KAPITEL 5 - DR. THOMAS + PARTNER GmbH & Co. KG
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IT für Intralogistiksysteme KAPITEL 5: Geschäftsprozesse in der Intralogistik siehe auch: Folien zur Vorlesung Kapitel 7: Ausfallsicherheit und Datensicherung intralogistischer Systeme Inhaltsverzeichnis 5 Geschäftsprozesse in der IntralogistiK...............................................................2 5.1 Lagerverwaltung.........................................................................................................2 5.1.1 Die klassische Lagerverwaltung..........................................................................2 5.1.2 Moderne Logistiksysteme....................................................................................3 5.1.2.1 Eingangsseitige Funktionen.........................................................................4 5.1.2.2 Auftragsdurchlauf.........................................................................................7 5.1.2.3 Warenausgang...........................................................................................11 5.1.3 Die Evolution des LVS.......................................................................................13 5.1.4 Fragenkatalog zum Thema Lagerverwaltung :..................................................15 5.2 Kommissioniersystem...............................................................................................16 5.2.1 Auftragsbezogene Kommissionierung...............................................................16 5.2.1.1 Auftragsbezogene Einfachkommissionierung mit Lieferbeleg....................16 5.2.1.2 Erweiterung des Rundgangsumfangs auf mehrere Aufträge......................17 5.2.2 Weiterreichsysteme...........................................................................................18 5.2.3 Zweistufige Kommissionierung..........................................................................19 5.3 Ausfallsicherheit und Datensicherung bei Materialflussverwaltungssystemen..........21 5.3.1 Einleitung..........................................................................................................21 5.3.2 Ursachen für Systemausfälle.............................................................................22 5.3.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Systemverfügbarkeit..................................23 5.3.3.1 Umgebung..................................................................................................23 5.3.3.2 Hersteller....................................................................................................23 5.3.3.3 Applikationssoftware..................................................................................30 5.3.3.4 Datenkommunikation..................................................................................31 5.3.4 Zusammenfassung............................................................................................34 5.4 Praxisbeispiel: Online getriebene Prozesse der neuen Distributionslogistik...............................35 IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 1
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IT für Intralogistiksysteme<br />
<strong>KAPITEL</strong> 5:<br />
Geschäftsprozesse in der Intralogistik<br />
siehe auch: Folien zur Vorlesung Kapitel 7:<br />
Ausfallsicherheit und Datensicherung intralogistischer Systeme<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
5 Geschäftsprozesse in der IntralogistiK...............................................................2<br />
5.1 Lagerverwaltung.........................................................................................................2<br />
5.1.1 Die klassische Lagerverwaltung..........................................................................2<br />
5.1.2 Moderne Logistiksysteme....................................................................................3<br />
5.1.2.1 Eingangsseitige Funktionen.........................................................................4<br />
5.1.2.2 Auftragsdurchlauf.........................................................................................7<br />
5.1.2.3 Warenausgang...........................................................................................11<br />
5.1.3 Die Evolution des LVS.......................................................................................13<br />
5.1.4 Fragenkatalog zum Thema Lagerverwaltung :..................................................15<br />
5.2 Kommissioniersystem...............................................................................................16<br />
5.2.1 Auftragsbezogene Kommissionierung...............................................................16<br />
5.2.1.1 Auftragsbezogene Einfachkommissionierung mit Lieferbeleg....................16<br />
5.2.1.2 Erweiterung des Rundgangsumfangs auf mehrere Aufträge......................17<br />
5.2.2 Weiterreichsysteme...........................................................................................18<br />
5.2.3 Zweistufige Kommissionierung..........................................................................19<br />
5.3 Ausfallsicherheit und Datensicherung bei Materialflussverwaltungssystemen..........21<br />
5.3.1 Einleitung..........................................................................................................21<br />
5.3.2 Ursachen für Systemausfälle.............................................................................22<br />
5.3.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Systemverfügbarkeit..................................23<br />
5.3.3.1 Umgebung..................................................................................................23<br />
5.3.3.2 Hersteller....................................................................................................23<br />
5.3.3.3 Applikationssoftware..................................................................................30<br />
5.3.3.4 Datenkommunikation..................................................................................31<br />
5.3.4 Zusammenfassung............................................................................................34<br />
5.4 Praxisbeispiel:<br />
Online getriebene Prozesse der neuen Distributionslogistik...............................35<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 1
IT für Intralogistiksysteme<br />
5 GESCHÄFTSPROZESSE IN DER INTRALOGISTIK<br />
Lagerverwaltung<br />
Eines der ersten Einsatzgebiete von Rechnern in der Logistik war die Lagerverwaltung.<br />
Während in den Anfängen nur der Karteikasten in eine elektronische Form übersetzt wurde,<br />
entwickelten sich (immer noch unter dem gleichen Begriff) daraus mit der Zeit<br />
Programmpakete zur Steuerung und Verwaltung des kompletten logistischen<br />
Betriebsablaufs.<br />
Die Gemeinsamkeit zwischen den ersten Lagerverwaltungen und einem modernen<br />
Logistiksystem sind etwa so groß wie die Gemeinsamkeiten zwischen den ersten<br />
Zeileneditoren und einem modernen Office-Paket. Zur Veranschaulichung dieser These<br />
werden nachfolgend die beiden Extreme in ihren Funktionen vorgestellt.<br />
5.1.1 Die klassische Lagerverwaltung<br />
Die Aufgabe einer klassischen Lagerverwaltung ähnelte der eines Buchhalters, der penibel<br />
Ein- und Ausgänge verbucht, aber selbst nicht steuernd in die Geschäftsabläufe eingreift.<br />
Als Ergebnis besitzt ein solches Lagerverwaltungssystem (= LVS) dann die Information,<br />
welches Material wo in welcher Menge liegt.<br />
Die weitere Charakterisierung des „Ur-LVS“:<br />
Das LVS besaß keine Schnittstellen zu anderen Systemen, alle Eingaben erfolgten<br />
über Tastatur, alle Ausgaben über Bildschirm oder Drucker<br />
Insbesondere bestand noch keine Verbindung zwischen den kaufmännischen<br />
Systemen (Host) und der Lagerverwaltung.<br />
In den Anfängen wurde bei einer Einlagerung auch nicht vom LVS ein freier Platz<br />
zugewiesen, stattdessen wählte meist der Mensch ein Fach aus und meldete dieses<br />
nach erfolgter Einlagerung (hoffentlich) zurück.<br />
Aufgrund der fehlenden mobilen Peripherie usw. wurde (zumindest in der<br />
Kommissionierung) mit Festplatzprinzip gearbeitet: Ein Artikel wurde fest einem immer<br />
gleichbleibenden Lagerplatz zugewiesen.<br />
Oft waren diese Artikel auch noch nach aufsteigender Artikelnummer sortiert.<br />
Die Kommissionierung erfolgte an Hand des Lieferscheins oder der Rechnung, die das<br />
kaufmännische System erzeugte.<br />
Durch die fehlende Verbindung zwischen Host und LVS konnte keine Buchung jeder<br />
Einzelentnahme erfolgen (Lieferschein nur als Papier existent, nicht als Daten im LVS!).<br />
Somit war keine aktuelle Bestandsführung im Kommissionierbereich möglich.<br />
Nachschubvorgänge wurden beim Leerwerden eines Kommissionierfachs vom<br />
Benutzer manuell ausgelöst und im LVS nur buchungstechnisch nachvollzogen.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 2
IT für Intralogistiksysteme<br />
Schließlich fehlten in einem solchen System die Voraussetzungen für eine permanente<br />
Inventur, es musste also nach wie vor einmal jährlich in einer Stichtagsinventur eine<br />
Komplettaufnahme aller Lagerbestände erfolgen.<br />
5.1.2 Moderne Logistiksysteme<br />
Auftragsbearbeitung<br />
Materialwirtschaft<br />
Unterlagerte<br />
Steuerungen<br />
Externe<br />
Systeme<br />
Abb. 6.1: Das Gesamtsystem<br />
Lieferscheine<br />
Rechn .-Printfiles<br />
Versandmeld .<br />
Artikelstamm<br />
Waren-<br />
Eingang<br />
WE-Avise<br />
Zugänge<br />
Umbuchungen<br />
Best.-Korr.<br />
Daten- Auftrags-<br />
Best.-Abgleich<br />
bank Durchlauf<br />
Fahraufträge<br />
Quittungen Platzverwaltung<br />
Platzverwaltung<br />
Abgleich<br />
Sendungsavise<br />
Schnittstellen<br />
Waren-<br />
Ausgang<br />
Die weiteren Generationen der Lagerverwaltungssysteme wurden geprägt von technischen<br />
Innovationen, durch die immer weitere Aufgaben realisiert werden konnten:<br />
Datenbanken: Durch den Einsatz von relationalen Datenbanken für die Speicherung<br />
veränderbarer Daten im LVS stieg die Flexibilität möglicher Zugriffe (Filterkriterien,<br />
Sortierung) sprunghaft an und wurde durch das Konzept abgesicherter Transaktionen<br />
die Konsistenz der Datenbestände gesichert.<br />
Immer leistungsfähigere Hardware und Betriebssysteme: Die allgemeine Zunahme<br />
der Leistungsfähigkeit machte viele ressourcenfressende Aufgabenstellungen erst<br />
umsetzbar.<br />
Vernetzung: Die Einführung von Netzwerkstandards (Hardware und Protokolle)<br />
ermöglichte die Kopplung mit über- und unterlagerten Systemen.<br />
Strichcode: Die Verfügbarkeit von strichcodefähigen Druckern und Strichcodelesern<br />
führte an vielen Stellen im Ablauf zur Ablösung von fehlerbehafteten Tastatureingaben.<br />
Der geringe Zeitaufwand für das Lesen eines Strichcodes machte zusätzliche<br />
Plausibilitätskontrollen erst möglich (z.B. Scannen eines Strichcodes am Zielfach bei<br />
Einlagerung).<br />
Mobile Peripherie: Infrarot- und Funk – Kommunikation erweiterten den Arbeitsbereich<br />
des LVS bis an das hinterste Lagerfach. Bis zu diesem Schritt war das LVS nur an<br />
einigen wenigen stationären Arbeitsplätzen im Betrieb repräsentiert (I-Punkt, K-Punkt).<br />
Die Entwicklung von HA-Systemen (=High Availability) sorgte schließlich für die<br />
notwendige Verfügbarkeit.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 3<br />
Bestandsverwaltung
IT für Intralogistiksysteme<br />
Das in Abbildung 6.1 skizzierte Blockschaubild eines kompletten Logistiksystems lässt die<br />
dahinter stehende Komplexität noch nicht ahnen. Die Funktionen eines klassischen LVS<br />
beschränken sich in etwa auf den Bereich der reinen Lagerortverwaltung.<br />
Kern jedes leistungsfähigen Logistiksystems ist die Datenbank, die in teils Hunderten von<br />
Tabellen sowohl die statischen als auch die dynamischen Daten des Betriebs gespeichert<br />
sind.<br />
Die auf dieser Datenbank aufsetzenden (Hintergrund-) Prozesse und Dialoge lassen sich<br />
grob in die drei Bereiche Wareneingang, Auftragsdurchlauf und Warenausgang unterteilen.<br />
Während das klassische LVS nur eine Lagerortverwaltung im eigentlichen Lager bot,<br />
erstreckt sich diese Funktion heute auch in die Bereiche:<br />
Wareneingang<br />
Kommissionierung<br />
Warenausgang (z.B. Bereitstellflächen für Touren)<br />
Die heutigen Funktionen der Bestandsführung reichen von einer reinen Summenbildung<br />
über alle Lagerorte bis zur Verwaltung von Chargendaten, Bestandsreservierungen,<br />
Qualitätssperren und Vielem mehr.<br />
Neben diesen „internen“ Funktionen nahm die Vernetzung der logistischen Systeme mit<br />
Ihrer Umwelt laufend zu und es entstand eine große Vielfalt von Schnittstellen (Abbildung<br />
6.1 links).<br />
Die in den drei angesprochenen Hauptfunktionsblöcken versteckten Aufgaben werden<br />
nachfolgend (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) vorgestellt und an Beispielen erläutert.<br />
5.1.2.1 Eingangsseitige Funktionen<br />
Bei der Anlieferung der Ware von einem Lieferanten, der eigenen Produktion oder vom<br />
Kunden (Retouren) ist vor der physischen Einlagerung eine ganze Reihe von Vorarbeiten zu<br />
leisten:<br />
Identifizieren<br />
Die Ware ist in einem mehrstufigen Prozess zu identifizieren. In der Regel kann auf<br />
einem (aus dem kaufmännischen System kommenden) Artikelstamm aufgesetzt<br />
werden, so dass die Basisdaten des Artikels dem System schon bekannt sind.<br />
Durch die heute enge Verzahnung zwischen Logistikrechner und einer überlagerten<br />
kaufmännischen Ebene existiert in der Regel eine Vorinformation über die<br />
ankommenden Waren, ein Avis.<br />
Davon abhängig umfasst die Vereinnahmung der Ware folgende Schritte:<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 4
IT für Intralogistiksysteme<br />
Varianten :<br />
Abb. 6.2: Identifikation der Ware<br />
Ohne<br />
Avisdaten<br />
1<br />
Erzeugen<br />
internes<br />
Avis<br />
Summen-<br />
Avis<br />
Erfassen LE-Daten<br />
(Artikel, Menge, Charge)<br />
Erzeugen<br />
LE-Labels<br />
2<br />
LE-<br />
Avisierung<br />
3<br />
Einlesen<br />
LE-Labels<br />
Fehlt ein Wareneingangs-Avis, wird zu einer gleichartigen Behandlung mit den anderen<br />
beiden Fällen meist ein internes Avis (manuell) angelegt.<br />
Kann auf einem summarischen WE-Avis aufgesetzt werden, beschränkt sich die<br />
Identifikationsphase auf die Erfassung der Daten jeder Lagereinheit (LE, z.B. Palette,<br />
Karton) und einer systemkonformen Etikettierung der LE. Auf einem solchen Label<br />
muss heute nicht mehr zwingend der zugewiesene Lagerplatz aufgedruckt sein, da die<br />
Zuweisung mit mobilen Terminals z.B. erst bei Aufnahme durch einen Stapler erfolgen<br />
kann.<br />
Im Extremfall werden die LE-Daten bereits vom Absender im Voraus avisiert und im<br />
Wareneingang müssen die schon gelabelten LE nur noch mit einem Strichcodeleser<br />
gescannt werden. Voraussetzung ist die Einigung auf eine von beiden Partnern<br />
eindeutig interpretierbare Nummerierung und Strichcodierung<br />
( EAN/CCG: NVE „Nummer Versandeinheit“ / SSCC „serial shipping container code“)<br />
Statusbearbeitung<br />
In der Statusbearbeitung erfolgt dann eine weitere Verfeinerung der Warenbeschreibung.<br />
Die damit zusammenhängenden Schritte können teilweise auch nach erfolgter Einlagerung<br />
stattfinden (z.B. Qualitätsfreigabe nach Auswertung einer Stichprobe).<br />
Die damit verknüpften Aufgaben schwanken extrem in Abhängigkeit von der jeweiligen<br />
Branche von „nicht existent“ bis zu einem umfassenden Qualitätsmanagement oder einer<br />
Zollbearbeitung für die Vereinnahmung unverzollter Auslandsware.<br />
Allein das Vereinnahmen von Retouren umfasst beliebig komplexe Abläufe, die in der Regel<br />
eine enge Verzahnung mit dem kaufmännischen System erfordern (Kunden- und<br />
Rechnungsdaten erforderlich).<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
Einlagerung<br />
Mit der eigentlichen Einlagerung kommen wir wieder eher auf eine der Funktionen der<br />
klassischen Lagerverwaltung. Jedoch präsentiert sich die heutige Palette der Möglichkeiten<br />
wieder wesentlich vielfältiger:<br />
Abb. 6.3: Einlagerung<br />
Varianten :<br />
Quittg. Ladung<br />
mit Beleg<br />
LE-Quittung<br />
mit Beleg<br />
LE-Quittung<br />
Online<br />
A<br />
B<br />
C<br />
Fachvergabe<br />
durch System<br />
1<br />
Benutzer<br />
sucht Fach<br />
Zunehmende Komplexität<br />
Vorschlag,<br />
änderbar<br />
2 3<br />
Zunehmende Flexibilität<br />
In der linken Spalte sind drei Varianten für die Art der Quittierung aufgelistet. Dabei stellt die<br />
pauschale Quittierung der Einlagerung für eine ganze Ladung (macht nur bei vorheriger<br />
Fachvergabe durch das LVS Sinn) eher einen exotischen Fall dar.<br />
Die Einzel-Quittierung mit Beleg (Staplerfahrer bringt nach der Einlagerung den<br />
Einlagerbeleg zurück und dieser wird für die Buchung genutzt) entspricht dem klassischen<br />
Ablauf.<br />
Die dritte Variante (Online-Quittierung am Fach) setzt eine Ausrüstung der Stapler mit<br />
Funkterminals voraus. Die Einlagerung mit einem automatischen Regalbediengerät ist<br />
diesem Fall logisch gleichzusetzen.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 6
IT für Intralogistiksysteme<br />
Die Spaltenüberschriften listen die verschiedenen Möglichkeiten bei der Auswahl eines geeigneten<br />
Zielfachs auf:<br />
Die Fachvergabe durch das System setzt voraus, dass das System alle Daten und<br />
Entscheidungskriterien kennt und keine Konstellationen auftauchen, die z.B. physisch nicht<br />
umsetzbar sind (z.B. Palette höher / breiter als Fach)<br />
Die Auswahl des Einlagerfachs durch den Benutzer umgeht dieses Problem und senkt damit<br />
das Anforderungsprofil an die Datenqualität (und -quantität).<br />
Die Kombination der ersten beiden Varianten wird durch einen vom Benutzer änderbaren<br />
Systemvorschlag für das Einlagerfach gebildet.<br />
Neben der Kernfunktion der Suche nach einem freien Lagerfach kann ein modernes<br />
Logistiksystem auch die Beauftragung eines Staplers übernehmen<br />
(siehe „Transportleitstand“).<br />
Dringend im Versand benötigte Ware wird via „cross docking“ gleich im Wareneingang abgefangen<br />
und unter Umgehung des eigentlichen Lagers direkt zum Warenausgang weitergeleitet.<br />
Bei dringendem Bedarf in der Kommissionierung kann in manchen Fällen auch eine Bypass-<br />
Belieferung dieses Bereichs erfolgen.<br />
5.1.2.2 Auftragsdurchlauf<br />
Einlasten<br />
Nach Eingang neuer Auftragsdaten aus dem kaufmännischen System werden die<br />
Auftragsinformationen (Kopf- / Positionsdaten) in die Datenbank eingebucht und auf<br />
Vollständigkeit und Plausibilität geprüft. Im Regelfall werden Kundendaten (Adresse, Versandarten<br />
usw.) nicht als Stammdaten im logistischen System gehalten, sondern mit jedem Auftrag neu aus<br />
dem kaufmännischen System geliefert.<br />
Filterkriterien im logistischen System erlauben das gezielte Zurückhalten von speziellen<br />
Auftragstypen, die dann erst nach einer manuellen Freigabe durch den Benutzer eingelastet<br />
werden.<br />
Zwar sollte über eine möglichst synchrone Bestandsführung zwischen kaufmännischen EDV und<br />
dem logistischen System sichergestellt sein, dass Aufträge nur bei vollständiger Verfügbarkeit der<br />
benötigten Ware eingelastet werden. Es ist jedoch auf jeden Fall über eine nochmalige<br />
Verfügbarkeitsprüfung und Reservierung im logistischen System sicherzustellen, dass die<br />
komplette Auslieferung lt. Buchbestand möglich ist. Bei Artikeln mit Chargenführung erfolgt in<br />
diesem Schritt ggf. die Zuweisung der ältesten Charge.<br />
In Abhängigkeit von der Zielrelation, dem Sendungsgewicht bzw. -volumen und dem gewünschten<br />
Anliefertermin ist im Zuge einer Frachkostentoptimierung evtl. die geeignete Versandart und die<br />
Zuordnung zu einer konkreten (LKW-) Tour zu bestimmen.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 7
IT für Intralogistiksysteme<br />
Daraus abgeleitet (jede Tour hat definierten Abfahrtzeitpunkt) wird dann unter Umständen der<br />
späteste Startzeitpunkt für den Kommissionierbeginn berechnet, woraus sich dann die<br />
Reihenfolge der Abarbeitung aller eingelasteten Aufträge ergibt.<br />
Picken / Packen<br />
Die Hauptarbeit eines modernen logistischen Systems entfällt heute auf die Planung, Steuerung<br />
und Durchführung der Kommissionierung. Dabei wurde die alte auftragsbezogene<br />
Kommissionierung nach Lieferschein nach und nach durch eine ganze Palette<br />
problemangepasster Kommissionierformen abgelöst:<br />
Zweistufige Kommissionierung (Picken in Sammelrundgängen nach Artikel / nachfolgende<br />
Sortierstufe nach Auftrag oder Packstück / gesonderter Packvorgang)<br />
„paperless order picking“ (Benutzerführung über Regalanzeigen und –Tastaturen)<br />
Online-Kommissionierung (Benutzerführung per Funkterminal)<br />
Spezialformen zur Kommissionierung von<br />
Aufträgen aus nur einem Stück / Artikel / Packstück<br />
Ganzpaletten<br />
Rennerartikeln<br />
Ziel der Optimierungen im logistischen System muss die aufwandsminimale Abarbeitung des<br />
gesamten Auftragsvolumens sein. Unter dieser Prämisse werden die eingelasteten Aufträge<br />
zunächst rechnerisch in Packstücke umgesetzt (= VE-Bildung) und diese dann den<br />
verschiedenen Kommissionierarten zugeordnet.<br />
Die in den ersten Lagern noch anzutreffende Kommissionierung innerhalb eines einteiligen<br />
Hauptlagers ist heute weitgehend einer mindestens zweiteiligen Lagerstruktur mit Reserve- und<br />
Kommissionierbereich gewichen. In Abhängigkeit von unterschiedlichsten Artikelmerkmalen kann<br />
ein Vertriebzentrum heute durchaus ein paar Dutzend spezialisierte Lagerbereiche aufweisen.<br />
Unabhängig von den gerade beschriebenen Struktur- und Ablaufvarianten in der<br />
Kommissionierung ist bei der Benutzerführung zwischen drei verschiedenen Grundformen zu<br />
unterscheiden:<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 8
IT für Intralogistiksysteme<br />
Abb. 6.4. Kommissionieren<br />
Varianten :<br />
Papier<br />
1<br />
Druck<br />
Kommiliste<br />
Abarbeiten<br />
Quittieren<br />
und<br />
Fehlerbearb.<br />
Online<br />
Systemvorgabe<br />
2<br />
Rundgangsbildung<br />
Start<br />
Rundgang<br />
Vorgabe<br />
Komm.-Pos.<br />
Quittieren/<br />
Fehlerbearb<br />
Online<br />
Benutzervorgabe<br />
3<br />
Bildung<br />
Pickpos.<br />
Auswahl<br />
Auftrag<br />
Auswahl<br />
Komm.-Pos.<br />
Quittieren/<br />
Fehlerbearb<br />
Bei Kommissionierformen auf der Basis von Papier (Lieferschein, Picklisten, Etikettenfahnen)<br />
kann die Durchführung der Kommissionierung offline erfolgen.<br />
Es wird keine dezentrale oder mobile Rechnerperipherie benötigt, jedoch erfolgt die<br />
Quittierung oder eine Fehlerbehandlung mit zeitlicher Verzögerung.<br />
Bei den papierlosen Kommissionierformen ist nochmals prinzipiell zu unterscheiden zwischen<br />
einer (Zwangs-) Führung des Benutzers durch das System<br />
(d.h. Rechner bestimmt Abarbeitungsreihenfolge)<br />
und der Bestimmung der Abarbeitungsreihenfolge durch den Benutzer (dem dann vom<br />
Rechner mehrere Aufträge oder Pickpositionen zur Auswahl angeboten werden)<br />
Die dritte Form bietet dem Benutzer zwar maximale Flexibilität, sollte aber dennoch nur dann zum<br />
Einsatz kommen, wenn eine Führung durch das System nicht sinnvoll möglich ist.<br />
Eine wesentliche Rolle in der Kommissionierung spielt die Fehlerbearbeitung. So muss z.B. für<br />
den Fall eines Bestandsfehlers ein geradliniger Ablauf definiert sein, der es dem Kommissionierer<br />
erlaubt, trotz des aufgetretenen Fehlers ohne Unterbrechung weiterzuarbeiten.<br />
Bei sogenannten „pick-and-pack“-Systemen wird direkt in die Versandkartons kommissioniert.<br />
Dadurch verlassen vollständige Packstücke die Kommissionierung, so dass eine nachgelagerte<br />
Packerei nur noch Kontrollfunktionen hat und evtl. Belege ergänzt.<br />
Bei zweistufigen Kommissionierungen müssen über einen Sortiervorgang aus den artikelbezogen<br />
kommissionierten Sammelrundgängen die Waren für jede Sendung zusammengeführt und<br />
verpackt werden. Hier kommen gerade in Vertriebzentren mit hohem Output Sortermaschinen zum<br />
Einsatz, deren Rechner als unterlagerte Systeme vom Logistikrechner einzubinden sind. Der<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 9
IT für Intralogistiksysteme<br />
Einsatz der Sortertechnik ermöglichte seit den 80er Jahren einen Quantensprung in der<br />
Leistungsfähigkeit solcher Vertriebszentren.<br />
Der Grund wird am einfachsten deutlich, wenn die Arbeitsweise in der alten einstufigen<br />
Kommissionierung bei einem sehr großen Artikelsortiment näher beleuchtet wird: Bei einem<br />
Artikelsortiment von u.U. 100.000 verschiedenen Artikeln (Versandhaus) erstreckt sich das<br />
Kommissionierlager über zehntausend von Quadratmetern. Bei einer einstufigen<br />
(= auftragsorientierten) Kommissionierung müsste so der Kommissionierer indiskutable Wege für<br />
die Komplettierung eines Auftrags zurücklegen.<br />
In der Leistung zwischen diesen beiden Extremen liegen die sogenannten Weiterreichsysteme<br />
(oder Bahnhofssysteme) in denen an Stelle des Kommissionierers auftragsbezogene Behälter<br />
oder Kartons durch die Kommissionierung gefördert werden.<br />
Nachschub<br />
Eine weitere Schlüsselfunktion, die eng mit der Kommissionierung verzahnt sein muss, ist der<br />
Nachschub vom Hauptlager (=Reservelager) in die Kommissionierung.<br />
Während im Ur-LVS das Auffüllen eines Artikels im Greiflager bei Bedarf durch den Menschen<br />
anzustoßen war, sorgt ein modernes Logistiksystem vor dem Start eines Kommissioniervorgangs<br />
dafür, dass ausreichender Bestand im Kommissionierbereich vorliegt (Abbildung 6.5).<br />
Abb. 6.5. Nachschub<br />
Varianten :<br />
manueller<br />
Nachschub<br />
1<br />
Kommissionieren<br />
Fehlmenge<br />
?<br />
Nachschubanforderung<br />
vorsorgl.<br />
Nachschub<br />
2<br />
Auffüllen<br />
min. Bestd.<br />
Kommissionieren<br />
Fehlmenge<br />
?<br />
Nachschubanforderung<br />
Bedarfs-<br />
Nachschub<br />
3<br />
Prüfen<br />
KL-Bestand<br />
Auffüllen<br />
Bedarf<br />
Kommissionieren<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 10
IT für Intralogistiksysteme<br />
Dabei greifen zwei unterschiedliche Mechanismen ineinander:<br />
Beim vorsorglichen Nachschub wird bei Unterschreitung eines einstellbaren<br />
Mindestbestands für einen Artikel im Kommissionierbereich automatisch auch ohne Vorliegen<br />
eines konkreten Bedarfs ein Auffüllvorgang angestoßen. Als alleiniger Mechanismus ist der<br />
vorsorgliche Nachschub jedoch nicht ausreichend, da ein Spitzenbedarf zwischen zwei<br />
Nachschubzyklen u.U. immer noch zu Fehlbestand in der Kommissionierung führen kann.<br />
Der Bedarfsnachschub (oder Auftragsnachschub) löst hingegen nur dann einen<br />
Auffüllvorgang aus, wenn bei der Disposition der Bestände in der Kommissionierung für<br />
konkrete Aufträge der Bestand nicht mehr ausreicht.<br />
Durch die Kombination beider Nachschubformen wird eine gleichmäßige Systemauslastung bei<br />
maximaler Lieferbereitschaft erreicht: In Schwachlastzeiten kann die vorhandene Überkapazität zu<br />
einer vorsorglichen Auffüllung des Kommissionierlagers genutzt werden, so dass bei Lastspitzen in<br />
möglichst wenigen Fällen durch (zeitkritischen) Bedarfsnachschub ein Fehlbestand ausgeglichen<br />
werden muss.<br />
Die beschriebene bedarfsangepasste Auffüllung eines Artikels im Kommissionierlager kann jetzt<br />
bei Spitzenbedarf natürlich dazu führen, dass der angeforderte Nachschub nicht mehr komplett in<br />
einem Kommissionierplatz untergebracht werden kann. Deshalb verträgt diese Strategie sich nicht<br />
mit einem Festplatzprinzip, vielmehr muss über eine dynamische Fachvergabe (auch unter dem<br />
Begriff “chaotische Fachvergabe” bekannt) eine Anpassung der Lagerkapazität an den Bedarf je<br />
Artikel erfolgen. So kann dann ein Rennerartikel in der Kommissionierung mehrere Fächer<br />
belegen, eine “Karteileiche” evtl. überhaupt nicht im Kommissionierbereich vertreten sein.<br />
Neben der reinen Bestandsüberwachung und Nachschubplanung ist für die konkrete Durchführung<br />
des Nachschubs wieder das Staplerleitsystem als Baustein im Einsatz.<br />
5.1.2.3 Warenausgang<br />
Die fertigen Packstücke durchlaufen auf der Ausgangsseite wieder in Abhängigkeit von der Vielfalt<br />
der zu bedienenden Frachtführer und Ausgangsrelationen unterschiedlichste Abläufe:<br />
Im Kern besitzen alle die Gemeinsamkeit, dass die Packstücke einer Sendung bis zum<br />
Abfahrtzeitpunkt des LKWs abgefertigt und verladen sein müssen. Insbesondere bei einem Split<br />
der Kommissionierung auf mehrere Lagerbereiche hat der Warenausgang eine<br />
Konsolidierungsfunktion (= Zusammenführung alle Teile einer Sendung).<br />
Diese Aufgabenstellung ist im einfachsten Fall durch ein Sammeln der Packstücke auf<br />
Bereitstellflächen im Warenausgang gelöst, die z.B. Postleitzahlenbereiche zu Zielrelationen<br />
zusammenfassen. Im anderen Extremfall wird durch ein Umsortieren auf einer komplexen<br />
Fördertechnik eine Ladung in einer vorher geplanten Beladereihenfolge so vorbereitet, dass die<br />
eigentliche Beladung der LKW sogar vollautomatisch erfolgen kann.<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
Neben der Abfertigung des Outputs der eigenen Kommissionierung sind hier teilweise Bypass-<br />
Anteile aus dem Wareneingang oder der Produktion zuzusteuern oder ist Fremdware unbekannten<br />
Inhalts zu integrieren. Sofern nicht schon im Verlaufe der vorgelagerten Tätigkeiten erledigt, sind<br />
spätestens vor der Verladung die auf der Ausgangsseite benötigte Belege und Labels zu<br />
erzeugen und beizufügen:<br />
Lieferschein / Rechnung je Sendung<br />
NVE-Labels / Adressaufkleber je Packstück<br />
Ladelisten<br />
Bei Rechnungen ist die saubere Aufgabenteilung zwischen kaufmännischem und logistischem<br />
System zu beachten: Das logistische System verfügt zwar über die tatsächlichen Istmengen der<br />
ausgelieferten Sendung, die Erzeugung bzw. Korrektur der Rechnung ist jedoch immer alleinige<br />
Aufgabe der kaufmännischen EDV. So ergibt sich hier der Zwang zu einer engen Verzahnung:<br />
Die Soll-Rechnung kann mit den Solldaten einer Sendung an das logistische System<br />
übermittelt werden.<br />
Bei Abweichungen (Fehlmenge, Ausweichartikel usw.) muss nach einer entsprechenden<br />
Rückmeldung an das kaufmännische System dieses eine aktualisierte Rechnung an das<br />
logistische System übergeben.<br />
Das logistische System hat dann „nur“ noch die Aufgabenstellung, diese Rechnung physisch<br />
der Ware beizusteuern, d.h. sie am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt auszudrucken<br />
Ergebnis dieser Mechanismen ist dann die Erstellung von Lieferscheinen und Rechnungen, die<br />
nicht die vom Hostsystem ursprünglich vorgegebenen Soll-Positionen wiedergeben, sondern auch<br />
in Sonderfällen (Fehlbestand, erkannter Qualitätsmangel) die tatsächlich ausgelieferten Artikel und<br />
Mengen.<br />
Abschließend findet auf der Ausgangsseite evtl. unmittelbar bei der Verladung nochmals eine<br />
Warenausgangserfassung statt, mit deren Hilfe eine letzte Vollständigkeitskontrolle ermöglicht<br />
wird.<br />
Um in Zusammenarbeit mit dem Spediteur oder Paketdienst ein Sendungsverfolgung realisieren<br />
zu können, sind die Sendungs- bzw. Packstückdaten evtl. den betroffenen Spediteuren per DFÜ<br />
zu avisieren („despatch advise notice“).<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
5.1.3 Die Evolution des LVS<br />
Differenzierte<br />
Abwicklung<br />
Leitstands-<br />
funktionen<br />
Zunahme<br />
Komplexität<br />
Zweistufige<br />
Kommissio -<br />
nierung<br />
Abb. 6.6: Entwicklungsstufen des LVS<br />
Dreistufige<br />
Kommissionierung<br />
Erhöhung<br />
Platzbedarf<br />
Mengen-<br />
Steigerung<br />
dynamische<br />
Fachvergabe<br />
im KL<br />
Zunahme<br />
Artikel<br />
Mehrfachanlage<br />
Zunahme<br />
Spitzen<br />
das<br />
"Ur-LVS"<br />
Entwicklung<br />
Sorter<br />
omnidirektionale<br />
Scanner<br />
papierlose<br />
Kommissionierung<br />
autom .<br />
Nachschub-<br />
Anstoß<br />
Transport<br />
über<br />
Fördertechnik<br />
Wege<br />
werden<br />
Engpass<br />
Weiterreich-<br />
Systeme<br />
Weiterentwicklung<br />
Funktechnik<br />
Verkürzung<br />
Zeitvorgaben<br />
In Abbildung 6.6 wurde nochmals versucht, die Entwicklungsstufen vom einfachen elektronischen<br />
Karteikasten bis zur hochintegrierten Betriebssteuerung in einem modernen Logistiksystem<br />
zusammenzufassen.<br />
Dabei ist die Aufzählung von externen Anforderungen, technischen Möglichkeiten und den sich<br />
daraus ergebenden Lösungen nicht als streng sequentielle Abfolge zu interpretieren. In konkreten<br />
einzelnen Systemen wurden die beschriebenen Entwicklungsstufen durchaus in anderen<br />
Reihenfolgen durchlaufen.<br />
Die beschriebene Entwicklung ist aber auf jeden Fall mit einer zunehmenden Technisierung des<br />
Ablaufs verbunden, die in einer hochgradigen Abhängigkeit von der Zuverlässigkeit aller<br />
beteiligten Hard- und Softwarekomponenten mündet. Deshalb ist eine Absicherung der kritischen<br />
Komponenten durch redundante Auslegung Pflicht. Dabei gelten unter Anderem die Regeln:<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 13
IT für Intralogistiksysteme<br />
Alle kaufmännisch relevanten Daten und alle Lagerbestände sind zuverlässig gegen<br />
Datenverluste abzusichern.<br />
Bewegungsdaten können dann flüchtig gehalten werden, wenn<br />
Prozeduren zum Wiederaufsetzen nach Datenverlust existieren (z.B. „Ehren runde“ auf der<br />
Fördertechnik oder physisches Abräumen und Neuerfassen)<br />
die nichtdynamischen Datenanteile durch einen Abgleich mit dem überlagerten System<br />
wiedergewonnen werden können<br />
Können einzelne technische Komponenten wegen eines unumgänglichen „single point of failure“<br />
nicht gegen einen Ausfall abgesichert werden, ist nach Möglichkeit ein manueller Notablauf für<br />
einen Betrieb mit stark reduzierte Leistung vorzusehen.<br />
Wichtig: Die Erhöhung der technischen Zuverlässigkeit durch Redundanz in den beteiligten<br />
Komponenten ist nur bis zu einem gewissen Grad sinnvoll, da jede weitere Redundanz zu einer<br />
Zunahme der Komplexität führt. Die Begrenzung der Komplexität einer Anlage ist aber<br />
erwiesenermaßen auch ein erprobtes Mittel zur Erhöhung der Verfügbarkeit (bekannt unter dem<br />
positiv zu interpretierenden Begriff „Russentechnik“).<br />
Bei Ausnutzung aller heute existierenden Möglichkeiten erlauben moderne Logistiksysteme eine<br />
Steigerung der Produktivität (= täglicher Ausstoß je Mitarbeiter) gegenüber einer rein manuellen<br />
Distribution um mehr als den Faktor zehn!<br />
Die in Abbildung 6.6 angedeutete Entwicklung eines hochintegrierten Logistiksystems erreicht von<br />
einem gewissen Grad der Komplexität an einen Punkt, ab dem die zu steuernden Vorgänge nur<br />
noch durch die Installation eines Leitstands überschaubar sind. Darunter werden alle Funktionen<br />
verstanden, die durch übersichtliche Darstellung des aktuellen Systemzustands dem Menschen<br />
die Möglichkeit zu rechtzeitiger Reaktion auf Engpässe oder Fehler geben. Im Zentrum aller<br />
Darstellungen stehen dabei immer wieder<br />
der Arbeitsvorrat in den einzelnen Bereichen.<br />
der Arbeitsfortschritt, d.h. die schon abgearbeiteten Umfänge<br />
Da bei gut ausgelegter Technik die Leistung der Mitarbeiter den Durchsatz bestimmt, ist auf der<br />
Basis dieser Informationen dann durch eine entsprechende Personalsteuerung (wer arbeitet<br />
wann wo?) dafür zu sorgen, dass die Leistung in den einzelnen Bereichen den aktuellen<br />
Anforderungen angepasst wird.<br />
Während in älteren Lagern für die wirtschaftliche Bewertung der Lagerbestände einmal jährlich<br />
eine Komplettaufnahme alle Artikelbestände erforderlich war, ist in modernen Lagern die<br />
permanente Inventur die Regel. Dieses Verfahren macht sich die Vorgabe zu nutze, das jeder<br />
Artikel zwar einmal jährlich gezählt werden muss, dies aber durchaus über das Jahr verteilt werden<br />
kann. Weiterhin wird bei permanenter Inventur jede im Normalablauf ohnehin stattfindende<br />
Zählung als Inventurzählung behandelt.<br />
So müssen in einem solchen Lager nur noch (über das Jahr verteilt) Zählungen für diejenigen<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 14
IT für Intralogistiksysteme<br />
Paletten angestoßen werden, deren letzte Zählung bis zum Inventurstichtag länger als ein Jahr<br />
zurückläge. Schließlich benötigt der Betreiber eines komplexen Lagers eine Reihe<br />
unterschiedlichster Statistiken, um ihm eine Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Mensch und<br />
Maschine zu erlauben.<br />
5.1.4 Fragenkatalog zum Thema Lagerverwaltung :<br />
Welche technischen Komponenten bilden die Voraussetzung für ein modernes<br />
Logistiksystem?<br />
Schnittstellen eines modernen Logistiksystems:<br />
Festplatzprinzip / dynamische Fachvergabe:<br />
Nachschubstrategien vom Reservelager ins KL:<br />
Methoden zur Erhöhung der Verfügbarkeit:<br />
Stichtagsinventur / permanente Inventur:<br />
Funktionsweise einer zweistufigen Kommissionierung:<br />
Alternative Einsatzformen Funkterminals:<br />
Was versteht man unter einem „Pick-and-pack-System“?<br />
Wofür wird in einem Vertriebszentrum z.B. ein Sorter eingesetzt?<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
5.2.1 Auftragsbezogene Kommissionierung<br />
Kommissioniersystem<br />
5.2.1.1 Auftragsbezogene Einfachkommissionierung mit Lieferbeleg<br />
Moderne Distributionszentren mit sogenanntem "Vollsortiment" müssen teilweise über 100.000<br />
verschiedene Artikel im Zugriff haben und mit der Schwierigkeit kämpfen, dass das Sortiment<br />
regelmäßig wechselt.<br />
Am besten lässt sich der Aufwand charakterisieren, indem man die Anzahl von Kundenaufträgen<br />
pro Tag betrachtet. Jeder dieser Aufträge besteht wiederum aus einer Vielzahl von Pickpositionen,<br />
welche den Ressourcenverbrauch definieren.<br />
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist zusätzlich die Bandbreite der Auftragsgrößen.<br />
Mit dieser Erkenntnis kann man das Anforderungsprofil mit Hilfe einer unförmig, aufgespannten<br />
Fläche in einem Koordinatensystem mit fünf Achsen projizieren. Man kann jetzt jedem<br />
Evolutionsschritt seiner Kommissionierprozesse begleiten und den „Step“ in die nächst höhere<br />
Ebene verfolgen.<br />
Dynamik<br />
Artikelspektrum<br />
Streuung<br />
Auftragsgröße<br />
Anz. Artikel<br />
Abb. 6.7: Anforderungsspektrum für Kommissioniersysteme<br />
Aufträge / Tag<br />
Pickpos / Auftrag<br />
Diese Art der Einfachkommissionierung setzt ein überschaubares Artikelsortiment, welches<br />
übersichtlich gegliedert nach Warengruppen gelagert ist, voraus. Innerhalb einer Warengruppe<br />
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sorgt eine Lagerung nach aufsteigender Artikelnummer für schnellen Zugriff. Der ganze Bestand<br />
eines Artikels liegt noch im Kommissionierlager.<br />
Der Kommissioniervorgang erfolgt mit Hilfe eines Papiers wie der Bestellung, dem Lieferschein<br />
oder der Rechnung. Lagerkoordinaten muss dieses Papier noch nicht enthalten, da ja mit der<br />
Artikelinformation jeder Mitarbeiter die gewünschte Ware findet.<br />
Der Vorteil dieser Einfachlösung liegt darin, dass sie bezüglich der gesamten Versandabwicklung<br />
ohne die Beteiligung eines Lagerverwaltungssystems auskommt. Lediglich die Bestände müssen<br />
summarisch geführt werden. Dieser Ablauf ist keineswegs Vergangenheit, sondern funktioniert<br />
auch heute noch für ein bestimmtes Anforderungsprofil:<br />
kleines bis mittleres Artikelsortiment<br />
geringe Dynamik im Artikelspektrum<br />
niedrige Anzahl Aufträge je Tag<br />
5.2.1.2 Erweiterung des Rundgangsumfangs auf mehrere Aufträge<br />
Das Artikelsortiment nimmt bei dieser Art zu und Regal reiht sich an Regal. Da eine Sendung meist<br />
mehrere Artikel umfasst, erreichen die Laufwege bei der Kommissionierung allmählich untragbare<br />
Größenordnungen. In dieser Größenordnung eines Betriebes mit einem recht überschaulichen<br />
Leistungssegment ist das Überwinden dieses Problems noch recht einfach.<br />
Zum einen bietet sich die Verkleinerung des Kommissionierlagers durch eine Absplittung von<br />
Überbeständen in einen Reservebereich an, oder zum anderen wäre eine Zusammenfassen<br />
mehrerer Aufträge zu einem gemeinsamen Kommissionierrundgang denkbar.<br />
Auch dieser neue Ablauf (mehreren Aufträgen zu einem Rundgang) kann noch ohne EDV-<br />
Unterstützung realisiert werden, indem die Kommissionierer einfach mit mehreren Lieferscheinen<br />
oder Rechnungen einen Rundgang durch das Lager starten.<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
Abb. 6.8: Auftragsbezogene Kommissionierung über mehrere Aufträge<br />
Nicht nur die Zunahme der Artikelanzahl vergrößert sich, sondern es entsteht auch eine Dynamik<br />
im Artikelsortiment. Regelmäßig werden Artikel aus dem Sortiment gestrichen oder substitionale<br />
Artikel ersetzt und sogar durch vollkommen Neue erweitert.<br />
Will man die regelmäßige Neueinteilung des ganzen Lagers vermeiden, kann die aufsteigende<br />
Artikelreihenfolge im Lager nicht mehr eingehalten werden. Die Durchbrechung dieses einfachen<br />
Ordnungsprinzips bedeutet aber, dass der Mensch durch die Angabe eines Lagerortes unterstützt<br />
werden muss, die durch eine Lagerortverwaltung auf Artikelebene realisiert wird.<br />
5.2.2 Weiterreichsysteme<br />
In einem "Weiterreichsystem" löst die Ankunft eines Behälters in einem abgegrenzten<br />
Kommissionierbereich einen kleinen Rundgang aus, d.h. ein Mitarbeiter läuft nur die innerhalb<br />
seines Bereichs benötigten Artikel an und legt sie zu. Der Weg zum nächsten<br />
Kommissionierbereich wird vom Behälterfördersystem überbrückt.<br />
Wenn für jeden Behälter ein Auftrag gesammelt werden soll, kann prinzipiell wieder der<br />
auftragsbezogene Kommissionierbeleg als Basis dienen. Der Beleg zum Auftrag sollte allerdings<br />
nach aufsteigenden Kommissionierbereichen und Regalkoordinaten geordnet sein, um ein<br />
Minimum an Übersichtlichkeit zu gewährleisten.<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
Abb. 6.9: Weiterreich-System mit Offline-Bahnhöfen<br />
Bei einem Weiterreichsystem ändern sich natürlich auch die Voraussetzungen an die EDV. Diese<br />
muss nun neue Funktionen bieten, welche in zwei Hauptbereiche unterteilt werden:<br />
Bereich Kommissionierlager (KL)<br />
Bereich Fördertechnik-Steuerung<br />
Das KL muss wiederum in Teilbereiche unterteilt werden. Zur Fördertechnik-Steuerung ist eine<br />
Schnittstelle erforderlich, welche die Behälter nur gezielt in die betroffenen Bereiche steuern soll.<br />
Einer steigenden Mengen im KL und einem meist gleichzeitig ansteigendem Artikelspektrum,<br />
erzwingt einen nächsten Schritt im System. Um die Nachschubmengen an den Bedarf anpassen<br />
zu können, muss die beim Festplatz klar begrenzte KL- Kapazität für einen Artikel wegfallen. Dies<br />
kann nur über den Umstieg auf eine flexible Lagerplatzvergabe und einen echten<br />
Bedarfsnachschub ins KL erfolgen.<br />
5.2.3 Zweistufige Kommissionierung<br />
Der Kommissionierung nachgeschalteten Sortiermaschine (Sorterpackerei) erlaubt eine<br />
weitgehende Loslösung vom Auftragsbezug bei der Kommissionierung. Es kann für sehr viele<br />
Aufträge gleichzeitig die Menge eines Artikels gepickt werden. Die Anzahl der Zugriffe auf einen<br />
Artikel sinkt drastisch und damit auch der Wegeanteil am Kommissioniervorgang. In Summe hat<br />
die zweistufige Kommissionierung einen mehrfach besseren Wirkungsgrad als zuvor.<br />
Des Weiteren kann durch den Wegfall des Auftragsbezugs der einzelne Behälter wesentlich voller<br />
befüllt werden. Weiterhin entfällt der Zwang, jeden Behälter sequentiell durch das ganze Lager<br />
fahren zu müssen. Damit sinken die Behälterfrequenzen im einzelnen Lagerbereich stark ab oder<br />
umgekehrt: Die Leistungsgrenzen der Fördertechnik verschieben sich weit nach oben.<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
Außerdem wird der riskanteste Vorgang im bisherigen System - die manuelle Verteilung der<br />
gesammelten Ware auf die auftragsbezogenen Versandkartons - durch eine ermüdungsfreie<br />
Maschine ersetzt. Somit steigt neben der Leistung auch die Qualität.<br />
Abb. 6.10: Zweistufige Kommissionierung mit Sorterpackerei<br />
Der Sorter benötigt auf jedem aufgeschossenen Teil einen Strichcode, der zumindest den Artikel<br />
identifiziert. Theoretisch kann hierfür ein EAN- <strong>Co</strong>de herangezogen werden, in der Praxis scheitert<br />
dies jedoch häufig an vielen Detailproblemen, so dass im Betrieb oft Picklabels einführt werden,<br />
die beim Kommissionieren auf jedes Teil geklebt werden. Als weiterer positiver Effekt sei zu<br />
erwähnen, dass diese Labels einen Auftrags- bzw. Kundenbezug haben und somit den<br />
Erfassungsprozess bei den Retouren vereinfacht.<br />
Der Druck dieser Labels wirkt zunächst trivial, steuert aber letztendlich den Ablauf von mehreren<br />
ineinandergreifenden Prozessen:<br />
Der Kommissioniervorgang, sortiert nach Kommissionierbereichen, Batches und Lagerorten<br />
Die Batchzusteuerung zum Sorter<br />
Den eigentlichen Sortiervorgang<br />
Den Packvorgang<br />
Die Retourenvereinnahmung<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
5.3 Ausfallsicherheit und Datensicherung bei<br />
Materialflussverwaltungssystemen<br />
5.3.1 Einleitung<br />
Bei jedem technischen System muss während des Betriebes mit Fehlfunktionen und Ausfällen<br />
gerechnet werden. Auch Lagerverwaltungs- und Steuerungssysteme unterliegen diesen<br />
Gesetzmäßigkeiten, so dass eine 100-%ige Verfügbarkeit nicht gewährleistet ist.<br />
Die Verfügbarkeit eines Datenverarbeitungs- und Informationssystems hängt dabei nicht nur von<br />
der Hardwareverfügbarkeit, sondern auch von der Konsistenz der gespeicherten Daten ab. Ein<br />
Datenverlust oder die Inkonsistenz der Daten führen dazu, dass eine Anlagennutzung nicht<br />
möglich ist.<br />
Aus diesen Gründen müssen bereits bei der Planung von Lagerverwaltungssystemen Konzepte<br />
erarbeitet werden, die einerseits das Ausfallrisiko minimieren und andererseits Auswirkungen von<br />
Ausfällen so begrenzen, dass zumindest ein Notbetrieb möglich ist.<br />
Alle Maßnahmen zur Verminderung des Ausfallrisikos sind mit zusätzlichen Kosten - sei es bei den<br />
Investitionskosten oder den Betriebskosten - verbunden. Die Überlegungen hinsichtlich einer<br />
Risikoverminderung bewegen sich im Spannungsfeld Risiko-Aufwand-Nutzen.<br />
Abbildung 6.11 stellt dieses Spannungsfeld der Maßnahmenplanung zur Verminderung des<br />
Ausfallrisikos dar.<br />
Aufwand<br />
Aufwand<br />
Ausfall-<br />
Ausfall-<br />
Risiko<br />
Risiko<br />
Abb. 6.11: Spannungsfeld Risiko-Aufwand-Nutzen<br />
Nutzen<br />
Nutzen<br />
Die schwierige Aufgabe beim Entwurf eines Gesamtkonzeptes liegt darin, den optimalen<br />
Kompromiss zwischen Risiko und Aufwand zu finden, ohne die Effizienz des Systems zu<br />
gefährden. Schwierig ist diese Aufgabe deshalb, weil in jeder Anwendung die Randbedingungen<br />
unterschiedlich sind. Eine generelle und allgemeingültige Lösung lässt sich nicht darstellen. Im<br />
folgenden soll ein Überblick über die Einflussfaktoren auf die Systemverfügbarkeit und über<br />
mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der Systemverfügbarkeit gegeben werden.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 21
IT für Intralogistiksysteme<br />
5.3.2 Ursachen für Systemausfälle<br />
Ein führender Rechnerhersteller hat eine umfangreiche Analyse der Ursachen für Systemausfälle<br />
bei prozessnahen Systemen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Untersuchung (Abbildung 6.12)<br />
zeigt die verschiedenen Einflussfaktoren und deren Anteil an Systemausfällen. Das Ergebnis<br />
widerlegt eindeutig die vielfach vertretene Meinung,<br />
dass eine fehlertolerante Hardware ausreichen würde, um eine hohe Systemverfügbarkeit zu<br />
erreichen.<br />
Bei der Systemplanung und Systemeinführung muss vielmehr das gesamte Spektrum der<br />
Einflussfaktoren berücksichtigt und die entsprechenden Maßnahmen zur Risikoverminderung<br />
getroffen werden. Weiterhin zeichnet sich der Trend ab,<br />
dass die Hardwarekomponenten kontinuierlich standfester werden. Der Anteil der Hardware an<br />
Systemausfällen nimmt dementsprechend ab.<br />
Applikationssoftware<br />
30%<br />
Abb. 6.12: Ursachen für Systemausfälle<br />
Bedienung 10%<br />
Hardware 40%<br />
(HW/Betriebssystem/Wartung)<br />
Umgebung 10%<br />
Datenkommunikation<br />
10%<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 22
IT für Intralogistiksysteme<br />
5.3.3 Maßnahmen zur Verbesserung der Systemverfügbarkeit<br />
5.3.3.1 Umgebung<br />
Das Schaffen von Umgebungsbedingungen gemäß den Spezifikationen des Herstellers ist<br />
Grundvoraussetzung für eine hohe Systemverfügbarkeit. Dabei müssen Schutzmaßnahmen<br />
getroffen werden gegen:<br />
unzulässige Umgebungstemperatur,<br />
Verschmutzung der Geräte und<br />
mechanische Belastung durch Vibrationen und Stöße<br />
Einen umfassenden und einfach zu realisierenden Schutz bietet die Rechnerinstallation in einem<br />
separaten, abgeschlossenen Raum. Maßnahmen zur Belüftung, zur Klimatisierung sowie zur<br />
Luftfilterung sind im Einzelnen zu prüfen und allgemein mit relativ geringem Aufwand durchführbar.<br />
Einen weiteren wesentlichen Umgebungseinfluss stellt die Spannungsversorgung des Systems<br />
mit den Einflussfaktoren<br />
dar.<br />
Spannungsschwankung,<br />
Störimpulse und<br />
Netzausfall<br />
Abhilfe kann hier durch Installation eines separaten Versorgungskreises, von Netzfiltern und<br />
gegebenenfalls einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) geschaffen werden.<br />
5.3.3.2 Hersteller<br />
Wie die Untersuchung der Systemausfallursachen zeigt, beeinflusst der Lieferant eines<br />
Rechnersystems die Systemverfügbarkeit zu 40 % durch die von ihm gelieferte<br />
Hardware<br />
Systemsoftware (z. B. Betriebssystem, Netzwerksoftware, Datenbank)<br />
Wartung<br />
Bereits die Auswahl des geeigneten Rechnerlieferanten ist eine Schlüsselentscheidung für das<br />
Erreichen einer hohen Systemverfügbarkeit.<br />
Neben der Qualität und der damit verbundenen Zuverlässigkeit der Hardwareprodukte sollten<br />
Referenzinstallationen, die der geplanten Rechnerkonfiguration entsprechen, nachgewiesen<br />
werden können. Der Erstanwender neuentwickelter Hard- oder Softwareprodukte trägt in jedem<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 23
IT für Intralogistiksysteme<br />
Fall ein großes Risiko hinsichtlich der Einhaltung zugesagter Funktionalitäten und der<br />
Fehlerfreiheit der neuen Produkte.<br />
Weiterhin muss der Hardwarelieferant nachweisen, eine umfassende qualifizierte Wartung sowie<br />
Ersatzteilversorgung sicherstellen zu können. Nicht selten werden Komponenten kostengünstig<br />
angeboten, die anschließend nicht in Wartungsverträge aufgenommen werden. Die auf diesem<br />
Weg eingesparten Kosten müssen bei einem Störungsfall durch lange Reparaturdauer und<br />
Ersatzteilbeschaffung teuer bezahlt werden.<br />
Zum Punkt Systemwartung sei abschließend die Empfehlung angebracht, vor Beginn der<br />
Wartungsarbeiten eine umfassende Datensicherung durchzuführen, um Datenbestände, die<br />
während der Wartungsarbeiten zerstört werden könnten, vollständig und schnell rekonstruieren zu<br />
können.<br />
Im Bereich der Hardware kann neben den dargestellten herstellerspezifischen Randbedingungen<br />
bei der Systemkonzeption durch Einsatz von redundanten Komponenten eine Steigerung der<br />
Verfügbarkeit erreicht werden. Eine Übersicht möglicher Maßnahmen ist in Abbildung 6.13<br />
zusammengefasst.<br />
Peripherie<br />
und unterlagerte Steuerungen<br />
Ersatzgeräte<br />
Einfachrechner<br />
Zentraleinheit<br />
Doppelrechner<br />
Cluster<br />
Abb. 6.13: Maßnahmen zur Erhöhung der Hardwareverfügbarkeit<br />
Peripherie und Steuerungen<br />
Doppelrechner<br />
Backup-Rechner<br />
Platten<br />
Datenbank Spiegelplatten<br />
Eine redundante Auslegung speicherprogrammierbarer Steuerungen ist im allgemeinen nicht<br />
erforderlich, da ein Komponententausch oder der Austausch einer kompletten SPS in kurzer Zeit<br />
möglich ist, sofern sämtliche Komponenten als Ersatzteile vor Ort verfügbar sind.<br />
Bei Peripheriegeräten des Rechnersystems, wie z. B. Terminals, Druckern, Netzwerkservern, kann<br />
die gleiche Vorgehensweise gewählt werden, da diese Komponenten ebenfalls sehr schnell<br />
ausgetauscht werden können und darüber hinaus ein Komponentenausfall nicht zum vollständigen<br />
Systemstillstand führt.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 24
IT für Intralogistiksysteme<br />
Zentraleinheit<br />
Unter dem Begriff Zentraleinheit sollen hier sämtliche zentral zusammen-gefassten Komponenten<br />
eines Rechnersystems verstanden werden, wie CPU, Hauptspeicher, Netzteil, Ein-/Ausgabekanäle<br />
und interner Rechnerbus.<br />
Aufgrund der hohen Kosten der Einzelkomponenten und der komplexen Bauweise eines<br />
Rechners, die einen schnellen Komponentenaustausch nicht zulässt, kann die für Peripheriegeräte<br />
anwendbare Strategie nicht genutzt werden. In Abhängigkeit von der maximal zulässigen<br />
Stillstands- und Wiederanlaufzeit sind Konzepte zu suchen, die eine Redundanz schaffen und die<br />
Forderung nach Wirtschaftlichkeit berücksichtigen.<br />
Einfachrechnersystem<br />
Kann ein eingeschränkter Notbetrieb für die Dauer eines Tages akzeptiert werden, ist ein<br />
Einfachrechnerkonzept ausreichend. Im einfachsten Fall werden zyklisch Notbetriebslisten erstellt,<br />
die den Lagerspiegel enthalten. Bei Rechnerausfall ist es möglich, Material im Lager zu finden und<br />
auszulagern. Einlagerungen sind in dieser Betriebsart nicht möglich. Nach Wiederanlauf des<br />
Lagerverwaltungssystems müssen die durchgeführten Auslagerungen manuell auf dem<br />
Lagerverwaltungssystem nachgebucht werden.<br />
Dieses Notbetriebsverfahren kann mit geringem Kostenaufwand wesentlich durch den Einsatz<br />
eines Notbetriebs-PCs verbessert werden (Abbildung 6.14).<br />
HOST<br />
Notbetriebs-PC<br />
Server<br />
Peripherie<br />
Abb. 6.14: Einfachrechnerkonfiguration mit Notbetriebs-PC<br />
LVR (Lagerverwaltungsrechner)<br />
Konzentrator<br />
Wareneingang<br />
Konzentrator<br />
Warenausgang<br />
LAN<br />
Plattenbus<br />
Der Notbetriebs-PC fordert während des Normalbetriebes zyklisch den Lagerspiegel vom<br />
Lagerverwaltungsrechner an und verbucht ihn in einer einfachen Datenbank. Während des<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 25
IT für Intralogistiksysteme<br />
Notbetriebes kann der Betreiber des Lagers über die Artikelnummer Auslagerungen anfordern. Die<br />
Auslagervorgänge werden im PC protokolliert und bei Wiederanlauf auf dem LVR automatisch<br />
nachgebucht.<br />
Konzept einer Mehrfachrechneranwendung mit einem Backup-Rechner<br />
In diesem Fall ist ein Backup-Rechner als Ersatzrechner über das Netz mit den produktiven<br />
Rechnern verbunden (Abbildung 6.15). Nach der Fehlererkennung beginnt das Hochfahren des<br />
Backup-Rechners, die Rekonstruktion des Filesystems und der Anwendung.<br />
Dieses Umschalten und Aktivieren benötigt eine kurze Wiederanlaufzeit (Abbildung 6.16).<br />
A<br />
1<br />
Rechner 1<br />
Rechner 2<br />
WE Lager<br />
WE<br />
A`<br />
B B`<br />
2<br />
Der Backup-Rechner hat Zugriff auf alle Platten.<br />
Bei ungestörtem Betrieb erhält der Backup-Rechner sog. "Herztöne"<br />
von allen im Netz befindlichen Rechnern.<br />
Nach der Fehlererkennung beginnt das Hochfahren des Backups,<br />
die Rekonstruktion des Filesystems, die Rekonstruktion der Anwendung<br />
Vollredundant<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
BA Rechner 3<br />
3<br />
Rech.-Druck<br />
4<br />
Rechner 4<br />
Bild 6.3.3.3: Konzept einer Mehrfachrechneranwendung mit einem Backup-Rechner: Fehlererkennung<br />
und -beseitigung<br />
Abb. 6.15: Konzept einer Mehrfachrechneranwendung mit Backup-Rechner: Fehlererkennung (veraltet)<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 26<br />
WA
IT für Intralogistiksysteme<br />
ungestörter<br />
Betrieb<br />
Fehlererkennung<br />
Hochfahren<br />
Backup-Rechner<br />
Abhängig von<br />
Fehlererkennungssystem<br />
und dem<br />
Betriebssystem<br />
sowie der Hardware<br />
Filesystem<br />
rekonstruieren<br />
Abhängig vom<br />
Betriebssystem<br />
und der Anwendung<br />
Anwendung<br />
rekonstruieren<br />
Abhängig von<br />
der Anwendung<br />
Abb. 6.16: Zusammensetzung der Zeitanteile für Wiederanlauf mit einem Backuprechner (veraltet)<br />
Konzept einer Clusterbildung<br />
Zeit<br />
ungestörter<br />
Betrieb<br />
Bei diesem Konzept sind die Rechner von der Hardware so ausgestattet, dass sie alle Aufgaben<br />
übernehmen können. Andererseits ist die Software der einzelnen Anwendungsbereiche auf jedem<br />
Rechner lauffähig.<br />
Im Normalfall übernimmt jeder Rechner eine bestimmte Applikation.<br />
Alle Rechner überwachen sich gegenseitig auf Fehlfunktion und Ausfälle. Bei einer Fehlfunktion<br />
oder Ausfall eines Rechners übernimmt ein anderer Rechner dessen Aufgaben. Durch den<br />
gemeinsamen Plattenzugriff ist gewährleistet, dass in diesem Fall die neuesten Daten vorhanden<br />
sind (siehe Abbildung 6.17).<br />
Der große Vorteil dieses Systems besteht darin, dass es zu keiner Verzögerung beim Ausfall eines<br />
Rechners kommt. Die Applikationen können ohne Unterbrechung weiterlaufen.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 27
IT für Intralogistiksysteme<br />
Alle Rechner haben Zugriff auf alle Platten,<br />
im Normalfall arbeitet jeder Rechner mit<br />
seinen Platten.<br />
Die Applikation wird in Pakete<br />
zerlegt;<br />
z.B. Lager, WE-Wareneingang,<br />
WA-Warenausgang, R-Druck-<br />
Rechnungs-on-line-Druck.<br />
Mehrfachsystem als Backup voll redundant.<br />
Alle Rechner überwachen sich durch<br />
sogenannte Herztöne .<br />
Fällt z.B. Rechner C aus, übernehmen die<br />
noch "lebenden" Rechner A, B und D<br />
die Pakete von Rechner C.<br />
Rechner<br />
A<br />
Lager<br />
CM<br />
Rechner<br />
B<br />
WE<br />
D B C R-Druck<br />
A C D<br />
C<br />
A<br />
D B A<br />
Rechner<br />
C<br />
CM<br />
WE<br />
CM<br />
CM<br />
Leit-<br />
stand<br />
Rechner<br />
D<br />
Abb. 6.17: Konzept eines Clusters mit automatischer Fehlererkennung und Beseitigung<br />
WA<br />
B<br />
A B C<br />
D<br />
CM = Clustermanager<br />
Zusätzlich zur redundanten Auslegung der Rechner und Platten (siehe nachfolgendes Kapitel)<br />
kann durch eine räumliche Trennung der Hardwarekomponenten ein höherer Systemausfallschutz<br />
realisiert werden.<br />
Diese sogenannte „Desaster“-Sicherung birgt insbesondere einen Schutz des Gesamtsystems vor<br />
äußerlichen Einwirkungen wie z. B. einem Brand.<br />
IT für Intralogistiksysteme Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas Seite 28
IT für Intralogistiksysteme<br />
Abbildung 6.18 verdeutlicht diese Diversifizierungs-Strategie:<br />
Abb. 6.18<br />
Platten<br />
Alphaserver<br />
LVR KLR<br />
WER DLR<br />
HSJx0<br />
Alphaserver Alphaserver<br />
Alphaserver<br />
System-Disk System-Disk<br />
Shadowset<br />
HSJx0<br />
Hardwarekonfiguration <strong>DR</strong>. <strong>THOMAS</strong> +<br />
Materialflußplanung und Automatisierungstechnik <strong>GmbH</strong><br />
<strong>PARTNER</strong><br />
6_3_3_6.ds4<br />
10 MB<br />
Ethernet<br />
100 MB<br />
Ethernet<br />
Als Maßnahmen zum Schutz vor Datenverlust bei Ausfall eines Magnetplattenlaufwerkes<br />
stehen zwei Alternativen zur Verfügung:<br />
Verwendung einer Datenbank mit Backup- und Recoverymöglichkeit<br />
Einsatz von Spiegelplatten<br />
Im ersten Fall werden die dynamischen Lagerdaten in einer Datenbank gehalten, die<br />
neben einem Transaction Logging auch Journaling auf einer separaten Platte unterstützt.<br />
Aus dem letzten Backup der Datenbank und der Journaldatei lässt sich bei einem Ausfall<br />
der Datenbankplatte der Datenbestand vollständig rekonstruieren (Recovery). Die<br />
benötigte Zeit für ein Recovery ist abhängig von der Anzahl der Transaktionen, die seit<br />
dem letzten Backup durchgeführt wurden. Diese Zeit kann verringert werden, indem die<br />
Backup-Zyklen verkürzt werden.<br />
Vollständig beseitigen lässt sich die Recoveryzeit durch den Einsatz eines<br />
Spiegelplattensystems. Hier werden die vor Verlust zu schützenden Daten parallel auf zwei<br />
Plattenlaufwerke geschrieben. Der Datenzugriff beim Lesen erfolgt ebenfalls auf beide<br />
Laufwerke. Durch Vergleich der Leseergebnisse lässt sich ein Plattendefekt erkennen und<br />
die defekte Platte stilllegen. Bis zur Reparatur der defekten Platte muss mit reduzierter<br />
Datensicherheit gefahren werden.<br />
Kapitel_5.doc Prof. Dr. Ing. Frank Thomas Seite 29
IT für Intralogistiksysteme<br />
Die Datenspiegelung erfordert jedoch nicht nur eine hardwaremäßige Plattenredundanz,<br />
sondern umfangreiche Software zur Spiegelung, Fehlererkennung und den Datenabgleich<br />
bei Wiederanlauf (Abbildung 6.19).<br />
<strong>Co</strong>ntroller<br />
Merkmale:<br />
Datenplatte<br />
voll redundant durch separate <strong>Co</strong>ntroller/Netzteile<br />
bis zu 3-fach Spiegelung<br />
Online-backup<br />
Abb. 6.19: Hohe Datenverfügbarkeit durch Spiegelplatten<br />
Rechner<br />
<strong>Co</strong>ntroller<br />
gespiegelte<br />
Platte<br />
Dokumentation: Was wird auf welcher Platte gespiegelt?<br />
Beide geschilderten Maßnahmen - Datenbank und Spiegelplattensystem - lassen sich auch<br />
kombinieren, um eine weitere Risikominderung zu erzielen.<br />
Grundsätzlich ist in jedem Fall der Einsatz einer Datenbank in Lagerverwaltungssystemen<br />
aus Sicherheitsgründen angezeigt. Eine Datenhaltung in einfachen Dateien ohne<br />
Recoverymöglichkeiten entspricht nicht mehr dem heutigen Stand der Technik.<br />
5.3.3.3 Applikationssoftware<br />
Ähnliche Kriterien wie bei der Auswahl eines geeigneten Hardwarelieferanten sind bei der<br />
Entscheidung für einen Lieferanten der Applikationssoftware anzuwenden. Dazu gehören<br />
aussagekräftige Referenzen und genaue Informationen über die Projektabwicklung der<br />
Referenzprojekte.<br />
Der erste Realisierungsschritt der Anwendungssoftware muss darin bestehen, eine<br />
detaillierte Funktionsspezifikation zu erarbeiten. Damit wird die Basis gelegt, um die<br />
Softwareerstellung zielgerichtet durchführen zu können. Nachträgliche Änderungen und<br />
Ergänzungen werden auf ein Minimum reduziert. Denn diese nachträglichen Änderungen<br />
in der Software tragen erfahrungsgemäß wesentlich dazu bei, dass die<br />
Applikationssoftware instabil ist und die Systemverfügbarkeit verringert wird.<br />
Kapitel_5.doc Prof. Dr. Ing. Frank Thomas Seite 30
IT für Intralogistiksysteme<br />
In dieser Entwurfsphase müssen auch die Verfahren des Notbetriebes und des<br />
Wiederanlaufes nach einer Störung festgeschrieben werden. Anwendersoftware,<br />
die ausschließlich den Normalbetrieb abdeckt und bereits bei kleinen Störungen oder<br />
Fehlbedienungen zu einem Systemstop führt, trägt nicht dazu bei, eine hohe<br />
Systemverfügbarkeit zu gewährleisten. Unter Berücksichtigung aller erdenklichen<br />
Sondersituationen und Fehlbedienungen muss in der Planungsphase die Architektur des<br />
Softwaresystems festgelegt werden. Nur modular strukturierte Software lässt sich in der<br />
Systemeinführungsphase umfassend austesten und im Betrieb warten. Auswirkungen von<br />
Fehlern lassen sich auf die einzelnen Module begrenzen, schnell diagnostizieren und<br />
beheben.<br />
Ein zusätzlicher Beitrag zur schnellen Störungsbeseitigung und damit zur Erhöhung der<br />
Systemverfügbarkeit ist die Installation eines Modems zur Fernwartung. Damit können<br />
seitens des Systemlieferanten Störungsanzeichen in Hard- und Software frühzeitig erkannt<br />
und aufgetretene Störungen ohne Zeitverlust behoben werden.<br />
Die hier dargestellten Maßnahmen können jedoch nicht einfach per Auftrag vorgegeben<br />
werden, sondern erfordern ein hohes Maß an Mitarbeit und Kontrolle seitens des späteren<br />
Betreibers.<br />
5.3.3.4 Datenkommunikation<br />
Die Anbindung eines Lagerverwaltungssystems an überlagerte administrative und<br />
dispositive Systeme sowie unterlagerte Steuerungssysteme für Transportgeräte stellt einen<br />
weiteren kritischen Bereich hinsichtlich der Ausfallsicherheit dar. Die Beachtung von<br />
Grundregeln bei der Projektierung und dem Betrieb, erhöhen in starkem Maß die<br />
Systemverfügbarkeit und sichern die Datenkonsistenz nach einem Wiederanlauf.<br />
Physikalischer Datenaustausch<br />
Zur Kommunikation haben sich unterschiedliche Normen durchgesetzt, wobei durch MAP<br />
eine internationale Normung aller sieben Schichten des OSI-Referenzmodells erfolgt und in<br />
Zukunft herstellerspezifische Protokolle und Übertragungsverfahren ersetzt. Bei der<br />
Schnittstellenrealisierung sollten aber bereits heute folgende Regeln beachtet werden:<br />
Einsatz bewährter Übertragungsprozeduren, die einen Quasi-Standard darstellen.<br />
Möglichkeiten zum Protokollieren des physikalischen Datenverkehrs schaffen Funktions-<br />
und Härtetest im Vorlauf zur Inbetriebnahme des Gesamtsystems durchführen.<br />
Logischer Datenaustausch<br />
Kapitel_5.doc Prof. Dr. Ing. Frank Thomas Seite 31
IT für Intralogistiksysteme<br />
Der logische Datenaustausch wird bestimmt durch das Verhalten der Anwenderprogramme<br />
im Lagerverwaltungssystem und in den Nachbarsystemen. Aus Gründen der<br />
Datensicherheit sind folgende Maßnahmen zur Absicherung des Datenverkehrs vorteilhaft:<br />
Logische Quittierung des Datenverkehrs auch auf der Anwenderebene und<br />
Transaktionssicherung der externen Kommunikation:<br />
Erst nach positiver, logischer Quittierung durch das empfangende System darf das<br />
sendende System die Kommunikation abschließen. Der Sender muss in der Lage sein,<br />
nicht quittierte Daten zu puffern und die Datenübertragung zu wiederholen. Die Pufferung<br />
muss so erfolgen, dass die Daten auch bei einem Systemstop erhalten bleiben und bei<br />
Wiederanlauf zur Verfügung stehen.<br />
Entkopplung des physikalischen Ablaufs im Lager und des damit verbundenen<br />
Datenaustausches mit Nachbarsystemen:<br />
Alle am Prozess der Lagerverwaltung und -steuerung beteiligten Teilsysteme müssen<br />
hinsichtlich ihrer Funktionalität so strukturiert werden, dass jedes Teilsystem bei Ausfall<br />
des Nachbarsystems über eine begrenzte Zeit autonom weiterarbeiten kann.<br />
Beispielsweise muss das Lagerverwaltungssystem Materialeinlagerungen durchführen und<br />
verbuchen können, auch wenn das Materialwirtschaftssystem nicht verfügbar ist. Die<br />
Materialzugangsdaten müssen gepuffert und nach Wiederanlauf an das<br />
Materialwirtschaftssystem zur Nachbuchung übertragen werden.<br />
Umgekehrt sollen die Steuerungssysteme der unterlagerten Fördertechnik in der Lage<br />
sein, erteilte Transportaufträge abzuwickeln, auch wenn das Lagerverwaltungssystem nicht<br />
zur Verfügung steht.<br />
Zusätzlich muss es im Rahmen einer Notbetriebsorganisation möglich sein,<br />
Datenschnittstellen zu simulieren, um durch Handeingaben einen eingeschränkten<br />
Notbetrieb zu ermöglichen.<br />
Verhindern von unerlaubten Datenzugriffen in Nachbarsystemen:<br />
Das empfangene System muss die entgegengenommenen Daten auf Plausibilität und<br />
Zulässigkeit prüfen, bevor die logische Empfangsquittierung erfolgt. Unzulässige Daten<br />
oder Befehle müssen zurückgewiesen werden. Nur so sind Störungen oder Datenverluste<br />
im empfangenden System auszuschließen.<br />
Kapitel_5.doc Prof. Dr. Ing. Frank Thomas Seite 32
IT für Intralogistiksysteme<br />
Bedienung<br />
Systemstörungen bzw. Systemausfälle aufgrund von Bedienfehlern sind im Allgemeinen<br />
auf zwei Ursachen zurückzuführen:<br />
- zu komplizierte und nicht fehlertolerierende Benutzeroberfläche<br />
- mangelnde Schulung und Motivation der Bediener<br />
Der Grundsatz „erst vereinfachen, dann automatisieren" gilt in besonderem Maße bei allen<br />
Dialogen zwischen Mensch und Maschine. Eine Benutzeroberfläche, die in ihren<br />
Funktionen klar strukturiert ist, die eine einfache Interpretation der Anzeigedaten erlaubt<br />
und eine eindeutige Benutzerführung sowie Online-Hilfen bietet, ist Voraussetzung dafür,<br />
dass das Lagerpersonal in der Lage und motiviert ist, die erforderlichen Dialoge mit dem<br />
Lagerverwaltungssystem abzuwickeln.<br />
Technisch aufwendiger sind zusätzliche Einrichtungen, die eine Dateneingabe über<br />
Tastatur überflüssig machen, indem durch Einlesen von Barcodes von einem<br />
vorgegebenen Menütableau die Eingaben erfolgen.<br />
Durch diese Maßnahme werden folgende Effekte erreicht:<br />
Eingabefehler durch falsche Tastenbetätigung sind ausgeschlossen<br />
Die Eingabedauer wird verkürzt<br />
Nur die für den Arbeitsplatz zulässigen Aktionen sind über das Menü zugänglich<br />
Durch Verwendung von graphischen Symbolen auf dem Tableau können zusätzliche<br />
Hilfen für das Bedienpersonal gegeben werden<br />
Grundsätzlich soll die Applikationssoftware Bedien- und Eingabefehler „verzeihen“, indem<br />
bei nicht plausiblen Benutzeraktionen der Dialog mit entsprechenden Fehlermeldungen<br />
abgebrochen und neue Eingaben gefordert werden. Dialogfunktionen, die diesen<br />
Anforderungen nicht entsprechen, sind äußerst kritisch hinsichtlich der<br />
Benutzerfreundlichkeit und Systemverfügbarkeit. Sie sind nicht mehr zeitgemäß.<br />
Die Verpflichtung des Softwareherstellers einer Materialflussverwaltung erstreckt sich nicht<br />
nur auf die Lieferung einer übersichtlichen und einfach zu bedienenden<br />
Benutzeroberfläche, sondern beinhaltet ebenso die Mitarbeiterschulung und -motivation.<br />
Nur ein Mitarbeiter der weiß „warum“ und „wie“ ein Dialog abzuwickeln ist, kann die an ihn<br />
gestellte Aufgabe zufriedenstellend bewältigen. Dass diese Informationen nicht nur<br />
mündlich, sondern auch schriftlich in Form von leicht verständlichen Benutzeranweisungen<br />
zur Verfügung gestellt werden, trägt wesentlich zur Akzeptanz eines DV-Systems und<br />
damit zu einer Verringerung von Fehlbedienungen bei.<br />
Kapitel_5.doc Prof. Dr. Ing. Frank Thomas Seite 33
IT für Intralogistiksysteme<br />
5.3.4 Zusammenfassung<br />
Hundertprozentige Ausfallsicherheit ist weder technisch noch wirtschaftlich zu<br />
verwirklichen. Bezogen auf Systeme zur Lagerverwaltung und -steuerung gibt es eine<br />
Vielzahl von Maßnahmen, die zur Erhöhung der Verfügbarkeit beitragen. Der Kompromiss<br />
zwischen Risiko und Aufwand, bei vertretbarem Nutzen, muss bereits in der<br />
Konzeptionsphase in einem individuell angepassten Gesamtkonzept Berücksichtigung<br />
finden.<br />
Zusätzlich sind noch während der Inbetriebnahme und auch während des Betriebes der<br />
Anlage diverse Maßnahmen möglich, um eine Steigerung der Systemverfügbarkeit zu<br />
erzielen. Partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Planer, Entwickler und Betreiber<br />
bieten hierfür eine gute Basis.<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
5.4 Praxisbeispiel:<br />
Online getriebene Prozesse der neuen Distributionslogistik<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
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IT für Intralogistiksysteme<br />
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