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PDF-Datei - Wachstafelngrammatik

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Einführung Füllungsarten verbaler Herkunft Füllungsarten nominaler Herkunft Nebensätze als Füllungsarten Glossar<br />

Zahlwort<br />

Adverb<br />

abhängiger Fragesatz<br />

Relativsatz<br />

Präposition mit Nomen Infinitiv<br />

Pronomen nd-Form<br />

Adjektiv Partizip<br />

Substantiv Supinum<br />

Subjunktionalsatz<br />

Finites Verb<br />

Anschauliche Satzlehre für den Lektüreunterricht mit Syntaxübungen und Formentabellen<br />

von M. Glatt<br />

Januar 2013<br />

Dank an T.Bechthold-Hengelhaupt, S. Hildebrand, V. Rabeneck und E.Schirok für wertvolle Hinweise<br />

Grundlagen Übungen Gliederung <strong>PDF</strong>-<strong>Datei</strong>


Die Lektürephase beginnt für die meisten mit folgendem Satz: Gallia est omnis divisa in partes<br />

tres, quarum unam incolunt Belgae ...<br />

Er ist leicht zu übersetzen, da die Wortreihenfolge ziemlich genau beibehalten werden kann:<br />

Gallien ist im Ganzen geteilt in drei Teile, von welchen den einen die Belger bewohnen ...<br />

Wären alle lateinischen Sätze so leicht gebaut, könnte man auf eine Satzlehre verzichten. Aber bei<br />

Caesar stehen auch Sätze wie der folgende: His cum sua sponte persuadere non possent, legatos<br />

ad Dumnorigem Haeduum mittunt, ut eo deprecatore a Sequanis impetrarent.<br />

Bloßes Aneinanderreihen gelernter Vokabeln ist in diesem Fall nicht möglich, da z.B. der Kasus<br />

und das Genus von his zunächst unklar sind, die Wortart von cum erst erschlossen werden muss<br />

und impetrare hier anders als meistens und in den Schulbüchern gebraucht ist. Erst wenn man die<br />

Regeln des lateinischen Satzbaus kennt, kann man diesen sowie grundsätzlich alle Sätze<br />

übersetzen und sogar die Bedeutung vieler Vokabeln erschließen.<br />

Satzglieder<br />

Sätze bestehen im Lateinischen wie im Deutschen aus vier Grundelementen, die in dieser<br />

Grammatik als Wachstafeln dargestellt sind: Prädikat, Subjekt, Objekt und Adverbiale. Sie<br />

unterscheiden sich durch ihren inhaltlichen Beitrag zum Sinn eines Satzes.<br />

– Das Prädikat (grün)<br />

Das Prädikat bezeichnet eine Handlung.<br />

praecedunt.<br />

sie übertreffen<br />

praecedunt<br />

– Das Subjekt (rot)<br />

Das Subjekt bezeichnet einen Inhalt, der vom Prädikatsverb aus mit „Wer/welche Leute oder<br />

was/welche Dinge?“ erfragt werden kann.<br />

Helvetii praecedunt.<br />

die Helvetier übertreffen<br />

1<br />

Helvetii<br />

praecedunt.<br />

– Das Objekt (orange)<br />

Das Objekt bezeichnet meistens einen Inhalt, der vom Prädikatsverb aus mit „Wem oder was?“<br />

bzw. „Wen oder was?“ erfragt werden kann.<br />

Lateinische Verben mit Genitiv- oder Ablativobjekt oder von der deutschen Entsprechung


abweichendem Objektskasus können nicht oder nur umständlich erfragt werden. Deshalb lernt<br />

man am besten zu diesen Verben schon beim Vokabellernen den Objektskasus dazu.<br />

Helvetii reliquos Gallos praecedunt.<br />

Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier.<br />

Helvetii<br />

reliquos Gallos praecedunt.<br />

– Das Adverbiale (blau)<br />

Das Adverbiale nennt nähere Umstände der Prädikatshandlung. Dazu zählen folgende<br />

Angaben:<br />

+ Aufenthaltsort (Wo?)<br />

+ Richtung (Woher?, Wohin?)<br />

+ Zeit (Wann?)<br />

+ Art und Weise (Wie?)<br />

+ Grund (Warum?)<br />

+ Mittel (Womit?)<br />

+ Zweck (Wozu?)<br />

+ Bedingung (Unter welcher Bedingung?)<br />

+ Folge (Mit welcher - sich unwillkürlich ergebenden - Folge?)<br />

+ Einwand (Trotz welchen Umstands?)<br />

+ Gegensatz (Anstatt/Während welcher anderen Möglichkeit?)<br />

+ Ausmaß (Wie sehr?)<br />

+ bei passivem Verb als Prädikat: Urheber (Von wem?)<br />

Hinsichtlich seiner Form ist ein Adverbiale entweder völlig ungebunden oder es bezieht sich<br />

formal auf ein Subjekt oder Objekt (dann liegt es dem entsprechenden Satzglied an). Im<br />

zweiten Fall kann man von einem attributiven Adverbiale sprechen, d.h. einem Adverbiale, das<br />

sich formal wie ein Attribut verhält, aber inhaltlich vor allem das Prädikat erläutert (zum Begriff<br />

"erläutern" in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> s. das Glossar).<br />

(ungebundenes) Adverbiale<br />

Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt.<br />

Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier an<br />

Tapferkeit.<br />

[Gall.1,1,4]<br />

.<br />

attributives Adverbiale<br />

Galli laeti virgulta collegerunt.<br />

Die Gallier sammelten freudig Geäst.<br />

[Gall.3,18,8]<br />

.<br />

2<br />

Helvetii<br />

reliquos Gallos<br />

virtute<br />

Galli<br />

laeti<br />

virgulta<br />

praecedunt.<br />

collegerunt.


Ergänzungen des Prädikats<br />

Wörter und Wortgruppen lassen sich nicht nur durch ihren inhaltlichen Beitrag zu einem Satz<br />

beschreiben, sondern auch durch ihre Beziehung zu anderen Satzgliedern. Völlig unabhängig ist<br />

immer das finite Verb eines Hauptsatzes. Bereits das Subjekt hängt aber vom Prädikat ab, denn<br />

seine Form kann vom Prädikatsverb bestimmt werden (z.B. legt piget fest, dass das Subjekt aus<br />

einem Infinitiv, AcI oder Nom.Sg. eines Pronomens bestehen muss). Auch Objekte sind immer<br />

vom Prädikatsverb abhängig (z.B. bedingt oblivisci ein Genitivobjekt, favere ein Dativobjekt, videre<br />

ein Akkusativobjekt und uti ein Ablativobjekt). Selbst Adverbialien, die auf den ersten Blick als<br />

völlig unabhängige Umstandsbestimmungen erscheinen (hodie, cum Germanis, cupiditate),<br />

erweisen sich in vielen Fällen als eingebunden in eine vom Prädikat bestimmte Satzstruktur (z.B.<br />

Helvetii cum Germanis contendunt). Satzglieder, die vom Prädikat abhängen, heißen<br />

"Ergänzungen" und sind in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> durch zwei Bändel mit dem Prädikat<br />

verbunden.<br />

Caesar quam maximis potest itineribus in<br />

Galliam ulteriorem contendit.<br />

Caesar eilte so schnell wie möglich in die<br />

Provinz Gallia ulterior.<br />

[vgl. Gall.1,7,1]<br />

Caesar<br />

quam maximis potest<br />

itineribus<br />

in Galliam ulteriorem<br />

contendit.<br />

Wenn man die möglichen Ergänzungen eines Verbs kennt, ist dies eine große Hilfe. Man kann<br />

dann beim Übersetzen vom finiten Verb her Erwartungen an den Satz richten. Die Zahl und Form<br />

der Ergänzungen eines Verbs wird als seine "Valenz" bezeichnet.<br />

Binnenstrukturen innerhalb einzelner Satzglieder<br />

Satzglieder bestehen häufig nicht nur aus einem Wort, sondern aus einer ganzen Wortgruppe.<br />

Man kann dabei Form- und Sinnträger, Attribute, präparative Pronomina und Adverbien sowie<br />

Binnensatzglieder unterscheiden.<br />

Form- und Sinnträger: Teile eines Prädikats<br />

Im Deutschen und Lateinischen ist ein Prädikat im Perfekt und Plusquamperfekt Passiv aus<br />

mindestens zwei Teilen zusammengesetzt, zu denen stets ein Partizip gehört:<br />

Das Mädchen ist gelobt worden. Puella laudata est.<br />

3<br />

Auch in den anderen Tempora ist das Prädikat häufig mehrteilig, wobei dann meistens ein Adjektiv<br />

oder Substantiv dabei ist:<br />

Paul ist dick. Paulus crassus est.<br />

Markus wird Lehrer werden. Marcus magister erit.


Traditionell nennt man esse / sein und manere / bleiben, wenn sie nur inhaltsschwacher Teil des<br />

Prädikats sind, "Hilfsverb" oder "Copula", und das Partizip, Adjektiv oder Substantiv<br />

"Prädikatsnomen". In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> heißen esse und manere, wenn sie nur etwas zur<br />

Form des Prädikats beisteuern, "Formträger", und die Wörter, die dem Prädikat Inhalt geben,<br />

"Sinnträger".<br />

Sinnträger<br />

Apud Helvetios longe nobilissimus fuit Orgetorix.<br />

Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei weitem<br />

tapferste. [Gall.1,2,1]<br />

Apud Helvetios<br />

Orgetorix.<br />

Attribut: Teil eines nominalen Satzglieds<br />

longe nobilissimus<br />

fuit.<br />

Ein Wort oder eine Wortgruppe, welches bzw. welche ein Nomen (oder substantiviertes<br />

Verbalnomen) erläutert, heißt Attribut. Da ein Attribut nur ein Satzgliedteil ist, steht es – wie der<br />

Sinnträger eines Prädikats – zusammen mit seinem formalen Bezugswort in einer Wachstafel.<br />

Attribut<br />

Helvetii privata aedificia incendunt.<br />

Die Helvetier brannten ihre Einzelgehöfte an.<br />

[Gall.1,5,2]<br />

Helvetii<br />

privata<br />

aedificia incendunt.<br />

Der Bezug eines Attributs zum erläuterten Nomen ist formal meistens erkennbar. Dabei ist das<br />

Maß der Kongruenz je nach Attribut unterschiedlich:<br />

- KNG (Kasus-Numerus-Genus) - Kongruenz (z. B. bei einem Adjektiv)<br />

- NG-Kongruenz (z. B. bei einem Relativsatz)<br />

- K-Kongruenz (z. B. bei einer Substantiv-Apposition)<br />

Da auch ein attributives Adverbiale mit seinem Bezugswort formal übereinstimmt, ist Kongruenz<br />

allerdings kein eindeutiger Hinweis auf ein Attribut.<br />

Präparatives Pronomen oder Adverb: Verweis auf ein Satzglied<br />

Im Deutschen verwenden wir manchmal den Platzhalter es, um z.B. einen dass-Satz an das<br />

betonte Satzende stellen zu können (Es freut mich sehr, dass Sie mir die Ehre eines Besuchs<br />

erweisen.). Grammatisch ist ein solcher Platzhalter nicht erforderlich (Dass Sie mir die Ehre eines<br />

Besuchs erweisen, freut mich sehr.) In gleicher Weise gibt es im Lateinischen Pronomina und<br />

Adverbien, die – selbst völlig inhaltsleer – lediglich auf ein Wort oder eine Wortgruppe hinweisen.<br />

Sie heißen "präparative Pronomina" und "präparative Adverbien" und stehen in der gleichen<br />

Wachstafel wie das, worauf sie verweisen.<br />

präparatives Pronomen<br />

Caesari id nuntiatum est, Helvetios per<br />

provinciam nostram iter facere conari.<br />

Caesar wurde dies gemeldet, dass die Helvetier<br />

versuchten durch unsere Provinz ihren Weg zu<br />

nehmen. [Gall.1,7,1]<br />

4<br />

Caesari<br />

id<br />

Helvetios ... facere conari.<br />

nuntiatum est,


präparatives Adverb<br />

Ideone ego pacem Pyrrhi diremi, ut tu amorum<br />

turpis-simorum cotidie foedera ferires?<br />

Habe ich (Appius Claudius) deshalb einen<br />

Frieden mit Pyrrhus verweigert, damit du (Clodia)<br />

jeden Tag Bündnisse mit schändlichsten<br />

Liebhabern schließt?<br />

[Cael.34]<br />

Ideo-ne<br />

ut tu amorum ... ferires?<br />

ego<br />

pacem Pyrrhi<br />

(Praparatives Pronomen zum Verweis auf einen Ablativus absolutus, einen Finalsatz des<br />

begehrten Inhalts, einen Kausalsatz des erklärenden Inhalts.)<br />

Binnensatzglied: Satzglied im Satzglied<br />

diremi,<br />

Satzglieder oder Satzgliedteile bestehen häufig aus Nebensätzen. Deren Satzglieder werden in<br />

der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> immer dann „Binnensatzglieder“ genannt, wenn sie von den<br />

Satzgliedern im übergeordneten Satz deutlich unterschieden werden sollen. Graphisch sind<br />

Binnensatzglieder als Wachstafeln in den Wachstafeln dargestellt. Um die Binnenstruktur eines<br />

Satzglieds zu sehen, klickt man auf die rote Schrift.<br />

Binnensatzglieder in Nebensätzen<br />

Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt, quod<br />

cotidianis proeliis cum Germanis contendunt.<br />

Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier an<br />

Tapferkeit, weil sie täglich gegen die Germanen<br />

kämpfen.<br />

[Gall.1,1,4]<br />

Helvetii<br />

reliquos Gallos<br />

virtute<br />

quod cotidianis proeliis<br />

cum Germanis contendunt.<br />

praecedunt,<br />

Von Binnensatzgliedern kann man auch bei allen Verbalnomina sprechen, wenn sie in irgendeiner<br />

Weise erweitert sind: Da sich der erweiterte Infinitiv, die erweiterten nd-Formen, das erweiterte<br />

Partizip und die erweiterten Supina mit Nebensätzen übersetzen lassen, gelten solche erweiterten<br />

Verbalnomina als „satzwertige Konstruktionen“ oder „unechte Gliedsätze“. In ihnen gibt es zwar<br />

kein finites Verb, aber die vorhandene Verbform übt syntaktisch die Funktion eines<br />

Binnenprädikats aus.<br />

Binnensatzglieder in satzwertigen<br />

Konstruktionen<br />

Subabsurda dicendo risus moventur.<br />

Indem man Absurdes sagt, erregt man<br />

Gelächter. [de orat.2,289]<br />

5<br />

Subabsurda dicendo<br />

risus movetur.


6<br />

Füllungsarten<br />

Zwischen der Satzoberfläche, also den konkreten Wörtern eines Satzes, und den Satzgliedern,<br />

also Prädikat, Subjekt, Objekt und Adverbiale, unterscheidet man noch eine dritte Ebene der<br />

Sprachbetrachtung: die Füllungsarten. Gemeint sind damit Wortarten, satzwertige Konstruktionen<br />

und Nebensätze. Da sie die Satzglieder füllen, wie Bienenwachs römische Wachstafeln füllte, sind<br />

Füllungsarten in dieser Grammatik als gelbliche Masse dargestellt. Außerdem ist die gesamte<br />

<strong>Wachstafelngrammatik</strong> nach Füllungsarten gegliedert.


7<br />

Zu den Füllungsarten verbaler Herkunft zählt vor allem das durch eine Person „finite“, d.h.<br />

bestimmte Verb. Verben können aber auch ganz andere Gestalten annehmen, so dass sie keine<br />

bestimmte Person mehr bezeichnen. Diese „infiniten“ Verbalformen, zu denen der Infinitiv, das<br />

Partizip, die nd-Formen und das Supinum zählen, können teilweise dekliniert werden und haben<br />

alle gemeinsam, dass sie mit Erweiterungen „satzwertig“ sind. Dann hat die infinite Verbalform die<br />

Funktion eines Binnenprädikats inne, das durch andere Binnensatzglieder erläutert wird.


8<br />

Ein finites Verb ist ein durch Person, Numerus, Modus, Tempus und Genus verbi (Aktiv und Passiv)<br />

bestimmtes Wort, welches allein oder mit anderen Wörtern das Prädikat des Satzes bildet.<br />

Grundsätzlich nennt ein finites Verb die Handlung eines Satzes, die Sinnfülle finiter Verben kann jedoch<br />

sehr verschieden sein:<br />

– Vollverb: Das Verb kann allein oder mit beliebigen Ergänzungen die<br />

Handlung des Satzes nennen: z.B. ridere, vocare, canere.<br />

– Verb mit Infinitiv-Ergänzung: Das Verb nennt nur eine Modalität oder einen Aspekt der im<br />

Infinitiv gennanten Handlung: z.B. velle, cupere, posse, conari.<br />

– Verb mit Sinnträger: Das Verb ist entweder inhaltsleer (esse und manere) oder<br />

bekommt durch einen Gleichsetzungsakkusativ einen neuen<br />

Sinn (putare, vocare, reddere usw.).<br />

Die Begriffe "Vollverb", "Verb mit Infinitiv-Erganzung" und "Verb mit Sinnträger" bezeichnen keine<br />

getrennten Verbgruppen, sondern verschiedene Rollen, die von Verben eingenommen werden<br />

können: Putare hat nicht nur die Bedeutung glauben (Vollverb), sondern auch halten für (Verb mit<br />

Sinnträger), esse bedeutet nicht nur sein (Verb mit Sinnträger), sondern auch existieren (Vollverb)<br />

und cupere heißt nicht nur wünschen (Verb mit Infinitiv-Ergänzung), sondern auch begehren<br />

(Vollverb).<br />

Die Notwendigkeit, Zahl und Form von Ergänzungen hängt von der Valenz des jeweiligen Verbs<br />

ab. Viele Verben besitzen mehrere Valenzen, wobei gewöhnlich jede Valenz mit einer eigenen<br />

Bedeutung verbunden ist (z. B. contendere mit AcI: behaupten; contendere mit Richtungsangabe:<br />

eilen nach).<br />

Wie im Deutschen treten auch im Lateinischen alle Verben bei indirekter Rede in andere Formen,<br />

wobei sich jedoch die Umwandlungsregeln in beiden Sprachen deutlich unterscheiden.


Vollverb<br />

Vollverb heißt ein Verb dann, wenn es - aufgrund seiner Sinnfülle - alleine das Prädikat bildet<br />

(z.B. vivere / leben). Grundsätzlich lassen sich folgende Gruppen unterscheiden:<br />

– Tätigkeitsverben (z.B. laborare/arbeiten)<br />

– Vorgangsverben (z.B. dormire/schlafen)<br />

– Zustandsverben (z.B. habitare/wohnen)<br />

Der Begriff "Vollverb" bezeichnet allerdings keine unveränderliche Eigenschaft eines Verbs,<br />

sondern nur eine Rolle. So hat z.B. das meistens inhalstleere esse (sein) manchmal die<br />

Bedeutung existieren und ist dann alleine Prädikat. Und wenn das meistens inhaltsreiche putare<br />

(glauben) manchmal durch einen Gleichsetzungsakkusativ die Bedeutung jdn. für etwas halten<br />

bekommt, ist es nur ein Prädikatsteil.<br />

Prädikat<br />

In qua urbe vivimus?<br />

In welcher Stadt leben wir?<br />

[Cat.1,9]<br />

Prädikatsteil<br />

Te civem putes?<br />

Du willst dich für einen römischen Bürger halten?<br />

[Phil.7,5]<br />

Modi und Tempora<br />

In qua urbe vivimus?<br />

Te civem<br />

putes?<br />

Wie im Deutschen gibt es auch im Lateinischen die drei Modi des Indikativs, Konjunktivs und<br />

Imperativs sowie sechs verschiedene Tempora. Der Gebrauch der Modi und Tempora<br />

unterscheidet sich jedoch häufig. So entspricht z.B. einem lateinischen Nebensatz-Konjunktiv<br />

meistens ein deutscher Indikativ und einem lateinischen Perfekt meistens ein deutsches<br />

Präteritum.<br />

9<br />

Grundsätzlich kann ein lateinisches Tempus dreierlei bezeichnen:<br />

– die absolute Zeit einer Handlung (Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; nur bei Verben im<br />

Indikativ möglich)<br />

– das Zeitverhältnis einer Handlung zu einer anderen Handlung (Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit<br />

oder Nachzeitigkeit)<br />

– den Aspekt einer Handlung (z. B. punktuelle oder durative Handlung)<br />

Welche Funktion der Modus und das Tempus eines Verbs in einem konkreten Satz ausüben, hängt<br />

wesentlich davon ab, ob das Verb in einem Haupsatz oder in einem untergeordneten Satz steht.<br />

Da Modus, Tempus und Verbposition eine untrennbare Einheit bilden, berücksichtigen die<br />

folgenden Übersichten jeweils alle drei Faktoren.


Indikativ Präsens<br />

aktuelles Präsens:<br />

Bezeichnung gegenwärtiger Ereignisse<br />

Tempora im Indikativ<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

resultatives Präsens:<br />

Bezeichnung einer in der Vergangenheit<br />

begonnenen und noch andauernden Handlung<br />

iteratives Präsens:<br />

Bezeichnung einer wiederholten Handlung<br />

gnomisches Präsens:<br />

Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />

literatorisches Präsens:<br />

Bezeichnung einer noch aktuellen Schrift<br />

historisches Präsens:<br />

Bezeichnung dramatischer Ereignise in der<br />

Vergangenheit<br />

Futur I<br />

Gleichzeitigkeit zu einem Präsens<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

prospektives Futur:<br />

Bezeichnung einer künftigen Handlung<br />

gnomisches Futur:<br />

Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />

Bezeichnung eines Befehls (2. und 3. P.)<br />

Futur II<br />

Gleichzeitigkeit zu einem Futur I, Imperativ und<br />

Ausdrücken des Müssens, Könnens usw.<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Vorzeitigkeit zu einem Futur I<br />

Indikativ Imperfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

deskriptives Imperfekt:<br />

Bezeichnung der Hintergrundhandlung in<br />

erzählenden Texten<br />

iteratives Imperfekt:<br />

Gleichzeitigkeit zu einem Imperfekt<br />

Bezeichnung wiederholter vergangener<br />

Handlungen<br />

konatives Imperfekt:<br />

Bezeichnung versuchter vergangener Handlungen<br />

10


Indikativ Perfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

narratives Perfekt:<br />

Bezeichnung der Vordergrundhandlung in<br />

erzählenden Texten<br />

resultatives Perfekt:<br />

Bezeichnung eines Zustands, der in der<br />

Vergangenheit begonnen hat und in der<br />

Gegenwart noch andauert.<br />

konstatierendes Perfekt:<br />

Bezeichnung einer Vergangenheit als Vergangen<br />

in einer Feststellung<br />

gnomisches Perfekt:<br />

Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />

Gleichzeitigkeit zu einem Perfekt oder Vorzeitigkeit<br />

zu einem Präsens<br />

Indikativ Plusquamperfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Bezeichnung einer in der Vergangenheit<br />

vollendeten Handlung<br />

Vorzeitigkeit zu einem Imperfekt oder Perfekt<br />

• Tempus-Unterschiede zwischen lateinischen und deutschen Verben im Indikativ<br />

Der Tempusgebrauch lateinischer Verben im Indikativ weicht in folgenden Fällen erheblich vom<br />

Deutschen ab:<br />

– Indikativ Imperfekt und Perfekt im Deutschen und Lateinischen<br />

Die Wahl des Vergangenheitstempus hängt in erzählenden lateinischen Texten davon ab, ob<br />

eine Hintergrundhandling (Imperfekt) oder Vordergrundhandlung (Perfekt) geschildert wird. Im<br />

Deutschen spielt dieser Aspekt keine Rolle, sondern die Textsorte bestimmt die Zeit: In<br />

erzählenden Texten steht Präteritum („Imperfekt“) und in kommunikativen Texten Perfekt.<br />

Adhortatus ad laborem milites Alesiam<br />

circumvallare instituit. Ipsum erat oppidum<br />

Alesia in colle summo.<br />

[Gall.7,68,3 – 69,1]<br />

Nachdem er die Soldaten zur Arbeit ermahnt hatte,<br />

wies er sie an, Alesia ringsum mit Schanzen<br />

einzuschließen. Die Stadt Alesia selbst lag ganz<br />

oben auf dem Berg.<br />

– Futur I im Lateinischen und im Deutschen<br />

In der Zukunft liegende Handlungen stehen im Lateinischen im Haupt- und Nebensatz im Futur.<br />

Im Deutschen kann dagegen auch bei zuküftigen Handlungen das Präsens verwendet werden,<br />

wenn der Zukunftsbezug deutlich durch den Kontext, z.B. durch ein Zeitadverb, gesichert ist. Da<br />

man eine Aneinenderreihung von Futurformen im Deutschen vermeidet, übersetzt man<br />

gewöhnlich das Futur lateinischer Nebensätze mit Präsens, wenn man bereits das Futur des<br />

Hauptsatzes mit Futur übersetzt hat.<br />

Imprimis videndum erit ei, qui rem publicam<br />

administrabit, ut suum quisque teneat.<br />

[off.2,73]<br />

– Futur I zur Bezeichnung eines Befehls<br />

Valebis meaque negotia videbis!<br />

[fam.7,20,2]<br />

Besonders wird derjenige, der einen Staat<br />

verwaltet, darauf achten müssen, dass jeder sein<br />

Eigentum behält.<br />

Lebe wohl und kümmere dich um meine<br />

Angelegenheiten!<br />

– Imperfekt im Lateinischen zur Bezeichnung einer versuchten vergangenen Handlung<br />

Quid est Catilina? Num dubitas id me imperante<br />

facere, quod iam tua sponte faciebas?<br />

[Cat.1,13]<br />

11<br />

Was ist, Catilina? Zögerst du etwa, dies auf meinen<br />

Befehl zu tun, was du schon aus eigenem Antieb<br />

tun wolltest?


– Resultatives Perfekt im Lateinischen<br />

Häufig ist nicht deutlich zu erkennen, ob mit einer Perfektform der Vorgang oder das Resultat<br />

der Verbhandlung hervorgehoben werden soll. Verba defectiva (meminisse, novisse, odisse)<br />

haben jedoch immer präsentische Bedeutung.<br />

Etsi tu meam stultitiam consuesti ferre, eo<br />

tamen progrediar, ut stomachere.<br />

[Att.12,37,2]<br />

Nunc te patria, quae communis est parens<br />

omnium nostrum, odit ac metuit et iam diu nihil<br />

te iudicat nisi de parricidio suo cogitare.<br />

[Cat.1,17]<br />

– Deutsches Präsens oder Perfekt für lateinisches Futur II<br />

Si te interfici iussero, residebit in re publica<br />

reliqua coniuratorum manus; sin tu exieris,<br />

exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et<br />

perniciosa sentina rei publicae.<br />

[Cat.1,17]<br />

Auch wenn du dich daran gewöhnt hast, meine<br />

Dummheit zu ertragen, /<br />

Auch wenn du meine Dummheit zu ertragen<br />

pflegst,<br />

werde ich es dennoch so weit treiben, dass du<br />

Bauchweh bekommst.<br />

Nun aber hasst und fürchtet dich deine Vaterstadt,<br />

die der gemeinsame Vater von uns allen ist, und<br />

sie ist der Meinung, dass du schon lange an nichts<br />

anderes als ihre Vernichtung denkst.<br />

Wenn ich befehle, dass du hingerichtet wirst, wird<br />

die übrige Schar der Verschworenen im Staat<br />

zurückbleiben; Wenn du aber Rom verlässt, wird<br />

aus der Stadt auch der große und für den Staat<br />

verderbliche Abschaum deiner Gefährten<br />

abgeschöpft.<br />

– Strenge Beachtung der Vorzeitigkeit nur in lateinischen Nebensätzen<br />

Besonders bei einer wiederholten vorzeitigen Handlung (Antecedens iterativum) wird im<br />

Lateinischen die Vorzeitigkeit genau beachtet, im Deutschen dagegen nicht.<br />

Qui restituerunt, discedunt saepissime<br />

superiores.<br />

[Tusc.2,54]<br />

Wer Widerstand leistet, geht sehr oft als Sieger<br />

hervor.<br />

• Vom Indikativ abweichender deutscher Modus („Realis“)<br />

Die Verwendung des Indikativs im Hauptsatz stimmt im Lateinischen und im Deutschen<br />

weitgehend überein. Abweichend vom Deutschen steht jedoch der Indikativ im Lateinischen häufig<br />

in folgenden Fällen:<br />

– bei Ausdrücken des Könnens, Sollens, Müssens und der Wertung wie:<br />

oportet es würde sich gehören consulis erat es wäre Aufgabe des<br />

Konsuls gewesen<br />

possum ich könnte longum est es würde zu weit führen<br />

debeo ich müsste aequum est es wäre gerecht<br />

decet es würde sich gehören non multum afuit, quin es hätte nicht viel<br />

gefehlt, und<br />

meum est es wäre meine Aufgabe<br />

– bei paene<br />

Brutum abiectum, quantum potui, excitavi,<br />

quem non minus amo quam tu – paene dixi,<br />

quam te.<br />

[Att.5,20,6]<br />

– bei rhetorischen Fragen:<br />

Nunc autem quis dubitat, quin Ser. Sulpicio<br />

vitam abstulerit ipsa legatio?<br />

[Phil.9,5]<br />

12<br />

Den niedergeschlagenen Brutus habe ich, so gut ich<br />

konnte, aufgerüttelt. Ich schätze ihn nicht weniger<br />

als tu – beinahe hätte ich gesagt, als dich.<br />

Wer zweifelte nun aber daran, dass genau die<br />

Gesandtschaftsreise der Grund für das Ableben des<br />

Servius Sulpicius war?


Tempora im Konjunktiv<br />

Da das formale Tempus eines Konjunktivs (Präsens, Präteritum usw.) im Deutschen und<br />

Lateinischen nur wenig über die absolute Zeit (Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft) aussagt, teilt<br />

man die Konjunktivformen in die Systeme "Konjunktiv I" und "Konjunktiv II" ein, wobei es<br />

Konjunktive der Nachzeitigkeit nur im Deutschen gibt:<br />

Konjunk<br />

tiv I<br />

Kon-junktiv<br />

II<br />

der<br />

Gleichzeitigkeit<br />

der<br />

Vorzeitigkeit<br />

der<br />

Nachzeitigkeit<br />

der<br />

Gleichzeitigkeit<br />

der<br />

Vorzeitigkeit<br />

der<br />

Nachzeitigkeit<br />

Präsens Präeritum /<br />

Imperfekt<br />

x<br />

x<br />

Perfekt Plusqu. Futur I /<br />

-urus sim<br />

x<br />

x<br />

x<br />

Futur II /<br />

-urus<br />

essem<br />

Der Gebrauch des Konjunktivs unterscheidet sich im Deutschen und Lateinischen so sehr, dass<br />

die meisten lateinischen Nebensatzkonjunktive mit Indikativ und die lateinischen<br />

Hauptsatzkonjunktive gewöhnlich mit Modalverben (mögen, wollen, sollen) übersetzt werden.<br />

Konjunktiv Präsens<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Coniunctivus obliquus<br />

Kennzeichnung einer Handlung (im Nebensatz oder, in indirekter Rede, im Hauptsatz) als lediglich<br />

subjektive Äußerung des Subjekts des übergeordneten Satzes (innerlich abhängige Sätze); Präsens<br />

bezeichnet Gleichzeitigkeit zu einem Haupttempus<br />

Coniunctivus potentialis der Gegenwart:<br />

Bezeichnung einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />

Coniunctivus concessivus<br />

Bezeichnung einer Einräumung<br />

Coniunctivus dubitativus<br />

Bezeichnung eines ernst gemeinten Zweifels in<br />

einem Fragesatz (sollen).<br />

Coniunctivus indignationis<br />

Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />

unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />

Coniunctivus optativus<br />

Bezeichnung eines erfüllbar gedachten Wunsches<br />

der Gegenwart<br />

Coniunctivus hortativus, imperativus und<br />

iussivus<br />

Bezeichnung einer Aufforderung an die 1., 2. und<br />

3.Person<br />

13<br />

Bindemodus ohne semantische Funktion<br />

Präsens bezeichnet dabei Gleichzeitigkeit zu<br />

einem Haupttempus<br />

Bezeichnung des Nebensinns eines<br />

Relativsatzes<br />

final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />

x


Konjunktiv Imperfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Coniunctivus obliquus<br />

Coniunctivus irrealis der Gegenwart<br />

Bez. einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />

Coniunctivus potentialis der Vergangenheit<br />

Bez. einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Vergangenheit<br />

Coniunctivus dubitativus<br />

Bez. eines Zweifels bezüglich einer vergangenen<br />

Handlung<br />

Coniunctivus indignationis<br />

Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />

unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />

Coniunctivus optativus<br />

Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der<br />

Gegenwart<br />

Coniunctivus imperativus der<br />

Vergangengenheit (selten)<br />

Bez. einer nicht mehr erfüllbaren Aufforderung<br />

Bindemodus ohne semantische Funktion<br />

Imperfekt bezeichnet dabei Gleichzeitigkeit zu<br />

einem Nebentempus<br />

Bezeichnung des Nebensinns eines<br />

Relativsatzes<br />

final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />

Konjunktiv Perfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Coniunctivus obliquus<br />

Coniunctivus potentialis der Gegenwart:<br />

Bez. einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />

Coniunctivus concessivus der Vergangenheit<br />

Bez. einer Einräumung der Vergangenheit<br />

Coniunctivus indignationis<br />

Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />

unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />

Coniunctivus optativus<br />

Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der<br />

Vergangenheit<br />

Coniunctivus prohibitivus<br />

Bezeichnung eines Verbots<br />

14<br />

Bindemodus ohne semantische Funktion<br />

Perfekt bezeichnet dabei Vorzeitigkeit zu einem<br />

Haupttempus<br />

Bezeichnung des Nebensinns eines<br />

Relativsatzes<br />

final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />

Konjunktiv Plusquamperfekt<br />

Hauptsatz Nebensatz<br />

Coniunctivus obliquus<br />

Coniunctivus irrealis der Vergangenheit:<br />

Bez. einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit der Vergangenheit<br />

Coniunctivus indignationis<br />

Bindemodus ohne semantische Funktion<br />

Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer Plusquamperfekt bezeichnet dabei Vorzeitigkeit zu<br />

unwilligen oder verwunderten Frage (sollen). einem Nebentempus<br />

Coniunctivus optativus<br />

Bezeichnung des Nebensinns eines<br />

Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der Relativsatzes<br />

Vergangenheit<br />

final / kausal / konzessiv / konsekutiv


• Übersetzung lateinischer Konjunktive<br />

Lateinische Hauptsatz-Konjunktive übersetzt man meistens mit einem Modalverbkomplex, d.h. mit<br />

einem Modalverb (dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen) und einem Vollverb im Infinitiv.<br />

Improborum civium augeas animos, bonorum<br />

spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />

senatorem, denique civem putes?<br />

[Phil.7,5]<br />

Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />

schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />

- und du willst dich für einen ehemaligen Konsul<br />

oder Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger<br />

halten?<br />

Der Sinn eines Hauptsatz-Konjunktivs kann aber auch durch ein frei gewähltes<br />

sinnverdeutlichendes Wort und Indikativ wiedergegeben werden.<br />

Improborum civium augeas animos, bonorum<br />

spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />

senatorem, denique civem putes?<br />

[Phil.7,5]<br />

Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />

schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />

- und du willst dich für einen ehemaligen Konsul oder<br />

Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger<br />

halten?<br />

Nur in wenigen Fällen gibt der bloße deutsche Indikativ den Sinn eines lateinischen Hauptsatz-<br />

Konjunktivs am besten wieder (bes. beim Coni. indignationis)<br />

Improborum civium augeas animos, bonorum<br />

spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />

senatorem, denique civem putes?<br />

[Phil.7,5]<br />

Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />

schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />

- und du hältst dich für einen ehemaligen Konsul<br />

oder Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger?<br />

Anders verhält es sich mit einem lateinischen Nebensatz-Konjunktiv. Eine wichtige syntaktische<br />

Funktion, der er sogar seinen Namen verdankt (Kon-junktiv), besteht nämlich darin, lediglich den<br />

Zusammenhang zwischen dem Nebensatz und dem übergeordneten Satz deutlich zu machen<br />

(z.B. bei Verwendung der Subjunktion cum mit Konjunktiv). Deshalb kann man lateinische<br />

Nebensatz-Konjunktiv meistens mit bloßem Indikativ übersetzen.<br />

Cum te Praeneste Kalendis ipsis Novembribus<br />

occupaturum nocturno impetu esse confideres,<br />

sensistine illam coloniam meo iussu meis<br />

praesidiis, custodiis, vigiliis esse munitam?<br />

[Cat.1,8]<br />

Als du darauf vertrautest, dass du Praeneste genau<br />

am 1. November durch einen nächtlichen Angriff<br />

einnehmen werdest, hast du da gemerkt, dass jene<br />

Kolonie auf meinen Befehl durch meine<br />

Schutztruppen, Wachen und Aufpasser geschützt<br />

wurde?<br />

Außerdem kann ein Konjunktiv in einem Nebensatz auch ausschließlich deshalb stehen, weil<br />

dieser Nebensatz in einen übergeordnete Satz im Konjunktiv oder eine Infinitivkonstruktion<br />

eingebettet ist. Im Deutschen gibt es eine solche Modusangleichung (Attractio modi) nur sehr<br />

selten (z.B. Koste es, was es wolle.).<br />

Accidit, ut nonnulli milites, qui lignationis<br />

munitionisque causa in silvas discessissent,<br />

repentino equitum adventu interciperentur.<br />

[Gall.5,39,2]<br />

Es geschah, dass einige Soldaten, die zum<br />

Holzfällen und Sichern in die Wäder weggegan-gen<br />

waren, durch die plötzliche Ankunft von Reitern<br />

abgefangen wurden.<br />

Wenn das Prädikat des Nebensatzes jedoch aus semantisch bedeutungsvollem Grund im<br />

Konjunktiv steht (z.B. Bezeichnung einer erfüllbar oder unerfüllbar gedachten Möglichkeit,<br />

Bezeichnung eines finalen, kausalen oder konzessiven Nebensinns eines Relativsatzes), wird es<br />

entweder mit deutschem Konkunktiv oder einem frei gewählten sinnverdeutlichenden Wort<br />

und Indikativ wiedergegeben.<br />

Homines sunt hac lege generati, qui tuerentur<br />

illum globum, quem in hoc templo medium vides.<br />

[rep.6,15]<br />

15<br />

Die Menschen wurden unter dieser Bedingung<br />

geschaffen, dass sie jenen Globus schützen, den<br />

du mitten in diesem göttlichen Kosmos siehst..


• Tempus-Unterschiede zwischen lateinischen und deutschen Verben im Konjunktiv<br />

Im Konjunktiv weicht der Tempusgebrauch im Lateinischen und Deutschen stark von einander ab:<br />

– Coniunctivus obliquus<br />

Ein Conjunktivus obliquus („Konjunktiv der fremden Meinung“) kennzeichnet eine Aussage als<br />

lediglich subjektive Aussage des Subjekts des übergeordneten Satzes oder des Subjekts des<br />

Prädikats, das eine indirekte Rede einleitet. Im Lateinischen folgt der Coniunctivus obliquus den<br />

Regeln der Consecutio temporum (s. unten S. 16), im Deutschen verwenden wir gewöhnlich<br />

den Konjunktiv I (s. unten).<br />

Decima legio per tribunos militum Caesari<br />

gratias egit, quod de se optimum iudicium<br />

fecisset.<br />

[Gall.1,41,2]<br />

Divico ita cum Caesare egit:<br />

Si pacem populus Romanus cum Helvetiis<br />

faceret, in eam partem ituros atque ibi futuros<br />

Helvetios, ubi eos Caesar constituisset. Sin<br />

bello persequi perseveraret, reminisceretur et<br />

veteris incommodi populi Romani et pristinae<br />

virtutis Helvetiorum.<br />

[Gall.1,13,3-4]<br />

Die zehnte Legion stattete durch die Militärtribunen<br />

Caesar Dank dafür ab, dass er über sie ein<br />

hervorragendes Urteil gefällt habe.<br />

Divico verhandelte folgendermaßen mit Caesar:<br />

Wenn das römische Volk mit den Helvetiern<br />

Frieden schließe, würden sie in die Richtung<br />

gehen und dort bleiben, wo Caesar sie<br />

angesiedelt habe. Wenn er jedoch auf Fortsetzung<br />

des Krieges beharre, solle er sich erinnern an die<br />

alte Niederlage des römischen Volkes und die<br />

frühere Tapferkeit der Helvetier.<br />

– Coniunctivus potentialis und irrealis der Gegenwart in Konditionalsätzen<br />

In deutschen konditionalen Satzperioden wird kein Unterschied zwischen einer vom Sprecher<br />

erfüllbar gedachten und einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit gemacht, im<br />

Lateinischen steht dagegen im ersten Fall Konjunktiv Präsens und im zweiten Fall Konjunktiv<br />

Imperfekt.<br />

Haec si tecum ita patria loquatur, nonne<br />

impetrare debeat.<br />

[Cat.1,19]<br />

Servi mehercule mei si me isto pacto<br />

metuerent, ut te metuunt omnes cives tui,<br />

domum meam relinquendam putarem.<br />

[Cat.1,17]<br />

Wenn die Vaterstadt so mit dir spräche, müsste<br />

sie etwa nicht Erfolg haben?<br />

Wenn, beim Herkules, meine Sklaven mich so<br />

fürchteten, wie dich alle deine Mitbürger fürchten,<br />

würde ich glauben, dass ich mein Haus verlassen<br />

müsse.<br />

– Coniunctivus concessivus erfordert freie Übersetzung<br />

Der Coniunctivus concessivus bezeichnet ein Zugeständnis und muss frei übersetzt werden<br />

(wenn auch, gesetzt dass, mag, zugegeben dass).<br />

Eadem nunc defensionis ratio viaque temptatur:<br />

Verres sit fur, sit sacrilegus, sit flagitiorum<br />

omnium vitiorumque princeps – at est bonus<br />

imperator.<br />

[Verr.2,5,4]<br />

Dieselbe Methode der Verteidigung wird jetzt<br />

versucht: Verres mag ein Dieb, Tempelräuber und<br />

Ausbund aller Schandtaten und Laster sein – aber<br />

er ist ein guter Feldherr.<br />

– Coniunctivus dubitativus der Vergangenheit erfordert deutsches Plusquamperfekt<br />

Der dubitative Konjunktiv wird mit dem Modalverb sollen übersetzt. Bei Coniunctivus dubitativus<br />

der Vergangenheit steht deutscher Konjunktiv Plusquamperfekt.<br />

Quid facerent miseri aut quid recusarent?<br />

[Verr. 2,3,79]<br />

16<br />

Was hätten die Armen machen sollen oder was<br />

hätten sie zurückweisen sollen?<br />

– Coniunctivus optativus manchmal mit hoffentlich übersetzt<br />

Ein Wunsch kann mit utinam oder velim, nolim, malim oder vellem, nollem, mallem verstärkt<br />

werden. Diese Wörter müssen nicht übersetzt werden.


Utinam tibi istam mentem di immortales duint!<br />

[Cat.1,22]<br />

Mögen dir die unsterblichen Götter diese Absicht<br />

geben!<br />

Hoffentlich geben dir die unsterblichen Götter diese<br />

Absicht!<br />

– Coniunctivus imperativus der Vergangenheit erfordert deutsches Plusquamperfekt<br />

A Torquato hoc vitium sileretur!<br />

[Sull.25]<br />

Von Torquatus hätte dieser Fehler verschwiegen<br />

werden sollen!<br />

– Coniunctivus prohibitivus (Perfekt) erfordert deutsches Präsens<br />

Ein Verbot wird im Lateinischen mit ne (oder einer ähnlichen Verneinung) und Konjunktiv<br />

Perfekt formuliert.<br />

Ne vos quidem, iudices, mortem timueritis!<br />

[Tusc.1,98]<br />

Auch ihr, Richter, sollt den Tod nicht fürchten!<br />

• Zeitenverhältnisregeln für Nebensätze im Konjunktiv (Consecutio temporum)<br />

Hauptsatztempus Zeitverhältnis Nebensatztempus<br />

Haupttempus<br />

(Präsens, Futur I, Futur II)<br />

Nebentempus<br />

(Imperfekt, Perfekt, Plusquamp.)<br />

< gleichzeitig <<br />

Konjunktiv Präsens<br />

Konjunktiv Imperfekt<br />

Haupttempus<br />

Nebentempus<br />

< vorzeitig <<br />

Konjunktiv Perfekt<br />

Konjunktiv Plusquamperfekt<br />

Haupttempus<br />

Nebentempus<br />

< nachzeitig <<br />

-urus, -ura, -urum sim<br />

-urus, -ura, -urum essem<br />

Nachzeitigkeit wird lediglich in indirekten Fragesätzen und non-dubito-quin-Sätzen beachtet:<br />

Dubitabam, essesne meas litteras accepturus. Ich war im Zweifel, ob du meinen Brief erhalten<br />

[Att.15,9,2]<br />

würdest.<br />

Nunc mihi non est dubium, quin legiones venturae Nun bin ich mir ganz sicher, dass keine Legionen<br />

non sint.<br />

kommen werden.<br />

[fam.2,17,5]<br />

Nur vereinfachend steht in der Kopfzeile der Tabelle „Hauptsatztempus“, denn ein<br />

Nebensatztempus kann sich auch auf einen übergeordneten Nebensatz oder ein Verbum infinitum<br />

wie einen Infinitiv oder ein Partizip beziehen. Bei Erläuterung eines übergeordneten Nebensatzes<br />

ist das Tempus dieses Nebensatzverbs ausschlaggebend. In Bezug auf ein Verbum infinitum<br />

richtet sich meistens nur das Zeitverhältnis nach dem Verbum infinitum, die absolute Zeit hängt<br />

dagegen vom nächsten übergeordneten finiten Verb ab. Eine Ausnahme bildet jedoch der Infinitiv<br />

Perfekt, nach dem durch Tempusattraktion das Tempus im Konjunktiv stehen kann, das auch dann<br />

stünde, wenn statt des Infinitivs und des von ihm abhängigen Nebensatzes ein Haupt- und<br />

Nebensatz im Indikativ formuliert wäre.<br />

Normalfall:<br />

Satis multa mihi verba fecisse videor, qua re esset<br />

hoc bellum genere ipso necessarium, magnitudine<br />

periculosum.<br />

[Manil.27]<br />

Tempus wie bei Indikativ:<br />

Fateor me erravisse, qui hoc maluerim, fateor<br />

insanivisse, qui cum illis senserim.<br />

[S.Rosc.142]<br />

17<br />

Ausreichend glaube ich dargelegt zu haben,<br />

weshalb dieser Krieg aufgrund seiner Eigenart<br />

notwendig und aufgrund seiner Größe gefährlich<br />

ist.<br />

Ich gestehe, dass ich mich geirrt habe, da ich ja<br />

dies lieber wollte, und ich gestehe, verrückt<br />

gewesen zu sein, da ich ja zu jenen hielt.


Die Regeln der Consecutio temporum werden in konjunktivischen Nebensätzen fast immer<br />

eingehalten. Eine Ausnahme bilden jedoch häufig die Konsekutivsätze.<br />

• Innerlich abhängige Sätze<br />

Neben- und Hauptsätze, die im Coniunctivus obliquus stehen (z.B. in indirekter Rede), sowie alle<br />

indirekten Fragesätze, Finalsätze, quin-Sätze und finalen Relativsätze sind innerlich abhängig.<br />

Dies bedeutet inhaltlich, dass die Aussagen dieser Sätze nur als subjektive Aussagen des<br />

Subjekts des übergeordneten Satzes zu verstehen sind. Formales Kennzeichen innerlich<br />

abhängiger Sätze ist die Verwendung reflexiver Pronomina bei Bezug auf das Subjekt des<br />

übergeordneten Satzes („indirekte Reflexivität“).<br />

Quod ubi Caesar resciit, Lingonibus imperavit, uti<br />

fugitivos conquirerent et reducerent, si sibi purgati<br />

esse vellent.<br />

[Gall.1.28.1]<br />

Sobald Caesar dies in Erfahrung gebracht hatte,<br />

befahl er den Lingonen, dass sie die Flüchtigen<br />

zusammenzutreiben und zurückzuführen sollten,<br />

wenn sie ihm gegenüber ohne Schuld sein wollten<br />

• Konjunktiv in indirekter Rede (Coniunctivus obliquus)<br />

Als indirekte Rede bezeichnet man die nicht wörtliche, sondern nur berichtende Wiedergabe einer<br />

eigenen oder fremden Rede, wobei der Sprecher durch die Wahl der Prädikatsperson, des<br />

Prädikatsmodus und der Pronomina deutlich macht, dass er die Rede nur indirekt wiedergibt.<br />

Im Deutschen stehen alle Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede im Konjunktiv (Konjunktiv I<br />

im Normalfall, Konjunktiv II in konditionalen Perioden und bei Formgleichheit des Konjunktivs I mit<br />

dem Indikativ). Im Lateinischen wird bei indirekter Rede zwischen Aussagesätzen, Fragesätzen<br />

und Aufforderungs- bzw. Wunschsätzen unterschieden.<br />

direkte<br />

Rede:<br />

indirekte<br />

Rede:<br />

Fragesatz<br />

Umformungen bei indirekter Rede<br />

direkte Rede indirekte Rede<br />

Aussagesatz > AcI<br />

rhetorische Frage > AcI<br />

andere Frage > abhängiger Fragesatz<br />

Aufforderungs- und Wunschsatz > Finalsatz des begehrten Inhalts<br />

Nebensatz (im Indikativ oder Konjunktiv) ><br />

"Si pacem nobiscum facies, in eam<br />

partem ibimus atque erimus, ubi nos<br />

constitueris."<br />

Divico ita cum Caesare egit:<br />

Si pacem populus Romanus cum<br />

Helvetiis faceret, in eam partem ituros<br />

atque ibi futuros Helvetios, ubi eos<br />

Caesar constituisset.<br />

[Gall.1,13,3]<br />

innerlich abhängiger Nebensatz, d. h.<br />

Konjunktiv nach der Consecutio temporum<br />

"Wenn du mit uns Frieden schließen wirst, gehen<br />

wir dorthin und bleiben wird dort, wo du uns<br />

ansiedelst."<br />

Divico verhandelte so mit Caesar:<br />

Wenn das römische Volk Frieden mit den<br />

Helvetiern schließe, würden die Helvetier dorthin<br />

gehen und dort bleiben, wo Caesar sie angesiedle.<br />

Zum AcI in indirekter Rede. s. "AcI in indirekter Rede" und zu den Pronomina s. "Reflexive<br />

Pronomina in indirekter Rede".<br />

18<br />

Imperativ<br />

Anders als im Deutschen gibt es im Lateinischen zwei Imperativ-Formen, die im Deutschen zwar


eide durch Imperativ oder durch ein Modalverb mit Infinitiv wiedergegeben werden könne, sich<br />

aber hinsichtlich des Geltungsbereichs unterscheiden:<br />

– Imperativ Präsens („Imperativ I“): sofort auszuführen<br />

Egredere ex urbe, libera rem publicam metu! Geh aus der Stadt, befreie den Staat von Furcht!<br />

[Cat.1,20]<br />

– Imperativ Futur („Imperativ II“): in Gesetzestexten und allgemeinen Sentenzen<br />

Caelestia semper spectato, humana contemnito! Behalte die himmlischen Dimensionen immer im<br />

[rep.6,20]<br />

Blick und schätze Menschliches gering!<br />

• Verbot<br />

Der Imperativ wird nur selten mit ne verneint. Ein Verbot an die 2. Person bezeichnen gewöhnlich<br />

ne mit Konjunktiv Perfekt oder noli mit Infinitiv.<br />

Genera verbi<br />

Je nachdem, ob das Subjekt die Verbhandlung vollzieht bzw. auslöst oder von ihr betroffen wird,<br />

unterscheidet man im Lateinischen die Genera verbi („Diathesen“) Aktiv und Passiv.<br />

Aktiv<br />

Ein Aktiv-Personenzeichen kann den Vollzug oder die Veranlassung (kausatives Aktiv: lassen)<br />

einer Prädikatshandlung durch das Subjekt bezeichnen. Häufig lässt der Kontext nicht eindeutig<br />

erkennen, welche Verwendungsweise vorliegt:<br />

Caesar ipse in Italiam magnis itineribus contendit<br />

duasque ibi legiones conscribit et tres, quae<br />

circum Aquileiam hiemabant, ex hibernis educit et,<br />

qua proximum iter in ulteriorem Galliam per Alpes<br />

erat, cum his quinque legionibus ire contendit.<br />

[Gall.1,10,3]<br />

Caesar selbst eilte in Eilmärschen nach Italien,<br />

ließ dort zwei Legionen ausheben und drei<br />

Legionen, die bei Aquileia überwinterten, aus dem<br />

Winterlager herausführen. Mit diesen fünf Legionen<br />

bemühte er sich auf dem kürzesten Weg nach<br />

Gallia ulterior über die Alpen zu gelangen.<br />

Passiv<br />

Eine Passivform kann den Vollzug der Verbalhandlung an dem Subjekt (bei transitiven Verben)<br />

oder Objekt (bei intransitiven Verben) durch einen anderen Urheber bezeichnen (in dieser<br />

Funktion: Verba passiva). Die Passivform transitiver Verben kann häufig aber auch eine reflexive<br />

Tätigkeit beschreiben (in dieser Funktion: Verba mediopassiva). Schließlich bezeichnet sie bei<br />

Deponentien eine aktive oder reflexive Handlung.<br />

Causa (Rhenum) transeundi fuit, quod Usipetes et Der Grund für den Rheinübergang war, dass die<br />

Tenctheri ab Suebis bello premebantur. […] Suebi Usipeter und Tenktherer von den Sueben<br />

in eam se consuetudinem adduxerunt, ut locis kriegerisch bedrängt wurden. […] Die Sueben<br />

frigidissimis neque vestitus praeter pelles haberent hatten sich angewöhnt, dass sie an diesen<br />

quicquam et lavarentur in fluminibus. […] Iumentis, eiskalten Orten keine Kleidungsstücke außer Fellen<br />

quibus maxime Galli delectantur, Germani trugen und sich in Flüssen wuschen. […]<br />

importatis non utuntur.<br />

Importierte Pferde, über die sich besonders die<br />

[Gall.4,1,2 u. 10]<br />

Gallier freuen, gebrauchen die Germanen nicht.<br />

• Unterschied zwischen Verb mit Reflexivpronomen und Verbum mediopassivum<br />

Ein aktives Verb mit Reflexivpronomen betont die Aktivität des Subjekts, ein als Mediopassivum<br />

verwendetes Verb im Passiv dagegen die Passivität des Subjekts.<br />

Solum, quod se ipsum movet, quia numquam<br />

deseritur a se, numquam ne moveri quidem desinit.<br />

[Tusc.1,53]<br />

19<br />

Nur was sich selbst bewegt, hört niemals auf sich zu<br />

bewegen, weil es von sich selbst niemals im Stich<br />

gelassen wird.


• Partizip Perfekt Passiv mit Formen von fuisse zur Bezeichnung eines Zustands<br />

Wenn betont werden soll, dass ein Zustand in der Vergangenheit bestand und nun nicht mehr<br />

besteht, kann statt dem Typus amatus sum der Typus amatus fui stehen. Eine tätige Person steht<br />

dabei gewöhnlich im Dativus auctoris.<br />

Pons, qui fuerat tempestate interruptus, paene<br />

erat refectus.<br />

[civ.1,41,1]<br />

20<br />

Die Brücke, die durch den Sturm unbegehbar<br />

geworden war, war beinahe wieder hergestellt.<br />

Valenzen<br />

Das Potential eines Verbs, durch Ergänzungen inhaltlich bereichert zu werden, heißt Valenz<br />

(„Wertigkeit“). Ergänzungen müssen bei Vollverben meistens nicht stehen, aber wenn sie stehen,<br />

sind sie in ihrer Form vom Verb bedingt. So kann z.B. eine finite Form von proficisci ganz alleine<br />

einen Satz bilden, aber wenn zusätzlich angegeben wird, wer oder wohin jemand aufbricht, dann<br />

sind diese Angaben durch proficisci in ihrer Form festgelegt: Das Subjekt muss ein Nomen sein<br />

(kein Infinitiv oder Nebensatz) und für die Zielangaben kommen als Präpositionen nur ad und in in<br />

Frage.<br />

Die Valenz eines lateinischen Verbs entspricht aufgrund der geschichtlichen Abhängigkeit der<br />

deutschen Grammatik von der lateinischen sehr oft seinem deutschen Äquivalent. So können z.B.<br />

viele lateinische Verben Ergänzungen auf die Frage "Wer oder was?" und "Wen oder was?" bei<br />

sich haben und ebenso werden ihre deutschen Entsprechungen konstruiert (z.B. laudare - loben).<br />

Solche Verben sind - vom Deutschen aus gesehen - syntaktisch einfach.<br />

Bei lateinischen Verben, deren Ergänzungen nicht dem Deutschen entsprechen, muss beim<br />

Vokabellernen zusätzlich zur Wortbedeutung die Verbvalenz gelernt werden. Dies ist z.B. bei allen<br />

Verben mit Ablativ-Objekt der Fall (uti, frui, fungi, potiri, afficere usw.). Die Kenntnis von der<br />

Verbvalenz ist aber auch dann sehr hilfreich, wenn unterschiedliche Bedeutungen eines Verbs an<br />

verschiedenartigen Ergänzungen formal erkennbar sind. Dies trifft z.B. für contendere zu (mit<br />

Infinitiv: sich anstrengen, mit AcI: behaupten, mit cum und Nomen: kämpfen, mit ad und Nomen:<br />

eilen). In welcher Form wichtige Verbvalenzen gelernt werden, ist keine syntaktische, sondern eine<br />

didaktische Frage. Möglichkeiten:<br />

- Ausformulierung der Ergänzung (z.B. providere m. Dat. - sorgen für)<br />

- allgemeines Beispiel für die Ergänzung (z.B. providere alicui - für jdn. sorgen)<br />

- Verwendung valenzgrammatischer Fachbegriffe (z.B. providere E 1 E 3 - für jdn. sorgen)<br />

Bei einer Präposition mit Nomen fällt manchmal die Entscheidung schwer, ob es sich dabei um<br />

eine - nicht vom Verb bedingte - freie Angabe oder um eine Ergänzung handelt. Dies lässt sich<br />

jedoch ziemlich zuverlässig dadurch prüfen, ob sich die Präposition mit Nomen in der deutschen<br />

Übersetzung durch machen vom Verb abspalten lässt oder nicht. So ist z.B. in dem Satz "Romae<br />

laboramus" Romae eine Freie Angabe, da Rom von arbeiten durch Wir arbeiten und das machen<br />

wir in Rom getrennt werden kann. In dem Satz "Romae habito" ist dies nicht der Fall, Romae also<br />

eine Ergänzung.<br />

In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden Ergänzungen durch zwei Bändel mit dem Prädikat<br />

verbunden, so dass die Abhängigkeit der ergänzenden Wachstafel von der Prädikat-Wachstafel<br />

sichtbar wird.


– einwertige Vollverben<br />

Ein einwertiges Verb kann nur ein Subjekt von sich abhängig machen.<br />

Carneades nonaginta vixit annos.<br />

Karneades lebte 80 Jahre lang.<br />

[Ac.2,16]<br />

Carneades<br />

nonaginta annos.<br />

– zweiwertige Vollverben<br />

Im Valenzrahmen eines zweiwertigen Verbs liegt zusätzlich zum Subjekt eine weitere<br />

Ergänzung, die in einem Objekt oder einem Adverbiale bestehen kann. Ein Verb, das ein<br />

Nomen im Akkusativ als Objekt bei sich haben kann, heißt „transitives Verb“.<br />

Helvetii in tertium annum profectionem lege<br />

confirmant.<br />

Die Helvetier legten den Aufbruch gesetzlich<br />

auf das dritte Jahr fest.<br />

[Gall.1,3,2)<br />

Caesar quam maximis potest itineribus in<br />

Galliam ulteriorem contendit.<br />

Caesar eilte, so schnell er konnte, in die<br />

Provinz Gallia ulterior.<br />

[Gall.1,7,1]<br />

21<br />

Helvetii<br />

in tertium annum<br />

profectionem<br />

lege<br />

Caesar<br />

quam maximis potest<br />

itineribus<br />

in Galliam ulteriorem<br />

vixit<br />

confirmant.<br />

contendit.<br />

– dreiwertige Vollverben<br />

Dreiwertige Verben zeichen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zum Subjekt zwei weitere<br />

Ergänzungen von sich abhängig machen können. Wenn eine dieser Ergänzungen ein Objekt in<br />

Form eines Nomens im Akkusativ ist, heißt das Verb „transitives Verb“


Gallos ab Aquitanis Garunna flumen dividit.<br />

Die Gallier trennt die Garonne von den<br />

Aquitanern.<br />

[Gall.1,1,2]<br />

Hic pagus unus L. Cassii consulis exercitum<br />

sub iugum miserat.<br />

Dieser eine Stammesteil hatte das Heer des<br />

Konsuls L. Cassius unters Joch geschickt.<br />

[Gall.1,12,5]<br />

Gallos<br />

ab Aquitanis<br />

Garunna flumen<br />

Hic pagus unus<br />

L. Casii consulis<br />

exercitum<br />

sub iugum<br />

dividit.<br />

miserat.<br />

– vierwertige Vollverben<br />

Vierwertige Verben zeichen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zum Subjekt drei weitere<br />

Ergänzungen von sich abhängig machen können. Wenn eine dieser Ergänzungen ein Objekt in<br />

Form eines Nomens im Akkusativ ist, heißt das Verb „transitives Verb“<br />

Orgetorix Dumnorigi Haeduo filiam suam in<br />

matrimonium dat.<br />

Orgetorix gab dem Häduer Dumnorix seine<br />

Tochter zur Frau.<br />

[Gall.1,3,5]<br />

22<br />

Orgetorix<br />

Dumnorigi Haeduo<br />

filiam suam<br />

in matrimonium<br />

dat.


Verb mit Infinitiv-Ergänzung<br />

Zwischen der Rolle eines Vollverbs und eines bloßen Formträgers steht die Rolle eines Verbs mit<br />

Infinitiv-Ergänzung: In dieser syntaktischen Verwendung macht ein Verb lediglich Aussagen über<br />

die Art und Weise oder einen bestimmten Aspekt einer im Infinitiv angegebenen Handlung. Zu den<br />

Infinitiv-Ergänzungen zählen dabei auch erweiterte Infinitive, jedoch nicht der AcI und NcI.<br />

Objekt<br />

Haedui suscepto bello suum consilium ab<br />

reliquis separare non audent.<br />

Die Häduer wagten nicht, nachdem der Krieg<br />

begonnen worden war, ihre Planung von den<br />

übrigen zu trennen.<br />

[Gall.7,63,8]<br />

Haedui<br />

suscepto bello<br />

suum consilium ab<br />

reliquis separare<br />

non audent.<br />

Verben mit Infinitiv-Ergänzung bilden in gleicher Weise wie andere Verben Modi, Tempora und<br />

Genera. Sie gehören teilweise zu den Hilfsverben (wenn sie nur durch einen Infinitiv bzw. ein<br />

Pronomen oder Adjektiv im Neutrum ergänzt werden können) und teilweise zu den Vollverben<br />

(wenn sie auch durch andere Füllungsarten ergänzt werden können).<br />

Verben mit Infinitiv-Ergänzung:<br />

– Modalverben:<br />

debere müssen<br />

posse können<br />

scire / nescire verstehen / nicht verstehen<br />

– Aspektverben:<br />

coepisse anfangen<br />

parare sich anschicken<br />

desinere, desistere aufhören<br />

pergere fortfahren<br />

– Verben des Wollens, Versuchens, Zögerns und Wagens:<br />

velle, nole, malle wollen, nicht wollen, lieber wollen<br />

cupere wünschen<br />

conari versuchen<br />

dubitare, cunctari zögern<br />

audere wagen<br />

– Verben des Beschließens<br />

constituere, decernere, statuere beschließen<br />

– Verben des Eilig-Ausführens<br />

contendere, maturare, festinare, properare sich beeilen, etwas zu tun<br />

– Verben des Gewöhntseins<br />

solere, consuevisse gewöhnt sein<br />

23<br />

• Bedeutungswechsel bei anderer Füllungsart als Ergänzung<br />

Wenn ein Verb nicht mit Infinitiv, sondern einer anderen Füllungsart ergänzt wird, hat es häufig<br />

eine andere Bedeutung.


– dubitare mit Infinitiv-Ergänzung<br />

Tu dubitas, quorum mentis sensusque<br />

volneras, eorum aspectum praesentiam-que<br />

vitare?<br />

[Cat.1,17]<br />

– dubitare mit indirektem Fragesatz als Ergänzung<br />

Utrum difficilius aut maius esset, negare tibi<br />

saepius idem roganti an efficere id, quod<br />

rogares, diu multumque, Brute, dubitavi./div><br />

[orat.1]<br />

24<br />

Du zögerst, den Blick und die Gegenwart der<br />

Menschen zu meiden, deren Denken und Fühlen<br />

du verletzt?<br />

Ob es zu unfreundlich oder zu umfangreich wäre,<br />

dir, der du schön öfters um dasselbe batst, nein zu<br />

sagen oder das zu tun, worum du batst, darüber<br />

war ich lange und oft im Zweifel, mein Brutus.


Verb mit Sinnträger<br />

Im Deutschen bilden wir das Perfekt Aktiv und Passiv mit haben oder sein und Partizip, so dass<br />

das Prädikat aus einer Copula und einem Sinnträger ("Prädikatsnomen") besteht. Selten bildet<br />

man im Lateinischen in gleicher Weise mit habere und Partizip das Perfekt Aktiv (perspectum<br />

habeo - ich habe durchschaut), aber immer mit esse und Partizip das Perfekt Passiv (laudati sunt -<br />

sie wurden gelobt).<br />

Vollständig entspricht dem Deutschen, dass esse (sein) und manere (bleiben) mit beliebigen<br />

Nomina Prädikate aller Zeiten bilden können (laeti sumus). Dabei bestimmen sie lediglich die<br />

Form des Prädikats, den Inhalt steuert ein Sinnträger bei. Esse und manere können aber auch<br />

inhaltsreich und damit Vollverben sein (vorhanden sein, vor Ort bleiben).<br />

Verben wie putare, vocare oder reddere sind dagegen gewöhnlich Vollverben (glauben, rufen,<br />

zurückgeben), erhalten aber durch einen Gleichsetzungsakkusativ (bzw. im Passiv einen<br />

Gleichsetzungsnominativ) einen neuen Sinn (halten für, nennen, machen zu).<br />

- esse mit Sinnträger<br />

Apud Helvetios longe nobilissimus fuit<br />

Orgetorix.<br />

Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei<br />

weitem berühmteste.<br />

[Gall.1,2,1]<br />

- esse ohne Sinnträger<br />

Sunt, qui discessum animi a corpore putent<br />

mortem.<br />

Es gibt Leute, die den Tod nur für eine<br />

Trennung der Seele vom Körper halten.<br />

[Tusc.1,18]<br />

Apud Helvetios<br />

Orgetorix.<br />

qui discessum animi a<br />

corpore putent mortem.<br />

longe nobilissimus<br />

fuit<br />

Sunt,<br />

Bei esse können ganz verschiedene Wortarten und -gruppen die Funktion eines Sinnträgers<br />

ausüben:<br />

– ein Nomen im Nominativ, Genitiv, Dativ oder Ablativ<br />

Horum omnium fortissimi sunt Belgae. Unter allen diesen sind die Belger die tapfersten.<br />

[Gall.1,1,3]<br />

Quid sui consilii sit, Caesar ostendit.<br />

[Gall.1,21,2]<br />

Omnibus Verres Siculis odio est.<br />

[Verr.2,4,15]<br />

Britanni sunt capillo promisso.<br />

[Gall.5,14,3]<br />

– eine Präposition mit Nomen<br />

Si Cn. Plancius mihi quaestor fuisset, in fili loco<br />

fuisset.<br />

[p.red.in.sen.35]<br />

– ein Infinitiv<br />

Mihi vivere [Subjekt] est cogitare.<br />

[Tusc.5,111]<br />

25<br />

Caesar legte dar, welchen Plan er hatte.<br />

Allen Siculern ist Verres verhasst.<br />

Die Britannier tragen langes Haar.<br />

Wenn Cn. Plancius mein Quaestor gewesen wäre,<br />

hätte er die Stelle eines Sohnes eingenommen.<br />

Für mich besteht Leben im Denken.


– ein Partizip<br />

Gallia est omnis divisa in partes tres.<br />

[Gall.1,1,1]<br />

– ein Gerundivum<br />

Caesari erant valles transcendendae maximae<br />

ac difficillimae.<br />

[civ.1,68,2]<br />

– ein Adverb<br />

Sic est vulgus.<br />

[Q.Roscius 29]<br />

Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt.<br />

Von Caesar mussten tiefe und unwegsame Täler<br />

überquert werden.<br />

So ist das Volk.<br />

• Gleichsetzugsakkusativ (bzw. im Passiv Gleichsetzungsnominativ) als Sinnträger<br />

Bei Vollverben, die durch einen Gleichsetzungsakkusativ neben einem Akkusativobjekt einen<br />

neuen Sinn erhalten, hat der Sinnträger immer die Gestalt eines Nomens im Akkusativ bzw.<br />

Nominativ.<br />

• Regel von der umgekehrten Kongruenz bei pronominalem Subjekt und zweiteiligem<br />

Prädikat<br />

Wenn das Subjekt durch ein Pronomen und das Prädikat durch esse mit einem Substantiv im<br />

Nominativ verwirklicht wird, so richtet sich im Lateinischen das Genus des Pronomens nach dem<br />

nominalen Prädikatsteil. Im Deutschen steht dagegen in diesem Fall das Pronomen im Neutrum:<br />

Ista quidem vis est!<br />

[Suet.Iul.82,1]<br />

26<br />

Das ist ja Gewalt!


Ein Verb kann nicht nur in einer finiten, d.h. durch eine Person bestimmten Form erscheinen (z.B.<br />

du lachst / rides), sondern auch in einer infiniten, d.h. unbestimmten Form (z.B. lachen / ridere).<br />

Tempora der Infinitive zur Bezeichnung relativer Zeiten<br />

Das Tempus eines Infinitivs bezeichnet nur das Zeitverhältnis zum übergeordneten Verb und keine<br />

absolute Zeit (Ausnahme: Infinitivus historicus):<br />

– Infinitiv Präsens als Infinitiv der Gleichzeitigkeit<br />

Nam dubitas id me imperante facere, quod iam<br />

tua sponte faciebas?<br />

[Cat.1,13]<br />

– Infinitiv Perfekt als Infinitiv der Vorzeitigkeit<br />

Catilina abs te non emissus ex urbe, sed<br />

immissus in urbem esse videtur.<br />

[Cat.1,27]<br />

– Infinitiv Futur als Infinitiv der Nachzeitigkeit (nur beim AcI)<br />

An, cum bello vastabitur Italia, vexabuntur<br />

urbes, tecta ardebunt, tum te non existimas<br />

invidiae incendio conflagraturum (esse)?<br />

[Cat.1,29]<br />

Zögerst du etwa dies auf meinen Befehl zu tun,<br />

was du schon aus eigenem Antrieb tun wolltest?<br />

Catilina scheint von dir nicht aus der Stadt<br />

hinausgeworfen, sondern auf die Stadt losgelassen<br />

worden zu sein.<br />

Wenn Italien im Bürgerkrieg verwüstet wird, die<br />

Städte heimgesucht werden und die Häuser<br />

brennen, glaubst du etwa nicht, dass dann auch<br />

du in einem Feuer des Hasses verbrennen<br />

wirst?<br />

Erweiterter Infinitiv<br />

Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen ein Infinitiv häufig durch ein Objekt oder Adverbiale<br />

erweitert. Um diese Erweiterungen sprachlich vom Objekt oder Adverbiale des Prädikats zu<br />

unterscheiden, spricht man am besten von Binnenobjekt und -adverbiale.<br />

Tempori Sestii et voluntati parere volui.<br />

Ich wollte der Situation des Sestius und seinem<br />

Willen entsprechen.<br />

[Vatin.2]<br />

Tempori Sestii et<br />

voluntati parere volui.<br />

Zum besonderen Fall einer Erweiterung durch einen Subjektsakkusativ s. "Accusativus cum<br />

Infinitivo".<br />

27


Infinitiv als Verbalsubstantiv im Nominativ und Akkusativ<br />

Beim Infinitiv unterscheidet man in der deutschen Grammatik zwischen verbalem und<br />

substantivischem Gebrauch: So wird z.B. ein Infinitiv, der ein Modalverb wie dürfen, können oder<br />

wollen ergänzt, klein geschrieben, als verbal bezeichnet und syntaktisch als Prädikatsteil bewertet<br />

(Wir wollen singen.). Dagegen schreibt man z.B. einen Infinitiv, bei dem ein Adjektiv steht, groß,<br />

nennt ihn substantivisch und bewertet ihn syntaktisch als Subjekt, Objekt oder Adverbiale (Langes<br />

Warten ermüdet.).<br />

In der lateinischen Grammatik betrachtet man dagegen Infinitive grundsätzlich als<br />

Verbalsubstantive (Ausnahme: Infinitivus historicus), die Objekt oder Subjekt sein können.<br />

Objekt<br />

Poetae volunt delectare.<br />

Dichter wollen erfreuen.<br />

(Horaz: Aut prodesse volunt aut delectare<br />

poetae.)<br />

Subjekt<br />

Errare humanum est.<br />

Irren ist menschlich. [vgl. Hieron., ep.57.12]<br />

Poetae<br />

delectare.<br />

volunt<br />

Errare humanum est.<br />

• Kasus des Sinnträgers beim Infinitiv esse<br />

Der Kasus eines Sinnträgers bei dem Infinitiv esse hängt davon ab, welche syntaktische Funktion<br />

der Sinnträger mit esse ausübt: Wenn sie zusammen das Subjekt bilden, steht der Sinnträger im<br />

Akkusativ, wenn sie das Objekt bilden, im Nominativ.<br />

esse ist Subjekt: Akkusativ<br />

Rudem esse<br />

segnitiae est.<br />

Rudem esse segnitiae est..<br />

Ahnungslos zu sein ist ein Zeichen von Faulheit.<br />

[fin.1,5]<br />

esse ist Objekt: Nominativ<br />

Beati ese volumus.<br />

Wir wollen glücklich sein. [Tusc.5,67]<br />

Beati esse<br />

• Bedeutungsveränderung mancher lateinischer Verben bei Infinitiv als Objekt<br />

Manche lateinische Verben nehmen mit Infinitiv-Objekt eine besondere Bedeutung an:<br />

– scire: können (mit anderem Objekt: wissen)<br />

Scio id iudicare. Ich kann das beurteilen.<br />

– contendere: sich bemühen (mit anderem Objekt: eilen, kämpfen, behaupten)<br />

Contendit locum oppugnare. Er bemühte sich den Ort zu bestürmen.<br />

volumus.<br />

– cogitare: beabsichtigen (mit anderem Objekt: denken)<br />

Cogitamus Romam proficisci. Wir beabsichtigen nach Rom aufzubrechen.<br />

28


– dubitare: zögern (mit anderem Objekt: zweifeln)<br />

Milites flumen transire non dubitaverunt.<br />

Die Soldaten zögerten nicht den Fluss zu<br />

überqueren.<br />

Infinitiv als Ergänzung eines persönlichen Passivs ("NcI")<br />

Nur in wenigen Fällen kann im Deutschen zu – vor allem inhaltsschwachen – Verben ein<br />

persönliches Passiv gebildet und dieses durch einen Infinitiv ergänzt werden (Ich werde<br />

gezwungen zu handeln. Ich werde gehindert zu handeln.).<br />

Im Lateinischen sind mehr Verben zu dieser Kombination aus persönlichem Passiv mit Infinitiv<br />

fähig. Wenn eine wörtliche Wiedergabe nicht möglich ist, kann z.B. mit deutschem unpersönlichem<br />

Passiv und einem dass-Satz übersetzt werden.<br />

Epaminondas cithara praeclare cecinisse dicitur.<br />

Epaminondas soll auf der Leier wunderschön<br />

gespielt haben. / Man sagt, dass Epaminondas<br />

auf der Leier wunderschön gespielt habe.<br />

[Tusc.1,4]<br />

Epaminondas cithara<br />

praeclare cecinisse<br />

dicitur.<br />

Syntaktisch ist der Infinitiv nach einem persönlichen Passiv schwer zu bestimmen: Ein Objekt als<br />

Erläuterung eines passiven Verbs ist nicht möglich und das Subjekt besteht bei einem<br />

persönlichen Passiv immer in einer Person. Als pragmatische Lösung wird ein solcher Infinitiv<br />

einschließlich seiner Erläuterungen (in der dritten Person steht gewöhnlich explizit ein Subjekt,<br />

deshalb "Nominativus cum Infinitivo") in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> grundsätzlich als Subjekt<br />

betrachtet. Der Widerspruch, dass das Subjekt des persönlichen Prädikats in diesem<br />

Fall der unpersönliche Infinitiv ist, entstand sprachgeschichtlich vielleicht dadurch, dass das<br />

meistens explizit genannte Binnensubjekt als dominierend empfunden wurde.<br />

-<br />

wörtlich (selten<br />

möglich):<br />

- unpersönlich und<br />

dass-Satz:<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines<br />

persönlichen Passivs mit Infinitiv (NcI)<br />

Cogor agere. Ich werde gezwungen zu handeln.<br />

Dicor celerior te esse. Ich soll schneller sein als du.<br />

Dionysius tyrannus<br />

fuisse putatur.<br />

- Adverb: Dionysius tyrannus<br />

fuisse videtur.<br />

- Parenthese: Cleopatra Caesarem<br />

decepisse fertur.<br />

Man glaubt, dass Dionysius ein Tyrann war.<br />

Dionysius war anscheinend ein Tyrann.<br />

Kleopatra hat, so sagt man, Caesar getäuscht.<br />

• Kasus des Sinnträgers beim Infinitiv esse<br />

Wenn der Infinitiv esse ein persönliches Passiv ergänzt, steht der zu esse gehörende<br />

Sinnträger im Nominativ.<br />

Dei beati atque aeterni esse intelleguntur.<br />

[nat.deor.1,106]<br />

29<br />

Man erkennt, dass die Götter glücklich und ewig<br />

sind.


• Verben mit persönlichem Passiv und Infinitivergänzung (NcI)<br />

Persönliches Passiv mit Infinitivergänzung findet sich bei:<br />

– Verben des Veranlassens und Verhinderns (iubeor, vetor, sinor, cogor, assuefio, prohibeor)<br />

Milo accusare Clodium per senatus auctoritatem<br />

non est situs .<br />

[Sest.95]<br />

Milo wurde vom Senat verboten Clodius<br />

anzuklagen.<br />

– Verben des Sagens und Meinens, aber tradere und ferre nur in der 3. Person Präsens (dicor,<br />

putor, existimor; traditur, fertur)<br />

Epaminondas cithara praeclare cecinisse<br />

dicitur.<br />

[Tusc.1,4]<br />

Traditum est Homerum caecum fuisse.<br />

[Tusc.5,114]<br />

– (mihi) videor<br />

Videor mihi iam liberius apud vos pro Siculis<br />

loqui debere, quam forsitan ipsi velint.<br />

[Verr.2,2,11]<br />

Epaminondas soll auf der Leier wunderschön<br />

gespielt haben.<br />

Es ist überliefert, dass Homer blind gewesen sei.<br />

Ich glaube nun freimütiger vor euch für die Sizilier<br />

sprechen zu müssen, als sie selbst es vielleicht<br />

wollen.<br />

Accusativus cum Infinitivo (AcI)<br />

Ein Infinitiv kann nicht nur durch ein Binnenobjekt, sondern auch durch ein Binnensubjekt erweitert<br />

werden. Im Deutschen gibt es diese Möglichkeit vor allem bei Verben des Veranlassens und der<br />

Wahrnehmung. Zusätzlich zum Infinitiv steht bei ihnen häufig die Person, die die Infinitivhandlung<br />

ausführt: Ich höre dich lachen. In diesem Beispiel kann dich als Subjektsakkusativ bezeichnet<br />

werden, da bei einer Umformung von dich lachen zu dass du lachst der Akkusativ zum Subjekt<br />

des dass-Satzes wird.<br />

Im Lateinischen nennt man diese spezielle Kombination eines Subjektsakkusativs mit Infinitiv<br />

"Accusativus cum infinitivo" bzw. einfach kurz "AcI". Er kann nicht nur nach Verben der<br />

Wahrnehmung, sondern auch nach Verben des Sagens und Wünschens sowie nach<br />

unpersönlichen Ausdrücken stehen. In diesem Fall lässt sich ein AcI nicht mehr wörtlich, sondern<br />

gewöhnlich mit einem dass-Satz übersetzen.<br />

Patere tua consilia non sentis?.<br />

Merkst du nicht, dass deine Pläne bekannt sind?<br />

[Cat.1,1]<br />

30<br />

Patere tua consilia non sentis?


Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines AcI<br />

- wörtlich (selten möglich): Audio te ridere. Ich höre dich lachen.<br />

- dass-Satz: Marcus dicit te<br />

ridere.<br />

- zu-Infinitiv (nur bei Subjektsgleichheit<br />

möglich):<br />

- bei freier Übersetzung des<br />

übergeordneten Verbs als<br />

Hauptsatzteil:<br />

Markus behauptet, dass du<br />

lachst.<br />

Dicis te multa scire. Du behauptest vieles zu wissen.<br />

Constat Ciceronem<br />

consulem fuisse.<br />

Bekanntlich war Cicero Konsul.<br />

• Umformungsregeln für die Übersetzung eines AcI mit dass-Satz<br />

Einen AcI kann man dadurch zu einem dass-Satz umformen, dass man den Akkusativ zum<br />

Subjekt ("Subjektsakkusativ" des AcI) und den Infinitiv zum Prädikat des dass-Satzes macht.<br />

Reflexive Pronomina im AcI werden nichtreflexiv übersetzt (z.B. se mit er), wenn die Reflexivität<br />

nur auf der Identität mit dem Subjekt des übergeordneten Satzes beruht (s. dazu "Reflexivität und<br />

Nichtreflexivität in der 3. Person des Personalpronomens").<br />

Caesar negat se more et exemplo populi<br />

Romani posse iter ulli per provinciam dare.<br />

[Gall.1,8,3]<br />

Caesar sagte, dass er aufgrund einer alten<br />

Tradition des römischen Volkes niemandem den<br />

Durchzug durch die Provinz gestatten könne.<br />

• Infinitiv der Nachzeitigkeit im AcI<br />

Nach Verben des Hoffens, Versprechens, Schwörens und Drohens wird die Nachzeitigkeit im<br />

Deutschen, anders als im Lateinischen, gewöhnlich nicht wiedergegeben.<br />

Spero vos liberosque vestros in re publica multa<br />

bona visuros esse.<br />

[Mil.78]<br />

Ich hoffe, dass ihr und eure Kinder noch viel Gutes<br />

im Staat seht.<br />

Wenn ein Verb keinen Infinitiv Futur bilden kann, wird dieser mit fore, ut umschrieben, ohne dass<br />

diese Umschreibung im Deutschen nachgeahmt werden muss.<br />

Spero fore, ut contingat id nobis.<br />

[Tusc.1,82]<br />

Ich hoffe, dass uns dies gelingt.<br />

• Sinnträger im Aci immer im Akkusativ<br />

Unabhängig davon, ob ein AcI die syntaktische Funktion eines Subjekts oder Objekts ausübt, steht<br />

ein Sinnträger im Aci immer im Akkusativ.<br />

Cupio, patres conscripti, me esse clementem.<br />

[Cat.1,4]<br />

Ich will, ihr Sen318atoren, milde sein.<br />

• Präparatives Pronomen<br />

Manchmal weist ein vorbereitendes Pronomen (id, hoc, illud) auf einen AcI hin.<br />

Inter omnes hoc constat, virorum esse fortium<br />

toleranter dolorem pati.<br />

[Tusc.2,43]<br />

31<br />

Bei allen steht dies fest, dass es ein Kennzeichen<br />

tapferer Männer ist, Schmerz tapfer zu ertragen.<br />

• AcI in indirekter Rede<br />

Im Deutschen stehen alle Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede im Konjunktiv. Dagegen<br />

werden Im Lateinischen Aussagesätze (auch rhetorische Fragen) der direkten Rede bei<br />

Wiedergabe in indirekter Rede als AcI formuliert.


direkte<br />

Rede:<br />

indirekte<br />

Rede:<br />

"Si pacem nobiscum facies, in eam<br />

partem ibimus atque erimus, ubi nos<br />

constitueris."<br />

Divico ita cum Caesare egit:<br />

Si pacem populus Romanus cum<br />

Helvetiis faceret, in eam partem ituros<br />

atque ibi futuros Helvetios, ubi eos<br />

Caesar constituisset.<br />

[Gall.1,13,3]<br />

"Wenn du mit uns Frieden schließen wirst, gehen<br />

wir dorthin und bleiben wird dort, wo du uns<br />

ansiedelst."<br />

Divico verhandelte so mit Caesar:<br />

Wenn das römische Volk Frieden mit den<br />

Helvetiern schließe, würden die Helvetier dorthin<br />

gehen und dort bleiben, wo Caesar sie<br />

angesiedle.<br />

Zum Konjunktiv in indirekter Rede s. "Konjunktiv in indirekter Rede" und zu den Pronomina s.<br />

"Reflexive Pronomina in indirekter Rede".<br />

• Abhängigkeit und Inhalt eines AcI<br />

Anders als bei einer adverbialen Füllungsart lässt sich der Inhalt eines Subjekts oder Objekts nicht<br />

allgemein festlegen. Deshalb hängt der Sinn eines AcI (und damit des deutschen dass-Satzes)<br />

jeweils vom übergeordneten Verb oder Ausdruck ab.<br />

– Bezeichnung eines begehrten Inhalts nach Verben und unpersönlichen Ausdrücken des<br />

Begehrens wie:<br />

oportet es gehört sich<br />

necesse est es ist notwendig<br />

licet es ist erlaubt<br />

Statt eines AcI ist auch ein Nebensatz des<br />

begehrten Inhalts – meistens ohne ut – möglich.<br />

– Bezeichnung eines sinnlich oder geistig wahrgenommenen Gegenstands nach Verben der<br />

sinnlichen und geistigen Wahrnehmung sowie Verben des Gefühls (beurteilende<br />

Wahrnehmung) wie:<br />

videre sehen Statt AcI kann nach diesen Verben auch AcP<br />

audire hören<br />

animadvertere wahrnehmen<br />

sentire fühlen<br />

cognoscere erkennen<br />

meminisse sich erinnern<br />

oblivisci vergessen<br />

scire wissen mit Infinitiv: können<br />

stehen. Beim AcI ist der Inhalt der<br />

Wahrnehmung betont (dass), beim AcP dagegen<br />

die Wahrnehmung (wie).<br />

gaudere, laetari sich freuen Nach Verben des Gefühls bezeichnet der AcI ein<br />

lugere, dolere trauern<br />

indignari empört sein<br />

aegre ferre ärgerlich sein<br />

mirari sich wundern<br />

admirari bewundern<br />

subjektiv wahrgenommenes und empfundenes<br />

Ereignis, ein quod-Satz dagegen ein Ereignis<br />

objektiver Art. Meistens ist dieser Unterschied<br />

kaum erkennbar (bei Cicero überwiegt der AcI).<br />

– Bezeichnung eines behaupteten oder geglaubten Inhalts nach Verben, unpersönlichen<br />

Ausdrücken und Substantiven des Behauptens und Meinens wie:<br />

dicere sagen<br />

contendere behaupten mit Infinitiv: sich bemühen<br />

statuere feststellen<br />

negare verneinen<br />

persuadere überzeugen mit ut-Satz: überreden<br />

32


arguere anklagen<br />

promittere, polliceri versprechen<br />

iurare schwören Nachzeitigkeit wird im Lateinischen beachtet.<br />

minari drohen<br />

queri sich beklagen<br />

gloriari sich rühmen<br />

sequi, efficere logisch folgen / folgern auch sequitur/efficitur, ut [consecutivum] möglich<br />

putare, existimare glauben<br />

suspicari vermuten<br />

sperare hoffen Nachzeitigkeit wird im Lateinischen beachtet.<br />

cogitare meinen mit Infinitiv: beabsichtigen<br />

constat es steht fest<br />

apparet es ist offensichtlich<br />

verisimile est es ist wahrscheinlich<br />

promissio Versprechen Ein AcI, der als Apposition ein Substantiv<br />

spes Hoffnung<br />

cogitatio Überlegung<br />

erläutert, hat die syntaktische Funktion eines<br />

Attributs.<br />

Infinitivus historicus<br />

Anders als im Deutschen kann im Lateinischen ein Infinitiv auch die syntaktische Funktion eines<br />

Prädikats übernehmen. Allerdings wird der Infinitiv nur selten so verwendet. Da er bevorzugt in der<br />

römischen Geschichtsschreibung gebraucht wurde, um Zustände der Vergangenheit zu schildern,<br />

oder – wie das historische Präsens – Ereignisse eindringlicher darzustellen, heißt er Infinitivus historicus.<br />

Prädikat<br />

Cotidie Caesar frumentum flagitare.<br />

Caesar forderte Tag für Tag Getreide.<br />

[Gall.1,16,1]<br />

33<br />

Cotidie<br />

Caesar<br />

frumentum<br />

flagitare.


Anders als im Deutschen sind sich im Lateinischen das Verbalsubstantiv und das Verbaladjektiv in<br />

manchen Formen sehr ähnlich. Zusammenfassend nennt man sie nd-Formen, da sowohl im<br />

Verbalsubstantiv (Gerundium, z.B. laudando) als auch im Verbaladjektiv (Gerundivum, z.B.<br />

laudanda) die Buchstaben nd vorkommen.<br />

In seiner semantischen Vielfältigkeit verhält sich das lateinische Verbaladjektiv ganz anders als<br />

das deutsche: Es kann nicht nur eine Eigenschaft bezeichnen (zu lesend, lesenswert), sondern –<br />

in Kombination mit anderen Wörtern – auch eine dominante Handlung (durch das Lesen von<br />

Büchern), eine notwendige Handlung (Dieses Buch muss gelesen werden.) oder eine bezweckte<br />

Handlung (zum Lesen).<br />

Gerundium: Verbalsubstantiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ nach<br />

Präposition und Ablativ<br />

Im Deutschen kann ein durch Großschreibung und Artikel substantivierter Infinitiv in alle Kasus<br />

des Singulars gesetzt werden (das Wandern, des Wanderns, dem Wandern, das Wandern). Ein<br />

lateinischer Infinitiv, der grundsätzlich als Verbalsubstantiv gilt (Ausnahme:Infinitivus historicus),<br />

kann nicht dekliniert werden und gilt als Nominativ oder Akkusativ Singular. Die fehlenden Kasus<br />

des Genitivs, Dativs und Ablativs ergänzt das Gerundium. Auch nach einer Präposition mit<br />

Akkusativ steht das Gerundium (auf -ndum).<br />

Den substantivierten Infinitiv im Deutschen bzw. den Infinitiv und das Gerundium im Lateinischen<br />

gibt es nur im Neutrum und nur im Singular.<br />

Adverbiale<br />

Mens hominis discendo alitur.<br />

Der Geist eines Menschen nährt sich vom<br />

Lernen.<br />

[off.1,105]<br />

Attribut<br />

Pompeium non ars inaudita gubernandi tam<br />

celeriter in ultimas terras pertulit.<br />

Den Pompeius hat nicht ein unbekannter Trick<br />

der Schiffssteuerung so schnell in die<br />

entlegensten Länder gebracht.<br />

[Manil.40]<br />

34<br />

Mens hominis<br />

discendo<br />

Pompeium<br />

ars inaudita gubernandi<br />

tam celeriter<br />

in ultimas terras<br />

alitur.<br />

non<br />

pertulit.


Sinnträger<br />

Civitates non sunt solvendo.<br />

Die Gemeinden sind zahlungsunfähig.<br />

[fam.3,8,2]<br />

Civitates non sunt<br />

solvendo.<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Infinitivs / Gerundiums<br />

- verbaler Infinitiv: Volumus fabulas audire. Wir wollen Geschichten hören.<br />

- zu-Infinitiv:<br />

Zu irren ist menschlich.<br />

Errare humanum est.<br />

- substantivierter Infinitiv: (Das) Irren ist menschlich.<br />

- Substantiv auf -ung: Venimus ad visitandum. Wir kamen zur Besichtigung.<br />

- beliebiges Substantiv: Admiramur artem pingendi. Wir bewundern die Kunst der Malerei.<br />

- Modalsatz: Legendo discimus. Indem wir lesen, lernen wir.<br />

• Erweitertes Gerundium<br />

Ein Gerundium kann durch ein Binnenobjekt oder -adverbiale erläutert werden. Eine solche<br />

Kombination ist eine satzwertige Konstruktion.<br />

Libros legendo discimus.<br />

Indem wir Bücher lesen, lernen wir.<br />

Libros legendo discimus.<br />

Gerundivum der dominanten Handlung<br />

Den gleichen Sinn wie ein durch Objekt erläutertes Gerundium kann im Lateinischen auch ein<br />

Substantiv mit Gerundivum bezeichnen. Obwohl die Bedeutung beider Konstruktionen völlig gleich<br />

ist, unterscheiden sie sich syntaktisch grundlegend: Bei der Gerundiumkonstruktion macht das<br />

Gerundium ein Substantiv als Binnenobjekt von sich abhängig, dagegen macht bei der<br />

Gerundivumkonstruktion umgekehrt ein Substantiv das Gerundivum wie ein Attribut von sich<br />

abhängig. Da das Gerundivum in dieser Konstruktion trotz seiner syntaktischen Unterordnung<br />

semantisch wichtiger ist als das Substantiv, kann man von einem „Gerundivum der dominanten<br />

Handlung“ sprechen und es – wie einen Ablativus absolutus – zusammen mit dem Substantiv als<br />

ein Satzglied bzw. Satzgliedteil betrachten.<br />

Adverbiale<br />

Libris legendis discimus.<br />

Indem wir Bücher lesen, lernen wir.<br />

35<br />

Libris legendis discimus.


Attribut<br />

Sulla pacis constituendae rationem habet.<br />

Sulla hat die Möglichkeit Frieden zu stiften.<br />

[S. Rosc.22]<br />

Sulla<br />

pacis constituendae<br />

rationem habet.<br />

• Gerundivum der dominanten Handlung nur von transitiven Verben und Deponentien mit<br />

Ablativ-Objekt<br />

Ein Gerundivum der dominanten Handlung kann, da das Gerundivum ein passives Verbaladjektiv<br />

ist, nur von transitiven Verben gebildet werden (vgl. im Deutschen z.B. lobenswert, genießbar,<br />

leserlich). Ausnahmen sind die Deponentien uti, frui, fungi, potiri und vesci.<br />

Romani eos, qui in spem potiendorum<br />

castro-rum venerant, undique circumventos<br />

interficiunt.<br />

[Gall.1,6,2]<br />

Die Römer umgaben diejenigen, die gehofft hatten,<br />

das Lager einzunehmen, von allen Seiten und<br />

töteten sie dann.<br />

• Gerundivum auf -i bei mei, tui, sui, nostri und vestri<br />

Steht das Gerundivum der dominanten Handlung bei einer der Ersatzformen für den Genitiv des<br />

Personalpronomens, so endet es ohne Rücksicht auf Genus und Numerus immer auf -i.<br />

Haedui legatos ad Caesarem purgandi sui gratia<br />

mittunt.<br />

[Gall.7,43.2]<br />

Die Häduer schickten Gesandte zu Caesar, um<br />

sich zu entschuldigen.<br />

• Gerundivum im (nominalen) Ablativus absolutus<br />

An Stelle eines Partizips kann im Ablativus absolutus nicht nur ein Substantiv oder Adjektiv,<br />

sondern auch ein Gerundivum der dominanten Handlung stehen. Ein solcher Abl.abs. lässt sich<br />

am besten mit einem Nebensatz übersetzen.<br />

Populus more hoc insulso et novo plausum meo<br />

nomine recitando dedit.<br />

[Att.4,1,6]<br />

Das Volk spendete aufgrund dieser<br />

geschmack-losen und neumodischen Unart Beifall,<br />

als mein Name vorgelesen wurde.<br />

• Nomen bei Gerundium oder Gerundivum bei Nomen?<br />

Semantisch kann statt eines Gerundiums mit Nomen ebenso gut ein Nomen mit Gerundivum<br />

stehen. In der Sprachwirklichkeit bildeten sich jedoch folgende Einschränkungen heraus:<br />

- nur Gerundium bei Pronomen oder Adjektiv im Akkusativ Neutrum<br />

Subabsurda dicendo et stulta reprehendo<br />

risus moventur.<br />

[de orat.2,289]<br />

- nur Gerundivum bei nd- Form im Dativ oder nach Präposition<br />

Virgines Vestae colendae praeerant.<br />

[leg.2,29]<br />

Ad eas res conficiendas Orgetorix<br />

deligitur.<br />

[Gall.1,3,2]<br />

36<br />

Indem man Absurdes sagt und Dummes tadelt,<br />

erregt man Gelächter.<br />

Jungfrauen standen dem Vesta-Kult vor.<br />

Für die Durchführung dieser Pläne wird Orgetorix<br />

gewählt.


Gerundivum der notwendigen Handlung<br />

Zusammen mit einer Form von esse und im Nominativ (im AcI im Akkusativ) bezeichnet ein<br />

Gerundivum eine notwendige Handlung (müssen). Verneint hat diese Kombination nur selten die<br />

Bedeutung nicht müssen und meistens die Bedeutung nicht dürfen.<br />

Sinnträger<br />

Omnia belli vulnera sananda sunt.<br />

Alle Wunden des Krieges müssen geheilt<br />

werden. [Marcell.24]<br />

Omnia belli vulnera sananda sunt.<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Gerundivums der notwendigen Handlung<br />

-ist/sind mit zu-Infinitiv<br />

Verträge sind einzuhalten.<br />

- müssen mit Infinitiv Passiv: Pacta sunt servanda.<br />

Verträge müssen eingehalten<br />

werden.<br />

mit Verneinung:<br />

- nicht dürfen: Leges neglegendae non sunt. Gesetze dürfen nicht missachtet<br />

werden.<br />

- nicht müssen: Verendum nobis non est, ne<br />

hostes nos petant.<br />

Wir müssen nicht fürchten, dass<br />

Feinde uns angreifen<br />

• Bezogene und unbezogene Konstruktion<br />

Ist das Gerundivum der notwendigen Handlung von einem transitiven Verb gebildet, so bezieht es<br />

sich formal auf das Subjekt. Ist es dagegen von einem intransitiven Verb gebildet, steht es im<br />

beziehungslosen Neutrum.<br />

Superbi debellandi sunt. Hochmütige müssen bekämpft werden.<br />

Subiectis parcendum est. Unterworfene müssen geschont werden.<br />

(Anchises zu Aeneas bei Vergil: Memento parcere<br />

subiectis et debellare superbos!)<br />

• Dativus auctoris<br />

Die tätige Person steht beim Gerundivum der notwendigen Handlung im Dativ. Wenn sich<br />

allerdings bei einem Gerundivum-Verb mit Dativ-Objekt Unklarheiten ergeben, wird die tätige<br />

Person wie (beim Passiv) gewöhnlich durch ab mit Abl. bezeichnet.<br />

Imprimis videndum erit ei, qui rem publicam<br />

administrabit, ut suum quisque teneat.<br />

[off.2,73]<br />

Cui senatus pro me gratias agendas (esse) putavit,<br />

ei ego a me referendam (esse) gratiam non<br />

putem?<br />

[Planc.78)<br />

37<br />

Besonders wir von demjenigen, der einen Staat<br />

verwaltet, darauf geachtet werden müssen, dass<br />

jeder seinen Besitzstand wahrt.<br />

Soll ich nicht glauben, dass demjenigen von mir<br />

Dank abgestattet werden muss, von dem der Senat<br />

glaubte, meinetwegen Dank sagen zu müssen?<br />

• Im AcI und NcI häufig ohne esse<br />

Wenn ein Gerundivum der notwendigen Handlung in einem AcI oder NcI steht, fehlt häufig esse<br />

(Beispiel s. o.)


Accusativus cum Nd-Form (AcNd)<br />

Zusammen mit einem Substantiv im Akkusativ kann ein Gerundivum nach bestimmten Verben den<br />

Zweck der Verbalhandlung bezeichnen. Dabei bilden das Substantiv im Akkusativ und das<br />

Gerundivum ebenso eine syntaktische Einheit wie ein AcI oder ein AcP. Und ebenso wie der<br />

Infinitiv im AcI und das Patizip im AcP kann auch die nd-Form im AcNd ihrerseits erläutert werden.<br />

Objekt<br />

Caesar pontem in Arari faciendum curat.<br />

Caesar ließ eine Brücke über die Saône bauen.<br />

[Gall.1,13,1]<br />

Caesar<br />

pontem in Arari<br />

faciendum curat.<br />

• Ergänzte Wörter<br />

Ein Gerundivum der bezweckten Handlung ergänzt folgende Wörter des Gebens und Schickens:<br />

dare geben mittere schicken<br />

tradere übergeben accipere annehmen<br />

concedere zugestehen curare lassen<br />

Curare erhält in der Kombination mit einem Gerundivum der bezweckten Handlung die Bedeutung<br />

lassen.<br />

Labienus naves faciendas curavit.<br />

[Gall.5,23,4].<br />

Labienus ließ Schiffe bauen.<br />

Gerundivum der Eigenschaft<br />

Eher selten wird das Gerundivum einfach so wie ein deutsches passives Verbaladjektiv gebraucht.<br />

Es bezeichnet dann eine Eigenschaft, die dem Bezugswort zukommen muss (zu lobend) oder nur<br />

zukommen kann (lobenswert).<br />

Attribut<br />

Pauci gloriam expetendam consequuntur.<br />

Nur wenige erlangen erstrebenswerten Ruhm.<br />

[vgl. rep.6,20]<br />

Pauci<br />

gloriam<br />

expedendam consequuntur.<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines Gerundivums der Eigenschaft<br />

- zu-Partizip (Partizip I mit zu-Erweiterung): Admiramur homines<br />

laudandos.<br />

38<br />

Wir bewundern zu lobende<br />

Menschen.<br />

- Adjektiv auf –wert, -würdig, -bar oder -lich: Wir bewundern lobenswerte<br />

Menschen.<br />

- Relativsatz: Wir bewundern Menschen, die<br />

Lob verdienen.


• Substantiviertes Gerundivum der Eigenschaft<br />

Wie andere Adjektive kann auch das Gerundivum der Eigenschaft substantiviert gebraucht<br />

werden.<br />

Equidem beatos puto, quibus datum est aut facere<br />

scribenda aut scribere legenda.<br />

[Plin.ep.6,16,3]<br />

39<br />

Ich meinerseits halte diejenigen für glücklich,<br />

denen es gegeben ist, entweder Darstellungswürdiges<br />

zu vollbringen oder Lesenswertes<br />

darzustellen.


Ein lateinisches Partizip wird häufig wie ein deutsches Partizip zur Bildung einer<br />

Vergangenheitsform verwendet. Während im Deutschen jedoch sowohl aktive als auch passive<br />

Formen des Perfektsystems mit Partizipien gebildet werden (sie hat gesehen, sie ist gesehen<br />

worden), gebraucht man im Lateinischen die Partizipien gewöhnlich nur beim Passiv (visa est) und<br />

lediglich im Ausnahmefall beim Aktiv (aliquid exploratum habere statt aliquid exploravisse).<br />

Wie im Deutschen treten auch im Lateinischen Partizipien häufig als Teil einer<br />

Partizipialkonstruktion oder substantiviert auf.<br />

Typisch Lateinisch ist die Konstruktionen des AcP.<br />

Tempora der Partizipien zur Bezeichnung relativer Zeiten<br />

Wenn ein Partizip nicht als Prädikatsteil verwendet ist, bezeichnet es wie der Infinitiv nur das<br />

Zeitverhältnis zum übergeordneten Verb und keine absolute Zeit:<br />

– Partizip Präsens als Partizip der Gleichzeitigkeit („Partizip I“ in der deutschen Grammatik)<br />

Cives facile adducam, ut te haec, quae vastare<br />

iam pridem studes, relinquentem usque ad<br />

portas prosequantur.<br />

[Cat.1,21]<br />

Ich werde unsere Mitbürger mühelos dazu bringen,<br />

dass sie dich, wenn du das verlässt, was du schon<br />

lange verwüsten willst, bis zu den Stadttoren<br />

geleiten.<br />

– Partizip Perfekt als Partizip der Vorzeitigkeit („Partizip II“ in der deutschen Grammatik)<br />

Num infitiari potes te illo ipso die meis praesidiis,<br />

mea diligentia circumclusum commovere te<br />

contra rem publicam non potuisse?<br />

[Cat.1,7]<br />

Kannst du denn leugnen, dass du dich genau an<br />

jenem Tag nicht gegen den Staat rühren konntest,<br />

weil du von meinenWächtern und durch meine<br />

Umsicht eingeschlossen worden warst?<br />

– Das Partizip Perfekt von Deponentien kann jedoch auch Gleichzeitigkeit bezeichnen<br />

Caesar arbitratus id bellum celeriter confici<br />

posse, ad Morinorum exercitum duxit.<br />

[Gall.3,28,1]<br />

– Partizip Futur als Partizip der Nachzeitigkeit (sehr selten, s.u.)<br />

P.Servilius adest de te sententiam laturus.<br />

[Verr.2,1,56]<br />

Im Glauben, dass dieser Krieg schnell<br />

abge-schlossen werden könne, führte Caesar sein<br />

Heer in das Gebiet der Moriner.<br />

P.Servilius ist da, um sein Urteil über dich zu fällen.<br />

Das Partizip Futur wird von Cicero und Caesar in Partizipialkonstruktionen nur sehr selten<br />

verwendet. Es bezeichnet dann eine Absicht.<br />

40<br />

Erweitertes Partizip<br />

Das Partizip ist ein Verbalnomen, d.h. es kann wie ein Infinitiv oder Gerundium durch Objekte und<br />

Adverbien erläutert werden. In einer Partizipialkonstruktion bildet es mit seinem formalen<br />

Bezugswort eine satzwertige Konstruktion.


Dumnorix cupiditate regni adductus novis rebus<br />

studebat.<br />

Dumnorix bemühte sich, verletet von Begierde<br />

nach Königsmacht, um einen Umsturz.<br />

[Gall.1,9,3]<br />

Dumnorix<br />

cupiditate regni<br />

adductus<br />

novis rebus<br />

Partizip bei esse und habere als Sinnträger<br />

studebat.<br />

Wie im Deutschen werden auch im Lateinischen die Formen des passiven Perfektsystems mit dem<br />

Partizip II bzw. Partizip der Vorzeitigkeit und einer Form von esse gebildet. Während im Deutschen<br />

jedoch auch die aktiven Formen des Perfektsystems aus dem Partizip II und Formen von haben<br />

oder sein zusammengesetzt sind, wird das Perfekt im Lateinischen nur ausnahmsweise mit dem<br />

Partizip der Vorzeitigkeit und Formen von habere oder tenere umschrieben, nämlich dann, wenn<br />

der erreichte Zustand betont werden soll.<br />

Im Lateinischen können auch das Partizip der Vorzeitigkeit und das Partizip der Nachzeitigkeit die<br />

Funktion eines Sinnträgers innehaben.<br />

- Partizip der Vorzeitigkeit mit esse zur Bildung von Formen des passiven Perfektsystems:<br />

C. Gracchus interfectus est.<br />

Gaius Gracchus wurde getötet.<br />

[Cat.1,4]<br />

C. Gracchus interfectus<br />

est.<br />

– Partizip Futur Aktiv mit esse:<br />

Umschreibung einer unmittelbar bevorstehende Handlung („Umschreibendes Futur“)<br />

Meministine me ante diem XII Kalendas<br />

Novembris dicere in senatu fore in armis certo<br />

die, qui dies futurus esset ante diem VI Kal.<br />

Novembris, C. Manlium?<br />

[Cat.1,7]<br />

Erinnerst du dich, dass ich am 21. Oktober im<br />

Senat sagte, Gaius Manlius werde an einem<br />

bestimmten Tag, welcher der 27. Oktober sein<br />

werde, die Waffen erheben?<br />

– Partizip Präsens Aktiv mit esse:<br />

Betonung der Dauerhaftigkeit eines Zustands im Vergleich zur einfachen Verbalform.<br />

Mundi partes sentientes sunt.<br />

[nat.deor.2,22]<br />

Die Teile der Welt sind wahrnehmungsfähig.<br />

Partizip als Teil einer Partizipialkonstruktion (Participiumconiunctum-Konstruktion<br />

und Ablativus absolutus)<br />

Ein Partizip kann im Deutschen sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden. Der<br />

Unterschied wird durch die Wortstellung deutlich gemacht:<br />

– attributiv: In Afrika gibt es mehr lachende Menschen als in Europa.<br />

41


– prädikativ: Lachend verließen die Kinder die Schule.<br />

Lateinische Partizipien können die gleichen syntaktischen Funktionen ausüben. Allerdings gibt die<br />

Wortstellung keinen Hinweis auf die Verwendung, so dass diese nur aus dem Kontext erschlossen<br />

werden kann.<br />

- attributiv:<br />

Laelius insulam obiectam portui Brundisino<br />

tenuit.<br />

Laelius hielt die vor dem Hafen von Brindisi<br />

liegende Insel besetzt.<br />

[civ.3,100,1]<br />

- prädikativ:<br />

His rebus adductus Caesar non exspectavit.<br />

Durch diese Umstände veranlasst wartete<br />

Caesar nicht.<br />

[Gall.1,11,6]<br />

Laelius<br />

insulam<br />

obiectam portui Brundisino tenuit.<br />

His rebus adductus<br />

Caesar<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines attributiven Partizips<br />

(d.h. eines Partizips, das nur sein formales Bezugswort erläutert)<br />

non exspectavit.<br />

- Partizip in attributiver Stellung: die vor dem Hafen von Brindisi liegende Insel<br />

- Relativsatz: die Insel, die vor dem Hafen von Brindisi liegt<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines prädikativen Partizips<br />

(d.h. eines Partizips, das sein formales Bezugswort und das Prädikat erläutert)<br />

temporal kausal konzessiv konditional modal<br />

gleichz. vorz.<br />

- Partizip in prädikativer Stellung<br />

-<br />

-<br />

Beiordnung:<br />

Unterordnung während,<br />

wenn, als<br />

- Substantiv<br />

mit<br />

Präposition<br />

und (dabei) und (dann) und<br />

(deshalb)<br />

bei,<br />

während<br />

nachdem,<br />

als<br />

nach wegen, infolge,<br />

aus<br />

und<br />

(trotzdem)<br />

da, weil obwohl,<br />

obgleich<br />

und (in dem<br />

Fall)<br />

und (so)<br />

wenn, falls indem,<br />

ohne dass<br />

trotz unter der<br />

Voraussetzung<br />

mit, bei,<br />

unter<br />

Bei prädikativem Partizip kann die semantische Funktion des Partizips (temporal, kausal,<br />

konzessiv, konditional oder modal) nur aus dem Kontext erschlossen werden. Der<br />

Übersetzungstyp (deutsches Partizip, Beiordnung, Unterordnung oder Substantiv mit Nomen) ist<br />

eine Frage des deutschen Stils.<br />

• Participium-coniunctum-Konstruktion und Ablativus absolutus<br />

Ein Partizip als Teil einer Partizipialkonstruktion ist im Lateinischen formal gewöhnlich auf ein<br />

42


Nomen bezogen (Ausnahmen). Die syntaktische Funktion dieses Nomens innerhalb des Satzes<br />

kann jedoch - wie im Deutschen - sehr verschieden sein:<br />

– Partizip, bezogen auf ein Nomen, das Satzglied ist:<br />

Lachende Kinder erfreuen uns.<br />

– Partizip, bezogen auf ein Nomen, das absolut steht:<br />

Sehenden Auges lief er in sein Unglück.<br />

Auch im Lateinischen gibt es zwei Partizipialkonstruktionen, die man danach unterscheidet, ob das<br />

Bezugswort Satzglied bzw. Satzgliedteil ist oder absolut steht: die Participium-coniunctum-<br />

Konstruktion und den Ablativus absolutus. Bei der Participium-coniunctum-Konstruktion, die in<br />

allen Kasus stehen kann, ist das Bezugswort Satzglied bzw. Satzgliedteil und daher auch ohne<br />

Partizip übersetzbar:<br />

Puella laudata gaudet. Das Mädchen freut sich, weil es gelobt wurde.<br />

Puella gaudet. Das Mädchen freut sich.<br />

Das Bezugswort eines Ablativus absolutus, der – wie sein Name sagt – nur im Ablativ erscheint, ist<br />

dagegen ohne Partizip vom Satz so losgelöst, dass es nicht mehr übersetzt werden kann:<br />

Adverbiale<br />

His rebus confectis Caesar se recepit.<br />

Nachdem diese Angelegenheiten erledigt waren,<br />

zog sich Caesar zurück.<br />

[Gall.4,19,4]<br />

His rebus confectis<br />

Caesar<br />

His rebus [ ] Caesar se recepit. (Unübersetzbar.)<br />

se<br />

recepit.<br />

Syntaktisch bildet ein Partizip in der Konstruktion des Ablativus absolutus zusammen mit seinem<br />

Bezugswort ein Adverbiale. Es lässt sich wie ein prädikatives Partizip durch Beiordnung,<br />

Unterordnung und Substantiv mit Präposition (Merkwort „BUS“) übersetzen, jedoch nicht mit<br />

deutschem Partizip.<br />

• Dominantes Partizip<br />

Manchmal beherrscht ein Participium coniunctum sein formales Bezugswort inhaltlich so sehr,<br />

dass man von einem dominanten Partizip sprechen kann. Am besten gibt man es wie das<br />

Gerundivum der dominanten Handlung mit einem Verbalsubstantiv auf -ung wieder.<br />

Unus M. Antonius in hac urbe post conditam<br />

urbem palam secum habuit armatos.<br />

[Phil.5,17]<br />

Seit der Gründung Roms hatte einzig Markus<br />

Antonius in dieser Stadt offen bewaffnete Leute bei<br />

sich.<br />

• Nominaler Ablativus absolutus<br />

In der Konstruktion des Ablativus absolutus kann anstelle eines Partizips auch ein Adjektiv,<br />

Gerundivum oder Substantiv stehen. Meistens wird es durch Präposition mit Nomen übersetzt.<br />

– Ablativus absolutus mit Adjektiv:<br />

Exigua parte aestatis reliqua Caesar in<br />

Britanniam proficisci contendit.<br />

[Gall.4,20,1]<br />

43<br />

Obwohl nur noch ein kleiner Teil des Sommers<br />

verblieb, beeilte sich Caesar dennoch nach<br />

Britannien aufzubrechen.


– Ablativus absolutus mit Gerundivum:<br />

Nemo audet nullis officii praeceptis tradendis<br />

philosophum se dicere.<br />

[off.1,5]<br />

– Ablativus absolutus mit Substantiv:<br />

Orgetorix M. Messala M. Pisone consulibus<br />

coniurationem nobilitatis fecit.<br />

[Gall.1,2,1]<br />

Niemand wagt, wenn er keine Vorschriften für<br />

pflichtgemäßes Handeln weiter gibt, sich Philosoph<br />

zu nennen.<br />

Orgetorix machte unter den Konsuln Markus<br />

Messala und Markus Piso eine<br />

Adelsverschwörung.<br />

• Übersetzung des Partizip Perfekt Passiv mit aktivem Prädikat<br />

Das Partizip Perfekt Passiv in einem Ablativus absolutus (seltener in der Konstruktion des<br />

Participum coniunctum) kann bei der Übersetzung mittels Beiordnung oder Unterordnung dann<br />

durch ein aktives Prädikat wiedergegeben werden, wenn die Partizipialhandlung offensichtlich vom<br />

Subjekt des Gesamtsatzes ausgeführt wird.<br />

Ceutrones locis superioribus occupatis exercitum<br />

itinere prohibere conati sunt.<br />

[Gall.1,10,4]<br />

Die Ceutronen besetzten höher gelegene Orte und<br />

versuchten dann unser Heer vom<br />

Durchmarschieren abzuhalten.<br />

• Präparatives Pronomen<br />

Manchmal weist ein vorbereitendes Pronomen im Ablativ Singular Neutrum (z.B. hoc) auf einen<br />

Ablativus absolutus hin.<br />

Germani arbitrantur hoc se fore tutiores repentinae<br />

incursionis timore sublato.<br />

[Gall.6,23,3]<br />

Die Germanen glauben, dass sie dadurch sicherer<br />

sein würden, wenn die Furcht vor einem plötzlichen<br />

Einfall beseitigt wäre.<br />

Accusativus cum Participio (AcP)<br />

Im Deutschen können Verben des Veranlassens und der Wahrnehmung einen Akkusativ mit einem<br />

zusätzlichen Infinitiv von sich abhängig machen (Ich höre dich lachen). Dies ist auch im<br />

Lateinischen möglich (s. AcI), aber außerdem lassen sich solche Verben durch einen Akkusativ mit<br />

Partizip (AcP) ergänzen. Der semantische Unterschied zwischen AcP und AcI besteht darin, dass<br />

der AcP eher die Wahrnehmung und den Zustand des Wahrgenommenen hervorhebt (wie),<br />

dagegen der AcI die Tatsache des Wahrgenommenen (dass). Syntaktisch stellt ein AcP ebenso<br />

eine Einheit dar wie ein AcI oder ein AcNd. Und ebenso wie der Infinitiv im AcI und die nd-Form im<br />

AcNd kann auch das Patizip im AcP seinerseits erläutert werden.<br />

Objekt<br />

Non miserum redeuntem a cena videtis?<br />

Seht ihr nicht, wie der arme Kerl von der<br />

Einladung zurückkommt? [S.Rosc.98]<br />

44<br />

miserum redeuntem a cena<br />

Non<br />

videtis?


Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines AcP<br />

- Akkusativ mit Partizip: Videmus te flentem. Wir sehen dich weinend.<br />

- Akkusativ mit Infinitiv: Audio te ridentem. Ich höre dich lachen.<br />

- wie-Satz (besonders bei erweitertem<br />

Partizip):<br />

Hostes nos e navi<br />

egredientes<br />

conspexerunt.<br />

Die Feinde sahen, wie wir<br />

aus dem Schiff ausstiegen.<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Verben der Wahrnehmung wie:<br />

videre sehen audire hören<br />

cernere sehen animadvertere wahrnehmen<br />

– Verben des literarischen Inszenierens:<br />

facere, inducere (auftreten) lassen, in einem Werk darstellen<br />

Substantiviertes Partizip<br />

Als substantiviertes Partizip bezeichnet man ein Partizip, das ohne formales Bezugswort steht. Es<br />

kann alle syntaktischen Funktionen eines Substantivs verwirklichen, wird aber wie ein Verb (durch<br />

Objekt und Adverbiale) erläutert.<br />

Objekt<br />

Medici leviter aegrotantes leniter curant.<br />

Ärzte behandeln leicht Erkrankte nur schonend.<br />

[off.1,83]<br />

Medici<br />

leviter aegrotantes<br />

leniter<br />

curant.<br />

• Partizip ohne Bezugswort<br />

Ein Partizip kann aus zwei Gründen ohne Bezugswort stehen: Entweder ist es substantiviert<br />

gebraucht oder es bezieht sich - als attributives Adverbiale oder Prädikatsnomen - auf das<br />

inhaltliche Subjekt des Satzes, das lediglich an der Endung des Prädikats ungefähr erkennbar ist:<br />

– Substantiviertes Partizip<br />

Romani conversa signa bipertito intulerunt:<br />

prima et secunda acies, ut victis ac submotis<br />

resisteret, tertia, ut venientes sustineret.<br />

[Gall.1,25,7]<br />

– Bezug auf das inhaltliche Subjekt des Satzes<br />

Hac oratione adducti inter se fidem et ius<br />

iurandum dant.<br />

[Gall.1,3,8]<br />

45<br />

Die Römer kämpften nach zwei Seiten: die erste<br />

und zweite Kampflinie, um den (bereits) Besiegten<br />

und Zurückgedrängten (weiterhin) Widerstand zu<br />

leisten, die dritte, um die Anstürmenden<br />

aufzuhalten.<br />

Durch diese Rede veranlasst schworen sie<br />

untereinander unverbrüchliche Treue.


Das Supinum auf -um und das Supinum auf -u sind dem Perfekt Passiv formal ähnlich. Sie haben<br />

jedoch keine passive Bedeutung, sondern werden gewöhnlich mit einem erweiterten Infinitiv Aktiv<br />

übersetzt.<br />

Das Supinum auf -um<br />

Im Deutschen kann eine Infinitivhandlung dadurch als bezweckte Handlung charakterisiert werden,<br />

dass dem Infinitiv um zu vorangestellt wird (Wir gehen in die Schule um zu lernen.). Diesem durch<br />

um zu erweiterten deutschen Infinitiv entspricht das lateinische Supinum auf -um. Es erscheint<br />

allerdings nur nach Verben der Bewegung wie venire, ire und mittere.<br />

Adverbiale<br />

Spectatum veniunt, veniunt, spectentur ut ipsae.<br />

Sie kommen um zu schauen, und sie kommen,<br />

um angeschaut zu werden.<br />

[Ovid, ars 1,99]<br />

Spectatum<br />

spectentur ut ipsae.<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Supinums auf -um<br />

veniunt,<br />

veniunt,<br />

– um zu mit Infinitiv: Spectatum veniunt. Sie kommen um zu<br />

schauen.<br />

– zum mit Nomen Spectatum veniunt. Sie kommen zum<br />

Schauen.<br />

• Erweitertes Supinum auf -um<br />

Das Supinum auf -um zählt zu den Verbalnomina. Allerdings kann es nicht so frei mit Objekten und<br />

Adverbialien kombiniert werden wie ein Infinitiv, Gerundium oder Partizip, sondern zu dem<br />

Supinum auf -um treten nur Objekte.<br />

Haedui legatos ad Caesarem mittunt rogatum<br />

auxilium.<br />

Die Häduer schickten Gesandte zu Caesar um<br />

Frieden zu erbitten.<br />

[Gall.1,11,2]<br />

46<br />

Haedui<br />

legatos<br />

ad Caesarem<br />

rogatum auxilium.<br />

mittunt


Das Supinum auf -u<br />

Das Supinum auf -u entspricht einem deutschen zu-Infinitiv (ein mit zu erweiterter Infinitiv). Wie<br />

dieser kann es ein Adjektiv oder Substantiv erläutern und dabei die syntaktische Funktion eines<br />

Subjekts oder Attributs übernehmen. Wenn die Supinum-Erläuterung aufgrund des Kontextes nicht<br />

notwendig ist, kann sie unübersetzt bleiben.<br />

Subjekt<br />

Facile est intellectu, quae sint contraria.<br />

Es ist leicht zu erkennen, was dagegen steht.<br />

(Cic.part.88)<br />

Attribut<br />

Oratio est iucunda auditu.<br />

Die Rede ist angenehm zu hören.<br />

[vgl. de orat.1,31]<br />

intellectu, quae ... contraria.<br />

Facile est<br />

Oratio est iucunda<br />

auditu.<br />

Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Supinums auf -u<br />

– zu-Infinitiv: Facies, quod optimum<br />

factu videbitur.<br />

Du wirst tun, was dir am besten zu tun erscheint.<br />

– unübersetzt: Du wirst tun, was dir am besten erscheint.<br />

– zu-Partizip: Orationem iucundam<br />

auditu magno aestimo.<br />

Ich schätze eine angenehm zu hörende Rede sehr.<br />

• Erläuterte Nomina<br />

Das Supinum auf -u erläutert Adjektive und Substantive:<br />

facilis, e leicht iucundus, a, um angenehm<br />

difficilis, e schwierig crudelis, e grausam<br />

mirabilis, e erstaunlich optimus, a, um am besten<br />

incredibilis, e unglaublich fas/nefas est es ist Recht / Unrecht<br />

• Erweitertes Supinum auf -u<br />

Zu dem Supinum auf -u treten ausschließlich der AcI und abhängige Fragesatz als Objekte.<br />

Difficile est dictu, quanto in odio simus.<br />

Es ist schwer zu sagen, welchem Hass wir<br />

ausgesetzt sind. [Manil. 65]<br />

47<br />

dictu, quanto in odio simus.<br />

Difficile est


48<br />

Als Nomina bezeichnet man Wörter, die deklinierbar sind. Dazu zählen vor allem die Substantive,<br />

Adjektive und Pronomina. Zu den Füllungsarten nominaler Herkunft werden hier auch alle (selbst<br />

undeklinierbare) Zahlwörter, Präpositionen mit Nomina und die Adverbien gerechnet, da sie zum<br />

größten Teil von Nomina abgeleitet sind.


Lateinische Substantive unterscheiden sich von deutschen Substantiven im Satz vor allem<br />

dadurch, dass sie weder durch Großschreibung noch durch Artikel kenntlich gemacht werden.<br />

Außerdem können sie in mindestens fünf verschiedene Kasus treten und bilden somit deutlich<br />

mehr Formen als die Substantive der meisten modernen Fremdsprachen.<br />

49<br />

Für die Übersetzung eines lateinischen Substantivs ist zunächst die Kenntnis seiner syntaktischen<br />

Funktion wichtig. Sofern es ein Subjekt oder Objekt verwirklicht, erübrigt sich die weitergehende<br />

Frage nach der semantischen Funktion, da sich Subjekte und Objekte inhaltlich nur sehr allgemein<br />

definieren lassen. Anders verhält es sich mit Sinnträgern, Attributen und besonders Adverbialien.<br />

Wenn ein Substantiv eine dieser syntaktischen Funktionen ausübt, ist es sinnvoll, seine<br />

semantische Funktion zu überprüfen.<br />

Die Präsentation der einzelnen Typen eines Kasus orientiert sich in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong><br />

primär an den syntaktischen Funktionen: Da ein Substantiv im Nominativ hauptsächlich als<br />

Subjekt fungiert, wird diese Rolle auch zunächst dargestellt, beim Substantiv im Genitiv stehen die<br />

verschiedenen Sinnrichtungen des Attributs am Anfang, die Darstellung des Dativs und Akkusativs<br />

geht vom Objekt aus und das Substantiv im Ablativ wird zuerst als Adverbiale semantisch<br />

differenziert.<br />

Natürlich treten nicht nur Substantive in verschiedene Kasus, sondern alle Nomina und<br />

Verbalnomina. Falls diese substantivisch gebraucht sind, können sie die gleichen Funktionen wie<br />

Substantive übernehmen.


Das Substantiv im Nominativ<br />

Ein Substantiv im Nominativ kann eine Person, eine Sache oder einen Sachverhalt bezeichnen,<br />

die – je nach Prädikat – formal aktiv oder passiv ist. Syntaktisch übernimmt ein Substantiv im<br />

Nominativ meistens die Funktion eines Subjekts, es kann aber auch andere Satzgliedfunktionen<br />

ausüben.<br />

Subjekt<br />

Helvetii iam per angustias et fines Sequanorum<br />

suas copias traduxerant.<br />

Die Helvetier hatten ihre Truppen bereits über<br />

Pässe und durch das Gebiet der Sequaner<br />

geführt.<br />

[Gall.1,11,1]<br />

Sinnträger<br />

Eburones et Condrusi sunt Treverorum clientes.<br />

Die Eburonen und Condruser sind Klienten der<br />

Treverer. [Gall.4,6,4]<br />

Attribut<br />

Garunna flumen Gallos ab Aquitanis dividit.<br />

Die Garonne trennt die Gallier von den<br />

Aquitanern.<br />

[Gall.1,1,2]<br />

Attributives Adverbiale<br />

Furius puer didicit, quod discendum fuit<br />

Furius lernte als Junge, was zu lernen war.<br />

[de orat.3,87]<br />

Helvetii<br />

iam<br />

per angustias et fines<br />

Sequanorum<br />

suas copias<br />

traduxerant.<br />

Eburones et Condrusi sunt Trev.<br />

clientes.<br />

Garunna<br />

flumen<br />

Gallos<br />

ab Aquitanis<br />

Furius<br />

puer<br />

quod discendum fuit.<br />

Gleichsetzungsnominativ ("doppelter Nominativ")<br />

Ein Gleichsetzungsnominativ gibt bei passivem Prädikat an, womit ein anderes Nomen im<br />

50<br />

dividit.<br />

didicit,


Nominativ gleichgesetzt wird. Dabei ist der Gleichsetzungsnominativ für das ergänzte Verb so<br />

bedeutungsvoll, dass er als Sinnträger gilt. Manche Verben treten nur mit Subjekt und<br />

Gleichsetzungsakkusativ auf (declarare), andere erhalten durch den Gleichsetzungsnominativ eine<br />

andere Bedeutung (putari mit doppeltem Nominativ – für etwas gehalten werden). Die Kombination<br />

von Subjekt und Gleichsetzungsnominativ nennt man "doppelten Akkusativ". Bei aktivem Verb wird<br />

der Gleichsetzungsnominativ zu einem Gleichsetzungsakkusativ.<br />

Rectum putabat pro eorum honestate se pugnare,<br />

propter quos ipse honestissimus inter suos<br />

numerabatur.<br />

[S.Rosc.16]<br />

Er hielt für richtig, dass er sich für die Ehre derer<br />

einsetzte, wegen welchen er selbst als der<br />

Ehrenwerteste unter den Seinen galt.<br />

• Durch Gleichsetzungsnominativ ergänzte Verben<br />

- genannt werden dici, appellari, nominari, vocari<br />

- gehalten werden für duci, existimari, iudicari, putari, haberi<br />

- gewählt werden zu/als creari, deligi<br />

- gemacht werden zu fieri, effici, reddi<br />

51


Das Substantiv im Genitiv<br />

Ein Substantiv im Genitiv erläutert meistens, wie im Deutschen, ein anderes Substantiv, indem es<br />

dessen Besitzer oder Zugehörigkeit nennt (domus patris, montes Italiae). Anders als im Deutschen<br />

kann es auch z.B. zu einem Teil das Ganze (copia malorum – eine Menge Äpfel) oder zu einem<br />

beliebigen Substantiv eine Eigenschaft (puella magni ingenii – ein sehr talentiertes Mädchen)<br />

nennen. In diesen Fällen fungiert ein Substantiv im Genitiv als Attribut oder Sinnträger. Die<br />

syntaktischen Funktionen eines Objekts oder Adverbiales übernimmt es seltener.<br />

Attribut<br />

Helvetii iam per angustias et fines Sequanorum<br />

suas copias traduxerant.<br />

Die Helvetier hatten bereits ihre Truppen über<br />

die Pässe und durch das Gebiet der Sequaner<br />

geführt.<br />

[Gall.1,11,1]<br />

Sinnträger<br />

Commi auctoritas in his regionibus magni<br />

habebatur.<br />

Die Autorität des Commius wurde in diesen<br />

Gebieten sehr geachtet.<br />

[Gall.4,21,7]<br />

Adverbiale<br />

Vendo meum non pluris quam ceteri.<br />

Ich verkaufe meine Ware nicht teurer als die<br />

übrigen<br />

[off.3,51]<br />

Objekt<br />

A. Terentius non modo Aebutium, sed etiam se<br />

pessimi facinoris arguit.<br />

A. Terentius beschuldigte nicht nur Äbutius,<br />

sondern auch sich des schlimmsten<br />

Verbrechens.<br />

[Caecin.25]<br />

52<br />

Helvetii<br />

iam<br />

per angustias et fines<br />

Sequanorum<br />

suas copias<br />

Comii auctoritas<br />

traduxerant.<br />

in his regionibus magni<br />

habebatur.<br />

meum<br />

non pluris<br />

quam ceteri<br />

A. Terentius<br />

non modo Aebutium,<br />

sed etiam se<br />

pessimi facinoris<br />

Vendo.<br />

arguit.


Genitivus possessoris<br />

Ein Genitivus possessoris bezeichnet einen Besitzer im weitesten Sinn (Personen und Sachen). Er<br />

verwirklicht ein Attribut oder einen Sinnträger.<br />

Attribut<br />

Caesari nuntiatur Helvetiis esse in animo per<br />

agrum Sequanorum et Haeduorum iter in<br />

Santonum fines facere.<br />

[Gall.1,10,1]<br />

Sinnträger<br />

Omnia, quae mulieris fuerunt, viri fiunt nomine<br />

dotis.<br />

[top.23]<br />

Caesar wurde gemeldet, dass die Helvetier planten<br />

durch das Ackerland der Sequaner und Häduer in<br />

das Gebiet der Santonen auszuwandern.<br />

Alles, was der Frau gehört hat, wird unter dem<br />

Begriff Mitgift zum Eigentum des Mannes.<br />

• Unterschied zum Dativus possessivus<br />

Der Genitivus possessoris und Dativus possessivus können als Sinnträger ein Besitzverhältnis<br />

bezeichnen. Der Unterschied besteht darin, dass der Genitiv den Besitzer, der Dativ dagegen den<br />

Besitz betont.<br />

Iam me Pompei totum esse scis.<br />

[fam.2,13,2]<br />

Nullus est aditus ad Nervios mercatoribus.<br />

[Gall.2,15,4]<br />

Du weißt schon, dass ich voll und ganz zu<br />

Pompeius gehöre.<br />

Kein Zugang zu den Nerviern besteht für<br />

Kaufleute.<br />

Genitivus qualitatis<br />

Ein Genitivus qualitatis bezeichnet zusammen mit einem Adjektiv eine Eigenschaft. Dabei<br />

verwirklicht er ein Attribut oder einen Sinnträger. Am besten wird er mit einem Adjektiv übersetzt.<br />

Attribut<br />

Quo verius in causa nostra vir magni ingenii<br />

summaque prudentia L. Cotta dicebat, nihil omnino<br />

actum esse de nobis.<br />

[leg.3,45]<br />

Sinnträger<br />

Dumnorigem magni animi, magnae inter Gallos<br />

auctoritatis (esse) cognoverat.<br />

[Gall.5,6]<br />

53<br />

Um so wahrer sagte in unserem Fall ein sehr<br />

geistreicher und äußerst kluger Mann, L. Cotta,<br />

dass überhaupt nichts betreffs unserer Person<br />

verhandelt worden sei. [Nach Ciceros und Cottas<br />

Meinung war das Gesetz über seine Verbannung<br />

nicht rechtmäßig.]<br />

Er wusste, dass Dumnorix hochmütig und bei den<br />

Galliern sehr einflussreich war.<br />

• Eigenschaft im Genitivus oder Ablativus qualitatis?<br />

Die Verwendung des Genitivus und Ablativus qualitatis ist, wie das erste Beispiel zeigt (vir magni<br />

ingenii summaque prudentia), nicht streng unterschieden. Bei Zahl- und Maßangaben (altitudo<br />

pedum sedecim) sowie bei modus, genus und res steht gewöhnlich der Genitivus qualitatis, bei<br />

vorübergehende Eigenschaften (bono animo esse, hilari vultu esse) eher der Ablativus qualitatis.<br />

Genitivus subiectivus<br />

Ein Substantiv im Genitiv kann im Lateinischen ebenso wie im Deutschen eine (abstrakte) Person


ezeichnen, von der eine Handlung oder Empfindung ausgeht (die Trauer der Hinterbliebenen).<br />

Ein solcher Genitivus subiectivus übt die syntaktische Funktion eines Attributs aus.<br />

Nihilne te nocturnum praesidium Palatii, nihil<br />

urbis vigiliae, nihil timor populi moverunt?<br />

[Cat.1,1].<br />

Haben dich nicht die nächtliche Bewachung des<br />

Palatin, nicht die Nachtwachen der Stadt und<br />

nicht die Furcht des Volkes bewegt?<br />

• Erläuterte Wörter<br />

- (Verbal-)Substantive, die eine Handlung oder Empfindung bezeichnen (z.B. victoria, amor)<br />

• Possessivpronomen im Sinn eines Genitivus subiectivus<br />

Statt des Genitivs des Personalpronomens steht – wie beim Genitivus possessivus – das<br />

Possessivpronomen:<br />

Num infitiari potes te illo ipso die mea diligentia<br />

circumclusum commovere te contra rem publicam<br />

non potuisse.<br />

[Cat.1,7]<br />

Kannst du etwa leugnen, dass du an genau jenem<br />

Tag dich nicht gegen den Staat wenden konntest,<br />

weil du durch meine Umsicht eingeschlossen<br />

warst?.<br />

Genitivus obiectivus<br />

Ein Genitivus obiectivus nennt die vom Inhalt des Bezugswortes betroffene Person oder Sache.<br />

Wie der Genitivus subiectivus verwirklicht er ein Attribut.<br />

Nihilne te nocturnum praesidium Palatii, nihil urbis<br />

vigiliae, nihil timor populi moverunt?<br />

[Cat.1,1]<br />

Nunc populus nec flagitat rem ullam nec novarum<br />

rerum est cupidus.<br />

[Sest.104]<br />

Haben dich nicht die nächtliche Bewachung des<br />

Palatin, nicht die Nachtwachen der Stadt und<br />

nicht.die Furcht des Volkes bewegt?<br />

Nun fordert das Volk nichts und ist nicht begierig<br />

auf Umsturz.<br />

• Erläuterte Wörter<br />

- (Verbal-)Substantive, die eine Handlung oder Empfindung bezeichnen (z.B. expugnatio,<br />

simulatio, amor)<br />

- Adjektive der Bedeutung begierig, kundig, eingedenk (z.B. cupidus, conscius, peritus, memor)<br />

• Genitiv des Personalpronomens als Genitivus obiectivus (nicht Gen.subi.)<br />

Der Genitiv des Personalpronomens (mei, tui, nostri, vestri) hat in der Regel die semantische<br />

Funktion eines Genitivus obiectivus:<br />

Vincebatur fortuna ipsa debilitatae gratiae nostrae<br />

tui caritate et meo perpetuo erga te amore.<br />

[fam.6,12,1]<br />

Selbst das Unglück meines geschwächten<br />

Einflusses wurde von der Liebe zu dir und meiner<br />

immerwährenden Sympathie für dich besiegt.<br />

Genitivus totius („Genitivus partitivus“)<br />

Ein Genitivus totius nennt die Gesamtheit, zu der das Bezugswort einen Teil darstellt. Er<br />

verwirklicht ein Attribut.<br />

Ariovistus tertiam partem agri Sequani<br />

occupaverat.<br />

[Gall.1,31]<br />

Ariovist hatte ein Drittel des sequanischen<br />

Siedlungslandes besetzt.<br />

• Erläuterte Wörter<br />

- Substantive und Adjektive der Menge und des Maßes wie:<br />

copia Menge particeps teilhaftig<br />

54


pars Teil expers frei von<br />

modius Scheffel (8,75 l) plenus voll von<br />

- substantivisch gebrauchte Pronomina wie<br />

quis, quid wer, was nemo niemand<br />

- Quantitäts- und Ortsadverbien wie:<br />

satis genug ubi (bes. terrarum) wo (in aller Welt)<br />

parum zu wenig quo wohin<br />

nimis zu viel<br />

- Ordnungszahlen<br />

- Komparative und Superlative<br />

Genitivus definitivus<br />

Ein Genitivus definitivus („Genitivus explicativus“, „Genetivus epexegeticus“) spezifiziert als Attribut<br />

einen allgemeinen Begriff. Er kann als Appostion, mit einem zusammengesetzten Substantiv oder<br />

mit nämlich übersetzt werden.<br />

Quamquam sensus abierit, tamen suis et propriis<br />

bonis laudis et gloriae mortui non carent.<br />

[Tusc.1,109]<br />

Simulatio amicitiae repugnat maxime; delet enim<br />

veritatem, sine qua nomen amicitiae valere non<br />

potest.<br />

[Lael.92]<br />

Obwohl das Wahrnehmungsvermögen verloren<br />

gegangen ist, besitzen die Toten dennoch ihre ganz<br />

individuellen Güter, nämlich Ruhm und Ehre.<br />

Heuchelei widerspricht der Freundschaft<br />

besonders; sie zerstört nämlich die Wahrhaftigkeit,<br />

ohne die der Begriff Freundschaft leer ist.<br />

• Erläuterte Wörter<br />

Besonders häufig werden genus und causa durch einen Genitivus definitivus erläutert, seltener<br />

vox, nomen und vocabulum. Statt des Genitivus definitivus kann meistens auch im Lateinischen,<br />

wie im Deutschen, die entsprechende Apposition stehen.<br />

Genitiv-Apposition<br />

Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Genitiv erläutert, die Apposition<br />

(Attribut).<br />

Quod oppidum Cenabum pons fluminis Ligeris<br />

contingebat, veritus ne noctu ex oppido<br />

profugerent, duas legiones in armis excubare iubet.<br />

[Gall.7,11]<br />

Weil eine Brücke über den Fluss Loire zur Stadt<br />

Cenabum führte, befahl Caesar aus Furcht, dass<br />

die Bewohner nachts aus der Stadt fliehen<br />

könnten, zwei Legionen unter Waffen Wache zu<br />

halten.<br />

Genitivus proprietatis<br />

Ein Genitivus proprietatis bezeichnet den Träger einer Eigentümlichkeit, Aufgabe, Pflicht oder<br />

55


Gewohnheit. Häufig wird er als Genitivus possessivus (im übertragenen Sinn) verstanden. Der<br />

Genitivus proprietatis ist immer Prädikatsteil und muss besonders frei übersetzt werden: consulis<br />

est – es ist die Aufgabe eines Konsuls.<br />

Tardi ingeni est rivulos consectari, fontes rerum<br />

non videre.<br />

[de orat.2,117]<br />

Es ist die Eigentümlichkeit eines trägen Geistes,<br />

Rinnsale zu verfolgen, aber die Quellen nicht zu<br />

sehen.<br />

Es zeugt von einem trägen Geist …<br />

• Possessivpronomen statt Personalpronomen in der 1. und 2. Person<br />

Statt des Genitivs des Personalpronomens steht das Neutrum des Possessivpronomens:<br />

Fuit meum quidem iam pridem rem publicam Meine Rolle war es freilich schon lange, den Staat<br />

lugere.<br />

zu betrauern.<br />

[Att.12,28,2]<br />

Genitivus pretii<br />

Ein Genitivus pretii bezeichnet in den Formen pluris, minoris, tanti und quanti einen Geldwert oder<br />

in diesen und anderen Formen einen ideellen Wert. Dabei verwirklicht er einen Sinnträger oder ein<br />

Adverbiale.<br />

Sinnträger<br />

Mea mihi conscientia pluris est quam omnium<br />

sermo.<br />

[Att.12,28,2]<br />

Adverbiale<br />

Vendo meum non pluris quam ceteri, fortasse<br />

etiam minoris.<br />

[off.3,51]<br />

Mir ist mein Gewissen mehr wert als das Gerede<br />

von allen.<br />

Ich verkaufe meine Ware nicht teurer als die<br />

übrigen, vielleicht sogar billiger.<br />

• Geldwert im Genitivus oder Ablativus pretii?<br />

Ein Geldwert kann nur in den Formen pluris, minoris, tanti und quanti mit Genitivus pretii<br />

bezeichnet werden. Andere Geldwertangaben stehen im Ablativus pretii.<br />

• Erläuterte Wörter bei ideellem Wert<br />

Zur Bezeichnung eines ideellen Wertes steht der Genitivus pretii vor allem bei den Verben esse<br />

(wert sein),facere, aestimare, ducere und putare (schätzen/achten).<br />

Genitiv als Objekt<br />

Ein Genitiv kann als Objekt ein Verb inhaltlich ergänzen, allerdings ist dies – wie im Deutschen<br />

(Herr, erbarme dich unser) – nur nach wenigen Verben der Fall.<br />

Memini enim, memini neque umquam obliviscar<br />

noctis illius, cum tibi vigilanti vana quaedam miser<br />

atque inania pollicebar.<br />

[Planc.101]<br />

L. Flaccum tu accusas avaritiae, quem dicis<br />

sestertium viciens voluisse perdere?<br />

[Flacc.83]<br />

Quamquam mihi inimicus subito exstitisti, tamen<br />

me tui miseret, quod tibi invideris.<br />

[Phil.2,90]<br />

56<br />

Ich erinnere mich nämlich, ich erinnere mich und<br />

werde niemals jene Nacht vergessen, als ich dir,<br />

während du wachtest, unglücklich einige völlig<br />

nichtige Dinge versprach.<br />

Den L. Flaccus beschuldigst du der Habgier, von<br />

dem du sagst, er habe zwei Millionen Sesterzen<br />

vergeuden wollen?<br />

Obwohl du plötzlich mein Feind geworden bist, tust<br />

du mir doch leid, weil du dir selbst im Weg stehst.


Una in domo omnes, quorum intererat, totum<br />

imperium populi Romani nundinabantur.<br />

[Phil.3,10]<br />

In einem Palast konnten alle, die Interesse daran<br />

hatten, das ganze Reich des römischen Volkes<br />

erschachern.<br />

• Erläuterte Wörter („Verben mit Genitivobjekt“)<br />

- Verben des Erinnerns und Vergessens:<br />

meminisse, reminisci sich erinnern sächliches Objekt auch im Akk. möglich<br />

oblivisci vergessen sächliches Objekt auch im Akk. möglich<br />

commonefacere erinnern sächliches Objekt auch mit de möglich<br />

- Verben der Gerichtssprache („Genitivus criminis“)<br />

accusare, arguere anklagen<br />

damnare verurteilen<br />

absolvere freisprechen<br />

- unpersönliche Verben des Empfindens<br />

piget es verdrießt<br />

pudet es beschämt<br />

paenitet es reut<br />

taedet es ekelt<br />

miseret es erbarmt<br />

- interest und refert<br />

• Erläuterungen zu interest und refert<br />

Die interessierte Person steht im Genitiv oder, wo im Deutschen Personalpronomen erscheint, im<br />

Ablativ Singular Femininum des Possessivpronomens (mea, tua, sua, nostra, vestra, sua),<br />

enstanden aus mea refert:<br />

Vestra, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />

maxime interest, in magnis disquisitionibus vitam<br />

unius cuiusque esse testem.<br />

[Sull. 79]<br />

Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes Leben<br />

vorweisen könnt, ist dies besonders wichtig, dass<br />

bei wichtigen Untersuchungen das Leben eines<br />

jeden (Angeklagten) Zeugnis ablegt.<br />

Den Gegenstand des Interesses bezeichnet ein bloßer Infinitiv (bei logisch gleichem Subjekt),<br />

ein AcI (bei verschiedenem Subjekt), ein abhängiger Fragesatz oder ein neutrales Pronomen:<br />

Vestr?, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />

maxime interest, in magnis disquisitionibus<br />

vitam unius cuiusque esse testem.<br />

[Sull. 79]<br />

Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes Leben<br />

vorweisen könnt, ist dies besonders wichtig, dass<br />

bei wichtigen Untersuchungen das Leben eines<br />

jeden (Angeklagten) Zeugnis ablegt.<br />

Schließlich wird der Grad des Interesses durch ein Adverb oder Genitivus pretii ausgedrückt:<br />

Vestra, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />

maxime interest, in magnis disquisitionibus<br />

vitam unius cuiusque esse testem.<br />

[Sull. 79]<br />

57<br />

Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes<br />

Leben vorweisen könnt, ist dies besonders<br />

wichtig, dass bei wichtigen Untersuchungen das<br />

Leben eines jeden (Angeklagten) Zeugnis<br />

ablegt.<br />

Appositives Adverbiale im Genitiv<br />

Ein Appositives Adverbiale im Genitiv sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />

z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Genitiv, sondern<br />

auch das Prädikat. Es übt deshalb die syntaktische Funktion eines attributiven Adverbiales aus<br />

und wird meistens mit als übersetzt.


Edictum D. Bruti, imperatoris, consulis designati,<br />

propositum est.<br />

[Phil.3,37]<br />

58<br />

Ein Bescheid des Decimus Brutus als<br />

Ober-befehlshabers und designierten Konsuls ist<br />

vorgelegt worden. /<br />

Ein Bescheid des Decimus Brutus, des derzeitigen<br />

Oberbefehlshabers und designierten Konsuls, ist<br />

vorgelegt worden.


Das Substantiv im Dativ<br />

Anders als ein Substantiv im Genitiv übt ein Substantiv im Dativ überwiegend die syntaktische<br />

Funktion eines Objekts aus, indem es eine Person nennt, die von der Verbalhandlung betroffen ist<br />

(Marcus schenkt Paula ein Buch). Attribut kann es nur in Form einer Apposition sein. Als<br />

Adverbiale oder Sinnträger fungiert ein Substantiv im Dativ, wenn es einen Besitzer, Bevorteilten,<br />

Tätigen, Beteiligten, Interessierten oder Zweck anführt.<br />

Objekt<br />

Orgetorix Dumnorigi Haeduo filiam suam in<br />

matrimonium dat.<br />

Orgetorix gab dem Häduer Dumnorix seine<br />

Tochter zur Frau.<br />

[Gall.1,3,5]<br />

Sinnträger<br />

Nullus est aditus ad Nervios mercatoribus.<br />

Kein Zugang zu den Nerviern besteht für<br />

Kaufleute. [Gall.2,15,4]<br />

Adverbiale<br />

C. Caesari omnia belli vulnera sananda sunt.<br />

Von Gaius Caesar müssen alle Wunden des<br />

Krieges geheilt werden.<br />

[Marcell.24]<br />

Attributives Adverbiale<br />

Mihi consuli designato insidiatus es.<br />

Du hast mir als designiertem Konsul aufgelauert.<br />

[Cat.1,1]<br />

Dativ als Objekt<br />

Orgetorix<br />

Dumnorigi<br />

Haeduo<br />

filiam suam<br />

in matrimonium<br />

Nullus<br />

aditus ad Nervios<br />

C. Caesari<br />

dat.<br />

est<br />

mercatoribus.<br />

omnia belli vulnera sananda sunt.<br />

Mihi<br />

consuli designato insidiatus est.<br />

Ein Dativ als Objekt bezeichnet die Person(-en) oder Sache(-n), der sich das Subjekt (oder<br />

Binnensubjekt) widmet.<br />

Orgetorix civitati persuasit, ut de finibus suis cum<br />

omnibus copiis exirent.<br />

[Gall.1,2,1]<br />

Cum intellegeret omnes fere Gallos novis rebus<br />

studere, partiendum (esse) sibi ac latius<br />

distribuendum exercitum putavit.<br />

[Gall.3.10.3]<br />

59<br />

Orgetorix überredete seinen Stamm, mit allen<br />

Vorräten aus seinem Gebiet auszuwandern.<br />

Da er erkannte, dass sich fast alle Gallier um<br />

Umsturz bemühten, glaubte er das Heer teilen und<br />

weiter auseinander legen zu müssen.


• Wichtigste Lateinische Verben mit Dativobjekt, welchen deutsche Verben mit Akkusativoder<br />

Präpositionalobjekt entsprechen<br />

- studere Studeo litteris. Ich bemühe mich um literarische<br />

Bildung.<br />

- favere Favemus probis. Wir begünstigen die Rechtschaffenen.<br />

- maledicere Maledicitis inimicis. Ihr schmäht eure Feinde.<br />

- persuadere Persuade tibi me petere Gewinne die Überzeugung, dass ich<br />

praeturam!<br />

mich um die Prätur bewerbe!<br />

- parcere Virtutis est hostibus Es ist ein Zeichen von Stärke, wenn<br />

parcere.<br />

man die Feinde schont.<br />

- invidere Pauperes invident<br />

divitibus.<br />

Die Armen beneiden die Reichen.<br />

- nubere Paula nubet Marco. Paula heiratet Markus.<br />

- mederi Medicus morbo medetur. Der Arzt heilt die Krankheit.<br />

• Lateinische Verben mit Dativ- oder Akkusativobjekt<br />

mit Dativobjekt mit Akkusativobjekt<br />

- consulere sorgen für um Rat fragen<br />

- prospicere, providere sorgen für vorhersehen<br />

- timere besorgt sein für fürchten, sich fürchten vor<br />

-<br />

temperare<br />

Schranken setzen,<br />

schonen<br />

ordnen, leiten<br />

- cavere sorgen für sich hüten vor<br />

Dativus possessivus<br />

Ein Dativus possessivus bezeichnet als Sinnträger bei esse einen Besitzer im weitesten Sinn.<br />

Huic homini spes nulla salutis esset, si publicani,<br />

hoc est, si equites Romani iudicarent.<br />

[Verr.2,3,168]<br />

Ein solcher Mensch hätte keine Hoffnung auf<br />

Freispruch, wenn Steuerpächter, das heißt, wenn<br />

römische Ritter das Richteramt ausübten.<br />

• Unterschied zum Genitivus possessivus<br />

Der Dativus possessivus betont den Besitz, der Genitivus possessoris den Besitzer.<br />

Dativus commodi vel incommodi<br />

Ein Dativus commodi bezeichnet als Adverbiale eine Person oder Sache, zu deren Vorteil oder<br />

Nachteil etwas geschieht. Häufig erscheint er zusammen mit einem Dativus finalis (s. unten) als<br />

„Doppelter Dativ“.<br />

Non scholae, sed vitae discimus.<br />

Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen<br />

Mihi mehercle magnae curae est aedilitas tua.<br />

[fam.2,11,2]<br />

60<br />

wir.<br />

Mir ist, beim Herkules, dein Amt als Ädil sehr<br />

wichtig.<br />

• Scheinbarer Dativus commodi nach Verben der Fürsorge<br />

Nach den Verben consulere, prospicere, providere, parcere und temperare bezeichnet der Dativ<br />

zwar auch eine Person oder Sache, zu deren Vor- oder Nachteil etwas geschieht, aber dies ist -<br />

wie im Fall des sogenannten "Ablativ der Trennung" - bei diesen Verben ausschließlich durch ihre<br />

Bedeutung und nicht durch eine eigene semantische Funktion des Dativs bedingt. Solche<br />

Ergänzungen üben die syntaktische Funktion eines Objekts aus:


M. Marcellus non solum sociis in eo bello<br />

consuluit, verum etiam superatis hostibus<br />

temperavit.<br />

[Verr.2,2,4]<br />

Marcus Marcellus sorgte in diesem Krieg nicht nur<br />

für die Bundesgenossen, sondern schonte auch die<br />

besiegten Feinde.<br />

Dativus finalis<br />

Der Zweck einer Handlung kann im Deutschen in vielfacher Weise formuliert werden: durch einen<br />

damit-Satz, einen um-zu-Infinitiv oder eine Präposition mit Substantiv. Im Lateinischen kann dies<br />

ein einfaches Substantiv im Dativ:<br />

Adverbiale<br />

Labienus quinque cohortes, quas minime firmas ad<br />

dimicandum esse existimabat, castris praesidio<br />

relinquit.<br />

[Gall.7,60,2]<br />

Labienus ließ fünf Kohorten, von denen er glaubte,<br />

dass sie nicht stark genug für einen Kampf seien,<br />

dem Lager zur Bewachung zurück.<br />

Neben esse bezeichnet dieser Dativ eine Wirkung, wobei eine solche Kombination stets frei<br />

übersetzt werden muss:<br />

Sinnträger<br />

Omnibus Verres ceteris Siculis odio est, ab<br />

Mamertinis solis amatur.<br />

[Verr. 2,4,15]<br />

Allen übrigen Bewohnern Siziliens ist Verres<br />

verhasst, nur von den Mamertinern wird ihm<br />

Sympathie entgegen gebracht.<br />

• Doppelter Dativ<br />

Der Dativus finalis steht häufig zusammen mit einem Dativus commodi. Man nennt diese<br />

Verbindung „doppelten Dativ“. Dabei kann esse mit gereichen oder dienen übersetzt werden,<br />

schöner ist jedoch meistens eine freie Übersetzung.<br />

Wendungen mit doppeltem Dativ<br />

alicui cordi esse jdm. am Herzen liegen a. invidiae esse von jdm. beneidet werden<br />

a. crimini dare jdm. zum Vorwurf machen a. laudi vertere als lobenswert anrechnen<br />

a. curae esse sich um etwas kümmern a. odio esse von jdm. gehasst werden<br />

a. detrimento esse jdm. schaden a. vitio dare jdm. als Fehler anrechnen<br />

a. honori esse jdm. Ehre bringen a. usui esse jdm. nützen<br />

a. ignaviae tribuere jdm. als Feigheit auslegen<br />

Dativus auctoris<br />

Ein Dativus auctoris kann statt ab mit Ablativ eine tätige Person bei einer passivischen<br />

Prädikatshandlung, besonders beim Gerundivum der Notwendigkeit, bezeichnen. Er gilt als<br />

Adverbiale.<br />

Erit verendum mihi, ne non hoc potius omnes boni<br />

serius a me quam quisquam crudelius factum esse<br />

dicat.<br />

[Cat.1,5]<br />

Si quid in hac causa mihi susceptum est, Quirites,<br />

id ego omne me rei publicae causa suscepisse<br />

confirmo.<br />

[Manil.71]<br />

61<br />

Ich werde fürchten müssen, dass eher<br />

irgendjemand sagt, dies (die Anordnung der<br />

Todesstrafe) sei von mir zu grausam getan worden,<br />

als dass alle Guten sagen, dies sei zu spät getan<br />

worden.<br />

Wenn in dieser Angelegenheit irgendetwas von mir<br />

unternommen wurde, ihr Römer, versichere ich,<br />

dass ich dies alles nur um des Staates willen<br />

unternommen habe.


• Dativus auctoris bei videri und probari zur Bezeichnung einer betroffenen Person<br />

Bei videri und probari bezeichnet der Dativus auctoris eher eine betroffene als eine handelnde<br />

Person.<br />

Legio Martia mihi videtur divinitus ab eo deo<br />

traxisse nomen, a quo populum Romanum<br />

generatum accepimus.<br />

[Phil.4,5]<br />

Mihi egregie probata est oratio tua.<br />

[Tusc.4,8]<br />

Die Mars-Legion scheint mir durch göttliche<br />

Vorsehung von diesem Gott ihren Namen bezogen<br />

zu haben, von dem das römische Volk der<br />

Überlieferung nach gezeugt wurde.<br />

(Eig: Von mir wird die Mars-Legion so gesehen,<br />

dass sie … )<br />

Mir gefiel deine Rede sehr gut.<br />

(Eig. Von mir wurde deine Rede voll und ganz gut<br />

geheißen.)<br />

Dativus ethicus<br />

Ein Dativus ethicus bezeichnet man im Lateinischen wie im Deutschen den Dativ des<br />

Personalpronomens der 1. oder 2. Person zur Bezeichnung innerer Anteilnahme (Komm mir ja<br />

nicht zu spät!). Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Tu mihi M. Antoni exemplo Verris audaciam<br />

defendis?<br />

[Verr.2,3,213]<br />

Du verteidigst mir die Unverschämtheit des Verres<br />

mit dem Vorbild des Markus Antonius?<br />

Appositives Adverbiale im Dativ<br />

Ein Appositives Adverbiale im Dativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch, z.B.<br />

durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Dativ, sondern auch das<br />

Prädikat. Deshalb verwirklicht es ein attributives Adverbiale und wird meistens mit als übersetzt.<br />

Quamdiu mihi consuli designato, Catilina,<br />

insidiatus es, me privata diligentia defendi.<br />

[Cat.1,15]<br />

Immer wenn du, Catilina, mir als designiertem<br />

Konsul nachgestellt hast, habe ich mich durch<br />

private Schutzmaßnahmen verteidigt.<br />

(Cicero war nur ein halbes Jahr lang designierter<br />

Konsul.)<br />

Dativ-Apposition<br />

Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Dativ erläutert, die Apposition.<br />

T. Labienum legatum in Treveros, qui proximi<br />

flumini Rheno sunt, cum equitatu mittit.<br />

[Gall.3,11]<br />

62<br />

Er schickte seinen Legaten Titus Labienus mit der<br />

Reiterei zu den Treverern, die unmittelbar am<br />

Rhein wohnen.


Das Substantiv im Akkusativ<br />

Ein Substantiv im Akkusativ dient meistens als Objekt (arborem videre). Dabei ist die Verbindung<br />

zwischen Verb und Substantiv so eng, dass ein Verb mit Akkusativobjekt als transitives Verb<br />

bezeichnet wird, was bedeutet, dass die Satzhandlung vom Subjekt über das Prädikat auf das<br />

Objekt ‚übergeht’. Ein Gleichsetzungsakkusativ (aliquem consulem creare) fungiert als Sinnträger.<br />

Weniger häufig tritt ein Substantiv im Akkusativ als Adverbiale zur Bezeichnung einer Richtung<br />

oder einer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung auf (Romam ire).<br />

Objekt<br />

Belgae cum Germanis continenter bellum gerunt.<br />

Die Belger führen gegen die Germanen<br />

ununterbrochen Krieg.<br />

[Gall.1,7,2]<br />

Sinnträger<br />

Ex nobis natos liberos appellamus.<br />

Wir nennen unsere Kinder liberi. [nat.deor.2,62]<br />

Adverbiale<br />

Annos iam triginta in foro versaris.<br />

Du bist schon 30 Jahre lang auf dem Forum<br />

tätig.<br />

[Flacc.70]<br />

Attribut<br />

Bellovaci se suaque omnia in oppidum<br />

Bratuspantium contulerunt.<br />

Die Bellovaker hatten sich und ihr Hab und Gut<br />

in die Stadt Bratuspantium gebracht.<br />

[Gall.1,13,2]<br />

63<br />

Akkusativ als Objekt<br />

Belgae<br />

cum Germanis<br />

continenter<br />

bellum<br />

gerunt.<br />

Ex nobis natos liberos<br />

appellamus.<br />

Annos iam triginta<br />

in foro versaris.<br />

Bellovaci<br />

se suaque omnia<br />

in oppidum<br />

Bratuspantium<br />

contulerunt.<br />

Wie im Deutschen üben Substantive im Akkusativ meistens die Funktion eines Objekts aus, indem<br />

sie erläutern, auf wen oder was sich die Verbalhandlung bezieht. Im Lateinischen kann man<br />

zwischen äußerem und innerem Objekt unterscheiden: Ein äußeres Objekt ist semantisch völlig<br />

unabhängig vom ergänzten Verb, ein inneres Objekt dagegen verstärkt oder spezifiziert die


Bedeutung des Verbs (pugnam pugnare, stadium currere). Es kann bei transitiven und<br />

intransitiven Verben stehen.<br />

äußeres Objekt:<br />

Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet?<br />

[Cat.1,1]<br />

inneres Objekt:<br />

Ego vestros patres, tu Scipio tuque C. Laeli,<br />

vivere arbitror, et eam quidem vitam, quae est<br />

sola vita nominanda.<br />

[Cato 77]<br />

Wie lange noch wird uns dieser dein Wahnsinn<br />

verspotten?<br />

Ich glaube, mein Scipio und du, mein Gaius<br />

Laelius, dass eure Väter noch leben, und zwar<br />

das Leben, das allein die Bezeichnung „Leben“<br />

verdient.<br />

• Lateinische Verben mit Akkusativobjekt der Person, welchen deutsche Verben mit Dativ-<br />

oder Präpositionalobjekt entsprechen<br />

- iubere Caesar milites iussit<br />

pontem facere.<br />

Caesar befahl den Soldaten, eine Brücke<br />

zu bauen.<br />

- vetare Veto te scribere. Ich verbiete dir zu schreiben.<br />

- adiuvare Adiuvamus vos. Wir helfen euch.<br />

- deficere Pecunia me deficit. Mir geht das Geld aus.<br />

- sequi Sequere me! Folge mir!<br />

- ulcisci Ulciscimini hostes. Ihr rächt euch an den Feinden.<br />

- fugit, fallit, praeterit, iuvat,<br />

decet, dedecet<br />

64<br />

Neminem vestrum fugit,<br />

quam pestiferum sit<br />

bellum.<br />

Niemandem von euch ist unbekannt, wie<br />

unheilvoll der Krieg ist.<br />

• Akkusativ der Person und Akkusativ der Sache ("doppelter Akkusativ")<br />

Zwei Akkusative in Abhängigkeit von einem Verb können als Objekt der Person und Objekt der<br />

Sache bzw. des Gewässers stehen.<br />

Caesar flumen Axonam exercitum traducere<br />

maturavit.<br />

[Gall.2,5,4]<br />

Erläuterte Wörter:<br />

Caesar setzte sein Heer eilig über die Aisne.<br />

- docere aliquem aliquid jdn. ein Handwerk lehren<br />

- celare aliquem aliquid etwas vor jdm.<br />

Akkusativ der Sache nur bei Pronomen<br />

verheimlichen<br />

im Neutrum, sonst de aliqua re.<br />

- poscere / flagitare aliquem von jdm. etwas verlangen<br />

aliquid<br />

- rogare / interrogare jdn. nach etwas fragen Akkusativ der Sache nur bei Pronomen<br />

aliquem aliquid<br />

im Neutrum, sonst de aliqua re.<br />

- traducere / traicere / trans- jdn. über einen Fluss<br />

portare aliquem aliquod<br />

flumen<br />

führen<br />

• Formen des Akkusativs als inneren Objekts<br />

Ein Akkusativ als inneres Objekt kann transitive und intransitive Verben ergänzen. Dabei lassen<br />

sich drei verschiedene Formen unterscheiden: Erstens steht er als „Figura etymologica“ bei<br />

Verben des gleichen Lexemfeldes (pugnam pugnare – einen Kampf kämpfen). Zweitens<br />

bezeichnet er eine besondere Erscheinungsform der Verbalhandlung (sanguinem sitire – nach Blut<br />

dürsten). Drittens besteht er im Akkusativ Neutrum eines Pronomens, wobei dieses eine<br />

nachfolgende Erklärung vorbereitet (id studere, ut). Wenn ein solches Pronomen bei einem<br />

transitiven Verb steht, können äußeres und inneres Objekt zusammentreffen (aliquem hoc monere,


ut).<br />

Figura etymologica:<br />

Zenonis sententiae sunt: solos sapientes esse, si<br />

mendicissimi, divites, si servitutem serviant,<br />

reges.<br />

[Manil.61]<br />

Besondere Erscheinungsform der Verbalhandlung:<br />

Qui stadium currit, eniti et contendere debet quam<br />

maxime possit, ut vincat.<br />

[off.3,42]<br />

Neutrum eines Pronomens:<br />

Eos hoc moneo, desinant furere ac proscriptiones<br />

et dictaturas cogitare<br />

[Cat.2,20]<br />

Zu Zenons Weisheiten gehört: Nur Weise seien,<br />

auch wenn sie bettelarm sind, reich, auch wenn sie<br />

in Sklavenschaft leben, Könige.<br />

Wer ein Rennen über die Distanz eines Stadions<br />

läuft, muss sich mit ganzer Kraft anstrengen, damit<br />

er siegt.<br />

Diese Leute ermahne ich dazu, aufzuhören im<br />

Wahnsinn zu verharren und über Proskriptionen<br />

und Diktaturen nachzudenken.<br />

Gleichsetzungsakkusativ ("doppelter Akkusativ")<br />

Ein Gleichsetzungsakkusativ gibt an, womit ein anderes Nomen im Akkusativ gleichgesetzt wird.<br />

Dabei ist der Gleichsetzungsakkusativ für das ergänzte Verb so bedeutungsvoll, dass er als<br />

Sinnträger gilt. Manche Verben treten nur mit Objekt und Gleichsetzungsakkusativ auf (declarare),<br />

andere erhalten durch den Gleichsetzungsakkusativ eine andere Bedeutung (putare mit AcI –<br />

glauben, putare mit doppeltem Akkusativ – halten für). Die Kombination von Objekt und<br />

Gleichsetzungsakkusativ nennt man "doppelten Akkusativ". Bei passivem Prädikat wird der<br />

Gleichsetzungsakkusativ zu einem Gleichsetzungsnominativ.<br />

Me cuncta Italia, me omnes ordines, me universa<br />

civitas priorem consulem declaravit.<br />

[Pis.3]<br />

• Durch Gleichsetzungsakkusativ ergänzte Verben<br />

mit Gleichsetzungsakkusativ<br />

- nennen:<br />

dicere, appellare, nominare,<br />

vocare<br />

- halten für:<br />

ducere, existimare, iudicare,<br />

putare<br />

- wählen zu/als:<br />

creare, deligere<br />

- machen zu:<br />

facere, efficere, reddere<br />

- sich zeigen als:<br />

se praebere, se praestare<br />

- haben als:<br />

habere<br />

65<br />

Marcum te vocamus.<br />

Wir nennen dich Markus.<br />

Stultum me putas.<br />

Du hältst mich für dumm.<br />

Mich hat ganz Italien, mich haben alle Stände, mich<br />

hat die ganze Bürgerschaft zum ersten Konsul<br />

ausgerufen.<br />

Populus Ciceronem consulem<br />

creavit.<br />

Das Volk hat Cicero zum<br />

Konsul gewählt.<br />

Facitis me tristem<br />

Ihr macht mich traurig<br />

Fortem te praestiti<br />

Du hast dich tapfer gezeigt.<br />

Habeo te amicum.<br />

Ich habe dich als Freund.<br />

andere Konstruktion<br />

Marcum vocamus.<br />

Wir rufen Markus.<br />

Putatis deos esse.<br />

Ihr glaubt, dass es Götter gibt.<br />

Natura multas re creat.<br />

Die Natur bringt viele Dinge<br />

hervor.<br />

Facitis pontem.<br />

Ihr baut eine Brücke.<br />

Praebent nobis aquam.<br />

Sie geben uns Wasser.<br />

Habeo amicum.<br />

Ich habe einen Freund.


Akkusativ der Richtung<br />

Ein Akkusativ der Richtung nennt nach Verben der Bewegung das Ziel. Er steht nur bei den<br />

Namen von Städten und kleinen Inseln ohne Präposition.<br />

Tu mihi M. Regulum commemoras, qui redire ipse<br />

Carthaginem sua voluntate quam Romae manere<br />

maluerit.<br />

[Sest.127]<br />

Du erwähnst mir Markus Regulus, der selbst lieber<br />

nach Karthago zurückkehren als in Rom bleiben<br />

wollte.<br />

Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung<br />

Ein Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung gibt Antwort auf die Frage „Wie hoch?“,<br />

„Wie tief?“, „Wie lang?“ oder „Wie breit?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder ein Attribut.<br />

Adverbiale<br />

Mithridates annum iam tertium et vicesimum<br />

regnat, et ita regnat, ut se non Ponti neque<br />

Cappadiciae latebris occultare velit.<br />

[Manil.7]<br />

Attribut<br />

Milites aggerem latum pedes trecentos triginta,<br />

altum pedes octoginta exstruxerunt.<br />

[Gall.7,24,1]<br />

Mithridates hat schon 22 Jahre lang die<br />

Königsherrschaft inne, und zwar so, dass er sich<br />

nicht in Schlupfwinkeln von Pontus oder<br />

Kappadokien verstecken will.<br />

Die Soldaten errichteten einen 330 Fuß breiten und<br />

80 Fuß hohen Belagerungsdamm.<br />

• Altersangabe nach natus im bloßen Akkusativ<br />

Auch eine Altersangabe nach natus steht im Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung,<br />

wobei der Akkusativ in diesem Fall genau genommen den Anfangspunkt eines Zeitraums<br />

bezeichnet.<br />

Cato annos quinque et octoginta natus excessit e<br />

vita.<br />

[Brut.80]<br />

Cato schied im Alter von 85 Jahres aus dem<br />

Leben.<br />

• Zeitliches vor<br />

Zeitliches vor kann durch die Präposition ante mit Akkusativ, das Adverb ante beim Ablativ<br />

(mensurae) oder das Adverb abhinc (heute vor) beim Akkusativ (der zeitlichen Erstreckung)<br />

wiedergegeben werden.<br />

Horum pater abhinc duo et viginti annos est Deren Vater starb vor 22 Jahren.<br />

mortuus.<br />

[Ver.2,2,25]<br />

Appositives Adverbiale im Akkusativ<br />

Ein appositives Adverbiale im Akkusativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />

z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Akkusativ, sondern<br />

auch das Prädikat. Es übt daher die syntaktische Funktion eines attributiven Adverbiales aus und<br />

wird meistens mit als übersetzt.<br />

Quotiens tu me designatum, quotiens consulem<br />

interficere conatus es?<br />

[Cat.1,15]<br />

66<br />

Wie oft hast du mich als designierten Konsul, wie<br />

oft als amtierenden zu töten versucht?


Akkusativ der Beziehung („Akkusativus Graecus“)<br />

Bei Dichtern und nachklassischen Autoren kann ein Akkusativ der Beziehung den Bereich<br />

eingrenzen, für den eine adjektivische Aussage gilt. Er fungiert dabei als Attribut.<br />

Cynthia forma potens; Cynthia verba levis.<br />

[Prop.2,5,28]<br />

Cynthia, beeindruckend hinsichtlich ihrer<br />

Schönheit, doch unzuverlässig hinsichtlich ihrer<br />

Aussagen.<br />

Akkusativ-Apposition<br />

Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Akkusativ erläutert, die<br />

Apposition (Attribut).<br />

Erat iter per Sequanos, angustum et difficile, inter<br />

montem Iuram et flumen Rhodanum.<br />

[Gall.1,6,1]<br />

67<br />

Es gab einen Weg durch das Gebiet der Sequaner,<br />

eng und schwierig, zwischen dem Juragebirge und<br />

der Rhone.


Das Substantiv im Ablativ<br />

In der indoeuropäischen Sprache gab es mehr als sechs Kasus. Der Formenbestand verringerte<br />

sich im Lateinischen dadurch, dass mehrere Funktionen im „Ablativ“ verschmolzen. Nur für<br />

Ortsbestimmungen haben sich teilweise noch eigene Formen des Lokativs erhalten (domi, humi,<br />

ruri, Romae usw.).<br />

Dem Vorteil des geringeren Formenbestands steht der Nachteil einer Vielzahl formal nicht<br />

unterscheidbarer semantischer Funktionen des Ablativs gegenüber.Anders verhält es sich, wenn<br />

eine Präposition vor dem Ablativ dessen Bedeutungsweite eingrenzt. Solche Ablative, die nur mit<br />

Präposition vorkommen (z.B. der Ablativus sociativus), begegnen jedoch nicht hier, sondern unter<br />

der entsprechenden Präposition im Kapitel „Die Präposition mit Nomen“.<br />

Ein Substantiv im präpositionslosen Ablativ kann – anders als Substantive in den anderen Kasus –<br />

nie wörtlich übersetzt werden, da es einen Ablativ im Deutschen nicht gibt. Deshalb ist es auch<br />

schwieriger, ein Ablativ-Objekt von einem Ablativ-Adverbiale zu unterscheiden, denn ein Ablativ-<br />

Objekt kann nicht in der gleichen Weise wie ein Akkusativ-, Dativ- oder Genitivobjekt erfragt<br />

werden.<br />

Ein Ablativ-Adverbiale liegt immer dann vor, wenn ein Substantiv im Ablativ das Prädikat in einer<br />

der Hinsichten erläutert, die bei der Beschreibung des Adverbiales in der Einführung genannt<br />

wurden. In diesen Fällen ist es sinnvoll, von einem Ablativus loci, temporis, modi usw. zu<br />

sprechen. Dagegen verwirklicht ein Substantiv im Ablativ ein Objekt, wenn es selbst keinen für ein<br />

Adverbiale charakteristischen Inhalt bezeichnet, sondern lediglich die Prädikatshandlung ergänzt<br />

(z.B. Munere fungitur - Er übt ein Amt aus. Curis vacant - Sie haben keine Sorgen). In der<br />

<strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden solche Ablative in Objektfunktion nicht zu semantischen Gruppen<br />

zusammengefasst (z.B. als "Abl. separativus"), da damit nicht die semantische Funktion der<br />

Ablative, sondern der Verben, von welchen sie abhängen, bezeichnet würde. In Zweifelsfällen<br />

orientiert sich die <strong>Wachstafelngrammatik</strong> auch an deutschen Äquivalenten (z.B. gilt der<br />

Gegenstand der Trennung nach wegnehmen, berauben usw. als Objekt).<br />

Adverbiale<br />

Helvetii telis repulsi sunt.<br />

Die Helvetier wurden mit Geschossen<br />

zurückgedrängt.<br />

[Gall.1,8,4]<br />

Sinnträger<br />

Rex Deiotarus est bono animo.<br />

König Deiotarus ist guten Mutes. [Deiot.38]<br />

Objekt<br />

Quo usque tandem abuteris patientia nostra?<br />

Wie lange denn noch missbrauchst du unsere<br />

Geduld?<br />

[Cat.1,1]<br />

68<br />

Helvetii<br />

telis repulsi sunt.<br />

Rex Deiotarus<br />

Quo usque tandem<br />

patientia nostra?<br />

est<br />

bono animo.<br />

abuteris


Attribut<br />

Carboni obtigit homo singulari inertia.<br />

Carbo erhielt einen Menschen von einzigartiger<br />

Faulheit.<br />

[Verr.2,1,34]<br />

Ablativus temporis<br />

Carboni<br />

homo<br />

singulari inertia<br />

obtigit<br />

Ein Ablativus temporis bezeichnet einen Zeitpunkt oder einen Zeitraum, indem er Antwort gibt auf<br />

die Frage „Wann?“, „In welchem Zeitraum?“ oder „Nach welchem Zeitraum?“. Er übt die<br />

syntaktische Funktion eines Adverbiales aus.<br />

Prima luce Considius equo admisso ad Caesarem Im Morgengrauen galoppierte Considius zu Caesar.<br />

accurrit.<br />

[Gall.1,22,1]<br />

Caesar ipse Tarraconem paucis diebus pervenit.<br />

[civ.2,21,4]<br />

Diebus decem omni opere effecto exercitus<br />

traducitur.<br />

[Gall.4,18,1]<br />

Caesar selbst gelangte in wenigen Tagen nach<br />

Tarragona.<br />

Nachdem die ganze Brücke nach 10 Tagen fertig<br />

gestellt war, wurde das Heer hinübergeführt.<br />

• Präposition "in" bei Substantiven, die eigentlich keine Zeitbezeichnungen sind?<br />

ohne Attribut: ja mit Attribut: nein<br />

in pueritia in der Kindheit prima pueritia in früher Kindheit<br />

in senectute im Alter summa senectute im hohen Alter<br />

in bello im Krieg bello Persarum im Perserkrieg<br />

Ablativus loci und Lokativ<br />

Ein Ablativus loci bezeichnet einen Aufenthaltsort, indem er Antwort gibt auf die Frage „Wo?“. Er<br />

steht - präpositionslos - bei den meisten Stadtnamen, locus und totus. Syntaktisch fungiert er als<br />

Adverbiale oder Sinnträger.<br />

Adverbiale<br />

Graeci homines deorum honores tribuunt eis viris,<br />

qui tyrannos necaverunt – quae ego vidi Athenis,<br />

quae in aliis urbibus Graeciae.<br />

[Mil.80]<br />

Quintus Titurius Sabinus cum tanta multitudine<br />

hostium nisi aequo loco aut opportunitate aliqua<br />

data legato dimicandum (esse) non existimabat.<br />

[Gall.3,17,7]<br />

Erat Menippus meo iudicio tot? Asi? illis<br />

temporibus disertissimus.<br />

[Brut.315]<br />

Sinnträger<br />

Malo vel cum timore domi esse quam sine timore<br />

Athenis tuis.<br />

[fam.4,7,4]<br />

69<br />

Die Griechen ehren diejenigen wie Götter, die<br />

Tyrannen ermordet haben – das habe ich in Athen<br />

und in anderen Städten Griechenlands gesehen.<br />

Quintus Titurius Sabinus glaubte, dass er gegen<br />

eine solche feindliche Übermacht nur an einem<br />

günstigen Ort oder bei einer günstigen Gelegenheit<br />

kämpfen dürfe.<br />

Menippus war meines Erachtens in ganz Asien<br />

damals der redekundigste.<br />

Ich will sogar mit Angst lieber zu Haue sein als<br />

ohne Furcht in deinem Athen.


• Lokativformen<br />

Bei den Namen von Städten und kleinen Inseln im Singular der a- und o-Deklination blieb im<br />

Lateinischen eine eigene Lokativform erhalten, die in beiden Deklinationen dem Genitiv gleicht<br />

(Romae – in Rom, Corinthi – in Korinth, Cypri – in Zypern). Ebenso blieb der Lokativ in den<br />

Formen domi (zu Hause), ruri (auf dem Land) und humi (auf dem Boden) erhalten.<br />

• Präposition in?<br />

ja nein<br />

in der Regel in folgenden<br />

Spezialfällen:<br />

– locus in der eigentlichen Bedeutung Ort<br />

– Substantive mit dem Attribut totus (tota urbe)<br />

– Namen von Städten und kleinen Inseln (Romae,<br />

Corinthi; Athenis)<br />

– Lokativformen domi, humi, ruri<br />

Ablativ des örtlichen Ausgangspunkts<br />

Ein Ablativ des örtlichen Ausgangspunkts bezeichnet den Ausgangsort einer Bewegung, indem er<br />

Antwort gibt auf die Frage „Von welchem Ort?“. Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Multi iam menses erant et hiems praecipitaverat<br />

neque Brundisio naves legionesque ad Caesarem<br />

veniebant.<br />

[civ.3,25,1]<br />

Cum Tullius rure redierit, mittam eum ad te.<br />

[fam.5,20,9]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

Verben der Bewegung, des Verlassens und Vertreibens wie:<br />

arcere abhalten<br />

cedere weichen<br />

currere eilen<br />

deicere, depellere vertreiben<br />

egredi, excedere verlassen<br />

ire gehen<br />

movere bewegen<br />

proficisci aufbrechen<br />

venire kommen<br />

Schon waren viele Monate vorüber und der Winter<br />

war zu Ende gegangen, aber aus Brindisi kamen<br />

keine Schiffe und Legionen zu Caesar.<br />

Wenn Tullius vom Land zurückgekehrt ist, werde<br />

ich ihn zu dir schicken.<br />

Der örtliche Ausgangspunkt wird meistens durch<br />

die Präposition ab oder ex bezeichnet. Keine<br />

Präposition steht bei Eigennamen von Städten<br />

und kleinen Inseln (Rom?, Del?) sowie bei domo<br />

und rure, wenn diese kein Attribut bei sich haben<br />

(daher: ex Rom? urbe).<br />

Ablativus instrumenti<br />

Ein Ablativus instrumenti bezeichnet ein Mittel im eigentlichen oder übertragenen Sinn, indem er<br />

Antwort gibt auf die Frage „Womit oder wodurch?“. Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Helvetii operis munitione et militum concursu et<br />

telis repulsi hoc conatu destiterunt.<br />

[Gall.1,8,4]<br />

Magnitudo periculi summo timore P. Quinctium<br />

afficit.<br />

[Quinct.6]<br />

70<br />

Die Helvetier ließen von diesem Versuch ab, weil<br />

sie durch die Verteidigungsanlage, durch die<br />

massierten Truppen und Geschosse<br />

zurückgetrieben wurden.<br />

Die Größe der Gefahr versetzt Publius Quinctius in<br />

größte Angst.<br />

• Personen im Ablativus instrumenti<br />

Personen können im - präpositionslosen - Ablativus instrumenti stehen, wenn sie nur als Mittel<br />

aufgefasst werden (Geißeln, Sklaven, Soldaten, Wächter usw.).


Caesar ea legione, quam secum habebat,<br />

militibusque, qui ex provincia convenerant, murum<br />

fossamque perducit.<br />

[Gall.1,8,1]<br />

Caesar ließ durch diese Legion, die er mit sich<br />

führte, und durch die Soldaten, die aus der Provinz<br />

zusammen gekommen waren, einen Erdwall und<br />

einen Graben ziehen.<br />

Ablativus pretii<br />

Ein Ablativus pretii bezeichnet einen absoluten oder relativen Geldwert, indem er Antwort gibt auf<br />

die Frage „Wie teuer?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder einen Sinnträger.<br />

Adverbiale<br />

Ii, qui ab hoste obsidentur, emere aquae sextarium<br />

coguntur min?.<br />

[off.2,56]<br />

Caelius conduxit in Palatino non magno domum.<br />

[Cael.18]<br />

Sinnträger<br />

Modius fuit sestertiis duobus.<br />

[Verr.2,3,174]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Verben des Kaufens und Verkaufens wie:<br />

emere kaufen<br />

vendere verkaufen<br />

venire verkauft werden<br />

conducere mieten<br />

– esse, constare kosten<br />

Diejenigen, die vom Feind belagert werden, werden<br />

gezwungen, einen halben Liter Wasser für eine<br />

Mine (griechische Geldeinheit) zu kaufen.<br />

Caelius hat sich auf dem Palatin günstig ein Haus<br />

gemietet.<br />

Ein Scheffel kostete zwei Sesterzen.<br />

• Geldwert im Ablativus oder Genitivus pretii<br />

Zum Unterschied zwischen Ablativus und Genitivus pretii s. "Geldwert im Genitivus oder Ablativus<br />

pretii?".<br />

Ablativus mensurae<br />

Ein Ablativus mensurae bezeichnet ein Maß, indem er Antwort gibt auf die Frage „Um wie viel?“.<br />

Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Qua ex parte est Hibernia insula, dimidio minor, ut<br />

existimatur, quam Britannia.<br />

[Gall.5,13,2]<br />

Omnes sensus hominum multo antecellunt<br />

sensibus bestiarum.<br />

[nat.deor.2,145]<br />

Castra Cleopatrae non longo spatio a Ptolemaei<br />

castris distabant.<br />

[civ.3,103,2]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Adjektive und Adverbien im Komparativ<br />

– Verben mit komparativischer Bedeutung wie:<br />

praestare, superare, antecedere übertreffen<br />

71<br />

Auf dieser Seite liegt Irland, um die Häjfte kleiner,<br />

wie man annimmt, als Britannien.<br />

Alle Sinne der Menschen übertreffen weit die Sinne<br />

der Tiere.<br />

Das Lager Kleopatras war nur ein kurzes Stück von<br />

dem des Ptolemäus entfernt.


– Verben des räumlichen und zeitlichen Abstands wie:<br />

abesse, distare entfernt sein<br />

Ablativus respectus<br />

Ein Ablativus respectus („Ablativus limitationis“) bezeichnet einen Aspekt, indem er Antwort gibt<br />

auf die Frage „In welcher Hinsicht?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder ein Attribut.<br />

Adverbiale<br />

Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt, quod<br />

fere cotidianis proeliis cum Germanis contendunt.<br />

[Gall.1,4]<br />

Attribut<br />

Q. Maximum colere coepi non admodum grandem<br />

natu, sed tamen iam aetate provectum.<br />

[Cato 10]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Verben des Übertreffenns und Beurteilens wie:<br />

excellere, vincere übertreffen<br />

aequare, adaequare gleichkommen<br />

metiri bemessen<br />

iudicare, aestimare beurteilen<br />

– Adjektive und Partizipien<br />

Die Helvetier überragen die übrigen Gallier<br />

hinsichtlich ihrer Tapferkeit, weil sie fast täglich<br />

gegen die Germanen kämpfen.<br />

Ich begann Quintus Maximus nicht als ganz<br />

Hochbetagten zu verehren, aber doch schon im<br />

vorgerückten Alter.<br />

Ablativus modi<br />

Ein Ablativus modi bezeichnet die Art und Weise einer Handlung, indem er Antwort gibt auf die<br />

Frage „Wie?“. Er kann wörtlich oder mit Adverb übersetzt werden und verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Haec omnia summa cura et diligentia recognita et<br />

collata et ab hominibus honestissimis obsignata<br />

sunt.<br />

[Verr.2,2,190]<br />

Deinde L. Flaccus et C. Pomptinus praetores, quod<br />

eorum opera forti fidelique usus essem, merito et<br />

iure laudantur.<br />

[Cat.3,14]<br />

72<br />

All das wurde mit größter Sorgfalt und<br />

Gewissenhaftigkeit geprüft, verglichen und von<br />

sehr ehrenwerten Menschen versiegelt.<br />

Dann wurden die Prätoren Lucius Flaccus und<br />

Gaius Pomptinus ganz zu Recht gelobt, weil ich<br />

mich auf ihre mutige und zuverlässige Mitarbeit<br />

habe verlassen können.


• Präposition cum?<br />

nein bei folgenden Substantiven: möglich bei Substantiv mit<br />

Attribut<br />

iure zu Recht<br />

dolo listig<br />

casu zufällig<br />

sponte freiwillig<br />

silentio in der Stille<br />

vi gewaltsam<br />

iniuria zu Unrecht<br />

fraude betrügerisch<br />

voluntate willentlich<br />

specie unter dem Schein<br />

z.B. maximo gaudio oder<br />

maximo cum gaudio<br />

Ablativ der begleitenden Umstände<br />

ja bei Substantiv ohne Attribut<br />

z.B. cum sapientia<br />

Ein Ablativ der begleitenden Umstände bezeichnet als Adverbiale die Umstände, unter denen eine<br />

Handlung stattfindet. Er steht meistens mit Attribut und häufig mit cum.<br />

Hisce ominibus, Catilina, cum summa rei<br />

publicae salute, cum tua peste ac pernicie,<br />

proficiscere ad impium bellum!<br />

[Cat.1,33]<br />

Unter diesen Vorzeichen, Catilina, zieh aus in den<br />

verbrecherischen Krieg zum höchsten Wohl des<br />

Staates und zu deinem Unglück und Verderben.<br />

Ablativus causae<br />

Ein Ablativus causae bezeichnet einen Grund, indem er Antwort gibt auf die Frage „Warum?" oder<br />

"Worüber?". Der Grund kann ein innerer Beweggrund oder eine äußere Veranlassung sein.<br />

Syntaktisch übernimmt er meistens die Funktion eines Adverbiales, nach Verben der<br />

Gemütsbewegung (z.B. gaudere, dolere) aber - ebenso wie ein quod-Satz - die Funktion eines<br />

Objekts.<br />

Hoc se colle Galli fiducia loci continebant. Auf diesem Hügel hielten sich die Gallier im<br />

[Gall.7,19,2]<br />

His nuntiis litterisque commotus Caesar duas<br />

legiones in citeriore Gallia novas conscripsit.<br />

[Gall.2,1]<br />

Vertrauen auf den Ortsvorteil auf.<br />

Aufgrund dieser Nachrichten und Briefe ließ<br />

Caesar in Gallia citerior zwei neue Legionen<br />

ausheben..<br />

• Erläutertes Partizip Perfekt Passiv bleibt unübersetzt<br />

Häufig erläutert ein Ablativus causae formal ein Partizip Perfekt Passiv (motus, adductus, territus).<br />

Da es meistens weitgehend inhaltsleer ist, kann es gewöhnlich unübersetzt bleiben.<br />

Multo denique die per exploratores Caesar<br />

cognovit Considium timore perterritum, quod non<br />

vidisset, pro viso sibi renuntiasse.<br />

[Gall.1,22,4]<br />

73<br />

Schließlich erfuhr Caesar, als der Tag angebrochen<br />

war, durch Kundschafter, dass ihm Considius aus<br />

Angst als Gesehenes gemeldet habe, was er<br />

überhaupt nicht gesehen hatte.<br />

Appositives Adverbiale im Ablativ<br />

Ein Appositives Adverbiale im Ablativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />

z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Ablativ, sondern<br />

auch das Prädikat. Deshalb verwirklicht es ein attributives Adverbiale und wird meistens mit als<br />

übersetzt.


Qui nesciat te pridie Kalendas Ianuarias Lepido et<br />

Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo?<br />

[Cat.15]<br />

Wer wüsste nicht, dass du im Konsulatsjahr des<br />

Lepidus und Tullus am Tag vor den Kalenden des<br />

Januar mit einer Waffe auf dem Komitium<br />

gestanden hast?<br />

Ablativus qualitatis<br />

Ein Ablativus qualitatis bezeichnet, stets zusammen mit einem Adjektiv-Attribut, eine Eigenschaft,<br />

indem er Antwort gibt auf die Frage „Von welcher Beschaffenheit?“. Er verwirklicht ein Attribut oder<br />

einen Sinnträger.<br />

Attribut<br />

Mnesarchus hos, quos nos oratores vocaremus,<br />

nihil esse dicebat nisi quosdam operarios lingu?<br />

celeri et exercitat?.<br />

[de orat.1,83]<br />

Sinnträger<br />

Lacedaemonius quidam, cum ad mortem duceretur,<br />

fuit vultu hilari atque laeto.<br />

[Tusc.1,100]<br />

Mnesarchus sagte, dass diejenigen, die wir Redner<br />

nennen würden, nichts als eine Art Handwerker mit<br />

schneller und geübter Zunge seien.<br />

Ein gewisser Spartaner war, obwohl er zur<br />

Hinrichtung gebracht wurde, heiter und fröhlich.<br />

• Eigenschaft im Ablativus und Genitivus qualitatis<br />

Zum Unterschied zwischen Ablativus und Genitivus s. "Eigenschaft im Genitivus oder Ablativus<br />

qualitatis?".<br />

Ablativus comparationis<br />

Ein Ablativus comparationis bezeichnet auf die Frage "Als wer oderwas?" eine Vergleichsgröße. Er<br />

steht als Attribut zu Adjektiven im Komparativ. Seine Bedeutung entspricht der von quam nach<br />

Komparativ (als).<br />

Nihil est virtute amabilius.<br />

Nichts ist liebenswerter als die Tugend.<br />

[Lael.28]<br />

Ablativ als Objekt<br />

Die Objekt-Funktion eines Ablativs ist deutlich schwerer zu erkennen als die eines Akkusativs,<br />

Dativs oder Genitivs. Dies liegt nicht nur daran, dass es den Ablativ im Deutschen nicht gibt (s.<br />

Einleitung zum Ablativ), sondern auch daran, dass selbst das deutsche Äquivalent (häufig eine<br />

Präposition mit Nomen) nicht immer eindeutig als Prädikatsergänzung oder Umstandbestimmung<br />

bestimmt werden kann. Für die Übersetzung sind solche Zweifelsfälle jedoch unerheblich.<br />

Orgetorix: Perfacile esse, cum virtute omnibus<br />

praestarent, totius Galliae imperio potiri.<br />

[Gall.1,2,2]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Deponentien:<br />

uti gebrauchen<br />

frui genießen<br />

fungi ausüben<br />

vesci sich ernähren<br />

potiri sich bemächtigen<br />

74<br />

Orgetorix sagte: Es sei sehr leicht sich der<br />

Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen, da<br />

sie an Tapferkeit alle überträfen.


– afficere<br />

Deutschen transitiven Verben entspricht häufig eine lateinische Umschreibung mit afficere<br />

aliquem aliqua re:<br />

afficere aliquem poena jdn. bestrafen<br />

afficere aliquem exilio jdn. verbannen<br />

afficere aliquem supplicio jdn hinrichten<br />

– Verben des Vollseins und Anfüllens ("Abl. copiae"):<br />

abundare<br />

augere<br />

complere, explere<br />

onerare<br />

Überfluss haben an<br />

überhäufen mit<br />

anfüllen<br />

beladen mit<br />

Der Grenze zwischen (inhaltsleerem) Objekt und<br />

(instrumentalem) Adverbiale ist in diesem Fall<br />

besonders unscharf.<br />

– Verben des Nichthabens, Trennens und Beraubens ("Abl. separativus"):<br />

carere nicht haben<br />

egere nötig haben<br />

se abdicare ein Amt niederlagen<br />

exuere, spoliare, berauben<br />

Eine Präposition muss stehen, wenn der Ablativ<br />

privare, orbare<br />

eine Person bezeichnet, und kann stehen, wenn<br />

desistere ablassen<br />

der Ablativ eine Sache bezeichnet. Immer steht<br />

levare erleichtern um<br />

die Präposition bei den mit dis- und se-<br />

liberare befreien<br />

zusammengesetzten Komposita.<br />

nudare entblößen<br />

solvere lösen<br />

vacare frei sein<br />

– nasci und die Partizipien natus und ortus ("Abl. originis"):<br />

Parente P. Sestius natus est, iudices, homine et<br />

sapiente et sancto et severo.<br />

[Sest.6]<br />

Archias Antiochiae natus est loco nobili.<br />

[Arch.4]<br />

Von einem weisen, erhabenen und strengen Mann,<br />

ihr Richter, als Vater stammt Publius Sestius.<br />

Archias stammt aus Antiochien von einer<br />

vornehmen Familie..<br />

Ablativ-Apposition<br />

Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Ablativ erläutert, die Apposition<br />

(Attribut).<br />

Undique loci natura Helvetii continentur: una ex<br />

parte flumine Rheno latissimo atque altissimo,<br />

altera ex parte monte Iura altissimo, terti? lacu<br />

Lemanno et flumine Rhodano.<br />

[Gall.1,2,3]<br />

Von allen Seiten werden die Helvetier durch die<br />

Lage ihres Wohnsitzes eingeengt: auf der einen<br />

Seite durch den sehr breiten und tiefen Rhein, auf<br />

der anderen Seite durch das sehr hohe<br />

Jura-Gebirge und auf der dritten Seite durch den<br />

Genfer See und die Rhone.<br />

Ablativ der Adjektiverläuterung<br />

Bei Adjektiven der Fülle und des Mangels kann ein Substantiv im Ablativ als Attribut stehen.<br />

Animus perturbationibus vacuus homines beatos<br />

efficit.<br />

[Tusc.4,38]<br />

75<br />

Ein von Leidenschaften freier Geist macht die<br />

Menschen glücklich.


• Erläuterte Wörter<br />

– Adjektiven der Fülle und des Mangels wie:<br />

plenus/a/um voll<br />

dignus/a/um würdig<br />

vacuus/a/um leer<br />

liber/era/erum frei<br />

nudus/a/um entblößt<br />

inanis/e leer<br />

orbus/a/um beraubt<br />

inops arm an<br />

76<br />

Wenn der Ablativ eine Person nennt, steht die<br />

Präposition ab, wenn er eine Sache nennt, steht<br />

entweder der bloße Ablativ oder ab/ex.


Das lateinische und das deutsche Adjektiv gleichen sich in ihrer Verwendung. Ein Adjektiv erläutert<br />

meistens ausschließlich sein formales Bezugsnomen (Attribut), es kann aber auch zusätzlich das<br />

Prädikat erläutern (attributives Adverbiale) oder Teil des Prädikats sein (Sinnträger). Adjektive (und<br />

Substantive, aber nicht Partizipien und Gerundiva), die die syntaktische Funktion eines attributiven<br />

Adverbiales ausüben, werden auch "Prädikativa" genannt.<br />

Wie im Deutschen kann auch im Lateinischen ein Adjektiv substantiviert gebraucht werden und<br />

dann alle syntaktischen Funktionen eines Substantivs ausüben. Allerdings ist ein substantiviertes<br />

Adjektiv im Lateinischen schwerer zu erkennen als im Deutschen, da man es nicht groß schreibt<br />

und da es keine Artikel im Lateinischen gibt.<br />

Komparativ<br />

Der Komparativ bezeichnet eine Über- oder Unterlegenheit, wenn eine Vergleichsgröße genannt<br />

ist. Wo kein expliziter Bezug steht, ist er entweder aus dem Kontext leicht zu ergänzen (wörtliche<br />

Übersetzung des Komparativs möglich) oder besteht im gewöhnlichen Maß (Übersetzung des<br />

Komparativs in diesem Fall mit ziemlich oder zu).<br />

Locutus est Diviciacus: Peius victoribus Sequanis<br />

quam Haeduis victis accidisse, propterea quod<br />

Ariovistus, rex Germanorum, in eorum finibus<br />

consedisse.<br />

[Gall.1,31,10]<br />

Locutus est Diviciacus: Caesarem deterrere posse,<br />

ne maior multitudo Germanorum Rhenum<br />

traducatur.<br />

[Gall.1,31,16]<br />

Senectus est natur? loquacior.<br />

[Cato 55]<br />

Es sprach Diviciacus: Schlimmeres sei den<br />

siegreichen Sequanern als den besiegten Häduern<br />

zugestoßen, weil Ariovist, der König der<br />

Germanen, sich in ihrem Gebiet niedergelassen<br />

habe.<br />

Es sprach Diviciacus: Caesar könne verhindern,<br />

dass eine noch größere Menge an Germanen über<br />

den Rhein geführt werde.<br />

Im Alter ist man von Natur aus ziemlich<br />

geschwätzig.<br />

Superlativ<br />

Der Superlativ bezeichnet bei explizitem oder implizitem Vergleich eine Höchststufe (eigentlicher<br />

Superlativ). Ohne Vergleichsgedanke nennt er eine Eigenschaft, die besonders stark ausgeprägt<br />

ist („Elativ“; Übersetzung mit sehr oder bildhaftem Ausdruck).<br />

Apud Helvetios longe nobilissimus fuit et<br />

ditissimus Orgetorix.<br />

[Gall.1,2,1]<br />

Saepibus densissimis interiectis prospectus<br />

impeditus est.<br />

[Gall.2,22,1]<br />

77<br />

Bei den Helvetiern war Orgetorix bei weitem der<br />

vornehmste und reichste.<br />

Da sehr dichter Bewuchs dazwischen lag, wurde<br />

die Sicht behindert.


Übersicht: Adjektiv<br />

ohne bestimmte Sinnrichtung mit bestimmter Sinnrichtung<br />

Adjektiv als Attribut<br />

nennt ausschließlich eine Eigenschaft seines<br />

formalen Bezugsworts<br />

Adjektiv als attributives Adverbiale<br />

(Prädikativum)<br />

Übersetzung mit Adverb oder Präpositionalgefüge<br />

Adjektiv als Sinnträger<br />

im Nominativ und im Akkusativ<br />

Substantiviertes Adjektiv<br />

besonders häufig im Neutrum Plural<br />

Adjektiv als Attribut<br />

Ein Adjektiv, das ausschließlich eine Eigenschaft seines formalen Bezugsworts nennt, verwirklicht<br />

ein Attribut. Gewöhnlich handelt es sich um eine dauernde Eigenschaft.<br />

Attribut<br />

A Te<br />

A te aquila illa argentea praemissa est.<br />

Von dir wurde der berühmte silberne Adler<br />

vorausgeschickt.<br />

[Cat.1,24]<br />

aquila illa<br />

argentea praemissa est.<br />

Adjektiv als attributives Adverbiale („Prädikativum“)<br />

Ein Adjektiv, das zugleich sein formales Bezugswort und das Prädikat erläutert, verwirklicht ein<br />

attributives Adverbiale („Prädikativum“). Im Deutschen wird es meistens mit Adverb oder<br />

Präpositionalgefüge wiedergegeben. Prosaschriftsteller verwenden besonders Adjektive des<br />

körperlichen und geistigen Zustands sowie des Ortes, der Zeit und der Zahl in dieser Weise,<br />

Dichter auch andere Adjektive:<br />

– Adjektiv des körperlichen und geistigen Zustands:<br />

Est hoc Gallicae consuetudinis, uti et viatores<br />

etiam invitos consistere cogant et, quod<br />

quisque eorum de quaque re audierit aut<br />

cognoverit, quaerant.<br />

[Gall.1,5,2]<br />

– Adjektiv des Ortes:<br />

Ipse in colle medio triplicem aciem instruxit; in<br />

summo iugo duas legiones et omnia auxilia<br />

conlocavit.<br />

[Gall.1,24]<br />

78<br />

Dies ist eine Eigentümlichkeit der gallischen<br />

Lebensweise, dass sie Reisende zwingen sogar<br />

gegen ihren Willen anzuhalten und sie fragen,<br />

was ein jeder von ihnen über jede Sache gehört<br />

oder in Erfahrung gebracht hat.<br />

Er selbst richtete auf halber Höhe des Hügels eine<br />

dreifach gestaffelte Schlachtreihe ein. Ganz oben<br />

auf dem Bergrücken stellte er zwei Legionen und<br />

alle Hilfstruppen auf.


– beliebiges Adjektiv (bei Dichtern):<br />

Si quis artem amandi non novit, hoc legat et<br />

lecto carmine doctus amet.<br />

[Ov.ars 1,1f]<br />

Attributives Adverbiale<br />

Galli laeti ad castra pergunt.<br />

Die Gallier zogen freudig zum Lager.<br />

[Gall.3,18,8]<br />

Wenn jemand die Kunst des Liebens nicht kennt,<br />

soll er dies lesen und nach der Lektüre des<br />

Gedichts mit Verstand lieben.<br />

Galli<br />

laeti<br />

ad castra<br />

Adjektiv als Sinnträger<br />

pergunt.<br />

Ein Adjektiv, das zusammen mit einem Hilfs- oder Vollverb ein Prädikat bildet, verwirklicht einen<br />

Sinnträger:<br />

– zusammen mit einem Hilfsverb:<br />

Caesar paucis post diebus fit ab Ubiis certior<br />

Suebos omnes in unum locum copias cogere.<br />

[Gall.6,10,1]<br />

– zusammen mit einem Vollverb:<br />

Graeciae sicut apud nos delubra magnifica<br />

humanis consecrata sunt simulacris, quae<br />

Persae nefaria putaverunt.>/div><br />

[rep.3,14]<br />

Sinnträger<br />

Apud Helvetios longe nobilissimus fuit Orgetorix.<br />

Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei weitem<br />

berühmteste.<br />

[Gall.1,2,1]<br />

79<br />

Caesar erhielt wenige Tage später von den Ubiern<br />

die Nachricht, dass die Sueben alle ihre Truppen<br />

an einem Ort zusammenzogen.<br />

Großartige Tempel Griechenlands wurden wie bei<br />

uns Götterbildern mit menschlichem Aussehen<br />

geweiht, was die Perser für gottlos hielten.<br />

Apud Helvetios<br />

Orgetorix<br />

Substantiviertes Adjektiv<br />

longe nobilissimus<br />

fuit<br />

Substantiviert wird ein Adjektiv besonders häufig im Neutrum Plural verwendet. Es kann dann mit<br />

Dinge oder Singular übersetzt werden. Substantiviert kann ein Adjektiv die gleichen syntaktischen<br />

Funktionen wie ein Substantiv ausüben.


Substantiviertes Adjektiv (z.B. als Objekt)<br />

Ariovistus ad postulata Caesaris pauca<br />

respondit.<br />

Ariovist sagte zu den Forderungen Caesars nur<br />

wenig.<br />

[Gall.1,44,1]<br />

Ariovistus<br />

ad postulata Caesaris<br />

pauca<br />

respondit.<br />

• Adjektiv ohne Bezugswort<br />

Ein Adjektiv kann aus zwei Gründen ohne Bezugswort stehen: Entweder ist es substantiviert<br />

gebraucht oder es bezieht sich – als Sinnträger oder als attributives Adverbiale – auf das<br />

inhaltliche Subjekt des Satzes, das lediglich durch die Endung des Prädikats angedeutet ist:<br />

– substantiviertes Adjektiv:<br />

Ille Tarquinius, quem maiores nostri non Jener Tarquinius, den unsere Vorfahren nicht<br />

tulerunt, non crudelis, non impius, sed ertrugen, wurde nicht für grausam und gottlos,<br />

superbus est habitus et dictus.<br />

sondern für hochmütig gehalten und als solcher<br />

[Phil.3,9]<br />

bezeichnet.<br />

– Bezug auf das Subjekt, das lediglich durch die Endung des Prädikats angedeutet ist:<br />

Si tibi non graves sumus, refer ad illa te, quae<br />

ad ipsius orationis laudem splendoremque<br />

pertinent.<br />

[de orat.3,145]<br />

Ego, quod invitus ac necessario facio, neque<br />

diu neque diligenter facere possum.<br />

[S.Rosc.123]<br />

80<br />

Wenn wir dir nicht lästig sind, wende dich jenen<br />

Fragen zu, die Ruhm und Glanz der Rede selbst<br />

betreffen.<br />

Ich kann, was ich nur ungern und<br />

gezwungenermaßen tue, weder lange noch<br />

sorgfältig tun.


Im Lateinischen verwendet man ein Pronomen wie im Deutschen, wenn man die Wiederholung<br />

eines Nomens vermeiden will (Personal-, Possessiv- und manche Demonstrativpronomina), wenn<br />

man ein Nomen erläutern möchte (Relativ- und manche Demonstrativpronomina) oder wenn man<br />

ein Pronomen nicht genau bestimmen kann oder will (Interrogativ- und Indefinitpronomina). Da ein<br />

Pronomen – wie der Name sagt – anstatt eines Nomens steht, sind seine syntaktischen<br />

Funktionen fast so zahlreich wie die eines Substantivs und Adjektivs. Es kann allerdings nie die<br />

Rolle eines attributiven Adverbiales übernehmen.<br />

Personalpronomen<br />

Ein Personalpronomen verweist auf eine Person und wird deshalb nur substantivisch gebraucht.<br />

Da im Lateinischen das Prädikat allein mit seiner Endung das Subjekt bezeichnen kann, steht das<br />

lateinische Personalpronomen viel seltener als das deutsche. Als Subjekt erscheint es nur zur<br />

Betonung oder Kontrastierung mit anderen Personen.<br />

Nos, nos, dico aperte, consules desumus. Wir, wir – ich sage es offen – die Konsuln sind<br />

[Cat.1,3]<br />

Dixi ego idem in senatu caedem te optumatium<br />

contulisse in ante diem V Kalendas Novembris.<br />

[Cat.1,7]<br />

ego;<br />

nos<br />

säumig.<br />

Ich habe im Senat auch vorausgesagt, dass du die<br />

Ermordung der Optimaten auf den 28. Oktober<br />

gelegt habest.<br />

Personalpronomen<br />

1. Person 2. Person 3. Person<br />

tu;<br />

vos<br />

is, ea, id;<br />

ei, eae, ea<br />

nicht reflexiv reflexiv<br />

sui, sibi, se, se;<br />

sui, sibi, se, se<br />

• Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Personalpronomens<br />

Die Form des Personalpronomens der 3. Person hängt im Deutschen und im Lateinischen nicht<br />

nur von Kasus, Numerus und Genus ab, sondern auch vom Verhältnis des Personalpronomens<br />

zum Subjekt:<br />

– Direkte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des Satzes oder dem Subjektsakkusativ<br />

Wenn in einem Haupt- oder Nebensatzes die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person<br />

identisch ist mit dem Subjekt des Satzes, in dem das Personalpronomen steht, muss im<br />

Lateinischen und Deutschen das reflexive Personalpronomen verwendet werden.<br />

Wenn in einem AcI die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person identisch ist mit dem<br />

Subjekt, steht im Lateinischen das reflexive Personalpronomen, im deutschen dass-Satz<br />

dagegen das nichtreflexive Personalpronomen.<br />

Ein reflexives Personalpronomen kann in einem AcI auch deshalb stehen, weil ein Pronomen<br />

mit dem Binnensubjekt identisch ist.<br />

Orgetorix per eos, ne causam diceret, se<br />

eripuit.<br />

[Gall.1,4,2]<br />

81<br />

Orgetorix entzog sich durch sie einer Aussage vor<br />

Gericht.


Caesar negat se more et exemplo populi<br />

Romani posse iter ulli per provinciam dare.<br />

[Gall.1,8,3]<br />

Ego, patres conscripti, memoria teneo Q.<br />

Scaevolam augurem cotidie facere omnibus<br />

potestatem conveniendi sui.<br />

[Phil.8,31]<br />

Caesar sagte, er könne aufgrund der traditionellen<br />

Verhaltensweise des römischen Volkes niemandem<br />

die Durchreise durch die Provinz gestatten.<br />

Ich, ihr Senatoren, erinnere mich, dass der Augur<br />

Q. Scaevola allen die Möglichkeit einräumte ihn zu<br />

treffen.<br />

– Direkte Reflexivität bei Identität mit dem logischen Subjekt ("man")<br />

Das reflexive Personalpronomen kann im Lateinischen und Deutschen auch dann verwendet<br />

werden, wenn die vom Personalpronomen bezeichnete Person zwar nicht mit dem<br />

grammatischen Subjekt, aber mit dem sinngemäßen Hauptakteur („logisches Subjekt“)<br />

identisch ist.<br />

Quod sibi petitur, certe alteri non exigitur.<br />

[Q.Rosc.52]<br />

Was man für sich fordert, treibt man sicher nicht für<br />

den anderen ein.<br />

Indirekte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des innerlich abhängigen übergeordneten<br />

Satzes<br />

Das reflexive Personalpronomen steht im Lateinischen auch dann, wenn ein<br />

Personalpronomen in einem innerlich abhängigen Nebensatz mit dem Subjekt des<br />

übergeordneten Satzes identisch ist.<br />

Cassius constituit, ut ludi absente se fierent<br />

suo nomine.<br />

[Att.15,11,2]<br />

Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit<br />

Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.<br />

Reflexive Pronomina in einem AcI oder innerlich abhängigen Nebensatz können sich also auf den<br />

Subjektsakkusativ bzw. das Subjekt des Nebensatzes oder auf das übergeordnete Subjekt<br />

beziehen. Um Missverständnisse zu vermeiden, steht manchmal anstelle eines indirekt reflexiven<br />

Personalpronomens ipse.<br />

Ariovistus ad Caesarem legatos mittit, uti ex suis<br />

legatis aliquem ad se mitteret.<br />

[Gall.1,47,1]<br />

Caesar centuriones vehementer incusavit: Quid<br />

tandem vererentur aut cur de sua virtute aut de<br />

ipsius diligentia desperarent.<br />

[Gall.1,40,4]<br />

Ariovist schickte Gesandte zu Caesar, damit er<br />

einen seiner (dir.) Legaten zu ihm (ind.) schicke.<br />

Caesar machte den Zenturionen schwere Vorwürfe:<br />

Wovor sie denn Angst hätten oder warum sie an<br />

ihrer Tapferkeit oder seiner Umsicht zweifelten.<br />

• Die Genitive nostrum und vestrum<br />

Die Genitive nostrum und vestrum (Kurzformen für nostrorum und vestrorum) werden dann<br />

verwendet, wenn der Genitiv die semantische Funktion eines Substantivs im Genitiv hat.<br />

Catilina notat et designat oculis ad caedem<br />

unumquemque nostrum.<br />

[Cat.1,2]<br />

Catilina weiht mit seinem Blick einen jeden von<br />

uns dem Tod.<br />

• Is,ea,id als Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens und als<br />

Demonstrativpronomen<br />

Zu is,ea,id in anderen Rollen als der eines Personalpronomens s. die Kapitel Possessivpronomen<br />

und Demonstrativpronomen.<br />

• Reflexive Pronomina in indirekter Rede<br />

Da die Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede vom Prädikat des einleitenden Satzes<br />

innerlich abhängig sind, herrscht in ihnen indirekte Reflexivität, d.h. bei Bezug auf das Subjekt des<br />

einleitenden Satzes stehen reflexive Personal- und Possessivpronomina.<br />

direkte<br />

Rede:<br />

82<br />

"Eo minus dubitationis mihi datur, quod<br />

eas res, quas commemoravisti, memoria<br />

teneo."<br />

"Für mich besteht (gerade) deshalb weniger<br />

Zweifel, weil ich diese Ereignisse, die ihr erwähnt<br />

habt, (durchaus) kenne."


indirekte<br />

Rede:<br />

Caesar ita respondit:<br />

Eo sibi minus dubitationis dari, quod<br />

eas res, quas legati Helvetiii<br />

commemorassent, memoria teneret.<br />

[Gall.1,14,1]<br />

Caesar antwortete so:<br />

Für ihn bestehe (gerade) deshalb um so weniger<br />

Zweifel, weil er diese Ereignisse, die die<br />

helvetischen Gesandten erwähnt hätten,<br />

(durchaus) kenne.<br />

Zum Konjunktiv in indirekter Rede s. "Konjunktiv in indirekter Rede" und zum AcI s. "AcI in<br />

indirekter Rede".<br />

Possessivpronomen<br />

Ein Possessivpronomen wird gewöhnlich adjektivisch gebraucht, es kann aber auch wie ein<br />

Adjektiv substantivisch verwendet werden. Es bezeichnet einen Besitzer im eigentlichen oder<br />

übertragenen Sinn.<br />

Sensistine Praeneste meo iussu meis praesidiis,<br />

custodiis, vigiliis esse munitam?<br />

[Cat.1,8].<br />

Suum cuique. Jedem das Seine.<br />

Hast du bemerkt, dass Praeneste auf meinen<br />

Befehl hin von meinen Wachtposten, Aufpassern<br />

und Nachtwachen geschützt wurde?<br />

Possessivpronomen<br />

1. Person 2. Person 3. Person<br />

meus, mea, meum;<br />

noster, nostra, nostrum<br />

tuus, tua, tuum;<br />

vester, vestra, vestrum<br />

nicht reflexiv reflexiv<br />

eius;<br />

eorum, earum, eorum<br />

suus, sua, suum;<br />

suus, sua, suum<br />

• Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Possessivpronomens<br />

Im Lateinischen muss – anders als im Deutschen – auch beim Possessivpronomen der 3. Person<br />

das Verhältnis des Pronomens zum Subjekt beachtet werden. Es gelten die gleichen Regeln wie<br />

beim Personalpronomen:<br />

– Direkte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des Satzes oder den Subjektsakkusativ<br />

Orgetorix confirmat se suis copiis suoque Orgetorix versicherte, dass er mit seinen Truppen<br />

exercitu illis regnum conciliaturum (esse). und seinem Heer jenen Königreiche verschaffen<br />

[Gall.1,3,7]<br />

werde.<br />

Helvetios in fines suos reverti iussit.<br />

Caesar befahl, dass die Helvetier in ihr Gebiet<br />

[Gall.1,28,3]<br />

zurück zogen.<br />

– Direkte Reflexivität bei Bezug auf das logische Subjekt oder Betonung der Zugehörigkeit<br />

("sein eigener")<br />

Caesar Fabium cum sua legione remittit in<br />

hiberna.<br />

[Gall.5,53,3]<br />

83<br />

Caesar schickte Fabius mit seiner eigenen (also<br />

der des Fabius) Legion ins Winterlager.<br />

– Indirekte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des innerlich abhängigen<br />

übergeord-neten Satzes<br />

Cassius constituit, ut ludi absente se fierent suo Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit<br />

nomine.<br />

Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.<br />

[Att.15,11,2]


• Is,ea,id als Personalpronomen und als Demonstrativpronomen<br />

Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Demonstrativpronomen s. die Kapitel Personalpronomen<br />

und Demonstrativpronomen.<br />

Demonstrativpronomen<br />

Demonstrativpronomina können sowohl substantivisch als auch adjektivisch gebraucht werden.<br />

Quo etiam maiore sunt isti odio supplicioque<br />

digni, qui deorum templis atque delubris sunt<br />

funestos ac nefarios ignes inferre conati.<br />

[Cat.3,22]<br />

Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet?<br />

[Cat. 1,1]<br />

Desto größere Verachtung und Bestrafung verdienen<br />

diese Typen, die versucht haben, an die Tempel und<br />

Heiligtümer der Götter ganz unsägliches Feuer zu<br />

legen.<br />

Wie lange denn noch wird uns dieser dein Wahnsinn<br />

zum Narren halten?<br />

Demonstrativpronomen<br />

hic, haec, hoc dieser, mein/unser, folgender<br />

is, ea, id<br />

iste, ista, istud<br />

ille, illa, illud<br />

bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher örtlich oder zeitlich<br />

nahe steht oder liegt.<br />

Da mihi hunc librum! Gib mir dieses Buch!<br />

Diligimus hanc urbem. Wir lieben unsere Stadt.<br />

Caesar haec locutus est: … Caesar sagte Folgendes: …<br />

dieser<br />

hat die gleichen semantischen Funktionen wie hic,haec,hoc. (Zu seinen<br />

Funktionen als nichtreflexives Personalpronomen und Possessivpronomen<br />

der 3. Person s. u.).<br />

Da mihi eum librum! Gib mir dieses Buch!<br />

der da<br />

bezeichnet – häufig mit abwertendem Sinn – eine Person oder Sache, die<br />

dem Angesprochenen örtlich oder zeitlich nahe liegt.<br />

Ista subsellia vacua sunt. Die Bänke in deiner Nähe sind leer.<br />

Iste mihi maledixit. Der Schuft da hat mich beleidigt.<br />

jener, der bekannte<br />

84<br />

bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher fern liegt. Diese<br />

Ferne kann z.B. durch das Alter, den Ruhm, aber auch nur formal durch die<br />

Position des Bezugswortes im vorausgehenden Satz bedingt sein.<br />

Illis temporibus mores maiorum<br />

vigebant.<br />

In jenen Zeiten hatten die Sitten der<br />

Vorfahren große Bedeutung.<br />

Illum Ciceronem in exilium miserunt. Den berühmten Cicero haben sie in<br />

das Exil geschickt.<br />

Hannibal et Scipio praeclari sunt: hic<br />

Romanus, ille Poenus natione.<br />

Hannibal und Scipio sind<br />

weltberühmt: der letzgenannte war<br />

Römer, der erstgenannte Punier.


idem, eadem, idem<br />

ipse, ipsa, ipsum<br />

derselbe<br />

weist auf eine bereits genannte Person oder Sache hin, um eine<br />

gleichartige oder gegensätzliche Aussage hinzuzufügen.<br />

Cicero disertus fuit idemque doctus. Cicero war beredt und zugleich/<br />

auch gebildet<br />

Quidam student rebus obscuris et<br />

eisdem non necessariis.<br />

selbst, persönlich, schon, genau<br />

Manche bemühen sich um<br />

geheimnisvolle, aber unnötige<br />

Dinge.<br />

bezeichnet eine Person oder Sache, die der Sprecher hervorheben möchte.<br />

Ipse dixit. Er hat es selbst/persönlich gesagt.<br />

Ipsa spes homines adiuvat. Schon die Hoffnung hilft den<br />

Menschen.<br />

Ipsos decem dies afuit. Sie ist genau zehn Tage lang<br />

weggewesen.<br />

• Ipse,ipsa,ipsum bei inhaltlicher Identität von Subjekt und Objekt auf das Subjekt<br />

bezogen<br />

Um das Subjekt besonders zu betonen, bezieht sich ipse,ipsa,ipsum manchmal auch dann formal<br />

auf das Subjekt, wenn es nach dem deutschen Sprachgefühl auf das Objekt bezogen sein müsste.<br />

Non potest exercitum is continere imperator, qui<br />

se ipse non continet.<br />

[Manil.38]<br />

Nicht im Griff haben kann sein Heer ein solcher<br />

Feldherr, der sich selbst nicht im Griff hat.<br />

• Is,ea,id als Personalpronomen und als Ersatzform eines nichtreflexiven<br />

Possessivpronomens<br />

Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens s.<br />

die Kapitel Personalpronomen und Possessivpronomen.<br />

Relativpronomen<br />

Ein Relativpronomen kongruiert in Genus und Numerus wie ein Adjektiv mit einem Bezugswort, ist<br />

in seinem Kasus aber von der Konstruktion des Relativsatzes abhängig. Es knüpft eine Beziehung<br />

zum übergeordneten Satz (s. dazu Der Relativsatz).<br />

Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum<br />

unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam<br />

Celtae.<br />

[Gall.1,1,1]<br />

85<br />

Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt, von<br />

welchen den einen die Belger, den anderen die<br />

Aquitaner und den dritten die Kelten bewohnen.


Relativpronomen<br />

qui, quae, quod welcher, welche, welches,<br />

der, die, das,<br />

wer, was (bei fehlendem Bezugswort)<br />

quicumque, quaecumque, quodcumque wer auch immer, welche auch immer, was auch<br />

immer<br />

quisquis, quidquid (nur im Nom.) jeder,der / alles,was<br />

• Quocum, quacum und quibuscum<br />

Die Präposition cum steht gewöhnlich hinter dem Ablativ des Relativpronomens und wird mit<br />

diesem zusammengeschrieben.<br />

• Relativischer Satzanschluss<br />

Beim „relativischen Satzanschluss“ knüpft das Relativpronomen keine Beziehung zu einem<br />

übergeordneten, sondern zu einem gleichgeordneten Satz. In diesem Fall wird das<br />

Relativpronomen mit Demonstrativ- oder Personalpronomen übersetzt.<br />

Pater Oppianici Cluentium suo testimonio<br />

sublevat. Quod recita!<br />

[Cluent.168]<br />

Der Vater des Oppianicus entlastet den Cluentius<br />

durch sein Zeugnis. Lies es vor!<br />

Häufige relativische Satzanschlüsse:<br />

qua re deshalb quodsi wenn aber/nun/also<br />

quam ob rem deshalb<br />

quae cum ita sint unter diesen<br />

Umstän-den<br />

qua de causa deshalb quibus rebus gestis darauf<br />

quapropter deshalb quibus rebus cognitis auf diese Kunde<br />

Interrogativpronomen<br />

Interrogativpronomina unterscheiden sich bei substantivischem und adjektivischem Gebrauch<br />

teilweise in ihren Formen. Mit ihnen kann am Anfang eines Haupt- oder Nebensatzes eine Person<br />

oder Sache erfragt werden (s. dazu „Der abhängige Fragesatz“).<br />

Quis te ex hac tanta frequentia totque tuis amicis<br />

ac necessariis salutavit?<br />

[Cat.1,16]<br />

Qui locus ingenium patroni requirit aut oratoris<br />

eloquentiam magno opere desiderat?<br />

[S.Rosc.34]<br />

86<br />

Wer von dieser so großen Menge und deinen so<br />

vielen Freunden und Bekannten hat dich gegrüßt?<br />

Welcher Anklagepunkt erfordert (überhaupt) das<br />

Talent eines Anwalts oder verlangt in besonderer<br />

Weise die Fähigkeit eines Redners?


Interrogativpronomen<br />

quis, quid wer, was<br />

qui, quae, quod welcher, welche, welches<br />

uter, utra, utrum wer von beiden<br />

qualis, quale wie beschaffen<br />

quantus, quanta, quantum wie groß<br />

• Quis statt qui für die Frage nach dem Namen<br />

Statt qui wird gewöhnlich quis adjektivisch neben Personenbezeichnungen verwendet, wenn nach<br />

dem Namen einer Person gefragt wird. Bei der Frage nach der Beschaffenheit einer Person steht<br />

erwartungsgemäß qui.<br />

Quis tota Italia veneficus, quis gladiator, quis<br />

latro, quis sicarius, quis parricida inveniri<br />

potest, qui se cum Catilina non familiarissime<br />

vixisse fateatur?<br />

[Cat.2,7]<br />

Welchen Giftmischer kann man in ganz Italien<br />

finden, welchen Gladiator, welchen Räuber,<br />

welchen Halsabschneider oder welchen Mörder,<br />

der nicht offen bekennt, dass er mit Catilina sehr eng<br />

zusammengelebt hat?<br />

Indefinitpronomen<br />

Indefinitpronomina beziehen sich auf eine Einzelperson oder auf eine Gruppe. Wenn sie sich auf<br />

eine Einzelperson beziehen, sind sie entweder deshalb unbestimmt, weil der Sprecher die<br />

gemeinte Person nicht nennen will (Ein gewisser Schüler hat bei dieser Klassenarbeit eine<br />

schlechte Note geschrieben.) oder nicht nennen kann (Irgendein Schüler hat vor meinem<br />

Eintreffen die Tafel bekritzelt.). Auf eine Gruppe bezogen ist entweder „jeder“ oder „keiner“ in der<br />

Gruppe gemeint.<br />

Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen zwischen adjektivischem und substantivischem<br />

Gebrauch der Indefinitpronomina unterschieden:<br />

– adjektivisch<br />

Quis enim umquam litteras ad se ab amico<br />

missas offensione aliqua interposita palam<br />

recitavit?<br />

[Phil.2,7]<br />

– substantivisch<br />

Metuit Antonius, ne suorum aliquis a<br />

Cyda, Lysiade, Curio condemnetur?<br />

[Phil.8,27]<br />

87<br />

Wer hat denn jemals einen Brief, der ihm von<br />

seinem Freund geschickt wurde, öffentlich<br />

vorgelesen, nur weil irgendeine Kränkung zwischen<br />

sie getreten war?<br />

Fürchtet Antonius, dass irgendeiner seiner Leute von<br />

Cydas, Lysiades oder Curius verurteilt wird?


Indefinitpronomen<br />

adjektivisch substantivisch<br />

E i n z e l p e r s o n<br />

ein gewisser, ein jemand, etwas<br />

quidam, quaedam, quoddam quidam, quaedam, quiddam<br />

irgendein irgendjemand<br />

In Sätzen mit bejahtem Sinn: aliqui, aliqua, aliquod aliquis, aliqua, aliquid<br />

In Sätzen mit verneintem<br />

Sinn:<br />

Nach einem Stützwort wie<br />

ne, si, nisi, num, quo,<br />

quando, ubi, cum:<br />

Nach Reflexiv-, Relativ- und<br />

Interrogativpronomen,<br />

Superlativ und Ordnungszahl<br />

als Stützwort:<br />

ullus, ulla, ullum quisquam, quidquam<br />

qui, quae/qua, quod quis, quae/qua, quid<br />

G r u p p e<br />

unusquisque, unaquaeque,<br />

unumquodque<br />

jeder jeder<br />

unusquisque, unaquaeque,<br />

unumquidque<br />

quisque, quaeque, quodque quisque, quaeque, quidque<br />

kein niemand, nichts<br />

nullus, nulla, nullum nemo, nullius, nemini,neminem,<br />

nullo (im Neutrum nur nihil)<br />

• Steigerndes und abschwächendes quidam<br />

Wenn eine Form von quidam zwischen Adjektiv und Substantiv steht, verstärkt diese meistens die<br />

Adjektivbedeutung:<br />

Natur? inest in mentibus nostris insatiabilis<br />

quaedam cupiditas veri videndi.<br />

[Tusc.1,44]<br />

Von Natur aus liegt in unserem Geist eine ganz<br />

unersättliche Begierde, die Wahrheit zu erkennen.<br />

Umgekehrt kann quidam aber auch einen kühnen bildhaften Ausdruck abschwächen:<br />

Est ambulantibus ad hunc modum sermo ille<br />

nobis institutus et a tali quodam ductus exordio:<br />

….<br />

[Tusc.2,10]<br />

Wir führten, während wir spazieren gingen, auf<br />

folgende Weise unser Gespräch und begannen<br />

ungefähr mit folgender Einleitung: …<br />

• Adjektivische Verwendung von nemo vor Personenbezeichnungen<br />

Bei männlichen Personenbezeichnungen, Adjektiven und Zahlwörtern wird nemo, ähnlich wie quis<br />

und quisquam, adjektivisch verwendet:<br />

Metellus, qua iniuria nemo umquam in aliquo<br />

magistratu improbissimus civis adfectus est, ea<br />

me consulem adfecit.<br />

[fam.5,2,7]<br />

88<br />

Metellus hat mich als Konsul so beleidigt, wie der<br />

übelste Bürger in irgendeinem Amt niemals beleidigt<br />

worden ist.<br />

• Nescio quis<br />

Fragepronomina nach nescio leiten meistens keinen abhängigen Fragesatz ein, sondern bilden mit<br />

nescio eine Einheit, die einem Interrogativpronomen oder -adverb gleich kommt. Dabei wird auch<br />

nescio quis wie quis, quisquam und nemo häufig adjektivisch verwendet. Bei Eigennamen hat


nescio quis in der Regel eine abwertende Bedeutung.<br />

Accedit Saxa nescio quis, quem nobis Caesar ex<br />

ultima Celtiberia tribunum plebis dedit.<br />

[Phil.11,12]<br />

Es kommt irgendein Saxa daher, den uns Caesar<br />

aus dem hintersten Keltiberien als Volkstribun<br />

beschert hat.<br />

nescio quis/qui irgendjemand nescio quo modo irgendwie<br />

nescio quid/quod irgendetwas nescio quando irgendwann<br />

• Weitere Indefinitpronomina<br />

Als Indefinitpronomina treten auch die Zusammensetzungen quivis, quaevis, quodvis (jeder<br />

beliebige) und quilibet, quaelibet, quodlibet (jeder beliebige) auf.<br />

89


Präpositionen werden im Deutschen viel häufiger gebraucht als im Lateinischen, um die<br />

semantische Funktion einer Prädikatserläuterung deutlich zu machen. Vor allem der lateinische<br />

Ablativ muss mangels eines entsprechenden Kasus im Deutschen fast immer mit einem<br />

Präpositionalgefüge umschrieben werden. Meistens verwirklicht eine Präposition mit Nomen ein<br />

Adverbiale, seltener einen Sinnträger oder ein Objekt. Im Gegensatz zum Deutschen kann eine<br />

Präposition mit Nomen im Lateinischen nur unter bestimmten Voraussetzungen Attribut sein.<br />

Adverbiale<br />

Helvetii cum proximis civitatibus pacem et<br />

amicitiam confirmaverunt.<br />

Die Helvetier schlossen mit den<br />

Nachbarstämmen einen unverbrüchlichen<br />

Frieden.<br />

[Gall.1,3,1]<br />

Sinnträger<br />

Si Cn. Plancius mihi quaestor imperatori fuisset,<br />

in fili loco fuisset.<br />

Wenn Gnäus Plancius unter meinem Ober-befehl<br />

Quaestor gewesen wäre, hätte ich ihn als<br />

meinen Sohn betrachtet.<br />

[p.red.in sen.35]<br />

Objekt<br />

Crassi libertus tibi de mea sollicitudine macieque<br />

narravit.<br />

Ein Freigelassener des Crassus hat dir von<br />

meiner Unruhe und Magerkeit erzählt.<br />

[Att.3,15,1]<br />

Attribut<br />

Idem cursus ad gloriam Laterensi munitus est.<br />

Die gleiche Straße zum Ruhm wurde dem<br />

Laterensis gebahnt.<br />

[Planc.67]<br />

90<br />

Helvetii<br />

cum proximis civitatibus<br />

pacem et amicitiam<br />

Si Cn. Plancius mihi<br />

quaestor imperatori fuisset,<br />

Crassi libertus<br />

tibi<br />

de mea sollicitudine<br />

macieque<br />

Idem cursus<br />

ad gloriam<br />

confirmaverunt.<br />

in filii loco<br />

fuisset.<br />

narravit.<br />

Laterensi munitus est.<br />

Die eigentliche Bedeutung fast aller Präpositionen ist räumlicher oder zeitlicher Art. Übertragen<br />

können sie aber auch modalen, kausalen und anderen Sinn haben. Wenn Präpositionen mit<br />

Akkusativ und mit Ablativ stehen können, bezeichnen sie mit Akkusativ eine Richtung und mit<br />

Ablativ einen Ort.


ad zu, bei<br />

ad Cannas<br />

bei Cannae<br />

adversus /<br />

adversum<br />

ante vor<br />

ante oculos<br />

vor Augen<br />

Präpositionen, die ausschließlich mit Akkusativ stehen<br />

räumlich zeitlich anderer Sinn<br />

gegenüber, gegen … hin<br />

adversus collem<br />

gegen den Hügel hin<br />

apud bei<br />

apud exercitum<br />

beim Heer<br />

circa /<br />

circum<br />

circiter<br />

um ( … herum)<br />

circa forum<br />

um das Forum herum<br />

contra gegen(über)<br />

contra Galliam<br />

Gallien gegenüber<br />

erga<br />

extra außerhalb<br />

extra munitiones<br />

außerhalb der Befestigung<br />

infra unterhalb<br />

infra oppidum<br />

unterhalb der Stadt<br />

inter zwischen<br />

inter montem et flumen<br />

zwischen Berg und Fluss<br />

intra innerhalb<br />

intra muros<br />

innerhalb der Mauern<br />

iuxta neben<br />

iuxta viam<br />

neben der Straße<br />

ob vor<br />

ob oculos<br />

vor Augen<br />

penes<br />

91<br />

bis<br />

ad id tempus<br />

bis zu der Zeit<br />

ante lucem<br />

vor Tagesanbruch<br />

(ungefähr) um<br />

circiter Idus Septembres<br />

um den 13. Sept.<br />

nach<br />

infra Lycurgum<br />

nach Lycurg<br />

während<br />

inter decem annos<br />

während zehn Jahren<br />

innerhalb<br />

intra paucas horas<br />

innerhalb weniger<br />

Stunden<br />

ungefähr<br />

ad ducentos<br />

ungefähr zweihundert<br />

adversum deos<br />

gegenüber den Göttern<br />

gegen, wider<br />

contra naturam<br />

gegen die Natur<br />

gegen, zum (in freundl.<br />

Sinn)<br />

erga matrem<br />

zur Mutter<br />

über<br />

extra modum<br />

über das Maß<br />

minderwertiger als<br />

infra elephantos<br />

minderwertiger als Eleph.<br />

unter<br />

inter se<br />

untereinander<br />

wegen<br />

ob eam causam<br />

deswegen<br />

in der Gewalt von<br />

penes accusatorem<br />

in der Gewalt des Anklägers


per durch<br />

per provinciam<br />

durch die Provinz<br />

post hinter<br />

post me<br />

hinter mir<br />

praeter vorbei … an<br />

praeter castra<br />

am Lager vorbei<br />

prope nahe bei<br />

propte castra<br />

in der Nähe des Lagers<br />

propter nahe bei<br />

propter Sciliam<br />

nahe bei Sizilien<br />

secundum längs, entlang<br />

secundum flumen<br />

den Fluss entlang<br />

supra oberhalb<br />

supra terram<br />

über der Erde<br />

trans jenseits<br />

trans Rhenum<br />

jenseits des Rheins<br />

ultra jenseits<br />

ultra montes<br />

jenseits der Berge<br />

Präpositionen, die ausschließlich mit Akkusativ stehen<br />

räumlich zeitlich anderer Sinn<br />

lang<br />

per decem dies<br />

zehn Tage lang<br />

nach<br />

post pugnam<br />

nach der Schlacht<br />

nach<br />

secundum comitia<br />

nach den Wahlen<br />

über<br />

ultra biennium<br />

über zwei Jahre hinaus<br />

mittels<br />

per litteras<br />

brieflich<br />

außer, gegen<br />

praeter consuetudinem<br />

gegen die Gewohnheit<br />

wegen<br />

propter te<br />

wegen dir<br />

gemäß<br />

secundum naturam<br />

gemäß der Natur<br />

über<br />

supra modum<br />

über das rechte Maß<br />

über<br />

ultra vires<br />

über seine Kräfte<br />

Präpositionen, die ausschließlich mit Ablativ stehen<br />

räumlich zeitlich anderer Sinn<br />

a / ab / abs von … weg, aus<br />

von<br />

vor<br />

ab urbe<br />

ab ovo<br />

defendere ab aliquo<br />

aus der Stadt<br />

von Anfang an<br />

vor jdm. schützen<br />

coram in Gegenwart von<br />

coram me<br />

in meiner Anwesenheit<br />

cum<br />

bei<br />

mit<br />

cum prima luce<br />

cum amico<br />

bei Tagesanbruch mit dem Freund<br />

de von … herab, über<br />

während<br />

von, wegen<br />

de muro<br />

de tertia vigilia<br />

de pace venire<br />

von der Mauer herab<br />

während der 3.<br />

des Friedens wegen<br />

Nachtwache<br />

kommen<br />

e / ex aus<br />

seit<br />

aus<br />

e manibus<br />

ex eo tempore<br />

ex eadem causa<br />

aus den Händen<br />

seit der Zeit<br />

aus demselben Grund<br />

palam in Gegenwart von<br />

palam publico<br />

92


Präpositionen, die ausschließlich mit Ablativ stehen<br />

räumlich zeitlich anderer Sinn<br />

in Gegenwart des Volkes<br />

prae vor<br />

prae se ferre<br />

vor sich hertragen<br />

pro vor<br />

pro oppido<br />

vor der Stadt<br />

sine<br />

in<br />

– m. Akk. in<br />

in urbem<br />

in die Stadt<br />

– m. Abl. im<br />

in senatu<br />

im Senat<br />

sub<br />

– m. Akk. unter, an den Fuß<br />

sub montem<br />

an den Fuß des Berges<br />

– m. Abl. unter<br />

sub terra<br />

unter der Erde<br />

super<br />

– m. Akk. über, auf<br />

sub tumulum<br />

auf den Hügel<br />

– m. Abl.<br />

Präpositionen, die mit Akkusativ oder mit Ablativ stehen<br />

wegen, vor; angesichts<br />

prae maerore<br />

vor Schmerz<br />

für; anstatt<br />

pro lege<br />

für das Gesetz<br />

ohne<br />

sine causa<br />

ohne Grund<br />

räumlich zeitlich anderer Sinn<br />

für<br />

in futurum<br />

für die Zukunft<br />

im<br />

in pace<br />

im Frieden<br />

um<br />

sub noctem<br />

um die Nachtzeit<br />

in, für<br />

in universum<br />

im allgemeinen<br />

in<br />

in spe esse<br />

hoffen<br />

unter<br />

sub manu esse<br />

zur Hand sein<br />

über, in Betreff<br />

super hac re<br />

über diese Sache<br />

• Nachgestellte Präpositionen<br />

Gemäß ihrem Namen wird die Präposition gewöhnlich ihrem Bezugswort vorangestellt.<br />

Ausnahmen sind:<br />

– cum bei Personal- und Relativpronomen (z. B. vobiscum, quocum)<br />

– causa und gratia, die als (erstarrte) Ablative nur scheinbar Präpositionen sind (z.B. salutis<br />

causa)<br />

93<br />

• Präpositionalattribut<br />

Substantivische Attribute stehen im Lateinischen gewöhnlich im Genitiv (domus patris) oder als<br />

Apposition im gleichen Kasus wie das zu erläuternde Wort (urbs Roma). Präpositionalattribut ist<br />

nur in folgenden Fällen möglich:<br />

– Erläuterung eines Verbalsubstantivs oder Substantivs der Gemütsbewegung:


– Präpositionalattribut zwischen Attribut und zu erläuterndem Substantiv („geschlossener<br />

Ausdruck“):<br />

Monemur a fortissimo viro atque optimo post Wir werden von dem tatkräftigsten und besten<br />

hominum memoriam consule, ut provideamus, Konsul seit Menschengedenken ermahnt, dass<br />

ne citerior Gallia nobis invitis alicui decernatur. wir uns davor in Acht nehmen sollen, dass Gallia<br />

[prov.39]<br />

citerior gegen unseren Willen irgendjemandem<br />

zugesprochen wird.<br />

• In mit Ablativ bei Verben des Stellens, Einfügens und Rechnens<br />

Bei Verben des Setzens, Stellens, Legens, des Einfügens und des Rechnens betonen wir im<br />

Deutschen den Aspekt der Bewegung, indem wir sie mit einer Richtungspräposition verbinden (zu<br />

den Vasen stellen, unter die Besten rechnen). Im Lateinischen wird dagegen durch die Verbindung<br />

der genannten Verben mit in und Ablativ der Endpunkt der Bewegung in den Blick genommen.<br />

Putas necesse esse sicam in consulis corpore te<br />

defigere.<br />

[Cat.1,16]<br />

Du glaubst, dass du einen Dolch in den Körper des<br />

Konsuls hinein stoßen müsstest.<br />

– Verben des Setzens, Stellens und Legens:<br />

ponere setzen, stellen, legen consistere sich stellen<br />

locare, statuere stellen considere sich niederlassen<br />

– Verben des Einfügens:<br />

figere, defigere anheften inscribere schreiben auf<br />

incidere einritzen imprimere einprägen<br />

– Verben des Rechnens:<br />

numerare<br />

habere<br />

rechnen unter<br />

putare<br />

ducere<br />

• A/ab und e/ex<br />

Die Kurzformen a und e stehen nur vor Konsonanten.<br />

94<br />

rechnen unter


Wie im Deutschen gibt es auch im Lateinischen Grundzahlen (eins, zwei, drei), Ordnungszahlen<br />

(der erste, der zweite, der dritte) und Vervielfältigungszahlen (einfach, zweifach, dreifach). Eine<br />

Besonderheit des Lateinischen sind jedoch die Verteilungszahlen (je einer, je zwei, je drei).<br />

Grundzahl („Kardinalzahl“)<br />

Eine Grundzahl erläutert gewöhnlich adjektivisch ein Substantiv hinsichtlich seiner Anzahl, sie<br />

kann aber auch substantivisch gebraucht werden. Von den Grundzahlen sind 1 bis 3, die<br />

Vielfachen von 100 (aber nicht centum selbst) und die Vielfachen von 1000 (aber nicht mille sebst)<br />

deklinierbar.<br />

Attribut<br />

Quaestor Cn. Papirio consuli fuisti abhinc annos<br />

quattuordecim.<br />

Du warst vor 14 Jahren Quaestor des Konsuls<br />

Gnäus Papirius.<br />

[Verr.2,1,34]<br />

Grundzahlen<br />

unus, una, unum ein, eine, ein<br />

duo, duae, duo zwei<br />

95<br />

tres, tria drei<br />

quattuor usw. vier<br />

Cn. Papirio consuli<br />

abh. annos quattuordecim.<br />

Quaestor<br />

• Zusammengesetzte Grundzahlen<br />

Grundzahlen werden einfach zusammengestellt, wobei zuerst die größere steht (z. B. viginti una).<br />

Bis 100 können sie auch mit et verbunden werden, doch steht dann zuerst die kleinere (z. B. una<br />

et viginti).<br />

• Adjektivisches mille und substantivisches milia<br />

Der indeklinable Singular mille steht im Nominativ und manchmal im Akkusativ substantiviert mit<br />

Genitivus totius, in den anderen Kasus wie ein indeklinables Adjektiv bei seinem Bezugswort.<br />

Der deklinable Plural milia, milium dagegen steht gewöhnlich substantiviert mit Genitivus totius,<br />

wenn das Bezugswort unmittelbar folgt. Wenn das Bezugswort nicht unmittelbar folgt und bei<br />

Münz- und Maßsubstantiven kann milia jedoch attributiv verwendet werden.<br />

fuisti


Interea Commius reliquique duces cum omnibus<br />

copiis ad Alesiam perveniunt et non longius mille<br />

passibus ab nostris munitionibus considunt.<br />

[Gall.7,79,1]<br />

Tandem vulneribus defessi et pedem referre et,<br />

quod mons suberat circiter mille passuum, eo se<br />

recipere coeperunt.<br />

[Gall.1,25,5]<br />

Ita iter fecerunt, ut inter novissimum hostium<br />

agmen et nostrum primum non amplius quinis aut<br />

senis milibus passuum interesset.<br />

[Gall.1,15,5]<br />

Unterdessen gelangten Commius und die übrigen<br />

Heerführer mit allen Kriegsscharen nach Alesia und<br />

ließen sich nicht weiter als eine Meile von unseren<br />

Schanzanlagen entfernt nieder.<br />

Endlich waren sie von ihren Wunden erschöpft.<br />

Deshalb begannen sie zurückzuweichen und, weil<br />

ein Berg nur ungefähr eine Meile entfernt lag, sich<br />

dorthin zurückzuziehen.<br />

So zogen sie weiter, dass zwischen der Nachhut<br />

der Feinde und unserere Vorhut nicht mehr als fünf<br />

oder sechs Meilen Abstand war.<br />

Duo milia quingenti milites pugnant. Zweitausendfünfhundert Soldaten kämpfen.<br />

Decem milia talenta Gabinio sunt promissa.<br />

[Rab.Post.21]<br />

10.000 Talente wurden Gabinius versprochen.<br />

Ordnungszahl („Ordinalzahl“)<br />

Eine Ordnungszahl erläutert gewöhnlich wie ein Adjektiv ein Wort hinsichtlich seiner Position in<br />

einer Menge, sie kann aber auch substantiviert gebraucht werden. Ordnungszahlen sind<br />

deklinierbar.<br />

Attribut<br />

Tertiam partem incolunt Celtae.<br />

Den dritten Teil bewohnen die Kelten.<br />

[Gall.1,1,1]<br />

Tertiam partem<br />

Celtae.<br />

primus, a, um<br />

Ordnungszahlen<br />

der erste, die erste, das erste<br />

secundus, a, um der zweite, die zweite, das zweite<br />

tertius, a, um der dritte, die dritte, das dritte<br />

quartus, a, um usw. der vierte, die vierte, das vierte<br />

incolunt<br />

• Zusammengesetzte Ordnungszahlen<br />

Auch Ordnungszahlen werden einfach zusammengestellt, wobei zuerst die größere steht (z. B.<br />

millesimus sescentesimus duodequinquagesimus – der 1648). Bis 100 können auch sie auch mit<br />

et verbunden werden, doch steht dann zuerst die kleinere (z. B. tertio et trigesimo anno - im Alter<br />

von 33 Jahren).<br />

• Jahresangaben mit Ordnungszahlen<br />

Im Lateinischen werden, anders als im Deutschen, Jahresangaben mit Ordnungszahlen gebildet.<br />

Q. Fabius - tertio hic anno ante consul fuerat -<br />

princips in confertos Veientes iit.<br />

[Liv.2,46,4]<br />

96<br />

Quintus Fabius - er war vor zwei Jahren Konsul<br />

gewesen - drang als erster auf die dichtgedrängten<br />

Reihen der Leute von Veji ein.


Macedo Alexander, cum ab ineunte aetate res<br />

maximas gerere coepisset, nonne tertio et<br />

tricesimo anno mortem obiit?<br />

[Phil.5,48]<br />

Potestatem (censoris) minuere, quo minus de<br />

moribus nostris quinto quoque anno iudicare-tur,<br />

nemo conatus est.<br />

[Pis.10]<br />

Starb Alexander aus Makedonien, obwohl er seit<br />

seines Lebens größte Taten vollbracht hatte, nicht<br />

im Alter von 33 Jahren?<br />

Niemand hat gewagt, die Macht des Zensors<br />

einzuschränken, dass er gemäß unserer Tradition<br />

alle vier Jahre beurteilt wird.<br />

Vervielfältigungszahl („Multiplikativzahl“)<br />

Eine Vervielfältigungszahl gibt als Adverbiale die Häufigkeit einer Prädikatshandlung an. Von<br />

Dichtern werden manchmal mit attributiv verwendeten Vervielfältigungszahlen Grundzahlen<br />

gebildet (z.B. ter deni für 30). Vervielfältigungszahlen sind nicht deklinierbar.<br />

Adverbiale<br />

De Valerio Procillo ter sortibus consultum est.<br />

Bezüglich Valerius Procillus wurde dreimal mit<br />

Runen Rat eingeholt.<br />

[Gall.1,53,7]<br />

De Valerio Procillo<br />

ter<br />

sortibus<br />

semel<br />

Vervielfältigungszahlen<br />

einmal<br />

bis zweimal<br />

ter dreimal<br />

quater viermal<br />

quinquies fünfmal<br />

decies; centies; millies zehnmal; hundertmal; tausendmal<br />

Merkspruch:<br />

Semmel biß der Kater. semel bis ter quater<br />

Verteilungszahl („Distributivzahl“)<br />

Eine Verteilungszahl bezeichnet adjektivisch die Größe von gleichen Teilmengen.<br />

Verteilungszahlen sind deklinierbar.<br />

97<br />

consultum est.


Attribut<br />

Caesar singulis legionibus singulos legatos<br />

praefecit.<br />

Caesar gab je einer Legion je einen Legaten als<br />

Befehlshaber.<br />

[Gall.1,52,1]<br />

Caesar<br />

singulis legionibus<br />

singulos legatos<br />

singuli, ae, a<br />

Verteilungszahlen<br />

je einer, je eine, je eines<br />

bini, ae, a je zwei<br />

terni, ae, a je drei<br />

quaterni, ae, a je vier<br />

quini, ae, a je fünf<br />

deni, ae, a; centeni, ae, a je zehn; je hundert<br />

98<br />

praefecit.


Das Adverb erläutert gewöhnlich eine Prädikatshandlung hinsichtlich Raum, Zeit, Art und Weise<br />

oder Intensität. Dabei verwirklicht es ein Adverbiale oder einen Sinnträger. Manche Adverbien<br />

können auch als Attribut zu einem Substantiv treten.<br />

Zu den semantischen Funktionen des Komparativs und Superlativs s. "Das Adjektiv".<br />

Adverbiale<br />

Pythagoras cum Leonte docte et copiose<br />

disseruit quaedam.<br />

Pythagoras erörterte mit Leon gebildet und<br />

wortreich manche Probleme.<br />

[Tusc.5,8]<br />

Sinnträger<br />

Ubi terrarum sumus?<br />

Wo in aller Welt sind wir? [Rab.Post.37]<br />

Attribut<br />

Karthaginem nunc venis paene miles.<br />

Nach Karthago kommst du nun als fast noch<br />

einfacher Soldat.<br />

[rep.6,11]<br />

Pythagoras<br />

cum Leonte<br />

docte et copiose<br />

quaedam.<br />

Karthaginem<br />

nunc<br />

paene miles.<br />

disseruit<br />

Ubi terrarum<br />

sumus?<br />

venis<br />

• Adverbien als Attribut<br />

Adverbien können in der Regel nur dann als Attribut zu einem Substantiv treten, wenn sie lediglich<br />

eine Eigenschaft des Substantivs steigern oder abschwächen. Solche Adverbien sind admodum,<br />

paene, plane und vere.<br />

Superior Africanus, T.Flaminius admodum<br />

adulescentes consules facti tantas res gesserunt,<br />

ut populi Romani imperium auxerint.<br />

[Phil.5,48]<br />

99<br />

Africanus der Ältere und Titus Flaminius haben,<br />

nachdem sie als noch ganz junge Männer Konsuln<br />

geworden waren, so große Taten vollbracht, dass<br />

sie das Reich des römischen Volkes vergrößerten.


100<br />

Als Nebensatz bezeichnet man eine Wortgruppe, die einen Satz im Satz bildet. Syntaktisch lassen<br />

sich die Nebensätze in Gliedsätze und Attributsätze unterteilen: Gliedsätze üben die Funktion<br />

eines Subjekts, Objekts oder Adverbiales aus, Attributsätze die Funktion eines Attributs.<br />

In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden die Nebensätze wie alle anderen Füllungsarten primär nach<br />

ihrer äußeren Erscheinung geordnet. Da das Merkmal eines Nebensatzes sein Verbindungswort<br />

zum Hauptsatz ist, unterscheiden wir zwischen dem abhängigen Fragesatz (eingeleitet durch ein<br />

Fragepronomen oder -adverb bzw. eine Fragepartikel), dem Relativsatz (eingeleitet durch ein<br />

Relativpronomen oder –adverb) und dem Subjunktionalsatz (eingeleitet durch eine Subjunktion).<br />

Abhängige Fragesätze üben meistens die Funktion eines Objekts oder Subjekts aus. Relativsätze<br />

sind dagegen gewöhnlich auf ein Substantiv „bezogen“, so dass sie syntaktisch gewöhnlich als<br />

Attribut fungieren. Subjunktionalsätze erläutern in den meisten Fällen die Umstände der<br />

Prädikatshandlung und verwirklichen somit ein Adverbiale.<br />

Die Satzglieder in Nebensätzen werden in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> "Binnensatzglieder"<br />

genannt, wenn die Abgrenzung gegenüber Satzgliedern des übergeordneten Satzes wichtig ist.


Ein abhängiger Fragesatz (auch „indirekter Fragesatz“) erläutert ein Verb oder ein Nomen durch<br />

den Inhalt einer Frage. Anders als im Deutschen können im Lateinischen nicht nur Verben des<br />

Fragens, sondern – durch Zusammenziehung zweier ursprünglich sebstständiger Sätze – auch<br />

Verben des Wissens und Sagens einen Frageinhalt von sich abhängig machen ("Scio, quid<br />

feceris." ist entstanden aus "Quid fecisti? Scio."). Abhängige Fragesätze sind innerlich abhängig,<br />

sie stehen also immer im Konjunktiv und folgen gewöhnlich - unter Beachtung der Nachzeitigkeit -<br />

der Consecutio temporum (Ausnahmen s. u).<br />

In einem abhängigen Fragesatz wird ein Sachverhalt als Ganzes („abhängige Satzfrage“) oder<br />

unter einem bestimmten Gesichtspunkt („abhängige Wortfrage“) vorgetragen:<br />

– abhängige Satzfrage:<br />

Quaero a vobis, num istam legem L.Lucullus<br />

consul tulerit.<br />

[Cluent.137]<br />

– abhängige Wortfrage:<br />

De Caesare ipso si quaereres, quidnam egisset<br />

in urbe et in toga, leges multas responderet se<br />

et praeclara tulisse<br />

[Phil.1,18]<br />

-ne<br />

ob<br />

Ich frage euch, ob der Konsul Lucius Lukullus<br />

dieses Gesetz eingebracht hat.<br />

Wenn du Caesar persönlich fragen würdest, was er<br />

denn in Rom als Politiker getan habe, würde er<br />

antworten, dass er viele herausragende Gesetze<br />

eingebracht habe.<br />

Interrogativpartikel: Abhängige Satzfragen<br />

num nonne (nach quaerere)<br />

an non<br />

(nach Ausdrücken des<br />

Nichtwissens und<br />

Zweifelns)<br />

si (nach Verben des<br />

Erwartens und<br />

Versuchens)<br />

an<br />

utrum … an …<br />

-ne … an …<br />

… an …<br />

ob nicht<br />

ob … oder<br />

Interrogativpronomina und -adverbien: Abhängige Wortfragen<br />

quis, quid wer quot wie viele<br />

qui, quae, quod welcher ubi wo<br />

uter, utra, utrum wer von beiden cur warum<br />

101<br />

quantus, a, um wie groß ut<br />

qualis, e wie beschaffen qu?<br />

quando wann quomodo<br />

Ein abhängiger Fragesatz verwirklicht als Erläuterung eines Prädikats ein Objekt oder Subjekt und<br />

als Erläuterung eines Nomens ein Attribut.<br />

wie


Objekt<br />

Nemo nostrum ignorat, quid proxima nocte<br />

egeris.<br />

Jeder von uns weiß, was du in der letzten Nacht<br />

getrieben hast.<br />

[Cat.1,1]<br />

Attribut<br />

Etiam poetae quaestionem attulerunt, quo<br />

different ab oratoribus.<br />

Sogar Dichter haben die Frage aufgeworfen,<br />

wodurch sie sich von Rednern unterschieden.<br />

[orat.66]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Ausdruck des Fragens (z.B. quaerere, quaestio, dubium est)<br />

– Ausdruck des Wissens (z.B. scire, nescire)<br />

– Ausdruck des Sagens (z.B. declarare, docere)<br />

– interest und refert<br />

Nemo nostrum<br />

quid proxima nocte egeris.<br />

Etiam poetae<br />

quaestionem<br />

quo different ab oratoribus.<br />

ignorat,<br />

attulerunt,<br />

• Abhängige Fragesätze, die nicht der Consecutio temporum folgen<br />

Dubitativer, potentialer und irrealer Sinn einer abhängigen Frage setzt sich in der Form durch,<br />

dass das Tempus nicht der Consecutio temporum , sondern den Regeln des Coniunctivus<br />

dubitativus, potentialis und irrealis folgt.<br />

Quaero a te, cur C. Cornelium non defenderem.<br />

[Vatin.5]<br />

Ich frage dich, warum ich Gaius Cornelius nicht<br />

hätte verteidigen sollen.<br />

• Interrogative Verschränkung<br />

Ein Interrogativsatz kann im Lateinischen – wie ein Relativsatz (relativische Verschränkung) – so<br />

mit einem untergeordneten AcI, einer Partizipialkonstruktion oder einem Nebensatz (meist einem<br />

Finalsatz) verschränkt werden, dass das untergeordnete Gefüge den Kasus des<br />

Interrogativpronomens bestimmt. Bei Verschränkung mit einem AcI empfiehlt sich eine<br />

von-Umschreibung oder eine Parenthese, bei Verschränkung mit einer Partizipialkonstruktion kann<br />

man diese in der Übersetzung zum Hauptsatz machen und den lateinischen Hauptsatz in der<br />

Übersetzung zu einem Nebensatz:<br />

– Interrogativpronomen als Teil eines AcI:<br />

Quem nostrum ignorare arbitraris, quid proxima<br />

nocte egeris?<br />

[Cat.1,1]<br />

– Interrogativpronomen als Teil einer Partizipialkonstruktion:<br />

Quibus rebus gestis, quo hoste superato<br />

contionem donandi ausus es?<br />

[Verr.2,3,185]<br />

– Interrogativpronomen als Teil eines Finalsatzes:<br />

M. Fonteium vos cum Gallis iugulare mavultis?<br />

Quid ut secuti esse videamini?<br />

[Font.32]<br />

102<br />

a) von-Umschreibung:<br />

Von wem von uns glaubst du, dass er nicht weiß,<br />

was du in der letzten Nacht getan hast?<br />

b) Parenthese:<br />

Wer von uns, glaubst du, weiß nicht, was …<br />

Welche Taten hattest du vollbracht, welchen<br />

Staatsfeind besiegt, dass du es wagtest, eine<br />

Volksversammlung einzuberufen, um Geschenke<br />

zu verteilen?<br />

Wollt ihr zusammen mit den Galliern Markus<br />

Fonteius lieber die Kehle durchschneiden? Damit<br />

ihr was erreicht zu haben scheint?


• Si nach Verben des Wartens und Versuchens<br />

Nach Verben des Wartens und Versuchens hat si die Bedeutung ob. Ein solcher Nebensatz steht<br />

immer im Konjunktiv, ist somit semantisch ein abhängiger Fragesatz und syntaktisch ein Objekt.<br />

Helvetii, si perrumpere possent, conati sunt.<br />

[Gall.1,8,4]<br />

Die Helvetier erprobten, ob sie durchbrechen<br />

könnten.<br />

• Nescio quis verwendet wie ein Indefinitpronomen<br />

Fragepronomina nach nescio leiten meistens keinen abhängigen Fragesatz ein, sondern bilden mit<br />

nescio eine Einheit, die einem Interrogativpronomen oder -adverb gleich kommt. S. dazu "Nescio<br />

quis".<br />

• Abhängiger Fragesatz als Korrelat zu einem substantivischen Pronomen<br />

Manchmal verweist ein substantivsches Pronomen (id, hoc, illud) auf einen abhängigen Fragesatz.<br />

Iam hoc considerate, cuius modi accusatores in<br />

tanto iudicio simus habituri.<br />

[div. in Caec.49]<br />

103<br />

Erwägt nun diesen Punkt, welche Ankläger wir in<br />

diesem so bedeutenden Prozess haben werden.


Ein Relativsatz ist ein Nebensatz, der durch ein Relativpronomen oder -adverb eingeleitet wird und<br />

dessen Bezugswort im übergeordneten Satz erläutert.<br />

Nach den Relativsatz einleitenden Wörtern und, falls vorhanden, ihren Korrelaten im<br />

übergeordneten Satz lassen sich folgende Relativsatzarten unterscheiden:<br />

- allgemeiner Relativsatz (qui, quae, quod; quicumque, quaecumque, quodcumque)<br />

- modaler Relativsatz (qualis, quale; qualiscumque, qualecumque)<br />

- lokaler Relativsatz (ubi; ubicumque)<br />

Eine Besonderheit des Lateinischen sind die verallgemeinernden Relativpronomina und<br />

–adverbien (quicumque, qualiscumque, ubicumque). Sie betonen, besonders bei fehlendem<br />

Bezugswort, die Unbestimmtheit des Relativpronomens oder –adverbs.<br />

Paradoxerweise gibt es auch Relativsätze, denen ein konkreter Bezug fehlt. Damit sind nicht die<br />

"freien Relativsätze" gemeint, zu denen sich leicht ein Bezugswort im übergeordneten Satz denken<br />

lässt, sondern z.B. die "weiterführenden Relativsätze" der deutschen Grammatik (Das Wasser<br />

floss immer schlechter ab, was zu einer Überschwemmung führte.). Solche Relativsätze heißen in<br />

der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> "absolute Relativsätze".<br />

Allgemeiner Relativsatz<br />

Ein allgemeiner Relativsatz ist ein Nebensatz, den ein einfaches oder verallgemeinerndes<br />

Relativpronomen oder -adverb einleitet.<br />

qui, quae, quod<br />

welcher, welche, welches,<br />

der, die, das,<br />

wer, was (bei fehlendem Bezugswort)<br />

104<br />

Relativpronomina: Allgemeiner Relativsatz<br />

e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />

quicumque, quaecumque, quodcumque<br />

wer, welche, was auch immer<br />

quisquis, quidquid (nur in diesen Formen)<br />

jeder,der / alles, was<br />

quoquo modo (nur in dieser Form)<br />

wie auch immer<br />

Gewöhnlich fungiert der Relativsatz als Attribut zu einem Bezugswort im übergeordneten Satz.<br />

Wenn er jedoch zugleich dessen Prädikat erläutert (in finalem, konsekutivem, kausalem oder<br />

konzessivem Sinn), übt er die Funktion eines attributiven Adverbiales aus. Falls im<br />

übergeordneten Satz kein Bezugswort steht, aber hinzuzudenken ist („freier Relativsatz“),<br />

übernimmt der allgemeine Relativsatz die Rolle eines Subjekts oder Objekts.


Attribut<br />

Boios, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum<br />

Noricum transierant, socios sibi adsciscunt.<br />

Die Boier, die jenseits des Rheins gewohnt<br />

hatten, gewannen sie als Verbündete.<br />

[Gall.1,5,4]<br />

Attributives Adverbiale<br />

Mihi tribunorum plebis potestas pestifera videtur,<br />

quippe quae in seditione et ad seditionem nata<br />

sit.<br />

Mir erscheint die Amtsgewalt der Volkstribunen<br />

verderblich, die ja im Aufruhr und für den Aufruhr<br />

geschaffen wurde.<br />

[leg.3,19]<br />

Subjekt<br />

Qui sensum verae gloriae cepit, nihil cum hac<br />

gloria comparandum putat.<br />

Wer Geschmack an wahrem Ruhm gefunden<br />

hat, hält nichts für vergleichbar mit diesem<br />

Ruhm. [Phil.5,49]<br />

• Konjunktiv im Relativsatz<br />

Konjunktiv im Relativsatz kann folgende Gründe haben:<br />

– Indirekte Rede (s. dazu "Konjunktiv in indirekter Rede")<br />

Caesar respondit, eo minus dubitationis sibi dari,<br />

quod eas res, quas commemoravis-set,<br />

memoria teneret.<br />

[Gall.1,14,1]<br />

Boios, qui trans Rhenum<br />

incoluerant ... transierant<br />

socios<br />

sibi adsciscunt.<br />

Mihi<br />

tribunorum plebis potestas<br />

quippe quae in seditione et<br />

ad seditionem nata sit.<br />

Qui sensum verae gloriae<br />

cepit,<br />

pestifera<br />

videtur,<br />

nihil cum hac gloria<br />

compar. putat.<br />

Caesar antwortete, dass ihm umso weniger Anlass<br />

zum Zweifel gegeben werde, als er diese<br />

Angelegenheiten, die er (Divico) erwähnt habe,<br />

kenne.<br />

– Attractio modi (s. dazu „Indikativische Übersetzung lateinischer Nebensatz-Konjunktive")<br />

Hortensi memoria fuit tanta, ut, quae secum<br />

commentatus esset, ea sine scripto iisdem<br />

verbis redderet, quibus cogitavis-set.<br />

[Brut.301]<br />

– Bezeichnung finalen Sinns:<br />

Helvetii legatos ad Caesarem mittunt, qui<br />

dicerent, sibi esse in animo sine ullo maleficio<br />

iter per provinciam facere.[Gall.1,7,3]<br />

– Bezeichnung konsekutiven Sinns:<br />

Hic, hic sunt in nostro numero, patres conscripti,<br />

qui de nostro omnium interitu cogitent!<br />

[Cat.1,9]<br />

105<br />

Das Gedächtnis des Hortensius war so gut, dass er<br />

das, was er sich ausgedacht hatte, ohne<br />

schriftliche Gedächtnisstütze mit denselben Worten<br />

vortragen konnte, mit denen er es sich<br />

ausgedacht hatte.<br />

Die Helvetier schickten Gesandte zu Caesar,<br />

die sagen sollten, / damit sie sagten,<br />

dass sie vorhätten, ohne Verbrechen ihren Weg<br />

durch die Provinz zu nehmen.<br />

Hier, hier in unserem Kreis, ihr Senatoren, gibt es<br />

Leute, die an die Vernichtung von uns allen<br />

denken!


Möglicher Indikator im übergeordneten Satz für einen konsekutiven Sinn des Relativsatzes ist<br />

z.B. tam, talis, tantus, ein Ausdruck des Vorhandenseins (z.B. sunt, qui; nemo est, qui; nihil est,<br />

quod oder ein Ausdruck des Würdig- oder Geeignetseins dignus, qui; indignus, qui; aptus, qui;<br />

idoneus, qui).<br />

– Bezeichnung kausalen Sinns:<br />

Ferrei sumus, patres conscripti, qui quicquam<br />

Antonio negemus.<br />

[Phil.8,25]<br />

Wir sind stahlhart, Senatoren,<br />

die wir ja Antonius irgendetwas abschlagen. /<br />

da wir Antonius irgendetwas abschlagen.<br />

Um den kausalen Sinn zu signalisieren, steht in einem kausalen Relativsatz manchmal eine<br />

Kausalpartikel vor dem Relativpronomen (ut / utpote qui, quippe qui, praesertim qui)<br />

– Bezeichnung konzessiven Sinns:<br />

Ego, qui sero ac leviter Graecas litteras<br />

attigissem, tamen, cum pro consule in Ciliciam<br />

proficiscens venissem Athenas, compluris ibi<br />

dies sum commoratus.<br />

[de orat.1,82]<br />

Obwohl ich erst spät und nur oberflächlich mit der<br />

griechischen Bildung in Berührung gekommen bin,<br />

habe ich mich doch, als ich – in der Funktion eines<br />

Prokonsuls unterwegs nach Kilikien – nach Athen<br />

gekommen war, mehrere Tage lang dort<br />

aufgehalten.<br />

Möglicher Indikator im übergeordneten Satz für einen konzessiven Sinn des Relativsatzes ist<br />

tamen.<br />

• Indikativ nach verallgemeinerndem Relativpronomen<br />

Im Deutschen wird die Unbestimmtheit eines lateinischen verallgemeinernden Relativpronomens<br />

zusätzlich durch Konjunktiv oder das Modalverb mögen wiedergegeben, im Lateinischen steht der<br />

Indikativ:<br />

Ergo is, quisquis est, qui moderatione et constanti?<br />

quietus animo est, is est sapiens.<br />

[Tus.4,37]<br />

Also ist derjenige, wer auch immer es sein mag,<br />

der in Bescheidenheit und Standhaftigkeit innerlich<br />

ruhig ist, weise.<br />

• Bezugswort vor, nach oder im Relativsatz<br />

Die Position des Bezugswortes eines Relativsatzes kann ganz verschieden sein:<br />

– Bezugswort vor dem Relativsatz (Normalfall)<br />

Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum<br />

unam incolunt Belgae.<br />

[Gall.1,1,1]<br />

Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt,<br />

von welchen den einen die Belger bewohnen.<br />

– Bezugswort nach dem Relativsatz (häufig bei Demonstrativpronomen als Bezugswort)<br />

Caesar, quorum per fines Helvetii ierant, iis, ut<br />

reducerent, imperat.<br />

[Gall.1,28,1]<br />

– Bezugswort im Relativsatz,<br />

wenn der Relativsatz vorausgeht:<br />

Quae pars civitatis Helvetiae insignem<br />

calamitatem populo Romano intulerat, ea<br />

princeps poenas persolvit.<br />

[Gall.1,12,6]<br />

106<br />

Caesar befahl den Stämmen, durch deren Gebiete<br />

die Helvetier gezogen waren, sie zurückzuführen.<br />

Der helvetische Stammesteil, der dem römischen<br />

Volk eine berühmte Niederlage beigebracht hatte,<br />

büßte als erster.


wenn das Bezugswort ein Superlativ ist:<br />

Agamemno cum devovisset Dianae, quod in<br />

suo regno pulcherrimum natum esset illo<br />

anno, immolavit Iphigeniam.<br />

[off.3,95]<br />

Da Agamemnon Diana das Schönste gelobt<br />

hatte, was in seinem Reich in jenem Jahr<br />

geboren worden sei, opferte er Iphigenie.<br />

wenn das Bezugswort eine Apposition zu einem Wort im übergeordneten Satz wäre:<br />

Fines Santonum non longe a Tolosatium finibus<br />

absunt, quae civitas est in provincia.<br />

[Gall.1,10,1]<br />

wenn der Relativsatz eine Begründung enthält:<br />

Copiam sententiarum et verborum, quae vestra<br />

prudentia est, perspexistis.<br />

[Cael.45]<br />

Das Gebiet der Santonen ist nicht weit vom Gebiet<br />

der Tolosaten entfernt, ein Stamm, der in der<br />

Provinz lebt.<br />

Den Reichtum an Gedanken und an Worten habt<br />

ihr bei eurer Klugheit sicher erkannt.<br />

– Bezugswort vor und im Relativsatz (zur besonderen Betonung des Bezugswortes)<br />

Helvetii diem dicunt, qua die ad ripam Rhodani<br />

omnes conveniant.<br />

[Gall.1,6,4]<br />

Die Helvetier vereinbarten einen Termin, an dem<br />

sie alle am Ufer der Rhone zusammen kommen<br />

sollten.<br />

• Relativische Verschränkung<br />

Ein Relativsatz kann im Lateinischen so mit einem untergeordneten AcI, einer<br />

Partizipialkonstruktion oder einem beliebigen Nebensatz verschränkt werden, dass das<br />

untergeordnete Gefüge den Kasus des Relativpronomens bestimmt. Dies wird im Fall eines<br />

Nebensatzes dann zu einem Übersetzungsproblem, wenn die vom Relativpronomen gemeinte<br />

Person im verkürzten Relativsatz gar keine Rolle mehr spielt.<br />

Im Fall eines AcI oder einer Partizipialkonstruktion kann die relativische Verschränkung durch eine<br />

Umschreibung, eine Parenthese oder ein Adverb wiedergegeben werden:<br />

– Relativpronomen als Teil eines AcI:<br />

In eos, quos speramus nobis profuturos, non<br />

dubitamus officia conferre.<br />

[off.1,48]<br />

– Relativpronomen als Teil einer Partizipialkonstruktion:<br />

Non sunt ea bona habenda, quibus abundantem<br />

licet esse miserrimum.<br />

[Tusc.5,44]<br />

Wir zögern nicht auf diejenigen,<br />

von denen wir hoffen, dass sie uns nützen werden,<br />

/<br />

die – wie wir hoffen – uns nützen werden, /<br />

die uns hoffentlich nützen werden,<br />

Aufgaben zu übertragen.<br />

Man darf diese Dinge nicht für Güter halten, die<br />

man im Überfluss besitzen und dennoch höchst<br />

unglücklich sein kann.<br />

Im Fall eines Nebensatzes besteht für die Übersetzung ein großer Unterschied zwischen<br />

semantisch nicht notwendigen und semantisch notwendigen Relativsätzen (besonders nach einem<br />

vorausgehenden Pronomen): Semantisch nicht notwendige lassen sich wie relativische<br />

Satzanschlüsse behandelt, semantisch notwendige können jedoch nicht vom Vorsatz abgetrennt<br />

werden und müssen deshalb häufig ganz frei übersetzt werden:<br />

– Relativpronomen als Teil eines semantisch nicht notwendigen Relativsatzes:<br />

Errare malo cum Platone, quem tu quanti facias<br />

scio.<br />

[Tusc.1,39]<br />

107<br />

Ich will lieber mit Platon irren. Wie hoch du diesen<br />

schätzt, weiß ich.


– Relativpronomen als Teil eines semantisch notwendigen Relativsatzes:<br />

Iis etiam Antonius praemia postulat, quibus ut<br />

ignoscatur si postulet, impudentissimus<br />

iudicetur.<br />

[Phil.8,25]<br />

Antonius fordert auch für diejenigen Belohnungen,<br />

für die er keine Begnadigung fordern kann, ohne<br />

als äußerst unverschämt eingeschätzt zu werden.<br />

Lokaler Relativsatz<br />

Ein lokaler Relativsatz erläutert eine Ortsangabe (z. B. locus, fines, ibi, inde, eo) im<br />

übergeordneten Satz. Selten kommt es vor, dass das Bezugswort lediglich hinzuzudenken ist<br />

("Freier Relativsatz").<br />

ubi<br />

wo<br />

unde<br />

von wo<br />

quo<br />

wohin<br />

Relativadverbien: Lokaler Relativsatz<br />

e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />

ubicumque<br />

wo auch immer<br />

undecumque<br />

von wo auch immer<br />

quocumque<br />

wohin auch immer<br />

Wenn ein Bezugswort im übergeordneten Satz steht, verwirklicht der lokale Relativsatz ein Attribut.<br />

Wenn kein Bezugswort im übergeordneten Satz steht, hängt die syntaktische Funktion des lokalen<br />

Relativsatzes vom übergeordneten Verb ab: Als Ergänzung zu einem transitiven Verb fungiert er<br />

als Objekt, als Erläuterung zu einem intransitiven Verb als Adverbiale.<br />

Attribut zu einem Nomen<br />

Is locus, ubi Helvetii constiterunt, ex calamitate<br />

populi R. nomen excipiet.<br />

Dieser Ort, wo die Helvetier halt gemacht haben,<br />

wird von einer Niederlage des römischen Volkes<br />

seinen Namen erhalten.<br />

[Gall.1,137]<br />

Attribut zu einem Adverb<br />

Ibi erunt Helvetii, ubi eos constituerit.<br />

Die Helvetier werden dort leben, wo Caesar sie<br />

ansiedelt.<br />

[vgl. Gall.1,13,2]<br />

108<br />

Is locus,<br />

ubi Helvetii constiterunt,<br />

ex calamitate<br />

populi Romani<br />

nomen<br />

Ibi<br />

ubi eos Caesar constituerit.<br />

Helvetii,<br />

capiet.<br />

erunt


Objekt (Ergänzung eines transitiven Verbs)<br />

Habes, ubi ostentes tuam illam praeclaram<br />

patientiam famis.<br />

Du hast einen Ort, wo du dein weltberühmtes<br />

Aushalten von Hunger zeigen kannst .<br />

[Cat.1,26]<br />

Adverbiale (Erläuterung eines intransitiven<br />

Verbs)<br />

Ibis tandem aliquando, quo te iam pridem ista tua<br />

cupiditas effr. rapiebat.<br />

Du wirst endlich einmal dorthin gehen, wohin<br />

dich schon lange diese deine zügellose Lust zog.<br />

[Cat.1,25]<br />

ubi ostentes ... famis.<br />

tandem aliquando,<br />

quo te iam pridem tua ista<br />

cupiditas ... rapiebat.<br />

Vergleichender Relativsatz<br />

Habes,<br />

Ein vergleichender Relativsatz erläutert, anders als der allgemeine Relativsatz, nur einen<br />

bestimmten Aspekt des Bezugswortes im übergeordneten Satz. Welcher Gesichtspunkt im<br />

Relativsatz näher betrachtet wird, kann man am entsprechenden Korrelat erkennen: Talis und tam<br />

weisen auf eine Erläuterung der Beschaffenheit hin, tantus lässt einen Größenvergleich erwarten,<br />

tot und toties zielen auf die Häufigkeit und tantopere zieht eine Beschreibung der Intensität nach<br />

sich.<br />

talis, tale<br />

so beschaffen<br />

Relativpronomina und -adverbien: Vergleichender Relativsatz<br />

Korrelat e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />

tam (bei Adj. o. Adv.)<br />

so<br />

non tam<br />

nicht so sehr<br />

tantus, a, um<br />

so groß<br />

tot<br />

so viele<br />

totiens, toties<br />

so oft<br />

tantum<br />

so viel<br />

tantopere<br />

so sehr<br />

eo<br />

desto<br />

qualis, quale<br />

wie<br />

quam<br />

wie<br />

quam<br />

als vielmehr<br />

quantus, a, um<br />

wie<br />

quot<br />

wie<br />

quotie(n)s<br />

wie<br />

quantum<br />

wie<br />

quantopere<br />

wie<br />

quo<br />

je, um so<br />

109<br />

qualiscumque, qualecumque<br />

wie auch immer<br />

Ibis<br />

quantuscumque, quantacumque, quantumcumque<br />

wie groß auch immer<br />

quotquot, quotcumque<br />

wie viele auch immer


tanto<br />

desto<br />

Relativpronomina und -adverbien: Vergleichender Relativsatz<br />

Korrelat e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />

quanto<br />

je, um so<br />

Ein vergleichender Relativsatz verwirklicht ein Attribut zu einem Korrelat, das seinerseits als<br />

Attribut oder Adverbiale fungiert.<br />

Attribut zu einem Attribut<br />

Princeps philosophiae affirmabat, qualis homo<br />

ipse esset, talem eius esse orationem.<br />

Der bedeutendste Philosoph versicherte, dass<br />

die Redeweise eines Menschen so beschaffen<br />

sei wie er selbst. [Tusc.5,47]<br />

Attribut zu einem Adverbiale<br />

Quantopere eorum animi magnitudinem<br />

admiratus est, tantopere arrogantiam<br />

reprehendit.<br />

Wie sehr er (Caesar) auch ihren Mut<br />

bewunderte, so sehr tadelte er ihre Anmaßung.<br />

[Gall.7,52,3]<br />

Princeps philosophiae<br />

qualis homo ipse esset,<br />

talem eius esse orationem.<br />

Quantopere ... admir. est,<br />

tantopere<br />

affirmabat,<br />

arrogantiam reprehendit.<br />

• Vergleichender Relativsatz und Vergleichssatz<br />

Ein vergleichender Relativsatz erläutert exakt den Aspekt (Beschaffenheit, Größe, Häufigkeit oder<br />

Intensität), auf den im übergeordneten Satz durch ein bedeutungsvolles Korrelat hingewiesen wird.<br />

Ein Vergleichssatz erläutert dagegen nicht einen bestimmten Aspekt des Bezugswortes, sondern<br />

das Bezugswort selbst. Zwar kann auch im übergeordneten Satz eines Vergleichssatzes ein<br />

Korrelat stehen (ita/sic -so), aber dabei handelt es sich nur um ein bedeutungsleeres präparatives<br />

Adverb .<br />

Formal unterscheiden sich beide Nebensatzarten dadurch, dass der vergleichende Relativsatz von<br />

einem Relativpronomen oder -adverb eingeleitet wird, der Vergleichssatz dagegen von einer<br />

Subjunktion:<br />

– vergleichender Relativsatz (erläutert einen Aspekt - tanta - des Bezugswortes)<br />

Est tanta in te auctoritas, quanta<br />

debet in homine nobilissimo.<br />

[Phil.13,15]<br />

– Vergleichssatz (erläutert das Bezugswort - sustulisti - selbst)<br />

Ut neminem patricium Manlium Marcum vocari<br />

licet, sic tu nomen dictatoris funditus sustulisti.<br />

[Phil.1,32]<br />

110<br />

Du (Lepidus) genießest ein so großes Ansehen, wie es bei<br />

einem Hochadligen sein muss.<br />

Wie sich kein patrizischer Manlier "Marcus" nennen<br />

darf, so hast du den Namen "Diktator" ganzlich<br />

getilgt.<br />

• Atque/ac und quam nach Ausdrücken der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit<br />

Ähnlich wie ein vergleichendes Relativpronomen oder -adverb leiten atque/ac und quam die<br />

Erläuterung eines bestimmten Aspekts ein, auf den im übergeordneten Satz durch einen Ausdruck<br />

der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit (quam nur danach) hingewiesen wird. Auch diese<br />

Nebensätze haben die syntaktische Funktion eines Attributs.


Neque vero Brutum similiter, atque ipse eram,<br />

commotum esse vidi.<br />

[Phil.1,9]<br />

Quid de vestro iure et religione contra, quam<br />

proposueram, disputo?<br />

[dom.122)<br />

Tum Liscus proponit: Esse nonnullos, qui privatim<br />

plus possint quam ipsi magistratus.<br />

[Gall.1,17,1]<br />

Aber ich sah, dass Brutus durchaus nicht in<br />

ähnlicher Weise erschüttert war, wie ich selbst es<br />

war.<br />

Warum spreche ich anders, als ich angekündigt<br />

hatte, über eure Satzung und euren Kult?<br />

Da sagte Liscus: Es gebe einige, die als<br />

Privatpersonen mehr Einfluss hätten als selbst die<br />

Beamten.<br />

Ausdrücke der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit:<br />

- Gleichheit:<br />

idem (derselbe), aequus (gleich), aeque (gleich), par (gleich), pariter (gleich) - atque/ac (wie)<br />

- Ähnlichkeit:<br />

similis (ähnlich), similiter (ähnlich) - atque/ac (wie)<br />

- Verschiedenheit:<br />

alius (ein anderer), aliter (anders), contrarius (entgegengesetzt), contra - atque/ac/quam (als /<br />

zum);<br />

Adjektive und Adverbien im Komparativ - quam (als)<br />

(Nach komparativischen Verben hat quam ebenfalls die Bedeutung als, leitet jedoch keinen<br />

ver-gleichenden Relativsatz ein.)<br />

Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen das gleiche Prädikat nicht gern wiederholt, so dass<br />

statt eines vollständigen vergleichenden Relativsatzes häufig nur ein Vergleich steht:<br />

Hi (dei) coluntur aeque atque illi.<br />

[nat.deor.3,45]<br />

Diese (Götter) werden gleich wie jene verehrt.<br />

• Quam beim Superlativ: möglichst<br />

Bei einem Adjektiv oder Adverb im Komparativ bedeutet quam möglichst. Gewöhnlich ist der<br />

Superlativ, der durch den quam-Satz erläutert wird, in den quam-Satz hineingezogen, so dass<br />

dieser frei übersetzt werden muss. Syntaktisch verwirklicht ein quam-Satz mit hineingezogenem<br />

Superlativ ein Adverbiale. Statt eines vollständigen quam-Satzes mit Prädikat steht häufig nur<br />

quam bei Superlativ.<br />

Caesar, quam maximis potest itineribus, in Galliam<br />

ulteriorem contendit.<br />

[Gall.1,7,1]<br />

Prospicere debemus, ut liberorum pueritia quam<br />

firmissimo praesidio munita sit.<br />

[Verr.2,1,153]<br />

111<br />

Caesar begab sich, so schnell er konnte, nach<br />

Gallia ulterior.<br />

Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugendzeit der<br />

Kinder durch einen möglichst starken Schutz<br />

gesichert ist.<br />

Absoluter Relativsatz<br />

Ein absoluter Relativsatz ist ein Relativsatz, der sich nur inhaltlich auf den übergeordneten Satz<br />

bezieht (deshalb wird er auch "Satzapposition" genannt"), syntaktisch jedoch unabhängig von ihm<br />

ist. Er hat kein – auch kein sinngemäß zu ergänzendes – Bezugswort im übergeordneten Satz und<br />

verwirklicht ein Adverbiale.


Adverbiale<br />

Sapientes soli - quod est proprium divitiarum -<br />

contenti sunt suis rebus.<br />

Nur die Weisen sind - was sonst ein<br />

Kennzeichen von Reichtum ist - mit ihrem Hab<br />

und Gut zufrieden.<br />

[parad. 52]<br />

Sapientes<br />

soli<br />

- quod est proprium<br />

divitiarum -<br />

contenti sunt<br />

suis rebus<br />

• Arten des absoluten Relativsatzes<br />

Bei den absoluten Relativsätzen kann man folgende Arten unterscheiden:<br />

– einschränkendes quod (mit Konjunktiv) und quantum (mit Indikativ)<br />

Ein einschränkender Relativsatz schränkt die Aussage des übergeordneten Satzes ein. Er wird<br />

mit quod eingeleitet und steht im Konjunktiv, der im Deutschen jedoch nicht wiedergegeben<br />

wird. Alternativ kann quantum mit Indikativ stehen:<br />

Epicurus se unus, quod sciam, sapientem<br />

profiteri ausus est.<br />

[fin.2,7].<br />

Quae nemo adhuc docuerat, ea, quantum<br />

potui, feci ut essent nota nostris.<br />

[ac.1,8]<br />

Epikur wagte als einziger, soweit ich weiß, sich<br />

weise zu nennen.<br />

Ich habe daran gearbeitet, so gut ich konnte, dass<br />

diese Themen, die niemand zuvor gelehrt hatte,<br />

unseren Landsleuten bekannt wurden.<br />

– Satzapposition mit quod, id quod und quae res<br />

Wenn sich das Relativpronomen nicht auf ein Bezugswort im übergeordneten Satz, sondern auf<br />

diesen im Ganzen bezieht, bildet der Relativsatz eine Satzapposition ("weiterführender<br />

Relativsatz"):<br />

Si tu, quod te iam dudum hortor, exieris,<br />

exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et<br />

perniciosa sentina rei publicae.<br />

[Cat.1,12]<br />

Wenn du, wozu ich dich schon lange auffordere,<br />

Rom verlässt, werden deine Gefährten, der große<br />

und verderbliche Abschaum des Staates,<br />

abgeschöpft werden.<br />

– Vorausgehender quod-Satz ohne Bezugswort: was das anbelangt, dass / wenn<br />

Wenn quod ohne Bezugswort am Satzanfang steht, greift es häufig einen Gedanken auf. Es<br />

kann dann mit was das anbelangt, dass … oder mit wenn … übersetzt werden und der<br />

übergeordnete Satz lässt sich mit so wisse anschließen. Ob quod in diesem Fall noch als<br />

Relativpronomen oder schon als Subjunktion zur Einleitung eines Kausalsatzes des Inhalts zu<br />

verstehen ist, lässt sich nicht entscheiden.<br />

Caesar legatis Helvetiis respondet: Num<br />

recentium iniuriam memoriam deponere posse?<br />

Quod sua victoria tam insolenter gloriarentur,<br />

eodem pertinere.<br />

[Gall.1,14,4]<br />

112<br />

Caesar antwortete den helvetischen Gesandten:<br />

Ob er etwa die Erinnerung an ihre jüngstes Unrecht<br />

ablegen könne Wenn sie mit ihrem (früheren) Sieg<br />

so unverschämt prahlten, gehöre das zur gleichen<br />

Zumutung.


Der Begriff "Sub-junktion" verweist mit seinen lateinischen Bestandteilen darauf, dass eine<br />

Subjunktion einen Teilsatz mit einem anderen Teilsatz durch Unterordnung verbindet. Ähnlich<br />

sollen auch die Bezeichnungen "Nebensatz" und "Binnensatzglieder" auf die syntaktische<br />

Eingebundenheit in einen übergeordneten Satz hinweisen. Alle diese Begriffe zeugen jedoch<br />

lediglich von einer syntaktischen Hierarchie - der inhaltliche Schwerpunkt eines Satzes liegt häufig<br />

gerade im Subjunktionalsatz.<br />

Meistens nennen Subjunktionalsätze Umstände der Prädikatshandlung und verwirklichen somit ein<br />

Adverbiale. Es gibt jedoch unter ihnen eine Gruppe, die häufig auch die syntaktische Funktion<br />

eines Objekts, Subjekts oder Attributs ausüben kann. Wenn Kausalsätze, Finalsätze,<br />

Konsekutivsätze und quin-Sätze nicht einen Umstand zur Prädikatshandlung bezeichnen (weil,<br />

damit, so dass, ohne dass), sondern den Inhalt der Prädikatshandlung nennen (dass-Sätze), sind<br />

sie syntaktisch nicht Adverbiale, sondern Objekte, Subjekte oder Attribute. Dieser Unterschied ist<br />

in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> dadurch berücksichtigt, dass innerhalb des Kausalsatzes<br />

differenziert wird zwischen dem Kausalsatz des Grundes (Adverbiale) und Kausalsatz des<br />

erklärenden Inhalts (Objekt, Subjekt oder Attribut), innerhalb des Finalsatzes zwischen Finalsatz<br />

der Absicht (Adverbiale) und Finalsatz des begehrten, befürchteten und verhinderten Inhalts<br />

(Objekt, Subjekt oder Attribut) sowie innerhalb des Konsekutivsatzes zwischen Konsekutivsatz der<br />

Folge (Adverbiale) und Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts (Objekt, Subjekt oder Attribut).<br />

Kausalsatz<br />

Ein Kausalsatz erläutert ein Prädikat durch einen Grund (weil) oder einen erklärenden Inhalt<br />

(dass).<br />

Kausalsatz des Grundes (Adverbiale)<br />

Ein Kausalsatz des Grundes bezeichnet einen realen oder lediglich hypothetischen und<br />

abgelehnten Grund für eine Prädikatshandlung.<br />

– realer Grund:<br />

Quia natura mutari non potest, idcirco verae<br />

amicitiae sempiternae sunt.<br />

[Lael.32]<br />

– lediglich hypothetischer und abgelehnter Grund:<br />

Acta Caesaris servanda censeo, non quo<br />

probem, sed quia rationem habendam maxime<br />

arbitror pacis atque otii.<br />

[Phil.1,16]<br />

113<br />

Weil sich unsere Wesensart nicht verändert,<br />

deshalb dauern wahre Freundschaften ewig.<br />

Ich bin der Meinung, dass die Anordnungen<br />

Caesars eingehalten werden sollten – nicht als ob<br />

ich sie gut fände, sondern weil ich glaube, dass wir<br />

auf Frieden und Ruhe größte Rücksicht nehmen<br />

sollten.


Subjunktionen: Kausalsatz des Grundes<br />

quod [quod causale] weil Indikativ<br />

quia weil<br />

quoniam da ja<br />

quandoquidem da ja nun einmal<br />

siquidem da doch<br />

(praesertim/quippe/utpote) cum [causale] (zumal) da Konjunktiv<br />

non quo / non quod nicht als ob<br />

Der Kausalsatz des Grundes verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Adverbiale<br />

Horum omnium fortissimi sunt Belgae propterea,<br />

quod a cultu atque humanitate provinciae<br />

longissime absunt.<br />

Die tapfersten von diesen allen sind die Belger<br />

deswegen, weil sie von der Kultur und Zuvilisation<br />

der Provinz am weitesten entfernt sind.<br />

[Gall.1,1,3]<br />

Belgae<br />

propterea,<br />

quod a cultu ... absunt.<br />

Horum ... sunt<br />

• Mögliche Kausalsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />

propterea/ideo/idcirca deswegen eo minus um so weniger<br />

eo magis um so mehr ob eam rem deswegen<br />

eo ipso gerade deswegen<br />

Kausalsatz des erklärenden Inhalts (Objekt oder Subjekt)<br />

Ein Kausalsatz des erklärenden Inhalts erläutert eine – eventuell um ein Adverb erweiterte –<br />

Prädikatshandlung durch eine Tatsache.<br />

Subjunktion: Kausalsatz des erklärenden Inhalts<br />

quod [faktisches quod] dass Indikativ<br />

Der Kausalsatz des erklärenden Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />

Subjekt<br />

Accidit perincommode, quod Quintum fratrem<br />

nusquam vidisti.<br />

Es war sehr bedauerlich, dass du meinen Bruder<br />

Quintus nirgends gesehen hast.<br />

[Att.1,17,2]<br />

114<br />

perincommode<br />

quod Quintum fratrem<br />

nusquam vidisti.<br />

Accidit


• Erläuterte Wörter<br />

– unpersönliches accidit/evenit/fit + beurteilendes Adverb:<br />

Bene accidit, quod Es trifft sich gut, dass<br />

ades.<br />

du da bist.<br />

– Verben des Hinzukommens und Übergehens:<br />

Accessit etiam, quod<br />

pars equitatus<br />

Usipe-tum se in fines<br />

Sugam-brorum<br />

receperat.<br />

[Gal.4.16.2]<br />

Hinzu kam noch, dass<br />

sich ein Teil der<br />

Reite-rei der Usipeter<br />

ins Gebiet der<br />

Sugambrer<br />

zurückgezogen hatte.<br />

Nach Verben des Hinzukommens und<br />

Überge-hens kann auch ein Konsekutivsatz des<br />

sich ergebenden Inhalts stehen (ut), obwohl<br />

diese Nebensätze nicht wirklich eine Folge des<br />

überge-ordneten Satzes bezeichnen.<br />

– Verben des Gefühls sowie des Dankens, Lobens und Tadelns wie:<br />

gaudere, laetari sich freuen Nach Verben des Gefühls bezeichnet der<br />

lugere, dolere trauern<br />

quod-Satz ein Ereignis objektiver Art, ein AcI<br />

indignari empört sein<br />

dagegen ein subjektiv wahrgenommenes und<br />

aegre/graviter/moleste ärgerlich sein empfun-denes Ereignis. Meistens ist dieser<br />

ferre<br />

Unterschied kaum erkennbar (bei Cicero<br />

mirari sich wundern überwiegt der AcI).<br />

admirari bewundern<br />

gratias agere Dank sagen<br />

gratiam habere dankbar sein<br />

gratiam referre Dank abstatten<br />

laudare loben<br />

reprehendere tadeln<br />

accusare anklagen aber:arguere mit AcI<br />

• Konjunktiv im Kausalsatz des erklärenden Inhalts<br />

Konjunktiv steht dann im Kausalsatz des erklärenden Inhalts, wenn die Erklärung stark subjektiven<br />

Charakter hat:<br />

Theophrastus naturam accusavit, quod hominibus<br />

tam exiguam vitam dedisset.<br />

[Tusc.3,69]<br />

Theophrast klagte die Natur an, dass sie den<br />

Menschen ein so kurzes Leben gegeben habe.<br />

• Kausalsatz des erklärenden Inhalts mit präparativem Pronomen oder Explikativsatz?<br />

Wenn ein Pronomen Mittlerfunktion zwischen einem Verb, das gewöhnlich durch quod-Satz<br />

erläutert wird, und dem quod Satz hat, liegt ein Kausalsatz des erklärenden Inhalts mit<br />

präparativem Pronomen ("uneigentlicher Explikativsatz") vor.<br />

Illud imprimis mihi laetanmodo iure esse video,<br />

quod mihi causa talis oblata est, in qua oratio<br />

deesse nemini possit.<br />

[Manil.3]<br />

Ich erkenne, dass ich mich mit gutem Grund<br />

besonders darüber freuen muss, dass mir ein Fall<br />

angetragen wurde, bei dem niemandem der<br />

Redestoff ausgehen kann.<br />

Wenn der quod-Satz nach einem Pronomen aus syntaktischen oder semantischen Gründen<br />

jedoch nicht als Subjekt oder Objekt des Prädikats (oder Binnenprädikats) verstanden werden<br />

kann, handelt es sich um einen Explikativsatz.<br />

– Beispiel 1: Der quod-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu differre sein, da in diesem Satz<br />

Galli Subjekt ist und differre in der Bedeutung sich unterscheiden intransitiv gebraucht wird<br />

(syntaktischer Grund):<br />

Galli hoc ab reliquis differunt, quod suos<br />

li-beros palam ad se adire non patiuntur.<br />

[de orat.3,150]<br />

115<br />

Die Gallier unterscheiden sich von den anderen<br />

Menschen dadurch, dass sie nicht erlauben, dass<br />

ihre Kinder in der Öffentlichkeit auf sie zugehen.


– Beispiel 2: Der quod-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu probo sein, da probare sonst durch<br />

AcI erläutert wird (semantischer Grund):<br />

Minime vero illud probo, quod dicitis initia<br />

proponi necesse esse apta et accomodata<br />

naturae, quorum ex selectione virtus possit<br />

exsistere.<br />

[fin.1,4,46]<br />

Keinesfalls aber billige ich jenes, nämlich dass<br />

ihr sagt, man müsse sich naturgemäße<br />

Vorstufen vorstellen, aus deren Wahl die Tugend<br />

hervorgehen könne.<br />

Finalsatz<br />

Ein Finalsatz nennt eine Absicht (damit; um zu) oder einen begehrten Inhalt (dass).<br />

• Verneinung im Lateinischen bei der Subjunktion und im Deutschen beim Pronomen oder<br />

Adverb<br />

Im negativen Finalsatz wird im Lateinischen die Subjunktion verneint, im Deutschen dagegen das<br />

Pronomen oder Adverb:<br />

Decrevit quondam senatus, uti L. Opimius consul<br />

videret, nequid res publica detrimenti caperet.<br />

[Cat.1,4]<br />

Einst hat der Senat beschlossen, dass der Kon-sul<br />

L. Opimius dafür sorgen möge, dass der Staat<br />

keinen Schaden nehme.<br />

Häufige Verbindungen mit ne:<br />

ne quis dass/damit niemand ne quando dass/damit nicht einmal<br />

ne quid dass/damit nichts ne umquam dass/damit niemals<br />

ne usquam dass/damit nirgends necubi dass/damit nirgendwo<br />

Finalsatz der Absicht (Adverbiale)<br />

Ein Finalsatz der Absicht nennt die Absicht einer Prädikatshandlung.<br />

ut [finale] damit / um zu<br />

ne damit nicht<br />

ut … neque/neve/neu damit … und damit nicht<br />

Subjunktionen: Finalsatz der Absicht<br />

ne … neve damit nicht … und damit nicht<br />

quo (vor Komparativ) damit desto<br />

116<br />

Der Finalsatz der Absicht verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Konjunktiv<br />

(innerlich abhängig)


Adverbiale<br />

Helvetii frumentum omne comburunt, ut<br />

paratiores ad omnia pericula subeunda essent.<br />

Die Helvetier verbrannten alles Getreide, damit<br />

sie umso entschlossener wären alle Gefahren<br />

auf sich zu nehmen.<br />

[Gall.1,5,3]<br />

Helvetii<br />

frumentum omne<br />

ut paratiores ad omnia<br />

pericula subeunda essent.<br />

comburunt,<br />

• Übersetzung mit um zu<br />

Bei gleichem Subjekt im übergeordneten Satz und im ut-Satz wird im Deutschen ein erweiterter<br />

Infinitiv (um zu) für die Übersetzung des ut-Satzes bevorzugt:<br />

Helvetii frumentum omne comburunt, ut paratiores<br />

ad omnia pericula subeunda essent.<br />

[Gall.1,5,3]<br />

Die Helvetier verbrannten alles Getreide, um umso<br />

entschlossener alle Gefahren auf sich zu nehmen.<br />

Finalsatz des begehrten Inhalts („Abhängiger Begehrsatz“, Objekt, Subjekt)<br />

Ein Finalsatz des begehrten Inhalts nennt den Inhalt des durch das Prädikat bezeichneten<br />

Begehrens.<br />

ut dass, zu-Infinitiv<br />

(keine Subjunktion) dass, zu-Infinitiv<br />

Subjunktionen: Finalsatz des begehrten Inhalts<br />

ne dass nicht, nicht mit zu-Infinitiv<br />

Der Finalsatz des begehrten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />

Objekt<br />

Orgetorix persuadet Castico Catamantaloedis<br />

filio Sequano, ut regnum in civitate sua<br />

occuparet.<br />

Orgetorix überredete den Sequaner Casticus,<br />

den Sohn des Catamantaloedes, dass er die<br />

Herrschaft in seinem Stamm an sich reiße.<br />

[Gall.1,3,4]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

Orgetorix<br />

Castico, Catamantaloedis<br />

filio, Sequano,<br />

ut regnum in civitate sua<br />

occuparet.<br />

Konjunktiv<br />

(innerlich abhängig)<br />

persuadet<br />

– Verben des Forderns, Bittens und Wünschens wie:<br />

hortari, monere (dazu) ermahnen<br />

postulare, flagitare fordern<br />

imperare, edicere befehlen aber: iubere mit AcI<br />

optare wünschen aber: velle und cupere mit Infinitiv bzw. AcI<br />

rogare, petere bitten<br />

117


– Verben des Veranlassens, Beschließens und Bewirkens wie:<br />

adducere, impellere veranlassen<br />

Soll eine Wirkung als unbeabsichtigt bezeichnet<br />

werden, steht nach diesen Verben ut [consecu-<br />

facere, efficere bewirken<br />

tivum]. Der Unterschied zum ut [finale] ist jedoch<br />

nur in negativen Sätzen erkennbar (ut non statt<br />

ne).<br />

– Verben des Strebens und Sorgens:<br />

id agere danach streben<br />

(id) studere sich darum bemühen<br />

curare, laborare sich bemühen<br />

– Verben des Sagens und videre, wenn sie ein Begehren bezeichnen:<br />

censere dafür stimmen in der Bedeutung der Ansicht sein mit AcI<br />

concedere erlauben in der Bedeutung zugeben mit AcI<br />

contendere sich bemühen in der Bedeutung behaupten mit AcI<br />

decernere, statuere,<br />

constituere<br />

beschließen<br />

ut-Satz nur bei Subjektswechsel, bei<br />

Subjekts-gleichheit dagegen bloßer Infinitiv.<br />

dicere verlangen in der Bedeutung meinen, sagen mit AcI<br />

monere mahnen; warnen in der Bedeutung daran erinnern mit AcI<br />

videre dafür sorgen in der Bedeutung sehen mit AcI<br />

• Finalsatz des begehrten Inhalts ohne Subjunktion<br />

Nach Verben des Bittens, Aufforderns und Wünschens sowie nach necesse est und oportet fehlt<br />

häufig die Subjunktion ut:<br />

Caesar consolatus rogat, finem orandi faciat Caesar tröstete ihn (den Diviciacus) und bat ihn<br />

[Gall.1,20,5]<br />

Bene laudata virtus voluptatis aditus intercludat,<br />

necesse est.<br />

[fin.2,118]<br />

das Bitten zu beenden.<br />

Tugend, auf die eine gute Lobesrede gehalten<br />

wurde, muss die Zugänge zur Lust verschließen.<br />

• Finalsatz des begehrten Inhalts nach präparativem Pronomen<br />

Manchmal verweist ein substantivisches Pronomen auf einen Finalsatz des begehrten Inhalts:<br />

Hoc te primum rogo, ne contrahas ac demittas<br />

animum.<br />

[ad Q.fr.1,1,4]<br />

Darum bitte ich dich besonders, dass du dich nicht<br />

verkriechst und den Mut sinken lässt.<br />

Dieser Fall liegt auch bei den Ausdrücken id studere, ut und id agere, ut vor.<br />

118<br />

Finalsatz des befürchteten Inhalts (Objekt, Subjekt)<br />

Ein Finalsatz des befürchteten Inhalts ergänzt einen Ausdruck des Fürchtens dadurch, dass er<br />

den Gegenstand der Furcht nennt. Während ne im Finalsatz der Absicht dass nicht bedeutet, ist<br />

es im Finalsatz des befürchteten Inhalts mit dass zu übersetzen, da dieser aus einem verneinten<br />

selbstständigen Wunschsatz entstanden sind.<br />

Subjunktionen: Finalsatz des befürchteten Inhalts<br />

ne dass, zu-Infinitiv Konjunktiv<br />

(innerlich abhängig)<br />

ne non / (selten: ) ut dass nicht


Der Finalsatz des befürchteten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />

Subjekt<br />

Si te interfici iussero, erit verendum mihi, ne non<br />

hoc potius omnes boni serius a me quam<br />

quisquam crudelius factum esse dicat.<br />

Wenn ich befehle, dass du getötet wirst, werde<br />

ich fürchten müssen, dass eher irgendjemand<br />

sagt dies sei von mir zu grau- sam angeordnet<br />

worden, als dass alle Guten sagen. dies sei von<br />

mir zu spät angeordnet worden.<br />

[Cat.1,5]<br />

Si te, Catilina, interfici<br />

iussero,<br />

mihi<br />

ne non hoc potius omnes<br />

boni serius a me ... dicat.<br />

• Erläuterte Wörter<br />

Ein Finalsatz des befürchteten Inhalts steht nach Verben und Ausdrücken des Fürchtens<br />

(Subjunktion ne) wie:<br />

- timere, metuere fürchten<br />

- periculum est es besteht die Gefahr<br />

erit verendum,<br />

• Finalsatz des befürchteten Inhalts nach präparativem Pronomen<br />

Manchmal verweist ein substantivisches Pronomen auf einen Finalsatz des befürchteten Inhalts<br />

("uneigentlicher Explikativsatz"):<br />

Illud timeo, ne mihi sit invidiosum aliquando, quod<br />

illum emiserim potius quam eiecerim.<br />

[Cat.2,15]<br />

Davor habe ich Angst, dass mir einmal hasserfüllt<br />

vorgeworfen wird, dass ich jenen nur hinausgeschickt<br />

statt hinausgeworfen habe.<br />

Finalsatz des verhinderten Inhalts (Objekt, Subjekt)<br />

Ein Finalsatz des verhinderten Inhalts ergänzt einen Ausdruck des Hinderns, Fehlens oder<br />

Widerstehens dadurch, dass er das Verhinderte, Fehlende oder Widerstehende nennt. Wie im<br />

Finalsatz des befürchteten Inhalts bedeutet ne im Finalsatz des verhinderten Inhalts dass.<br />

Außerdem kann die Subjunktion quominus stehen und nach verneintem Prädikat auch quin, das<br />

aus dem selbstständigen Fragewort warum nicht? zur Subjunktion wurde.<br />

Subjunktionen: Finalsatz des verhinderten Inhalts<br />

ne dass, zu-Infinitiv<br />

quominus dass, zu-Infinitiv<br />

quin<br />

(nur nach verneinten Verben des Hinderns und<br />

unpersönlichen Ausdrücken des Fehlens<br />

möglich)<br />

dass, zu-Infinitiv<br />

Der Finalsatz des verhinderten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />

119<br />

Konjunktiv<br />

(innerlich abhängig)


Objekt<br />

Non deterret sapientem mors, quominus in omne<br />

tempus rei publicae suisque consulat.<br />

Einen Weisen wird der Tod nicht daran hindern,<br />

dass er sich die ganze Lebenszeit lang um den<br />

Staat und seine Angehörigen kümmert.<br />

[Tusc.1,91]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– Verben des Hinderns wie:<br />

impedire hindern<br />

deterrere abschrecken<br />

prohibere abhalten<br />

interdicere, ne (s.u.) verbieten<br />

– unpersönliche Ausdrücke des Fehlens wie:<br />

non multum abest, es fehlt nicht viel<br />

quin<br />

daran<br />

paulum abest, quin es fehlt nur wenig<br />

daran<br />

– Verben des Widerstehens wie:<br />

obstare im Wege stehen<br />

ob-/resistere sich widersetzen<br />

recusare sich weigern<br />

cavere, ne (s. u.) sich davor in Acht<br />

nehmen<br />

sapientem<br />

mors<br />

quominus in omne tempus<br />

rei publicae suis. consulat.<br />

Non deterret<br />

Ohne Verneinung stehen die unpersönlichen<br />

Ausdrücke des Fehlens mit ut.<br />

• interdicere und cavere nur mit ne<br />

Nach interdicere und cavere kann ein verhinderter Inhalt im Lateinischen nur mit der Subjunktion<br />

ne (nicht quominus und quin) angeführt werden.<br />

Intermisso equitatu Caesar iter Haeduorum<br />

mora-tur atque impedit interdicitque omnibus,<br />

nequemquam interficiant.<br />

[Gall.7,40,4]<br />

Cavendum est, praesertim si ipse aedfices, ne<br />

extra modum sumptu et magnificentia prodeas.<br />

[off.1,140]<br />

120<br />

Caesar ließ seine Reiterei vorrücken und<br />

verzö-gerte und behinderte dadurch das<br />

Weitermar-schieren der Häduer. Allen seinen<br />

Leuten verbot er irgendjemanden zu töten.<br />

Man muss sich davor in Acht nehmen, beson-ders<br />

wenn man selbst Bauherr ist, dass man hinsichtlich<br />

Kosten und Großartigkeit den Rahmen sprengt.<br />

Konsekutivsatz<br />

Ein Konsekutivsatz nennt eine Folge (so dass oder nur dass) oder einen sich ergebenden Inhalt<br />

(dass).


Konsekutivsatz der Folge (Adverbiale)<br />

Ein Konsekutivsatz bezeichnet als Adverbiale eine – häufig nicht geplante – sich ergebende Folge.<br />

Subjunktionen: Konsekutivsatz der Folge<br />

ut [consecutivum] (so) dass<br />

ut non dass nicht<br />

quam ut (nach Komparativ) als dass<br />

Der Konsekutivsatz der Folge verwirklicht ein Adverbiale.<br />

Adverbiale<br />

Mons altissimus impendebat, ut facile perpauci<br />

prohibere possent.<br />

Ein sehr hohes Gebirge ragte darüber (über den<br />

Auswanderungsweg), so dass ganz wenige<br />

Leute ihn leicht sperren konnten.<br />

[Gall.1,6,1]<br />

Mons altissimus<br />

ut facile perpauci prohibere<br />

possent.<br />

Konjunktiv<br />

impendebat,<br />

• Tempus<br />

Im Konsekutivsatz kann von der Consecutio temporum abgewichen werden, wenn eine Folge als<br />

überzeitliche Tatsache dargestellt werden soll.<br />

Verres Siciliam ita perdidit, ut ea restitui in<br />

antiquum statum nullo modo possit.<br />

[Verr.1,12]<br />

• Bloßes quam nach potius und prius<br />

Nach potius und prius kann ut fehlen.<br />

„Depugna“ inquis „potius quam servias!“<br />

[Att.7,7,7]<br />

Verres hat Sizilien derartig ruiniert, dass eine<br />

Wie-derherstellung des alten Zustands umnöglich<br />

ist.<br />

Kämpfe lieber um die Entscheidung, als dass du<br />

dich (Caesar) unterwirfst!<br />

• Mögliche Konsekutivsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />

talis, tale so beschaffen tam (vor Adjektiven) so<br />

tantus/a/um so groß adeo / tantopere so sehr<br />

ita / sic (vor Verben) so<br />

121<br />

• "Ohne dass" (quin)<br />

Nach verneintem übergeordnetem Satz kann ut non häufig mit ohne dass übersetzt werden.<br />

Eigentlich bezeichnet ein solchere Nebensatz jedoch keine Folge, sondern eine Art und Weise.<br />

Die Subjunktion quin in der Bedeutung ohne dass ist deshalb in der Wachstafengrammatik nicht<br />

dem Konsekutivsatz, sondern dem Modalsatz zugeordnet.<br />

Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts (Subjekt)<br />

Ein Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts erläutert eine Prädikatshandlung durch Angabe<br />

einer Wirkung.


Subjunktionen: Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts<br />

ut [consecutivum] dass<br />

ut non dass nicht<br />

Der Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts verwirklicht ein Subjekt.<br />

Subjekt<br />

His rebus fiebat, ut Helvetii minus late vagarentur<br />

et minus facile finitimis bellum inferre possent.<br />

So kam es, dass die Helvetier weniger weit<br />

umherschweifen und weniger leicht die<br />

Nachbarn angreifen konnten.<br />

[Gall.1,2,4]<br />

His rebus<br />

ut Helvetii minus late<br />

vagarentur et ... possent.<br />

Konjunktiv<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– unpersönliche Ausdrücke des Geschehens und Übrigbleibens wie:<br />

accidit, evenit, fit es ereignet sich aber: bene/male/ accidit/evenit/fit, quod<br />

contingit es gelingt<br />

accedit es kommt hinzu<br />

relinquitur, restat es bleibt noch übrig<br />

est es ist der Fall<br />

– Verben des Bewirkens wie:<br />

facere, efficere bewirken<br />

committere verschulden<br />

fiebat,<br />

Nach Verben des Hinzukommens kann auch ein<br />

Kausalsatz des erklärenden Inhalts stehen<br />

(quod), da Nebensätze nach Verben des<br />

Hinzukommens nicht wirklich eine Folge des<br />

übergeordneten Satzes bezeichnen.<br />

Soll eine Wirkung als beabsichtigt bezeichnet<br />

werden, steht nach diesen Verben ut finale. Der<br />

Unterschied zum ut consecutivum ist jedoch nur<br />

in negativen Sätzen erkennbar.<br />

– unpersönliche Ausdrücke des logisch Folgens:<br />

sequitur, efficitur es folgt daraus auch sequi/efficere mit AcI möglich<br />

• Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts mit präparativem Pronomen oder<br />

Explikativsatz?<br />

Wenn ein Pronomen lediglich Mittlerfunktion zwischen einem Verb, das gewöhnlich durch<br />

konsekutiven ut-Satz erläutert wird, und dem ut-Satz hat, liegt ein Konsekutivsatz des sich<br />

ergebenden Inhalts mit präparativem Pronomen vor.<br />

Ex quo efficitur illud, ut is agnoscat deum, qui,<br />

unde ortus sit, quasi recordetur ac noscat.<br />

[leg.1,25]<br />

122<br />

Daraus schließt man dies, dass derjenige Gott<br />

erkennt, der sich sozusagen erinnert, woher er<br />

stammt.<br />

Wenn der ut-Satz nach einem Pronomen aus syntaktischen oder semantischen Gründen jedoch<br />

nicht als Subjekt des übergeordneten Verbs verstanden werden kann, handelt es sich um einen<br />

Explikativsatz.


– Beispiel 1: Der ut-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu esse sein, da in diesem Satz libertas<br />

Subjekt ist und esse grundsätzlich ohne Objekt steht (syntaktischer Grund):<br />

Libertas non in eo est, ut iusto utamur domino,<br />

sed ut nullo.<br />

[rep.2,43]<br />

Freiheit besteht nicht darin, einen gerechten Herrn<br />

zu haben, sondern darin, überhaupt keinen Herrn<br />

zu haben.<br />

– Beispiel 2: Der ut-Satz kann kein Subjekt zu apparet sein, da apparere sonst durch AcI erläutert<br />

wird (semantischer Grund):<br />

Hoc apparet in bestiis, volucribus nantibus<br />

agrestibus, ut se ipsae diligant.<br />

[Lael.81]<br />

Dies ist offenbar bei den Tieren, den Vögeln,<br />

Fischen und Landtieren, nämlich dass sie sich<br />

selbst lieben.<br />

Explikativsatz (Attribut)<br />

Ein Explikativsatz erläutert, anders als der Kausal-, Final- und Konsekutivsatz, kein Prädikat (oder<br />

Binnenprädikat), sondern ein substantivisches Pronomen im Neutrum oder ein - eventuell durch<br />

ein Pronomen bestimmtes - Substantiv. Deshalb hat ein Explikativsatz ausschließlich die<br />

syntaktische Funktion eines Attributs und seine Subjunktionen quod und ut können häufig mit<br />

nämlich dass übersetzt werden. Die semantische Funktion eines Explikativsatzes lässt sich nicht<br />

näher bestimmen, da die erläuterten Pronomina im Neutrum inhaltsleer bzw. die erläuterten<br />

Substantive ganz verschieden sind.<br />

Subjunktion: Explikativsatz<br />

quod (nämlich) dass Indikativ<br />

ut (nämlich) dass Konjunktiv<br />

Attribut (zu einem Pron.)<br />

Galli hoc ab reliquis differunt, quod suos liberos<br />

palam ad se adire non patiuntur.<br />

Die Gallier unterscheiden sich von den übrigen<br />

Völkern dadurch, dass sie ihren Kindern nicht<br />

erlauben, in der Öffentlichkeit zu ihnen zu<br />

kommen.<br />

[Gall.6,18,3]<br />

Attribut (zu einem Pron. bei einem<br />

Substantiv)<br />

Caesar suum in Ariovistum beneficium<br />

commemoravit, quod rex appellatus esset.<br />

Caesar erinnerte an seine Wohltat gegenüber<br />

Ariovist, nämlich dass er den Titel König erhalten<br />

habe. [Gall.1,43,4]<br />

123<br />

Galli<br />

ab reliquis<br />

hoc<br />

quod ... non patiantur.<br />

Caesar<br />

suum in Ariovist. beneficium,<br />

quod rex appellatus esset.<br />

differunt,<br />

commemoravit,


Attribut (zu einem Substantiv)<br />

Consuetudo Lusitanorum est, ut sine utribus ad<br />

exercitum non eant.<br />

Bei den Lusitanern besteht die Gewohnheit, nur<br />

mit Lederschläuchen zum Heer zu gehen.<br />

[civ.1,48,7]<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– substantivisches Pronomen im Neutrum:<br />

id<br />

dies<br />

illud<br />

hoc<br />

eo deshalb<br />

ex/in eo daraus/darin<br />

Consuetudo Lusitanorum<br />

ut sine utribus ... non eant.<br />

– Substantiv (häufig im Nominativ neben est):<br />

vitium<br />

mos<br />

Wenn auf ein Substantiv mit est ein erläuterndes<br />

munus<br />

quod oder ut folgt, fungiert est als Vollverb (es gibt)<br />

consuetudo<br />

tempus<br />

• Quod- und ut-Sätze nach Demonstrativpronomina<br />

Quod- und ut-Sätze nach einem Demonstrativpronomen erläutern entweder nur dieses<br />

Demonstrativpronomen oder eigentlich das Prädikat. Im ersten Fall liegt ein Explikativsatz vor, im<br />

zweiten ein Kausal-, Final- oder Konsekutivsatz mit präparativem Pronomen. Im Deutschen ist der<br />

Unterschied kaum erkennbar, da alle diese Sätze mit dass übersetzt werden können. Eine<br />

Übersetzung mit nämlich dass ist allerdings nur bei einem Explikativsatz sinnvoll. Syntaktisch<br />

liegen im ersten Fall Ergänzungen zu Prädikatsverben vor, im zweiten Fall Attribute zu Nomina.<br />

quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

Ein quin-Satz des unbezweifelten Inhalts erläutert verneinte Ausdrücke des Zweifelns dadurch,<br />

dass er einen unbezweifelten Inhalt nennt. Zu quin nach verneinten Verben des Hinderns und<br />

Fehlens s. "Finalsatz des verhinderten Inhalts", zu quin nach beliebigen übergeordneten Verben s.<br />

"Konsekutivsatz der Folge".<br />

quin<br />

(nach verneinten Ausdrücken des Zweifelns)<br />

Subjunktionen: quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

dass, zu-Infinitiv<br />

Der quin-Satz des unbezweifelten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder ein Subjekt.<br />

124<br />

est,<br />

Konjunktiv


Objekt<br />

In criminibus Verris non dubito, quin offensionem<br />

neglegentiae vitare atque effugere non possim.<br />

Bei den Verbrechen des Verres bezweifle ich<br />

nicht, dass ich dem Vorwurf der<br />

Unvollständigkeit nicht entkommen kann.<br />

[Verr.2,1,103]<br />

In criminibus Verris<br />

quin offensionem ...<br />

effugere non possim.<br />

non dubito,<br />

• Erläuterte Wörter<br />

– verneinte Verben und Ausdrücke des Zweifelns wie:<br />

non dubitare nicht daran zweifeln Ohne Verneinung steht dubitare in der<br />

Bedeutung zweifeln mit abhängigem Fragesatz.<br />

dubium non est es besteht kein Zweifel<br />

Konzessivsatz<br />

Ein Konzessivsatz bezeichnet als Adverbiale einen Einwand zur Prädikatshandlung, der auf der<br />

Realität oder einer bloßen Annahme (zum coni. potentialis und coni. irrelalis s. Tempora im<br />

Konjunktiv) basiert:<br />

– Einwand, der auf der Realität basiert:<br />

Quotienscumque me petisti, per me tibi obstiti,<br />

quamquam videbam perniciem meam cum<br />

magna calamitate rei publicae esse coniunctam.<br />

[Cat.1,11]<br />

Immer wenn du mich angegriffen hast, habe ich dir<br />

aus eigener Kraft Widerstand geleistet, obwohl ich<br />

sah, dass mein Verderben mit großem Unheil für<br />

den Staat verbunden wäre..<br />

– Einwand, der auf einer für möglich gehaltenen Annahme basiert (coni. potentialis):<br />

Haec si tecum, ita, ut dixi, patria loquatur, nonne<br />

impetrare debeat, etiamsi vim adhibere non<br />

possit?<br />

[Cat.1,19]<br />

Wenn Rom so, wie ich gesprochen habe, mit dir<br />

spräche, müsste es etwa nicht Gehör finden, auch<br />

wenn es keine Staatsgewalt anwenden könnte?<br />

– Einwand, der auf einer für unmöglich gehaltenen Annahme basiert (coni. irrealis):<br />

Tuis opibus et consulatu tuo, mi Brute, etiamsi<br />

timidi essemus, tamen omnem timorem<br />

abiceremus.<br />

[fam.11,21,4]<br />

Bezüglich deiner Streitmacht und deinem Konsulat<br />

würden wir, mein Brutus, selbst wenn wir ängstlich<br />

wären, dennoch alle Furcht ablegen.<br />

Subjunktionen: Konzessivsatz<br />

quamquam obwohl Indikativ<br />

125<br />

cum [concessivum] obwohl<br />

ut [concessivum] wenn auch<br />

quamvis wie sehr auch<br />

licet (nur mit Konjunktiv Präsens oder Perfekt) mag auch<br />

Konjunktiv<br />

etsi, tametsi, etiamsi wenn auch Indikativ oder Konjunktiv


Adverbiale<br />

Superiora scelera, quamquam ferenda non<br />

fuerunt, tamen tuli.<br />

Die früheren Verbrechen habe ich, obwohl sie<br />

unerträglich waren, dennoch ertragen.<br />

[Cat.1,18]<br />

Superiora scelera<br />

quamquam ... non fuerunt,<br />

tamen tuli.<br />

• Mögliche Konzessivsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />

tamen/attamen dennoch nihilo minus nichtsdestoweniger<br />

• Quamquam im Hauptsatz („quamquam correctivum“)<br />

Wenn quamquam einen Hauptsatz einleitet, dient es zur Einschränkung oder Berichtigung einer<br />

vorausgehenden Aussage.<br />

Quaero: Quid facturi fuistis? Quamquam, quid<br />

facturi fueritis, dubitem, cum videam, quid feceritis?<br />

[Ligar.24]<br />

Ich frage: Was wolltet ihr tun? Indessen – soll ich<br />

noch Zweifel hegen; was ihr tun wolltet, da ich doch<br />

sehe, was ihr getan habt?<br />

Adversativsatz<br />

Ein Adversativsatz bezeichnet als Adverbiale einen Gegensatz zum Prädikat.<br />

Subjunktionen: Adversativsatz<br />

cum [adversativum] während (dagegen) Konjunktiv<br />

Adverbiale<br />

Solus homo particeps est rationis, cum cetera<br />

animalia omnia sint experta.<br />

Allein der Mensch besitzt Vernunft, während alle<br />

übrigen Lebewesen daran keinen Anteil haben.<br />

[leg.1,22]<br />

126<br />

Temporalsatz<br />

Solus<br />

homo<br />

cum cetera animalia omnia<br />

sint experta.<br />

particeps est<br />

rationis,<br />

Ein Temporalsatz präzisiert als Adverbiale die Zeit der Ausführung einer Prädikatshandlung, indem<br />

er eine gleich-, vor- oder nachzeitige Handlung nennt. Dabei kann die zeitliche Erläuterung<br />

verschieden charakterisiert sein:


– allgemein (Wann findet die Handlung statt?):<br />

Bis consul fuerat P.Africanus et duos terrores<br />

huius imperii, Carthaginem Numantiamque,<br />

deleverat, cum accusavit L. Cottam<br />

[Mur.58]<br />

– Häufigkeit (Wie oft findet die Handlung statt?):<br />

Gubernatores cum delphinos se in portum<br />

conicientes viderunt, tempestatem significari<br />

putant.<br />

[div.2,145]<br />

– Dauer (Wie lang findet die Handlung statt?):<br />

Dum spiro, spero.<br />

[vgl. Att.9,10,3]<br />

– Beginn (Seit wann findet die Handlung statt?):<br />

Ipse, cum primum per anni tempus potuit, ad<br />

exercitum contendit.<br />

[Gall.3,9,2]<br />

Plane relegatus mihi videor, postquam in<br />

Formiano sum.<br />

[Att.2,11,1]<br />

– Ende (Bis wann findet die Handlung statt?):<br />

Nostri finem sequendi non fecerunt, quoad<br />

equites praecipites Britannos egerunt.<br />

[Gall.5,17,3]<br />

cum<br />

P.Africanus war zweimal Konsul gewesen und hatte<br />

zwei Schrecken unseres Reiches, Karthago und<br />

Numantia, zerstört, als er L. Cotta anklagte.<br />

Immer wenn Schiffsführer sehen, wie Delphine<br />

dem Hafen zuschwimmen, glauben sie, dass Sturm<br />

angezeigt werde.<br />

Ich hoffe, solange ich lebe.<br />

Er selbst begab sich, sobald die Jahreszeit es<br />

gestattete, zum Heer.<br />

Geradezu wie ein Verbannter komme ich mir vor,<br />

seitdem ich auf meinem Formianum bin.<br />

Unsere Leute brachen die Verfolgung nicht ab, bis<br />

unsere Reiter die Britannier ins Verderben trieben.<br />

Subjunktionen: Temporalsatz<br />

[historicum] als<br />

Erläuterung durch eine gleichzeitige oder vorzeitige<br />

Handlung.<br />

[temporale] als, wenn, wo<br />

Erläuterung durch eine einmalige Handlung.<br />

[iterativum] so oft, immer wenn<br />

alternativ: ubi, ut quisque, simulac, simulatque<br />

Erläuterung durch eine sich wiederholende Handlung.<br />

[inversum] als plötzlich<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />

erläuterte Handlung abbricht.<br />

cum (primum) sobald als<br />

alternativ: ubi /ut (primum), simul, simulac, simulatque<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />

erläuterte Handlung auslöst.<br />

127<br />

dum während<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche zur<br />

erläuterten Handlung parallel verläuft.<br />

Konjunktiv<br />

Indikativ<br />

Indikativ<br />

Indikativ<br />

Indikativ<br />

Indikativ Präsens


Subjunktionen: Temporalsatz<br />

solange als<br />

alternativ: quamdiu, donec<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche zur<br />

erläuterten Handlung exakt parallel verläuft.<br />

bis<br />

alternativ: donec, quoad<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />

erläuterte Handlung beendet.<br />

postquam nachdem<br />

Erläuterung durch eine vorzeitige Handlung<br />

priusquam /<br />

antequam<br />

seit(dem)<br />

alternativ: ut<br />

Erläuterung durch eine Handlung, welche mit der<br />

erläuterten Handlung begann.<br />

bevor<br />

Erläuterung durch eine nachzeitige oder vorzeitige<br />

Handlung (nachzeitig bei positiver erläuterter<br />

Handlung, vorzeitig bei negierter erläuterter<br />

Handlung).<br />

Adverbiale<br />

Caesari cum id nuntiatum esset eos per<br />

provinciam nostram iter facere conari, maturat ab<br />

urbe proficisci.<br />

Als Caesar dies gemeldet wurde, dass sie durch<br />

unsere Provinz ihren Weg zu nehmen<br />

versuchten, brach er eilig von Rom auf.<br />

[Gall.1,7,1]<br />

Caesari cum id nuntiatum<br />

esset eos ...facere conari,<br />

ab urbe proficisci.<br />

Indikativ<br />

Indikativ oder<br />

Konjunktiv<br />

Indikativ Perfekt<br />

Indikativ<br />

Indikativ oder<br />

Konjunktiv<br />

maturat<br />

• Konjunktiv im dum- und priusquam/antequam-Satz<br />

Konjunktiv steht im dum- und im priusquam/antequam-Satz nur – abgesehen von innerlich<br />

abhängigen Sätzen – bei finalem oder potentialem Nebensinn:<br />

antequam mit potentialem Nebensinn:<br />

Navalis hostis ante adesse potest, quam quisquam<br />

venturum esse suspicari queat.<br />

[rep.2,6]<br />

priusquam mit potentialem Nebensinn:<br />

Caesar, priusquam se hostes ex terrore et fuga<br />

reciperent, in fines Suessionum exercitum duxit.<br />

[Gall.2,12,1]<br />

dum mit finalem Nebensinn:<br />

Caesar, dum reliquae naves eo convenirent, ad<br />

horam nonam exspectavit,<br />

[Gall.4,23,4]<br />

Ein Feind zur See kann eher da sein, als<br />

irgendjemand Verdacht schöpfen könnte, dass er<br />

kommen wird.<br />

Caesar führte sein Heer in das Gebiet der<br />

Suessionen, bevor sich die Feinde nach ihrem<br />

Schrecken und ihrer Flucht erholten.<br />

Caesar wartete bis zur neunten Stunde, damit die<br />

übrigen Schiffe bis dahin dort einträfen.<br />

• Mögliche Temporalsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />

tum damals eo anno in diesem Jahr<br />

eo tempore zu der Zeit<br />

128


• Beachtung des Zeitverhältnisses im Lateinischen und im Deutschen<br />

Bei der Darlegung vergangener Ereignisse wird im Lateinischen das Zeitverhältnis gewöhnlich<br />

genau beachtet, im Deutschen dagegen nicht:<br />

Vercingetorix cum ad suos redisset, proditionis<br />

insimulatus est.<br />

[Gall.7,20,1]<br />

Als Vercingetorix zu seinem Stamm zurückkehrte,<br />

wurde er des Verrats angeklagt.<br />

Lediglich bei den Verben des Sagens und Fragens wird auch im Lateinischen das Zeitverhältnis<br />

vernachlässigt.<br />

Cum ab Africano quidam vetus adsectator non<br />

impetraret, uti se praefectum in Africam duceret,<br />

"Noli", inquit, "mirari, si tu hoc a me non impetras.<br />

[Verr.2,2,29]<br />

Als ein alter Anhänger von (Scipio) Africanus nicht<br />

erwirken konnte, dass er ihn als Präfekten nach<br />

Afrika mitnahm, sagte Africanus: "Wundere dich<br />

nicht, wenn du dies nicht von mir erwirken kannst."<br />

Konditionalsatz<br />

Ein Konditionalsatz nennt als Adverbiale eine Bedingung für das Eintreten der Handlung des<br />

übergeordneten Satzes. Dabei kann im Deutschen durch die Wahl des Modus signalisiert werden,<br />

für wie wahrscheinlich man die Erfüllung der Bedingung hält: Bei Indikativ verzichtet der Sprecher<br />

auf eine Stellungnahme, bei Konjunktiv II beurteilt er die Erfüllung der Bedingung als möglich<br />

(potentialer Fall) oder unmöglich (irrealer Fall). Im Lateinischen kann zusätzlich durch die Wahl<br />

des Tempus zwischen potentialem Fall (Konjunktiv Präsens/Perfekt und Konjunktiv Imperfekt) und<br />

irrealem Fall (Konjunktiv Imperfekt und Konjunktiv Plusquamperfekt) unterschieden werden. Somit<br />

ergeben sich im Lateinischen folgende Möglichkeiten:<br />

– Sprecher nimmt nicht Stellung zur Erfüllung der Bedingung (indefiniter Fall):<br />

Si pace frui volumus, bellum gerendum est.<br />

[Phil.7,19]<br />

Wenn wir Frieden genießen wollen, müssen wir<br />

Krieg führen.<br />

– Sprecher kennzeichnet die Bedingung als erfüllbar [Coniunctivus potentialis]:<br />

Quam multa ioca solent esse in epistulis, quae<br />

prolata si sint, inepta videantur.<br />

[Phil.2,7]<br />

Wie viele witzige Bemerkungen sind gewöhnlich in<br />

Briefen, die, wenn sie veröffentlicht würden,<br />

unpassend erscheinen dürften.<br />

– Sprecher kennzeichnet die Bedingung als unerfüllbar [Coniunctivus irrealis]:<br />

Itaque, patres conscripti, si Ser. Sulpicio casus<br />

mortem attulisset, mortem eius non<br />

monumento, sed luctu publico esse ornandam<br />

putarem.<br />

[Phil.9,5]<br />

129<br />

Deshalb würde ich, Senatoren, wenn ein Zufall den<br />

Servius Sulpicius dahingerafft hätte, nicht glauben,<br />

dass sein Tod mit einem Denkmal, sondern<br />

lediglich durch Staatstrauer geehrt werden müsse.


Subjunktionen: Konditionalsatz<br />

si wenn<br />

nisi wenn nicht<br />

quodsi / quod si wenn nur<br />

si …, si minus wenn …, wenn nicht<br />

sin wenn aber<br />

nisi forte<br />

(Korrektur – häufig ironisch – einer Aussage)<br />

es müsste denn sein,<br />

dass<br />

sive … sive … / seu … seu … sei es dass … oder dass<br />

Adverbiale<br />

Convincam, si negas.<br />

Ich werde dich überführen, wenn du leugnest.<br />

[Cat.1,8]<br />

si negas.<br />

Indikativ oder Konjunktiv<br />

Convincam,<br />

• Modi und Tempora<br />

Modi und Tempora hängen davon ab, wie der Sprecher die Bedingung hinsichtlich ihrer<br />

Erfüllbarkeit (indefiniter, potentialer oder irrealer Fall) und zeitlichen Dimension (Gegenwart oder<br />

Vergangenheit) kennzeichnet (s.dazu die Übersicht "Konjunktiv"):<br />

- indefiniter Fall:<br />

Indikativ<br />

- potentialer Fall:<br />

Konjunktiv Präsens oder Perfekt für Gegenwart, Konjunktiv Imperfekt für Vergangenheit (fast<br />

nur für man)<br />

- irrealer Fall:<br />

Konjunktiv Imperfekt für Gegenwart, Konjunktiv Plusquamperfekt für Vergangenheit<br />

• Nisi und si non<br />

Während nisi den ganzen Bedingungssatz verneint, verneint non nach si ein Wort im<br />

Bedingungssatz.<br />

Nisi Pirustae ita fecerint, sese bello civitatem<br />

persecuturum demonstrat.<br />

[Gall.7,1,8]<br />

Dubitas, Catilina, si emori non potes, abire?<br />

[Cat.1,20]<br />

Wenn sich die Pirusten nicht so verhielten, werde er,<br />

darauf wies er hin, ihren Stamm mit Krieg<br />

überziehen.<br />

Zögerst du, Catilina, wenn du schon nicht aus dem<br />

Leben scheiden kannst, wenigstens (aus Rom)<br />

wegzugehen?<br />

• Si in der Bedeutung ob<br />

Nach Verben des Wartens und Versuchens übernimmt ein si-Satz die Funktion eines Subjekts<br />

oder Objekts. Si wird in diesem Fall mit ob übersetzt.<br />

Helvetii conati, si perrumpere possent, telis<br />

repulsi hoc conatu destiterunt.<br />

[Gall.1,8,4]<br />

130<br />

Nachdem die Helvetier versucht hatten, ob sie<br />

durchbrechen könnten, ließen sie von diesem<br />

Versuch ab, weil sie mit Wurfgeschossen daran<br />

gehindert wurden.


Abhängiger Wunschsatz<br />

Der abhängige Wunschsatz bezeichnet als Adverbiale einen Wunsch, für dessen Verwirklichung<br />

die Handlung des übergeordneten Satzes hingenommen wird.<br />

Subjunktionen: Abhängiger Wunschsatz<br />

dum wenn nur<br />

modo wenn nur<br />

dummodo wenn nur<br />

Adverbiale<br />

Multi omnia honesta neglegunt, dummodo<br />

potentiam consequantur<br />

Viele missachten alles Ehrenvolle, wenn sie nur<br />

Macht erlangen.<br />

[off.3,82]<br />

Multi<br />

omnia honesta<br />

dummodo potentiam<br />

consequantur.<br />

Konjunktiv<br />

• "Wenn nur"<br />

Im Gegensatz zu Konditionalsätzen, die auch mit wenn nur (si modo) beginnen können,<br />

bezeichnet der abhängige Wunschsatz keine Bedingung für die Verwirklichung der<br />

übergeordneten Handlung, sondern einen Wunsch.<br />

Vergleichssatz<br />

neglegunt,<br />

Ein Vergleichssatz erläutert als Adverbiale den übergeordneten Satz hinsichtlich der Art und<br />

Weise. Dabei kann die Vergleichsgröße ganz real oder lediglich hypothetisch sein (ähnlich wie im<br />

Kausalsatz des Grundes):<br />

– reale Vergleichsgröße (wie):<br />

Ut sementem feceris, ita metes.<br />

[de orat.2,261]<br />

– hypothetische Vergleichsgröße (als ob)<br />

Gellius quasi mea culpa bona perdiderit, ita est<br />

mihi inimicus.<br />

[Sest.111]<br />

131<br />

Wie man sät, so wird man ernten.<br />

Gellius verhält sich so feindselig gegen mich, als<br />

ob er durch meine Schuld sein Hab und Gut<br />

verloren hätte.


Subjunktionen: Vergleichssatz<br />

ut wie<br />

utcumque wie auch immer<br />

quasi,<br />

velut/ut/ac si<br />

tamquam (si),<br />

Adverbiale<br />

Ut sementem feceris, ita metes.<br />

Wie man sät, so wird man ernten.<br />

[de orat.2,261]<br />

als ob<br />

Indikativ<br />

Konjunktiv<br />

Ut sementem feceris,<br />

ita metes.<br />

• Mögliche präparative Adverbien im übergeordneten Satz<br />

ita / sic (vor Verben) so item ebenso<br />

sicut sowie<br />

• Modi und Tempora im hypothetischen Vergleichssatz<br />

Eine lediglich angenommene vergleichbare Handlung steht im Konjunktiv und folgt im Lateinischen<br />

der Consecutio temporum. Im Deutschen steht dagegen in solchen Sätzen stets Konjunktiv II, um<br />

den hypothetischen Charakter solcher Vergleichssätze zu betonen.<br />

Stultissimum est in luctu capillum sibi evellere,<br />

quasi calvitio maeror levetur.<br />

[Tusc.3,62]<br />

Sehr törricht ist es in Trauer sich das Haar<br />

auszureißen, als ob durch eine Glatze die Trauer<br />

aufgehoben würde.<br />

• Ut im Vergleichssatz<br />

Ut kann im Vergleichssatz ganz verschiedene Bedeutungen haben:<br />

– ut …, ita/sic …<br />

Diese Korrelation bedeutet beim Vergleich von Ähnlichem wie …, so …, beim Vergleich von<br />

Gegensätzlichem jedoch zwar …, aber …:<br />

Ut magistratibus leges, sic populo magistratus<br />

praesunt<br />

[leg.3,2]<br />

Ut reliquorum imperatorum res adversae<br />

auctoritatem minuunt, sic Vercingetorigis ex<br />

contrario dignitas incommodo accepto in dies<br />

augebatur.<br />

[Gall.7,30,3]<br />

– ut quisque (mit Superlativ) …, ita (mit Superlativ) …<br />

Deutsch: je (mit Komparativ) …, desto (mit Komparativ…:<br />

Ut quaeque res est turpissima, sic maxime et<br />

maturissime vindicanda est.<br />

[Caecin.7]<br />

132<br />

Wie die Gesetze den Beamten, so sind die Beamte<br />

dem Volk vorgesetzt.<br />

Zwar vermindert Unglück das Ansehen der übrigen<br />

Feldherren, aber die Würde des Vercingetorix<br />

wurde umgekehrt nach dem Erleiden der<br />

Niederlage täglich vermehrt.<br />

Je schändlicher eine Sache ist, desto härter und<br />

frühzeitiger muss sie bestraft werden.<br />

• Vergleich statt Vergleichssatz<br />

Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen das gleiche Prädikat nicht gern wiederholt, so dass<br />

statt eines vollständigen Vergleichssatzes häufig nur ein Vergleich steht:


Qui canem et felem ut deos colunt, superstitione<br />

conflictantur.<br />

[leg.1,32]<br />

Leute, die Hund und Katze wie Götter verehren,<br />

werden vom Aberglauben heimgesucht.<br />

Modalsatz<br />

Ein Modalsatz erläutert als Adverbiale die Art und Weise einer Prädikatshandlung. Diese<br />

Beschreibung kann verschieden erfolgen:<br />

– genauere Erläuterung der Art und Weise (wobei, indem):<br />

Bis improbus fuisti, cum et remisisti, quod non<br />

oportebat, et accepisti, quod non licebat.<br />

[Verr.2,5,59]<br />

Du hast dich gleich zweimal gewissenlos<br />

verhalt-en, indem du zurückschicktest, was sich<br />

nicht gehörte, und annahmst, was nicht erlaubt war.<br />

– Hinweis auf eine gerade nicht mit der Prädikatshandlung stattfindende Handlung (ohne dass):<br />

Treveri nullum tempus intermiserunt, quin trans<br />

Rhenum legatos mitterent<br />

[Gall.5,55,1]<br />

Die Treverer ließen keine Zeit vergehen, ohne<br />

Gesandte über den Rhein zu schicken.<br />

Subjunktionen: Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts<br />

ut [consecutivum] dass<br />

ut non dass nicht<br />

Adverbiale<br />

De te, Catilina, cum tacent, clamant.<br />

Indem sie bei dir, Catilina, schweigen, machen<br />

sie eine klare Aussage. [Cat.1,21]<br />

133<br />

Konjunktiv<br />

De te, Catilina,<br />

cum tacent, clamant.


134<br />

Übersichten


Satzglieder-Füllungsarten<br />

Substantiv im Nominativ Pronomen im Nominativ Substantiviertes Adjektiv im Nominativ (substantiviertes) Zahlwort im Nominativ<br />

Substantiviertes Partizip im Nominativ (substantiviertes) Gerundivum der Eigenschaft im Nominativ Infinitiv als Verbalsubstantiv und AcI<br />

Abhängiger Fragesatz Allgemeiner Relativsatz Kausalsatz des erklärenden Inhalts Finalsatz des begehrten Inhalts, des befürchteten Inhalts und<br />

des verhinderten Inhalts Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

Substantiv ("Prädikativum")<br />

Adjektiv als attributives Adverbiale ("Prädikativum")<br />

Ordnungszahl<br />

prädikatives Partizip im Participium coniunctum<br />

Allgemeiner Relativsatz mit Konjunktiv<br />

Substantiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ als Objekt Pronomen im Akkusativ, Dativ, Genitiv und Ablativ<br />

Substantiviertes Adjektiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ (substantiviertes) Zahlwort im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ<br />

Präposition mit Nomen<br />

Substantiviertes Partizip im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Gerundium im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ (substantiviertes)<br />

Gerundivum der Eigenschaft im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Infinitiv als Verbalsubstantiv, AcI und Infinitiv im NcI AcP und AcNd<br />

Abhängiger Fragesatz Allgemeiner Relativsatz Kausalsatz des erklärenden Inhalts, Finalsatz des begehrten Inhalts, des befürchteten Inhalts<br />

und des verhinderten Inhalts quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

Präposition mit Nomen Substantiv im Genitiv, Dativ und Akkusativ oder Ablativ<br />

Pronomen im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ<br />

Gerundium im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Gerundivum der dominanten Handlung mit seinem Bezugswort<br />

Partizip im Ablativ mit seinem Bezugswort (Ablativus absolutus) Supina auf -um<br />

135<br />

Kausalsatz des Grundes, Finalsatz der Absicht, Konsekutivsatz der<br />

Folge, Konzessivsatz, Adversativsatz, Temporalsatz,<br />

Konditionalsatz, Abhängiger Wunschsatz, Vergleichssatz, Modalsatz<br />

Finites Verb (eventuell mit Sinnträger)<br />

Infinitivus historicus


Attribut-Füllungsarten<br />

Adjektiv als Attribut (KNG-Kongruenz) Pronomen (KNG-Kongruenz) Substantiv als Genitiv-, Dativ-, Akkusativ- oder Ablativ-Apposition<br />

(K-Kongruenz) Substantiv, Substantiviertes Adjektiv oder Pronomen im Genitiv oder (selten) Ablativ<br />

Präposition mit Nomen (selten) Adverb (selten)<br />

Gerundivum der Eigenschaft (KNG-Kongruenz) attributives Partizip im Participium coniunctum (KNG-Kongruenz)<br />

Grundzahl, Ordnungszahl und Verteilungszahl (KNG-Kongruenz) Gerundium oder substantiviertes Partizip im Genitiv<br />

Gerundivum der dominanten Handlung mit seinem Bezugswort im Genitiv Supinum auf -u (selten)<br />

Allgemeiner, Lokaler und Vergleichender Relativsatz (NG-Kongruenz) Explikativsatz<br />

Hinweis:<br />

Wenn das Prädikat aus einem Form- und Sinnträger besteht, kann ein Attribut auch Teil des Sinnträgers sein.<br />

136


wachstafelngrammatik.de<br />

Möglichkeit<br />

Einräumung<br />

(C. concessivus)<br />

Zweifel<br />

(C. dubitativus)<br />

Unwille<br />

(C. indignationis)<br />

Wunsch<br />

(C. optativus)<br />

Aufforderung<br />

die erfüllbar gedacht ist<br />

(C. potentialis)<br />

die unerfüllbar gedacht ist<br />

(C. irrealis)<br />

Indirekte Rede (C obliquus, in indirekter Rede an der Stelle eines<br />

Imperativs der direkten Rede)<br />

Indirekte Rede<br />

(C. obliquus)<br />

Möglichkeit<br />

Nebensinn eines<br />

Relativsatzes<br />

ohne erkennbare<br />

semantische<br />

Funktion<br />

(Übersetzung mit<br />

Indikativ)<br />

Präs. Imp. Perf. Plus.<br />

137<br />

Konjunktiv<br />

Konjunktiv im Hauptsatz<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

der Gegenwart x x Erres/Erraveris, si hoc dicas/dixeris. Du würdest dich irren, wenn du dies behaupten würdest.<br />

der Vergangenheit x Illos canes venaticos diceres. Man hätte jene Leute Spürhunde nennen können.<br />

der Gegenwart x Lacerares animalia, si leo esses. Du würdest Tiere zerfleischen, wenn du ein Löwe wärst.<br />

der Vergangenheit x C. necatus non esset, nisi dictator fuisset. Caesar wäre nicht ermordet worden, wenn er kein ...<br />

der Gegenwart x Omnia possideat, non possidet aera Minos. Mag er auch alles besitzen, die Luft besitzt M. nicht.<br />

der Vergangenheit x Negaverit, nocens tamen est. Auch wenn er geleugnet hat - schuldig ist er doch.<br />

der Gegenwart x Quid faciam? Was soll ich tun?<br />

der Vergangenheit x Quid facerem? Was hätte ich tun sollen?<br />

x x x x Tu dubites de possessione detrahere? Du zögerst, etwas von deinem Besitz abzugeben?<br />

der erfüllbar gedacht ist<br />

der Gegenwart<br />

der Vergangenheit<br />

x<br />

x<br />

Utinam dives sim!<br />

Utinam tacuerit!<br />

O wenn ich doch reich wäre!<br />

O wenn er doch nur geschwiegen hätte!<br />

der unerfüllbar gedacht ist<br />

der Gegenwart<br />

der Vergangenheit<br />

x<br />

x<br />

Utinam avis essem!<br />

Utinam avis natus essem!<br />

Wäre ich doch ein Vogel!<br />

Wäre ich doch als Vogel zur Welt gekommen!<br />

an die 1. Person (C. hortativus) x Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus! Lasst uns also fröhlich sein, solange wir noch jung sind!<br />

an die 2. oder 3. Person (C. iussivus) x Vir prior accedat, vir verba rogantia dicat! Der Mann soll den ersten Schritt machen und werben!<br />

Verbot an die 2. Person (C. prohibitivus) x Ne clamaveritis! Schreit nicht!<br />

Tempora folgen<br />

der<br />

Consecutio<br />

temporum<br />

Caesar legatos ad Ariovistum cum his<br />

mandatis mittit: Obsides, quos haberet, ab<br />

Haeduis redderet.<br />

Caesar schickte Gesandte zu Ariovist mit folgenden<br />

Aufträgen: Er solle die Geiseln, die er von den<br />

Häduern habe, zurückgeben.<br />

Konjunktiv im Nebensatz<br />

in allen Nebensätzen der indirekten Rede<br />

abhängiger Fragesatz<br />

Tempora folgen<br />

der<br />

Reprehendebat eum, quod tempus perderet.<br />

Quaerit, quis clamat.<br />

Er tadelte ihn, weil er Zeit vergeude.<br />

Er fragt, wer schreie.<br />

Finalsätze jeder Art<br />

quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

Consecutio<br />

temporum<br />

Peto a te, ut me visites.<br />

Non dubito, quin id scias.<br />

Ich bitte dich darum, dass du mich besuchst.<br />

Ich zweifle nicht daran, dass du dies weißt.<br />

die erfüllbar gedacht ist der Gegenwart x Erres/Erraveris, si hoc dicas/dixeris Du würdest dich irren, wenn du dies behaupten würdest.<br />

(C. potentialis)<br />

der Vergangenheit x Tanta fuit gravitas, ut eum facile ducem diceres. ..., dass man ihn leicht als Anf. hätte bezeichnen können.<br />

die unerfüllbar gedacht ist der Gegenwart x Lacerares animalia, si leo esses. Du würdest Tiere zerfleischen, wenn du ein Löwe wärst.<br />

(C. irrealis)<br />

der Vergangenheit x Vaesar necatus non esset, nisi dictator fuisset. ..., wenn er kein Diktator gewesen wäre.<br />

final<br />

kausal<br />

konzessiv<br />

Tempora folgen<br />

der<br />

Consecutio<br />

Misit servum, qui epistulam traderet.<br />

Adiuva nos, qui te adiuvimus.<br />

Quis Vergilium non amat, quem numquam viderit?<br />

..., damit er einen Brief überbringe.<br />

Hilf uns, da wir dir doch geholfen haben.<br />

Wer liebt nicht V., obwohl er ihn niemals gesehen hat?<br />

konsekutiv temporum Non is sum, qui mortis periculo terrear. Ich bin nicht derjenige, der von Todesangst erschreckt w.<br />

ut consecutivum (Ausnahme: In Ita vivamus, ut laudemur. Lasst uns so leben, dass wir gelobt werden.<br />

Konjunktiv bei<br />

Subjunktionen<br />

wie z.B.:<br />

cum historicum<br />

cum causale<br />

cum concessivum<br />

cum adversativum<br />

Sätzen mit<br />

konsekutivem Sinn<br />

ist<br />

nach NT auch<br />

Cum ver appeteret, Hannibal castra movit.<br />

Haec cum dixisset, silentium secutum esset.<br />

Vincere cum possis, interdum cede sodali!<br />

Cum gaudeas, maestus sum.<br />

Als das Frühjahr kam, brach Hannibal das Lager ab.<br />

Weil du dies gesagt hattest, folgte Schweigen.<br />

Auch wenn du Sieger sein kannst, lass bisweilen ...<br />

Während du im Glück schwelgst, bin ich traurig.<br />

Attractio modi<br />

(Modusangleichung)<br />

quin<br />

in Infinitivkonstruktion<br />

in konjunkt. Nebensatz<br />

Präsens<br />

oder Perfekt<br />

möglich.)<br />

Non potes cuncta amittere, quin desperes.<br />

Regis est eorum, quibus praesit, utilitatis servire.<br />

Nemo inventus est, qui, quod haberet, satis esset.<br />

Du kannst nicht alles verlieren ohne zu verzweifeln.<br />

Ein König soll denjenigen nützen, denen er vorsteht.<br />

Niemand fand sich, dem genug war, was er hatte.


Genitiv<br />

semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />

Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />

als Attribut<br />

Bezeichnung eines Besitzers Genitivus possesoris x x esse; beliebige Substantive Vestes matris pulchrae sunt Die Kleidunsstücke der Mutter sind schön.<br />

Bezeichnung einer Eigenschaft<br />

Bezeichnung einer empfindenden<br />

Person<br />

Bezeichnung einer betroffenen<br />

Person oder Sache<br />

Bezeichnung einer Gesamtheit<br />

Spezifizierung eines allgemeinen<br />

Begriffs<br />

Bezeichnung einer Eigentümlichkeit<br />

Bezeichnung eines ideellen<br />

Werts<br />

Genitivus qualitatis x x esse; beliebige Substantive Homines ordinis senatorii venerunt. Es kamen Leute aus dem Senatorenstand.<br />

Genitivus subiectivus x Handlung oder Empfindung Amor Ciceronis erga Atticum notus est. Die Sympathie Ciceros zu Atticus ist bekannt.<br />

Genitivus obiectivus x<br />

Genitivus totius x<br />

Handlung oder Empfindung; be-<br />

gierig, kundig eingedenk<br />

Menge oder Maß, Fragepronomen,<br />

Ordnungszahlen, Superlative<br />

Cupido pecuniae multos perdit. Die Begierde nach Geld richtet viele zugrunde.<br />

Nemo nostrum nihil scit. Niemand von uns weiß nichts.<br />

Genitivus definitivus x genus und causa Nomen Caesaris perclarum est. Der Name Caesar ist in aller Munde.<br />

Genitiv-Apposition x<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />

als Sinnträger, Objekt und Adverbiale<br />

Genitivus proprietatis x esse Consulis est civibus providere<br />

Genitivus pretii x x<br />

Genitiv als Objekt x<br />

appositives Adverbiale x<br />

138<br />

esse; facere, aestimare, ducere und<br />

putare<br />

besonders Verben des Erinnerns,<br />

Vergessens u. der Gerichtssprache<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch zeitlich befristete Ämter)<br />

Domus urbis Romae magnae sunt. Die Häuser der Stadt Rom sind groß.<br />

Es ist Aufgabe eines Konsuls für die Mitbürger<br />

zu sorgen.<br />

Nonullos libros magni aestimamus. Manche Bücher schätzen wir sehr.<br />

Maiorum nostrorum saepe meminimus Wir erinnern uns oft an unsere Vorfahren<br />

Officia Ciceronis consulis erant multa.<br />

Die Pflichten Ciceros waren zur Zeit seines<br />

Konsulats zahlreich.


semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />

Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />

Dativ<br />

als Objekt<br />

Dativ als Objekt x Dono tibi anulum. Ich schenke dir einen Ring.<br />

als Prädikatssinnträger, Adverbiale und Attribut<br />

Bezeichnung eines 'Besitzers' Dativus possessivus x esse Mercatoribus nullus erat aditus ad Nervios.<br />

Bezeichnung des Zwecks<br />

einer Handlung<br />

Bezeichnung einer tätigen<br />

Person<br />

Bezeichnung einer bevorteilten<br />

Person oder Sache<br />

Bezeichnung innerer Beteiligung<br />

der 1. oder 2. Person<br />

Dativus finalis x x esse Auxilio venite! Kommt zu Hilfe!<br />

Die Kaufleute hatten keinen Zugang zu den<br />

Nerviern<br />

Dativus auctoris x Agricolae ager arandus est. Das Feld muss vom Bauer gepflügt werden.<br />

Dativus commodi x Non scholae, sed vitae discimus.<br />

Dativus ethicus x Tu mihi istius audaciam defendis?<br />

appositives<br />

Adverbiale<br />

Dativ-Apposition x<br />

x<br />

139<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch zeitlich befristete Ämter)<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />

Quamdiu mihi consuli designato, Catilina,<br />

insidiatus es?<br />

Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das<br />

Leben.<br />

Du verteidigst mir die Frechheit von diesem<br />

Kerl da?<br />

Wie oft hast du mir als designiertem Konsul,<br />

Catilina, aufgelauert?<br />

Oppido Gergoviae Vercingetorix praeerat. Vercingetorix stand der Stadt Gergovia vor.


Akkusativ<br />

semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />

Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />

Bezeichnung eines Ziels<br />

Bezeichnung eines räumlichen<br />

oder zeitlichen Intervalls<br />

als Objekt<br />

Akkusativ als Objekt x Arborem videmus. Wir sehen einen Baum.<br />

Gleichsetzungsakkusativ<br />

Akkusativ der Richtung<br />

Akkusativ der räuml.<br />

u. zeitl. Erstreckung<br />

Appositives Adverbiale<br />

Akkusativ der Beziehung<br />

Akkusativ-Apposition x<br />

als Sinnträger, Adverbiale und Attribut<br />

x putare, vocare usw. Puto te sapientem. Ich halte dich für weise.<br />

x Verben der Bewegung Romam eamus! Lasst uns nach Rom gehen!<br />

x Graeci Troiam decem annos obsederunt.<br />

x<br />

140<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch zeitlich befristete Ämter)<br />

x Cynthia, verba levis!<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />

Quotiens me consulem interficere conatus<br />

es?<br />

Postridie Caesar ad oppidum Noviodunum<br />

contendit.<br />

Die Griechen belagerten Troja zehn Jahre<br />

lang.<br />

Wie oft hast du versucht, mich als Konsul zu<br />

töten?<br />

Cynthia, unzuverlässig hinsichtlich ihrer<br />

Aussagen!<br />

Am nächsten Tag eilte Cäsar zur Stadt<br />

Noviodunum.


Ablativ<br />

semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />

Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />

Bezeichnung eines Zeitpunkts<br />

oder Zeitraums<br />

Bezeichnung eines Aufenthaltsorts<br />

Bezeichnung des Ausgangspunkts<br />

einer Bewegung<br />

Bezeichnung eines Mittels im<br />

eigentlichen oder übertr. Sinn<br />

Bezeichnung eines Geldwerts<br />

Ablativus temporis x<br />

als Adverbiale<br />

Homines Verbigeni pagi prima nocte e<br />

castris<br />

Helvetiorum egressi sunt.<br />

Mitglieder des verbigenischen Stammes flohen<br />

bei Anbruch der Nacht aus dem Lager der Helvetier.<br />

Ablativus loci x Athenis versamur. Wir halten uns in Athen auf.<br />

Ablativ des örtlichen<br />

Ausgangspunkts<br />

x Hannibal puer Carthagine discessit. Hannibal verließ als Junge Karthago.<br />

Ablativus instrumenti x Achilles sagitta vulneratus est. Achill wurde von einem Pfeil verwundet.<br />

Ablativus pretii x x<br />

Bezeichnung eines Maßes Ablativus mensurae x x<br />

Bezeichnung eines Aspekts Ablativus respectus x<br />

Bezeichnung der Art und<br />

Weise einer Handlung<br />

Bezeichnung von Begleitumständen<br />

esse, Verben des Kaufens und Verkaufens<br />

Verben des Übertreffens, Adjektive<br />

und Adverbien im Komparativ<br />

Hunc librum parvo emi. Dieses Buch habe ich billg gekauft.<br />

Proelium equestre paucis ante diebus<br />

adversum erat factum.<br />

Erant equitum VI milia et totidem numero<br />

pedites.<br />

Ablativus modi x Victor magna voluptate triumphavit.<br />

Ablativ der begleitenden<br />

Umstände<br />

x Victor magno clamore triumphavit.<br />

Das Reitergefecht vor wenigen Tagen war<br />

unglücklich verlaufen.<br />

Es waren 6000 Reiter vorhanden und ebenso<br />

viele Fußsoldaten.<br />

Der Sieger zog mit großem Vergnügen als<br />

Triumphator ein.<br />

Der Sieger zog unter großem Jubel als Triumphator<br />

ein.<br />

Bezeichnung eines Grundes Ablativus causae x häufig bei motus, adductus Romani triumpho gavisi sunt. Die Römer freuten sich über den Triumphzug.<br />

Bezeichnung einer Eigenschaft<br />

Bezeichnung einer Vergleichsgröße<br />

appositives Adverbiale x<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch zeitlich befristete Ämter)<br />

als Prädikatssinnträger, Objekt und Attribut<br />

M. Minucio et A. Sempronio consulibus<br />

magna vis frumenti ex Sicilia advecta est.<br />

Ablativus qualitatis x x Bono animo sumus. Wir sind zuversichtlich.<br />

Ablativus comparationis<br />

Ablativ als Objekt x<br />

Ablativ-Apposition x<br />

Ablativ der Adjektiv-<br />

Erläuterung<br />

x<br />

x<br />

141<br />

Adjektive und Adverbien im Komparativ<br />

besonders bei Deponent., Verben d.<br />

Vollseins u. Nichthabens ("Abl.sep.")<br />

besonders Eigennamen (erläutert<br />

durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />

besonders bei Adjektiven der Fülle<br />

und des Freiseins<br />

Helvetii nihilo minus id facere conantur.<br />

Unter den Konsuln M Minucius und A. Sempronius<br />

wurde viel Getreide aus Sizilien herbeigeschafft<br />

Die Helvetier versuchen um nichts weniger dies zu<br />

tun.<br />

In hac solitudine careo colloquio. In dieser Einsamkeit habe ich keine Unterhaltung.<br />

Pars Galliae initium capit a flumine Rhodano. Ein Teil Galliens beginnt an dem Fluss Rhone.<br />

Laude dignus es. Du bist eines Lobes würdig.


Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />

Finalsatz der Absicht ut finale<br />

ut<br />

ut mit Konjunktiv<br />

damit,<br />

um zu (bei Subjektsgleichheit)<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

Do, ut des. Ich gebe, damit du gibst.<br />

Finalsatz des begehrten Inhalts ut finale dass Optamus, ut cantetis. Wir wünschen, dass ihr singt.<br />

Finalsatz des befürchteten Inhalts ut finale dass nicht Timeo, ut hoc sustineas. Ich fürchte, dass du das nicht aushältst.<br />

Konsekutivsatz der Folge ut consecutivum<br />

so dass<br />

dass<br />

Nemo tam prudens est, ut omnia sciat. Niemand ist so klug, dass er alles weiß.<br />

Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts ut consecutivum dass Saepe accidit, ut erremus. Oft kommt es vor, dass wir uns täuschen.<br />

Explikativsatz dass Est consuetudo, ut mane salutemus.<br />

Konzessivsatz ut concessivum auch wenn Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas.<br />

Temporalsatz ut temporale<br />

Vergleichssatz ut comparativum<br />

sobald,<br />

sobald als<br />

wie,<br />

zwar (bei folgendem ita<br />

möglich)<br />

142<br />

ut mit Indikativ<br />

Ut donum tibi dedimus, profecti sumus.<br />

Es besteht der Brauch, dass wir uns morgens<br />

grüßen.<br />

Auch wenn die Kräfte fehlen, muss doch der Wille<br />

gelobt werden.<br />

Sobald wir das Geschenk überreicht hatten, sind wir<br />

aufgebrochen.<br />

Ut sementem feceris, ita metes. Wie man sät, so wird man ernten.


Finalsatz der Absicht<br />

Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />

damit nicht,<br />

um nicht zu<br />

Finalsatz des begehrten Inhalts dass nicht<br />

ne<br />

ne als Subjunktion mit Konjunktiv<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

Haec dicis, ne desperem. Dies sagst du, damit ich nicht verzweifle.<br />

Videant consules, ne quid detrimenti res<br />

publica capiat.<br />

Die Konsuln sollen darauf achten, dass der Staat<br />

kleinen Schaden nimmt.<br />

Finalsatz des befürchteten Inhalts dass Timeo, ne hostes veniant. Ich fürchte, dass Feinde kommen.<br />

Finalsatz des verhinderten Inhalts dass Impedit ira animum, ne possit cernere verum. Zorn hindert uns, die Wahrheit zu sehen.<br />

Verbot<br />

(Verneinung eines Imperativs)<br />

Verbot<br />

(zusammen mit dem Coniunctivus<br />

prohibitivus)<br />

Verbot<br />

(Verneinung eines Coniunctivus iussivus)<br />

Verbot<br />

(Verneinung eines Coniunctivus hortativus<br />

Wunschsatz<br />

(Verneinung eines Coniunctivus optativus)<br />

143<br />

ne als Verneinung einer Aufforderung oder eines Wunsches im Hauptsatz<br />

nicht Hic tu fallaci nimium ne crede lucernae!<br />

nicht Ne clamaveritis! Schreit nicht!<br />

Hier vertraue du nicht allzu sehr der trügerischen<br />

Öllampe!<br />

nicht Alter alteri ne invideat! Der eine soll den anderen nicht beneiden!<br />

nicht Ne mentiamur! Lasst uns nicht lügen!<br />

nicht Ne rideam! Hoffentlich muss ich nicht lachen!


Kausalsatz des Grundes<br />

Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />

weil,<br />

da<br />

quod<br />

quod als Subjunktion mit Indikativ<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

Belgae fortissimi sunt, quod a provincia longissime<br />

absunt.<br />

Die Belger sind die tapfersten, weil sie von der<br />

Provinz am weitesten entfernt sind.<br />

Kausalsatz des erklärenden Inhalts faktisches quod dass Laudo, quod miseros adiuvisti. Ich lobe, dass du den Armen geholfen hast.<br />

Explikativsatz dass Vitium est, quod quidam omnia reprehendunt. Es gibt den Fehler, dass manche alles tadeln.<br />

allgemeiner Relativsatz Relativpronomen<br />

absoluter Relativsatz<br />

beliebiger Satz<br />

direkter oder indirekter Fragesatz<br />

"aufgreifendes"<br />

quod<br />

relativischer<br />

Satzanschluss<br />

Interrogativpronomen<br />

das,<br />

welches<br />

quod als Pronomen<br />

Templum, quod, vidimus, pulchrum est. Der Tempel, den wir gesehen haben, ist schön.<br />

was das anbelangt, dass Quod nonnulli semper gloriantur, nihil dico.<br />

Was das anbelangt, dass manche Leute ständig<br />

angeben, sage ich nichts dazu.<br />

dieses Vides animal. Quod accedit. Du siehst ein Tier. Dieses kommt näher.<br />

welches?,<br />

was?<br />

144<br />

Principio, quod amare velis, reperire labora.<br />

Bemühe dich zunächst einmal darum<br />

herauszufinden,<br />

was du lieben willst.


quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />

(nach vorausgehender Verneinung)<br />

Finalsatz des verhinderten Inhalts<br />

(nach vorausgehender Verneinung)<br />

Modalsatz<br />

(nach vorausgehender Verneinung)<br />

Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />

145<br />

quin<br />

quin mit Konjunktiv<br />

dass Non dubito, quin Caesar Gallos vicit.<br />

dass Non recuso, quin criminibus respondeam.<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

Ich zweifle nicht daran, dass Caesar die<br />

Gallier besiegt hat.<br />

Ich weigere mich nicht, auf die Anschuldigungen<br />

zu antworten.<br />

ohne dass Nullum intercedebat tempus, quin dimicaretur. Es verging keine Zeit, ohne dass gekämpft wurde.


Nebensatz / Semantische Funktion Fachbegriff Übersetzung<br />

Temporalsatz cum historicum<br />

als,<br />

nachdem<br />

cum<br />

cum als Subjunktion mit Konjunktiv<br />

Caesar, cum Rubiconem transisset, hostis<br />

iudicatus est.<br />

Beispielsätze<br />

lateinisch deutsch<br />

Als Cäsar den Rubico überschritt, wurde er zum<br />

Staatsfeind erklärt.<br />

Kausalsatz des Grundes cum causale weil Cum peritus sis, me adiuvare potes. Da du erfahren bist, kannst du mir helfen.<br />

Adversativsatz cum adversativum während (dagegen) Flilia sedula est, cum filius piger sit. Die Tochter ist fleißig, während der Sohn faul ist.<br />

Konzessivsatz cum concessivum obwohl Qui non vetat peccare, cum possit, iubet.<br />

Temporalsatz cum temporale als<br />

cum als Subjunktion mit Indikativ<br />

Cum Augustus imperio Romano praeerat,<br />

Christus natus est.<br />

Wer nicht verbietet schlecht zu handeln, obwohl er es<br />

verbieten kann, fordert dazu auf.<br />

Als Augustus das Römische Reich regierte,<br />

wurde Christus geboren.<br />

Temporalsatz (cum primum) sobald als Cum primum te vidi, gavisus sum. Sobald ich dich sah, freute ich mich.<br />

Temporalsatz cum iterativum<br />

Temporalsatz cum inversum als plötzlich De te locuti sumus, cum ipse venisti.<br />

wenn,<br />

sooft<br />

Cum tui recordor, gaudeo. Sooft ich an dich denke, freue ich mich.<br />

Wir unterhielten uns gerade über dich, als du<br />

plötzlich selbst gekommen bist..<br />

Modalsatz cum explicativum indem Cum tacent, clamant. Indem sie schweigen, schreien sie.<br />

cum als Präposition mit Ablativ<br />

Bezeichnung eines Begleiters mit Cum Marco ambulo. Ich gehe mit Markus spazieren.<br />

Bezeichnung einer Art und Weise<br />

Bezeichnung der begleitenden Umstände<br />

mit,<br />

(Adverb)<br />

mit,<br />

unter<br />

146<br />

Haec omnia summa cura recognita sunt. All das wurde mit größter Sorgfalt geprüft.<br />

Magno cum clamore victor salutatus est. Unter großem Geschrei wurde der Sieger begrüßt.

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