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<strong>explore</strong>:<br />
Das Kundenmagazin der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
03 August 2006<br />
Was treibt uns an?<br />
Energie hat viele Facetten
04<br />
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08<br />
09<br />
11<br />
13<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: MENSCH<br />
<strong>explore</strong>: LEBEN<br />
<strong>explore</strong>: LEBEN<br />
<strong>explore</strong>: GLOBAL<br />
02 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
EDITORIAL<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
INHALT<br />
Energie kann weder erzeugt noch vernichtet werden. Das zumindest ist die Erkenntnis,<br />
die uns der Wissenschaftler Hermann Helmholtz mit seinem Energieerhaltungssatz<br />
hinterlassen hat. Energie kann allenfalls ihre Erscheinungsform ändern. Bemerkenswert<br />
ist, dass trotz allen technischen Fortschritts der heutige Weltenergieverbrauch zu etwa<br />
90 Prozent nach wie vor auf fossilen Energieträgern wie Öl, Kohle und Gas basiert. In<br />
Deutschland tragen diese zum Primärenergieverbrauch etwa 84 Prozent, Kernenergie 13<br />
und erneuerbare Energien etwa 3 Prozent bei. Für uns Verbraucher unverkennbar hat ein<br />
weltweiter Wettlauf um die fossilen Energiequellen begonnen. Deutschland wäre auch<br />
aus diesem Grund gut beraten, ein energiepolitisches Gesamtkonzept zu präsentieren.<br />
Einige Komponenten eines solchen Konzepts stellen wir Ihnen in diesem Heft vor.<br />
Ihr Dr. Guido Rettig, Vorsitzender des Vorstands der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG<br />
06 07<br />
09 11<br />
13<br />
Was ist Leben? Ein Leben ohne Energie ist unmöglich.<br />
Eine lebende Zelle arbeitet wie ein chemischer Energieumwandler, der sich<br />
selbst mit Energie versorgt und diese effektiv umsetzt.<br />
Wie der Körper Energie gewinnt<br />
Ein Kurz-Portrait über unseren wichtigsten Energielieferanten, das Adenosintriphosphat<br />
(ATP).<br />
Die großen Energieverbraucher in unserem Körper<br />
Wer verbraucht mehr – Herz oder Hirn?<br />
Zucker und Fett –<br />
angepasste Energie für den Körper<br />
Je nach Art der Beanspruchung benötigt der menschliche Körper unterschiedliche<br />
Energiequellen.<br />
Was treibt Menschen zu Höchstleistungen an?<br />
Energie rekrutiert sich nicht nur aus den Muskeln – auch unser Wille, die<br />
„Energie aus dem Kopf“, kann der entscheidende Faktor für Sieg oder<br />
Niederlage sein.<br />
Führungspersönlichkeiten –<br />
Energiebündel oder Egokrüppel?<br />
Woher nehmen Powerpersönlichkeiten ihre Kraft und ihren Ehrgeiz?<br />
Neue Eiszeit in Sicht?<br />
Der Nordatlantikstrom ist maßgeblich am Klima in Europa beteiligt. Nun<br />
scheint es, als ob er an Kraft verliert.
INHALT<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Meiner Idee nach ist Energie die erste und einzige Tugend des Menschen.<br />
Netzwerk<br />
Verbindungen, Kommunikation, Strukturen – hier bündeln sich an Knotenpunkten<br />
Kompetenz und Know-how für eine gut funktionierende Partnerschaft.<br />
Biomasse: Mit Energie auf dem Bio-Trip<br />
Erneuerbare Energien sind auf dem Vormarsch. Und das mit gutem Grund.<br />
Unabhängig vom Öl<br />
Ein Pilotprojekt in Schweden zeigt neue Wege der Energiegewinnung auf.<br />
Kalte Kabel vor dem Durchbruch<br />
Stromkabel stoßen an ihre Leistungsgrenzen – Abhilfe soll ein neuartiges<br />
Kabel schaffen.<br />
Ein „Wasser-Akku“ in Thüringen<br />
Pumpspeicherkraftwerke schaffen mehr Flexibilität bei Energie-Engpässen.<br />
Die heimlichen Stromdiebe<br />
Immer mehr Elektrogeräte bestehlen die Nutzer, ohne dass sie es merken.<br />
Impressum<br />
Blitze: Hochspannung zwischen Himmel und Erde<br />
Forscher befassen sich mit der Wirkung von Blitzen und entwickeln<br />
Schutzmaßnahmen.<br />
<strong>explore</strong>: <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>: FORSCHUNG<br />
<strong>explore</strong>: W ISSEN<br />
<strong>explore</strong>:<br />
<strong>explore</strong>: W ISSEN<br />
Wilhelm von Humboldt<br />
(1767-1835),<br />
deutscher Philosoph und Sprachforscher<br />
17 25 30 32<br />
36<br />
17<br />
25<br />
28<br />
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32<br />
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35<br />
36<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 03
04 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
MENSCH Was ist Leben? Ein Leben ohne Energie ist unmöglich.<br />
Was ist Leben?<br />
Ein Leben ohne Energie ist unmöglich.<br />
Von Dr. Heiner Wolfes<br />
Ein lebender Organismus unterscheidet sich von unbelebter Materie durch seine Fähigkeit, sich fortzupflanzen<br />
sowie durch den Stoffwechsel, bei dem aus Biomolekülen Energie gewonnen wird. Diese Energie wird genutzt, um<br />
den Betrieb der Zellen zu gewährleisten und um neue Biomoleküle zu synthetisieren. Eine lebende Zelle arbeitet<br />
wie ein chemischer Energieumwandler, der sich selbst mit Energie versorgt und diese effektiv umsetzt. Jede Arbeit<br />
des menschlichen Körpers, sei es Muskelarbeit, Verdauung, Denken, Hören, Schmecken oder der Auf- und Abbau<br />
von biologischen Molekülen, wird von den chemischen Energieumwandlern bewerkstelligt. Die Zellen arbeiten bei<br />
konstanter Temperatur, regulieren sich selbst und sind auf eine größtmögliche Wirtschaftlichkeit konzipiert. Diese<br />
Arbeit verrichten Biokatalysatoren, die Enzyme.<br />
Eine Zelle funktioniert als chemischer Energieumwandler, in dem Energie verbraucht<br />
wird, um die Lebensfunktionen zu garantieren<br />
Hormone<br />
Verpackung<br />
(Golgi-Apparat)<br />
Entsorgungsanlage<br />
intern<br />
(Peroxisom)<br />
Transportwege<br />
(Mikrotubuli)<br />
Signalschaltzelle<br />
(Membranrezeptor)<br />
Schleuse<br />
(Ionenkanal)<br />
Steuerzentrale<br />
(Zellkern mit Erbinformation)<br />
Ionen<br />
Außenhülle<br />
(Zellmembran)<br />
Kraftwerk<br />
(Mitochondrium)<br />
Proteinfabrik<br />
(Endoplasm.<br />
Retikulum)<br />
Entsorgungsanlage extern<br />
(Lysosom)<br />
Eine Zelle besteht aus Untereinheiten (Organellen), die wie eine chemische Fabrik zusammenarbeiten: Im Zellkern, der Steuerzentrale, sind die Befehle<br />
(Gene) für die ganze Zelle gespeichert. Die Kraftwerke, die Mitochondrien, erzeugen die nötige Energie, die in den Proteinfabriken des endoplasmatischen<br />
Retikulums in die nötigen Enzyme umgebaut werden. Diese Enzyme sorgen für die interne (Peroxisomen) und externe (Lysosomen)<br />
Entsorgung der Stoffwechselmoleküle. Damit die Enzyme an der richtigen Stelle arbeiten, werden sie vom Golgi-Apparat verpackt und verändert, um<br />
an der vorgesehenen Stelle in der Zelle zum Ziel zu kommen. Die Zelle ist von einer Außenhülle (Zellmembran) umgeben, durch die Signale (Hormone)<br />
über Rezeptoren an die Zelle gesendet werden. Die Membran ist durchlässig, Schleusen sorgen für den Transport von Biomolekülen. Die Ablieferung<br />
der Moleküle wird durch Transportwege (Mikrotubuli) ermöglicht.
Was ist Leben? Ein Leben ohne Energie ist unmöglich. MENSCH<br />
Der Betrieb der chemischen Energieumwandler<br />
einer Zelle erfolgt durch<br />
Energie, die mit der Nahrung (Zucker,<br />
Fette, Eiweiße) aufgenommen wird.<br />
Die lebende Zelle ist dabei niemals im<br />
Gleichgewicht mit der Umgebung. Es<br />
existiert ein Fließgleichgewicht, bei<br />
dem genauso viele Biomoleküle aufgenommen<br />
wie ausgeschieden werden.<br />
Hierbei laufen Tausende von chemischen<br />
Reaktionen ab, die von den Enzymen<br />
reguliert werden. Praktisch alle<br />
dieser Reaktionen sind bekannt, und<br />
das präzise Zusammenspiel dieser<br />
Reaktionen in den Zellen führt zum<br />
Leben eines Organismus.<br />
ATP ist die Energiewährung<br />
der Zelle<br />
Lebende Zellen arbeiten als Verbrennungsmaschinen<br />
wie der Motor<br />
eines Automobils, allerdings mit einem<br />
sehr viel höheren Wirkungsgrad: So<br />
liefert beispielsweise die Verbrennung<br />
eines Zuckermoleküls an der Luft<br />
Kohlendioxid, Wasser und Wärmeenergie,<br />
die freigesetzt wird. Die gleiche<br />
Reaktion läuft auch in einer Zelle<br />
ab, die erzeugte Energie wird aber in<br />
der chemischen Verbindung Adenosintriphosphat<br />
(ATP) zwischengelagert<br />
und kann für weitere Reaktionen<br />
der Zelle jederzeit abgerufen werden.<br />
Adenosintriphosphat (ATP) als Energielieferant<br />
ATP<br />
ADP<br />
AMP<br />
Ade<br />
Adenin<br />
Ribose<br />
Phosphat<br />
Die Energiewährung der Zelle benutzt ein Molekül aus einer Base (Adenin, rot) und einem Zucker<br />
(Ribose, blau), an das bis zu drei Phosphatmoleküle (grün) angehängt werden können. Durch die<br />
Anlagerung der Phosphate wird chemische Energie gespeichert, durch Abspaltung Energie freigesetzt.<br />
Die Energie wird in der Zelle genutzt, damit biologische Reaktionen des chemischen<br />
Energieumwandlers Zelle ablaufen können. Bis zu drei Phosphate können unter Energiegewinn vom<br />
Molekül abgespalten werden.<br />
Durch diesen Mechanismus wird die<br />
erzeugte Energie im ATP gebunden.<br />
Die meisten der chemischen Reaktionen<br />
in dem Energieumwandler Zelle<br />
erfolgen durch die Anlagerung oder<br />
Abspaltung eines Phosphatmoleküls.<br />
Die Langzeitspeicherung der Energie<br />
wird durch Fette (Lipide) oder Zucker<br />
gewährleistet.<br />
ATP ist die Energiewährung der Zelle,<br />
mit einer vergleichbaren Funktion wie<br />
das Geld in der Wirtschaft: Es wird bei<br />
energieerzeugenden Vorgängen produziert<br />
und bei energieverbrauchenden<br />
Vorgängen ausgegeben. Dieses<br />
kleine Molekül ist der Kurzzeitspeicher<br />
und Kurzzeittransporter von Energie in<br />
allen Lebewesen unseres Planeten,<br />
seien es Bakterien, Pflanzen, Tiere<br />
oder Menschen. Ein Mensch produziert<br />
und verbraucht an einem Tag eine<br />
Menge an ATP, die der Hälfte seines<br />
eigenen Körpergewichts entspricht.<br />
Bei starker körperlicher Belastung<br />
kann diese Menge auch ein Vielfaches<br />
des Körpergewichts ausmachen.<br />
Ein Leben ohne Sonne<br />
ist unmöglich<br />
Die gesamte biochemische Energie<br />
unseres Planeten stammt von der<br />
Sonne, ein Leben ist ohne die Sonne<br />
unmöglich. Pflanzen absorbieren das<br />
Sonnenlicht, um aus Kohlendioxid,<br />
Ammoniak und Wasser andere Makromoleküle<br />
wie zum Beispiel Zucker,<br />
Lipide oder Aminosäuren aufzubauen,<br />
die Menschen und Tieren als Nahrung<br />
dienen. Wir müssen Sauerstoff einatmen,<br />
um diese Kohlenstoffverbindungen<br />
mithilfe von Sauerstoff zu verbrennen.<br />
Auf unserem Planeten beruht<br />
daher das Leben: ein Mix aus Solarund<br />
Kohleenergie.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
„Was ist Leben? Die lebende Zelle mit den<br />
Augen eines Physikers betrachtet“ von Erwin<br />
Schrödinger, Piper, München, ISBN<br />
3492211348, 8,95 Euro<br />
„Lehninger Biochemie“ von Albert Lehninger,<br />
Berlin, ISBN 354041813 (2001), 64,95 Euro<br />
LINK:<br />
Prof. Blumes Medienangebot über Enzyme:<br />
http://dc2.uni-bielefeld.de/dc2/katalyse/<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 05
Um ATP zu erzeugen, spalten Enzyme<br />
in der Zelle Kohlenhydrate zu Traubenzucker<br />
(Glukose) und Fette zu Glycerin<br />
und Fettsäuren. Eiweißstoffe werden in<br />
ihre Einzelbestandteile, die Aminosäuren,<br />
zerlegt. Aus dem weiteren<br />
Abbau der Nährstoffe entstehen<br />
Brenztraubensäure (Pyruvat) und<br />
Acetyl-Coenzym-A, die ins Innere der<br />
Mitochondrien gebracht werden.<br />
06 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
MENSCH Wie der Körper Energie gewinnt<br />
Wie der Körper Energie gewinnt<br />
Von Dr. Erich Lederer<br />
Adenosintriphosphat (ATP) ist der wichtigste Energielieferant im menschlichen Körper.<br />
Mit seiner Hilfe bewegen sich Muskeln und werden Giftstoffe in der Leber unschädlich gemacht.<br />
Zellkraftwerk: Die Nährstoffe werden im Inneren der Zelle in ihre Untereinheiten zerlegt. Danach gelangen sie in das Mitochondrium, wo die endgültige<br />
Verbrennung und Energiegewinnung stattfindet. Zusammen mit dem angelieferten Sauerstoff aus der Lunge enstehen dabei der mobile<br />
Energiespeicher ATP sowie die Abfallprodukte Kohlendioxid und Wasser.<br />
Diese kleinen länglichen Kraftwerke der<br />
Zelle sind in ihrem Inneren stark gefaltet.<br />
Zwei wichtige Reaktionen sorgen<br />
dort für die Energiebereitstellung:<br />
Der Zitronensäure-Zyklus verarbeitet<br />
Acetyl-CoA zu je zwei Molekülen CO 2.<br />
Dabei entstehen als Zwischenprodukte<br />
die Coenzyme NADH und FADH.<br />
Deren angelagerte Wasserstoffmoleküle<br />
reagieren in der folgenden<br />
Atmungskette mit dem Luftsauerstoff<br />
zu Wasser. Die Katalysatoren dieser<br />
Verbrennung sitzen direkt in der inneren<br />
Mitochondrienmembran und sorgen<br />
für den überwiegenden Anteil an<br />
der ATP-Produktion.
Die großen Energieverbraucher in unserem Körper MENSCH<br />
Die großen Energieverbraucher<br />
Von Dr. Erich Lederer<br />
Selbst ohne Anstrengung benötigt der Körper Energie, um Kreislauf und Stoffwechsel in Gang<br />
zu halten. Etwa vier Kilojoule (dies entspricht einer Kilokalorie) pro Kilogramm Körpergewicht<br />
verbrauchen wir bei diesem „Grundumsatz“ in einer Stunde.<br />
Muskulatur:<br />
Auch in Ruhephasen verbraucht<br />
die Muskulatur<br />
große Mengen an Energie:<br />
26 Prozent zweigen die<br />
etwa 600 Muskeln des<br />
Körpers für ihre Bewegungen<br />
ab. Ihr Anteil am<br />
Körpergewicht: je nach<br />
Statur 23 bis 40 Prozent.<br />
Leber:<br />
Die Baustofffabrik und<br />
Recyclingzentrale ist einer<br />
der Energie-Großabnehmer:<br />
So werden etwa<br />
800 bis 1.000 Gramm<br />
Eiweiß pro Tag vor<br />
allem in diesem Organ<br />
auf- und abgebaut.<br />
Auf drei Prozent des<br />
Körpergewichts kommen<br />
26 Prozent des<br />
Energieverbrauchs.<br />
in unserem Körper<br />
Gehirn:<br />
Obwohl es nur etwa zwei Prozent<br />
unseres Körpergewichts ausmacht,<br />
gehört es zu den Großverbrauchern:<br />
Etwa 18 Prozent des Energieverbrauchs<br />
benötigt der Körper für<br />
seine Steuerzentrale.<br />
Herz:<br />
80 Jahre im 24-Stunden-Einsatz. Bei<br />
nur einem halben Prozent des<br />
Körpergewichts konsumiert die<br />
Hochleistungspumpe etwa neun<br />
Prozent der gesamten<br />
Energie, um unseren<br />
Kreislauf etwa zweieinhalb<br />
Milliarden Schläge<br />
lang am Leben zu halten.<br />
Nieren:<br />
Die Kläranlagen unseres<br />
Körpers wiegen<br />
nur jeweils etwa 200<br />
bis 300 Gramm,<br />
schlucken aber sieben<br />
Prozent der<br />
Energieerzeugung.<br />
15 Mal in der Stunde<br />
durchfließt das<br />
gesamte Blutvolumen<br />
unsere Nieren.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 07
08 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
MENSCH Zucker und Fett – angepasste Energie für den Körper<br />
Zucker und Fett –<br />
angepasste Energie für den Körper<br />
Von Dr. Erich Lederer<br />
Der Energiebedarf unseres Körpers schwankt je nach Ablauf unseres Alltags erheblich. Ein 100-Meter-Sprint steigert<br />
im Vergleich zum Nichtstun den Verbrauch pro Sekunde auf das 25fache, ein Marathonlauf immer noch etwa<br />
auf das 15fache. Für diese unterschiedlichen Ansprüche stehen unterschiedliche Depots zur Verfügung.<br />
Etwa 15 Sekunden reicht das Kreatinphosphat<br />
in unseren Muskeln. Sofort<br />
verfügbar, ermöglicht es die kurzzeitige<br />
Höchstleistung.<br />
Der Standardtreibstoff für die meisten<br />
Sportarten ist die Glukose. Als<br />
Glykogen in Muskeln und Leber<br />
gespeichert, reichen diese Lager etwa<br />
90 Minuten, bei intensivem Training<br />
auch länger. Ist der Vorrat vollkommen<br />
aufgebraucht, greifen die Muskeln<br />
auch nach der Glukose im Blut, die<br />
eigentlich für das Gehirn gedacht ist.<br />
Dieser „Hungerast“ führt dann zu Konzentrationsschwächen<br />
und Schwindel.<br />
Bei Ausdauerbelastungen nutzt der<br />
Körper seine fast unbegrenzten<br />
Fettreserven. Deren Verbrennung dauert<br />
allerdings zwei- bis dreimal so<br />
lange und ist nicht so effektiv wie der<br />
Energieverbrauch unterschiedlicher Aktivitäten (pro Stunde)<br />
Aktivität Kilojoule Kilokalorien<br />
Gehen 600 140<br />
Fahrradfahren - 20 km/h 1.950 470<br />
Laufen 3.260 780<br />
Schwimmen 2.130 510<br />
Tanzen 1.880 450<br />
Fußball spielen 3.010 720<br />
Hausarbeit 930 220<br />
Treppensteigen 2.080 500<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
„Optimale Ernährung des Sportlers“ von Dieter K. Baron und Aloys Berg, Stuttgart, 2004, ISBN: 3777613045, 26 Euro<br />
LINK:<br />
Energiebedarf-Rechner: www.uni-hohenheim.de/wwwin140/info/interaktives/energiebed.htm<br />
Zuckerantrieb. Langsames Laufen kurbelt<br />
daher die Fettverbrennung eher an<br />
als der Sprint.<br />
Für den Energietransport zum<br />
Bestimmungsort ist in jedem Fall<br />
Flüssigkeit notwendig: Schon in der<br />
Ruhephase benötigt der Körper etwa<br />
zweieinhalb Liter pro Tag. Bei einem<br />
Marathonlauf kommen vier bis fünf<br />
Liter dazu.
Was treibt Menschen zu Höchstleistungen an? LEBEN<br />
Was treibt Menschen zu<br />
Von Dr. Erich Lederer<br />
Höchstleistungen an?<br />
Hans Günter Winkler holte mit einem Bauchmuskelriss<br />
1956 für die deutsche Mannschaft der Springreiter<br />
die Goldmedaille.<br />
Sowohl im Sport als auch beim Kampf ums Überleben spielen Konzentration und der Wille zur Überwindung eine entscheidende Rolle.<br />
Die Energie, die einen Sportler zum Ausnahmeathleten macht, entsteht<br />
häufig im Kopf. Talent und Training schaffen meist nur die Grundlage,<br />
um entscheidende Kräfte abzurufen. Die Zuversicht, Herausforderungen<br />
zu meistern, trägt aber nicht nur Sportler zum Sieg, sondern kann in der<br />
Not das eigene Leben retten.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 09
50 Jahre ist es her, dass ein deutscher Sportler eine<br />
erstaunliche Leistung vollbrachte: Hans Günter Winkler, der<br />
vierte Mann in der deutschen Mannschaft der Springreiter,<br />
verletzte sich vor dem letzten Ritt bei den Olympischen<br />
Spielen 1956 in Stockholm. Mit einem Bauchmuskelriss<br />
stieg er noch einmal in den Sattel und absolvierte als einziger<br />
Reiter der Konkurrenz den Parcours ohne Fehler. Das<br />
bedeutete die Goldmedaille für das deutsche Team.<br />
Manche Menschen schaffen es, entgegen aller Widerstände<br />
die Schmerzen in ihrem Körper zu verdrängen und<br />
scheinbar verborgene Reserven für ihre Höchstleistung<br />
abzurufen.<br />
Vergebliche Suche nach den Fitness-Genen<br />
Trainingspläne und Ausrüstung von Spitzensportlern gleichen<br />
sich immer mehr an. Talent genügt meist nicht, um<br />
besser zu sein. Nach wie vor suchen Wissenschaftler vergeblich<br />
nach „Fitness-Genen“, mit denen sich zum Beispiel<br />
die Überlegenheit der Afrikaner im Mittel- und Langstreckenlauf<br />
erklären ließe. In einer anderen Sportart wurden<br />
Gentechniker ausnahmsweise fündig: 1964 gewann<br />
der finnische Skilangläufer Eeor Mäntyranta zwei<br />
Goldmedaillen. In seinem Erbgut fand man ein verändertes<br />
Gen für Erythropoetin (EPO). Es fördert die Bildung roter<br />
Blutkörperchen und damit die Sauerstoffaufnahme. Als<br />
schließlich synthetisches EPO auf den Markt kam, fielen<br />
viele lange bestehende Rekorde, bevor das Mittel auf die<br />
Dopingliste wanderte.<br />
Hilfe von der Sportpsychologie<br />
Oft entscheidet die Psyche über Sieg und Niederlage.<br />
Daher ist für viele Sportler inzwischen das mentale Training<br />
genauso wichtig wie das körperliche. Das reicht vom „inneren<br />
Sprechen“, also Anweisungen an sich selbst geben, bis<br />
zum Durchleben des Wettkampfs im Kopf. Im Gehirn werden<br />
dabei die gleichen Bereiche aktiviert wie bei der realen<br />
Bewegung. So nahm bei Skirennläufern die Leitfähigkeit<br />
der Haut und die Muskelspannung zu, als sie sich bei ihrer<br />
mentalen Vorbereitung im Geist der Schlüsselstelle der<br />
Abfahrt näherten.<br />
„Nachweislich falsch” sei die Vorstellung, dass mehr<br />
Anstrengung zu mehr Leistung führt, sagt Bernd Gasch,<br />
Professor für Psychologie an der Universität Dortmund.<br />
„Bestleistungen werden mit einem Motivationsgrad erreicht,<br />
der in der Mitte bis zu etwa zwei Drittel des Maximums<br />
liegt.“ Entscheidend ist die Überzeugung, die Aufgabe zu<br />
meistern. Zahlreiche Untersuchungen erfolgreicher Sportler<br />
bestätigen dabei das Prinzip der „Selbstwirksamkeit“ des<br />
kanadischen Psychologen Albert Bandura: „Der Glaube<br />
versetzt Berge“.<br />
Der Überlebenswille verdrängt Schmerzen<br />
Zuversicht und Vertrauen sind die Schlüssel zu unsichtbaren<br />
Türen, die nicht nur im Sport zu einem Reservoir ungeahnter<br />
Kräfte führen. In seinem Buch „Sturz ins Leere“<br />
beschreibt der britische Bergsteiger Joe Simpson die<br />
Antriebsfeder, die ihm 1985 mit zerschmettertem Fuß aus<br />
einer Gletscherspalte in den Anden heraushalf: „Ich würde<br />
diesen Sonnenstrahl erreichen. Ich wusste es mit absoluter<br />
Gewissheit.“ Nach drei Tagen erreichte er, von seinen<br />
10 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
LEBEN Was treibt Menschen zu Höchstleistungen an?<br />
Minenarbeiter aus Tasmanien verlassen den Stollen, in dem sie zwei<br />
Wochen zuvor verschüttet wurden. Die ganze Zeit glaubten die zwei fest<br />
an ihre Rettung.<br />
Kameraden längst für tot erklärt, schließlich das Tal. Der<br />
Bericht zweier australischer Minenarbeiter klingt ganz ähnlich.<br />
Todd Russell und Brant Webb wurden im April dieses<br />
Jahres in Tasmanien verschüttet und nach zwei Wochen<br />
lebend geborgen. Russel: „Ich sah das Bild meiner Frau und<br />
meiner drei Kinder“, so Russell, „und sagte mir: ,Ich werde<br />
nicht hier sterben‘“.<br />
Kenneth Kamler ist amerikanischer Expeditionsarzt und<br />
medizinischer Berater der Nasa. In seinem Buch „Überleben<br />
in der Todeszone“ beschreibt er Menschen, deren<br />
Überleben medizinisch oft nicht mehr zu erklären ist. Seiner<br />
Ansicht nach sendet das Gehirn in solch extremen<br />
Situationen einen starken Impuls an den Körper. Das Signal<br />
schaltet Schmerzen und andere Gefühle aus, die vom<br />
Erreichen des Ziels ablenken. Es ermöglicht ihm damit,<br />
Energien freizusetzen, die nur für Notfälle gedacht sind.<br />
Dass dieses Depot begrenzt ist, beweisen Berichte,<br />
wonach viele Menschen nach ihrer Rettung zusammenbrechen<br />
und zuweilen auch sterben. Bernd Gasch findet dafür<br />
ein anschauliches Bild: „Ich stelle mir das wie ein elastisches<br />
Band vor, das über seine Grenze überzogen wurde.<br />
Damit hat es seine Elastizität verloren und ist nicht mehr<br />
funktionstüchtig.“<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
„Überleben in der Todeszone“ von Kenneth Kamler, Bergisch<br />
Gladbach, 2005, ISBN: 3-7857-2202-8; 397 Seiten, 19,90 Euro<br />
„Sturz ins Leere“ von Joe Simpson, München, 2005 (Erstausgabe<br />
1989), ISBN: 3-492-21247-6, 256 Seiten, 10,– Euro<br />
Der erfolgreiche gleichnamige Kinofilm erschien 2004
Führungspersönlichkeiten – Energiebündel oder Egokrüppel? LEBEN<br />
Führungspersönlichkeiten –<br />
Energiebündel oder Egokrüppel?<br />
Von Dr. Doris Marszk<br />
Sie überzeugen. Sie entschei-<br />
den. Sie ordnen an. Müdig-<br />
keit ist für sie ein Fremdwort.<br />
Geliebt werden sie selten,<br />
aber man spricht von ihnen<br />
mit Respekt. Woher nehmen<br />
diese Powerpersönlichkeiten<br />
ihre Kraft und ihren Ehrgeiz?<br />
Gibt es die „geborenen<br />
Führer“, oder ist alles eine<br />
Frage des Trainings und der<br />
richtigen Berater?<br />
Führen Frauen anders? Sicher ist: Sie führen<br />
seltener: In nur sieben von fast 200 Staaten der<br />
Erde ist zurzeit eine Frau Regierungs-Chefin.<br />
Angela Merkel ist eine von ihnen.<br />
Die moderne Psychologie gibt sich<br />
zurückhaltend, wenn von „geborenen<br />
Führern“ oder von „charismatischen<br />
Persönlichkeiten“ die Rede ist.<br />
Spätestens die Erfahrung des<br />
Nationalsozialismus hat gezeigt: Wo<br />
keine Gefolgschaft ist, gibt es auch<br />
keinen Führer. Darum betrachtet heute<br />
die Forschung meist Führungspersönlichkeiten<br />
und Geführte zusammen.<br />
Auch die Situation, in der sich<br />
Führer und Geführte befinden, wird<br />
einbezogen.<br />
Dennoch: Hätte sich Napoleon in der<br />
Schlacht von Austerlitz das Genick<br />
gebrochen, hätte ihn keiner seiner<br />
Brüder ersetzen können. Aber auch,<br />
Beim Fußball, das hat sich gerade bei der<br />
Weltmeisterschaft gezeigt, kommt es sehr viel<br />
auf die Führung durch den Trainer an. Jürgen<br />
Klinsmann hat mit neuen Trainingsmethoden<br />
die deutsche Nationalelf auf Platz 3 geführt.<br />
wenn nicht jede Führungspersönlichkeit<br />
ein Napoleon ist – wenn ein<br />
Firmenchef stirbt oder sein Unternehmen<br />
in andere Hände legt, kann<br />
dies den Untergang seines Unternehmens<br />
einläuten. Was also haben<br />
Führungspersönlichkeiten, was andere<br />
nicht haben?<br />
Professor Dr. Johannes Steyrer von<br />
der Wirtschaftsuniversität Wien sieht<br />
drei Persönlichkeitsvariablen als entscheidend<br />
für eine Führungspersönlichkeit<br />
an: Sie muss ein Macht- und<br />
Gestaltungsmotiv haben. Sie muss<br />
erkennen können, in welchen Kontexten<br />
sie agiert und wie sie sich die-<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 11
Kaum ein Papst hat es so sehr verstanden, ein<br />
Amt zu gestalten und in diesem Amt etwas zu<br />
bewegen wie Johannes Paul II.<br />
sen optimal anpasst. Und drittens<br />
muss ihr Leistungsmotiv ausgewogen<br />
sein. Die Führungskraft muss führen.<br />
Sie darf die anfallende Arbeit nicht<br />
immer gleich selbst erledigen wollen.<br />
„Das Machtmotiv ist die Variable, die<br />
sich am wenigsten trainieren lässt“,<br />
sagt Professor Steyrer. „Das Machtmotiv<br />
ist etwas, was man hat oder<br />
nicht.“ Dieses Machtmotiv wirkt stimulierend.<br />
Aus Tiefeninterviews mit<br />
österreichischen Führungskräften<br />
weiß Professor Steyrer: „Diese Leute<br />
haben einen Energielevel, der weit<br />
über dem Durchschnitt liegt. Ein<br />
Arbeitspensum von 70 Stunden<br />
wöchentlich ist keine Seltenheit.“<br />
Wie aber entsteht so ein<br />
Machtmotiv?<br />
Die psychologische Forschung geht<br />
davon aus, dass die „geborenen<br />
Führer“ nicht etwa ein „Macht-Gen“ in<br />
sich tragen. Vielmehr ist es so, dass<br />
uns alle die ganze Kindheit hindurch<br />
mehr oder weniger starke Phantasien<br />
der eigenen Großartigkeit begleiten.<br />
„Am Beginn des Lebens steht nicht<br />
der bescheidene Bürger, sondern der<br />
Großtyrann“, schreibt der Psychologe<br />
Wolfgang Schmidbauer in seinem<br />
Buch Persönlichkeit und Menschenführung.<br />
Das Kind will alles, jetzt und<br />
sofort. Im Baby- und Kleinstkindalter<br />
geht es vor allem darum, Nahrung und<br />
Zuwendung von anderen ständig zur<br />
Verfügung zu haben. In der Kindheit<br />
und Jugend begleiten das Individuum<br />
Größen- und Allmachtsphantasien.<br />
12 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
LEBEN Führungspersönlichkeiten – Energiebündel oder Egokrüppel?<br />
Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der<br />
Deutschen Bank, gilt vielen als Führungspersönlichkeit<br />
ohne Rücksicht auf die Geführten:<br />
Als die Deutsche Bank Rekordgewinne erzielte,<br />
kündigte Ackermann den Abbau von 6.000<br />
Arbeitsplätzen an.<br />
Entscheidend ist, wie die Umwelt auf<br />
diesen kindlichen Narzissmus reagiert<br />
und wie sehr diese Phantasien ausgelebt<br />
werden können. Manche Eltern<br />
setzen ihren Kindern starke Schranken<br />
und geben ihnen fast keine<br />
Bestätigung ihrer Vorstellungen von<br />
der eigenen Großartigkeit. Manche<br />
entwerten Kinder mit ihren Vorstellungen<br />
auch, beschämen sie oder<br />
stellen sie bloß. Andere zeigen ihren<br />
Kindern, wie sehr sie alles unterstützen,<br />
was sie tun und spiegeln die<br />
Vorstellung, welche die Kinder von<br />
sich selbst haben. Der beste Weg liegt<br />
natürlich, wie so oft, in der Mitte.<br />
Davon, in welche Bahnen diese<br />
Größenphantasien gelenkt werden,<br />
hängt ab, ob jemand später eine<br />
Führungsrolle einnimmt und wie er<br />
oder sie diese ausfüllt. Im positiven Fall<br />
traut sich das Individuum einen<br />
Spitzenplatz zu und kämpft um ihn.<br />
„Aber er kämpft nicht mit dem Rücken<br />
zur Wand, sondern kann eine<br />
Niederlage abtrauern“, schreibt<br />
Schmidbauer. „Wer hingegen seine<br />
Grandiosität trotzig gegen beschämende<br />
Entwertungen und die quälenden<br />
Gefühle verteidigen musste, nicht<br />
genügend geliebt und anerkannt zu<br />
sein, der muss sich immer verbessern<br />
und darf sich nie wirklich in der<br />
Gegenwart erholen.“<br />
Führungspersönlichkeiten sind<br />
heute psychisch gesünder als früher<br />
Führungspersönlichkeiten sind also<br />
nicht in jedem Fall narzisstisch gestör-<br />
Madonna ist nicht nur Sängerin und Sexsymbol.<br />
Sie entwickelte zu vielen ihrer Alben<br />
einen neuen „Look“. Mit bauchfreien Tops und<br />
Lederarmbändern setzte sie neue Trends in<br />
der Damenmode.<br />
te Menschen. Sie können es aber<br />
sein, wie viele historische Beispiele<br />
zeigen. „Leute in Führungspositionen<br />
sind zwar immer narzisstischer als der<br />
Rest“, sagt Professor Steyrer, „aber<br />
heutzutage sind Führungskräfte auch<br />
psychisch gesünder als noch vor<br />
Jahrzehnten. Das liegt an der stärkeren<br />
Selektion im Berufsleben.<br />
Ausgeprägte Pathologien würden aussortiert<br />
werden oder scheitern.“<br />
Aus seinen Tiefeninterviews weiß der<br />
Wiener Forscher: Das sind Menschen,<br />
die von der Faszination leben, etwas<br />
gestalten zu können. Viele arbeiten auf<br />
Hochtouren. Aber sie können auch<br />
genießen, was sie erreicht haben.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
Einführung in die Thematik: „Persönlichkeit<br />
und Menschenführung. Vom Umgang mit<br />
sich selbst und anderen“ von Wolfgang<br />
Schmidbauer, München, 2004, ISBN<br />
3423243902, 7,95 Euro<br />
(Das Buch ist zurzeit vergriffen, soll aber<br />
Anfang 2007 in einer Neuauflage erscheinen).<br />
Wissenschaftliche Monografie: „Charisma in<br />
Organisationen: Sozial-kognitive und psychodynamisch-interaktive<br />
Aspekte von Führung“<br />
von Johannes Steyrer, Frankfurt/New York,<br />
1995, ISBN 3593353121<br />
Ratgeber: „Das Rubicon-Prinzip: Ein Selbstmanagement-Programm<br />
für mehr Handlungskompetenz<br />
und Entscheidungsstärke“<br />
von Helmut Fuchs/Andreas Huber, München,<br />
2003, ISBN 3423243619, 14,– Euro
Neue Eiszeit in Sicht? GLOBAL<br />
Neue Eiszeit in Sicht?<br />
Von Hertha Kerz<br />
Kaum ein Thema beschäftigt die Klimaforscher so sehr wie die Frage, ob sich der<br />
Nordatlantikstrom abschwächt oder nur fluktuiert. Für Nordeuropa könnte die Antwort lebens-<br />
wichtig sein. Wie in keiner anderen Region der Erde hat hier eine Meeresströmung die<br />
Entwicklung von Kultur, Wirtschaft und Geschichte gefördert. Aber so einfach die Frage, so<br />
schwierig ist ihre Beantwortung. Alarmiert durch Messungen seit Mitte des vorigen<br />
Jahrhunderts argwöhnten Wissenschaftler, dass der Nordatlantikstrom an Kraft verliert.<br />
Ausbringen und Einholen der Verankerungen auf „Charles Darwin“: Das Forschungsprojekt Rapid Moc untersucht anhand von 22 Verankerungen den<br />
Nordatlantikstrom. Gemessen werden sowohl die nordwärts gerichtete warme Strömung als auch das in die Tiefe sinkende zurückfließende südwärts<br />
strömende Wasser. Die Verankerungen wurden quer durch den Atlantik ausgebracht. Von Küste zu Küste, zwischen den Bahamas und Afrika werden<br />
die Dichteprofile der Gesamtzirkulation von der Wasseroberfläche bis zum Boden gemessen.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 13
Normale Funktion des Golfstroms<br />
Warmes Wasser strömt nach Norden und als kaltes Tiefenwasser<br />
zurück nach Süden. Zum Antrieb des Nordatlantikstroms<br />
wird salziges Wasser, das hinreichend kalt werden<br />
kann, benötigt. Im gegenwärtigen Klima ist die Zirkulation<br />
eine sich selbst aufrecht erhaltende Pumpe: Je stärker das<br />
Tiefenwasser gebildet wird, desto mehr warmes Wasser<br />
wird an der Oberfläche nach Norden gezogen.<br />
14 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
GLOBAL Neue Eiszeit in Sicht?
Neue Eiszeit in Sicht? GLOBAL<br />
Gestörte Funktion des<br />
Golfstroms<br />
Computermodelle zeigen, dass es<br />
durch einen Frischwassereintrag,<br />
zum Beispiel Abschmelzen der Eisschilde<br />
oder Wasserdampftransport<br />
von den Tropen als Folge der Erderwärmung,<br />
zu einer Veränderung<br />
des Antriebsmechanismus kommen<br />
könnte. Dies würde zu einer starken<br />
Abschwächung des Wärmetransports<br />
und damit zu einer Verzögerung<br />
der Erwärmung in Europa führen.<br />
Wärme am laufenden Band<br />
Das zumindest ist sicher: Der Nordatlantikstrom liefert<br />
Nordeuropa genug Wärme, um die Temperaturen vier bis<br />
fünf Grad über den auf diesen Breiten üblichen Wert zu<br />
heben. Der Wasser- und damit Wärmetransport im<br />
Nordatlantik beginnt mit dem Golfstrom in der Karibik.<br />
Dieser befördert 28 Millionen Kubikmeter Wasser pro<br />
Sekunde Richtung Norden. Nach einiger Zeit zweigt ein Teil<br />
nach Südosten ab und fließt zurück zum Ausgangspunkt.<br />
Der große Rest, zwei Drittel, fließen als Nordatlantikstrom<br />
weiter Richtung Nordeuropa. Je weiter er nach Norden<br />
kommt, desto mehr Wärme verliert er an die Atmosphäre.<br />
Wenn das Wasser abgekühlt ist, sinkt es nach unten, um<br />
nach Süden zurückzukehren. Befürchtungen, dass diese<br />
Zirkulation nachlassen könnte, wurden durch fünf<br />
Messfahrten zwischen 1957 bis 2004 ausgelöst. Hierbei<br />
wurde festgestellt, dass der Wassertransport Richtung<br />
Norden abnahm. Inzwischen wird diese Annahme von denselben<br />
Wissenschaftlern relativiert. Fachleute gehen nun<br />
von einer natürlichen Fluktuation des Nordatlantikstroms<br />
aus. Sie argumentieren, anhand von fünf Momentaufnahmen<br />
sei nicht festzustellen, ob ein Trend vorliege<br />
oder nicht. Ein internationales Projekt soll nun Aufschluss<br />
geben.<br />
Alles fließt – oder nicht?<br />
Das Projekt Rapid Moc misst den Wassertransport der<br />
Zirkulation. Hierzu wurden 22 Verankerungen mit Messgeräten<br />
auf dem 26. Breitengrad quer über den Atlantik<br />
ausgebracht. An Ketten befestigt, werden sie durch ausgemusterte<br />
Eisenbahnräder auf dem Meeresboden festgehalten.<br />
Jährlich fahren die Wissenschaftler hinaus, um<br />
die Daten zu sichern, neue Batterien einzusetzen und verloren<br />
gegangene Verankerungen zu ersetzen. Das Projekt<br />
will ein Prototyp-System entwickeln, mit dem man Stärke<br />
und Struktur des Nordatlantikstroms beobachten kann.<br />
Zugleich fließen die Daten als Vergleichsmessungen in ein<br />
Modell ein, welches errechnet, wie lange der Nordatlantikstrom<br />
beobachtet werden muss, um eine klare<br />
Aussage treffen zu können, ob der Wassermassentransport<br />
tatsächlich abnimmt, oder ob es sich um Fluktuationen<br />
handelt.<br />
Alles nur Fluktuation?<br />
Zuerst die gute Nachricht: Zu einer neuen Eiszeit wird es<br />
keinesfalls kommen. Doch ob die Wassertransporte im<br />
Nordatlantikstrom nachlassen oder nicht, ist zum jetzigen<br />
Zeitpunkt nicht feststellbar. Tatsächlich weisen die bisherigen<br />
Ergebnisse aus dem Rapid Moc-Projekt darauf hin,<br />
dass der Nordatlantikstrom einer natürlichen Fluktuation<br />
unterliegt. Doch ob diese Schwankungen schon immer<br />
existiert haben oder erst in jüngerer Vergangenheit aufgetreten<br />
sind, ist momentan nicht festzustellen. Eventuell wird<br />
<strong>explore</strong> 3/2006 - 15
es möglich sein, einen jahreszeitlichen Trend auszumachen.<br />
Hier könnten die fünf Punktmessungen aus den Jahren<br />
1957 bis 2004 als Vergleich dienen. Doch aufgrund dieser<br />
Fluktuation sind sehr lange Messreihen notwendig, um konkrete<br />
Ergebnisse zu erzielen. „Auf Daten, die weniger als 20<br />
Jahre kontinuierlicher Messung umfassen, können wir uns<br />
nicht verlassen“, erklärt Johanna Baehr, Wissenschaftlerin<br />
am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. „Wir<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Seit Jahren wird publiziert, der Nordatlantikstrom schwächt<br />
sich ab.<br />
Professor Jochem Marotzke:<br />
Das wird von Leuten gesagt, die nicht wissen, wovon sie<br />
reden. Was man festgestellt hat, ist, dass sich gewisse<br />
Eigenschaften im Atlantik verändert haben. Und typischerweise<br />
waren es Eigenschaften, die man auch erwarten<br />
würde, wenn sich die Zirkulation abschwächt. Es gibt gewisse<br />
Anzeichen dafür, dass sich etwas verändert hat, aber<br />
es gab keine Messungen der Gesamtzirkulation, sondern<br />
nur fünf Momentaufnahmen zwischen 1957 und 2004.<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Welche Anzeichen waren das?<br />
Professor Jochem Marotzke:<br />
Die Tiefenzirkulation war schwächer. Der Nordatlantikstrom<br />
geht nach Norden. Ein Teil davon fließt vorher jedoch wieder<br />
zurück. Und die Frage ist die Aufteilung zwischen diesen<br />
beiden Strömungen. Der Nordatlantikstrom hört nicht<br />
auf, aber was aufhören könnte, ist dieser Zweig, der im<br />
Norden in die Tiefe sinkt.<br />
16 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
Professor Jochem Marotzke,<br />
Direktor des Max-Planck-Instituts<br />
für Meteorologie in Hamburg.<br />
Keine voreiligen<br />
Schlüsse ziehen!<br />
GLOBAL Mit Eisenbahnrädern der Fernwärme auf der Spur<br />
<strong>explore</strong>: INTERVIEW<br />
wissen zu wenig von der natürlichen Variabilität, als dass<br />
wir einschätzen könnten, ob das ein Trend ist, oder eine<br />
langfristig robuste Veränderung.“ Heißt das, wir werden<br />
noch 20 Jahre auf Ergebnisse warten müssen? Johanna<br />
Baehr: „Das hängt davon ab, wie stark der Trend wäre. Es<br />
ist schwerer, einen schwachen Trend zu erkennen. Wenn<br />
die natürlichen Fluktuationen groß sind, dann dauert das<br />
sehr lange.“<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Wenn sich dieser nördliche Zweig abschwächt, was wären<br />
die Folgen?<br />
Professor Jochem Marotzke:<br />
Wenn sich ein so wichtiger Teil der Ozeanzirkulation radikal<br />
ändert, hat das alle möglichen Nebeneffekte. Die Strömungen<br />
und der Meeresspiegel verändern sich. Welche<br />
Auswirkungen das auf die Ökologie im Ozean, wie Phytoplankton,<br />
Zooplankton, Fischgründe haben wird, können<br />
wir gar nicht sagen. Es ist denkbar, dass Norwegen von Eis<br />
bedeckt wird und die Häfen zufrieren. Aber der wichtigste<br />
Punkt ist, dass sehr viele Konsequenzen lauern, die wir zurzeit<br />
nicht präzisieren können, weil sie regional verteilt<br />
wären.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
BUCHTIPP:<br />
„Klimafakten. Der Rückblick – Ein Schlüssel für die Zukunft“ von Ulrich<br />
Berner und Hansjörg Streif, (Hrsg.), Stuttgart, 2004, ISBN: 3-510-<br />
95913-2, 259 Seiten, ca. 39,90 Euro<br />
LINKS:<br />
Die Eiszeit kommt! – und andere Presse-Irrtümer. Häufige<br />
Missverständnisse zum Thema Golfstrom – eine kleine Hilfestellung für<br />
verwirrte Zeitungsleser.<br />
http://www.pik-potsdam.de/~stefan/eiszeitkommt.html
Unser Netzwerk<br />
Verbindungen, die Kunden nutzen<br />
17 - <strong>explore</strong>: 3/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Mehr zu den mit gekennzeichneten<br />
Themen unter:<br />
www.tuev-nord.de/<strong>explore</strong><br />
<strong>explore</strong>:3/2006 - 18<br />
Kontakt:<br />
Axel Richter<br />
axrichter@tuev-nord.de<br />
0201 825-4120<br />
„Im Stadtverkehr war der<br />
Mehrverbrauch besonders<br />
auffällig.“<br />
Wie wirken sich Klimaanlagen auf<br />
den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen<br />
aus? Dieser Frage ist das<br />
Institut für Fahrzeugtechnik und<br />
Mobilität (IFM) im Auftrag des deutschen<br />
Umweltbundesamts nachgegangen.<br />
Fünf unterschiedliche Fahrzeuge<br />
wurden bei einer Außentemperatur<br />
von 30 Grad Celsius auf<br />
einen Prüfstand gestellt, um den<br />
Kraftstoffverbrauch zu messen.<br />
Dazu wurde von den IFM-Mitarbeitern<br />
ein Testzyklus gefahren,<br />
der Stadtverkehr, Landstraßen- und<br />
Autobahnfahrten simuliert. Das<br />
Ergebnis der Untersuchung: Die<br />
Testfahrten mit und ohne Klimaanlageneinsatz<br />
führten zu teilweise<br />
erheblichen Unterschieden im<br />
Kraftstoffverbrauch. „Im Stadtverkehr<br />
war der Mehrverbrauch<br />
besonders auffällig. Gerade Kleinfahrzeuge<br />
mit geringer Motorisierung<br />
kommen dann gelegentlich<br />
an ihre Leistungsgrenzen“, sagt<br />
Axel Richter vom IFM. Einige<br />
Fahrzeughersteller nahmen den<br />
Test zum Anlass, um eigene<br />
Untersuchungen vorzunehmen.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Gerhard Dreier<br />
gdreier@tuev-nord.de<br />
040 8557-2262<br />
„Aufgrund der Widrigkeiten<br />
beim Bau solcher Anlagen ist<br />
es für Kunden wichtig, einen<br />
verlässlichen Partner zu<br />
haben, der auch kurzfristig zu<br />
Inspektionen kommt.“<br />
Prokon Nord Energiesysteme vertraut<br />
der Kompetenz und der Erfahrung seines<br />
„Kraftwerks-<strong>TÜV</strong>“: Bei Bau und<br />
Inbetriebnahme dreier Kraftwerksprojekte<br />
in Papenburg, Hamburg und<br />
Emlichheim war <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Industrieberatung<br />
umfassend beteiligt. „Wir haben<br />
mit unseren Kunden den Antrag<br />
für das Genehmigungsverfahren nach<br />
Bundesimmissionsschutzgesetz erstellt,<br />
das Anlagenkonzept hinsichtlich<br />
der Eignung und des Zusammenspiels<br />
der Kraftwerkskomponenten geprüft,<br />
technische und wirtschaftliche<br />
Stellungnahmen für die Finanzierung<br />
erstellt und schließlich Bau und Montage<br />
auf der Baustelle überwacht“,<br />
sagt Dr. Gerhard Dreier, Kraftwerks-<br />
Branchenmanager von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Industrieberatung. Die Kraftwerks-<br />
Fachleute waren auch bei dem Nachweisen<br />
des Wirkungsgrades vor Ort.<br />
Hinzu kamen Besuche in den Werken<br />
der Hersteller, die teilweise im Ausland<br />
ihre Produktionsanlagen unterhalten.<br />
„Aufgrund der Widrigkeiten beim Bau<br />
solcher Anlagen ist es für Kunden<br />
wichtig, einen verlässlichen Partner zu<br />
haben, der auch kurzfristig zu<br />
Inspektionen kommt“, so Dr. Dreier.<br />
Das gemeinsame Ziel von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Industrieberatung und Prokon Nord<br />
Energiesysteme: Die Anlagen sollen<br />
qualitativ hochwertig sein und eine<br />
hohe Verfügbarkeit haben.<br />
Außerdem sollten trotz eines ehrgeizigen<br />
Zeitrahmens alle Sicherheits- und<br />
Arbeitsschutzstandards eingehalten<br />
werden. Für Ingo de Buhr, Geschäftsführer<br />
von Prokon Nord Energiesysteme,<br />
ergab sich durch Einschaltung<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Industrieberatung der<br />
Vorteil, einen technischen Dienstleister<br />
mit breiter und solider Kraftwerks-<br />
Andre Hamers, Bereichsleiter Kraftwerke<br />
von Prokon Nord, (2. v.l.) und Ingo de Buhr,<br />
Prokon Nord-Geschäftsführer, (rechts) bei<br />
einer Präsentation im Kraftwerk Papenburg.<br />
Integration des Biomasseheizkraftwerks auf<br />
dem Gelände der Müllverbrennungsanlage an<br />
der Borsigstraße in Hamburg zwischen den<br />
Kesselanlagen und der Schlackehalle.<br />
erfahrung zu haben. De Buhr: „Mit<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Industrieberatung haben<br />
wir bei diesem Punkt Fachleute im<br />
Boot gehabt, die ihr Handwerk mehr<br />
als verstehen.“
Kontakt:<br />
Gregor Hülmann<br />
ghuelmann@<br />
tuev-nord.de<br />
0511 986-1975<br />
„Der Einbau von Teilen, die<br />
nicht den Vorgaben entsprechen,<br />
kann lebensgefährlich<br />
sein.“<br />
Wenn Gregor Hülmann vom Institut<br />
für Materialprüfung einen Auftrag<br />
erhält, dann geht es meist um<br />
Schäden an Bauteilen aus metallischen<br />
Werkstoffen. Das können<br />
Eisenbahnschienen sein, Pleuelstangen,<br />
Dampfkessel oder Druckbehälter.<br />
Und es geht darum, Gefahren<br />
zu vermeiden. Etwa die Explosion<br />
von Behältern, die unter starkem<br />
Druck stehen. Schadensanalysen<br />
belegen, dass häufig Konstruktions-<br />
und Handhabungsfehler<br />
Ursache des Problems sind. In einem<br />
von zehn Fällen, so die Erkenntnis<br />
des Sachverständigen für Maschinenund<br />
Anlagenschäden, wurde falsches<br />
oder fehlerhaftes Material verwendet.<br />
Eine weltweite Stahlknappheit und<br />
der zunehmende internationale Wettbewerb<br />
seien Gründe dafür, dass<br />
unzureichend qualitätsgesicherte<br />
Produkte importiert würden. „Der<br />
Einbau von Teilen, die nicht den<br />
Vorgaben entsprechen, kann lebensgefährlich<br />
sein“, warnt der Diplom-<br />
Ingenieur. Deshalb empfiehlt er seinen<br />
Kunden, die Ware schon beim Eingang<br />
zu kontrollieren. „Dafür muss<br />
man glücklicherweise keine Materialproben<br />
entnehmen, es reicht eine<br />
Messung mit unserem mobilen<br />
Emissionsspektrometer aus“, so<br />
Hülmann. Eine solche präventive<br />
Messung könne viele Schäden verhindern,<br />
sie sei recht schnell zu realisieren,<br />
selbst komplette Maschinen<br />
könnten während der Untersuchung<br />
weiter betrieben werden. Das habe<br />
sogar schon eine pharmazeutische<br />
Fabrik in Kairo genutzt, um während<br />
des Betriebs Bauteile von Reaktorgefäßen<br />
prüfen zu lassen.<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT bescheinigt<br />
T-Mobile<br />
Deutschland die<br />
beste Netzqualität<br />
nach<br />
QvK-Standard.<br />
Kontakt:<br />
Dr. Peter Morawietz<br />
pmorawietz@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-3301<br />
„Zweimal im Jahr auditieren<br />
wir T-Mobile, um festzustellen,<br />
ob die Vergabekriterien<br />
noch erfüllt sind.“<br />
Produkte und Dienstleistungen, deren<br />
Qualität von einer unabhängigen<br />
Instanz geprüft wird, haben am Markt<br />
einen deutlichen Wettbewerbsvorteil.<br />
Das weiß auch das Mobilfunkunternehmen<br />
T-Mobile zu schätzen. Seit<br />
mehreren Jahren unterzieht der Anbieter<br />
deshalb seine Netzabdeckung<br />
regelmäßig einem <strong>TÜV</strong> ServiceCheck<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT. „Zweimal im<br />
Jahr auditieren wir T-Mobile, um festzustellen,<br />
ob die Vergabekriterien noch<br />
erfüllt sind“, sagt Dr. Peter Morawietz,<br />
Produktmanager für den <strong>TÜV</strong><br />
ServiceCheck bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT.<br />
Dabei greifen die Fachleute auf die<br />
eigenen Messungen der Telekom<br />
zurück. Allein beim jüngsten <strong>TÜV</strong><br />
ServiceCheck haben die Fachleute<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT die Daten von<br />
über 350.000 Telefongesprächen ausgewertet.<br />
Dabei geht es um Quoten<br />
für Gesprächsabbrüche und Misserfolge<br />
beim Verbindungsaufbau – die<br />
so genannten QvK-Kriterien (Qualitätsvergleich<br />
aus Kundensicht). Aufgrund<br />
der Ergebnisse bescheinigte <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT dem Mobilfunkanbieter:<br />
„T-Mobile Deutschland bietet die beste<br />
Netzqualität nach QvK-Standard.“<br />
Eine Aussage, mit der T-Mobile seine<br />
Produkte jetzt noch besser vermarkten<br />
kann. „Außerdem motiviert<br />
ein Zertifikat nach dem <strong>TÜV</strong> ServiceCheck<br />
auch die Mitarbeiter“,<br />
sagt Dr. Morawietz.<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Dr. Guido Rettig<br />
grettig@tuev-nord.de<br />
040 8557-2202<br />
„Ziel ist es, das Auslandsgeschäft<br />
in unseren internationalen<br />
Märkten weiter<br />
auszubauen.“<br />
Die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> blickt auf<br />
ein erfolgreiches Jahr 2005 zurück.<br />
Der Konzernumsatz kletterte im<br />
zweiten gemeinsamen Geschäftsjahr<br />
um 9,7 Millionen auf 610,4<br />
Millionen Euro, das Ergebnis vor<br />
Steuern betrug 24,2 Millionen Euro.<br />
Damit wurde das Vorjahresergebnis<br />
um 6,9 Millionen Euro übertroffen.<br />
Die Umsatzrendite vor Steuern lag<br />
2005 bei 4,0 Prozent. Dr. Guido<br />
Rettig, Vorsitzender des Vorstands<br />
der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG, kündigte an,<br />
den Konzern im In- und Ausland<br />
weiter auszubauen. Für 2006 rechnet<br />
das Unternehmen mit einer<br />
moderaten Steigerung des Konzernumsatzes<br />
und einer weiterhin<br />
stabilen Ergebnisentwicklung.<br />
Wachstum erzielte die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>Gruppe</strong> vor allem im Ausland, wo<br />
der Konzern insgesamt 73,1 Millionen<br />
Euro erwirtschaftete – ein Plus<br />
von 11,2 Prozent gegenüber dem<br />
Vorjahr. Vor allem in den Wachstumsmärkten<br />
Asien, Saudi-Arabien,<br />
Vereinigte Arabische Emirate und<br />
Osteuropa ist die <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
<strong>Gruppe</strong> mit eigenen Gesellschaften<br />
vor Ort. „Ziel ist es, das Auslandsgeschäft<br />
in unseren internationalen<br />
Märkten weiter auszubauen“, sagte<br />
Dr. Rettig. Auch im Inland ist die<br />
Ausweitung von <strong>TÜV</strong>-Produkten an<br />
neuen Standorten und Regionen<br />
geplant. „Wir wollen den Markt<br />
offensiv bearbeiten“, kündigte<br />
Dr. Rettig an.<br />
Wachstum verspricht auch das<br />
neue Geschäftsfeld Aviation. <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> CERT ist das erste<br />
Unternehmen in Europa, das EUweit<br />
Flugsicherungsorganisationen<br />
zertifizieren darf.<br />
19 - <strong>explore</strong>: 3/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 20<br />
Kontakt:<br />
Leif-Erik Schulte<br />
lschulte@tuev-nord.de<br />
0201 825-4129<br />
„Wir messen die Stickoxid-<br />
Reduktion, indem wir die<br />
Motoren unter realistischen<br />
Bedingungen vor und nach<br />
der Umrüstung testen.“<br />
Das Institut für Fahrzeugtechnik und<br />
Mobilität (IFM) in Essen begleitet ein<br />
vom Land Nordrhein-Westfalen<br />
gefördertes Projekt zur Reduzierung<br />
von Stickoxid-Emissionen. In dem<br />
Projekt lässt die Düsseldorfer<br />
Rheinbahn AG derzeit gängige<br />
Busmotoren bei einem schwedischen<br />
Systementwickler mit einer<br />
Abgasrückführung nachrüsten. „Wir<br />
messen die Stickoxid-Reduktion,<br />
indem wir die Motoren unter realistischen<br />
Bedingungen vor und nach<br />
der Umrüstung testen“ sagt Leif-Erik<br />
Schulte vom IFM.<br />
Um exakte Ergebnisse zu erzielen,<br />
wird auf den Prüfständen des IFM<br />
das so genannte Düsseldorfer Profil<br />
gefahren. Die dort erzielten Ergebnisse<br />
werden mittels Messfahrten<br />
auf der Straße verifiziert. „Wir setzen<br />
dazu moderne mobile Abgasmesstechnik<br />
ein“, so Schulte.<br />
Überzeugen die Testergebnisse, wird<br />
die Rheinbahn mittelfristig Busse<br />
entsprechend umrüsten lassen.<br />
Hintergrund des vom IFM begleiteten<br />
Projekts ist eine bevorstehende<br />
veränderte Gesetzeslage. Von 2010<br />
an wird die europäische Luftqualitätsrichtlinie<br />
um Stickoxide<br />
ergänzt. Analog zu den Feinstaub-<br />
Partikeln dürfen dann bestimmte<br />
Tages- und Jahreswerte nicht überschritten<br />
werden.<br />
Kontakt:<br />
Volker Klosowski<br />
vklosowski@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-2000<br />
Kontakt:<br />
Prof. Dr. jur. Elmar<br />
Giemulla<br />
egiemulla@<br />
tuev-nord.de<br />
030 22679300<br />
„Wir sind sehr stolz, das<br />
Bundesministerium für<br />
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung<br />
von unserer Kompetenz<br />
überzeugt zu haben.“<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT hat am 17. Mai auf<br />
der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung<br />
(ILA) in Berlin vom<br />
Bundesministerium für Verkehr, Bau<br />
und Stadtentwicklung (BMVBS) die<br />
Akkreditierung zur Zertifizierung von<br />
Flugsicherungsorganisationen erhalten.<br />
Volker Klosowski, Mitglied des<br />
Vorstands der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
und zuständig für die Geschäftsbereiche<br />
Zertifizierung und International,<br />
nahm die Akkreditierungs-<br />
urkunde aus den Händen von<br />
Dr. Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär<br />
beim BMVBS, entgegen.<br />
Damit ist <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT das erste<br />
Unternehmen mit einer solchen<br />
Akkreditierung in Europa. <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
CERT kann jetzt EU-weit Fluglotsendienste,<br />
meteorologische Dienste,<br />
Flugberatungsdienste sowie<br />
Kommunikations- und weitere<br />
Unterstützungsdienste zertifizieren.<br />
„Wir sind sehr stolz, das Bundesministerium<br />
für Verkehr, Bau und<br />
Stadtentwicklung von unserer<br />
Kompetenz überzeugt zu haben“,<br />
sagte Volker Klosowski und fügte<br />
hinzu: „Dass wir europaweit Vorreiter<br />
sind, freut uns besonders.“<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT als Träger der<br />
Akkreditierung ist Führer eines internationalen<br />
Konsortiums bestehend<br />
aus folgenden Mitgliedern: AFI Flight<br />
Inspection (www.afi.aero), Institut für<br />
Flugführung der Technischen Universität<br />
Braunschweig (www.<br />
tu-braunschweig.de/iff), OECON<br />
Ingenieurgesellschaft für Industrieberatung<br />
und Projektmanagement<br />
(www.oecon-line.de) und NLR Het<br />
Nationale Lucht- en Ruimtevartlaboratorium<br />
(www.nlr.nl).<br />
Mit der Akkreditierungsurkunde ist es amtlich: <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT ist die erste Organisation, die<br />
in Europa Flugsicherungsdienste zertifizieren darf. Staatssekretär Dr. Engelbert Lütke Daldrup<br />
vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung überreichte die Urkunde Volker<br />
Klosowski, Mitglied des Vorstands <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong>, verantwortlich für die Geschäftsbereiche<br />
Zertifizierung und International.
Kontakt:<br />
Axel Richter<br />
axrichter@tuev-nord.de<br />
0201 825-4120<br />
Kontakt:<br />
Dr. Panagiotis<br />
Vougioukas<br />
tuvmebah@<br />
batelco.com.bh<br />
+973 17 456010<br />
„Unsere Gäste aus Bahrain<br />
haben Erfahrungen über die<br />
periodische Fahrzeugüberwachung<br />
in Deutschland<br />
gesammelt.“<br />
Eine Delegation des Verkehrsministeriums<br />
des Königreichs Bahrain am<br />
Persischen Golf hat sich zwei Tage<br />
lang bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität informiert.<br />
Sowohl Haupt- als auch<br />
Abgasuntersuchungen fanden das<br />
Interesse der fünf Besucher. „Unsere<br />
Gäste aus Bahrain haben Erfahrungen<br />
über Inhalt, Umfang und praktische<br />
Ausübung der periodischen Fahrzeugüberwachung<br />
in Deutschland<br />
gesammelt“, sagte Axel Richter von<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität. Neben Untersuchungen<br />
von Pkw und Motorrädern<br />
an den <strong>TÜV</strong>-STATIONEN Essen-Kray<br />
und Bottrop informierte sich die<br />
Delegation über die Leistungsfähigkeit<br />
des Instituts für Fahrzeugtechnik und<br />
Mobilität (IFM) bei der Typprüfung von<br />
Fahrzeugen.<br />
Major Khalid Rabiah Al-Dosseri vom<br />
Verkehrsministerium Bahrains (rechts) informierte<br />
sich bei Tobias Kordges von der <strong>TÜV</strong>-<br />
STATION Essen-Kray. Manfred Butt (Bildmitte)<br />
hatte als Berater die Regierungsdelegation<br />
begleitet.<br />
Mit dem Informationsbesuch sind die<br />
Gäste aus Bahrain ihrem Ziel, die<br />
Pkw-Reihenuntersuchungen in ihrer<br />
Heimat zu modernisieren, ein großes<br />
Stück näher gekommen. Die dortige<br />
Prüfanlage ist nach den Worten von<br />
Dr. Panagiotis Vougioukas, Vice-<br />
President von RW<strong>TÜV</strong> Middle-East,<br />
schon 20 Jahre alt. Für die Modernisierung<br />
der Prüfanlage und die<br />
Untersuchungen sucht das dortige<br />
Ministerium jetzt Partner. „Die Kontakte<br />
sind intensiv und gut“, erklärt Dr.<br />
Panagiotis Vougioukas mit Blick auf<br />
die Kollegen bei <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Mobilität.<br />
Kuriosität am Rande: Bis 1986 war<br />
Bahrain nur mit Schiff und Flugzeug<br />
erreichbar. Seitdem besteht eine<br />
Straßenverbindung über das Meer<br />
nach Saudi-Arabien, die jährlich von<br />
bis zu drei Millionen Fahrzeugen<br />
genutzt wird. Eine weitere Verbindung<br />
nach Katar ist geplant.<br />
Kontakt:<br />
Marco Kopelmann<br />
mkopelmann@<br />
tuev-thueringen.de<br />
03641/3997-33<br />
„Bei der Konzeption des<br />
Brückenkrans für das Pumpspeicherwerk<br />
Goldisthal standen<br />
die <strong>TÜV</strong>-Sachverständigen<br />
dem Hersteller mit Rat<br />
und Tat zur Seite.“<br />
Sachverständige haben den großen<br />
Brückenkran in der Kaverne des<br />
Pumpspeicherkraftwerks Goldisthal<br />
(siehe auch Seite 34) abgenommen.<br />
Sie hatten bereits im Vorfeld, während<br />
der Konzeption und Errichtung des<br />
Brückenkrans, mit Rat und Tat den<br />
Herstellern zur Seite gestanden.<br />
Daher war die Kranabnahme, bei der<br />
als Prüfgewicht ein Generatorrad verwendet<br />
wurde, für alle Beteiligten<br />
spannend. Der Kran bestand alle<br />
Brems- und Belastungsproben und<br />
konnte in Betrieb genommen werden.<br />
Belastungsprobe am<br />
80-t-Hilfshubwerk<br />
des Hauptkrans in der<br />
Maschinenkaverne des Pumpspeicherwerks<br />
Goldisthal.<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Dr. Volker Nitzki<br />
0511 986-1873<br />
vnitzki@tuev-nord.de<br />
„Einen Dienstleister, der wie<br />
wir auf die Sicherheit von<br />
Nuklearanlagen spezialisiert<br />
ist, gibt es außerhalb<br />
Deutschlands kaum noch<br />
ein zweites Mal.“<br />
Die Fachleute von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
EnSys Hannover arbeiten in Südafrika<br />
an zwei Nuklearenergie-<br />
Projekten mit. Seit Jahren schon<br />
beschäftigt sich der südafrikanische<br />
Energieversorger Eskom mit der<br />
PBMR-Technologie. PBMR steht für<br />
Pebble Bed Modular Reactor – ein<br />
Hochtemperaturreaktor. „Wir prüfen<br />
für den künftigen Betreiber die<br />
Anlage auf technische Sicherheit<br />
und Genehmigungsfähigkeit“, sagt<br />
Dr. Volker Nitzki, Leiter der Abteilung<br />
Internationale Aufgaben. Er ist überzeugt:<br />
„Einen Dienstleister, der wie<br />
wir auf die Sicherheit von Nuklearanlagen<br />
spezialisiert ist, gibt es<br />
außerhalb Deutschlands kaum noch<br />
ein zweites Mal.“<br />
Für das südafrikanische Unternehmen<br />
ist <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> EnSys Hannover<br />
die erste Wahl, verfügt das Unternehmen<br />
aus Deutschland doch über<br />
ein breites Wissen über Hochtemperaturreaktoren.<br />
In einem weiteren<br />
Projekt begleitet <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> EnSys<br />
Hannover in Südafrika den Betrieb<br />
zweier Druckwasserreaktoren. Für<br />
das afrikanische Land ist die Kernenergie<br />
ein wichtiger Beitrag im<br />
Energiemix: Man benötigt Kerntechnologie,<br />
um den steigenden Bedarf<br />
an Elektrizität zu decken; Kohle und<br />
Wasserkraft reichen dafür nicht aus.<br />
Auch in Brasilien, das bei der Stromversorgung<br />
derzeit zu 80 Prozent<br />
von Wasserkraft abhängig ist, ist<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> EnSys Hannover aktiv<br />
und neben dem brasilianischen<br />
IBQN (Instituto Brasileiro da Qualidade<br />
Nuclear) als einzige Institution<br />
von der brasilianischen Behörde für<br />
Tätigkeiten im Nuklearbereich anerkannt.<br />
21 - <strong>explore</strong>: 3/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 22<br />
Kontakt:<br />
Dr. Gerhard Dreier<br />
gdreier@tuev-nord.de<br />
040 8557-2262<br />
„Bis 2014 ist noch viel Entwicklungsarbeit<br />
zu erledigen,<br />
dann soll das erste so<br />
genannte Emax-Kraftwerk<br />
in die Erprobung gehen.“<br />
In Deutschland wird es in den<br />
kommenden 20 Jahren viele<br />
Kraftwerksneubauten geben, um<br />
alte, unrentable Kraftwerke abschalten<br />
zu können und gleichzeitig<br />
den Energiebedarf sicher zu<br />
stellen. Dabei sollen CO 2-Emissionen<br />
verringert und die Effizienz<br />
der Kraftwerke erhöht werden.<br />
Eines der Ziele ist die Errichtung<br />
von „700-Grad-Kraftwerken“, die<br />
bei höherer Temperatur als den<br />
heute üblichen 600 Grad arbeiten.<br />
„Bei der Entwicklung der modernen<br />
Kraftwerke haben die verwendeten<br />
Werkstoffe und ihre Belastbarkeit<br />
eine hohe Bedeutung“,<br />
sagt Dr. Gerhard Dreier, Branchenmanager<br />
Kraftwerke bei <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> Industrieberatung, die an<br />
der Entwicklung der Kraftwerkstechnologie<br />
von morgen beteiligt<br />
ist. „Bis 2014 ist noch viel Entwicklungsarbeit<br />
zu erledigen, dann<br />
soll das erste so genannte Emax-<br />
Kraftwerk in die Erprobung gehen“,<br />
beschreibt Dr. Dreier das ehrgeizige<br />
Ziel, für das <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong><br />
Industrieberatung mithilfe eines<br />
Netzwerks von Fachleuten eng mit<br />
den Kunden zusammenarbeitet. „In<br />
der Breite des Angebots an<br />
Engineering-, Beratungs- und<br />
Inspektionsdienstleistungen sind<br />
wir als <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> einzigartig<br />
aufgestellt“, ist Dr. Dreier<br />
überzeugt. Und weiter: „Wir sind<br />
bei der Entwicklung dieser Technologie<br />
ganz vorn mit dabei und<br />
können Kraftwerksneubauten nach<br />
dem Emax-Standard von der Planungsphase<br />
über die Ausführung<br />
bis zum Betrieb begleiten.“ <br />
Kontakt:<br />
Dr. Klaus Oberste-<br />
Lehn<br />
koberste-lehn@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-2207<br />
„Das Audit hat bestätigt,<br />
dass das Packstation-<br />
Konzept konsequent an<br />
den Kundenwünschen<br />
ausgerichtet ist.“<br />
Packstation, das innovative Paketautomatensystem<br />
von DHL, ist von<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT für sein Qualitätsmanagementsystem<br />
nach dem internationalen<br />
Standard ISO 9001 zertifiziert<br />
worden. Dr. Klaus Oberste-Lehn:<br />
„Das Audit hat bestätigt, dass das<br />
Packstation-Konzept konsequent an<br />
den Kundenwünschen ausgerichtet<br />
ist.“ Über das System können registrierte<br />
Kunden Pakete, Päckchen und<br />
Warensendungen jeden Tag rund um<br />
die Uhr abholen und verschicken.<br />
Vorteile bringt der neue Paket-Service<br />
vor allem Berufstätigen, die tagsüber<br />
nicht zu Hause erreichbar sind.<br />
Derzeit sind etwa 700 Packstationen<br />
in über 100 Städten und Gemeinsen<br />
im Einsatz und werden von etwa<br />
450.000 registrierten Kunden genutzt.<br />
Bis Ende 2007 kommen etwa 50 weitere<br />
Städte hinzu. „Wir sind stolz darauf,<br />
die Zertifizierung geschafft zu<br />
haben. Sie ist für uns Meilenstein und<br />
Verpflichtung zugleich“, sagt Thea<br />
Gleiser, zuständige Managerin im<br />
Projekt Packstation, bei der Übergabe<br />
des Zertifikats in Bonn. Und weiter:<br />
„Die Kunden und ihre Wünsche sind<br />
für uns der wichtigste Maßstab.<br />
Darum ist das <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT-<br />
Zertifikat sowohl Bestätigung als auch<br />
Ansporn für uns, weiterhin in diesem<br />
Segment weltweit führend zu sein.“<br />
Oben: Packstation-Projektleiter Steffen Frankenberg freut sich zusammen mit Peter Bartholte<br />
über die erfolgreiche Zertifizierung.<br />
Unten: Das Zertifikat ist Meilenstein und Verpflichtung zugleich für die Mitarbeiter im Projekt<br />
Packstation.
Kontakt:<br />
Dr. Thomas Hahm<br />
thahm@tuev-nord.de<br />
040 8557-2193<br />
„Eine Überprüfung der<br />
Sicherheitsanforderungen in<br />
Windparks ist für unsere<br />
Kunden unerlässlich.“<br />
In einem baurechtlichen Streit um die<br />
Errichtung einer Windenergieanlage<br />
innerhalb eines bestehenden Windparks<br />
hat das Verwaltungsgericht<br />
Münster die Kompetenz der <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> zur Bewertung der<br />
Windparkkonfiguration bestätigt. Das<br />
Gericht stellt fest, dass keine Zweifel<br />
an der gutachterlichen Stellungnahme<br />
bestünden, da diese entsprechend<br />
der gültigen Richtlinien erstellt wurde<br />
und insbesondere die spezifischen<br />
örtlichen Verhältnisse der Bewertung<br />
zugrunde gelegt wurden. Eine von der<br />
Klägerin geforderte zeit- und kostenaufwändige<br />
standortspezifische<br />
Lastberechnung konnte damit vermieden<br />
werden.<br />
Das Verwaltungsgericht wies darauf<br />
hin, dass derjenige, der in der unmittelbaren<br />
Nähe eines Windparks<br />
eine Windenergieanlage errichte, nicht<br />
auf konstante Windverhältnisse vertrauen<br />
könne. Er müsse damit rechnen,<br />
dass weitere hinzu kommende<br />
Anlagen Wind nehmen und die höheren<br />
Turbulenzintensitäten den Verschleiß<br />
und den Wartungsaufwand<br />
der eigenen Anlagen erhöhen. „Eine<br />
Überprüfung der Sicherheitsanforderungen<br />
in Windparks ist für unsere<br />
Kunden unerlässlich,“ stellt Dr.<br />
Thomas Hahm fest, der in der <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> für das Thema<br />
Turbulenzbelastung in Windparks<br />
verantwortlich ist. Diese Gutachten<br />
liefern aussagekräftige und rechtlich<br />
belastbare Aussagen.<br />
Kontakt:<br />
Hans Günter Seewald<br />
hseewald@tuev-nord.de<br />
0511 986-2500<br />
„Diese Einblicke sind wichtige<br />
Denkanstöße für die<br />
Weiterentwicklung der eigenen<br />
Unternehmenskultur.“<br />
Ein positives Fazit haben die Teilnehmer<br />
des 2. QM-Forums der <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> gezogen. Zusammen<br />
mit der Fachhochschule Hannover<br />
hatte <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT die Veranstaltung<br />
unter das Motto gestellt:<br />
„Der Mensch im Spannungsfeld der<br />
Organisation“. Die wichtigste Erkenntnis<br />
für die Teilnehmer: Unternehmerisch-ethisches<br />
Handeln stärkt<br />
nicht nur die Identifikation der Mitarbeiter<br />
mit dem Unternehmen, es verschafft<br />
auch Wettbewerbsvorteile.<br />
Die Teilnehmer am QM-Forum nutzen die<br />
Möglichkeit zum regen Meinungsaustausch in<br />
den Pausen.<br />
Die Referenten, darunter Jürgen<br />
Rudnick vom I.Q. Institut für Qualifikation<br />
im Beruf, Dr. Dr. Daniel P.<br />
Wichelhaus von der Medizinischen<br />
Hochschule Hannover und Dr. Ingo<br />
Schoenheit von der imug Beratungsgesellschaft,<br />
waren zuvor zentralen<br />
Fragen nachgegangen: Ist ethisch<br />
motiviertes Handeln im Arbeitsalltag<br />
angesichts des ständigen Wandels der<br />
globalisierten Märkte und des enormen<br />
Kostendrucks überhaupt möglich?<br />
Was bedeutet dies für Führungskräfte<br />
und Mitarbeiter? Hans Günter<br />
Seewald, Mitglied der Geschäftsführung<br />
von <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> CERT, zog<br />
eine positive Bilanz der Veranstaltung.<br />
Man habe wertvolle Einblicke in<br />
Unternehmen und deren Philosophien<br />
und Strategien erhalten. „Diese<br />
Einblicke sind wichtige Denkanstöße<br />
für die Weiterentwicklung der eigenen<br />
Unternehmenskultur.“<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
Kontakt:<br />
Helge Schmidt<br />
hschmidt@<br />
tuev-nord.de<br />
0201 825-4126<br />
„Wir stellen fest, dass die<br />
Sensibilität für Umweltbelange<br />
auch bei Fahrzeugherstellern<br />
einen immer<br />
größeren Stellenwert einnimmt.“<br />
Das Institut für Fahrzeugtechnik<br />
und Mobilität (IFM) hat im Auftrag<br />
des Umweltbundesamts gängige<br />
Fahrzeugmodelle unterschiedlicher<br />
Hersteller auf CO 2-Ausstoß und<br />
Kraftstoffverbrauch getestet und<br />
mit den Herstellerangaben verglichen.<br />
Dazu fuhren die Pkw im IFM-Labor<br />
auf dem Rollenprüfstand den so<br />
genannten Neuen Europäischen<br />
Fahrzyklus, der unterschiedliche<br />
Geschwindigkeiten und Belastungen<br />
des Fahrzeugs beinhaltet.<br />
Das Team um Helge Schmidt<br />
nahm dabei neben dem Kraftstoffverbrauch<br />
auch die gasförmigen<br />
Schadstoffe und Partikelemissionen<br />
im Fahrzeugabgas unter die<br />
Lupe. Diese Parameter helfen den<br />
Fahrzeugherstellern, künftig noch<br />
umweltfreundlichere Fahrzeuge zu<br />
entwickeln.<br />
„Die Auswertung hat gezeigt, dass<br />
unsere Ergebnisse unter Typprüfbedingungen<br />
fast ausnahmslos<br />
mit den Angaben der Hersteller<br />
übereinstimmen. Unabhängig<br />
davon kann der Verbrauch im realen<br />
Fahrbetrieb von den Typprüfdaten<br />
erheblich abweichen“, sagte<br />
Helge Schmidt nach Abschluss<br />
der Prüfungen.<br />
Er fand zudem lobende Worte für<br />
die Autobauer: „Wir stellen fest,<br />
dass die Sensibilität für Umweltbelange<br />
auch bei Fahrzeugherstellern<br />
einen immer größeren<br />
Stellenwert einnimmt.“<br />
23 - <strong>explore</strong>: 3/2006
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> NETZWERK<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 24<br />
Kontakt:<br />
Thomas Liebich<br />
tliebich@tuev-nord.de<br />
0511 986-1528<br />
„Wohl kaum ein Gutachter in<br />
Deutschland kann auf eine<br />
ähnlich hohe Zahl erfolgreicher<br />
Begutachtungen und<br />
Messreihen bei Biogasanlagen<br />
zurückblicken.“<br />
Wenn es um Biogasanlagen geht,<br />
kommt man an <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Umweltschutz<br />
nicht vorbei. Thomas Liebich<br />
leitet die Organisationseinheit Gerüche.<br />
Zusammen mit seinem Team<br />
hat er über 250 Biogasanlagen<br />
begleitet – von der Planung über die<br />
Genehmigungs- und Bauphasen bis<br />
hin zum Betrieb. Die Nachfrage<br />
steigt, seitdem so genannte NawaRo-<br />
Anlagen gebaut werden. NawaRo<br />
steht für nachwachsende Rohstoffe.<br />
In deren Anlagen vergären Landwirte<br />
vorwiegend Mais und Körnergetreide<br />
aus eigenem Anbau. Die gewonnene<br />
Energie wird von den Stromversorgern<br />
zu einem festen Preis abgenommen.<br />
Unter Umständen gibt es mit der<br />
Geruchsentwicklung Probleme. An<br />
dieser Stelle kommen die Geruchsfachleute,<br />
in der Fachsprache<br />
Olfaktologen genannt, ins Spiel. Sie<br />
bewerten anhand der Planungsunterlagen<br />
und Wetterbedingungen die<br />
Tauglichkeit eines Standorts für eine<br />
Biogasanlage. Kritisch kann es werden,<br />
wenn die geplante Biogasanlage<br />
in der Hauptwindrichtung zu dicht zur<br />
benachbarten Wohnbebauung steht.<br />
„Der Anlagentyp spielt in jedem Fall<br />
eine große Rolle“, sagt Liebich. „Er<br />
geht in unser Gutachten mit ein.“ Und<br />
nicht nur das: <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> Umweltschutz<br />
hat auch an etlichen Anlagen<br />
nach Betriebsaufnahme Messdaten in<br />
Bezug auf Lüftung, Abluftreinigung<br />
und Schalltechnik erhoben, so dass<br />
man auf Erfahrungswerte aufbauen<br />
kann. Liebich: „Wohl kaum ein Gutachter<br />
in Deutschland kann auf eine<br />
ähnlich hohe Zahl erfolgreicher Begutachtungen<br />
und Messreihen bei<br />
Biogasanlagen zurückblicken.“<br />
Kontakt:<br />
Reinhard Bühl<br />
0511 986-1774<br />
rbuehl@tuev-nord.de<br />
„Die Wagenhersteller sollten<br />
von den Komponentenlieferanten<br />
immer eine EG-Konformitätserklärung<br />
verlangen.“<br />
Die Bedeutung der Bahn für den<br />
Güterverkehr nimmt zu: In den vergangenen<br />
zehn Jahren ist der Binnenverkehr<br />
um zehn Prozent gewachsen,<br />
der grenzüberschreitende Verkehr um<br />
40 Prozent, der Durchgangsverkehr in<br />
Deutschland sogar um 150 Prozent.<br />
Wegen des zunehmenden Wettbewerbs<br />
zwischen der Deutschen Bahn<br />
AG und privaten Betreibern sowie der<br />
Internationalisierung des Verkehrs<br />
werden zudem immer mehr Wagen<br />
benötigt. Vor diesem Hintergrund<br />
beschäftigte sich das zweite Bahnsymposium<br />
der <strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> in<br />
Hannover mit einem sehr aktuellen<br />
Thema in der Branche: „TSI Güterwagen<br />
und TSI Lärm“, wobei TSI für<br />
Technische Spezifikationen Interoper-<br />
Hartmut Freystein, Leiter von Eisenbahn-Cert<br />
(im Bild links) und weitere interessierte<br />
Zuhörer.<br />
abilität steht. Insgesamt 70 Teilnehmer<br />
aus fünf Ländern nahmen am Symposium<br />
teil. Vertreten waren Fahrzeughersteller,<br />
Zulieferer, Behörden,<br />
Betreiber und Banken.<br />
Übereinstimmend stellten die Vortragenden<br />
aus Industrie, Verbänden,<br />
von Eisenbahn-Cert und der <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> dabei fest, dass das<br />
neue Regelwerk noch erhebliche<br />
Lücken hat. Ungeklärte Fragen gibt es<br />
vor allem bei der TSI Lärm und im<br />
Brandschutz. Volker Thiel von <strong>TÜV</strong><br />
<strong>NORD</strong> Industrieberatung, ein vom<br />
Eisenbahn-Bundesamt anerkannter<br />
Brandschutz-Sachverständiger, bemängelte,<br />
dass in der TSI nichts über<br />
die Freisetzung giftiger Gase gesagt<br />
wird, und auch beförderte Güter spielten<br />
bei der Bewertung des Brandschutzes<br />
keine Rolle. Mitgliedsstaaten<br />
dürften zudem keine Rauchmelder in<br />
Güterwagen vorschreiben. Andreas<br />
Spiegel von Eisenbahn-Cert forderte<br />
Hersteller und Betreiber dazu auf, ihre<br />
Erfahrungen und Interessen stärker als<br />
bislang in die Gestaltung der Richtlinien<br />
einzubringen. Angesichts weit<br />
reichender Anforderungen an die<br />
Kompatibilität von Komponenten wie<br />
Puffer, Drehgestelle, Radsätze und<br />
Bremssteuerventile forderte er: „Die<br />
Wagenhersteller sollten von den Komponentenlieferanten<br />
immer eine EG-<br />
Konformitätserklärung verlangen.“<br />
Insgesamt, so das Fazit von Branchenmanager<br />
Reinhard Bühl von der<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong>, habe das Bahntechnik-Symposium<br />
den Branchenkennern<br />
viele Denkanstöße gegeben.<br />
MESSEN 2006 – Treffpunkt (Auszug aus dem Messekalender)<br />
Innotrans 2006<br />
19. bis 22. September 2006, Messe Berlin<br />
Halle: 4.2, Stand: 234<br />
Internationale Fachmesse für Verkehrstechnik Innovative<br />
Komponenten Fahrzeuge<br />
IAA-Nutzfahrzeuge 2006<br />
21. bis 28. September 2006, Messe Hannover<br />
Halle: 12, Stand: B 45, Eckstand T<br />
intern. Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge – Fahrzeuge,<br />
Ausrüstungen und Systeme des Güter- und Personentransports
Biomasse: Mit Energie auf dem Bio-Trip FORSCHUNG<br />
Biomasse:<br />
Mit Energie auf dem Bio-Trip<br />
Von Martin Boeckh<br />
Energie kommt nicht aus der Steckdose, sondern von der Sonne. In Form von Biomasse wird<br />
sie gespeichert und immer intensiver genutzt – auch für Hightech-Anwendungen.<br />
Energieträger Holz: Als einer der ältesten Energieträger der Menschheit war Holz lange Zeit auch einer der wichtigsten, bis er von fossilen Brennstoffen<br />
verdrängt wurde. Aber: Die Vorräte fossiler Brennstoffe werden nicht ewig reichen...<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 25
Die Nutzung von Biomasse ist so alt<br />
wie die Beherrschung des Feuers.<br />
Doch seit der Industrialisierung haben<br />
Öl, Kohle und Gas der klassischen<br />
Biomasse Holz und Stroh den Rang<br />
abgelaufen. Angesichts rasant steigender<br />
Energiepreise, knapper werdender<br />
Rohstoffe und einer an<br />
Intensität zunehmenden Klimadiskussion<br />
wird Biomasse aber wieder<br />
interessant. Hauptargumente einer auf<br />
Biomasse beruhenden Wärme- oder<br />
Stromgewinnung sind einerseits die<br />
Zuverlässigkeit einer heimischen Rohstoffquelle<br />
und andererseits die Tatsache,<br />
dass bei der Verbrennung von<br />
Biomasse oder Biogas nur die Menge<br />
an Kohlendioxid in die Atmosphäre<br />
entweicht, die ihr beim Pflanzenwachstum<br />
zuvor entzogen wurde.<br />
Großer Markt mit Biomasse<br />
Deutschland gilt in Europa mittlerweile<br />
als führend bei der Biomassenutzung:<br />
26 - <strong>explore</strong> 3/2006<br />
Biomasse: Mit Energie auf dem Bio-Trip FORSCHUNG<br />
Inzwischen laufen hierzulande etwa<br />
130 Holzheizkraftwerke, 1.100 Holzheizwerke,<br />
2.700 Biogasanlagen, 75<br />
Großvergärungsanlagen für Bio- und<br />
Grünabfälle, 30 Produktionsanlagen<br />
für Biodiesel, fünf für Bioethanol, und<br />
aus 300 dezentralen Pflanzenölpressen<br />
fließt Pflanzenöl als Treibstoff.<br />
Zusammen werden auf diese Weise<br />
3,2 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs<br />
erzeugt, der jedes<br />
Jahr 36 Millionen Tonnen CO 2-<br />
Emissionen einspart und mit einem<br />
Jahresumsatz von 5,85 Milliarden Euro<br />
56.000 Arbeitsplätze sichert.<br />
Altholz als wertvolles Gut<br />
Je attraktiver Holz wird, desto höher ist<br />
sein Preis: Noch vor wenigen Jahren<br />
waren alte Fensterrahmen, Türen,<br />
Schränke und Abbruchholz von<br />
Baustellen ein kontaminierter Abfall,<br />
der für fast 100 Euro pro Tonne entsorgt<br />
werden musste. Inzwischen rei-<br />
ßen sich Betreiber hochmoderner<br />
Altholz-Verbrennungsanlagen vor allem<br />
wegen staatlicher Zuschüsse bei der<br />
Stromerzeugung um das Material und<br />
nehmen belastete Hölzer fast zum<br />
Nulltarif; saubere Hölzer werden sogar<br />
kräftig honoriert. Mittlerweile ist der<br />
deutsche Markt so gut wie leer gefegt.<br />
Energieversorger, die keine langfristigen<br />
Zulieferverträge für Altholz haben,<br />
werden ihre Anlagen kaum noch auslasten<br />
können.<br />
Anders sieht es bei den Biokraftstoffen<br />
aus. „Von dem im Jahr 2020 in<br />
Deutschland erwarteten Kraftstoff-<br />
Gesamtverbrauch von 44 Millionen<br />
Tonnen werden wir ein Viertel aus<br />
Energiepflanzen gewinnen können“,<br />
meint Dr.-Ing. Andreas Schütte von<br />
der Fachagentur Nachwachsende<br />
Rohstoffe (FNR). Dafür wäre eine<br />
Fläche von 3,5 Millionen Hektar notwendig.<br />
Inzwischen liegt der Biokraftstoffanteil<br />
bei 3,4 Prozent.<br />
Der Kraftstoffverbrauch in Deutschland wird vermutlich von 53 auf 44 Millionen Tonnen sinken; gleichzeitig steigt der Anteil der Biokraftstoffe.
Biomasse: Mit Energie auf dem Bio-Trip FORSCHUNG<br />
Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe<br />
schätzt, dass im Jahr 2020 in Deutschland<br />
44 Millionen Tonnen Kraftstoffe verbraucht<br />
werden; ein Viertel davon könnte bereits aus<br />
Energiepflanzen stammen.<br />
Bioethanol wird derzeit in Deutschland<br />
pro Jahr aus 590.000 Kubikmeter<br />
Weizen und Roggen hergestellt.<br />
Führendes Land ist hier seit 30 Jahren<br />
allerdings Brasilien, das dafür Zuckerrohr<br />
und Mais verwendet. 40 Prozent<br />
des Treibstoffs stammen in diesem<br />
Land aus nachwachsenden Quellen. In<br />
Deutschland hat Bioethanol bestenfalls<br />
als Additiv zur Erhöhung der<br />
Oktanzahl eine Bedeutung, und nur an<br />
wenigen Tankstellen in Deutschland<br />
kann man E85 (85 Prozent Ethanol, 15<br />
Prozent Benzin) tanken (siehe auch:<br />
„Unabhängig vom Öl“ ab Seite 28).<br />
Reines Pflanzenöl hat aufgrund der<br />
schwankenden Produktqualität dagegen<br />
nur geringe Zukunfts-Chancen,<br />
und kein Motorenhersteller erteilte bislang<br />
für Rapsöl eine Freigabe.<br />
Doch das wird sich mit so genannten<br />
Kraftstoffen der zweiten Generation<br />
ändern. Biomethan und BtL (Biomassto-liquid)-Kraftstoffe<br />
sind synthetische<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Kraftstoffe, die in der Regel per Vergasung<br />
und über die Gewinnung eines<br />
Synthesegases erzeugt werden. Dabei<br />
werden aus CO und H 2 Kohlenwasserstoffe<br />
synthetisiert, die dann zu BtL<br />
weiter verarbeitet werden. Der Vorteil:<br />
Praktisch jede Art von Biomasse kann<br />
verwendet werden, und das Endprodukt<br />
hat eine hohe, genau definierte<br />
Qualität, die exakt auf die Bedürfnisse<br />
des Diesel- oder Otto-Motors abgestimmt<br />
ist. „Ab 2010 werden wir BtL-<br />
Kraftstoffe zunächst als Beimischung<br />
im Diesel an vielen Stellen tanken können“,<br />
gibt sich Dr.-Ing. Andreas<br />
Schütte ganz optimistisch.<br />
Biogas<br />
Biogas ist ein Sammelbegriff für energetisch verwertbare Gase aus Biomasse. Es wird von Bakterien erzeugt, die unter Sauerstoff-Abschluss, also anaerob,<br />
organisches Material in feuchter Umgebung zersetzen. Bei dieser Vergärung wird zu etwa zwei Dritteln Methangas (CH4) erzeugt und zu etwa<br />
einem Drittel Kohlendioxid (CO2). Dabei ist das Methangas der energetisch nutzbare Anteil des Biogases. In Spuren enthält Biogas auch<br />
Schwefelwasserstoff (H2S), Stickstoff (N2) und Wasserstoff (H2). Ein Kubikmeter Methan hat einen Energiegehalt von knapp zehn Kilowattstunden (9,94<br />
kWh). Somit entspricht der durchschnittliche Heizwert eines Kubikmeters Biogas etwa 0,6 Liter Heizöl oder dem von 0,6 m3 Erdgas. Biogas entsteht<br />
auch bei allen Verdauungsvorgängen von Mensch und Tier sowie unter den technischen Bedingungen einer Kläranlage, bei der in Faultürmen<br />
Klärschlamm zersetzt wird. Auch Speisereste und andere Biomasse eignen sich gut zur Vergärung. Biogas kann direkt verbrannt oder über Blockheizkraftwerke<br />
oder Gasmotoren zur Stromerzeugung mit Wärmeabgabe genutzt werden.<br />
LINKS:<br />
Bine-Informationsdienst des Fachinformationszentrums (FIZ) Karlsruhe: www.bine.info<br />
Centrales Agrar-Rohstoff-Marketing- und Entwicklungs-Netzwerk (C.A.R.M.E.N.): www.carmen-ev.de<br />
Deutsche Energie-Agentur: www.dena.info und www.thema-energie.de<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe: www.nachwachsende-rohstoffe.de<br />
Forum für Zukunftsenergien: www.zukunftsenergien.de<br />
Rat für Nachhaltige Entwicklung beim Wissenschaftszentrum Berlin: www.nachhaltigkeitsrat.de<br />
Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen: www.ufop.de<br />
Aktionsplan für Biomasse<br />
Mit einem „Biomass Action Plan“ will die EU-Kommission die Herstellung von Energie und Kraftstoffen aus biologischem Material in den kommenden<br />
Jahren forcieren. Bis 2010 soll der Einsatz von Biomasse in der EU verdoppelt werden, ohne dass der landwirtschaftliche Anbau entsprechender<br />
Pflanzen die Umwelt belastet und ohne dass die herkömmliche Nahrungsmittelproduktion eingeschränkt wird. Eine Verdopplung der Bioenergie würde<br />
nach Angaben der Kommission die CO2-Emissionen um etwa 200 Millionen Tonnen jährlich mindern, 250.000 Arbeitsplätze sichern und die<br />
Abhängigkeit der EU von Energieimporten von derzeit 48 auf 42 Prozent senken.<br />
Eines der wesentlichen Ziele der EU-Energiepolitik ist eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien von 5,4 Prozent (1997) auf 12 Prozent bis 2010.<br />
Dafür soll die Produktion von grünem Strom auf 21 Prozent, der Anteil von Biodiesel, Bioethanol und anderen alternativen Kraftstoffen auf 5,75 Prozent<br />
wachsen. Würden diese Ziele erreicht, hätten erneuerbare Energien am Gesamtenergieverbrauch der EU im Jahr 2010 einen Anteil von zehn Prozent.<br />
<strong>explore</strong> 3/2006 - 27
Von Jan Oliver Löfken<br />
Pilotprojekte in Schweden und Deutschland zeigen, wie<br />
sich ganze Gemeinden mit Wärme, Strom und Treibstoff<br />
aus Biomasse versorgen. Der Anteil dieser<br />
Energiequelle an der künftigen Energieversorgung<br />
wächst stetig.<br />
Meterhoch türmen sich große Haufen aus kleinen, zylindrischen<br />
Schnipseln in einer Halle bei Enköping in Mittelschweden.<br />
„Damit können wir als erste Gemeinde im Land<br />
unsere Bürger zuverlässig mit Strom und Wärme versorgen“,<br />
sagt Eddie Johansson, Leiter von Värmeverket<br />
Enköping, einem kombinierten Strom- und Wärmekraftwerk.<br />
38.000 Menschen nutzen so die umweltfreundliche Energie,<br />
die in so genannten Holzpellets steckt. Gepresst wurden sie<br />
zum kleinen Teil aus Ernte- und Holzabfällen und hauptsächlich<br />
aus schnell wachsendem Weidenholz. Sie machen<br />
Enköpings Einwohner weitestgehend von teuren Öl-, Kohleund<br />
Erdgasimporten unabhängig.<br />
Die etwa 70 Kilometer westlich von Stockholm gelegene<br />
Kleinstadt ist damit Vorreiter für eine grundlegende<br />
Energiewende. Nicht importierte, fossile Brennstoffe sichern<br />
hier einen Großteil des Energiebedarfs, sondern nachwachsende<br />
Biomasse. Über 200 Hektar Waldfläche hat<br />
Johansson in der nahen, relativ dünn besiedelten Region<br />
bisher gepachtet. „Die Bauern bekommen Langzeitverträge<br />
für diese Art der Energieversorgung“, sagt Johansson. Ihr<br />
Auskommen sichern sie nicht mehr durch den Anbau von<br />
Getreide oder Bauholz, sondern durch Energie, die in diesem<br />
nachwachsenden Rohstoff steckt. Durch diese<br />
Umstellung sorgen sie für den Nachschub an schnell wachsendem<br />
Weidenholz, das zu Holzpellets gepresst, bei über<br />
500 Grad Celsius in den Öfen des Kraftwerks verfeuert wird.<br />
28 - <strong>explore</strong> 3/2006<br />
FORSCHUNG Unabhängig vom Öl<br />
Unabhängig vom Öl<br />
Pilotprojekt in Enköping<br />
Hinter Weiden und einem Klärteich erhebt sich Värmeverket Enköping<br />
vom Betreiber Ena Kraft. Es kann alle 38.000 Einwohner der Gemeinde<br />
mit Strom und Heizwärme versorgen.<br />
Mit Biomasse auf dem Weg zur Autonomie<br />
Heißer Wasserdampf treibt danach Generatoren zur<br />
Stromerzeugung an, die in Enköping knapp 100.000<br />
Megawattstunden Strom pro Jahr liefern. Nur noch 90 Grad<br />
warm ist dagegen das Wasser, das nach der Aufheizung in<br />
einem Wärmetauscher durch das 71 Kilometer lange Fernwärmenetz<br />
zu den Häusern der Gemeinde geleitet wird, um<br />
diese selbst im kältesten Winter mollig warm zu halten.<br />
In den kommenden Jahren will das Unternehmen Ena Kraft,<br />
welches das Kraftwerk in Enköping betreibt, den nächsten<br />
Schritt zur vollständigen Unabhängigkeit von Öl gehen; denn<br />
Biomasse kann auch zu einem effizienten Treibstoff für<br />
Verbrennungsmotoren umgewandelt werden: Alkohol,<br />
genauer Ethanol. Weiter oben im Norden Schwedens, in der<br />
Kleinstadt Örnsköldsvik, läuft dieser Prozess bereits. Über<br />
chemische Reaktionen wird hier in einer Anlage die Energie,<br />
die im Holz steckt, zu dem begehrten Treibstoff verflüssigt.<br />
Das Kürzel FFV steht für „Flexible Fuel Vehicle“. So heißen bei Ford<br />
Autos, die sowohl Bio-Ethanol E85 als auch Benzin oder ein Gemisch<br />
aus beidem tanken können. Das schont die Umwelt – und spart<br />
Betriebskosten.<br />
Die Flüssigkeit aus der Pilotanlage gelangt schließlich in die<br />
Tanks so genannter Flexifuel-Autos. Sie können sowohl herkömmliches<br />
Benzin als auch Alkohol in fast jedem<br />
Mischungsverhältnis verbrennen. In Schweden fahren mittlerweile<br />
tausende solcher Alkohol-Autos umher. Die<br />
Hersteller Ford, Saab und Volvo verkaufen in Schweden<br />
immer mehr von diesen Fahrzeugen. Der Marktanteil bei den<br />
Neuwagen liegt bei etwa zehn Prozent, Tendenz steigend.<br />
An knapp 500 Tankstellen lässt sich der Treibstoff mit 85<br />
Prozent Ethanolanteil, kurz E85, zapfen, bis 2009 könnte er<br />
überall verfügbar sein (siehe auch „Biomasse: Mit Energie<br />
auf dem Bio-Trip“ ab Seite 25). Selbst dem „normalen“ Sprit<br />
sind schon fünf Prozent Ethanol beigemischt, ohne schädigende<br />
Auswirkungen auf die Motoren.<br />
Mit dieser Strategie sichert sich Schweden derzeit in Europa<br />
eine Spitzenstellung bei der Nutzung erneuerbaren Energie<br />
mit einem Anteil von über 24 Prozent. Und schon 2020 soll
Unabhängig vom Öl FORSCHUNG<br />
Über 500 Grad herrschen in den Öfen des Wärmekraftwerks im schwedischen<br />
Enköping. Durch die kleine Scheibe aus feuerfestem Glas können<br />
die Kraftwerksbetreiber beobachten, wie die wenige Zentimeter<br />
großen Pellets aus gepresstem Weidenholz verbrennen.<br />
das Land als erstes der Welt völlig von Ölimporten unabhängig<br />
sein. Für die gesamte Europäische Union ist dies<br />
jedoch nicht erreichbar: Kaum ein Land verfügt über so ausgedehnte<br />
Waldflächen, um der Biomasse eine solch führende<br />
Rolle bei der Energieversorgung zukommen zu lassen.<br />
Selbst das Land der Sprit schluckenden Straßenkreuzer, die<br />
USA, schaut interessiert auf Schweden. Und Investitionen in<br />
Ethanol-Fabriken gelten jenseits des Atlantiks bereits als<br />
zukunftsträchtige Geldanlage.<br />
Beispiele aus Deutschland<br />
Auch in Deutschland macht die Idee der energieautarken<br />
Gemeinde Schule. Nahe Göttingen gelegen trägt Jühnde<br />
den stolzen Titel „Bioenergiedorf“. Seit im Oktober 2000 das<br />
Projekt gestartet wurde, geht es mit großen Schritten voran.<br />
Fördermittel fließen, ein Nahwärmenetz wurde aufgebaut. In<br />
einer Biogasanlage wird ein Teil der Biomasse aus Gülle,<br />
Gras- und Maissilage zunächst vergoren. Das Gas wird in<br />
einem angeschlossenen Blockheizkraftwerk (BHKW) verbrannt,<br />
das mindestens soviel Strom herstellen wird, wie<br />
das Dorf benötigt. Die Abwärme des BHKW wird dafür<br />
genutzt werden, die Häuser in Jühnde mit Wärme zu versorgen.<br />
Im winterlichen Frost werden zusätzlich<br />
Holzhackschnitzel verbrannt, um den zusätzlichen Heizbedarf<br />
zu decken. Neben Stroh und Ernteabfällen bauen<br />
Landwirte auf ihren Feldern Energiepflanzen wie beispielsweise<br />
Sonnenblumen an. Allein ein Hektar kann im Idealfall<br />
die Energie liefern, die etwa 10.000 Liter Öl entsprechen.<br />
Natürlich wird bei der Verbrennung von Biomasse ebenso<br />
wie bei Kohle, Erdgas und Öl das Treibhausgas<br />
Kohlendioxid freigesetzt. Doch entnehmen nachwachsende<br />
Pflanzen dieses Gas wieder aus der Atmosphäre, weswegen<br />
Biomasse generell als klimaneutral gelten kann.<br />
Die Bürger Jühndes sparen pro Person etwa 60 Prozent<br />
CO 2 ein im Vergleich zu konventionell versorgten<br />
Gemeinden.<br />
Zugegeben, für das ganze Land ist dies keine Lösung der<br />
Energieprobleme. Nur einzelne „Inseln“ können in günstiger<br />
Lage ihren gesamten Wärme- und Strombedarf aus Biomasse<br />
oder anderen regenerativen Energien decken. „Nach<br />
unseren Berechnungen können wir mindestens 20 Prozent<br />
unserer Energieversorgung über Biomasse bereitstellen“,<br />
sagt Professor Konrad Scheffer von der Universität Kassel,<br />
der maßgeblich an dem Projekt Bioenergiedorf beteiligt ist.<br />
Wenn gleichzeitig noch 50 Prozent Energie eingespart<br />
werde, könne die Biomasse in Deutschland sogar etwa 50<br />
Prozent der künftigen Energieversorgung ausmachen.<br />
Ideen auch für Autoindustrie nutzbar<br />
Auch für Autotreibstoff ist das Potenzial der Biomasse für<br />
Deutschland nicht zu verachten. Lag der Kraftstoffverbrauch<br />
im Jahr 2003 bei 55 Millionen Tonnen, wird er voraussichtlich<br />
bis zum Jahr 2020 auf gut 44 Millionen Tonnen abnehmen.<br />
Nach Aussage von Fachleuten stehen gleichzeitig<br />
immer größere Flächen für den Energiepflanzenanbau<br />
bereit, 2020 können es bis zu 3,45 Millionen Hektar sein.<br />
Das reicht, um etwa ein Viertel des Kraftstoffbedarfs zu decken.<br />
„Und die Menschen können beim Wachsen ihrer<br />
Energie selbst zusehen“, betont der Schwede Johansson.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
EU Programm für nachhaltige Energieversorgung 2005-2008:<br />
www.sustenergy.org/<br />
EU Aktionsplan für Biomasse:<br />
http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?<br />
reference=IP/05/1546&format=HTML&aged=0&language=<br />
DE&guiLanguage=en<br />
pdf-Dokument (Deutsch):<br />
http://ec.europa.eu/energy/res/biomass_action_plan/doc/<br />
2005_12_07_comm_biomass_<br />
action_plan_de.pdf<br />
Bioenergiedorf Jühnde:<br />
www.bioenergiedorf.de<br />
Ausführliche Linkliste über Biomasse,<br />
Forschungsinformationszentrum Karlsruhe, FIZK:<br />
www.fizkarlsruhe.de/ecid/Internet/<br />
de/FG/EnergUmw/Energielinks/encat/enbioenergy.html<br />
Biomassenutzung in Deutschland, BMU:<br />
www.erneuerbare-energien.de/inhalt/4759/<br />
Biomasse in Schweden, Übersichtsartikel:<br />
www.gast.at/ireds-13924.html<br />
Schwedische Bioenergiegruppe:<br />
www.sed.swedishtrade.se/bioenergy<br />
European Biomass Association: www.aebiom.org<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 29
KALTE KABEL<br />
Von Almut Bruschke-Reimer<br />
30 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
FORSCHUNG Kalte Kabel vor dem Durchbruch<br />
VOR DEM DURCHBRUCH<br />
Schon lange träumen Forscher davon, elektrische Energie verlustfrei zu transportieren. Nach der<br />
Entdeckung von supraleitenden Materialien, die den Strom widerstandsfrei befördern, war die<br />
Euphorie groß. Schon vor mehr als 20 Jahren wurden Versuchsmuster supraleitender Kabel und<br />
Maschinen erprobt, die mit dem teuren flüssigen Helium sehr aufwendig gekleidet werden<br />
mussten. Nun versprechen Hochtemperatur-Supraleiter (HTS) günstigere Lösungen.<br />
Stark vergrößertes Kabel,<br />
aufgenommen durch ein<br />
Rasterelektronenmikroskop.
Kalte Kabel vor dem Durchbruch FORSCHUNG<br />
In Großstädten der Industrienationen steigt der Stromverbrauch<br />
infolge der wachsenden Zahl stromintensiver<br />
Geräte in den Haushalten und für die Infrastruktur. Die<br />
unterirdisch verlaufenden Kabel stoßen an ihre Leistungsgrenzen.<br />
Straßen für den Bau neuer Kabelschächte und<br />
-kanäle aufzureißen ist teuer und bringt Anwohner auf die<br />
Barrikaden. Neueste Technik könnte Abhilfe schaffen: „Ein<br />
einfacher Austausch gegen supraleitende Kabel würde<br />
ohne Bauarbeiten bei gleichem Platzbedarf etwa das<br />
Dreifache an Stromtransport ermöglichen“, sagt Bernhard<br />
Holzapfel, Abteilungsleiter für supraleitende Materialien am<br />
Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung<br />
(IFW) in Dresden.<br />
Supraleiter im Test<br />
Weltweit werden derzeit in etwa einem Dutzend<br />
Forschungsprojekten unterirdische Supraleiterkabel in der<br />
Praxis getestet. So auch im dicht besiedelten Long Island<br />
vor New York. Ein 600 Meter langes HTS-Kabel soll schon<br />
bald einen Engpass überbrücken und 300.000 Haushalte<br />
mit Strom versorgen. Auslöser für das ehrgeizige Projekt<br />
war der größte Blackout in der Geschichte der USA, als am<br />
14. August 2003 wegen maroder Leitungen Millionen<br />
Menschen zum Teil tagelang ohne Strom waren. „Die<br />
Amerikaner sind uns hier meilenweit voraus. In den vergangenen<br />
Jahren wurden in den USA und Japan dank massiver<br />
finanzieller Förderung große Fortschritte gemacht.<br />
Supraleiterkabel sind dort bereits auf dem Markt“, erläutert<br />
Professor Jochen Mannhart vom Lehrstuhl für Experimentalphysik<br />
der Universität Augsburg. „Technisch wäre das<br />
auch in Deutschland möglich, es hängt nur von der Bereitschaft<br />
der Energieunternehmen ab, das zu testen“, so<br />
Mannhart, der mit seinem Team die Grundlagen des Stromtransports<br />
in Hochtemperatur-Supraleitern erforscht. Doch<br />
die Begeisterung der Energiebranche hält sich noch in<br />
Grenzen – nicht zuletzt auch deshalb, weil zur Aufrechterhaltung<br />
der tiefen Temperaturen von -200 Grad Celsius<br />
ständig flüssiger Stickstoff durch das Kabel gepumpt werden<br />
muss und dafür beachtliche Leistungen von den<br />
Kältemaschinen aufzubringen sind.<br />
Riesige Vorteile: Platz und Gewicht sparen<br />
„Weitaus interessanter ist derzeit der Ersatz von Kupferleitern<br />
in energietechnischen Komponenten“, sagt Bernhard<br />
Holzapfel. Mit Supraleitertechnik können Motoren,<br />
Generatoren oder Transformatoren um den Faktor drei kleiner<br />
und damit leichter und Platz sparender konstruiert werden.<br />
„Für viele Anwendungen hat das große Bedeutung“,<br />
so Holzapfel. Der weltweit erste HTS-Generator soll in etwa<br />
fünf bis zehn Jahren in Kreuzfahrtschiffen oder Jachten<br />
Strom für Elektromotoren zum Antrieb der Schrauben liefern<br />
und damit Dieselmotoren ersetzen. Ein Forscherteam<br />
Siemens Automation and Drives testet die Maschine in<br />
Nürnberg derzeit auf Herz und Nieren. Auch für Offshore-<br />
Windkraftanlagen, die künftig ihren Beitrag zur<br />
Energieversorgung Deutschlands leisten sollen, könnte die<br />
Technik sehr nützlich sein. „Die Leistung von Windkraftanlagen<br />
wird immer größer, was wegen des Gewichts<br />
von Generator und Getriebe zu Problemen mit der Statik<br />
führt. Könnte man mit Supraleitertechnik den Generator um<br />
den Faktor drei leichter machen, wäre das ein riesiger<br />
Vorteil“, betont Holzapfel. Doch bis dahin wird es noch ein<br />
wenig dauern. „Supraleiter werden zunächst für kritische<br />
Anwendungen gefragt sein, wenn durch ihren Einsatz der<br />
Vorteil besonders groß ist“, prognostiziert Holzapfel. Für<br />
viele Anwendungen in der Kernforschung und für einige<br />
industrielle Geräte sind supraleitende Magnetspulen schon<br />
heute verfügbar und vorteilhaft.<br />
Siemens verwendet aus Supraleitern hergestellte Drähte unter anderem<br />
für Wicklungen von elektrischen Maschinen, wodurch sich der<br />
Wirkungsgrad von Motoren und Generatoren verbessert und deren<br />
Strombedarf sinkt. Das Bild zeigt eine Verseilmaschine, mit der die<br />
Siemens-Forschungsabteilung in Erlangen Drähte aus Supraleitern für<br />
Testzwecke fertigt.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Supraleiter - Hintergrund<br />
Beim Stromtransport geht aufgrund des Leitungswiderstands ständig<br />
ein Teil der Energie verloren. 1911 machte der niederländische<br />
Physiker Heike Kamerlingh-Onnes eine Entdeckung: Er fand heraus,<br />
dass manche Metalle und Legierungen bei tiefen Temperaturen nahe<br />
des absoluten Nullpunkts (- 273,15 Grad Celsius) dem Strom keinen<br />
Widerstand mehr entgegensetzen – die so genannten Supraleiter. Die<br />
Physiker Johannes Georg Bednorz und Karl Alexander Müller entdeckten<br />
1986 die Hochtemperatur-Supraleitung (HTS). Diese keramischen<br />
Supraleiter funktionieren auch bei höheren Temperaturen (-196 Grad<br />
Celsius durch flüssigen Stickstoff) und lassen sich daher preisgünstiger<br />
einsetzen. Bednorz und Müller erhielten für ihre Leistung 1987 den<br />
Nobelpreis für Physik. Die Produktion von Hochtemperatur-Supraleitern<br />
erwies sich in der Praxis jedoch als sehr schwierig: Die Pulver<br />
unterschiedlicher Metalloxide werden gemischt und in Rohre aus<br />
Silberlegierungen gefüllt, die weiter verarbeitet und umgeformt werden.<br />
Meißner-Ochsenfeld-Effekt<br />
Sobald Materialien supraleitend werden, verdrängen sie Magnetfelder<br />
aus ihrem Innern. Kombiniert man einen Magneten mit einem<br />
Supraleiter, dann schwebt der Magnet über dem Supraleiter oder der<br />
Supraleiter über dem Magneten.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 31
32 - <strong>explore</strong> 3/2006<br />
FORSCHUNG Ein „Wasser-Akku“ in Thüringen<br />
Ein „Wasser-Akku“ in Thüringen<br />
Von Prof. Dr. Thomas J. Schult<br />
Die universell einsetzbare Elektroenergie<br />
hat einen gravierenden<br />
Nachteil: Sie ist als solche nicht<br />
beliebig speicherbar. Geringe<br />
Energiemengen können als chemische<br />
Energie in Batterien und Akkus<br />
gespeichert werden – fürs Handy<br />
oder das Elektroauto. Für die<br />
Speicherung großer Energiemengen<br />
gibt es nur eine wirtschaftliche und<br />
bewährte Lösung: die potenzielle<br />
Energie des Wassers. Im thüringischen<br />
Goldisthal kann man sehen,<br />
wie es funktioniert.<br />
Jeder Stromversorger steht vor einer<br />
großen Herausforderung: Die Menge<br />
des erzeugten Stroms muss zu jedem<br />
Zeitpunkt genau so groß sein wie die<br />
Menge des benötigten. Der Verbrauch<br />
unterliegt jedoch starken Schwankungen.<br />
Tagsüber wird dabei mehr<br />
Strom benötigt als nachts, an Werktagen<br />
mehr als am Wochenende, im<br />
Winter mehr als im Sommer. Dazu<br />
kommen unvorhersehbare Schwan-<br />
kungen, wenn beispielsweise ein<br />
Großverbraucher ausfällt. Auch das<br />
Angebot an Strom schwankt ständig:<br />
Während Kernkraft- und Laufwasserkraftwerke<br />
in der Regel rund um die<br />
Uhr laufen und damit für die Deckung<br />
der so genannten Grundlast sorgen,<br />
liefern Windräder ganz unterschiedlich<br />
viel Strom – wenig bis gar nichts in der<br />
Flaute, viel bei einer frischen Brise, gar<br />
nichts bei heftigem Sturm, weil sie<br />
dann abgekoppelt werden. Auch ein<br />
thermisches Kraftwerk kann wegen<br />
einer Störung ausfallen und muss<br />
dann ersetzt werden.<br />
Pumpspeicherkraftwerke<br />
für mehr Flexibilität<br />
In modernen Industriegesellschaften<br />
erwarten wir stets, dass die Nachfrage<br />
nach Energie in jedem Augenblick mit<br />
gleicher Qualität erfüllt wird. Dies wird<br />
erreicht, indem Kraftwerke zu- und<br />
abgeschaltet werden. Das ist zum<br />
Beispiel bei Gaskraftwerken sinnvoll,<br />
nicht jedoch bei Wind- oder Kern-<br />
kraftwerken. Besonders geeignet zum<br />
Ausfüllen von Lastspitzen und -tälern<br />
sind jedoch die Pumpspeicherkraftwerke.<br />
Dies sind Wasserkraftwerke,<br />
die ein großes Speichervolumen in<br />
einem hoch gelegenen Oberbecken<br />
haben. In Schwachlastzeiten wird der<br />
durch nicht genutzte Kapazitäten der<br />
Grundlastkraftwerke billige Strom<br />
genutzt, Wasser den Berg hinauf zu<br />
pumpen. Wird später wieder viel<br />
Strom benötigt, lässt man das Wasser<br />
wieder den Berg hinunterrauschen<br />
und über Turbinen Strom erzeugen.<br />
Damit werden Spitzenlastkraftwerke<br />
mit fossilen Brennstoffen eingespart.<br />
Spitzenlast ausgleichen<br />
Ein Oberbecken, ein Unterbecken,<br />
dazwischen eine Kombination aus<br />
Pumpe und Turbine im so genannten<br />
Krafthaus – das sind die Elemente<br />
eines Pumpspeicherkraftwerks. In<br />
Goldisthal dient ein Staubecken des<br />
Flüsschens Schwarza nahe der bayerischen<br />
Grenze als Unterbecken für das<br />
Mit überschüssigem Strom pumpt das Kraftwerk Wasser ins obere Becken. Wird Extra-Strom benötigt, wie etwa in Spitzenlastzeiten, wenn plötzlich<br />
alle Strom brauchen, wird das Wasser wieder abgelassen und treibt Turbinen an. Diese Technik nutzt auch die Anlage des Pumpspeicherkraftwerkes<br />
Goldisthal im westlichen Thüringer Wald. Durch diese Art von Kraftwerken wird vor allem Spitzenlaststrom produziert.
Ein „Wasser-Akku“ in Thüringen FORSCHUNG<br />
Pumpspeicherwerke (PSW) dienen zur großtechnischen Energiesparung und kurzfristigen Bereitstellung von Elektroenergie. Im Grundaufbau besteht<br />
eine solche Anlage aus zwei Speicherbecken, die sich auf unterschiedlichem Höhenniveau befinden, dem Krafthaus mit den Maschinensätzen und<br />
den Verbindungsleitungen jeweils vom Oberbecken und dem Unterbecken zu den Maschinen. In Schwachlastzeiten wird Elektroenergie aus dem Netz<br />
bezogen und Wasser aus dem unteren Speicherbecken in das obere gepumpt (Pumpbetrieb). Mit dem gespeicherten Wasser im Oberbecken wird in<br />
Zeiten hohen Energiebedarfs durch die Maschinensätze Elektroenergie erzeugt (Turbinenantrieb) und ins Energienetz eingespeist. Unsere Abbildung<br />
zeigt eine schematische Darstellung des Kraftwerks Goldisthal.<br />
größte deutsche Kraftwerk dieser Art.<br />
<strong>TÜV</strong> Thüringen hat den Bau durch<br />
Prüfungen und Analysen begleitet. Seit<br />
2003 könnte das Kraftwerk mit seinen<br />
1.060 Megawatt ganz Thüringen acht<br />
Stunden lang vollständig mit seiner<br />
gespeicherten Energie versorgen.<br />
Danach ist das 300 Meter höher gelegene<br />
Oberbecken mit seinem Fassungsvermögen<br />
von zwölf Millionen<br />
Kubikmetern leer und müsste zum<br />
Beispiel in der folgenden Nacht wieder<br />
aufgefüllt werden.<br />
Wie bei einem gewöhnlichen Akku gibt<br />
es auch hier Verluste an elektrischer<br />
Energie. Das in Goldisthal durch sechs<br />
Meter dicke Rohre ins Unterbecken<br />
strömende Wasser erzeugt nur etwa<br />
drei Viertel der Energie, die nötig war,<br />
um es vorher den Berg hochzupumpen.<br />
Trotzdem rechnet es sich, weil<br />
der Strom zum Pumpen meist billiger<br />
Nachtstrom ist, während die gewonnene<br />
Energie zu Zeiten der Spitzenlast<br />
eingesetzt wird und entsprechend<br />
wertvoll ist. Energie billig kaufen und<br />
zum mehrfachen Preis wieder verkaufen:<br />
Nach diesem plausiblen ökonomischen<br />
Prinzip arbeitet ein Pumpspeicherkraftwerk.<br />
In Minutenschnelle Strom, wenn<br />
alle ihn wollen<br />
Ökologisch liegen die Vorteile nicht für<br />
alle sichtbar auf der Hand, so dass es<br />
bei der Planung des Kraftwerks<br />
Goldisthal zum Prozess mit dem Bund<br />
für Umwelt und Naturschutz Deutschland<br />
(BUND) kam. Zwar ist Wasserkraft<br />
von Natur aus sicher und sauber,<br />
aber für den Bau des Oberbeckens<br />
musste ein ganzer Berggipfel abgetragen<br />
werden. Zudem wies der BUND<br />
auf die Zerstörung der Lebensräume<br />
des vom Aussterben bedrohten<br />
Auerhuhns hin. Vor Gericht einigte<br />
man sich schließlich auf einen<br />
Vergleich, und der Energiekonzern<br />
Veag (mittlerweile Vattenfall Europe)<br />
zahlte im Jahre 1997 umgerechnet<br />
3,65 Millionen Euro, die der BUND zur<br />
Gründung einer Naturstiftung einsetzte.<br />
Auf 620 Millionen Euro summierten<br />
sich die Kosten für das Pumpspeicherkraftwerk<br />
Goldisthal. Dabei<br />
wurde zum ersten Mal in Europa eine<br />
Technik im großen Maßstab eingesetzt,<br />
die einen besonders flexiblen<br />
Einsatz ermöglicht: Zwei der vier elektrischen<br />
Maschinen für die kombinierten<br />
Pumpturbinen arbeiten als<br />
Asynchronmaschinen mit variabler<br />
Drehzahl. Durch die Drehzahlregelung<br />
können die Pumpturbinen an unterschiedliche<br />
Förderhöhen angepasst<br />
werden, und gute Wirkungsgrade sind<br />
auch bei Teillast erreichbar. Die drehzahlgeregelten<br />
Asynchronmaschinen<br />
bieten die Möglichkeit, die Aufnahme<br />
und Abgabe von elektrischer Leistung<br />
in einem weiten Bereich zu regeln. Von<br />
besonderem Vorteil ist dabei, dass<br />
diese Maschinen in Minutenschnelle<br />
kurzzeitig Energie in das Netz abgeben<br />
oder vom Netz aufnehmen können<br />
und damit sofort auf Lastschwankungen<br />
reagieren können. In einem<br />
thermischen Kraftwerk kann es dagegen<br />
sehr viel länger dauern, eine<br />
Leistungsänderung vorzunehmen.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 33
DIE HEIMLICHEN<br />
Von Hilde-Josephine Post<br />
Fast unbemerkt schleichen sich<br />
immer mehr Elektrogeräte in unsere<br />
Haushalte ein, ob Bierzapfer,<br />
Eismaschine, Munddusche, Zahnbürste,<br />
Brotback- oder Dörrautomat,<br />
Luftbefeuchter, Wasser- oder<br />
Reiskocher, Folienschweiß- oder<br />
Bräunungsgerät – die Liste nimmt<br />
noch lange kein Ende. Und das sind<br />
lediglich einige wenige Haushaltskleingeräte.<br />
Hinzu kommen Unterhaltungselektronik,Haushaltsgroßgeräte,<br />
Computer, Büro- und<br />
Kommunikationsgeräte. Das Fatale<br />
dabei ist: „Eine zunehmende Zahl<br />
von Elektrogeräten bestiehlt Sie,<br />
ohne dass Sie es merken“, macht<br />
das Umweltbundesamt aufmerksam.<br />
Wie kommt das?<br />
34 - <strong>explore</strong>: 3/2006<br />
WISSEN Die heimlichen Stromdiebe<br />
STROMDIEBE<br />
Viele Elektronikgeräte stehlen im Stand-by-Betrieb viel Strom: Das Umweltbundesamt bezifferte 2004 den Leerlaufverlust in deutschen Haushalten<br />
und Büros auf mindestens 3,5 Milliarden Euro.<br />
Das liegt zum einen daran, dass es<br />
immer mehr Produkte gibt, die einen<br />
Stand-by-Betriebsmodus haben. Das<br />
heißt, sie warten auf einen Einschaltbefehl<br />
etwa per Fernbedienung.<br />
Hierzu zählen Fernseher, Video-<br />
Rekorder und DVD-Player. Zum anderen<br />
gibt es Geräte, die selbst dann<br />
Strom fressen, wenn sie mit dem<br />
Hauptschalter (scheinbar) ausgeschaltet<br />
sind. Das ist dann der Fall, wenn<br />
der Ausschalter auf der Niederspannungsseite<br />
des Trafos liegt, der<br />
das Gerät nicht völlig vom Netz trennt.<br />
Last but not least entpuppen sich jene<br />
Produkte als wahre Stromdiebe, die<br />
überhaupt keinen Netzschalter haben.<br />
Das Umweltbundesamt hat im Januar<br />
2004 ausgerechnet, dass durch Leerlaufverluste<br />
in deutschen Haushalten<br />
und Büros jährlich mindestens 3,5<br />
Milliarden Euro vergeudet werden. In<br />
den vergangenen Jahren sind jedoch<br />
viele Kennzeichnungsmethoden für<br />
Energie sparende Produkte auf den<br />
Markt gekommen, die Verbrauchern<br />
Orientierung geben sollen. Hier ist viel<br />
Verwirrung entstanden, weil Konsumenten<br />
oft nicht wissen, welcher<br />
Kennzeichnung sie vertrauen können<br />
und was sie überhaupt aussagt. Der<br />
Bund für Umwelt und Naturschutz<br />
(BUND) kritisiert zudem, dass einige<br />
Kennzeichnungsmethoden, wie die<br />
der „weißen Ware“, einer Überarbeitung<br />
bedürfen, da sie auf dem Stand<br />
von vor zehn Jahren beruhen. Es<br />
müsse ein europäisches Top-Runner-<br />
Programm initiiert werden, das dynamisch<br />
ist und sich immer an der<br />
aktuellsten, effizientesten Technologie<br />
orientiert.
Die heimlichen Stromdiebe WISSEN<br />
Kohlendioxid-Ausstoß enorm reduzieren<br />
„43 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland stammen aus dem Stromverbrauch. Würden alle Elektrohandelsketten nur noch die effizientesten<br />
Geräte verkaufen, könnte der Kohlendioxid-Ausstoß um bis zu 20 Millionen Tonnen pro Jahr verringert werden“, beklagt der Bund für Umwelt und<br />
Naturschutz Deutschland (BUND). Sparsame Kühlschränke würden demzufolge etwa 50 Prozent, Wäschetrockner 40 Prozent und die Beleuchtung 60<br />
Prozent weniger Strom benötigen. Bei Unterhaltungselektronik sei die Kennzeichnung von sparsamen Geräten laut BUND oft mangelhaft, vor allem in<br />
den großen Medienmärkten. So fehle zum Beispiel der Hinweis, dass große Plasma-Fernsehgeräte bis zu viermal mehr Strom ziehen würden als solche<br />
mit LCD-Bildschirmen.<br />
Steigender Strombedarf bis 2010<br />
„Im Jahr 2001 lag der Strombedarf für Geräte der Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschland bei rund 38 Milliarden kWh“, fand das<br />
Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in 2003 heraus. Der Studie zufolge soll der Strombedarf bis zum Jahr 2010 um 45<br />
Prozent steigen. Das seien knapp elf Prozent des gesamten deutschen Stromverbrauchs und entspräche der Stromerzeugung von sieben großen<br />
Kraftwerken. „Über die Hälfte des Strombedarfs entfällt dabei auf Fernseher, Server, Stereoanlagen sowie zunehmend auf die Infrastruktur der<br />
Mobilfunkanbieter und die Gerätevernetzung in den Haushalten“, so die Studie weiter (www.isi.fhg.de/e/publikation/iuk/iuk.htm).<br />
Stromräuber aufspüren<br />
· Strom ziehende Trafos erkennt man oft dadurch, dass sie im abgeschalteten Zustand noch brummen oder warm sind.<br />
· Es gibt kleine Kontrollgeräte, „Energiemonitore“, mit deren Hilfe zuverlässig Geräte aufgespürt werden können, die auch abgeschaltet noch Strom<br />
verbrauchen. Die Aktion No-Energy verleiht kostenlos solche Energiemonitore (www.no-e.de).<br />
· Bei Geräten, die sich nicht vollständig abschalten lassen, empfiehlt sich eine Steckdosenleiste mit Netzschalter.<br />
Stromsparer erkennen<br />
· Jedes Elektro-/Elektronikgerät sollte einen Netzschalter haben, der gut sichtbar und zugänglich ist.<br />
· Ein mit dem Netzschalter ausgeschaltetes Gerät sollte keinen Strom ziehen.<br />
· In Bereitschaft (Stand-by) sollte ein Gerät nicht mehr als ein Watt verbrauchen.<br />
Kaum zu glauben<br />
Die Zeitschrift AudioVideoFotoBild hat 2003 bei Tests von Leerlaufverlusten festgestellt, dass bei einem Lautsprechersystem der Tieftöner (Subwoofer)<br />
ständig 50 Watt zieht, ohne nur einen Ton von sich zu geben. Das kostet im Jahr etwa 70 Euro – DVD-Rekorder kamen auf etwa 33 Euro und<br />
Fernsehgeräte auf 3,50 Euro. (www.no-e.de)<br />
Stromschlucker Trinkwasserspender<br />
Sie stehen in Arztpraxen, Warenhäusern oder Büros und vielerorts mehr und warten mit ihrem kühlen Nass auf den nächsten Dürstenden. Die Rede ist<br />
von Trinkwasserspendern. In einer Studie für das Schweizerische Bundesamt für Energie hat Encontrol den Energieverbrauch dieser Geräte untersucht.<br />
Sie stellte unter anderem fest, dass 60 Prozent des Stromverbrauchs auf die Zeiten entfallen, in denen die Gebäude geschlossen sind und die Spender<br />
also gar nicht benutzt werden.<br />
Impressum:<br />
<strong>explore</strong>:<br />
Kundenmagazin der<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong><br />
Verlag und Herausgeber:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG,<br />
Am <strong>TÜV</strong> 1, 30519 Hannover<br />
www.tuev-nord.de/<strong>explore</strong><br />
<strong>explore</strong>@tuev-nord.de<br />
Erscheinungsweise:<br />
viermal jährlich<br />
Redaktion:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> AG<br />
Konzern-Kommunikation<br />
Jochen May (V.i.S.d.P.); Svea Büttner<br />
Konzeption und Gestaltung:<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong>, 30519 Hannover<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
Gestaltung:<br />
MPR Dr. Muth Public Relations GmbH,<br />
20354 Hamburg<br />
Satz, Lithographie & Druck:<br />
diaprint KG, 30952 Ronnenberg-Empelde<br />
Wissenschaftlicher Beirat:<br />
Prof. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Eike Lehmann<br />
Prof. Dr. Günter Maaß<br />
Prof. Dr. Friedhelm Noack<br />
Fotos:<br />
Aboutpixel (S. 3, 38, 39)<br />
Martin Boeckh (S. 3, 25, 38)<br />
Corbis (Titel, 2, 9, 30, 40)<br />
Deutsche Post AG (S. 22)<br />
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.<br />
(S. 26, 27, 29)<br />
Steffen Faust (2, 6, 7, 8, 35, 36)<br />
Ford-Werke GmbH, Köln (S. 30)<br />
Holger Friedrich (S. 14, 15)<br />
Jochem Marotzke (S. 16)<br />
Jan Oliver Löfken (S. 30, 31)<br />
Max-Planck-Institut für Meteorologie (S. 2, 13)<br />
Picture Aliance (S. 2, 9, 10, 11, 12, 32)<br />
Photocase (S. 3, 38, 39)<br />
Prokon Nord (S. 18)<br />
Siemens AG (S. 33)<br />
Stadtwerke Hamm GmbH (S. 3, 25)<br />
<strong>TÜV</strong> <strong>NORD</strong> <strong>Gruppe</strong> (S. 2, 3, 16, 17, 18, 19, 20, 21,<br />
22, 23, 24)<br />
Vattenfall Europe AG (S. 34)<br />
Nachdruck, auch auszugsweise, nur<br />
mit schriftlicher Genehmigung des<br />
Herausgebers.<br />
Leserbriefe sind herzlich willkommen.<br />
<strong>explore</strong>: 3/2006 - 35
Blitze: Hochspannung<br />
zwischen Himmel und Erde<br />
Von Martin Boeckh<br />
36 - <strong>explore</strong> 3/2006<br />
WISSEN Blitze: Hochspannung zwischen Himmel und Erde<br />
Kaum eine Naturerscheinung flößt den Menschen mehr Angst und Ehrfurcht ein als<br />
ein Gewitter mit Blitz und Donner. Dabei liegt die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz<br />
erschlagen zu werden, bei nahezu Null, und der Donner ist ein rein akustisches,<br />
völlig harmloses Phänomen. Doch die immer empfindlichere Elektronik in unserem<br />
Alltag erfordert wachsende Anstrengungen beim Blitzschutz.<br />
Es gibt keine Mythologie und keine<br />
Sagenwelt, in der es nicht einen Gott<br />
des Gewitters oder des Donners gibt.<br />
Der Schirmer der Germanen, der<br />
wahre Beschützer und Segenspender<br />
für Hof und Ackerflur war Donar, der<br />
Gott des Donners. Donar bringt als<br />
Gott des Donners: Er bringt Feldern die<br />
Wohltat des Regens. Aber er forderte<br />
auch Opfer: Menschen und Tiere wurden<br />
erschlagen, Häuser und Wälder in<br />
Brand gesetzt. Auch der aufgeklärte<br />
Mensch der Neuzeit vermag im Gewitter<br />
wenig Positives zu sehen. Über<br />
Deutschland werden pro Jahr etwa<br />
750.000 Blitze gezählt; dabei schlagen<br />
in den Sommermonaten etwa fünfmal<br />
mehr Blitze ein als im Winter. Im Durchschnitt<br />
sterben dabei in Deutschland<br />
jährlich fünf Menschen. Die Folgen<br />
eines Blitzeinschlags können auch für<br />
technische Einrichtungen verheerend<br />
sein. Die extreme Temperatur des Blitz-<br />
Lichtbogens kann leicht entzündliche<br />
Stoffe, Häuser und Öltanks in Brand<br />
setzen, durch den explosionsartig entstehenden<br />
Wasserdampf können<br />
Bäume geradezu explodieren. Blitze<br />
verdampfen dünne Drähte und brennen<br />
Löcher in Bleche.<br />
Gefahr für Elektronik<br />
Die Wirkung von Blitzen ist dabei weit<br />
komplexer als der Laie erkennt, da der<br />
sichtbare Blitz meist aus einer Folge<br />
von ganz unterschiedlichen Entladungen<br />
besteht. Blitzforscher unterscheiden<br />
neben rein thermischen auch<br />
mechanische Wirkungen, die zum<br />
Herausreißen von Elektroleitungen aus<br />
der Wand, zum Verbiegen von Metallblechen<br />
und bei Unterwasserentladungen<br />
zu extremen Druckstößen<br />
führen können. Besonders bedeutend<br />
für elektrische und elektronische<br />
Geräte sind jedoch die induktiven<br />
Wirkungen: Durch das schnell veränderliche<br />
Magnetfeld des Blitzstroms<br />
werden hohe Spannungen und Ströme<br />
in den Geräten induziert, die zur<br />
Zerstörung der empfindlichen Elektronik<br />
führen. Bei einem Blitzeinschlag in<br />
ein Wohngebiet werden oft elektronische<br />
Geräte bis in einer Entfernung<br />
von einem Kilometer in Mitleidenschaft<br />
gezogen.<br />
Blitze simulieren<br />
An der Technischen Universität Ilmenau<br />
befassen sich Elektroingenieure und
Blitze: Hochspannung zwischen Himmel und Erde WISSEN<br />
Über Deutschland werden pro Jahr etwa<br />
750.000 Blitze gezählt: viele Blitze entstehen<br />
auch zwischen den Wolken, und nicht jeder<br />
erreicht den Boden.<br />
Physiker seit fast zwei Jahrzehnten mit<br />
dem Phänomen Blitz, vor allem mit seinen<br />
Wirkungen und der Entwicklung<br />
von Schutzmaßnahmen. Unter der<br />
Leitung von Professor Friedhelm Noack<br />
wurden dafür Generatoren entwickelt,<br />
mit denen die Wirkungen der unterschiedlichen<br />
Blitzstrom-Komponenten<br />
bis zu extremen Werten von 200.000<br />
Ampère im Labor untersucht werden.<br />
Damit kann auch die Wirksamkeit von<br />
Schutzeinrichtungen nachgewiesen<br />
und die Brauchbarkeit von Computersimulationen<br />
überprüft werden.<br />
Fangentladungen aus Bäumen<br />
Die Entstehung eines Blitzes erscheint<br />
inzwischen weit weniger unklar als die<br />
Frage, welchen Weg ein Blitz in der<br />
Atmosphäre nimmt. Voraussetzung für<br />
die Entstehung eines Gewitters ist der<br />
Transport warmer Luftmassen mit ausreichend<br />
hoher Feuchtigkeit in große<br />
Höhen. Durch die starken Aufwinde in<br />
einer Gewitterwolke werden feine<br />
Tröpfchen nach oben gerissen, an<br />
deren Oberfläche sich eine feine Reifschicht<br />
bildet. Zurück bleiben die etwas<br />
Bei Gewitter sollte man Schwimmbecken und<br />
Badeseen rechtzeitig verlassen. Mit Booten<br />
sucht man sich am besten unter Brücken, an<br />
hohen Dämmen oder Kaimauern Schutz.<br />
schwereren Wassertröpfchen. Dabei<br />
kommt es zur Trennung positiver und<br />
negativer Ladungen. An der Wolken-<br />
Unterseite überwiegen die negativen<br />
Ladungen, während durch die so<br />
genannte elektrostatische Influenz sich<br />
auf der Erdoberfläche positive<br />
Gegenladungen sammeln. Doch diese<br />
Ladungstrennung reicht nicht aus,<br />
einen stromstarken Blitz zu zünden.<br />
„Bei den häufigsten Wolke-Erde-Blitzen<br />
wächst von der Wolke her ein dünner<br />
stromschwacher Vorentladungskanal<br />
zur Erde“, erklärt Professor Noack. „Bei<br />
Annäherung dieser Vorentladung an die<br />
Erde gehen von den Spitzen von<br />
Gebäuden, Bäumen und einzeln stehenden<br />
Objekten Fangentladungen<br />
aus, bis schließlich durch Überspringen<br />
der Einschlagpunkt festgelegt ist.“<br />
Während die Vorentladung vergleichsweise<br />
langsam mit einer Geschwindigkeit<br />
von etwa 300 Kilometern pro<br />
Stunde verläuft, findet die folgende<br />
leuchtstarke Entladung mit Geschwindigkeiten<br />
von etwa einem Drittel der<br />
Lichtgeschwindigkeit von einigen zehn<br />
bis zu einigen hundert Mikrosekunden<br />
Verhaltensregeln bei Gewittern<br />
Blitze führen zwar manchmal ein unberechenbares Eigenleben; doch sollten im Interesse der eigenen<br />
Sicherheit bewährte Verhaltensregeln bei Gewittern unbedingt eingehalten werden, wie sie<br />
vom Ausschuss für Blitzschutz und Blitzforschung im VDE herausgegeben werden (siehe <strong>explore</strong>:<br />
INFOBOX).<br />
• Beim Herannahen eines Gewitters sollten möglichst geschützte Räume aufgesucht werden<br />
(Gebäude, Hütten mit Blitzschutz, Autos mit Metalldach oder wenigstens mit Metallbügeln).<br />
• Der Aufenthalt unter allein stehenden Bäumen ist unbedingt zu vermeiden – gleichgültig, ob dies<br />
Buchen, Linden oder Eichen sind. Unter Bäumen sollte man sich in einem Sicherheitsabstand<br />
von mindestens drei Metern zum Stamm und zum Astwerk mit geschlossenen Füßen hinhocken.<br />
• Im Gelände bieten Bodenmulden, Hohlwege und Füße von Felsvorsprüngen einen gewissen<br />
Schutz, wenn man sich hinhockt und die Füße eng geschlossen hält, um gefährliche<br />
Schrittspannungen und damit Ströme durch den Körper zu vermeiden.<br />
• Türme und Berggipfel sind besonders einschlaggefährdet. Metallzäune, Halteseile im Gebirge<br />
oder andere Metallkonstruktionen dürfen keinesfalls berührt werden.<br />
• In einer <strong>Gruppe</strong> sollte ein möglichst großer Abstand zwischen den Mitgliedern eingehalten werden.<br />
• Schwimmbecken und Badeseen sind rechtzeitig zu verlassen. Mit Booten sucht man am besten<br />
unter Brücken, an hohen Dämmen oder Kaimauern Schutz. Segelboote und Motorjachten<br />
sollten mit Blitzschutzeinrichtungen versehen sein.<br />
Auch wenn Blitze große Schäden anrichten<br />
könnten, enthalten sie doch weit weniger<br />
Energie, als man denkt. An eine wirtschaftliche<br />
Nutzung ist nicht zu denken.<br />
statt. Im Kanal folgen in der Regel noch<br />
weitere Entladungen. Wenn der Kanal<br />
durch den Stoßstrom auf einige 10.000<br />
Kelvin aufgeheizt wird, steigt der Druck<br />
auf etwa das Hundertfache des<br />
Luftdrucks und erzeugt den Donner.<br />
Doch ist die Energie tatsächlich so<br />
hoch, wie der optische und akustische<br />
Eindruck erwecken mag? „Da fließen<br />
zwar sehr hohe Ströme von einigen<br />
1.000 bis zu etwa 200.000 Ampère,<br />
und die Leistung ist extrem hoch“, so<br />
Professor Noack, „doch die Entladung<br />
dauert weniger als eine tausendstel<br />
Sekunde.“ Auf diese Weise kommt eine<br />
Energiemenge von höchstens zehn<br />
Kilowattstunden zusammen, so viel,<br />
wie ein Vier-Personen-Haushalt an<br />
einem Tag durchschnittlich an Strom<br />
verbraucht. An eine wirtschaftliche<br />
Nutzung ist da nicht zu denken, zumal<br />
es keinerlei technische Möglichkeit gibt,<br />
eine solche kurzzeitig fließende<br />
Energiemenge zu speichern, und es<br />
auch völlig ungewiss ist, welchen Weg<br />
sich ein Blitz sucht.<br />
<strong>explore</strong>: INFOBOX<br />
LINKS:<br />
AixThor Ingenieurgesellschaft:<br />
www.blitzschutz.com<br />
Arbeitskreis Meteore: www.meteoros.de<br />
Bertelsmann-Portal: www.wissen.de<br />
Der Karlsruher Wolkenatlas:<br />
www.wolkenatlas.de<br />
Egon Wanke (private Website):<br />
www.blitzortung.org<br />
Konradin Relations: www.wissenschaft.de<br />
pw-Internet Solutions:<br />
www.baumarkt.de/b_markt/fr_info/gewitter.htm<br />
Springer-Portal: www.geoscience.de<br />
Verband der Elektrotechnik, Elektronik,<br />
Informationstechnik (VDE):<br />
www.vde.com/VDE/Ausschuesse/Blitzschutz<br />
Verband Deutscher Blitzschutzfirmen:<br />
www.vdb.blitzschutz.com<br />
WetterOnline Meteorologische<br />
Dienstleistungen: www.wetteronline.de<br />
<strong>explore</strong> 3/2006 - 37
... und was hält uns frisch?