br />
die Lebenserwartung von Fadenwürmern<br />
allein durch Eingriffe in den<br />
28 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
Hormonhaushalt auf das Sechsfache<br />
steigern lässt. Nicht jede Anti-Aging-<br />
Maßnahme aus dem Tierreich lässt<br />
sich jedoch sinnvoll auf den Menschen<br />
übertragen: So können Fruchtfliegen,<br />
die im Kühlschrank gehalten werden,<br />
sechs Mal so alt werden wie ihre<br />
Artgenossen in freier Natur. Katzen<br />
und Hunde leben länger, wenn man sie<br />
kastriert.<br />
Die Wissenschaftler fassen das Altern<br />
also nicht bloß als Abnutzungsprozess<br />
auf, der sich bestenfalls ein wenig herauszögern<br />
lässt, sondern als kontrol-<br />
LEBEN Altern ohne Grenze<br />
Ob Ost, ob West: Die Lebenserwartung in Deutschland steigt linear. Seit der Wende gleicht sie<br />
sich in den beiden Teilen Deutschlands zudem an. (Quelle: Max-Planck-Institut für demografische<br />
Forschung)<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPPS:<br />
„Power Aging: Länger leben, später altern – jetzt handeln“ von Werner Krag, mvg Verlag,<br />
Okt. 2005, ISBN: 3636070746, 314 Seiten, 9,90 Euro<br />
„Leben bis 100“ von Siegfried Meryn, Ueberreuter Verlag, 2002, ISBN: 380003932X, 192 Seiten<br />
19,90 Euro<br />
„Länger und besser leben“ von Christophe de Jaeger, Oesch Verlag, Sept. 2004,<br />
ISBN: 303500028X, 143 Seiten, 14,90 Euro<br />
LINKS:<br />
Max-Planck-Institut für demografische Forschung: www.demogr.mpg.de<br />
Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung: www.berlin-institut.org<br />
Interview mit James Vaupel: www.zeit.de/2005/19/B-Vaupel<br />
liert steuerbaren Ablauf, wobei sie<br />
auch genetische Manipulationen erfolgreich<br />
einsetzen. Dies gibt Hoffnung,<br />
dass sich die Lebensspanne<br />
weiterhin linear verlängert – mit allen<br />
Folgen für unser Sozialsystem.<br />
Während das Statistische Bundesamt<br />
die Lebenserwartung der Deutschen<br />
im Jahre 2050 bei 86,6 Jahren sieht,<br />
sagen die Rostocker Forscher 94<br />
Jahre voraus. Dann dürften selbst<br />
regelmäßige Nullrunden bei der<br />
Rentenerhöhung den Generationenvertrag<br />
nicht mehr retten.
In ihren Schuhen gehn LEBEN<br />
In ihren Schuhen gehn<br />
Von Dörte Saße<br />
So ähnlich muss der Jungbrunnen wirken, jener uralte Menschheitstraum: Das Alter fällt wie eine<br />
schlechte Erinnerung von mir ab. Auf einen Schlag kann ich wieder gut hören. Meine Sicht ist<br />
nicht länger getrübt. Die Fingerspitzen haben wieder Gefühl, und die Gelenksteife und Muskel-<br />
schwäche des Alters werden mir auch wieder genommen. Ich bin wieder 40 Jahre jünger.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 29
Mit dem Ganzkörperanzug namens Age Explorer lässt sich nachfühlen,<br />
wie man mit 70 Jahren geht, sieht, hört und tastet.<br />
Doch dies ist ein Spiel mit der Illusion, ich habe nur einen<br />
speziellen Anzug wieder abgelegt. Für wirklich alte<br />
Menschen bleibt der Jungbrunnen bis auf Weiteres ein<br />
Traum. Bisher lässt sich das Altern des Körpers real nicht<br />
rückgängig machen – höchstens hinauszögern. Auf jeden<br />
Fall aber verändern sich mit den Jahren Organismus und<br />
zentrales Nervensystem, die Ärzte nennen es „sinkende<br />
Vitalkapazität“. Hier ein Zipperlein, da einen Tick langsamer,<br />
und Erkältungen werfen einen auch schneller um als früher.<br />
Weil die Jungen sich diese Auswirkungen kaum vorstellen<br />
können, kommt es nicht nur zu Unhöflichkeiten, wenn „die<br />
langsamen Alten“ an der Kasse gedrängelt und im eiligen<br />
Alltag nicht mehr richtig für voll genommen werden – es<br />
führt auch zu Fehlkonstruktionen: Wozu ein schicker Aufzug<br />
gegen das Treppensteigen, wenn die spiegelnden<br />
Knöpfe im Hochglanzpaneel quasi unsichtbar sind?<br />
Dagegen entwickelten die Saarbrücker Unternehmensberater<br />
Meyer-Hentschel eine Art „umgekehrten Jungbrunnen“,<br />
ganz nach dem englischen Motto: „Urteile nie<br />
über einen Menschen, bevor du nicht eine Meile in seinen<br />
Schuhen gelaufen bist!“ Der Ganzkörperanzug namens Age<br />
Explorer gibt allen Jüngeren das Gefühl, wie sich ihr Körper<br />
mit siebzig Jahren anfühlen dürfte. So lernt die Produktdesignerin,<br />
der Autokonstrukteur oder auch die Pflegekraft<br />
besser verstehen, was ihre Klienten brauchen. Und<br />
warum...<br />
Das fängt bei der Beweglichkeit an: Um die Knie und die<br />
Ellenbogen bekomme ich breite Klettbandagen, so dass ich<br />
die Gelenke gerade noch halb so weit biegen kann wie<br />
sonst. Im Overall selbst stecken Bleigewichte in kleinen<br />
Taschen an Beinen und Armen, welche die nachlassende<br />
Muskelkraft simulieren sollen. Schwächere Muskeln<br />
machen jede Bewegung anstrengender und alles zu<br />
30 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
LEBEN In ihren Schuhen gehn<br />
Besonders bei älteren Meschen hat die Verpackung einen starken<br />
Einfluss auf die Kaufentscheidung.<br />
Hebende schwerer. Kein Wunder, dass der Mensch im Alter<br />
verlangsamt.<br />
An die Hände kommen grobe Fingerhandschuhe, die nicht<br />
nur das feinmotorische Greifen einschränken – ein Hauch<br />
von Gicht in den Gelenken. Denn ihre Innenseite ist zudem<br />
mit pieksigem Innenfutter ausgelegt, das sich auf Druck<br />
leicht in die Haut gräbt: Dies sorgt für das stechend-prickelnde<br />
Gefühl, über das Senioren mit Arthritis oft klagen.<br />
Bei festem Händedruck bohren sich tausend feine Nadeln<br />
in die Haut, und selbst mag man die Dinge auch nicht zu<br />
fest anfassen.<br />
Doch das wahre Hindernis zur Umwelt bildet der Kopfputz<br />
des Age Explorer: Auf die Ohren gibt's Ohrenschützer, welche<br />
die hohen Frequenzen herausfiltern. Die Geräusche<br />
sind plötzlich dumpf, es fällt schwerer, die Stimme einzelner<br />
Menschen herauszufiltern – besonders, wenn sie ihr<br />
Gesicht abwenden. Und selbst mit Blick auf die Lippen fällt<br />
das Hören schwerer, denn die Montur schwächt natürlich<br />
auch meine Sehfähigkeit. Eine Weitsichtbrille vor den<br />
Augen, die im Alter schließlich meist nachlassen, darüber<br />
ein Visier mit gelber Scheibe, denn die Augenlinse trübt<br />
durch UV-Licht langsam gelblich ein. Kein Wunder, dass<br />
Opa viele Farbtöne nicht mehr gut unterscheiden kann.<br />
Da steh ich nun und versuche mich mit dem Einkaufen.<br />
Fahrtreppe fahren ist auch ohne Gelenksteife schwierig,<br />
denn das gelbliche Visier schränkt mein Gesichtsfeld ein.<br />
Seitlich sehe ich deutlich weniger, meine Füße nur, wenn ich<br />
direkt nach unten schaue. Ein Muss, um die richtige Stufe<br />
zu erwischen. Treppensteigen läuft besser, ist wegen der<br />
Gewichte aber anstrengender. Und treppab bitte nur mit<br />
Handlauf, die eingeschränkte Sicht macht wirklich unsicher.<br />
Zum Glück ist mein Hals noch beweglich genug.
In ihren Schuhen gehn LEBEN<br />
Die Sehfähigkeit ändert sich, wenn man älter wird: man sieht gelblicher<br />
und wird weitsichtig.<br />
Wie zu erwarten, macht mir kleine Schrift große Schwierigkeiten.<br />
Der Arm ist kaum lang genug für meine Weitsicht –<br />
und dann sind die Buchstaben zwar scharf, aber zu klein<br />
zum Lesen... Vielleicht doch nah ans Auge, mit Blinzeln und<br />
Kneifen den Text entziffern. Eine Oma-Lupe wäre mir lieb.<br />
Natürlich ist auch das lockere Blättern im Buchladen nicht<br />
mehr möglich. Einzelne Seiten zu erwischen ist mit den<br />
handschuh-steifen Fingern Glückssache. Ach, und die oberen<br />
Regale sind auch weiter weg: die Schulterpartie des<br />
Age Explorer ist so genäht, dass die Arme nicht mehr senkrecht<br />
nach oben kommen.<br />
Die EC-Karte in den Bankschlitz schieben und das<br />
Kleingeld in den Fahrkartenautomaten geht noch ganz gut.<br />
Stolz. Auch die Tasten sind gerade groß genug. Die dünne<br />
Fahrkarte aber schon wieder schwer zu ergreifen. An all<br />
diesen Geräten gibt es zudem Probleme, sobald die<br />
Scheiben stark spiegeln: Dazu der niedrige Schriftkontrast<br />
und der Gelbstich, und schon ist Raten angesagt.<br />
Zum Schluss die Königsdisziplin: moderne Technik. Das<br />
Handy braucht auf jeden Fall große Tasten und laute Töne.<br />
Und das Tippen am Computer, wenn ich denn die richtigen<br />
Tasten erwische, ist ein ständiges Auf und Ab des Kopfes<br />
zwischen Tastatur und Bildschirm. Wohl dem, der schon als<br />
junger Mensch Zehnfingerschreiben gelernt hat. Und natürlich<br />
klappt alles einigermaßen, was ich vorher schon kannte.<br />
Müsste ich neu die Computerbedienung lernen, bräuchte<br />
ich auf alle Fälle die Bildschirmeinstellung auf größte<br />
Buchstaben, dazu viel Zeit und gute Erklärungen. Meine<br />
Großmutter hat den Gebrauch einer Computermaus, wo<br />
die Bewegung auf dem Tisch zur Bewegung auf dem<br />
Bildschirm wird, von der Koordination und vom Kopf her<br />
einfach nicht begriffen.<br />
Die mit dem Alter zunehmenden Gelenkprobleme und Muskelschwächen<br />
machen jede Bewegung anstrengender und alles zu<br />
Hebende schwerer.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Derzeit sind von den 82 Millionen Einwohnern Deutschlands etwa ein<br />
Sechstel älter als 65 Jahre. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung und vor<br />
allem die Zahl der über 80-jährigen wird nach Prognosen deutlich steigen.<br />
Dabei stimmt es nicht, dass „immer älter“ gleichbedeutend ist mit<br />
„immer kränker“.<br />
Doch nachlassende Kraft, Beweglichkeit und Feinmotorik stellten<br />
besondere Anforderungen an kleine Helferchen, Alltagsprodukte und<br />
Wohnungseinrichtung. Deren Bedienungsfreundlichkeit schätzen aber<br />
auch immer mehr Nicht-Senioren.<br />
Das Spektrum reicht vom Tablettenspalter und Strumpfanzieher über<br />
nachtleuchtende Untersetzer und sprechende Personenwaagen bis hin<br />
zur Sitzbadewanne und dem Großtastentelefon mit klar verständlicher<br />
Menüstruktur. Einige Anbieter:<br />
http://www.senio.de<br />
http://www.senioren-onlineshop.de<br />
http://www.wohnungsanpassung-verbund.de<br />
Ein Schlüsselerlebnis, wenn<br />
man etwas älter wird: Einkaufen.<br />
Pro Carton, die<br />
Interessengemeinschaft der<br />
Karton- und Faltschachtelhersteller<br />
hat eine Studie herausgebracht,<br />
die die Wünsche<br />
und Bedürfnisse der Generation<br />
60+ an Verpackungen<br />
unter die Lupe nimmt. Mehr<br />
Infos unter www.procarton.de.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 31
Ein Mann im Ohr<br />
mit sechs Millionen Transistoren<br />
In Deutschland leben 15 Millionen Menschen mit<br />
Hörproblemen, doch nur 2,5 Millionen tragen ein Hörgerät.<br />
Um das Stigma der Behinderung zu umgehen, fahren die<br />
Hörgeräte-Hersteller zweigleisig: Entweder machen sie die<br />
Geräte, die entweder hinter dem Ohr oder im Gehörgang<br />
getragen werden, durch Design-Kunstgriffe zum Aufsehen<br />
erregenden Schmuckstück, oder die Geräte verschwinden<br />
miniaturisiert ganz im Ohr. In jedem Fall setzen sie auf<br />
Elektronik: Auf einem zehn Quadratmillimeter großen Chip<br />
des Schweizer Hörgeräte-Herstellers Phonak arbeiten<br />
sechs Millionen Transistoren.<br />
So wie das menschliche Ohr unterschiedliche Schallfrequenzen<br />
ganz unterschiedlich wahrnimmt, muss ein<br />
moderner Hörcomputer Schallwellen mit Hochleistungsprozessoren<br />
analysieren und nach dem Vorbild der Natur,<br />
dem bionischen Prinzip, individuell verstärken. Eingebaute<br />
Mikrofone im Hörgerät messen den Laufzeitunterschied<br />
eintreffender Schallwellen und errechnen daraus die<br />
Entfernung der Schallquelle. Dieser Schall wird dann gezielt<br />
verstärkt, der Rest wird unterdrückt und erreicht gar nicht<br />
erst das Trommelfell. Bestimmte Hörsituationen wie die<br />
klassische Cocktail-Party, auch für den gut Hörenden bisweilen<br />
eine akustische Qual, verlieren ihre Schrecken, weil<br />
ein Hörgeräte-Träger sich voll auf seinen Gesprächspartner<br />
konzentrieren und alles Störende ausblenden kann.<br />
Hörgeräte lassen sich so programmieren, dass sie bestimmte<br />
Hörsituationen wie Cocktail-Party, Maschinenproduktion<br />
oder Konzertsaal von selbst erkennen und das<br />
passende Hörprogramm auswählen. Der Hörcomputer entscheidet<br />
selbst, was störend ist und blendet diese<br />
Frequenzen aus. Auch Windgeräusche und Echos gehören<br />
der Vergangenheit an. Eine Fernbedienung sowie eine<br />
32 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
Von Martin Boeckh<br />
ZUKUNFT Ein Mann im Ohr<br />
Miniaturisierte Elektronik macht Hörgeräte zu<br />
programmierbaren Computern, die Störgeräusche<br />
selbstständig erkennen, miteinander<br />
kommunizieren und für eine nie da gewesene<br />
Lebensqualität sorgen.<br />
Im-Ohr- oder Hinter-dem-Ohr-Hörgeräte helfen dem Schwerhörigen, seine sozialen Kontakte aufrecht zu erhalten. Nur: Er muss sie auch tragen.<br />
Bluetooth-Anbindung an Mobiltelefone sind bei den heutigen<br />
Digital-Hörcomputern ebenso selbstverständlich wie<br />
die Kommunikation der Hörgeräte untereinander vom linken<br />
zum rechten Ohr und eine Datenspeicherung aller<br />
Patientendaten für die Anpassung beim Hörgeräte-<br />
Akustiker. Die Außenschalen werden aus hygienischen<br />
Gründen mit Nanopartikeln beschichtet oder individuell per<br />
Laser-Sintern an den Gehörgang angepasst.<br />
Hörgeräte sind dank Mikroelektronik zum wichtigsten<br />
Bindeglied eines Hörbehinderten zur Außenwelt geworden,<br />
der damit seine lebensnotwendigen, sozialen Kontakte aufrechterhalten<br />
kann.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Es gibt viele Möglichkeiten, die Qualität seines Gehörs zu testen. Unter<br />
der Telefonnummer 0180 5323754 kann man für 0,74 Euro bei der<br />
Fördergemeinschaft Gutes Hören (fgh) einen Gehörtest am Telefon vornehmen<br />
oder sich unter 0800 0112113 von einem HNO-Arzt oder unter<br />
0800 0112112 von einem Hörgeräteakustiker kostenlos beraten lassen.<br />
Die Fördergemeinschaft ist ein Zusammenschluss von Hörgeräteakustikern:<br />
www.fgh-besserhoeren.de<br />
LINKS<br />
Verband Forum Besser Hören, Zusammenschluss der 14 größten<br />
deutschen Hörgerätehersteller: www.forumbesserhoeren.de<br />
Deutscher Schwerhörigenbund e.V.: www.schwerhoerigkeit.de<br />
Deutsche Tinnitus-Liga e.V.: www.tinnitus-liga.de<br />
Weitere Portale zu Hörgeräten und Schwerhörigkeit:<br />
www.hoeren-heute.de, www.typolis.de , www.gehoerlose.de,<br />
www.taubenschlag.de
Ersatz-Organe aus dem Labor? ZUKUNFT<br />
Ersatz-Organe aus dem Labor?<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Die regenerative Medizin ist inzwischen<br />
in der Lage, Knochen, Haut<br />
oder auch Muskelgewebe außerhalb<br />
des Körpers zu züchten. Wird in<br />
Zukunft der Griff ins Gewebe-<br />
Ersatzteillager die Organverpflanzung<br />
ersetzen?<br />
Professor Augustinus Bader:<br />
Die regenerative Medizin kann die<br />
Transplantation nicht vollständig ersetzen,<br />
weil wir auf absehbare Zeit nicht<br />
in der Lage sein werden, Organe wie<br />
eine ganze Niere oder ein Herz zu<br />
züchten. Jedoch kann sie zum Beispiel<br />
Patienten helfen, die aufgrund des<br />
Mangels an Spenderorganen nur<br />
geringe Überlebenschancen haben.<br />
So lassen sich Organe regenerieren,<br />
bevor sie komplett versagen.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Haben Sie dazu ein Beispiel?<br />
Professor Augustinus Bader:<br />
Angenommen, zu uns käme ein<br />
Patient mit einem großen Lebertumor.<br />
Der Chirurg entfernt den Tumor und<br />
lässt nur wenige gesunde Zellen übrig.<br />
Ein Bioreaktor außerhalb des Körpers<br />
kann dann die Leberfunktion solange<br />
übernehmen, bis sich das Organ im<br />
Patienten selbst wieder regeneriert<br />
hat. So kann man eine Lebertrans-<br />
<strong>explore</strong>: INTERVIEW<br />
Regenerative Medizin will Menschen helfen, eine<br />
Fähigkeit wiederzuerlangen, die sie im Laufe der<br />
Evolution weitgehend verloren haben: Kranke und<br />
geschädigte Körperteile zu regenerieren, also nachwachsen<br />
zu lassen. <strong>explore</strong>:-Autor Dr. Erich Lederer<br />
sprach über die Möglichkeiten und Zukunftsaussichten<br />
solcher Techniken mit Professor Dr. Augustinus Bader,<br />
Professor für Zelltechniken und angewandte Stammzellbiologie<br />
an der Universität Leipzig.<br />
plantation vermeiden, die für den<br />
Patienten risikoreich und auch danach<br />
noch sehr belastend ist.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Dabei spielen Stammzellen eine wichtige<br />
Rolle?<br />
Professor Augustinus Bader:<br />
Ja, insbesondere mit adulten autologen<br />
Stammzellen haben wir schon<br />
Erfolge bei der Wiederherstellung von<br />
Knochen. Wir gewinnen sie aus dem<br />
eigenen Knochenmark des Patienten,<br />
im Gegensatz zu den Stammzellen aus<br />
Embryonen. Aber auch im Bereich von<br />
Herz- und Gefäßkrankheiten sind wir<br />
mit der Erprobung solcher Stammzellen<br />
schon weit fortgeschritten.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Wird die regenerative Medizin dem<br />
Menschen helfen, noch weitaus älter<br />
als jetzt zu werden?<br />
Professor Augustinus Bader:<br />
Nein. Aber sie kann Menschen mit<br />
kranken Organen helfen, wieder<br />
gesund zu werden. Dabei verlängert<br />
sie ja nicht die maximale Lebenserwartung<br />
an sich, sondern erhöht die<br />
Chancen für den Einzelnen, auch noch<br />
mit 85 oder 90 das aktive Leben eines<br />
Menschen ohne vorherige Krankheit<br />
zu führen.<br />
Werden Zelltechniken und angewandte<br />
Stammzellenbiologie in der Zukunft<br />
Transplantationen ersetzen?<br />
Professor Bader mit seinem Team an der<br />
Universität Leipzig.<br />
Ein gezüchteter Knochenersatz kann bei<br />
Operationen die Entnahme von Knochen aus<br />
den Körperregionen des Patienten überflüssig<br />
machen.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 33
„Im Kampf gegen bakterielle Infektionen sind Antibiotika<br />
unsere wirkungsvollste Waffe. Doch mittlerweile gibt es<br />
Stämme von Erregern wie Staphylococcus aureus oder<br />
Enterococcus faecium, bei denen nahezu alle geläufigen<br />
Antibiotika wirkungslos geworden sind“, schildert Professor<br />
Jan Buer, Leiter der Forschungsgruppe Mucosale<br />
Immunität der Gesellschaft für Biotechnologische<br />
Forschung (GBF), die derzeitige Situation. Insbesondere in<br />
Spanien sowie in weiteren süd- und osteuropäischen<br />
Ländern sei eine hohe Resistenzrate bestimmter Bakterien<br />
etwa gegen Penicilline und die <strong>Gruppe</strong> der Makrolide<br />
bekannt, kann auch Dr. Michael Kresken, Sprecher der<br />
Initiative Zündstoff* bestätigen.<br />
Heutzutage, bei zunehmender Mobilität und Reiselust der<br />
Menschen, gelingt es resistenten Erregern mit Leichtigkeit,<br />
sich schnell über den Erdball zu verbreiten. Vertreter des<br />
Max-Planck-Instituts für Infektionsbiologie wissen: „Krankheitserreger<br />
scheren sich nicht um politische Grenzen:<br />
34 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
FORSCHUNG Kampf gegen Winzlinge<br />
KAMPF GEGEN WINZLINGE<br />
Von Hilde-Josephine Post<br />
Abermillionen Menschen hat sie das Leben gerettet, die Wunderwaffe Antibiotikum. Doch vermehrt entwickeln<br />
infektionserregende Bakterienstämme mit cleveren Strategien Resistenzen, um den Überlebenskampf zu gewinnen.<br />
Forscher dürfen deshalb nicht müde werden, immer wieder neue Antibiotika zu entdecken. Gibt es eine Chance,<br />
das Wettrüsten zu beenden? Lassen sich Resistenzen überlisten?<br />
Maria*, eine in Deutschland lebende Spanierin, kam mit starken Husten- und Atemnotbeschwerden aus einem<br />
Heimaturlaub zurück. Ein verordnetes Penicillinpräparat half nichts. Daraufhin ließ der Arzt einen Resistenztest vornehmen.<br />
Es fand sich in hoher Keimzahl Streptococcus pneumoniae, einer der Haupterreger von bakteriellen Atemwegsinfektionen<br />
und Lungenentzündung. Penicillin konnte die Kleinstlebewesen kaum noch beeindrucken, und<br />
gegen die Antibiotika-Klasse der Makrolide zeigten sie sich völlig resistent. Da der Krankheitserreger aber nun<br />
bekannt war, gelang es dem Arzt, Maria gezielt mit einem anderen Antibiotikum zu therapieren.<br />
* Das Beispiel Maria ist authentisch. Der Fall wurde stark gekürzt geschildert. Ausführliche Version unter www.zuendstoff-antibiotika-resistenz.de<br />
Mehr als 1,5 Milliarden Flugpassagiere und 500 Millionen<br />
Grenzüberschreitungen jährlich machen jede Abschottung<br />
unmöglich.“<br />
Antibiotika oft falsch angewendet<br />
Warum kommt es überhaupt zu Resistenzen? Je häufiger<br />
Antibiotika angewendet werden, desto mehr besteht die<br />
Gefahr, dass es den Winzlingen gelingt, sich gegen die<br />
Wunderwaffe zu schützen. „Hauptursache dürfte der verbreitete<br />
Einsatz von Antibiotika in Krankenhäusern sein“,<br />
vermutet Professor Buer. Ihm zufolge sorge er für einen<br />
hohen Selektionsdruck auf die Bakterien, der wiederum die<br />
Entstehung von Resistenzen beschleunige. In großen<br />
Krankenhäusern gehe denn auch bis zu einem Drittel der<br />
gesamten Arzneimittelkosten auf das Konto von<br />
Antibiotika, lässt die Initiative Zündstoff verlauten. „Und<br />
Schätzungen zufolge wurden in den vergangenen 50<br />
Jahren mehr als eine Million Tonnen Antibiotika in die<br />
Biosphäre freigesetzt“, so das Bayerische Landesamt für
Kampf gegen Winzlinge FORSCHUNG<br />
Umweltschutz. Die Ärztezeitung online vom 28. September<br />
mahnte an: „Viele Antibiotika würden unnötig verschrieben,<br />
kritisierte Professor Harald Labischinski, Präsident der<br />
Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie<br />
(VAAM).“ Demnach fehle es einerseits an gezielter<br />
Diagnostik bei Infektionen, andererseits würden aus<br />
Kostengründen häufig nicht die wirksamsten, sondern<br />
preisgünstigere Substanzen verschrieben. Eine Studie, die<br />
von Professor Bernhard Ruf, Städtisches Klinikum Leipzig,<br />
vorgestellt wurde, bestätigt denn auch, dass Antibiotika in<br />
50 bis 70 Prozent der Fälle hinsichtlich Auswahl, Dosierung,<br />
Behandlungsdauer und anderem falsch angewendet werden.<br />
Wenn zum Beispiel der Arzt das Antibiotikum zu<br />
gering dosiert oder der Patient eigenmächtig die Einnahme<br />
abbricht, können widerstandsfähige Erreger die Therapie<br />
überleben und sich nach und nach anpassen.<br />
Mittlerweile gibt es Bakterienstämme wie die Staphylococcu aureus,<br />
hier 50.000:1 vergrößert, Erreger von Wundinfektionen, bei denen<br />
nahezu alle geläufigen Anitbiotika wirkungslos sind.<br />
Tiermast förderte Resistenzen<br />
„Eine wichtige Rolle dürfte allerdings auch der Einsatz von<br />
Antibiotika in der Tiermast spielen“, führt Professor Buer<br />
weiter an. Vor allem, wenn die Mittel prophylaktisch eingesetzt<br />
werden, um etwa bei Hühnern oder Ferkeln<br />
Darminfektionen vorzubeugen. „Aus praktischen Gründen<br />
werden die Medikamente häufig dem Futter oder<br />
Trinkwasser zugesetzt. Kritisch dabei ist, dass selbst nicht<br />
erkrankte Tiere behandelt werden, und dass die Wirkstoffe<br />
womöglich in zu geringer Dosierung und zu lange gegeben<br />
werden“, schreibt Dr. Katharina Stroh in einer Fachinformation<br />
vom Bayerischen Landesamt für Umweltschutz.<br />
Bis vor einigen Jahren durften sogar viele<br />
Antibiotika als Leistungsförderer in der Tiermast der<br />
Nahrung beigesetzt werden, um im Verdauungstrakt der<br />
Tiere ein günstigeres Keimmilieu zu schaffen. Dr. Stroh weiter:<br />
„So lässt sich das Futter besser verwerten und die Tiere<br />
wachsen schneller.“ Professor Reinhard Kurth, Leiter des<br />
Robert Koch-Instituts (RKI) monierte jedoch schon sehr<br />
früh: „Antibiotika haben als Leistungsförderer in der<br />
Tiermast nichts zu suchen.“ Forscher des RKI belegten,<br />
dass die durch den Einsatz in der Tiermast beim<br />
Infektionserreger hervorgerufene Resistenz auf den<br />
Menschen übertragen worden war. Diese Forschungsarbeiten<br />
bildeten eine wesentliche wissenschaftliche<br />
Grundlage für das Verbot der Bundesregierung von<br />
Avoparcin im Jahre 1996. Später hat die EU-Kommission<br />
angeordnet, Antibiotika als Leistungsförderer bis 2006 stufenweise<br />
abzubauen.<br />
Clevere Abwehrstrategien<br />
Dass Bakterien sich gegen ihre Zerstörer wehren, ist eigentlich<br />
als ganz natürlicher Überlebenskampf anzusehen. Die<br />
Winzlinge sind clever. Sie benutzen unterschiedliche<br />
Mechanismen, um sich zu schützen. Mittels spezieller<br />
Pumpen können sie das Antibiotikum kurzerhand aus ihren<br />
Zellen befördern, oder sie produzieren Enzyme, mit denen sie<br />
den Angreifer außer Gefecht setzen. Auch machen manche<br />
die Schotten einfach dicht und lassen den Zerstörer erst gar<br />
nicht hinein oder programmieren gar sein Ziel um. Jene<br />
Bakterien, die am besten angepasst sind, überleben. Sie verhalten<br />
sich sehr großzügig und geben ihre Resistenzkenntnisse<br />
gern weiter, indem sie Erbgutringe austauschen.<br />
Anders als bei höheren Lebewesen können sie sogar einzelne<br />
Gene über Artgrenzen hinweg weiterreichen. Innerhalb<br />
kurzer Zeit bilden auf diese Weise unterschiedliche<br />
Erregerstämme starke Abwehrtruppen – eine große<br />
Herausforderung an die Wissenschaft.<br />
Forscher entschlüsseln Verhalten<br />
So bemühen sich Forscher weltweit, sich dem Wettrüsten<br />
entgegenzustellen oder ihm gar ein Ende zu bereiten.<br />
Teamleiter Dr. Siegfried Weiß sowie Nachwuchsforscher<br />
Nelson Gekara von der GBF haben beispielsweise zusammen<br />
mit Forschern der Universität Gießen das Verhalten der<br />
cleveren Winzlinge am Keim Listeria monocytogenes beobachtet.<br />
Diese Bakterien sondern ein Gift ab, das die<br />
Oberfläche menschlicher Zellen stark verändert. Dadurch fällt<br />
es ihnen leichter die Abwehrmechanismen der Körperzelle<br />
auszuhebeln und in sie einzudringen. Sie gelangen über verdorbene<br />
Lebensmittel in den menschlichen Organismus und<br />
können Darmerkrankungen verursachen, bei geschwächtem<br />
Immunsystem allerdings auch schwere Krankheiten wie<br />
Hirnhautentzündung. „Der Mechanismus, mit dem Listeria<br />
die Oberflächen seiner Zielzellen angreift, kann uns viel über<br />
Grundprinzipien von Infektionen erklären. Wir vermuten, dass<br />
andere, medizinisch weit bedeutendere Erreger ähnlich vorgehen<br />
– zum Beispiel Streptokokken oder der Erreger von<br />
* Initiative Zündstoff<br />
Die Initiative Zündstoff Antibiotika-Resistenz will neben wissenschaftlichen<br />
Untersuchungen die Bevölkerung und die Ärzte in einer breiten Kampagne<br />
auf die Resistenzbildung hinweisen und über einen verantwortlichen<br />
Umgang mit Antibiotika aufklären. Denn jeder kann dazu beitragen, dass<br />
Antibiotika als Wunderwaffe erhalten bleiben. Dazu haben sich in 2001 drei<br />
Gesellschaften zusammengeschlossen: Deutsche<br />
Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI), Deutsche<br />
Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM)<br />
und Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V.<br />
(PEG)<br />
www.zuendstoff-antibiotika-resistenz.de<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 35
Milzbrand“, sagt Dr. Weiß. Je besser die Forscher den<br />
Strategien der Keime auf die Schliche kommen, desto wirkungsvoller<br />
kann das Wissen bei Medikamenten einfließen.<br />
„Auch wenn Antibiotika in einigen Fällen durch die listige<br />
Gegenwehr mancher Bakterien versagen“, so bleiben die<br />
Wissenschaftler wie etwa die von Zündstoff zuversichtlich;<br />
„denn richtig und gezielt angewandt sind sie immer noch<br />
eine Wunderwaffe.“<br />
36 - <strong>explore</strong>: 1/2006<br />
<strong>explore</strong>: INTERVIEW<br />
Karies-Erreger auf heimlicher<br />
Wanderschaft<br />
Im Mund des Menschen leben<br />
mehrere hundert Arten von<br />
Bakterien. Gut zwei Dutzend gehören<br />
zur Gattung Streptococcus,<br />
von denen einige Karies auslösen<br />
können. Doch weitaus schlimmer<br />
ist es, wenn die Erreger in den Körper wandern.<br />
Professor Singh Chhatwal, Leiter der Abteilung<br />
Mikrobielle Pathogenität der Gesellschaft für<br />
Biotechnologische Forschung, nimmt die Winzlinge<br />
genau unter die Lupe:<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Wann können Karies-Erreger gefährlich werden?<br />
Professor Singh Chhatwal:<br />
Nach heutigen Erkenntnissen können Bakterien wie Oral-<br />
Streptokokken bei immungeschwächten Personen eine<br />
Gefahr darstellen zum Beispiel bei Kindern mit Leukämie.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Wie gelangen die Keime in die Blutbahn, und was können<br />
Sie auslösen?<br />
Professor Singh Chhatwal:<br />
Bereits durch oberflächliche Verletzungen im Mundraum<br />
oder durch Ziehen von Zähnen gelangen sie ins Blut und<br />
können sich an Gewebe des Herzens und der Blutgefäße<br />
anlagern und dort zu irreversiblen Schäden führen.<br />
Besonders gefährdet sind dabei die Herzklappen. Aber die<br />
Mechanismen sind noch weitestgehend unbekannt.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Was wollen Sie durch Ihre Forschung herausfinden?<br />
Professor Singh Chhatwal:<br />
Wir wollen verstehen, wie Bakterien etwa Oral-<br />
Streptokokken die für sie unwirtlichen Bedingungen im Blut<br />
überleben, wie sie am Ort der Infektion anhaften und ihn<br />
besiedeln und dabei das Gewebe schädigen. Am meisten<br />
interessiert uns aber, wie relativ harmlose Bewohner unserer<br />
Mundhöhle gefährliche Krankheiten in anderen<br />
Körpernischen verursachen können. Damit wollen wir eine<br />
Basis schaffen, um diagnostische, präventive und therapeutische<br />
Maßnahmen entwickeln zu können.<br />
FORSCHUNG Kampf gegen Winzlinge<br />
Forscher studieren genau Verhalten und Strategien von Bakterien, um<br />
mit neuen Wirkstoffen ihre Gegenwehr zu überlisten.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Antibiotika immer wieder neu entdecken?<br />
Bakterien oder Pilze scheiden bei ihrem Stoffwechsel Gifte aus, die<br />
andere Mikroorganismen töten oder am Wachsen hindern können –<br />
daraus werden Antibiotika gewonnen. Seit Alexander Fleming 1928<br />
das Antibiotikum Penicillin praktisch per Zufall entdeckte, als seine<br />
Laborkolonie Staphylokokken vom Schimmelpilz Penicilinum notatum<br />
befallen war, fanden und entwickelten im Laufe der Jahrzehnte<br />
Forscher weitere Substanzen, die entsprechend ihrer chemischen<br />
Struktur in Klassen unterteilt sind wie etwa die erwähnten Makrolide.<br />
Heute kenne man etwa 8.000 antibiotische Wirkstoffe plus weitere<br />
3.000 aus anderen Organismengruppen wie Flechten, Algen und<br />
anderen Pflanzen. Jährlich kämen schätzungsweise 300 Verbindungen<br />
hinzu, schreibt Dr. Katharina Stroh vom Bayerischen Landesamt für<br />
Umweltschutz in einer Fachinformation. Erst vor kurzem berichtete die<br />
Ärztezeitung online, dass Wissenschaftler ein neues Antibiotikum<br />
Plectasin entdeckt hätten, das aus einem Pilz stamme, der in<br />
Kiefernwäldern Nordeuropas wachse. Es soll selbst resistenten<br />
Bakterien Paroli bieten können. Von der riesigen Zahl an Wirkstoffen<br />
werden nur wenige kommerziell genutzt, und außerdem werden viele<br />
auf semisynthetischem oder rein synthetischem Weg hergestellt. Einige<br />
Antibiotika wirken gegen ein weites Spektrum von Erregern, andere<br />
hingegen nur gezielt gegen eine Art oder wenige Arten.<br />
Bakterien versus Viren: Wer ist der Klügere?<br />
Bakterien sind einzellige Mikroorganismen, die einen eigenen<br />
Stoffwechsel haben und sich selbst fortpflanzen. Ihre Gestalt kann<br />
kugelig, stäbchen- oder schraubenförmig sein. Sie werden zudem<br />
nach ihrem biochemischen Verhalten und ihrer Struktur klassifiziert. Im<br />
Gegensatz zu Bakterien bestehen Viren entweder nur aus DNA- oder<br />
RNS- Erbgut und Proteinen. Sie können sich nicht selbst fortpflanzen,<br />
dazu benötigen sie eine Wirtszelle (von Tier, Mensch, Pflanze oder<br />
Bakterium), die sie veranlasst, neue Viren zu bilden. „Wären Viren in der<br />
Lage, sich beispielsweise durch Proteinsynthese selbstständig fortzupflanzen,<br />
hätte man hier, wie im Fall der Bakterien, die Möglichkeit,<br />
diesen Eiweißaufbau zu unterbinden und damit die Vermehrung zu<br />
stoppen“, so Dr. Michael Kresken, Sprecher der Initiative Zündstoff.
Kampf gegen Winzlinge FORSCHUNG<br />
Nobelpreisgekrönte Entdeckung: Magenkeim Helicobacter pylori<br />
Von Dr. Joachim Czichos<br />
Stress und ungesunde Ernährung galten früher als Ursache<br />
der „Managerkrankheit“ Magengeschwür. Heute kennen<br />
wir den wahren Schuldigen: Für die meisten Krankheitsfälle<br />
ist Helicobacter pylori verantwortlich, ein spiraliges,<br />
durch Geißeln bewegliches Bakterium, das in<br />
der Magenschleimhaut lebt. Für diese Entdeckung<br />
erhielten die beiden australischen Mediziner<br />
Robin Warren und Barry Marshall im vergangenen<br />
Jahr den Nobelpreis für Medizin. Um die<br />
zweifelnden Kollegen zu überzeugen,<br />
hatte Marshall sogar einen Selbstversuch<br />
unternommen. Er schluckte eine<br />
Suspension der Bakterien und erkrankte<br />
nach einer Woche an einer schweren<br />
Gastritis, der Vorstufe zum Magengeschwür.<br />
Nachdem es den Forschern 1982 erstmals gelungen war,<br />
den Magenkeim im Labor anzuzüchten, fanden sie auch<br />
geeignete Antibiotika, um den Erreger abzutöten. Davon<br />
profitieren heute alle Betroffenen: Mit zwei gleichzeitig verabreichten<br />
Antibiotika und einem Säurehemmer ist eine<br />
Heilung in 90 Prozent der Fälle möglich. Allerdings nimmt<br />
die Häufigkeit resistenter Erreger zu.<br />
Weltweit ist jeder zweite Mensch mit dem Magenkeim infiziert.<br />
In den Industrieländern sind es zwar deutlich weniger,<br />
in den Entwicklungsländern aber bis zu 100 Prozent. Meist<br />
überträgt die Mutter die Bakterien von Mund zu Mund oder<br />
über fäkale Verunreinigungen auf das Kind. Aber warum<br />
wird nur jeder fünfte Infizierte krank? Das liegt unter anderem<br />
daran, dass es harmlose und aggressive Varianten des<br />
Impressum:<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Kundenmagazin der<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
Verlag und Herausgeber:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG,<br />
Am <strong>TÜV</strong> 1, 30519 Hannover<br />
www.tuev-nord.de/<strong>explore</strong><br />
<strong>explore</strong>@tuev-nord.de<br />
Erscheinungsweise:<br />
viermal jährlich<br />
Redaktion:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG<br />
Konzern-Kommunikation<br />
Jochen May; Svea Büttner (V.i.S.d.P.)<br />
Konzeption und Gestaltung:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong>, 30519 Hannover<br />
Gestaltung:<br />
MPR Dr. Muth Public Relations GmbH,<br />
20354 Hamburg<br />
Satz, Lithographie & Druck:<br />
diaprint KG, 30952 Ronnenberg-Empelde<br />
Wissenschaftlicher Beirat:<br />
Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann<br />
Prof. Dr. Friedhelm Noack<br />
Prof. Dr. Günter Maaß<br />
Fotos:<br />
Charité - Universitätsmedizin Berlin (S. 39)<br />
Professor Singh Chhatwal (S. 36)<br />
Corbis (Titel, S. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 10, 12,<br />
18, 31, 38, 39)<br />
Dechema e. V. (S. 26)<br />
Deutsche Messe AG (S. 26)<br />
Bakteriums gibt. Bei den harmlosen Formen stellt sich<br />
sogar die Frage, ob sie, ähnlich wie die Darmbakterien, von<br />
Nutzen sein könnten.<br />
So vermutet der Mikrobiologe Martin Blaser von der New<br />
York University, dass die Infektion mit Helicobacter pylori<br />
eine Überproduktion von Magensäure verhindern und<br />
damit der Entwicklung<br />
von Speiseröhrenkrebs<br />
vorbeugen kann. Für<br />
Bakterien wie hier der Helicobacter<br />
sind winzige einzellige Organismen<br />
mit eigenem Stoffwechsel. Sie kommen<br />
in unterschiedlicher Gestalt vor:<br />
kugelig, stäbchen- oder schraubenförmig.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
die Mehrzahl der<br />
Mediziner wiegt es aber<br />
schwerer, dass der<br />
Magenkeim das Risiko<br />
von Gastritis, Zwölffingerdarm-<br />
und Magengeschwüren<br />
sowie von<br />
Magenkrebs erhöht. Sie<br />
befürworten daher die Entwicklung eines Impfstoffs. Erste<br />
Studien mit einer Schluckimpfung sind bereits viel versprechend<br />
verlaufen.<br />
LINKS:<br />
Über Helicobacter pylori:<br />
http://de.wikipedia.org/wiki/Helicobacter_pylori<br />
Nationales Referenzzentrum für Helicobacter:<br />
www.ukl.uni-freiburg.de/microbio/nrz-helico<br />
Steffen Faust (3, 17, 28, 34)<br />
Forum Besser Hoeren (S. 32)<br />
Getty images (S. 2, 7, 9, 14, 40)<br />
Hamburg Messe und Congress GmbH ( S. 26)<br />
www.hpylori.com.au (S. 37)<br />
Initiative Zündstoff Antibiotika Resistenz (S. 35, 36)<br />
Jürgen Klemme (S. 7, 12, 15)<br />
Messe Berlin (S. 26)<br />
Picture Alliance (S. 33, 35)<br />
Udo Pollmer (S. 13)<br />
Pro Carton (S. 30, 31)<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> (S. 2, 3, 19, 20, 21, 22, 23,<br />
24, 25 ,26, 29, 30, 31)<br />
Dr. Heiner Wolfes (S. 15)<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur<br />
mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers.<br />
Leserbriefe sind herzlich willkommen.<br />
<strong>explore</strong>: 1/2006 - 37
Freispruch für<br />
38 - <strong>explore</strong> 1/2006<br />
Bewegungsmuffel?<br />
Gibt es begründete Argumente sich lieber zu<br />
gebärden wie ein Faultier als wie ein Maultier?<br />
FORSCHUNG Freispruch für Bewegungsmuffel?<br />
Von Prof. Dr. Thomas J. Schult<br />
Was nicht benutzt wird, ver-<br />
schleißt auch nicht: Das gilt<br />
für Zahnbürsten wie für<br />
Autos. Wenn es auch für den<br />
menschlichen Körper gilt,<br />
sind die Bewegungsmuffel<br />
fein raus – sie verfetten viel-<br />
leicht eher, halten aber ihren<br />
Bewegungsapparat intakt.<br />
Oder doch nicht?
Freispruch für Bewegungsmuffel? FORSCHUNG<br />
Maßvoller Sport sorgt nicht nur für Kondition, sondern hält auch den<br />
Bewegungsapparat intakt.<br />
Wer in einer Dienstleistungsgesellschaft<br />
lebt und zu dem wachsenden<br />
Anteil der Informationsarbeiter gehört,<br />
fordert seinen Körper kaum noch:<br />
Maschinen nehmen ihm die Anstrengung<br />
der Fortbewegung ab und<br />
unterstützen ihn mittelbar oder unmittelbar<br />
dabei, Nahrung zu beschaffen,<br />
eine Partnerin zu finden, das<br />
Autofenster zu öffnen oder den Rasen<br />
zu mähen.<br />
Gesund leben trotz Büro-Job<br />
Wer im Beruf am Schreibtisch sitzt und<br />
sich auch in seiner Freizeit wenig<br />
bewegt, riskiert typische Zivilisationskrankheiten;<br />
gerade das Herz-Kreislauf-System<br />
leidet unter dem Mangel<br />
an körperlicher Anstrengung. Aber<br />
was ist mit dem Bewegungsapparat:<br />
Profitiert er von einem Leben im<br />
Ohrensessel? Schonen die Bewegungsmuffel<br />
ihre Knochen, Knorpel,<br />
Gelenke und Muskeln, vermeiden sie<br />
körperlichen Verschleiß und Verfall?<br />
Zumindest starke Bewegungsarmut<br />
stellt eine Gefahr für den Körper dar.<br />
Forscher am Zentrum für Muskel- und<br />
Knochenforschung der Berliner Charité<br />
untersuchten in ihrer BedRest-<br />
Studie den Extremfall: Was passiert,<br />
wenn ein Mensch acht Wochen lang<br />
im Bett liegt, ohne es zu verlassen? An<br />
den Beinen verloren die Probanden in<br />
dieser Zeit im Schnitt knapp ein Fünftel<br />
ihrer Muskelkraft und als Folge sogar<br />
knapp fünf Prozent ihrer Knochenmasse.<br />
Die Studie diente übrigens der<br />
Vorbereitung einer künftigen europäischen<br />
Mars-Mission und belegte die<br />
Möglichkeit, durch Vibrationsgeräte<br />
den Muskelschwund der Patienten zu<br />
stoppen – später soll dies den<br />
Astronauten helfen.<br />
Doch Bewegungsmuffel liegen ja nicht<br />
nur im Bett. Zwischendurch holen sie<br />
sich Bier aus dem Kühlschrank und<br />
Zigaretten von der Tankstelle, was der<br />
Astronaut nicht kann. Ist der Bewegungsmuffel<br />
damit zumindest vor<br />
Arthrose gefeit, der neben Osteoporose,<br />
dem Knochenschwund, und<br />
Tendopathie, einer mechanischen<br />
Irritation der Sehnen, häufigsten<br />
Krankheit des Bewegungsapparates?<br />
Arthrose entsteht, wenn Gelenke<br />
durch einseitige Beanspruchung verschleißen.<br />
Sie plagt jeden vierten<br />
Bundesbürger durch chronische<br />
Schmerzen etwa in Knien oder in<br />
Hüftgelenken.<br />
Tipp: Maßvoller Sport<br />
„Faulheit schützt vor Arthrose“, sagt<br />
sogar Dr. Martin Runge, Medizinischer<br />
Direktor einer geriatrischen Klinik und<br />
Leiter des anderen deutschen Zentrums<br />
für Muskel- und Knochenforschung<br />
in Esslingen. Doch er sieht<br />
gleichzeitig neue Risiken entstehen:<br />
Was kaum bewegt wird, degeneriert.<br />
Das unterscheidet den menschlichen<br />
Mit dem „Galileo-Space“ wird ein Vibrations-Muskeltraining unter physiologisch<br />
simulierter Schwerelosigkeit vorgenommen.<br />
Körper von vielen technischen Artefakten,<br />
bei denen ein schonender<br />
Gebrauch die Lebensdauer verlängert.<br />
Nicht nur den Bettlägerigen, auch<br />
schon den Bewegungsmuffeln droht<br />
dann die zweite Volkskrankheit des<br />
Bewegungsapparates: die Osteoporose.<br />
Sie haben wenig Muskeln und<br />
als Folge eine geringe Knochenmasse.<br />
Dadurch sind die Knochen weniger<br />
biegsam, können selbst bei einer alltäglichen<br />
Belastung brechen, auch<br />
chronische Schmerzen drohen. Sechs<br />
Millionen Deutsche leiden darunter;<br />
jede dritte Frau nach den Wechseljahren<br />
trifft es.<br />
Faulheit taugt also nicht zur<br />
Prävention. Wer zehn Stunden pro Tag<br />
auf dem Bau mauert, bekommt zwar<br />
eher Arthrose; die lässt sich jedoch<br />
auch schon vermeiden, wenn die<br />
Bewegung nicht so einseitig ist – tatsächlich<br />
schützt auch maßvoller Sport<br />
vor Arthrose. Bewegungsmuffel verlassen<br />
dagegen spätestens im Alter die<br />
Sitzecke und suchen mit krummem<br />
Rücken und chronischen Schmerzen<br />
einen Arzt auf.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
LINKS<br />
Gesundheitsberichterstattung des Bundes:<br />
www.rki.de<br />
ZMK Berlin: www.charite.de/zmk<br />
<strong>explore</strong> 1/2006 - 39
...einfach mal entspannen