PDF-Datei - Wachstafelngrammatik
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Einführung Füllungsarten verbaler Herkunft Füllungsarten nominaler Herkunft Nebensätze als Füllungsarten Glossar<br />
Zahlwort<br />
Adverb<br />
abhängiger Fragesatz<br />
Relativsatz<br />
Präposition mit Nomen Infinitiv<br />
Pronomen nd-Form<br />
Adjektiv Partizip<br />
Substantiv Supinum<br />
Subjunktionalsatz<br />
Finites Verb<br />
Anschauliche Satzlehre für den Lektüreunterricht mit Syntaxübungen und Formentabellen<br />
von M. Glatt<br />
Januar 2013<br />
Dank an T.Bechthold-Hengelhaupt, S. Hildebrand, V. Rabeneck und E.Schirok für wertvolle Hinweise<br />
Grundlagen Übungen Gliederung <strong>PDF</strong>-<strong>Datei</strong>
Die Lektürephase beginnt für die meisten mit folgendem Satz: Gallia est omnis divisa in partes<br />
tres, quarum unam incolunt Belgae ...<br />
Er ist leicht zu übersetzen, da die Wortreihenfolge ziemlich genau beibehalten werden kann:<br />
Gallien ist im Ganzen geteilt in drei Teile, von welchen den einen die Belger bewohnen ...<br />
Wären alle lateinischen Sätze so leicht gebaut, könnte man auf eine Satzlehre verzichten. Aber bei<br />
Caesar stehen auch Sätze wie der folgende: His cum sua sponte persuadere non possent, legatos<br />
ad Dumnorigem Haeduum mittunt, ut eo deprecatore a Sequanis impetrarent.<br />
Bloßes Aneinanderreihen gelernter Vokabeln ist in diesem Fall nicht möglich, da z.B. der Kasus<br />
und das Genus von his zunächst unklar sind, die Wortart von cum erst erschlossen werden muss<br />
und impetrare hier anders als meistens und in den Schulbüchern gebraucht ist. Erst wenn man die<br />
Regeln des lateinischen Satzbaus kennt, kann man diesen sowie grundsätzlich alle Sätze<br />
übersetzen und sogar die Bedeutung vieler Vokabeln erschließen.<br />
Satzglieder<br />
Sätze bestehen im Lateinischen wie im Deutschen aus vier Grundelementen, die in dieser<br />
Grammatik als Wachstafeln dargestellt sind: Prädikat, Subjekt, Objekt und Adverbiale. Sie<br />
unterscheiden sich durch ihren inhaltlichen Beitrag zum Sinn eines Satzes.<br />
– Das Prädikat (grün)<br />
Das Prädikat bezeichnet eine Handlung.<br />
praecedunt.<br />
sie übertreffen<br />
praecedunt<br />
– Das Subjekt (rot)<br />
Das Subjekt bezeichnet einen Inhalt, der vom Prädikatsverb aus mit „Wer/welche Leute oder<br />
was/welche Dinge?“ erfragt werden kann.<br />
Helvetii praecedunt.<br />
die Helvetier übertreffen<br />
1<br />
Helvetii<br />
praecedunt.<br />
– Das Objekt (orange)<br />
Das Objekt bezeichnet meistens einen Inhalt, der vom Prädikatsverb aus mit „Wem oder was?“<br />
bzw. „Wen oder was?“ erfragt werden kann.<br />
Lateinische Verben mit Genitiv- oder Ablativobjekt oder von der deutschen Entsprechung
abweichendem Objektskasus können nicht oder nur umständlich erfragt werden. Deshalb lernt<br />
man am besten zu diesen Verben schon beim Vokabellernen den Objektskasus dazu.<br />
Helvetii reliquos Gallos praecedunt.<br />
Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier.<br />
Helvetii<br />
reliquos Gallos praecedunt.<br />
– Das Adverbiale (blau)<br />
Das Adverbiale nennt nähere Umstände der Prädikatshandlung. Dazu zählen folgende<br />
Angaben:<br />
+ Aufenthaltsort (Wo?)<br />
+ Richtung (Woher?, Wohin?)<br />
+ Zeit (Wann?)<br />
+ Art und Weise (Wie?)<br />
+ Grund (Warum?)<br />
+ Mittel (Womit?)<br />
+ Zweck (Wozu?)<br />
+ Bedingung (Unter welcher Bedingung?)<br />
+ Folge (Mit welcher - sich unwillkürlich ergebenden - Folge?)<br />
+ Einwand (Trotz welchen Umstands?)<br />
+ Gegensatz (Anstatt/Während welcher anderen Möglichkeit?)<br />
+ Ausmaß (Wie sehr?)<br />
+ bei passivem Verb als Prädikat: Urheber (Von wem?)<br />
Hinsichtlich seiner Form ist ein Adverbiale entweder völlig ungebunden oder es bezieht sich<br />
formal auf ein Subjekt oder Objekt (dann liegt es dem entsprechenden Satzglied an). Im<br />
zweiten Fall kann man von einem attributiven Adverbiale sprechen, d.h. einem Adverbiale, das<br />
sich formal wie ein Attribut verhält, aber inhaltlich vor allem das Prädikat erläutert (zum Begriff<br />
"erläutern" in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> s. das Glossar).<br />
(ungebundenes) Adverbiale<br />
Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt.<br />
Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier an<br />
Tapferkeit.<br />
[Gall.1,1,4]<br />
.<br />
attributives Adverbiale<br />
Galli laeti virgulta collegerunt.<br />
Die Gallier sammelten freudig Geäst.<br />
[Gall.3,18,8]<br />
.<br />
2<br />
Helvetii<br />
reliquos Gallos<br />
virtute<br />
Galli<br />
laeti<br />
virgulta<br />
praecedunt.<br />
collegerunt.
Ergänzungen des Prädikats<br />
Wörter und Wortgruppen lassen sich nicht nur durch ihren inhaltlichen Beitrag zu einem Satz<br />
beschreiben, sondern auch durch ihre Beziehung zu anderen Satzgliedern. Völlig unabhängig ist<br />
immer das finite Verb eines Hauptsatzes. Bereits das Subjekt hängt aber vom Prädikat ab, denn<br />
seine Form kann vom Prädikatsverb bestimmt werden (z.B. legt piget fest, dass das Subjekt aus<br />
einem Infinitiv, AcI oder Nom.Sg. eines Pronomens bestehen muss). Auch Objekte sind immer<br />
vom Prädikatsverb abhängig (z.B. bedingt oblivisci ein Genitivobjekt, favere ein Dativobjekt, videre<br />
ein Akkusativobjekt und uti ein Ablativobjekt). Selbst Adverbialien, die auf den ersten Blick als<br />
völlig unabhängige Umstandsbestimmungen erscheinen (hodie, cum Germanis, cupiditate),<br />
erweisen sich in vielen Fällen als eingebunden in eine vom Prädikat bestimmte Satzstruktur (z.B.<br />
Helvetii cum Germanis contendunt). Satzglieder, die vom Prädikat abhängen, heißen<br />
"Ergänzungen" und sind in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> durch zwei Bändel mit dem Prädikat<br />
verbunden.<br />
Caesar quam maximis potest itineribus in<br />
Galliam ulteriorem contendit.<br />
Caesar eilte so schnell wie möglich in die<br />
Provinz Gallia ulterior.<br />
[vgl. Gall.1,7,1]<br />
Caesar<br />
quam maximis potest<br />
itineribus<br />
in Galliam ulteriorem<br />
contendit.<br />
Wenn man die möglichen Ergänzungen eines Verbs kennt, ist dies eine große Hilfe. Man kann<br />
dann beim Übersetzen vom finiten Verb her Erwartungen an den Satz richten. Die Zahl und Form<br />
der Ergänzungen eines Verbs wird als seine "Valenz" bezeichnet.<br />
Binnenstrukturen innerhalb einzelner Satzglieder<br />
Satzglieder bestehen häufig nicht nur aus einem Wort, sondern aus einer ganzen Wortgruppe.<br />
Man kann dabei Form- und Sinnträger, Attribute, präparative Pronomina und Adverbien sowie<br />
Binnensatzglieder unterscheiden.<br />
Form- und Sinnträger: Teile eines Prädikats<br />
Im Deutschen und Lateinischen ist ein Prädikat im Perfekt und Plusquamperfekt Passiv aus<br />
mindestens zwei Teilen zusammengesetzt, zu denen stets ein Partizip gehört:<br />
Das Mädchen ist gelobt worden. Puella laudata est.<br />
3<br />
Auch in den anderen Tempora ist das Prädikat häufig mehrteilig, wobei dann meistens ein Adjektiv<br />
oder Substantiv dabei ist:<br />
Paul ist dick. Paulus crassus est.<br />
Markus wird Lehrer werden. Marcus magister erit.
Traditionell nennt man esse / sein und manere / bleiben, wenn sie nur inhaltsschwacher Teil des<br />
Prädikats sind, "Hilfsverb" oder "Copula", und das Partizip, Adjektiv oder Substantiv<br />
"Prädikatsnomen". In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> heißen esse und manere, wenn sie nur etwas zur<br />
Form des Prädikats beisteuern, "Formträger", und die Wörter, die dem Prädikat Inhalt geben,<br />
"Sinnträger".<br />
Sinnträger<br />
Apud Helvetios longe nobilissimus fuit Orgetorix.<br />
Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei weitem<br />
tapferste. [Gall.1,2,1]<br />
Apud Helvetios<br />
Orgetorix.<br />
Attribut: Teil eines nominalen Satzglieds<br />
longe nobilissimus<br />
fuit.<br />
Ein Wort oder eine Wortgruppe, welches bzw. welche ein Nomen (oder substantiviertes<br />
Verbalnomen) erläutert, heißt Attribut. Da ein Attribut nur ein Satzgliedteil ist, steht es – wie der<br />
Sinnträger eines Prädikats – zusammen mit seinem formalen Bezugswort in einer Wachstafel.<br />
Attribut<br />
Helvetii privata aedificia incendunt.<br />
Die Helvetier brannten ihre Einzelgehöfte an.<br />
[Gall.1,5,2]<br />
Helvetii<br />
privata<br />
aedificia incendunt.<br />
Der Bezug eines Attributs zum erläuterten Nomen ist formal meistens erkennbar. Dabei ist das<br />
Maß der Kongruenz je nach Attribut unterschiedlich:<br />
- KNG (Kasus-Numerus-Genus) - Kongruenz (z. B. bei einem Adjektiv)<br />
- NG-Kongruenz (z. B. bei einem Relativsatz)<br />
- K-Kongruenz (z. B. bei einer Substantiv-Apposition)<br />
Da auch ein attributives Adverbiale mit seinem Bezugswort formal übereinstimmt, ist Kongruenz<br />
allerdings kein eindeutiger Hinweis auf ein Attribut.<br />
Präparatives Pronomen oder Adverb: Verweis auf ein Satzglied<br />
Im Deutschen verwenden wir manchmal den Platzhalter es, um z.B. einen dass-Satz an das<br />
betonte Satzende stellen zu können (Es freut mich sehr, dass Sie mir die Ehre eines Besuchs<br />
erweisen.). Grammatisch ist ein solcher Platzhalter nicht erforderlich (Dass Sie mir die Ehre eines<br />
Besuchs erweisen, freut mich sehr.) In gleicher Weise gibt es im Lateinischen Pronomina und<br />
Adverbien, die – selbst völlig inhaltsleer – lediglich auf ein Wort oder eine Wortgruppe hinweisen.<br />
Sie heißen "präparative Pronomina" und "präparative Adverbien" und stehen in der gleichen<br />
Wachstafel wie das, worauf sie verweisen.<br />
präparatives Pronomen<br />
Caesari id nuntiatum est, Helvetios per<br />
provinciam nostram iter facere conari.<br />
Caesar wurde dies gemeldet, dass die Helvetier<br />
versuchten durch unsere Provinz ihren Weg zu<br />
nehmen. [Gall.1,7,1]<br />
4<br />
Caesari<br />
id<br />
Helvetios ... facere conari.<br />
nuntiatum est,
präparatives Adverb<br />
Ideone ego pacem Pyrrhi diremi, ut tu amorum<br />
turpis-simorum cotidie foedera ferires?<br />
Habe ich (Appius Claudius) deshalb einen<br />
Frieden mit Pyrrhus verweigert, damit du (Clodia)<br />
jeden Tag Bündnisse mit schändlichsten<br />
Liebhabern schließt?<br />
[Cael.34]<br />
Ideo-ne<br />
ut tu amorum ... ferires?<br />
ego<br />
pacem Pyrrhi<br />
(Praparatives Pronomen zum Verweis auf einen Ablativus absolutus, einen Finalsatz des<br />
begehrten Inhalts, einen Kausalsatz des erklärenden Inhalts.)<br />
Binnensatzglied: Satzglied im Satzglied<br />
diremi,<br />
Satzglieder oder Satzgliedteile bestehen häufig aus Nebensätzen. Deren Satzglieder werden in<br />
der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> immer dann „Binnensatzglieder“ genannt, wenn sie von den<br />
Satzgliedern im übergeordneten Satz deutlich unterschieden werden sollen. Graphisch sind<br />
Binnensatzglieder als Wachstafeln in den Wachstafeln dargestellt. Um die Binnenstruktur eines<br />
Satzglieds zu sehen, klickt man auf die rote Schrift.<br />
Binnensatzglieder in Nebensätzen<br />
Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt, quod<br />
cotidianis proeliis cum Germanis contendunt.<br />
Die Helvetier übertreffen die übrigen Gallier an<br />
Tapferkeit, weil sie täglich gegen die Germanen<br />
kämpfen.<br />
[Gall.1,1,4]<br />
Helvetii<br />
reliquos Gallos<br />
virtute<br />
quod cotidianis proeliis<br />
cum Germanis contendunt.<br />
praecedunt,<br />
Von Binnensatzgliedern kann man auch bei allen Verbalnomina sprechen, wenn sie in irgendeiner<br />
Weise erweitert sind: Da sich der erweiterte Infinitiv, die erweiterten nd-Formen, das erweiterte<br />
Partizip und die erweiterten Supina mit Nebensätzen übersetzen lassen, gelten solche erweiterten<br />
Verbalnomina als „satzwertige Konstruktionen“ oder „unechte Gliedsätze“. In ihnen gibt es zwar<br />
kein finites Verb, aber die vorhandene Verbform übt syntaktisch die Funktion eines<br />
Binnenprädikats aus.<br />
Binnensatzglieder in satzwertigen<br />
Konstruktionen<br />
Subabsurda dicendo risus moventur.<br />
Indem man Absurdes sagt, erregt man<br />
Gelächter. [de orat.2,289]<br />
5<br />
Subabsurda dicendo<br />
risus movetur.
6<br />
Füllungsarten<br />
Zwischen der Satzoberfläche, also den konkreten Wörtern eines Satzes, und den Satzgliedern,<br />
also Prädikat, Subjekt, Objekt und Adverbiale, unterscheidet man noch eine dritte Ebene der<br />
Sprachbetrachtung: die Füllungsarten. Gemeint sind damit Wortarten, satzwertige Konstruktionen<br />
und Nebensätze. Da sie die Satzglieder füllen, wie Bienenwachs römische Wachstafeln füllte, sind<br />
Füllungsarten in dieser Grammatik als gelbliche Masse dargestellt. Außerdem ist die gesamte<br />
<strong>Wachstafelngrammatik</strong> nach Füllungsarten gegliedert.
7<br />
Zu den Füllungsarten verbaler Herkunft zählt vor allem das durch eine Person „finite“, d.h.<br />
bestimmte Verb. Verben können aber auch ganz andere Gestalten annehmen, so dass sie keine<br />
bestimmte Person mehr bezeichnen. Diese „infiniten“ Verbalformen, zu denen der Infinitiv, das<br />
Partizip, die nd-Formen und das Supinum zählen, können teilweise dekliniert werden und haben<br />
alle gemeinsam, dass sie mit Erweiterungen „satzwertig“ sind. Dann hat die infinite Verbalform die<br />
Funktion eines Binnenprädikats inne, das durch andere Binnensatzglieder erläutert wird.
8<br />
Ein finites Verb ist ein durch Person, Numerus, Modus, Tempus und Genus verbi (Aktiv und Passiv)<br />
bestimmtes Wort, welches allein oder mit anderen Wörtern das Prädikat des Satzes bildet.<br />
Grundsätzlich nennt ein finites Verb die Handlung eines Satzes, die Sinnfülle finiter Verben kann jedoch<br />
sehr verschieden sein:<br />
– Vollverb: Das Verb kann allein oder mit beliebigen Ergänzungen die<br />
Handlung des Satzes nennen: z.B. ridere, vocare, canere.<br />
– Verb mit Infinitiv-Ergänzung: Das Verb nennt nur eine Modalität oder einen Aspekt der im<br />
Infinitiv gennanten Handlung: z.B. velle, cupere, posse, conari.<br />
– Verb mit Sinnträger: Das Verb ist entweder inhaltsleer (esse und manere) oder<br />
bekommt durch einen Gleichsetzungsakkusativ einen neuen<br />
Sinn (putare, vocare, reddere usw.).<br />
Die Begriffe "Vollverb", "Verb mit Infinitiv-Erganzung" und "Verb mit Sinnträger" bezeichnen keine<br />
getrennten Verbgruppen, sondern verschiedene Rollen, die von Verben eingenommen werden<br />
können: Putare hat nicht nur die Bedeutung glauben (Vollverb), sondern auch halten für (Verb mit<br />
Sinnträger), esse bedeutet nicht nur sein (Verb mit Sinnträger), sondern auch existieren (Vollverb)<br />
und cupere heißt nicht nur wünschen (Verb mit Infinitiv-Ergänzung), sondern auch begehren<br />
(Vollverb).<br />
Die Notwendigkeit, Zahl und Form von Ergänzungen hängt von der Valenz des jeweiligen Verbs<br />
ab. Viele Verben besitzen mehrere Valenzen, wobei gewöhnlich jede Valenz mit einer eigenen<br />
Bedeutung verbunden ist (z. B. contendere mit AcI: behaupten; contendere mit Richtungsangabe:<br />
eilen nach).<br />
Wie im Deutschen treten auch im Lateinischen alle Verben bei indirekter Rede in andere Formen,<br />
wobei sich jedoch die Umwandlungsregeln in beiden Sprachen deutlich unterscheiden.
Vollverb<br />
Vollverb heißt ein Verb dann, wenn es - aufgrund seiner Sinnfülle - alleine das Prädikat bildet<br />
(z.B. vivere / leben). Grundsätzlich lassen sich folgende Gruppen unterscheiden:<br />
– Tätigkeitsverben (z.B. laborare/arbeiten)<br />
– Vorgangsverben (z.B. dormire/schlafen)<br />
– Zustandsverben (z.B. habitare/wohnen)<br />
Der Begriff "Vollverb" bezeichnet allerdings keine unveränderliche Eigenschaft eines Verbs,<br />
sondern nur eine Rolle. So hat z.B. das meistens inhalstleere esse (sein) manchmal die<br />
Bedeutung existieren und ist dann alleine Prädikat. Und wenn das meistens inhaltsreiche putare<br />
(glauben) manchmal durch einen Gleichsetzungsakkusativ die Bedeutung jdn. für etwas halten<br />
bekommt, ist es nur ein Prädikatsteil.<br />
Prädikat<br />
In qua urbe vivimus?<br />
In welcher Stadt leben wir?<br />
[Cat.1,9]<br />
Prädikatsteil<br />
Te civem putes?<br />
Du willst dich für einen römischen Bürger halten?<br />
[Phil.7,5]<br />
Modi und Tempora<br />
In qua urbe vivimus?<br />
Te civem<br />
putes?<br />
Wie im Deutschen gibt es auch im Lateinischen die drei Modi des Indikativs, Konjunktivs und<br />
Imperativs sowie sechs verschiedene Tempora. Der Gebrauch der Modi und Tempora<br />
unterscheidet sich jedoch häufig. So entspricht z.B. einem lateinischen Nebensatz-Konjunktiv<br />
meistens ein deutscher Indikativ und einem lateinischen Perfekt meistens ein deutsches<br />
Präteritum.<br />
9<br />
Grundsätzlich kann ein lateinisches Tempus dreierlei bezeichnen:<br />
– die absolute Zeit einer Handlung (Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; nur bei Verben im<br />
Indikativ möglich)<br />
– das Zeitverhältnis einer Handlung zu einer anderen Handlung (Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit<br />
oder Nachzeitigkeit)<br />
– den Aspekt einer Handlung (z. B. punktuelle oder durative Handlung)<br />
Welche Funktion der Modus und das Tempus eines Verbs in einem konkreten Satz ausüben, hängt<br />
wesentlich davon ab, ob das Verb in einem Haupsatz oder in einem untergeordneten Satz steht.<br />
Da Modus, Tempus und Verbposition eine untrennbare Einheit bilden, berücksichtigen die<br />
folgenden Übersichten jeweils alle drei Faktoren.
Indikativ Präsens<br />
aktuelles Präsens:<br />
Bezeichnung gegenwärtiger Ereignisse<br />
Tempora im Indikativ<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
resultatives Präsens:<br />
Bezeichnung einer in der Vergangenheit<br />
begonnenen und noch andauernden Handlung<br />
iteratives Präsens:<br />
Bezeichnung einer wiederholten Handlung<br />
gnomisches Präsens:<br />
Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />
literatorisches Präsens:<br />
Bezeichnung einer noch aktuellen Schrift<br />
historisches Präsens:<br />
Bezeichnung dramatischer Ereignise in der<br />
Vergangenheit<br />
Futur I<br />
Gleichzeitigkeit zu einem Präsens<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
prospektives Futur:<br />
Bezeichnung einer künftigen Handlung<br />
gnomisches Futur:<br />
Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />
Bezeichnung eines Befehls (2. und 3. P.)<br />
Futur II<br />
Gleichzeitigkeit zu einem Futur I, Imperativ und<br />
Ausdrücken des Müssens, Könnens usw.<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Vorzeitigkeit zu einem Futur I<br />
Indikativ Imperfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
deskriptives Imperfekt:<br />
Bezeichnung der Hintergrundhandlung in<br />
erzählenden Texten<br />
iteratives Imperfekt:<br />
Gleichzeitigkeit zu einem Imperfekt<br />
Bezeichnung wiederholter vergangener<br />
Handlungen<br />
konatives Imperfekt:<br />
Bezeichnung versuchter vergangener Handlungen<br />
10
Indikativ Perfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
narratives Perfekt:<br />
Bezeichnung der Vordergrundhandlung in<br />
erzählenden Texten<br />
resultatives Perfekt:<br />
Bezeichnung eines Zustands, der in der<br />
Vergangenheit begonnen hat und in der<br />
Gegenwart noch andauert.<br />
konstatierendes Perfekt:<br />
Bezeichnung einer Vergangenheit als Vergangen<br />
in einer Feststellung<br />
gnomisches Perfekt:<br />
Bezeichnung einer allgemeingültigen Wahrheit<br />
Gleichzeitigkeit zu einem Perfekt oder Vorzeitigkeit<br />
zu einem Präsens<br />
Indikativ Plusquamperfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Bezeichnung einer in der Vergangenheit<br />
vollendeten Handlung<br />
Vorzeitigkeit zu einem Imperfekt oder Perfekt<br />
• Tempus-Unterschiede zwischen lateinischen und deutschen Verben im Indikativ<br />
Der Tempusgebrauch lateinischer Verben im Indikativ weicht in folgenden Fällen erheblich vom<br />
Deutschen ab:<br />
– Indikativ Imperfekt und Perfekt im Deutschen und Lateinischen<br />
Die Wahl des Vergangenheitstempus hängt in erzählenden lateinischen Texten davon ab, ob<br />
eine Hintergrundhandling (Imperfekt) oder Vordergrundhandlung (Perfekt) geschildert wird. Im<br />
Deutschen spielt dieser Aspekt keine Rolle, sondern die Textsorte bestimmt die Zeit: In<br />
erzählenden Texten steht Präteritum („Imperfekt“) und in kommunikativen Texten Perfekt.<br />
Adhortatus ad laborem milites Alesiam<br />
circumvallare instituit. Ipsum erat oppidum<br />
Alesia in colle summo.<br />
[Gall.7,68,3 – 69,1]<br />
Nachdem er die Soldaten zur Arbeit ermahnt hatte,<br />
wies er sie an, Alesia ringsum mit Schanzen<br />
einzuschließen. Die Stadt Alesia selbst lag ganz<br />
oben auf dem Berg.<br />
– Futur I im Lateinischen und im Deutschen<br />
In der Zukunft liegende Handlungen stehen im Lateinischen im Haupt- und Nebensatz im Futur.<br />
Im Deutschen kann dagegen auch bei zuküftigen Handlungen das Präsens verwendet werden,<br />
wenn der Zukunftsbezug deutlich durch den Kontext, z.B. durch ein Zeitadverb, gesichert ist. Da<br />
man eine Aneinenderreihung von Futurformen im Deutschen vermeidet, übersetzt man<br />
gewöhnlich das Futur lateinischer Nebensätze mit Präsens, wenn man bereits das Futur des<br />
Hauptsatzes mit Futur übersetzt hat.<br />
Imprimis videndum erit ei, qui rem publicam<br />
administrabit, ut suum quisque teneat.<br />
[off.2,73]<br />
– Futur I zur Bezeichnung eines Befehls<br />
Valebis meaque negotia videbis!<br />
[fam.7,20,2]<br />
Besonders wird derjenige, der einen Staat<br />
verwaltet, darauf achten müssen, dass jeder sein<br />
Eigentum behält.<br />
Lebe wohl und kümmere dich um meine<br />
Angelegenheiten!<br />
– Imperfekt im Lateinischen zur Bezeichnung einer versuchten vergangenen Handlung<br />
Quid est Catilina? Num dubitas id me imperante<br />
facere, quod iam tua sponte faciebas?<br />
[Cat.1,13]<br />
11<br />
Was ist, Catilina? Zögerst du etwa, dies auf meinen<br />
Befehl zu tun, was du schon aus eigenem Antieb<br />
tun wolltest?
– Resultatives Perfekt im Lateinischen<br />
Häufig ist nicht deutlich zu erkennen, ob mit einer Perfektform der Vorgang oder das Resultat<br />
der Verbhandlung hervorgehoben werden soll. Verba defectiva (meminisse, novisse, odisse)<br />
haben jedoch immer präsentische Bedeutung.<br />
Etsi tu meam stultitiam consuesti ferre, eo<br />
tamen progrediar, ut stomachere.<br />
[Att.12,37,2]<br />
Nunc te patria, quae communis est parens<br />
omnium nostrum, odit ac metuit et iam diu nihil<br />
te iudicat nisi de parricidio suo cogitare.<br />
[Cat.1,17]<br />
– Deutsches Präsens oder Perfekt für lateinisches Futur II<br />
Si te interfici iussero, residebit in re publica<br />
reliqua coniuratorum manus; sin tu exieris,<br />
exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et<br />
perniciosa sentina rei publicae.<br />
[Cat.1,17]<br />
Auch wenn du dich daran gewöhnt hast, meine<br />
Dummheit zu ertragen, /<br />
Auch wenn du meine Dummheit zu ertragen<br />
pflegst,<br />
werde ich es dennoch so weit treiben, dass du<br />
Bauchweh bekommst.<br />
Nun aber hasst und fürchtet dich deine Vaterstadt,<br />
die der gemeinsame Vater von uns allen ist, und<br />
sie ist der Meinung, dass du schon lange an nichts<br />
anderes als ihre Vernichtung denkst.<br />
Wenn ich befehle, dass du hingerichtet wirst, wird<br />
die übrige Schar der Verschworenen im Staat<br />
zurückbleiben; Wenn du aber Rom verlässt, wird<br />
aus der Stadt auch der große und für den Staat<br />
verderbliche Abschaum deiner Gefährten<br />
abgeschöpft.<br />
– Strenge Beachtung der Vorzeitigkeit nur in lateinischen Nebensätzen<br />
Besonders bei einer wiederholten vorzeitigen Handlung (Antecedens iterativum) wird im<br />
Lateinischen die Vorzeitigkeit genau beachtet, im Deutschen dagegen nicht.<br />
Qui restituerunt, discedunt saepissime<br />
superiores.<br />
[Tusc.2,54]<br />
Wer Widerstand leistet, geht sehr oft als Sieger<br />
hervor.<br />
• Vom Indikativ abweichender deutscher Modus („Realis“)<br />
Die Verwendung des Indikativs im Hauptsatz stimmt im Lateinischen und im Deutschen<br />
weitgehend überein. Abweichend vom Deutschen steht jedoch der Indikativ im Lateinischen häufig<br />
in folgenden Fällen:<br />
– bei Ausdrücken des Könnens, Sollens, Müssens und der Wertung wie:<br />
oportet es würde sich gehören consulis erat es wäre Aufgabe des<br />
Konsuls gewesen<br />
possum ich könnte longum est es würde zu weit führen<br />
debeo ich müsste aequum est es wäre gerecht<br />
decet es würde sich gehören non multum afuit, quin es hätte nicht viel<br />
gefehlt, und<br />
meum est es wäre meine Aufgabe<br />
– bei paene<br />
Brutum abiectum, quantum potui, excitavi,<br />
quem non minus amo quam tu – paene dixi,<br />
quam te.<br />
[Att.5,20,6]<br />
– bei rhetorischen Fragen:<br />
Nunc autem quis dubitat, quin Ser. Sulpicio<br />
vitam abstulerit ipsa legatio?<br />
[Phil.9,5]<br />
12<br />
Den niedergeschlagenen Brutus habe ich, so gut ich<br />
konnte, aufgerüttelt. Ich schätze ihn nicht weniger<br />
als tu – beinahe hätte ich gesagt, als dich.<br />
Wer zweifelte nun aber daran, dass genau die<br />
Gesandtschaftsreise der Grund für das Ableben des<br />
Servius Sulpicius war?
Tempora im Konjunktiv<br />
Da das formale Tempus eines Konjunktivs (Präsens, Präteritum usw.) im Deutschen und<br />
Lateinischen nur wenig über die absolute Zeit (Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft) aussagt, teilt<br />
man die Konjunktivformen in die Systeme "Konjunktiv I" und "Konjunktiv II" ein, wobei es<br />
Konjunktive der Nachzeitigkeit nur im Deutschen gibt:<br />
Konjunk<br />
tiv I<br />
Kon-junktiv<br />
II<br />
der<br />
Gleichzeitigkeit<br />
der<br />
Vorzeitigkeit<br />
der<br />
Nachzeitigkeit<br />
der<br />
Gleichzeitigkeit<br />
der<br />
Vorzeitigkeit<br />
der<br />
Nachzeitigkeit<br />
Präsens Präeritum /<br />
Imperfekt<br />
x<br />
x<br />
Perfekt Plusqu. Futur I /<br />
-urus sim<br />
x<br />
x<br />
x<br />
Futur II /<br />
-urus<br />
essem<br />
Der Gebrauch des Konjunktivs unterscheidet sich im Deutschen und Lateinischen so sehr, dass<br />
die meisten lateinischen Nebensatzkonjunktive mit Indikativ und die lateinischen<br />
Hauptsatzkonjunktive gewöhnlich mit Modalverben (mögen, wollen, sollen) übersetzt werden.<br />
Konjunktiv Präsens<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Coniunctivus obliquus<br />
Kennzeichnung einer Handlung (im Nebensatz oder, in indirekter Rede, im Hauptsatz) als lediglich<br />
subjektive Äußerung des Subjekts des übergeordneten Satzes (innerlich abhängige Sätze); Präsens<br />
bezeichnet Gleichzeitigkeit zu einem Haupttempus<br />
Coniunctivus potentialis der Gegenwart:<br />
Bezeichnung einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />
Coniunctivus concessivus<br />
Bezeichnung einer Einräumung<br />
Coniunctivus dubitativus<br />
Bezeichnung eines ernst gemeinten Zweifels in<br />
einem Fragesatz (sollen).<br />
Coniunctivus indignationis<br />
Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />
unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />
Coniunctivus optativus<br />
Bezeichnung eines erfüllbar gedachten Wunsches<br />
der Gegenwart<br />
Coniunctivus hortativus, imperativus und<br />
iussivus<br />
Bezeichnung einer Aufforderung an die 1., 2. und<br />
3.Person<br />
13<br />
Bindemodus ohne semantische Funktion<br />
Präsens bezeichnet dabei Gleichzeitigkeit zu<br />
einem Haupttempus<br />
Bezeichnung des Nebensinns eines<br />
Relativsatzes<br />
final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />
x
Konjunktiv Imperfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Coniunctivus obliquus<br />
Coniunctivus irrealis der Gegenwart<br />
Bez. einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />
Coniunctivus potentialis der Vergangenheit<br />
Bez. einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Vergangenheit<br />
Coniunctivus dubitativus<br />
Bez. eines Zweifels bezüglich einer vergangenen<br />
Handlung<br />
Coniunctivus indignationis<br />
Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />
unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />
Coniunctivus optativus<br />
Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der<br />
Gegenwart<br />
Coniunctivus imperativus der<br />
Vergangengenheit (selten)<br />
Bez. einer nicht mehr erfüllbaren Aufforderung<br />
Bindemodus ohne semantische Funktion<br />
Imperfekt bezeichnet dabei Gleichzeitigkeit zu<br />
einem Nebentempus<br />
Bezeichnung des Nebensinns eines<br />
Relativsatzes<br />
final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />
Konjunktiv Perfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Coniunctivus obliquus<br />
Coniunctivus potentialis der Gegenwart:<br />
Bez. einer vom Sprecher erfüllbar gedachten Möglichkeit der Gegenwart<br />
Coniunctivus concessivus der Vergangenheit<br />
Bez. einer Einräumung der Vergangenheit<br />
Coniunctivus indignationis<br />
Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer<br />
unwilligen oder verwunderten Frage (sollen).<br />
Coniunctivus optativus<br />
Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der<br />
Vergangenheit<br />
Coniunctivus prohibitivus<br />
Bezeichnung eines Verbots<br />
14<br />
Bindemodus ohne semantische Funktion<br />
Perfekt bezeichnet dabei Vorzeitigkeit zu einem<br />
Haupttempus<br />
Bezeichnung des Nebensinns eines<br />
Relativsatzes<br />
final / kausal / konzessiv / konsekutiv<br />
Konjunktiv Plusquamperfekt<br />
Hauptsatz Nebensatz<br />
Coniunctivus obliquus<br />
Coniunctivus irrealis der Vergangenheit:<br />
Bez. einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit der Vergangenheit<br />
Coniunctivus indignationis<br />
Bindemodus ohne semantische Funktion<br />
Bezeichnung einer scheinbaren Zweifels in einer Plusquamperfekt bezeichnet dabei Vorzeitigkeit zu<br />
unwilligen oder verwunderten Frage (sollen). einem Nebentempus<br />
Coniunctivus optativus<br />
Bezeichnung des Nebensinns eines<br />
Bez. eines unerfüllbar gedachten Wunsches der Relativsatzes<br />
Vergangenheit<br />
final / kausal / konzessiv / konsekutiv
• Übersetzung lateinischer Konjunktive<br />
Lateinische Hauptsatz-Konjunktive übersetzt man meistens mit einem Modalverbkomplex, d.h. mit<br />
einem Modalverb (dürfen, können, mögen, müssen, sollen, wollen) und einem Vollverb im Infinitiv.<br />
Improborum civium augeas animos, bonorum<br />
spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />
senatorem, denique civem putes?<br />
[Phil.7,5]<br />
Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />
schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />
- und du willst dich für einen ehemaligen Konsul<br />
oder Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger<br />
halten?<br />
Der Sinn eines Hauptsatz-Konjunktivs kann aber auch durch ein frei gewähltes<br />
sinnverdeutlichendes Wort und Indikativ wiedergegeben werden.<br />
Improborum civium augeas animos, bonorum<br />
spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />
senatorem, denique civem putes?<br />
[Phil.7,5]<br />
Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />
schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />
- und du willst dich für einen ehemaligen Konsul oder<br />
Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger<br />
halten?<br />
Nur in wenigen Fällen gibt der bloße deutsche Indikativ den Sinn eines lateinischen Hauptsatz-<br />
Konjunktivs am besten wieder (bes. beim Coni. indignationis)<br />
Improborum civium augeas animos, bonorum<br />
spem virtutemque debilites, et te consularem aut<br />
senatorem, denique civem putes?<br />
[Phil.7,5]<br />
Angenommen, du stärkst schlechte Bürger,<br />
schwächst aber die Zuversicht und Stärke der guten<br />
- und du hältst dich für einen ehemaligen Konsul<br />
oder Senator, ja überhaupt einen römischen Bürger?<br />
Anders verhält es sich mit einem lateinischen Nebensatz-Konjunktiv. Eine wichtige syntaktische<br />
Funktion, der er sogar seinen Namen verdankt (Kon-junktiv), besteht nämlich darin, lediglich den<br />
Zusammenhang zwischen dem Nebensatz und dem übergeordneten Satz deutlich zu machen<br />
(z.B. bei Verwendung der Subjunktion cum mit Konjunktiv). Deshalb kann man lateinische<br />
Nebensatz-Konjunktiv meistens mit bloßem Indikativ übersetzen.<br />
Cum te Praeneste Kalendis ipsis Novembribus<br />
occupaturum nocturno impetu esse confideres,<br />
sensistine illam coloniam meo iussu meis<br />
praesidiis, custodiis, vigiliis esse munitam?<br />
[Cat.1,8]<br />
Als du darauf vertrautest, dass du Praeneste genau<br />
am 1. November durch einen nächtlichen Angriff<br />
einnehmen werdest, hast du da gemerkt, dass jene<br />
Kolonie auf meinen Befehl durch meine<br />
Schutztruppen, Wachen und Aufpasser geschützt<br />
wurde?<br />
Außerdem kann ein Konjunktiv in einem Nebensatz auch ausschließlich deshalb stehen, weil<br />
dieser Nebensatz in einen übergeordnete Satz im Konjunktiv oder eine Infinitivkonstruktion<br />
eingebettet ist. Im Deutschen gibt es eine solche Modusangleichung (Attractio modi) nur sehr<br />
selten (z.B. Koste es, was es wolle.).<br />
Accidit, ut nonnulli milites, qui lignationis<br />
munitionisque causa in silvas discessissent,<br />
repentino equitum adventu interciperentur.<br />
[Gall.5,39,2]<br />
Es geschah, dass einige Soldaten, die zum<br />
Holzfällen und Sichern in die Wäder weggegan-gen<br />
waren, durch die plötzliche Ankunft von Reitern<br />
abgefangen wurden.<br />
Wenn das Prädikat des Nebensatzes jedoch aus semantisch bedeutungsvollem Grund im<br />
Konjunktiv steht (z.B. Bezeichnung einer erfüllbar oder unerfüllbar gedachten Möglichkeit,<br />
Bezeichnung eines finalen, kausalen oder konzessiven Nebensinns eines Relativsatzes), wird es<br />
entweder mit deutschem Konkunktiv oder einem frei gewählten sinnverdeutlichenden Wort<br />
und Indikativ wiedergegeben.<br />
Homines sunt hac lege generati, qui tuerentur<br />
illum globum, quem in hoc templo medium vides.<br />
[rep.6,15]<br />
15<br />
Die Menschen wurden unter dieser Bedingung<br />
geschaffen, dass sie jenen Globus schützen, den<br />
du mitten in diesem göttlichen Kosmos siehst..
• Tempus-Unterschiede zwischen lateinischen und deutschen Verben im Konjunktiv<br />
Im Konjunktiv weicht der Tempusgebrauch im Lateinischen und Deutschen stark von einander ab:<br />
– Coniunctivus obliquus<br />
Ein Conjunktivus obliquus („Konjunktiv der fremden Meinung“) kennzeichnet eine Aussage als<br />
lediglich subjektive Aussage des Subjekts des übergeordneten Satzes oder des Subjekts des<br />
Prädikats, das eine indirekte Rede einleitet. Im Lateinischen folgt der Coniunctivus obliquus den<br />
Regeln der Consecutio temporum (s. unten S. 16), im Deutschen verwenden wir gewöhnlich<br />
den Konjunktiv I (s. unten).<br />
Decima legio per tribunos militum Caesari<br />
gratias egit, quod de se optimum iudicium<br />
fecisset.<br />
[Gall.1,41,2]<br />
Divico ita cum Caesare egit:<br />
Si pacem populus Romanus cum Helvetiis<br />
faceret, in eam partem ituros atque ibi futuros<br />
Helvetios, ubi eos Caesar constituisset. Sin<br />
bello persequi perseveraret, reminisceretur et<br />
veteris incommodi populi Romani et pristinae<br />
virtutis Helvetiorum.<br />
[Gall.1,13,3-4]<br />
Die zehnte Legion stattete durch die Militärtribunen<br />
Caesar Dank dafür ab, dass er über sie ein<br />
hervorragendes Urteil gefällt habe.<br />
Divico verhandelte folgendermaßen mit Caesar:<br />
Wenn das römische Volk mit den Helvetiern<br />
Frieden schließe, würden sie in die Richtung<br />
gehen und dort bleiben, wo Caesar sie<br />
angesiedelt habe. Wenn er jedoch auf Fortsetzung<br />
des Krieges beharre, solle er sich erinnern an die<br />
alte Niederlage des römischen Volkes und die<br />
frühere Tapferkeit der Helvetier.<br />
– Coniunctivus potentialis und irrealis der Gegenwart in Konditionalsätzen<br />
In deutschen konditionalen Satzperioden wird kein Unterschied zwischen einer vom Sprecher<br />
erfüllbar gedachten und einer vom Sprecher unerfüllbar gedachten Möglichkeit gemacht, im<br />
Lateinischen steht dagegen im ersten Fall Konjunktiv Präsens und im zweiten Fall Konjunktiv<br />
Imperfekt.<br />
Haec si tecum ita patria loquatur, nonne<br />
impetrare debeat.<br />
[Cat.1,19]<br />
Servi mehercule mei si me isto pacto<br />
metuerent, ut te metuunt omnes cives tui,<br />
domum meam relinquendam putarem.<br />
[Cat.1,17]<br />
Wenn die Vaterstadt so mit dir spräche, müsste<br />
sie etwa nicht Erfolg haben?<br />
Wenn, beim Herkules, meine Sklaven mich so<br />
fürchteten, wie dich alle deine Mitbürger fürchten,<br />
würde ich glauben, dass ich mein Haus verlassen<br />
müsse.<br />
– Coniunctivus concessivus erfordert freie Übersetzung<br />
Der Coniunctivus concessivus bezeichnet ein Zugeständnis und muss frei übersetzt werden<br />
(wenn auch, gesetzt dass, mag, zugegeben dass).<br />
Eadem nunc defensionis ratio viaque temptatur:<br />
Verres sit fur, sit sacrilegus, sit flagitiorum<br />
omnium vitiorumque princeps – at est bonus<br />
imperator.<br />
[Verr.2,5,4]<br />
Dieselbe Methode der Verteidigung wird jetzt<br />
versucht: Verres mag ein Dieb, Tempelräuber und<br />
Ausbund aller Schandtaten und Laster sein – aber<br />
er ist ein guter Feldherr.<br />
– Coniunctivus dubitativus der Vergangenheit erfordert deutsches Plusquamperfekt<br />
Der dubitative Konjunktiv wird mit dem Modalverb sollen übersetzt. Bei Coniunctivus dubitativus<br />
der Vergangenheit steht deutscher Konjunktiv Plusquamperfekt.<br />
Quid facerent miseri aut quid recusarent?<br />
[Verr. 2,3,79]<br />
16<br />
Was hätten die Armen machen sollen oder was<br />
hätten sie zurückweisen sollen?<br />
– Coniunctivus optativus manchmal mit hoffentlich übersetzt<br />
Ein Wunsch kann mit utinam oder velim, nolim, malim oder vellem, nollem, mallem verstärkt<br />
werden. Diese Wörter müssen nicht übersetzt werden.
Utinam tibi istam mentem di immortales duint!<br />
[Cat.1,22]<br />
Mögen dir die unsterblichen Götter diese Absicht<br />
geben!<br />
Hoffentlich geben dir die unsterblichen Götter diese<br />
Absicht!<br />
– Coniunctivus imperativus der Vergangenheit erfordert deutsches Plusquamperfekt<br />
A Torquato hoc vitium sileretur!<br />
[Sull.25]<br />
Von Torquatus hätte dieser Fehler verschwiegen<br />
werden sollen!<br />
– Coniunctivus prohibitivus (Perfekt) erfordert deutsches Präsens<br />
Ein Verbot wird im Lateinischen mit ne (oder einer ähnlichen Verneinung) und Konjunktiv<br />
Perfekt formuliert.<br />
Ne vos quidem, iudices, mortem timueritis!<br />
[Tusc.1,98]<br />
Auch ihr, Richter, sollt den Tod nicht fürchten!<br />
• Zeitenverhältnisregeln für Nebensätze im Konjunktiv (Consecutio temporum)<br />
Hauptsatztempus Zeitverhältnis Nebensatztempus<br />
Haupttempus<br />
(Präsens, Futur I, Futur II)<br />
Nebentempus<br />
(Imperfekt, Perfekt, Plusquamp.)<br />
< gleichzeitig <<br />
Konjunktiv Präsens<br />
Konjunktiv Imperfekt<br />
Haupttempus<br />
Nebentempus<br />
< vorzeitig <<br />
Konjunktiv Perfekt<br />
Konjunktiv Plusquamperfekt<br />
Haupttempus<br />
Nebentempus<br />
< nachzeitig <<br />
-urus, -ura, -urum sim<br />
-urus, -ura, -urum essem<br />
Nachzeitigkeit wird lediglich in indirekten Fragesätzen und non-dubito-quin-Sätzen beachtet:<br />
Dubitabam, essesne meas litteras accepturus. Ich war im Zweifel, ob du meinen Brief erhalten<br />
[Att.15,9,2]<br />
würdest.<br />
Nunc mihi non est dubium, quin legiones venturae Nun bin ich mir ganz sicher, dass keine Legionen<br />
non sint.<br />
kommen werden.<br />
[fam.2,17,5]<br />
Nur vereinfachend steht in der Kopfzeile der Tabelle „Hauptsatztempus“, denn ein<br />
Nebensatztempus kann sich auch auf einen übergeordneten Nebensatz oder ein Verbum infinitum<br />
wie einen Infinitiv oder ein Partizip beziehen. Bei Erläuterung eines übergeordneten Nebensatzes<br />
ist das Tempus dieses Nebensatzverbs ausschlaggebend. In Bezug auf ein Verbum infinitum<br />
richtet sich meistens nur das Zeitverhältnis nach dem Verbum infinitum, die absolute Zeit hängt<br />
dagegen vom nächsten übergeordneten finiten Verb ab. Eine Ausnahme bildet jedoch der Infinitiv<br />
Perfekt, nach dem durch Tempusattraktion das Tempus im Konjunktiv stehen kann, das auch dann<br />
stünde, wenn statt des Infinitivs und des von ihm abhängigen Nebensatzes ein Haupt- und<br />
Nebensatz im Indikativ formuliert wäre.<br />
Normalfall:<br />
Satis multa mihi verba fecisse videor, qua re esset<br />
hoc bellum genere ipso necessarium, magnitudine<br />
periculosum.<br />
[Manil.27]<br />
Tempus wie bei Indikativ:<br />
Fateor me erravisse, qui hoc maluerim, fateor<br />
insanivisse, qui cum illis senserim.<br />
[S.Rosc.142]<br />
17<br />
Ausreichend glaube ich dargelegt zu haben,<br />
weshalb dieser Krieg aufgrund seiner Eigenart<br />
notwendig und aufgrund seiner Größe gefährlich<br />
ist.<br />
Ich gestehe, dass ich mich geirrt habe, da ich ja<br />
dies lieber wollte, und ich gestehe, verrückt<br />
gewesen zu sein, da ich ja zu jenen hielt.
Die Regeln der Consecutio temporum werden in konjunktivischen Nebensätzen fast immer<br />
eingehalten. Eine Ausnahme bilden jedoch häufig die Konsekutivsätze.<br />
• Innerlich abhängige Sätze<br />
Neben- und Hauptsätze, die im Coniunctivus obliquus stehen (z.B. in indirekter Rede), sowie alle<br />
indirekten Fragesätze, Finalsätze, quin-Sätze und finalen Relativsätze sind innerlich abhängig.<br />
Dies bedeutet inhaltlich, dass die Aussagen dieser Sätze nur als subjektive Aussagen des<br />
Subjekts des übergeordneten Satzes zu verstehen sind. Formales Kennzeichen innerlich<br />
abhängiger Sätze ist die Verwendung reflexiver Pronomina bei Bezug auf das Subjekt des<br />
übergeordneten Satzes („indirekte Reflexivität“).<br />
Quod ubi Caesar resciit, Lingonibus imperavit, uti<br />
fugitivos conquirerent et reducerent, si sibi purgati<br />
esse vellent.<br />
[Gall.1.28.1]<br />
Sobald Caesar dies in Erfahrung gebracht hatte,<br />
befahl er den Lingonen, dass sie die Flüchtigen<br />
zusammenzutreiben und zurückzuführen sollten,<br />
wenn sie ihm gegenüber ohne Schuld sein wollten<br />
• Konjunktiv in indirekter Rede (Coniunctivus obliquus)<br />
Als indirekte Rede bezeichnet man die nicht wörtliche, sondern nur berichtende Wiedergabe einer<br />
eigenen oder fremden Rede, wobei der Sprecher durch die Wahl der Prädikatsperson, des<br />
Prädikatsmodus und der Pronomina deutlich macht, dass er die Rede nur indirekt wiedergibt.<br />
Im Deutschen stehen alle Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede im Konjunktiv (Konjunktiv I<br />
im Normalfall, Konjunktiv II in konditionalen Perioden und bei Formgleichheit des Konjunktivs I mit<br />
dem Indikativ). Im Lateinischen wird bei indirekter Rede zwischen Aussagesätzen, Fragesätzen<br />
und Aufforderungs- bzw. Wunschsätzen unterschieden.<br />
direkte<br />
Rede:<br />
indirekte<br />
Rede:<br />
Fragesatz<br />
Umformungen bei indirekter Rede<br />
direkte Rede indirekte Rede<br />
Aussagesatz > AcI<br />
rhetorische Frage > AcI<br />
andere Frage > abhängiger Fragesatz<br />
Aufforderungs- und Wunschsatz > Finalsatz des begehrten Inhalts<br />
Nebensatz (im Indikativ oder Konjunktiv) ><br />
"Si pacem nobiscum facies, in eam<br />
partem ibimus atque erimus, ubi nos<br />
constitueris."<br />
Divico ita cum Caesare egit:<br />
Si pacem populus Romanus cum<br />
Helvetiis faceret, in eam partem ituros<br />
atque ibi futuros Helvetios, ubi eos<br />
Caesar constituisset.<br />
[Gall.1,13,3]<br />
innerlich abhängiger Nebensatz, d. h.<br />
Konjunktiv nach der Consecutio temporum<br />
"Wenn du mit uns Frieden schließen wirst, gehen<br />
wir dorthin und bleiben wird dort, wo du uns<br />
ansiedelst."<br />
Divico verhandelte so mit Caesar:<br />
Wenn das römische Volk Frieden mit den<br />
Helvetiern schließe, würden die Helvetier dorthin<br />
gehen und dort bleiben, wo Caesar sie angesiedle.<br />
Zum AcI in indirekter Rede. s. "AcI in indirekter Rede" und zu den Pronomina s. "Reflexive<br />
Pronomina in indirekter Rede".<br />
18<br />
Imperativ<br />
Anders als im Deutschen gibt es im Lateinischen zwei Imperativ-Formen, die im Deutschen zwar
eide durch Imperativ oder durch ein Modalverb mit Infinitiv wiedergegeben werden könne, sich<br />
aber hinsichtlich des Geltungsbereichs unterscheiden:<br />
– Imperativ Präsens („Imperativ I“): sofort auszuführen<br />
Egredere ex urbe, libera rem publicam metu! Geh aus der Stadt, befreie den Staat von Furcht!<br />
[Cat.1,20]<br />
– Imperativ Futur („Imperativ II“): in Gesetzestexten und allgemeinen Sentenzen<br />
Caelestia semper spectato, humana contemnito! Behalte die himmlischen Dimensionen immer im<br />
[rep.6,20]<br />
Blick und schätze Menschliches gering!<br />
• Verbot<br />
Der Imperativ wird nur selten mit ne verneint. Ein Verbot an die 2. Person bezeichnen gewöhnlich<br />
ne mit Konjunktiv Perfekt oder noli mit Infinitiv.<br />
Genera verbi<br />
Je nachdem, ob das Subjekt die Verbhandlung vollzieht bzw. auslöst oder von ihr betroffen wird,<br />
unterscheidet man im Lateinischen die Genera verbi („Diathesen“) Aktiv und Passiv.<br />
Aktiv<br />
Ein Aktiv-Personenzeichen kann den Vollzug oder die Veranlassung (kausatives Aktiv: lassen)<br />
einer Prädikatshandlung durch das Subjekt bezeichnen. Häufig lässt der Kontext nicht eindeutig<br />
erkennen, welche Verwendungsweise vorliegt:<br />
Caesar ipse in Italiam magnis itineribus contendit<br />
duasque ibi legiones conscribit et tres, quae<br />
circum Aquileiam hiemabant, ex hibernis educit et,<br />
qua proximum iter in ulteriorem Galliam per Alpes<br />
erat, cum his quinque legionibus ire contendit.<br />
[Gall.1,10,3]<br />
Caesar selbst eilte in Eilmärschen nach Italien,<br />
ließ dort zwei Legionen ausheben und drei<br />
Legionen, die bei Aquileia überwinterten, aus dem<br />
Winterlager herausführen. Mit diesen fünf Legionen<br />
bemühte er sich auf dem kürzesten Weg nach<br />
Gallia ulterior über die Alpen zu gelangen.<br />
Passiv<br />
Eine Passivform kann den Vollzug der Verbalhandlung an dem Subjekt (bei transitiven Verben)<br />
oder Objekt (bei intransitiven Verben) durch einen anderen Urheber bezeichnen (in dieser<br />
Funktion: Verba passiva). Die Passivform transitiver Verben kann häufig aber auch eine reflexive<br />
Tätigkeit beschreiben (in dieser Funktion: Verba mediopassiva). Schließlich bezeichnet sie bei<br />
Deponentien eine aktive oder reflexive Handlung.<br />
Causa (Rhenum) transeundi fuit, quod Usipetes et Der Grund für den Rheinübergang war, dass die<br />
Tenctheri ab Suebis bello premebantur. […] Suebi Usipeter und Tenktherer von den Sueben<br />
in eam se consuetudinem adduxerunt, ut locis kriegerisch bedrängt wurden. […] Die Sueben<br />
frigidissimis neque vestitus praeter pelles haberent hatten sich angewöhnt, dass sie an diesen<br />
quicquam et lavarentur in fluminibus. […] Iumentis, eiskalten Orten keine Kleidungsstücke außer Fellen<br />
quibus maxime Galli delectantur, Germani trugen und sich in Flüssen wuschen. […]<br />
importatis non utuntur.<br />
Importierte Pferde, über die sich besonders die<br />
[Gall.4,1,2 u. 10]<br />
Gallier freuen, gebrauchen die Germanen nicht.<br />
• Unterschied zwischen Verb mit Reflexivpronomen und Verbum mediopassivum<br />
Ein aktives Verb mit Reflexivpronomen betont die Aktivität des Subjekts, ein als Mediopassivum<br />
verwendetes Verb im Passiv dagegen die Passivität des Subjekts.<br />
Solum, quod se ipsum movet, quia numquam<br />
deseritur a se, numquam ne moveri quidem desinit.<br />
[Tusc.1,53]<br />
19<br />
Nur was sich selbst bewegt, hört niemals auf sich zu<br />
bewegen, weil es von sich selbst niemals im Stich<br />
gelassen wird.
• Partizip Perfekt Passiv mit Formen von fuisse zur Bezeichnung eines Zustands<br />
Wenn betont werden soll, dass ein Zustand in der Vergangenheit bestand und nun nicht mehr<br />
besteht, kann statt dem Typus amatus sum der Typus amatus fui stehen. Eine tätige Person steht<br />
dabei gewöhnlich im Dativus auctoris.<br />
Pons, qui fuerat tempestate interruptus, paene<br />
erat refectus.<br />
[civ.1,41,1]<br />
20<br />
Die Brücke, die durch den Sturm unbegehbar<br />
geworden war, war beinahe wieder hergestellt.<br />
Valenzen<br />
Das Potential eines Verbs, durch Ergänzungen inhaltlich bereichert zu werden, heißt Valenz<br />
(„Wertigkeit“). Ergänzungen müssen bei Vollverben meistens nicht stehen, aber wenn sie stehen,<br />
sind sie in ihrer Form vom Verb bedingt. So kann z.B. eine finite Form von proficisci ganz alleine<br />
einen Satz bilden, aber wenn zusätzlich angegeben wird, wer oder wohin jemand aufbricht, dann<br />
sind diese Angaben durch proficisci in ihrer Form festgelegt: Das Subjekt muss ein Nomen sein<br />
(kein Infinitiv oder Nebensatz) und für die Zielangaben kommen als Präpositionen nur ad und in in<br />
Frage.<br />
Die Valenz eines lateinischen Verbs entspricht aufgrund der geschichtlichen Abhängigkeit der<br />
deutschen Grammatik von der lateinischen sehr oft seinem deutschen Äquivalent. So können z.B.<br />
viele lateinische Verben Ergänzungen auf die Frage "Wer oder was?" und "Wen oder was?" bei<br />
sich haben und ebenso werden ihre deutschen Entsprechungen konstruiert (z.B. laudare - loben).<br />
Solche Verben sind - vom Deutschen aus gesehen - syntaktisch einfach.<br />
Bei lateinischen Verben, deren Ergänzungen nicht dem Deutschen entsprechen, muss beim<br />
Vokabellernen zusätzlich zur Wortbedeutung die Verbvalenz gelernt werden. Dies ist z.B. bei allen<br />
Verben mit Ablativ-Objekt der Fall (uti, frui, fungi, potiri, afficere usw.). Die Kenntnis von der<br />
Verbvalenz ist aber auch dann sehr hilfreich, wenn unterschiedliche Bedeutungen eines Verbs an<br />
verschiedenartigen Ergänzungen formal erkennbar sind. Dies trifft z.B. für contendere zu (mit<br />
Infinitiv: sich anstrengen, mit AcI: behaupten, mit cum und Nomen: kämpfen, mit ad und Nomen:<br />
eilen). In welcher Form wichtige Verbvalenzen gelernt werden, ist keine syntaktische, sondern eine<br />
didaktische Frage. Möglichkeiten:<br />
- Ausformulierung der Ergänzung (z.B. providere m. Dat. - sorgen für)<br />
- allgemeines Beispiel für die Ergänzung (z.B. providere alicui - für jdn. sorgen)<br />
- Verwendung valenzgrammatischer Fachbegriffe (z.B. providere E 1 E 3 - für jdn. sorgen)<br />
Bei einer Präposition mit Nomen fällt manchmal die Entscheidung schwer, ob es sich dabei um<br />
eine - nicht vom Verb bedingte - freie Angabe oder um eine Ergänzung handelt. Dies lässt sich<br />
jedoch ziemlich zuverlässig dadurch prüfen, ob sich die Präposition mit Nomen in der deutschen<br />
Übersetzung durch machen vom Verb abspalten lässt oder nicht. So ist z.B. in dem Satz "Romae<br />
laboramus" Romae eine Freie Angabe, da Rom von arbeiten durch Wir arbeiten und das machen<br />
wir in Rom getrennt werden kann. In dem Satz "Romae habito" ist dies nicht der Fall, Romae also<br />
eine Ergänzung.<br />
In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden Ergänzungen durch zwei Bändel mit dem Prädikat<br />
verbunden, so dass die Abhängigkeit der ergänzenden Wachstafel von der Prädikat-Wachstafel<br />
sichtbar wird.
– einwertige Vollverben<br />
Ein einwertiges Verb kann nur ein Subjekt von sich abhängig machen.<br />
Carneades nonaginta vixit annos.<br />
Karneades lebte 80 Jahre lang.<br />
[Ac.2,16]<br />
Carneades<br />
nonaginta annos.<br />
– zweiwertige Vollverben<br />
Im Valenzrahmen eines zweiwertigen Verbs liegt zusätzlich zum Subjekt eine weitere<br />
Ergänzung, die in einem Objekt oder einem Adverbiale bestehen kann. Ein Verb, das ein<br />
Nomen im Akkusativ als Objekt bei sich haben kann, heißt „transitives Verb“.<br />
Helvetii in tertium annum profectionem lege<br />
confirmant.<br />
Die Helvetier legten den Aufbruch gesetzlich<br />
auf das dritte Jahr fest.<br />
[Gall.1,3,2)<br />
Caesar quam maximis potest itineribus in<br />
Galliam ulteriorem contendit.<br />
Caesar eilte, so schnell er konnte, in die<br />
Provinz Gallia ulterior.<br />
[Gall.1,7,1]<br />
21<br />
Helvetii<br />
in tertium annum<br />
profectionem<br />
lege<br />
Caesar<br />
quam maximis potest<br />
itineribus<br />
in Galliam ulteriorem<br />
vixit<br />
confirmant.<br />
contendit.<br />
– dreiwertige Vollverben<br />
Dreiwertige Verben zeichen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zum Subjekt zwei weitere<br />
Ergänzungen von sich abhängig machen können. Wenn eine dieser Ergänzungen ein Objekt in<br />
Form eines Nomens im Akkusativ ist, heißt das Verb „transitives Verb“
Gallos ab Aquitanis Garunna flumen dividit.<br />
Die Gallier trennt die Garonne von den<br />
Aquitanern.<br />
[Gall.1,1,2]<br />
Hic pagus unus L. Cassii consulis exercitum<br />
sub iugum miserat.<br />
Dieser eine Stammesteil hatte das Heer des<br />
Konsuls L. Cassius unters Joch geschickt.<br />
[Gall.1,12,5]<br />
Gallos<br />
ab Aquitanis<br />
Garunna flumen<br />
Hic pagus unus<br />
L. Casii consulis<br />
exercitum<br />
sub iugum<br />
dividit.<br />
miserat.<br />
– vierwertige Vollverben<br />
Vierwertige Verben zeichen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zum Subjekt drei weitere<br />
Ergänzungen von sich abhängig machen können. Wenn eine dieser Ergänzungen ein Objekt in<br />
Form eines Nomens im Akkusativ ist, heißt das Verb „transitives Verb“<br />
Orgetorix Dumnorigi Haeduo filiam suam in<br />
matrimonium dat.<br />
Orgetorix gab dem Häduer Dumnorix seine<br />
Tochter zur Frau.<br />
[Gall.1,3,5]<br />
22<br />
Orgetorix<br />
Dumnorigi Haeduo<br />
filiam suam<br />
in matrimonium<br />
dat.
Verb mit Infinitiv-Ergänzung<br />
Zwischen der Rolle eines Vollverbs und eines bloßen Formträgers steht die Rolle eines Verbs mit<br />
Infinitiv-Ergänzung: In dieser syntaktischen Verwendung macht ein Verb lediglich Aussagen über<br />
die Art und Weise oder einen bestimmten Aspekt einer im Infinitiv angegebenen Handlung. Zu den<br />
Infinitiv-Ergänzungen zählen dabei auch erweiterte Infinitive, jedoch nicht der AcI und NcI.<br />
Objekt<br />
Haedui suscepto bello suum consilium ab<br />
reliquis separare non audent.<br />
Die Häduer wagten nicht, nachdem der Krieg<br />
begonnen worden war, ihre Planung von den<br />
übrigen zu trennen.<br />
[Gall.7,63,8]<br />
Haedui<br />
suscepto bello<br />
suum consilium ab<br />
reliquis separare<br />
non audent.<br />
Verben mit Infinitiv-Ergänzung bilden in gleicher Weise wie andere Verben Modi, Tempora und<br />
Genera. Sie gehören teilweise zu den Hilfsverben (wenn sie nur durch einen Infinitiv bzw. ein<br />
Pronomen oder Adjektiv im Neutrum ergänzt werden können) und teilweise zu den Vollverben<br />
(wenn sie auch durch andere Füllungsarten ergänzt werden können).<br />
Verben mit Infinitiv-Ergänzung:<br />
– Modalverben:<br />
debere müssen<br />
posse können<br />
scire / nescire verstehen / nicht verstehen<br />
– Aspektverben:<br />
coepisse anfangen<br />
parare sich anschicken<br />
desinere, desistere aufhören<br />
pergere fortfahren<br />
– Verben des Wollens, Versuchens, Zögerns und Wagens:<br />
velle, nole, malle wollen, nicht wollen, lieber wollen<br />
cupere wünschen<br />
conari versuchen<br />
dubitare, cunctari zögern<br />
audere wagen<br />
– Verben des Beschließens<br />
constituere, decernere, statuere beschließen<br />
– Verben des Eilig-Ausführens<br />
contendere, maturare, festinare, properare sich beeilen, etwas zu tun<br />
– Verben des Gewöhntseins<br />
solere, consuevisse gewöhnt sein<br />
23<br />
• Bedeutungswechsel bei anderer Füllungsart als Ergänzung<br />
Wenn ein Verb nicht mit Infinitiv, sondern einer anderen Füllungsart ergänzt wird, hat es häufig<br />
eine andere Bedeutung.
– dubitare mit Infinitiv-Ergänzung<br />
Tu dubitas, quorum mentis sensusque<br />
volneras, eorum aspectum praesentiam-que<br />
vitare?<br />
[Cat.1,17]<br />
– dubitare mit indirektem Fragesatz als Ergänzung<br />
Utrum difficilius aut maius esset, negare tibi<br />
saepius idem roganti an efficere id, quod<br />
rogares, diu multumque, Brute, dubitavi./div><br />
[orat.1]<br />
24<br />
Du zögerst, den Blick und die Gegenwart der<br />
Menschen zu meiden, deren Denken und Fühlen<br />
du verletzt?<br />
Ob es zu unfreundlich oder zu umfangreich wäre,<br />
dir, der du schön öfters um dasselbe batst, nein zu<br />
sagen oder das zu tun, worum du batst, darüber<br />
war ich lange und oft im Zweifel, mein Brutus.
Verb mit Sinnträger<br />
Im Deutschen bilden wir das Perfekt Aktiv und Passiv mit haben oder sein und Partizip, so dass<br />
das Prädikat aus einer Copula und einem Sinnträger ("Prädikatsnomen") besteht. Selten bildet<br />
man im Lateinischen in gleicher Weise mit habere und Partizip das Perfekt Aktiv (perspectum<br />
habeo - ich habe durchschaut), aber immer mit esse und Partizip das Perfekt Passiv (laudati sunt -<br />
sie wurden gelobt).<br />
Vollständig entspricht dem Deutschen, dass esse (sein) und manere (bleiben) mit beliebigen<br />
Nomina Prädikate aller Zeiten bilden können (laeti sumus). Dabei bestimmen sie lediglich die<br />
Form des Prädikats, den Inhalt steuert ein Sinnträger bei. Esse und manere können aber auch<br />
inhaltsreich und damit Vollverben sein (vorhanden sein, vor Ort bleiben).<br />
Verben wie putare, vocare oder reddere sind dagegen gewöhnlich Vollverben (glauben, rufen,<br />
zurückgeben), erhalten aber durch einen Gleichsetzungsakkusativ (bzw. im Passiv einen<br />
Gleichsetzungsnominativ) einen neuen Sinn (halten für, nennen, machen zu).<br />
- esse mit Sinnträger<br />
Apud Helvetios longe nobilissimus fuit<br />
Orgetorix.<br />
Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei<br />
weitem berühmteste.<br />
[Gall.1,2,1]<br />
- esse ohne Sinnträger<br />
Sunt, qui discessum animi a corpore putent<br />
mortem.<br />
Es gibt Leute, die den Tod nur für eine<br />
Trennung der Seele vom Körper halten.<br />
[Tusc.1,18]<br />
Apud Helvetios<br />
Orgetorix.<br />
qui discessum animi a<br />
corpore putent mortem.<br />
longe nobilissimus<br />
fuit<br />
Sunt,<br />
Bei esse können ganz verschiedene Wortarten und -gruppen die Funktion eines Sinnträgers<br />
ausüben:<br />
– ein Nomen im Nominativ, Genitiv, Dativ oder Ablativ<br />
Horum omnium fortissimi sunt Belgae. Unter allen diesen sind die Belger die tapfersten.<br />
[Gall.1,1,3]<br />
Quid sui consilii sit, Caesar ostendit.<br />
[Gall.1,21,2]<br />
Omnibus Verres Siculis odio est.<br />
[Verr.2,4,15]<br />
Britanni sunt capillo promisso.<br />
[Gall.5,14,3]<br />
– eine Präposition mit Nomen<br />
Si Cn. Plancius mihi quaestor fuisset, in fili loco<br />
fuisset.<br />
[p.red.in.sen.35]<br />
– ein Infinitiv<br />
Mihi vivere [Subjekt] est cogitare.<br />
[Tusc.5,111]<br />
25<br />
Caesar legte dar, welchen Plan er hatte.<br />
Allen Siculern ist Verres verhasst.<br />
Die Britannier tragen langes Haar.<br />
Wenn Cn. Plancius mein Quaestor gewesen wäre,<br />
hätte er die Stelle eines Sohnes eingenommen.<br />
Für mich besteht Leben im Denken.
– ein Partizip<br />
Gallia est omnis divisa in partes tres.<br />
[Gall.1,1,1]<br />
– ein Gerundivum<br />
Caesari erant valles transcendendae maximae<br />
ac difficillimae.<br />
[civ.1,68,2]<br />
– ein Adverb<br />
Sic est vulgus.<br />
[Q.Roscius 29]<br />
Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt.<br />
Von Caesar mussten tiefe und unwegsame Täler<br />
überquert werden.<br />
So ist das Volk.<br />
• Gleichsetzugsakkusativ (bzw. im Passiv Gleichsetzungsnominativ) als Sinnträger<br />
Bei Vollverben, die durch einen Gleichsetzungsakkusativ neben einem Akkusativobjekt einen<br />
neuen Sinn erhalten, hat der Sinnträger immer die Gestalt eines Nomens im Akkusativ bzw.<br />
Nominativ.<br />
• Regel von der umgekehrten Kongruenz bei pronominalem Subjekt und zweiteiligem<br />
Prädikat<br />
Wenn das Subjekt durch ein Pronomen und das Prädikat durch esse mit einem Substantiv im<br />
Nominativ verwirklicht wird, so richtet sich im Lateinischen das Genus des Pronomens nach dem<br />
nominalen Prädikatsteil. Im Deutschen steht dagegen in diesem Fall das Pronomen im Neutrum:<br />
Ista quidem vis est!<br />
[Suet.Iul.82,1]<br />
26<br />
Das ist ja Gewalt!
Ein Verb kann nicht nur in einer finiten, d.h. durch eine Person bestimmten Form erscheinen (z.B.<br />
du lachst / rides), sondern auch in einer infiniten, d.h. unbestimmten Form (z.B. lachen / ridere).<br />
Tempora der Infinitive zur Bezeichnung relativer Zeiten<br />
Das Tempus eines Infinitivs bezeichnet nur das Zeitverhältnis zum übergeordneten Verb und keine<br />
absolute Zeit (Ausnahme: Infinitivus historicus):<br />
– Infinitiv Präsens als Infinitiv der Gleichzeitigkeit<br />
Nam dubitas id me imperante facere, quod iam<br />
tua sponte faciebas?<br />
[Cat.1,13]<br />
– Infinitiv Perfekt als Infinitiv der Vorzeitigkeit<br />
Catilina abs te non emissus ex urbe, sed<br />
immissus in urbem esse videtur.<br />
[Cat.1,27]<br />
– Infinitiv Futur als Infinitiv der Nachzeitigkeit (nur beim AcI)<br />
An, cum bello vastabitur Italia, vexabuntur<br />
urbes, tecta ardebunt, tum te non existimas<br />
invidiae incendio conflagraturum (esse)?<br />
[Cat.1,29]<br />
Zögerst du etwa dies auf meinen Befehl zu tun,<br />
was du schon aus eigenem Antrieb tun wolltest?<br />
Catilina scheint von dir nicht aus der Stadt<br />
hinausgeworfen, sondern auf die Stadt losgelassen<br />
worden zu sein.<br />
Wenn Italien im Bürgerkrieg verwüstet wird, die<br />
Städte heimgesucht werden und die Häuser<br />
brennen, glaubst du etwa nicht, dass dann auch<br />
du in einem Feuer des Hasses verbrennen<br />
wirst?<br />
Erweiterter Infinitiv<br />
Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen ein Infinitiv häufig durch ein Objekt oder Adverbiale<br />
erweitert. Um diese Erweiterungen sprachlich vom Objekt oder Adverbiale des Prädikats zu<br />
unterscheiden, spricht man am besten von Binnenobjekt und -adverbiale.<br />
Tempori Sestii et voluntati parere volui.<br />
Ich wollte der Situation des Sestius und seinem<br />
Willen entsprechen.<br />
[Vatin.2]<br />
Tempori Sestii et<br />
voluntati parere volui.<br />
Zum besonderen Fall einer Erweiterung durch einen Subjektsakkusativ s. "Accusativus cum<br />
Infinitivo".<br />
27
Infinitiv als Verbalsubstantiv im Nominativ und Akkusativ<br />
Beim Infinitiv unterscheidet man in der deutschen Grammatik zwischen verbalem und<br />
substantivischem Gebrauch: So wird z.B. ein Infinitiv, der ein Modalverb wie dürfen, können oder<br />
wollen ergänzt, klein geschrieben, als verbal bezeichnet und syntaktisch als Prädikatsteil bewertet<br />
(Wir wollen singen.). Dagegen schreibt man z.B. einen Infinitiv, bei dem ein Adjektiv steht, groß,<br />
nennt ihn substantivisch und bewertet ihn syntaktisch als Subjekt, Objekt oder Adverbiale (Langes<br />
Warten ermüdet.).<br />
In der lateinischen Grammatik betrachtet man dagegen Infinitive grundsätzlich als<br />
Verbalsubstantive (Ausnahme: Infinitivus historicus), die Objekt oder Subjekt sein können.<br />
Objekt<br />
Poetae volunt delectare.<br />
Dichter wollen erfreuen.<br />
(Horaz: Aut prodesse volunt aut delectare<br />
poetae.)<br />
Subjekt<br />
Errare humanum est.<br />
Irren ist menschlich. [vgl. Hieron., ep.57.12]<br />
Poetae<br />
delectare.<br />
volunt<br />
Errare humanum est.<br />
• Kasus des Sinnträgers beim Infinitiv esse<br />
Der Kasus eines Sinnträgers bei dem Infinitiv esse hängt davon ab, welche syntaktische Funktion<br />
der Sinnträger mit esse ausübt: Wenn sie zusammen das Subjekt bilden, steht der Sinnträger im<br />
Akkusativ, wenn sie das Objekt bilden, im Nominativ.<br />
esse ist Subjekt: Akkusativ<br />
Rudem esse<br />
segnitiae est.<br />
Rudem esse segnitiae est..<br />
Ahnungslos zu sein ist ein Zeichen von Faulheit.<br />
[fin.1,5]<br />
esse ist Objekt: Nominativ<br />
Beati ese volumus.<br />
Wir wollen glücklich sein. [Tusc.5,67]<br />
Beati esse<br />
• Bedeutungsveränderung mancher lateinischer Verben bei Infinitiv als Objekt<br />
Manche lateinische Verben nehmen mit Infinitiv-Objekt eine besondere Bedeutung an:<br />
– scire: können (mit anderem Objekt: wissen)<br />
Scio id iudicare. Ich kann das beurteilen.<br />
– contendere: sich bemühen (mit anderem Objekt: eilen, kämpfen, behaupten)<br />
Contendit locum oppugnare. Er bemühte sich den Ort zu bestürmen.<br />
volumus.<br />
– cogitare: beabsichtigen (mit anderem Objekt: denken)<br />
Cogitamus Romam proficisci. Wir beabsichtigen nach Rom aufzubrechen.<br />
28
– dubitare: zögern (mit anderem Objekt: zweifeln)<br />
Milites flumen transire non dubitaverunt.<br />
Die Soldaten zögerten nicht den Fluss zu<br />
überqueren.<br />
Infinitiv als Ergänzung eines persönlichen Passivs ("NcI")<br />
Nur in wenigen Fällen kann im Deutschen zu – vor allem inhaltsschwachen – Verben ein<br />
persönliches Passiv gebildet und dieses durch einen Infinitiv ergänzt werden (Ich werde<br />
gezwungen zu handeln. Ich werde gehindert zu handeln.).<br />
Im Lateinischen sind mehr Verben zu dieser Kombination aus persönlichem Passiv mit Infinitiv<br />
fähig. Wenn eine wörtliche Wiedergabe nicht möglich ist, kann z.B. mit deutschem unpersönlichem<br />
Passiv und einem dass-Satz übersetzt werden.<br />
Epaminondas cithara praeclare cecinisse dicitur.<br />
Epaminondas soll auf der Leier wunderschön<br />
gespielt haben. / Man sagt, dass Epaminondas<br />
auf der Leier wunderschön gespielt habe.<br />
[Tusc.1,4]<br />
Epaminondas cithara<br />
praeclare cecinisse<br />
dicitur.<br />
Syntaktisch ist der Infinitiv nach einem persönlichen Passiv schwer zu bestimmen: Ein Objekt als<br />
Erläuterung eines passiven Verbs ist nicht möglich und das Subjekt besteht bei einem<br />
persönlichen Passiv immer in einer Person. Als pragmatische Lösung wird ein solcher Infinitiv<br />
einschließlich seiner Erläuterungen (in der dritten Person steht gewöhnlich explizit ein Subjekt,<br />
deshalb "Nominativus cum Infinitivo") in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> grundsätzlich als Subjekt<br />
betrachtet. Der Widerspruch, dass das Subjekt des persönlichen Prädikats in diesem<br />
Fall der unpersönliche Infinitiv ist, entstand sprachgeschichtlich vielleicht dadurch, dass das<br />
meistens explizit genannte Binnensubjekt als dominierend empfunden wurde.<br />
-<br />
wörtlich (selten<br />
möglich):<br />
- unpersönlich und<br />
dass-Satz:<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines<br />
persönlichen Passivs mit Infinitiv (NcI)<br />
Cogor agere. Ich werde gezwungen zu handeln.<br />
Dicor celerior te esse. Ich soll schneller sein als du.<br />
Dionysius tyrannus<br />
fuisse putatur.<br />
- Adverb: Dionysius tyrannus<br />
fuisse videtur.<br />
- Parenthese: Cleopatra Caesarem<br />
decepisse fertur.<br />
Man glaubt, dass Dionysius ein Tyrann war.<br />
Dionysius war anscheinend ein Tyrann.<br />
Kleopatra hat, so sagt man, Caesar getäuscht.<br />
• Kasus des Sinnträgers beim Infinitiv esse<br />
Wenn der Infinitiv esse ein persönliches Passiv ergänzt, steht der zu esse gehörende<br />
Sinnträger im Nominativ.<br />
Dei beati atque aeterni esse intelleguntur.<br />
[nat.deor.1,106]<br />
29<br />
Man erkennt, dass die Götter glücklich und ewig<br />
sind.
• Verben mit persönlichem Passiv und Infinitivergänzung (NcI)<br />
Persönliches Passiv mit Infinitivergänzung findet sich bei:<br />
– Verben des Veranlassens und Verhinderns (iubeor, vetor, sinor, cogor, assuefio, prohibeor)<br />
Milo accusare Clodium per senatus auctoritatem<br />
non est situs .<br />
[Sest.95]<br />
Milo wurde vom Senat verboten Clodius<br />
anzuklagen.<br />
– Verben des Sagens und Meinens, aber tradere und ferre nur in der 3. Person Präsens (dicor,<br />
putor, existimor; traditur, fertur)<br />
Epaminondas cithara praeclare cecinisse<br />
dicitur.<br />
[Tusc.1,4]<br />
Traditum est Homerum caecum fuisse.<br />
[Tusc.5,114]<br />
– (mihi) videor<br />
Videor mihi iam liberius apud vos pro Siculis<br />
loqui debere, quam forsitan ipsi velint.<br />
[Verr.2,2,11]<br />
Epaminondas soll auf der Leier wunderschön<br />
gespielt haben.<br />
Es ist überliefert, dass Homer blind gewesen sei.<br />
Ich glaube nun freimütiger vor euch für die Sizilier<br />
sprechen zu müssen, als sie selbst es vielleicht<br />
wollen.<br />
Accusativus cum Infinitivo (AcI)<br />
Ein Infinitiv kann nicht nur durch ein Binnenobjekt, sondern auch durch ein Binnensubjekt erweitert<br />
werden. Im Deutschen gibt es diese Möglichkeit vor allem bei Verben des Veranlassens und der<br />
Wahrnehmung. Zusätzlich zum Infinitiv steht bei ihnen häufig die Person, die die Infinitivhandlung<br />
ausführt: Ich höre dich lachen. In diesem Beispiel kann dich als Subjektsakkusativ bezeichnet<br />
werden, da bei einer Umformung von dich lachen zu dass du lachst der Akkusativ zum Subjekt<br />
des dass-Satzes wird.<br />
Im Lateinischen nennt man diese spezielle Kombination eines Subjektsakkusativs mit Infinitiv<br />
"Accusativus cum infinitivo" bzw. einfach kurz "AcI". Er kann nicht nur nach Verben der<br />
Wahrnehmung, sondern auch nach Verben des Sagens und Wünschens sowie nach<br />
unpersönlichen Ausdrücken stehen. In diesem Fall lässt sich ein AcI nicht mehr wörtlich, sondern<br />
gewöhnlich mit einem dass-Satz übersetzen.<br />
Patere tua consilia non sentis?.<br />
Merkst du nicht, dass deine Pläne bekannt sind?<br />
[Cat.1,1]<br />
30<br />
Patere tua consilia non sentis?
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines AcI<br />
- wörtlich (selten möglich): Audio te ridere. Ich höre dich lachen.<br />
- dass-Satz: Marcus dicit te<br />
ridere.<br />
- zu-Infinitiv (nur bei Subjektsgleichheit<br />
möglich):<br />
- bei freier Übersetzung des<br />
übergeordneten Verbs als<br />
Hauptsatzteil:<br />
Markus behauptet, dass du<br />
lachst.<br />
Dicis te multa scire. Du behauptest vieles zu wissen.<br />
Constat Ciceronem<br />
consulem fuisse.<br />
Bekanntlich war Cicero Konsul.<br />
• Umformungsregeln für die Übersetzung eines AcI mit dass-Satz<br />
Einen AcI kann man dadurch zu einem dass-Satz umformen, dass man den Akkusativ zum<br />
Subjekt ("Subjektsakkusativ" des AcI) und den Infinitiv zum Prädikat des dass-Satzes macht.<br />
Reflexive Pronomina im AcI werden nichtreflexiv übersetzt (z.B. se mit er), wenn die Reflexivität<br />
nur auf der Identität mit dem Subjekt des übergeordneten Satzes beruht (s. dazu "Reflexivität und<br />
Nichtreflexivität in der 3. Person des Personalpronomens").<br />
Caesar negat se more et exemplo populi<br />
Romani posse iter ulli per provinciam dare.<br />
[Gall.1,8,3]<br />
Caesar sagte, dass er aufgrund einer alten<br />
Tradition des römischen Volkes niemandem den<br />
Durchzug durch die Provinz gestatten könne.<br />
• Infinitiv der Nachzeitigkeit im AcI<br />
Nach Verben des Hoffens, Versprechens, Schwörens und Drohens wird die Nachzeitigkeit im<br />
Deutschen, anders als im Lateinischen, gewöhnlich nicht wiedergegeben.<br />
Spero vos liberosque vestros in re publica multa<br />
bona visuros esse.<br />
[Mil.78]<br />
Ich hoffe, dass ihr und eure Kinder noch viel Gutes<br />
im Staat seht.<br />
Wenn ein Verb keinen Infinitiv Futur bilden kann, wird dieser mit fore, ut umschrieben, ohne dass<br />
diese Umschreibung im Deutschen nachgeahmt werden muss.<br />
Spero fore, ut contingat id nobis.<br />
[Tusc.1,82]<br />
Ich hoffe, dass uns dies gelingt.<br />
• Sinnträger im Aci immer im Akkusativ<br />
Unabhängig davon, ob ein AcI die syntaktische Funktion eines Subjekts oder Objekts ausübt, steht<br />
ein Sinnträger im Aci immer im Akkusativ.<br />
Cupio, patres conscripti, me esse clementem.<br />
[Cat.1,4]<br />
Ich will, ihr Sen318atoren, milde sein.<br />
• Präparatives Pronomen<br />
Manchmal weist ein vorbereitendes Pronomen (id, hoc, illud) auf einen AcI hin.<br />
Inter omnes hoc constat, virorum esse fortium<br />
toleranter dolorem pati.<br />
[Tusc.2,43]<br />
31<br />
Bei allen steht dies fest, dass es ein Kennzeichen<br />
tapferer Männer ist, Schmerz tapfer zu ertragen.<br />
• AcI in indirekter Rede<br />
Im Deutschen stehen alle Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede im Konjunktiv. Dagegen<br />
werden Im Lateinischen Aussagesätze (auch rhetorische Fragen) der direkten Rede bei<br />
Wiedergabe in indirekter Rede als AcI formuliert.
direkte<br />
Rede:<br />
indirekte<br />
Rede:<br />
"Si pacem nobiscum facies, in eam<br />
partem ibimus atque erimus, ubi nos<br />
constitueris."<br />
Divico ita cum Caesare egit:<br />
Si pacem populus Romanus cum<br />
Helvetiis faceret, in eam partem ituros<br />
atque ibi futuros Helvetios, ubi eos<br />
Caesar constituisset.<br />
[Gall.1,13,3]<br />
"Wenn du mit uns Frieden schließen wirst, gehen<br />
wir dorthin und bleiben wird dort, wo du uns<br />
ansiedelst."<br />
Divico verhandelte so mit Caesar:<br />
Wenn das römische Volk Frieden mit den<br />
Helvetiern schließe, würden die Helvetier dorthin<br />
gehen und dort bleiben, wo Caesar sie<br />
angesiedle.<br />
Zum Konjunktiv in indirekter Rede s. "Konjunktiv in indirekter Rede" und zu den Pronomina s.<br />
"Reflexive Pronomina in indirekter Rede".<br />
• Abhängigkeit und Inhalt eines AcI<br />
Anders als bei einer adverbialen Füllungsart lässt sich der Inhalt eines Subjekts oder Objekts nicht<br />
allgemein festlegen. Deshalb hängt der Sinn eines AcI (und damit des deutschen dass-Satzes)<br />
jeweils vom übergeordneten Verb oder Ausdruck ab.<br />
– Bezeichnung eines begehrten Inhalts nach Verben und unpersönlichen Ausdrücken des<br />
Begehrens wie:<br />
oportet es gehört sich<br />
necesse est es ist notwendig<br />
licet es ist erlaubt<br />
Statt eines AcI ist auch ein Nebensatz des<br />
begehrten Inhalts – meistens ohne ut – möglich.<br />
– Bezeichnung eines sinnlich oder geistig wahrgenommenen Gegenstands nach Verben der<br />
sinnlichen und geistigen Wahrnehmung sowie Verben des Gefühls (beurteilende<br />
Wahrnehmung) wie:<br />
videre sehen Statt AcI kann nach diesen Verben auch AcP<br />
audire hören<br />
animadvertere wahrnehmen<br />
sentire fühlen<br />
cognoscere erkennen<br />
meminisse sich erinnern<br />
oblivisci vergessen<br />
scire wissen mit Infinitiv: können<br />
stehen. Beim AcI ist der Inhalt der<br />
Wahrnehmung betont (dass), beim AcP dagegen<br />
die Wahrnehmung (wie).<br />
gaudere, laetari sich freuen Nach Verben des Gefühls bezeichnet der AcI ein<br />
lugere, dolere trauern<br />
indignari empört sein<br />
aegre ferre ärgerlich sein<br />
mirari sich wundern<br />
admirari bewundern<br />
subjektiv wahrgenommenes und empfundenes<br />
Ereignis, ein quod-Satz dagegen ein Ereignis<br />
objektiver Art. Meistens ist dieser Unterschied<br />
kaum erkennbar (bei Cicero überwiegt der AcI).<br />
– Bezeichnung eines behaupteten oder geglaubten Inhalts nach Verben, unpersönlichen<br />
Ausdrücken und Substantiven des Behauptens und Meinens wie:<br />
dicere sagen<br />
contendere behaupten mit Infinitiv: sich bemühen<br />
statuere feststellen<br />
negare verneinen<br />
persuadere überzeugen mit ut-Satz: überreden<br />
32
arguere anklagen<br />
promittere, polliceri versprechen<br />
iurare schwören Nachzeitigkeit wird im Lateinischen beachtet.<br />
minari drohen<br />
queri sich beklagen<br />
gloriari sich rühmen<br />
sequi, efficere logisch folgen / folgern auch sequitur/efficitur, ut [consecutivum] möglich<br />
putare, existimare glauben<br />
suspicari vermuten<br />
sperare hoffen Nachzeitigkeit wird im Lateinischen beachtet.<br />
cogitare meinen mit Infinitiv: beabsichtigen<br />
constat es steht fest<br />
apparet es ist offensichtlich<br />
verisimile est es ist wahrscheinlich<br />
promissio Versprechen Ein AcI, der als Apposition ein Substantiv<br />
spes Hoffnung<br />
cogitatio Überlegung<br />
erläutert, hat die syntaktische Funktion eines<br />
Attributs.<br />
Infinitivus historicus<br />
Anders als im Deutschen kann im Lateinischen ein Infinitiv auch die syntaktische Funktion eines<br />
Prädikats übernehmen. Allerdings wird der Infinitiv nur selten so verwendet. Da er bevorzugt in der<br />
römischen Geschichtsschreibung gebraucht wurde, um Zustände der Vergangenheit zu schildern,<br />
oder – wie das historische Präsens – Ereignisse eindringlicher darzustellen, heißt er Infinitivus historicus.<br />
Prädikat<br />
Cotidie Caesar frumentum flagitare.<br />
Caesar forderte Tag für Tag Getreide.<br />
[Gall.1,16,1]<br />
33<br />
Cotidie<br />
Caesar<br />
frumentum<br />
flagitare.
Anders als im Deutschen sind sich im Lateinischen das Verbalsubstantiv und das Verbaladjektiv in<br />
manchen Formen sehr ähnlich. Zusammenfassend nennt man sie nd-Formen, da sowohl im<br />
Verbalsubstantiv (Gerundium, z.B. laudando) als auch im Verbaladjektiv (Gerundivum, z.B.<br />
laudanda) die Buchstaben nd vorkommen.<br />
In seiner semantischen Vielfältigkeit verhält sich das lateinische Verbaladjektiv ganz anders als<br />
das deutsche: Es kann nicht nur eine Eigenschaft bezeichnen (zu lesend, lesenswert), sondern –<br />
in Kombination mit anderen Wörtern – auch eine dominante Handlung (durch das Lesen von<br />
Büchern), eine notwendige Handlung (Dieses Buch muss gelesen werden.) oder eine bezweckte<br />
Handlung (zum Lesen).<br />
Gerundium: Verbalsubstantiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ nach<br />
Präposition und Ablativ<br />
Im Deutschen kann ein durch Großschreibung und Artikel substantivierter Infinitiv in alle Kasus<br />
des Singulars gesetzt werden (das Wandern, des Wanderns, dem Wandern, das Wandern). Ein<br />
lateinischer Infinitiv, der grundsätzlich als Verbalsubstantiv gilt (Ausnahme:Infinitivus historicus),<br />
kann nicht dekliniert werden und gilt als Nominativ oder Akkusativ Singular. Die fehlenden Kasus<br />
des Genitivs, Dativs und Ablativs ergänzt das Gerundium. Auch nach einer Präposition mit<br />
Akkusativ steht das Gerundium (auf -ndum).<br />
Den substantivierten Infinitiv im Deutschen bzw. den Infinitiv und das Gerundium im Lateinischen<br />
gibt es nur im Neutrum und nur im Singular.<br />
Adverbiale<br />
Mens hominis discendo alitur.<br />
Der Geist eines Menschen nährt sich vom<br />
Lernen.<br />
[off.1,105]<br />
Attribut<br />
Pompeium non ars inaudita gubernandi tam<br />
celeriter in ultimas terras pertulit.<br />
Den Pompeius hat nicht ein unbekannter Trick<br />
der Schiffssteuerung so schnell in die<br />
entlegensten Länder gebracht.<br />
[Manil.40]<br />
34<br />
Mens hominis<br />
discendo<br />
Pompeium<br />
ars inaudita gubernandi<br />
tam celeriter<br />
in ultimas terras<br />
alitur.<br />
non<br />
pertulit.
Sinnträger<br />
Civitates non sunt solvendo.<br />
Die Gemeinden sind zahlungsunfähig.<br />
[fam.3,8,2]<br />
Civitates non sunt<br />
solvendo.<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Infinitivs / Gerundiums<br />
- verbaler Infinitiv: Volumus fabulas audire. Wir wollen Geschichten hören.<br />
- zu-Infinitiv:<br />
Zu irren ist menschlich.<br />
Errare humanum est.<br />
- substantivierter Infinitiv: (Das) Irren ist menschlich.<br />
- Substantiv auf -ung: Venimus ad visitandum. Wir kamen zur Besichtigung.<br />
- beliebiges Substantiv: Admiramur artem pingendi. Wir bewundern die Kunst der Malerei.<br />
- Modalsatz: Legendo discimus. Indem wir lesen, lernen wir.<br />
• Erweitertes Gerundium<br />
Ein Gerundium kann durch ein Binnenobjekt oder -adverbiale erläutert werden. Eine solche<br />
Kombination ist eine satzwertige Konstruktion.<br />
Libros legendo discimus.<br />
Indem wir Bücher lesen, lernen wir.<br />
Libros legendo discimus.<br />
Gerundivum der dominanten Handlung<br />
Den gleichen Sinn wie ein durch Objekt erläutertes Gerundium kann im Lateinischen auch ein<br />
Substantiv mit Gerundivum bezeichnen. Obwohl die Bedeutung beider Konstruktionen völlig gleich<br />
ist, unterscheiden sie sich syntaktisch grundlegend: Bei der Gerundiumkonstruktion macht das<br />
Gerundium ein Substantiv als Binnenobjekt von sich abhängig, dagegen macht bei der<br />
Gerundivumkonstruktion umgekehrt ein Substantiv das Gerundivum wie ein Attribut von sich<br />
abhängig. Da das Gerundivum in dieser Konstruktion trotz seiner syntaktischen Unterordnung<br />
semantisch wichtiger ist als das Substantiv, kann man von einem „Gerundivum der dominanten<br />
Handlung“ sprechen und es – wie einen Ablativus absolutus – zusammen mit dem Substantiv als<br />
ein Satzglied bzw. Satzgliedteil betrachten.<br />
Adverbiale<br />
Libris legendis discimus.<br />
Indem wir Bücher lesen, lernen wir.<br />
35<br />
Libris legendis discimus.
Attribut<br />
Sulla pacis constituendae rationem habet.<br />
Sulla hat die Möglichkeit Frieden zu stiften.<br />
[S. Rosc.22]<br />
Sulla<br />
pacis constituendae<br />
rationem habet.<br />
• Gerundivum der dominanten Handlung nur von transitiven Verben und Deponentien mit<br />
Ablativ-Objekt<br />
Ein Gerundivum der dominanten Handlung kann, da das Gerundivum ein passives Verbaladjektiv<br />
ist, nur von transitiven Verben gebildet werden (vgl. im Deutschen z.B. lobenswert, genießbar,<br />
leserlich). Ausnahmen sind die Deponentien uti, frui, fungi, potiri und vesci.<br />
Romani eos, qui in spem potiendorum<br />
castro-rum venerant, undique circumventos<br />
interficiunt.<br />
[Gall.1,6,2]<br />
Die Römer umgaben diejenigen, die gehofft hatten,<br />
das Lager einzunehmen, von allen Seiten und<br />
töteten sie dann.<br />
• Gerundivum auf -i bei mei, tui, sui, nostri und vestri<br />
Steht das Gerundivum der dominanten Handlung bei einer der Ersatzformen für den Genitiv des<br />
Personalpronomens, so endet es ohne Rücksicht auf Genus und Numerus immer auf -i.<br />
Haedui legatos ad Caesarem purgandi sui gratia<br />
mittunt.<br />
[Gall.7,43.2]<br />
Die Häduer schickten Gesandte zu Caesar, um<br />
sich zu entschuldigen.<br />
• Gerundivum im (nominalen) Ablativus absolutus<br />
An Stelle eines Partizips kann im Ablativus absolutus nicht nur ein Substantiv oder Adjektiv,<br />
sondern auch ein Gerundivum der dominanten Handlung stehen. Ein solcher Abl.abs. lässt sich<br />
am besten mit einem Nebensatz übersetzen.<br />
Populus more hoc insulso et novo plausum meo<br />
nomine recitando dedit.<br />
[Att.4,1,6]<br />
Das Volk spendete aufgrund dieser<br />
geschmack-losen und neumodischen Unart Beifall,<br />
als mein Name vorgelesen wurde.<br />
• Nomen bei Gerundium oder Gerundivum bei Nomen?<br />
Semantisch kann statt eines Gerundiums mit Nomen ebenso gut ein Nomen mit Gerundivum<br />
stehen. In der Sprachwirklichkeit bildeten sich jedoch folgende Einschränkungen heraus:<br />
- nur Gerundium bei Pronomen oder Adjektiv im Akkusativ Neutrum<br />
Subabsurda dicendo et stulta reprehendo<br />
risus moventur.<br />
[de orat.2,289]<br />
- nur Gerundivum bei nd- Form im Dativ oder nach Präposition<br />
Virgines Vestae colendae praeerant.<br />
[leg.2,29]<br />
Ad eas res conficiendas Orgetorix<br />
deligitur.<br />
[Gall.1,3,2]<br />
36<br />
Indem man Absurdes sagt und Dummes tadelt,<br />
erregt man Gelächter.<br />
Jungfrauen standen dem Vesta-Kult vor.<br />
Für die Durchführung dieser Pläne wird Orgetorix<br />
gewählt.
Gerundivum der notwendigen Handlung<br />
Zusammen mit einer Form von esse und im Nominativ (im AcI im Akkusativ) bezeichnet ein<br />
Gerundivum eine notwendige Handlung (müssen). Verneint hat diese Kombination nur selten die<br />
Bedeutung nicht müssen und meistens die Bedeutung nicht dürfen.<br />
Sinnträger<br />
Omnia belli vulnera sananda sunt.<br />
Alle Wunden des Krieges müssen geheilt<br />
werden. [Marcell.24]<br />
Omnia belli vulnera sananda sunt.<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Gerundivums der notwendigen Handlung<br />
-ist/sind mit zu-Infinitiv<br />
Verträge sind einzuhalten.<br />
- müssen mit Infinitiv Passiv: Pacta sunt servanda.<br />
Verträge müssen eingehalten<br />
werden.<br />
mit Verneinung:<br />
- nicht dürfen: Leges neglegendae non sunt. Gesetze dürfen nicht missachtet<br />
werden.<br />
- nicht müssen: Verendum nobis non est, ne<br />
hostes nos petant.<br />
Wir müssen nicht fürchten, dass<br />
Feinde uns angreifen<br />
• Bezogene und unbezogene Konstruktion<br />
Ist das Gerundivum der notwendigen Handlung von einem transitiven Verb gebildet, so bezieht es<br />
sich formal auf das Subjekt. Ist es dagegen von einem intransitiven Verb gebildet, steht es im<br />
beziehungslosen Neutrum.<br />
Superbi debellandi sunt. Hochmütige müssen bekämpft werden.<br />
Subiectis parcendum est. Unterworfene müssen geschont werden.<br />
(Anchises zu Aeneas bei Vergil: Memento parcere<br />
subiectis et debellare superbos!)<br />
• Dativus auctoris<br />
Die tätige Person steht beim Gerundivum der notwendigen Handlung im Dativ. Wenn sich<br />
allerdings bei einem Gerundivum-Verb mit Dativ-Objekt Unklarheiten ergeben, wird die tätige<br />
Person wie (beim Passiv) gewöhnlich durch ab mit Abl. bezeichnet.<br />
Imprimis videndum erit ei, qui rem publicam<br />
administrabit, ut suum quisque teneat.<br />
[off.2,73]<br />
Cui senatus pro me gratias agendas (esse) putavit,<br />
ei ego a me referendam (esse) gratiam non<br />
putem?<br />
[Planc.78)<br />
37<br />
Besonders wir von demjenigen, der einen Staat<br />
verwaltet, darauf geachtet werden müssen, dass<br />
jeder seinen Besitzstand wahrt.<br />
Soll ich nicht glauben, dass demjenigen von mir<br />
Dank abgestattet werden muss, von dem der Senat<br />
glaubte, meinetwegen Dank sagen zu müssen?<br />
• Im AcI und NcI häufig ohne esse<br />
Wenn ein Gerundivum der notwendigen Handlung in einem AcI oder NcI steht, fehlt häufig esse<br />
(Beispiel s. o.)
Accusativus cum Nd-Form (AcNd)<br />
Zusammen mit einem Substantiv im Akkusativ kann ein Gerundivum nach bestimmten Verben den<br />
Zweck der Verbalhandlung bezeichnen. Dabei bilden das Substantiv im Akkusativ und das<br />
Gerundivum ebenso eine syntaktische Einheit wie ein AcI oder ein AcP. Und ebenso wie der<br />
Infinitiv im AcI und das Patizip im AcP kann auch die nd-Form im AcNd ihrerseits erläutert werden.<br />
Objekt<br />
Caesar pontem in Arari faciendum curat.<br />
Caesar ließ eine Brücke über die Saône bauen.<br />
[Gall.1,13,1]<br />
Caesar<br />
pontem in Arari<br />
faciendum curat.<br />
• Ergänzte Wörter<br />
Ein Gerundivum der bezweckten Handlung ergänzt folgende Wörter des Gebens und Schickens:<br />
dare geben mittere schicken<br />
tradere übergeben accipere annehmen<br />
concedere zugestehen curare lassen<br />
Curare erhält in der Kombination mit einem Gerundivum der bezweckten Handlung die Bedeutung<br />
lassen.<br />
Labienus naves faciendas curavit.<br />
[Gall.5,23,4].<br />
Labienus ließ Schiffe bauen.<br />
Gerundivum der Eigenschaft<br />
Eher selten wird das Gerundivum einfach so wie ein deutsches passives Verbaladjektiv gebraucht.<br />
Es bezeichnet dann eine Eigenschaft, die dem Bezugswort zukommen muss (zu lobend) oder nur<br />
zukommen kann (lobenswert).<br />
Attribut<br />
Pauci gloriam expetendam consequuntur.<br />
Nur wenige erlangen erstrebenswerten Ruhm.<br />
[vgl. rep.6,20]<br />
Pauci<br />
gloriam<br />
expedendam consequuntur.<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines Gerundivums der Eigenschaft<br />
- zu-Partizip (Partizip I mit zu-Erweiterung): Admiramur homines<br />
laudandos.<br />
38<br />
Wir bewundern zu lobende<br />
Menschen.<br />
- Adjektiv auf –wert, -würdig, -bar oder -lich: Wir bewundern lobenswerte<br />
Menschen.<br />
- Relativsatz: Wir bewundern Menschen, die<br />
Lob verdienen.
• Substantiviertes Gerundivum der Eigenschaft<br />
Wie andere Adjektive kann auch das Gerundivum der Eigenschaft substantiviert gebraucht<br />
werden.<br />
Equidem beatos puto, quibus datum est aut facere<br />
scribenda aut scribere legenda.<br />
[Plin.ep.6,16,3]<br />
39<br />
Ich meinerseits halte diejenigen für glücklich,<br />
denen es gegeben ist, entweder Darstellungswürdiges<br />
zu vollbringen oder Lesenswertes<br />
darzustellen.
Ein lateinisches Partizip wird häufig wie ein deutsches Partizip zur Bildung einer<br />
Vergangenheitsform verwendet. Während im Deutschen jedoch sowohl aktive als auch passive<br />
Formen des Perfektsystems mit Partizipien gebildet werden (sie hat gesehen, sie ist gesehen<br />
worden), gebraucht man im Lateinischen die Partizipien gewöhnlich nur beim Passiv (visa est) und<br />
lediglich im Ausnahmefall beim Aktiv (aliquid exploratum habere statt aliquid exploravisse).<br />
Wie im Deutschen treten auch im Lateinischen Partizipien häufig als Teil einer<br />
Partizipialkonstruktion oder substantiviert auf.<br />
Typisch Lateinisch ist die Konstruktionen des AcP.<br />
Tempora der Partizipien zur Bezeichnung relativer Zeiten<br />
Wenn ein Partizip nicht als Prädikatsteil verwendet ist, bezeichnet es wie der Infinitiv nur das<br />
Zeitverhältnis zum übergeordneten Verb und keine absolute Zeit:<br />
– Partizip Präsens als Partizip der Gleichzeitigkeit („Partizip I“ in der deutschen Grammatik)<br />
Cives facile adducam, ut te haec, quae vastare<br />
iam pridem studes, relinquentem usque ad<br />
portas prosequantur.<br />
[Cat.1,21]<br />
Ich werde unsere Mitbürger mühelos dazu bringen,<br />
dass sie dich, wenn du das verlässt, was du schon<br />
lange verwüsten willst, bis zu den Stadttoren<br />
geleiten.<br />
– Partizip Perfekt als Partizip der Vorzeitigkeit („Partizip II“ in der deutschen Grammatik)<br />
Num infitiari potes te illo ipso die meis praesidiis,<br />
mea diligentia circumclusum commovere te<br />
contra rem publicam non potuisse?<br />
[Cat.1,7]<br />
Kannst du denn leugnen, dass du dich genau an<br />
jenem Tag nicht gegen den Staat rühren konntest,<br />
weil du von meinenWächtern und durch meine<br />
Umsicht eingeschlossen worden warst?<br />
– Das Partizip Perfekt von Deponentien kann jedoch auch Gleichzeitigkeit bezeichnen<br />
Caesar arbitratus id bellum celeriter confici<br />
posse, ad Morinorum exercitum duxit.<br />
[Gall.3,28,1]<br />
– Partizip Futur als Partizip der Nachzeitigkeit (sehr selten, s.u.)<br />
P.Servilius adest de te sententiam laturus.<br />
[Verr.2,1,56]<br />
Im Glauben, dass dieser Krieg schnell<br />
abge-schlossen werden könne, führte Caesar sein<br />
Heer in das Gebiet der Moriner.<br />
P.Servilius ist da, um sein Urteil über dich zu fällen.<br />
Das Partizip Futur wird von Cicero und Caesar in Partizipialkonstruktionen nur sehr selten<br />
verwendet. Es bezeichnet dann eine Absicht.<br />
40<br />
Erweitertes Partizip<br />
Das Partizip ist ein Verbalnomen, d.h. es kann wie ein Infinitiv oder Gerundium durch Objekte und<br />
Adverbien erläutert werden. In einer Partizipialkonstruktion bildet es mit seinem formalen<br />
Bezugswort eine satzwertige Konstruktion.
Dumnorix cupiditate regni adductus novis rebus<br />
studebat.<br />
Dumnorix bemühte sich, verletet von Begierde<br />
nach Königsmacht, um einen Umsturz.<br />
[Gall.1,9,3]<br />
Dumnorix<br />
cupiditate regni<br />
adductus<br />
novis rebus<br />
Partizip bei esse und habere als Sinnträger<br />
studebat.<br />
Wie im Deutschen werden auch im Lateinischen die Formen des passiven Perfektsystems mit dem<br />
Partizip II bzw. Partizip der Vorzeitigkeit und einer Form von esse gebildet. Während im Deutschen<br />
jedoch auch die aktiven Formen des Perfektsystems aus dem Partizip II und Formen von haben<br />
oder sein zusammengesetzt sind, wird das Perfekt im Lateinischen nur ausnahmsweise mit dem<br />
Partizip der Vorzeitigkeit und Formen von habere oder tenere umschrieben, nämlich dann, wenn<br />
der erreichte Zustand betont werden soll.<br />
Im Lateinischen können auch das Partizip der Vorzeitigkeit und das Partizip der Nachzeitigkeit die<br />
Funktion eines Sinnträgers innehaben.<br />
- Partizip der Vorzeitigkeit mit esse zur Bildung von Formen des passiven Perfektsystems:<br />
C. Gracchus interfectus est.<br />
Gaius Gracchus wurde getötet.<br />
[Cat.1,4]<br />
C. Gracchus interfectus<br />
est.<br />
– Partizip Futur Aktiv mit esse:<br />
Umschreibung einer unmittelbar bevorstehende Handlung („Umschreibendes Futur“)<br />
Meministine me ante diem XII Kalendas<br />
Novembris dicere in senatu fore in armis certo<br />
die, qui dies futurus esset ante diem VI Kal.<br />
Novembris, C. Manlium?<br />
[Cat.1,7]<br />
Erinnerst du dich, dass ich am 21. Oktober im<br />
Senat sagte, Gaius Manlius werde an einem<br />
bestimmten Tag, welcher der 27. Oktober sein<br />
werde, die Waffen erheben?<br />
– Partizip Präsens Aktiv mit esse:<br />
Betonung der Dauerhaftigkeit eines Zustands im Vergleich zur einfachen Verbalform.<br />
Mundi partes sentientes sunt.<br />
[nat.deor.2,22]<br />
Die Teile der Welt sind wahrnehmungsfähig.<br />
Partizip als Teil einer Partizipialkonstruktion (Participiumconiunctum-Konstruktion<br />
und Ablativus absolutus)<br />
Ein Partizip kann im Deutschen sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden. Der<br />
Unterschied wird durch die Wortstellung deutlich gemacht:<br />
– attributiv: In Afrika gibt es mehr lachende Menschen als in Europa.<br />
41
– prädikativ: Lachend verließen die Kinder die Schule.<br />
Lateinische Partizipien können die gleichen syntaktischen Funktionen ausüben. Allerdings gibt die<br />
Wortstellung keinen Hinweis auf die Verwendung, so dass diese nur aus dem Kontext erschlossen<br />
werden kann.<br />
- attributiv:<br />
Laelius insulam obiectam portui Brundisino<br />
tenuit.<br />
Laelius hielt die vor dem Hafen von Brindisi<br />
liegende Insel besetzt.<br />
[civ.3,100,1]<br />
- prädikativ:<br />
His rebus adductus Caesar non exspectavit.<br />
Durch diese Umstände veranlasst wartete<br />
Caesar nicht.<br />
[Gall.1,11,6]<br />
Laelius<br />
insulam<br />
obiectam portui Brundisino tenuit.<br />
His rebus adductus<br />
Caesar<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines attributiven Partizips<br />
(d.h. eines Partizips, das nur sein formales Bezugswort erläutert)<br />
non exspectavit.<br />
- Partizip in attributiver Stellung: die vor dem Hafen von Brindisi liegende Insel<br />
- Relativsatz: die Insel, die vor dem Hafen von Brindisi liegt<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines prädikativen Partizips<br />
(d.h. eines Partizips, das sein formales Bezugswort und das Prädikat erläutert)<br />
temporal kausal konzessiv konditional modal<br />
gleichz. vorz.<br />
- Partizip in prädikativer Stellung<br />
-<br />
-<br />
Beiordnung:<br />
Unterordnung während,<br />
wenn, als<br />
- Substantiv<br />
mit<br />
Präposition<br />
und (dabei) und (dann) und<br />
(deshalb)<br />
bei,<br />
während<br />
nachdem,<br />
als<br />
nach wegen, infolge,<br />
aus<br />
und<br />
(trotzdem)<br />
da, weil obwohl,<br />
obgleich<br />
und (in dem<br />
Fall)<br />
und (so)<br />
wenn, falls indem,<br />
ohne dass<br />
trotz unter der<br />
Voraussetzung<br />
mit, bei,<br />
unter<br />
Bei prädikativem Partizip kann die semantische Funktion des Partizips (temporal, kausal,<br />
konzessiv, konditional oder modal) nur aus dem Kontext erschlossen werden. Der<br />
Übersetzungstyp (deutsches Partizip, Beiordnung, Unterordnung oder Substantiv mit Nomen) ist<br />
eine Frage des deutschen Stils.<br />
• Participium-coniunctum-Konstruktion und Ablativus absolutus<br />
Ein Partizip als Teil einer Partizipialkonstruktion ist im Lateinischen formal gewöhnlich auf ein<br />
42
Nomen bezogen (Ausnahmen). Die syntaktische Funktion dieses Nomens innerhalb des Satzes<br />
kann jedoch - wie im Deutschen - sehr verschieden sein:<br />
– Partizip, bezogen auf ein Nomen, das Satzglied ist:<br />
Lachende Kinder erfreuen uns.<br />
– Partizip, bezogen auf ein Nomen, das absolut steht:<br />
Sehenden Auges lief er in sein Unglück.<br />
Auch im Lateinischen gibt es zwei Partizipialkonstruktionen, die man danach unterscheidet, ob das<br />
Bezugswort Satzglied bzw. Satzgliedteil ist oder absolut steht: die Participium-coniunctum-<br />
Konstruktion und den Ablativus absolutus. Bei der Participium-coniunctum-Konstruktion, die in<br />
allen Kasus stehen kann, ist das Bezugswort Satzglied bzw. Satzgliedteil und daher auch ohne<br />
Partizip übersetzbar:<br />
Puella laudata gaudet. Das Mädchen freut sich, weil es gelobt wurde.<br />
Puella gaudet. Das Mädchen freut sich.<br />
Das Bezugswort eines Ablativus absolutus, der – wie sein Name sagt – nur im Ablativ erscheint, ist<br />
dagegen ohne Partizip vom Satz so losgelöst, dass es nicht mehr übersetzt werden kann:<br />
Adverbiale<br />
His rebus confectis Caesar se recepit.<br />
Nachdem diese Angelegenheiten erledigt waren,<br />
zog sich Caesar zurück.<br />
[Gall.4,19,4]<br />
His rebus confectis<br />
Caesar<br />
His rebus [ ] Caesar se recepit. (Unübersetzbar.)<br />
se<br />
recepit.<br />
Syntaktisch bildet ein Partizip in der Konstruktion des Ablativus absolutus zusammen mit seinem<br />
Bezugswort ein Adverbiale. Es lässt sich wie ein prädikatives Partizip durch Beiordnung,<br />
Unterordnung und Substantiv mit Präposition (Merkwort „BUS“) übersetzen, jedoch nicht mit<br />
deutschem Partizip.<br />
• Dominantes Partizip<br />
Manchmal beherrscht ein Participium coniunctum sein formales Bezugswort inhaltlich so sehr,<br />
dass man von einem dominanten Partizip sprechen kann. Am besten gibt man es wie das<br />
Gerundivum der dominanten Handlung mit einem Verbalsubstantiv auf -ung wieder.<br />
Unus M. Antonius in hac urbe post conditam<br />
urbem palam secum habuit armatos.<br />
[Phil.5,17]<br />
Seit der Gründung Roms hatte einzig Markus<br />
Antonius in dieser Stadt offen bewaffnete Leute bei<br />
sich.<br />
• Nominaler Ablativus absolutus<br />
In der Konstruktion des Ablativus absolutus kann anstelle eines Partizips auch ein Adjektiv,<br />
Gerundivum oder Substantiv stehen. Meistens wird es durch Präposition mit Nomen übersetzt.<br />
– Ablativus absolutus mit Adjektiv:<br />
Exigua parte aestatis reliqua Caesar in<br />
Britanniam proficisci contendit.<br />
[Gall.4,20,1]<br />
43<br />
Obwohl nur noch ein kleiner Teil des Sommers<br />
verblieb, beeilte sich Caesar dennoch nach<br />
Britannien aufzubrechen.
– Ablativus absolutus mit Gerundivum:<br />
Nemo audet nullis officii praeceptis tradendis<br />
philosophum se dicere.<br />
[off.1,5]<br />
– Ablativus absolutus mit Substantiv:<br />
Orgetorix M. Messala M. Pisone consulibus<br />
coniurationem nobilitatis fecit.<br />
[Gall.1,2,1]<br />
Niemand wagt, wenn er keine Vorschriften für<br />
pflichtgemäßes Handeln weiter gibt, sich Philosoph<br />
zu nennen.<br />
Orgetorix machte unter den Konsuln Markus<br />
Messala und Markus Piso eine<br />
Adelsverschwörung.<br />
• Übersetzung des Partizip Perfekt Passiv mit aktivem Prädikat<br />
Das Partizip Perfekt Passiv in einem Ablativus absolutus (seltener in der Konstruktion des<br />
Participum coniunctum) kann bei der Übersetzung mittels Beiordnung oder Unterordnung dann<br />
durch ein aktives Prädikat wiedergegeben werden, wenn die Partizipialhandlung offensichtlich vom<br />
Subjekt des Gesamtsatzes ausgeführt wird.<br />
Ceutrones locis superioribus occupatis exercitum<br />
itinere prohibere conati sunt.<br />
[Gall.1,10,4]<br />
Die Ceutronen besetzten höher gelegene Orte und<br />
versuchten dann unser Heer vom<br />
Durchmarschieren abzuhalten.<br />
• Präparatives Pronomen<br />
Manchmal weist ein vorbereitendes Pronomen im Ablativ Singular Neutrum (z.B. hoc) auf einen<br />
Ablativus absolutus hin.<br />
Germani arbitrantur hoc se fore tutiores repentinae<br />
incursionis timore sublato.<br />
[Gall.6,23,3]<br />
Die Germanen glauben, dass sie dadurch sicherer<br />
sein würden, wenn die Furcht vor einem plötzlichen<br />
Einfall beseitigt wäre.<br />
Accusativus cum Participio (AcP)<br />
Im Deutschen können Verben des Veranlassens und der Wahrnehmung einen Akkusativ mit einem<br />
zusätzlichen Infinitiv von sich abhängig machen (Ich höre dich lachen). Dies ist auch im<br />
Lateinischen möglich (s. AcI), aber außerdem lassen sich solche Verben durch einen Akkusativ mit<br />
Partizip (AcP) ergänzen. Der semantische Unterschied zwischen AcP und AcI besteht darin, dass<br />
der AcP eher die Wahrnehmung und den Zustand des Wahrgenommenen hervorhebt (wie),<br />
dagegen der AcI die Tatsache des Wahrgenommenen (dass). Syntaktisch stellt ein AcP ebenso<br />
eine Einheit dar wie ein AcI oder ein AcNd. Und ebenso wie der Infinitiv im AcI und die nd-Form im<br />
AcNd kann auch das Patizip im AcP seinerseits erläutert werden.<br />
Objekt<br />
Non miserum redeuntem a cena videtis?<br />
Seht ihr nicht, wie der arme Kerl von der<br />
Einladung zurückkommt? [S.Rosc.98]<br />
44<br />
miserum redeuntem a cena<br />
Non<br />
videtis?
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten eines AcP<br />
- Akkusativ mit Partizip: Videmus te flentem. Wir sehen dich weinend.<br />
- Akkusativ mit Infinitiv: Audio te ridentem. Ich höre dich lachen.<br />
- wie-Satz (besonders bei erweitertem<br />
Partizip):<br />
Hostes nos e navi<br />
egredientes<br />
conspexerunt.<br />
Die Feinde sahen, wie wir<br />
aus dem Schiff ausstiegen.<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Verben der Wahrnehmung wie:<br />
videre sehen audire hören<br />
cernere sehen animadvertere wahrnehmen<br />
– Verben des literarischen Inszenierens:<br />
facere, inducere (auftreten) lassen, in einem Werk darstellen<br />
Substantiviertes Partizip<br />
Als substantiviertes Partizip bezeichnet man ein Partizip, das ohne formales Bezugswort steht. Es<br />
kann alle syntaktischen Funktionen eines Substantivs verwirklichen, wird aber wie ein Verb (durch<br />
Objekt und Adverbiale) erläutert.<br />
Objekt<br />
Medici leviter aegrotantes leniter curant.<br />
Ärzte behandeln leicht Erkrankte nur schonend.<br />
[off.1,83]<br />
Medici<br />
leviter aegrotantes<br />
leniter<br />
curant.<br />
• Partizip ohne Bezugswort<br />
Ein Partizip kann aus zwei Gründen ohne Bezugswort stehen: Entweder ist es substantiviert<br />
gebraucht oder es bezieht sich - als attributives Adverbiale oder Prädikatsnomen - auf das<br />
inhaltliche Subjekt des Satzes, das lediglich an der Endung des Prädikats ungefähr erkennbar ist:<br />
– Substantiviertes Partizip<br />
Romani conversa signa bipertito intulerunt:<br />
prima et secunda acies, ut victis ac submotis<br />
resisteret, tertia, ut venientes sustineret.<br />
[Gall.1,25,7]<br />
– Bezug auf das inhaltliche Subjekt des Satzes<br />
Hac oratione adducti inter se fidem et ius<br />
iurandum dant.<br />
[Gall.1,3,8]<br />
45<br />
Die Römer kämpften nach zwei Seiten: die erste<br />
und zweite Kampflinie, um den (bereits) Besiegten<br />
und Zurückgedrängten (weiterhin) Widerstand zu<br />
leisten, die dritte, um die Anstürmenden<br />
aufzuhalten.<br />
Durch diese Rede veranlasst schworen sie<br />
untereinander unverbrüchliche Treue.
Das Supinum auf -um und das Supinum auf -u sind dem Perfekt Passiv formal ähnlich. Sie haben<br />
jedoch keine passive Bedeutung, sondern werden gewöhnlich mit einem erweiterten Infinitiv Aktiv<br />
übersetzt.<br />
Das Supinum auf -um<br />
Im Deutschen kann eine Infinitivhandlung dadurch als bezweckte Handlung charakterisiert werden,<br />
dass dem Infinitiv um zu vorangestellt wird (Wir gehen in die Schule um zu lernen.). Diesem durch<br />
um zu erweiterten deutschen Infinitiv entspricht das lateinische Supinum auf -um. Es erscheint<br />
allerdings nur nach Verben der Bewegung wie venire, ire und mittere.<br />
Adverbiale<br />
Spectatum veniunt, veniunt, spectentur ut ipsae.<br />
Sie kommen um zu schauen, und sie kommen,<br />
um angeschaut zu werden.<br />
[Ovid, ars 1,99]<br />
Spectatum<br />
spectentur ut ipsae.<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Supinums auf -um<br />
veniunt,<br />
veniunt,<br />
– um zu mit Infinitiv: Spectatum veniunt. Sie kommen um zu<br />
schauen.<br />
– zum mit Nomen Spectatum veniunt. Sie kommen zum<br />
Schauen.<br />
• Erweitertes Supinum auf -um<br />
Das Supinum auf -um zählt zu den Verbalnomina. Allerdings kann es nicht so frei mit Objekten und<br />
Adverbialien kombiniert werden wie ein Infinitiv, Gerundium oder Partizip, sondern zu dem<br />
Supinum auf -um treten nur Objekte.<br />
Haedui legatos ad Caesarem mittunt rogatum<br />
auxilium.<br />
Die Häduer schickten Gesandte zu Caesar um<br />
Frieden zu erbitten.<br />
[Gall.1,11,2]<br />
46<br />
Haedui<br />
legatos<br />
ad Caesarem<br />
rogatum auxilium.<br />
mittunt
Das Supinum auf -u<br />
Das Supinum auf -u entspricht einem deutschen zu-Infinitiv (ein mit zu erweiterter Infinitiv). Wie<br />
dieser kann es ein Adjektiv oder Substantiv erläutern und dabei die syntaktische Funktion eines<br />
Subjekts oder Attributs übernehmen. Wenn die Supinum-Erläuterung aufgrund des Kontextes nicht<br />
notwendig ist, kann sie unübersetzt bleiben.<br />
Subjekt<br />
Facile est intellectu, quae sint contraria.<br />
Es ist leicht zu erkennen, was dagegen steht.<br />
(Cic.part.88)<br />
Attribut<br />
Oratio est iucunda auditu.<br />
Die Rede ist angenehm zu hören.<br />
[vgl. de orat.1,31]<br />
intellectu, quae ... contraria.<br />
Facile est<br />
Oratio est iucunda<br />
auditu.<br />
Übersicht über die Übersetzungsmöglichkeiten des Supinums auf -u<br />
– zu-Infinitiv: Facies, quod optimum<br />
factu videbitur.<br />
Du wirst tun, was dir am besten zu tun erscheint.<br />
– unübersetzt: Du wirst tun, was dir am besten erscheint.<br />
– zu-Partizip: Orationem iucundam<br />
auditu magno aestimo.<br />
Ich schätze eine angenehm zu hörende Rede sehr.<br />
• Erläuterte Nomina<br />
Das Supinum auf -u erläutert Adjektive und Substantive:<br />
facilis, e leicht iucundus, a, um angenehm<br />
difficilis, e schwierig crudelis, e grausam<br />
mirabilis, e erstaunlich optimus, a, um am besten<br />
incredibilis, e unglaublich fas/nefas est es ist Recht / Unrecht<br />
• Erweitertes Supinum auf -u<br />
Zu dem Supinum auf -u treten ausschließlich der AcI und abhängige Fragesatz als Objekte.<br />
Difficile est dictu, quanto in odio simus.<br />
Es ist schwer zu sagen, welchem Hass wir<br />
ausgesetzt sind. [Manil. 65]<br />
47<br />
dictu, quanto in odio simus.<br />
Difficile est
48<br />
Als Nomina bezeichnet man Wörter, die deklinierbar sind. Dazu zählen vor allem die Substantive,<br />
Adjektive und Pronomina. Zu den Füllungsarten nominaler Herkunft werden hier auch alle (selbst<br />
undeklinierbare) Zahlwörter, Präpositionen mit Nomina und die Adverbien gerechnet, da sie zum<br />
größten Teil von Nomina abgeleitet sind.
Lateinische Substantive unterscheiden sich von deutschen Substantiven im Satz vor allem<br />
dadurch, dass sie weder durch Großschreibung noch durch Artikel kenntlich gemacht werden.<br />
Außerdem können sie in mindestens fünf verschiedene Kasus treten und bilden somit deutlich<br />
mehr Formen als die Substantive der meisten modernen Fremdsprachen.<br />
49<br />
Für die Übersetzung eines lateinischen Substantivs ist zunächst die Kenntnis seiner syntaktischen<br />
Funktion wichtig. Sofern es ein Subjekt oder Objekt verwirklicht, erübrigt sich die weitergehende<br />
Frage nach der semantischen Funktion, da sich Subjekte und Objekte inhaltlich nur sehr allgemein<br />
definieren lassen. Anders verhält es sich mit Sinnträgern, Attributen und besonders Adverbialien.<br />
Wenn ein Substantiv eine dieser syntaktischen Funktionen ausübt, ist es sinnvoll, seine<br />
semantische Funktion zu überprüfen.<br />
Die Präsentation der einzelnen Typen eines Kasus orientiert sich in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong><br />
primär an den syntaktischen Funktionen: Da ein Substantiv im Nominativ hauptsächlich als<br />
Subjekt fungiert, wird diese Rolle auch zunächst dargestellt, beim Substantiv im Genitiv stehen die<br />
verschiedenen Sinnrichtungen des Attributs am Anfang, die Darstellung des Dativs und Akkusativs<br />
geht vom Objekt aus und das Substantiv im Ablativ wird zuerst als Adverbiale semantisch<br />
differenziert.<br />
Natürlich treten nicht nur Substantive in verschiedene Kasus, sondern alle Nomina und<br />
Verbalnomina. Falls diese substantivisch gebraucht sind, können sie die gleichen Funktionen wie<br />
Substantive übernehmen.
Das Substantiv im Nominativ<br />
Ein Substantiv im Nominativ kann eine Person, eine Sache oder einen Sachverhalt bezeichnen,<br />
die – je nach Prädikat – formal aktiv oder passiv ist. Syntaktisch übernimmt ein Substantiv im<br />
Nominativ meistens die Funktion eines Subjekts, es kann aber auch andere Satzgliedfunktionen<br />
ausüben.<br />
Subjekt<br />
Helvetii iam per angustias et fines Sequanorum<br />
suas copias traduxerant.<br />
Die Helvetier hatten ihre Truppen bereits über<br />
Pässe und durch das Gebiet der Sequaner<br />
geführt.<br />
[Gall.1,11,1]<br />
Sinnträger<br />
Eburones et Condrusi sunt Treverorum clientes.<br />
Die Eburonen und Condruser sind Klienten der<br />
Treverer. [Gall.4,6,4]<br />
Attribut<br />
Garunna flumen Gallos ab Aquitanis dividit.<br />
Die Garonne trennt die Gallier von den<br />
Aquitanern.<br />
[Gall.1,1,2]<br />
Attributives Adverbiale<br />
Furius puer didicit, quod discendum fuit<br />
Furius lernte als Junge, was zu lernen war.<br />
[de orat.3,87]<br />
Helvetii<br />
iam<br />
per angustias et fines<br />
Sequanorum<br />
suas copias<br />
traduxerant.<br />
Eburones et Condrusi sunt Trev.<br />
clientes.<br />
Garunna<br />
flumen<br />
Gallos<br />
ab Aquitanis<br />
Furius<br />
puer<br />
quod discendum fuit.<br />
Gleichsetzungsnominativ ("doppelter Nominativ")<br />
Ein Gleichsetzungsnominativ gibt bei passivem Prädikat an, womit ein anderes Nomen im<br />
50<br />
dividit.<br />
didicit,
Nominativ gleichgesetzt wird. Dabei ist der Gleichsetzungsnominativ für das ergänzte Verb so<br />
bedeutungsvoll, dass er als Sinnträger gilt. Manche Verben treten nur mit Subjekt und<br />
Gleichsetzungsakkusativ auf (declarare), andere erhalten durch den Gleichsetzungsnominativ eine<br />
andere Bedeutung (putari mit doppeltem Nominativ – für etwas gehalten werden). Die Kombination<br />
von Subjekt und Gleichsetzungsnominativ nennt man "doppelten Akkusativ". Bei aktivem Verb wird<br />
der Gleichsetzungsnominativ zu einem Gleichsetzungsakkusativ.<br />
Rectum putabat pro eorum honestate se pugnare,<br />
propter quos ipse honestissimus inter suos<br />
numerabatur.<br />
[S.Rosc.16]<br />
Er hielt für richtig, dass er sich für die Ehre derer<br />
einsetzte, wegen welchen er selbst als der<br />
Ehrenwerteste unter den Seinen galt.<br />
• Durch Gleichsetzungsnominativ ergänzte Verben<br />
- genannt werden dici, appellari, nominari, vocari<br />
- gehalten werden für duci, existimari, iudicari, putari, haberi<br />
- gewählt werden zu/als creari, deligi<br />
- gemacht werden zu fieri, effici, reddi<br />
51
Das Substantiv im Genitiv<br />
Ein Substantiv im Genitiv erläutert meistens, wie im Deutschen, ein anderes Substantiv, indem es<br />
dessen Besitzer oder Zugehörigkeit nennt (domus patris, montes Italiae). Anders als im Deutschen<br />
kann es auch z.B. zu einem Teil das Ganze (copia malorum – eine Menge Äpfel) oder zu einem<br />
beliebigen Substantiv eine Eigenschaft (puella magni ingenii – ein sehr talentiertes Mädchen)<br />
nennen. In diesen Fällen fungiert ein Substantiv im Genitiv als Attribut oder Sinnträger. Die<br />
syntaktischen Funktionen eines Objekts oder Adverbiales übernimmt es seltener.<br />
Attribut<br />
Helvetii iam per angustias et fines Sequanorum<br />
suas copias traduxerant.<br />
Die Helvetier hatten bereits ihre Truppen über<br />
die Pässe und durch das Gebiet der Sequaner<br />
geführt.<br />
[Gall.1,11,1]<br />
Sinnträger<br />
Commi auctoritas in his regionibus magni<br />
habebatur.<br />
Die Autorität des Commius wurde in diesen<br />
Gebieten sehr geachtet.<br />
[Gall.4,21,7]<br />
Adverbiale<br />
Vendo meum non pluris quam ceteri.<br />
Ich verkaufe meine Ware nicht teurer als die<br />
übrigen<br />
[off.3,51]<br />
Objekt<br />
A. Terentius non modo Aebutium, sed etiam se<br />
pessimi facinoris arguit.<br />
A. Terentius beschuldigte nicht nur Äbutius,<br />
sondern auch sich des schlimmsten<br />
Verbrechens.<br />
[Caecin.25]<br />
52<br />
Helvetii<br />
iam<br />
per angustias et fines<br />
Sequanorum<br />
suas copias<br />
Comii auctoritas<br />
traduxerant.<br />
in his regionibus magni<br />
habebatur.<br />
meum<br />
non pluris<br />
quam ceteri<br />
A. Terentius<br />
non modo Aebutium,<br />
sed etiam se<br />
pessimi facinoris<br />
Vendo.<br />
arguit.
Genitivus possessoris<br />
Ein Genitivus possessoris bezeichnet einen Besitzer im weitesten Sinn (Personen und Sachen). Er<br />
verwirklicht ein Attribut oder einen Sinnträger.<br />
Attribut<br />
Caesari nuntiatur Helvetiis esse in animo per<br />
agrum Sequanorum et Haeduorum iter in<br />
Santonum fines facere.<br />
[Gall.1,10,1]<br />
Sinnträger<br />
Omnia, quae mulieris fuerunt, viri fiunt nomine<br />
dotis.<br />
[top.23]<br />
Caesar wurde gemeldet, dass die Helvetier planten<br />
durch das Ackerland der Sequaner und Häduer in<br />
das Gebiet der Santonen auszuwandern.<br />
Alles, was der Frau gehört hat, wird unter dem<br />
Begriff Mitgift zum Eigentum des Mannes.<br />
• Unterschied zum Dativus possessivus<br />
Der Genitivus possessoris und Dativus possessivus können als Sinnträger ein Besitzverhältnis<br />
bezeichnen. Der Unterschied besteht darin, dass der Genitiv den Besitzer, der Dativ dagegen den<br />
Besitz betont.<br />
Iam me Pompei totum esse scis.<br />
[fam.2,13,2]<br />
Nullus est aditus ad Nervios mercatoribus.<br />
[Gall.2,15,4]<br />
Du weißt schon, dass ich voll und ganz zu<br />
Pompeius gehöre.<br />
Kein Zugang zu den Nerviern besteht für<br />
Kaufleute.<br />
Genitivus qualitatis<br />
Ein Genitivus qualitatis bezeichnet zusammen mit einem Adjektiv eine Eigenschaft. Dabei<br />
verwirklicht er ein Attribut oder einen Sinnträger. Am besten wird er mit einem Adjektiv übersetzt.<br />
Attribut<br />
Quo verius in causa nostra vir magni ingenii<br />
summaque prudentia L. Cotta dicebat, nihil omnino<br />
actum esse de nobis.<br />
[leg.3,45]<br />
Sinnträger<br />
Dumnorigem magni animi, magnae inter Gallos<br />
auctoritatis (esse) cognoverat.<br />
[Gall.5,6]<br />
53<br />
Um so wahrer sagte in unserem Fall ein sehr<br />
geistreicher und äußerst kluger Mann, L. Cotta,<br />
dass überhaupt nichts betreffs unserer Person<br />
verhandelt worden sei. [Nach Ciceros und Cottas<br />
Meinung war das Gesetz über seine Verbannung<br />
nicht rechtmäßig.]<br />
Er wusste, dass Dumnorix hochmütig und bei den<br />
Galliern sehr einflussreich war.<br />
• Eigenschaft im Genitivus oder Ablativus qualitatis?<br />
Die Verwendung des Genitivus und Ablativus qualitatis ist, wie das erste Beispiel zeigt (vir magni<br />
ingenii summaque prudentia), nicht streng unterschieden. Bei Zahl- und Maßangaben (altitudo<br />
pedum sedecim) sowie bei modus, genus und res steht gewöhnlich der Genitivus qualitatis, bei<br />
vorübergehende Eigenschaften (bono animo esse, hilari vultu esse) eher der Ablativus qualitatis.<br />
Genitivus subiectivus<br />
Ein Substantiv im Genitiv kann im Lateinischen ebenso wie im Deutschen eine (abstrakte) Person
ezeichnen, von der eine Handlung oder Empfindung ausgeht (die Trauer der Hinterbliebenen).<br />
Ein solcher Genitivus subiectivus übt die syntaktische Funktion eines Attributs aus.<br />
Nihilne te nocturnum praesidium Palatii, nihil<br />
urbis vigiliae, nihil timor populi moverunt?<br />
[Cat.1,1].<br />
Haben dich nicht die nächtliche Bewachung des<br />
Palatin, nicht die Nachtwachen der Stadt und<br />
nicht die Furcht des Volkes bewegt?<br />
• Erläuterte Wörter<br />
- (Verbal-)Substantive, die eine Handlung oder Empfindung bezeichnen (z.B. victoria, amor)<br />
• Possessivpronomen im Sinn eines Genitivus subiectivus<br />
Statt des Genitivs des Personalpronomens steht – wie beim Genitivus possessivus – das<br />
Possessivpronomen:<br />
Num infitiari potes te illo ipso die mea diligentia<br />
circumclusum commovere te contra rem publicam<br />
non potuisse.<br />
[Cat.1,7]<br />
Kannst du etwa leugnen, dass du an genau jenem<br />
Tag dich nicht gegen den Staat wenden konntest,<br />
weil du durch meine Umsicht eingeschlossen<br />
warst?.<br />
Genitivus obiectivus<br />
Ein Genitivus obiectivus nennt die vom Inhalt des Bezugswortes betroffene Person oder Sache.<br />
Wie der Genitivus subiectivus verwirklicht er ein Attribut.<br />
Nihilne te nocturnum praesidium Palatii, nihil urbis<br />
vigiliae, nihil timor populi moverunt?<br />
[Cat.1,1]<br />
Nunc populus nec flagitat rem ullam nec novarum<br />
rerum est cupidus.<br />
[Sest.104]<br />
Haben dich nicht die nächtliche Bewachung des<br />
Palatin, nicht die Nachtwachen der Stadt und<br />
nicht.die Furcht des Volkes bewegt?<br />
Nun fordert das Volk nichts und ist nicht begierig<br />
auf Umsturz.<br />
• Erläuterte Wörter<br />
- (Verbal-)Substantive, die eine Handlung oder Empfindung bezeichnen (z.B. expugnatio,<br />
simulatio, amor)<br />
- Adjektive der Bedeutung begierig, kundig, eingedenk (z.B. cupidus, conscius, peritus, memor)<br />
• Genitiv des Personalpronomens als Genitivus obiectivus (nicht Gen.subi.)<br />
Der Genitiv des Personalpronomens (mei, tui, nostri, vestri) hat in der Regel die semantische<br />
Funktion eines Genitivus obiectivus:<br />
Vincebatur fortuna ipsa debilitatae gratiae nostrae<br />
tui caritate et meo perpetuo erga te amore.<br />
[fam.6,12,1]<br />
Selbst das Unglück meines geschwächten<br />
Einflusses wurde von der Liebe zu dir und meiner<br />
immerwährenden Sympathie für dich besiegt.<br />
Genitivus totius („Genitivus partitivus“)<br />
Ein Genitivus totius nennt die Gesamtheit, zu der das Bezugswort einen Teil darstellt. Er<br />
verwirklicht ein Attribut.<br />
Ariovistus tertiam partem agri Sequani<br />
occupaverat.<br />
[Gall.1,31]<br />
Ariovist hatte ein Drittel des sequanischen<br />
Siedlungslandes besetzt.<br />
• Erläuterte Wörter<br />
- Substantive und Adjektive der Menge und des Maßes wie:<br />
copia Menge particeps teilhaftig<br />
54
pars Teil expers frei von<br />
modius Scheffel (8,75 l) plenus voll von<br />
- substantivisch gebrauchte Pronomina wie<br />
quis, quid wer, was nemo niemand<br />
- Quantitäts- und Ortsadverbien wie:<br />
satis genug ubi (bes. terrarum) wo (in aller Welt)<br />
parum zu wenig quo wohin<br />
nimis zu viel<br />
- Ordnungszahlen<br />
- Komparative und Superlative<br />
Genitivus definitivus<br />
Ein Genitivus definitivus („Genitivus explicativus“, „Genetivus epexegeticus“) spezifiziert als Attribut<br />
einen allgemeinen Begriff. Er kann als Appostion, mit einem zusammengesetzten Substantiv oder<br />
mit nämlich übersetzt werden.<br />
Quamquam sensus abierit, tamen suis et propriis<br />
bonis laudis et gloriae mortui non carent.<br />
[Tusc.1,109]<br />
Simulatio amicitiae repugnat maxime; delet enim<br />
veritatem, sine qua nomen amicitiae valere non<br />
potest.<br />
[Lael.92]<br />
Obwohl das Wahrnehmungsvermögen verloren<br />
gegangen ist, besitzen die Toten dennoch ihre ganz<br />
individuellen Güter, nämlich Ruhm und Ehre.<br />
Heuchelei widerspricht der Freundschaft<br />
besonders; sie zerstört nämlich die Wahrhaftigkeit,<br />
ohne die der Begriff Freundschaft leer ist.<br />
• Erläuterte Wörter<br />
Besonders häufig werden genus und causa durch einen Genitivus definitivus erläutert, seltener<br />
vox, nomen und vocabulum. Statt des Genitivus definitivus kann meistens auch im Lateinischen,<br />
wie im Deutschen, die entsprechende Apposition stehen.<br />
Genitiv-Apposition<br />
Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Genitiv erläutert, die Apposition<br />
(Attribut).<br />
Quod oppidum Cenabum pons fluminis Ligeris<br />
contingebat, veritus ne noctu ex oppido<br />
profugerent, duas legiones in armis excubare iubet.<br />
[Gall.7,11]<br />
Weil eine Brücke über den Fluss Loire zur Stadt<br />
Cenabum führte, befahl Caesar aus Furcht, dass<br />
die Bewohner nachts aus der Stadt fliehen<br />
könnten, zwei Legionen unter Waffen Wache zu<br />
halten.<br />
Genitivus proprietatis<br />
Ein Genitivus proprietatis bezeichnet den Träger einer Eigentümlichkeit, Aufgabe, Pflicht oder<br />
55
Gewohnheit. Häufig wird er als Genitivus possessivus (im übertragenen Sinn) verstanden. Der<br />
Genitivus proprietatis ist immer Prädikatsteil und muss besonders frei übersetzt werden: consulis<br />
est – es ist die Aufgabe eines Konsuls.<br />
Tardi ingeni est rivulos consectari, fontes rerum<br />
non videre.<br />
[de orat.2,117]<br />
Es ist die Eigentümlichkeit eines trägen Geistes,<br />
Rinnsale zu verfolgen, aber die Quellen nicht zu<br />
sehen.<br />
Es zeugt von einem trägen Geist …<br />
• Possessivpronomen statt Personalpronomen in der 1. und 2. Person<br />
Statt des Genitivs des Personalpronomens steht das Neutrum des Possessivpronomens:<br />
Fuit meum quidem iam pridem rem publicam Meine Rolle war es freilich schon lange, den Staat<br />
lugere.<br />
zu betrauern.<br />
[Att.12,28,2]<br />
Genitivus pretii<br />
Ein Genitivus pretii bezeichnet in den Formen pluris, minoris, tanti und quanti einen Geldwert oder<br />
in diesen und anderen Formen einen ideellen Wert. Dabei verwirklicht er einen Sinnträger oder ein<br />
Adverbiale.<br />
Sinnträger<br />
Mea mihi conscientia pluris est quam omnium<br />
sermo.<br />
[Att.12,28,2]<br />
Adverbiale<br />
Vendo meum non pluris quam ceteri, fortasse<br />
etiam minoris.<br />
[off.3,51]<br />
Mir ist mein Gewissen mehr wert als das Gerede<br />
von allen.<br />
Ich verkaufe meine Ware nicht teurer als die<br />
übrigen, vielleicht sogar billiger.<br />
• Geldwert im Genitivus oder Ablativus pretii?<br />
Ein Geldwert kann nur in den Formen pluris, minoris, tanti und quanti mit Genitivus pretii<br />
bezeichnet werden. Andere Geldwertangaben stehen im Ablativus pretii.<br />
• Erläuterte Wörter bei ideellem Wert<br />
Zur Bezeichnung eines ideellen Wertes steht der Genitivus pretii vor allem bei den Verben esse<br />
(wert sein),facere, aestimare, ducere und putare (schätzen/achten).<br />
Genitiv als Objekt<br />
Ein Genitiv kann als Objekt ein Verb inhaltlich ergänzen, allerdings ist dies – wie im Deutschen<br />
(Herr, erbarme dich unser) – nur nach wenigen Verben der Fall.<br />
Memini enim, memini neque umquam obliviscar<br />
noctis illius, cum tibi vigilanti vana quaedam miser<br />
atque inania pollicebar.<br />
[Planc.101]<br />
L. Flaccum tu accusas avaritiae, quem dicis<br />
sestertium viciens voluisse perdere?<br />
[Flacc.83]<br />
Quamquam mihi inimicus subito exstitisti, tamen<br />
me tui miseret, quod tibi invideris.<br />
[Phil.2,90]<br />
56<br />
Ich erinnere mich nämlich, ich erinnere mich und<br />
werde niemals jene Nacht vergessen, als ich dir,<br />
während du wachtest, unglücklich einige völlig<br />
nichtige Dinge versprach.<br />
Den L. Flaccus beschuldigst du der Habgier, von<br />
dem du sagst, er habe zwei Millionen Sesterzen<br />
vergeuden wollen?<br />
Obwohl du plötzlich mein Feind geworden bist, tust<br />
du mir doch leid, weil du dir selbst im Weg stehst.
Una in domo omnes, quorum intererat, totum<br />
imperium populi Romani nundinabantur.<br />
[Phil.3,10]<br />
In einem Palast konnten alle, die Interesse daran<br />
hatten, das ganze Reich des römischen Volkes<br />
erschachern.<br />
• Erläuterte Wörter („Verben mit Genitivobjekt“)<br />
- Verben des Erinnerns und Vergessens:<br />
meminisse, reminisci sich erinnern sächliches Objekt auch im Akk. möglich<br />
oblivisci vergessen sächliches Objekt auch im Akk. möglich<br />
commonefacere erinnern sächliches Objekt auch mit de möglich<br />
- Verben der Gerichtssprache („Genitivus criminis“)<br />
accusare, arguere anklagen<br />
damnare verurteilen<br />
absolvere freisprechen<br />
- unpersönliche Verben des Empfindens<br />
piget es verdrießt<br />
pudet es beschämt<br />
paenitet es reut<br />
taedet es ekelt<br />
miseret es erbarmt<br />
- interest und refert<br />
• Erläuterungen zu interest und refert<br />
Die interessierte Person steht im Genitiv oder, wo im Deutschen Personalpronomen erscheint, im<br />
Ablativ Singular Femininum des Possessivpronomens (mea, tua, sua, nostra, vestra, sua),<br />
enstanden aus mea refert:<br />
Vestra, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />
maxime interest, in magnis disquisitionibus vitam<br />
unius cuiusque esse testem.<br />
[Sull. 79]<br />
Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes Leben<br />
vorweisen könnt, ist dies besonders wichtig, dass<br />
bei wichtigen Untersuchungen das Leben eines<br />
jeden (Angeklagten) Zeugnis ablegt.<br />
Den Gegenstand des Interesses bezeichnet ein bloßer Infinitiv (bei logisch gleichem Subjekt),<br />
ein AcI (bei verschiedenem Subjekt), ein abhängiger Fragesatz oder ein neutrales Pronomen:<br />
Vestr?, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />
maxime interest, in magnis disquisitionibus<br />
vitam unius cuiusque esse testem.<br />
[Sull. 79]<br />
Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes Leben<br />
vorweisen könnt, ist dies besonders wichtig, dass<br />
bei wichtigen Untersuchungen das Leben eines<br />
jeden (Angeklagten) Zeugnis ablegt.<br />
Schließlich wird der Grad des Interesses durch ein Adverb oder Genitivus pretii ausgedrückt:<br />
Vestra, qui cum summa integritate vixistis, hoc<br />
maxime interest, in magnis disquisitionibus<br />
vitam unius cuiusque esse testem.<br />
[Sull. 79]<br />
57<br />
Für euch, die ihr ein völlig unbescholtenes<br />
Leben vorweisen könnt, ist dies besonders<br />
wichtig, dass bei wichtigen Untersuchungen das<br />
Leben eines jeden (Angeklagten) Zeugnis<br />
ablegt.<br />
Appositives Adverbiale im Genitiv<br />
Ein Appositives Adverbiale im Genitiv sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />
z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Genitiv, sondern<br />
auch das Prädikat. Es übt deshalb die syntaktische Funktion eines attributiven Adverbiales aus<br />
und wird meistens mit als übersetzt.
Edictum D. Bruti, imperatoris, consulis designati,<br />
propositum est.<br />
[Phil.3,37]<br />
58<br />
Ein Bescheid des Decimus Brutus als<br />
Ober-befehlshabers und designierten Konsuls ist<br />
vorgelegt worden. /<br />
Ein Bescheid des Decimus Brutus, des derzeitigen<br />
Oberbefehlshabers und designierten Konsuls, ist<br />
vorgelegt worden.
Das Substantiv im Dativ<br />
Anders als ein Substantiv im Genitiv übt ein Substantiv im Dativ überwiegend die syntaktische<br />
Funktion eines Objekts aus, indem es eine Person nennt, die von der Verbalhandlung betroffen ist<br />
(Marcus schenkt Paula ein Buch). Attribut kann es nur in Form einer Apposition sein. Als<br />
Adverbiale oder Sinnträger fungiert ein Substantiv im Dativ, wenn es einen Besitzer, Bevorteilten,<br />
Tätigen, Beteiligten, Interessierten oder Zweck anführt.<br />
Objekt<br />
Orgetorix Dumnorigi Haeduo filiam suam in<br />
matrimonium dat.<br />
Orgetorix gab dem Häduer Dumnorix seine<br />
Tochter zur Frau.<br />
[Gall.1,3,5]<br />
Sinnträger<br />
Nullus est aditus ad Nervios mercatoribus.<br />
Kein Zugang zu den Nerviern besteht für<br />
Kaufleute. [Gall.2,15,4]<br />
Adverbiale<br />
C. Caesari omnia belli vulnera sananda sunt.<br />
Von Gaius Caesar müssen alle Wunden des<br />
Krieges geheilt werden.<br />
[Marcell.24]<br />
Attributives Adverbiale<br />
Mihi consuli designato insidiatus es.<br />
Du hast mir als designiertem Konsul aufgelauert.<br />
[Cat.1,1]<br />
Dativ als Objekt<br />
Orgetorix<br />
Dumnorigi<br />
Haeduo<br />
filiam suam<br />
in matrimonium<br />
Nullus<br />
aditus ad Nervios<br />
C. Caesari<br />
dat.<br />
est<br />
mercatoribus.<br />
omnia belli vulnera sananda sunt.<br />
Mihi<br />
consuli designato insidiatus est.<br />
Ein Dativ als Objekt bezeichnet die Person(-en) oder Sache(-n), der sich das Subjekt (oder<br />
Binnensubjekt) widmet.<br />
Orgetorix civitati persuasit, ut de finibus suis cum<br />
omnibus copiis exirent.<br />
[Gall.1,2,1]<br />
Cum intellegeret omnes fere Gallos novis rebus<br />
studere, partiendum (esse) sibi ac latius<br />
distribuendum exercitum putavit.<br />
[Gall.3.10.3]<br />
59<br />
Orgetorix überredete seinen Stamm, mit allen<br />
Vorräten aus seinem Gebiet auszuwandern.<br />
Da er erkannte, dass sich fast alle Gallier um<br />
Umsturz bemühten, glaubte er das Heer teilen und<br />
weiter auseinander legen zu müssen.
• Wichtigste Lateinische Verben mit Dativobjekt, welchen deutsche Verben mit Akkusativoder<br />
Präpositionalobjekt entsprechen<br />
- studere Studeo litteris. Ich bemühe mich um literarische<br />
Bildung.<br />
- favere Favemus probis. Wir begünstigen die Rechtschaffenen.<br />
- maledicere Maledicitis inimicis. Ihr schmäht eure Feinde.<br />
- persuadere Persuade tibi me petere Gewinne die Überzeugung, dass ich<br />
praeturam!<br />
mich um die Prätur bewerbe!<br />
- parcere Virtutis est hostibus Es ist ein Zeichen von Stärke, wenn<br />
parcere.<br />
man die Feinde schont.<br />
- invidere Pauperes invident<br />
divitibus.<br />
Die Armen beneiden die Reichen.<br />
- nubere Paula nubet Marco. Paula heiratet Markus.<br />
- mederi Medicus morbo medetur. Der Arzt heilt die Krankheit.<br />
• Lateinische Verben mit Dativ- oder Akkusativobjekt<br />
mit Dativobjekt mit Akkusativobjekt<br />
- consulere sorgen für um Rat fragen<br />
- prospicere, providere sorgen für vorhersehen<br />
- timere besorgt sein für fürchten, sich fürchten vor<br />
-<br />
temperare<br />
Schranken setzen,<br />
schonen<br />
ordnen, leiten<br />
- cavere sorgen für sich hüten vor<br />
Dativus possessivus<br />
Ein Dativus possessivus bezeichnet als Sinnträger bei esse einen Besitzer im weitesten Sinn.<br />
Huic homini spes nulla salutis esset, si publicani,<br />
hoc est, si equites Romani iudicarent.<br />
[Verr.2,3,168]<br />
Ein solcher Mensch hätte keine Hoffnung auf<br />
Freispruch, wenn Steuerpächter, das heißt, wenn<br />
römische Ritter das Richteramt ausübten.<br />
• Unterschied zum Genitivus possessivus<br />
Der Dativus possessivus betont den Besitz, der Genitivus possessoris den Besitzer.<br />
Dativus commodi vel incommodi<br />
Ein Dativus commodi bezeichnet als Adverbiale eine Person oder Sache, zu deren Vorteil oder<br />
Nachteil etwas geschieht. Häufig erscheint er zusammen mit einem Dativus finalis (s. unten) als<br />
„Doppelter Dativ“.<br />
Non scholae, sed vitae discimus.<br />
Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen<br />
Mihi mehercle magnae curae est aedilitas tua.<br />
[fam.2,11,2]<br />
60<br />
wir.<br />
Mir ist, beim Herkules, dein Amt als Ädil sehr<br />
wichtig.<br />
• Scheinbarer Dativus commodi nach Verben der Fürsorge<br />
Nach den Verben consulere, prospicere, providere, parcere und temperare bezeichnet der Dativ<br />
zwar auch eine Person oder Sache, zu deren Vor- oder Nachteil etwas geschieht, aber dies ist -<br />
wie im Fall des sogenannten "Ablativ der Trennung" - bei diesen Verben ausschließlich durch ihre<br />
Bedeutung und nicht durch eine eigene semantische Funktion des Dativs bedingt. Solche<br />
Ergänzungen üben die syntaktische Funktion eines Objekts aus:
M. Marcellus non solum sociis in eo bello<br />
consuluit, verum etiam superatis hostibus<br />
temperavit.<br />
[Verr.2,2,4]<br />
Marcus Marcellus sorgte in diesem Krieg nicht nur<br />
für die Bundesgenossen, sondern schonte auch die<br />
besiegten Feinde.<br />
Dativus finalis<br />
Der Zweck einer Handlung kann im Deutschen in vielfacher Weise formuliert werden: durch einen<br />
damit-Satz, einen um-zu-Infinitiv oder eine Präposition mit Substantiv. Im Lateinischen kann dies<br />
ein einfaches Substantiv im Dativ:<br />
Adverbiale<br />
Labienus quinque cohortes, quas minime firmas ad<br />
dimicandum esse existimabat, castris praesidio<br />
relinquit.<br />
[Gall.7,60,2]<br />
Labienus ließ fünf Kohorten, von denen er glaubte,<br />
dass sie nicht stark genug für einen Kampf seien,<br />
dem Lager zur Bewachung zurück.<br />
Neben esse bezeichnet dieser Dativ eine Wirkung, wobei eine solche Kombination stets frei<br />
übersetzt werden muss:<br />
Sinnträger<br />
Omnibus Verres ceteris Siculis odio est, ab<br />
Mamertinis solis amatur.<br />
[Verr. 2,4,15]<br />
Allen übrigen Bewohnern Siziliens ist Verres<br />
verhasst, nur von den Mamertinern wird ihm<br />
Sympathie entgegen gebracht.<br />
• Doppelter Dativ<br />
Der Dativus finalis steht häufig zusammen mit einem Dativus commodi. Man nennt diese<br />
Verbindung „doppelten Dativ“. Dabei kann esse mit gereichen oder dienen übersetzt werden,<br />
schöner ist jedoch meistens eine freie Übersetzung.<br />
Wendungen mit doppeltem Dativ<br />
alicui cordi esse jdm. am Herzen liegen a. invidiae esse von jdm. beneidet werden<br />
a. crimini dare jdm. zum Vorwurf machen a. laudi vertere als lobenswert anrechnen<br />
a. curae esse sich um etwas kümmern a. odio esse von jdm. gehasst werden<br />
a. detrimento esse jdm. schaden a. vitio dare jdm. als Fehler anrechnen<br />
a. honori esse jdm. Ehre bringen a. usui esse jdm. nützen<br />
a. ignaviae tribuere jdm. als Feigheit auslegen<br />
Dativus auctoris<br />
Ein Dativus auctoris kann statt ab mit Ablativ eine tätige Person bei einer passivischen<br />
Prädikatshandlung, besonders beim Gerundivum der Notwendigkeit, bezeichnen. Er gilt als<br />
Adverbiale.<br />
Erit verendum mihi, ne non hoc potius omnes boni<br />
serius a me quam quisquam crudelius factum esse<br />
dicat.<br />
[Cat.1,5]<br />
Si quid in hac causa mihi susceptum est, Quirites,<br />
id ego omne me rei publicae causa suscepisse<br />
confirmo.<br />
[Manil.71]<br />
61<br />
Ich werde fürchten müssen, dass eher<br />
irgendjemand sagt, dies (die Anordnung der<br />
Todesstrafe) sei von mir zu grausam getan worden,<br />
als dass alle Guten sagen, dies sei zu spät getan<br />
worden.<br />
Wenn in dieser Angelegenheit irgendetwas von mir<br />
unternommen wurde, ihr Römer, versichere ich,<br />
dass ich dies alles nur um des Staates willen<br />
unternommen habe.
• Dativus auctoris bei videri und probari zur Bezeichnung einer betroffenen Person<br />
Bei videri und probari bezeichnet der Dativus auctoris eher eine betroffene als eine handelnde<br />
Person.<br />
Legio Martia mihi videtur divinitus ab eo deo<br />
traxisse nomen, a quo populum Romanum<br />
generatum accepimus.<br />
[Phil.4,5]<br />
Mihi egregie probata est oratio tua.<br />
[Tusc.4,8]<br />
Die Mars-Legion scheint mir durch göttliche<br />
Vorsehung von diesem Gott ihren Namen bezogen<br />
zu haben, von dem das römische Volk der<br />
Überlieferung nach gezeugt wurde.<br />
(Eig: Von mir wird die Mars-Legion so gesehen,<br />
dass sie … )<br />
Mir gefiel deine Rede sehr gut.<br />
(Eig. Von mir wurde deine Rede voll und ganz gut<br />
geheißen.)<br />
Dativus ethicus<br />
Ein Dativus ethicus bezeichnet man im Lateinischen wie im Deutschen den Dativ des<br />
Personalpronomens der 1. oder 2. Person zur Bezeichnung innerer Anteilnahme (Komm mir ja<br />
nicht zu spät!). Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Tu mihi M. Antoni exemplo Verris audaciam<br />
defendis?<br />
[Verr.2,3,213]<br />
Du verteidigst mir die Unverschämtheit des Verres<br />
mit dem Vorbild des Markus Antonius?<br />
Appositives Adverbiale im Dativ<br />
Ein Appositives Adverbiale im Dativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch, z.B.<br />
durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Dativ, sondern auch das<br />
Prädikat. Deshalb verwirklicht es ein attributives Adverbiale und wird meistens mit als übersetzt.<br />
Quamdiu mihi consuli designato, Catilina,<br />
insidiatus es, me privata diligentia defendi.<br />
[Cat.1,15]<br />
Immer wenn du, Catilina, mir als designiertem<br />
Konsul nachgestellt hast, habe ich mich durch<br />
private Schutzmaßnahmen verteidigt.<br />
(Cicero war nur ein halbes Jahr lang designierter<br />
Konsul.)<br />
Dativ-Apposition<br />
Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Dativ erläutert, die Apposition.<br />
T. Labienum legatum in Treveros, qui proximi<br />
flumini Rheno sunt, cum equitatu mittit.<br />
[Gall.3,11]<br />
62<br />
Er schickte seinen Legaten Titus Labienus mit der<br />
Reiterei zu den Treverern, die unmittelbar am<br />
Rhein wohnen.
Das Substantiv im Akkusativ<br />
Ein Substantiv im Akkusativ dient meistens als Objekt (arborem videre). Dabei ist die Verbindung<br />
zwischen Verb und Substantiv so eng, dass ein Verb mit Akkusativobjekt als transitives Verb<br />
bezeichnet wird, was bedeutet, dass die Satzhandlung vom Subjekt über das Prädikat auf das<br />
Objekt ‚übergeht’. Ein Gleichsetzungsakkusativ (aliquem consulem creare) fungiert als Sinnträger.<br />
Weniger häufig tritt ein Substantiv im Akkusativ als Adverbiale zur Bezeichnung einer Richtung<br />
oder einer räumlichen und zeitlichen Ausdehnung auf (Romam ire).<br />
Objekt<br />
Belgae cum Germanis continenter bellum gerunt.<br />
Die Belger führen gegen die Germanen<br />
ununterbrochen Krieg.<br />
[Gall.1,7,2]<br />
Sinnträger<br />
Ex nobis natos liberos appellamus.<br />
Wir nennen unsere Kinder liberi. [nat.deor.2,62]<br />
Adverbiale<br />
Annos iam triginta in foro versaris.<br />
Du bist schon 30 Jahre lang auf dem Forum<br />
tätig.<br />
[Flacc.70]<br />
Attribut<br />
Bellovaci se suaque omnia in oppidum<br />
Bratuspantium contulerunt.<br />
Die Bellovaker hatten sich und ihr Hab und Gut<br />
in die Stadt Bratuspantium gebracht.<br />
[Gall.1,13,2]<br />
63<br />
Akkusativ als Objekt<br />
Belgae<br />
cum Germanis<br />
continenter<br />
bellum<br />
gerunt.<br />
Ex nobis natos liberos<br />
appellamus.<br />
Annos iam triginta<br />
in foro versaris.<br />
Bellovaci<br />
se suaque omnia<br />
in oppidum<br />
Bratuspantium<br />
contulerunt.<br />
Wie im Deutschen üben Substantive im Akkusativ meistens die Funktion eines Objekts aus, indem<br />
sie erläutern, auf wen oder was sich die Verbalhandlung bezieht. Im Lateinischen kann man<br />
zwischen äußerem und innerem Objekt unterscheiden: Ein äußeres Objekt ist semantisch völlig<br />
unabhängig vom ergänzten Verb, ein inneres Objekt dagegen verstärkt oder spezifiziert die
Bedeutung des Verbs (pugnam pugnare, stadium currere). Es kann bei transitiven und<br />
intransitiven Verben stehen.<br />
äußeres Objekt:<br />
Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet?<br />
[Cat.1,1]<br />
inneres Objekt:<br />
Ego vestros patres, tu Scipio tuque C. Laeli,<br />
vivere arbitror, et eam quidem vitam, quae est<br />
sola vita nominanda.<br />
[Cato 77]<br />
Wie lange noch wird uns dieser dein Wahnsinn<br />
verspotten?<br />
Ich glaube, mein Scipio und du, mein Gaius<br />
Laelius, dass eure Väter noch leben, und zwar<br />
das Leben, das allein die Bezeichnung „Leben“<br />
verdient.<br />
• Lateinische Verben mit Akkusativobjekt der Person, welchen deutsche Verben mit Dativ-<br />
oder Präpositionalobjekt entsprechen<br />
- iubere Caesar milites iussit<br />
pontem facere.<br />
Caesar befahl den Soldaten, eine Brücke<br />
zu bauen.<br />
- vetare Veto te scribere. Ich verbiete dir zu schreiben.<br />
- adiuvare Adiuvamus vos. Wir helfen euch.<br />
- deficere Pecunia me deficit. Mir geht das Geld aus.<br />
- sequi Sequere me! Folge mir!<br />
- ulcisci Ulciscimini hostes. Ihr rächt euch an den Feinden.<br />
- fugit, fallit, praeterit, iuvat,<br />
decet, dedecet<br />
64<br />
Neminem vestrum fugit,<br />
quam pestiferum sit<br />
bellum.<br />
Niemandem von euch ist unbekannt, wie<br />
unheilvoll der Krieg ist.<br />
• Akkusativ der Person und Akkusativ der Sache ("doppelter Akkusativ")<br />
Zwei Akkusative in Abhängigkeit von einem Verb können als Objekt der Person und Objekt der<br />
Sache bzw. des Gewässers stehen.<br />
Caesar flumen Axonam exercitum traducere<br />
maturavit.<br />
[Gall.2,5,4]<br />
Erläuterte Wörter:<br />
Caesar setzte sein Heer eilig über die Aisne.<br />
- docere aliquem aliquid jdn. ein Handwerk lehren<br />
- celare aliquem aliquid etwas vor jdm.<br />
Akkusativ der Sache nur bei Pronomen<br />
verheimlichen<br />
im Neutrum, sonst de aliqua re.<br />
- poscere / flagitare aliquem von jdm. etwas verlangen<br />
aliquid<br />
- rogare / interrogare jdn. nach etwas fragen Akkusativ der Sache nur bei Pronomen<br />
aliquem aliquid<br />
im Neutrum, sonst de aliqua re.<br />
- traducere / traicere / trans- jdn. über einen Fluss<br />
portare aliquem aliquod<br />
flumen<br />
führen<br />
• Formen des Akkusativs als inneren Objekts<br />
Ein Akkusativ als inneres Objekt kann transitive und intransitive Verben ergänzen. Dabei lassen<br />
sich drei verschiedene Formen unterscheiden: Erstens steht er als „Figura etymologica“ bei<br />
Verben des gleichen Lexemfeldes (pugnam pugnare – einen Kampf kämpfen). Zweitens<br />
bezeichnet er eine besondere Erscheinungsform der Verbalhandlung (sanguinem sitire – nach Blut<br />
dürsten). Drittens besteht er im Akkusativ Neutrum eines Pronomens, wobei dieses eine<br />
nachfolgende Erklärung vorbereitet (id studere, ut). Wenn ein solches Pronomen bei einem<br />
transitiven Verb steht, können äußeres und inneres Objekt zusammentreffen (aliquem hoc monere,
ut).<br />
Figura etymologica:<br />
Zenonis sententiae sunt: solos sapientes esse, si<br />
mendicissimi, divites, si servitutem serviant,<br />
reges.<br />
[Manil.61]<br />
Besondere Erscheinungsform der Verbalhandlung:<br />
Qui stadium currit, eniti et contendere debet quam<br />
maxime possit, ut vincat.<br />
[off.3,42]<br />
Neutrum eines Pronomens:<br />
Eos hoc moneo, desinant furere ac proscriptiones<br />
et dictaturas cogitare<br />
[Cat.2,20]<br />
Zu Zenons Weisheiten gehört: Nur Weise seien,<br />
auch wenn sie bettelarm sind, reich, auch wenn sie<br />
in Sklavenschaft leben, Könige.<br />
Wer ein Rennen über die Distanz eines Stadions<br />
läuft, muss sich mit ganzer Kraft anstrengen, damit<br />
er siegt.<br />
Diese Leute ermahne ich dazu, aufzuhören im<br />
Wahnsinn zu verharren und über Proskriptionen<br />
und Diktaturen nachzudenken.<br />
Gleichsetzungsakkusativ ("doppelter Akkusativ")<br />
Ein Gleichsetzungsakkusativ gibt an, womit ein anderes Nomen im Akkusativ gleichgesetzt wird.<br />
Dabei ist der Gleichsetzungsakkusativ für das ergänzte Verb so bedeutungsvoll, dass er als<br />
Sinnträger gilt. Manche Verben treten nur mit Objekt und Gleichsetzungsakkusativ auf (declarare),<br />
andere erhalten durch den Gleichsetzungsakkusativ eine andere Bedeutung (putare mit AcI –<br />
glauben, putare mit doppeltem Akkusativ – halten für). Die Kombination von Objekt und<br />
Gleichsetzungsakkusativ nennt man "doppelten Akkusativ". Bei passivem Prädikat wird der<br />
Gleichsetzungsakkusativ zu einem Gleichsetzungsnominativ.<br />
Me cuncta Italia, me omnes ordines, me universa<br />
civitas priorem consulem declaravit.<br />
[Pis.3]<br />
• Durch Gleichsetzungsakkusativ ergänzte Verben<br />
mit Gleichsetzungsakkusativ<br />
- nennen:<br />
dicere, appellare, nominare,<br />
vocare<br />
- halten für:<br />
ducere, existimare, iudicare,<br />
putare<br />
- wählen zu/als:<br />
creare, deligere<br />
- machen zu:<br />
facere, efficere, reddere<br />
- sich zeigen als:<br />
se praebere, se praestare<br />
- haben als:<br />
habere<br />
65<br />
Marcum te vocamus.<br />
Wir nennen dich Markus.<br />
Stultum me putas.<br />
Du hältst mich für dumm.<br />
Mich hat ganz Italien, mich haben alle Stände, mich<br />
hat die ganze Bürgerschaft zum ersten Konsul<br />
ausgerufen.<br />
Populus Ciceronem consulem<br />
creavit.<br />
Das Volk hat Cicero zum<br />
Konsul gewählt.<br />
Facitis me tristem<br />
Ihr macht mich traurig<br />
Fortem te praestiti<br />
Du hast dich tapfer gezeigt.<br />
Habeo te amicum.<br />
Ich habe dich als Freund.<br />
andere Konstruktion<br />
Marcum vocamus.<br />
Wir rufen Markus.<br />
Putatis deos esse.<br />
Ihr glaubt, dass es Götter gibt.<br />
Natura multas re creat.<br />
Die Natur bringt viele Dinge<br />
hervor.<br />
Facitis pontem.<br />
Ihr baut eine Brücke.<br />
Praebent nobis aquam.<br />
Sie geben uns Wasser.<br />
Habeo amicum.<br />
Ich habe einen Freund.
Akkusativ der Richtung<br />
Ein Akkusativ der Richtung nennt nach Verben der Bewegung das Ziel. Er steht nur bei den<br />
Namen von Städten und kleinen Inseln ohne Präposition.<br />
Tu mihi M. Regulum commemoras, qui redire ipse<br />
Carthaginem sua voluntate quam Romae manere<br />
maluerit.<br />
[Sest.127]<br />
Du erwähnst mir Markus Regulus, der selbst lieber<br />
nach Karthago zurückkehren als in Rom bleiben<br />
wollte.<br />
Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung<br />
Ein Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung gibt Antwort auf die Frage „Wie hoch?“,<br />
„Wie tief?“, „Wie lang?“ oder „Wie breit?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder ein Attribut.<br />
Adverbiale<br />
Mithridates annum iam tertium et vicesimum<br />
regnat, et ita regnat, ut se non Ponti neque<br />
Cappadiciae latebris occultare velit.<br />
[Manil.7]<br />
Attribut<br />
Milites aggerem latum pedes trecentos triginta,<br />
altum pedes octoginta exstruxerunt.<br />
[Gall.7,24,1]<br />
Mithridates hat schon 22 Jahre lang die<br />
Königsherrschaft inne, und zwar so, dass er sich<br />
nicht in Schlupfwinkeln von Pontus oder<br />
Kappadokien verstecken will.<br />
Die Soldaten errichteten einen 330 Fuß breiten und<br />
80 Fuß hohen Belagerungsdamm.<br />
• Altersangabe nach natus im bloßen Akkusativ<br />
Auch eine Altersangabe nach natus steht im Akkusativ der räumlichen und zeitlichen Erstreckung,<br />
wobei der Akkusativ in diesem Fall genau genommen den Anfangspunkt eines Zeitraums<br />
bezeichnet.<br />
Cato annos quinque et octoginta natus excessit e<br />
vita.<br />
[Brut.80]<br />
Cato schied im Alter von 85 Jahres aus dem<br />
Leben.<br />
• Zeitliches vor<br />
Zeitliches vor kann durch die Präposition ante mit Akkusativ, das Adverb ante beim Ablativ<br />
(mensurae) oder das Adverb abhinc (heute vor) beim Akkusativ (der zeitlichen Erstreckung)<br />
wiedergegeben werden.<br />
Horum pater abhinc duo et viginti annos est Deren Vater starb vor 22 Jahren.<br />
mortuus.<br />
[Ver.2,2,25]<br />
Appositives Adverbiale im Akkusativ<br />
Ein appositives Adverbiale im Akkusativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />
z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Akkusativ, sondern<br />
auch das Prädikat. Es übt daher die syntaktische Funktion eines attributiven Adverbiales aus und<br />
wird meistens mit als übersetzt.<br />
Quotiens tu me designatum, quotiens consulem<br />
interficere conatus es?<br />
[Cat.1,15]<br />
66<br />
Wie oft hast du mich als designierten Konsul, wie<br />
oft als amtierenden zu töten versucht?
Akkusativ der Beziehung („Akkusativus Graecus“)<br />
Bei Dichtern und nachklassischen Autoren kann ein Akkusativ der Beziehung den Bereich<br />
eingrenzen, für den eine adjektivische Aussage gilt. Er fungiert dabei als Attribut.<br />
Cynthia forma potens; Cynthia verba levis.<br />
[Prop.2,5,28]<br />
Cynthia, beeindruckend hinsichtlich ihrer<br />
Schönheit, doch unzuverlässig hinsichtlich ihrer<br />
Aussagen.<br />
Akkusativ-Apposition<br />
Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Akkusativ erläutert, die<br />
Apposition (Attribut).<br />
Erat iter per Sequanos, angustum et difficile, inter<br />
montem Iuram et flumen Rhodanum.<br />
[Gall.1,6,1]<br />
67<br />
Es gab einen Weg durch das Gebiet der Sequaner,<br />
eng und schwierig, zwischen dem Juragebirge und<br />
der Rhone.
Das Substantiv im Ablativ<br />
In der indoeuropäischen Sprache gab es mehr als sechs Kasus. Der Formenbestand verringerte<br />
sich im Lateinischen dadurch, dass mehrere Funktionen im „Ablativ“ verschmolzen. Nur für<br />
Ortsbestimmungen haben sich teilweise noch eigene Formen des Lokativs erhalten (domi, humi,<br />
ruri, Romae usw.).<br />
Dem Vorteil des geringeren Formenbestands steht der Nachteil einer Vielzahl formal nicht<br />
unterscheidbarer semantischer Funktionen des Ablativs gegenüber.Anders verhält es sich, wenn<br />
eine Präposition vor dem Ablativ dessen Bedeutungsweite eingrenzt. Solche Ablative, die nur mit<br />
Präposition vorkommen (z.B. der Ablativus sociativus), begegnen jedoch nicht hier, sondern unter<br />
der entsprechenden Präposition im Kapitel „Die Präposition mit Nomen“.<br />
Ein Substantiv im präpositionslosen Ablativ kann – anders als Substantive in den anderen Kasus –<br />
nie wörtlich übersetzt werden, da es einen Ablativ im Deutschen nicht gibt. Deshalb ist es auch<br />
schwieriger, ein Ablativ-Objekt von einem Ablativ-Adverbiale zu unterscheiden, denn ein Ablativ-<br />
Objekt kann nicht in der gleichen Weise wie ein Akkusativ-, Dativ- oder Genitivobjekt erfragt<br />
werden.<br />
Ein Ablativ-Adverbiale liegt immer dann vor, wenn ein Substantiv im Ablativ das Prädikat in einer<br />
der Hinsichten erläutert, die bei der Beschreibung des Adverbiales in der Einführung genannt<br />
wurden. In diesen Fällen ist es sinnvoll, von einem Ablativus loci, temporis, modi usw. zu<br />
sprechen. Dagegen verwirklicht ein Substantiv im Ablativ ein Objekt, wenn es selbst keinen für ein<br />
Adverbiale charakteristischen Inhalt bezeichnet, sondern lediglich die Prädikatshandlung ergänzt<br />
(z.B. Munere fungitur - Er übt ein Amt aus. Curis vacant - Sie haben keine Sorgen). In der<br />
<strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden solche Ablative in Objektfunktion nicht zu semantischen Gruppen<br />
zusammengefasst (z.B. als "Abl. separativus"), da damit nicht die semantische Funktion der<br />
Ablative, sondern der Verben, von welchen sie abhängen, bezeichnet würde. In Zweifelsfällen<br />
orientiert sich die <strong>Wachstafelngrammatik</strong> auch an deutschen Äquivalenten (z.B. gilt der<br />
Gegenstand der Trennung nach wegnehmen, berauben usw. als Objekt).<br />
Adverbiale<br />
Helvetii telis repulsi sunt.<br />
Die Helvetier wurden mit Geschossen<br />
zurückgedrängt.<br />
[Gall.1,8,4]<br />
Sinnträger<br />
Rex Deiotarus est bono animo.<br />
König Deiotarus ist guten Mutes. [Deiot.38]<br />
Objekt<br />
Quo usque tandem abuteris patientia nostra?<br />
Wie lange denn noch missbrauchst du unsere<br />
Geduld?<br />
[Cat.1,1]<br />
68<br />
Helvetii<br />
telis repulsi sunt.<br />
Rex Deiotarus<br />
Quo usque tandem<br />
patientia nostra?<br />
est<br />
bono animo.<br />
abuteris
Attribut<br />
Carboni obtigit homo singulari inertia.<br />
Carbo erhielt einen Menschen von einzigartiger<br />
Faulheit.<br />
[Verr.2,1,34]<br />
Ablativus temporis<br />
Carboni<br />
homo<br />
singulari inertia<br />
obtigit<br />
Ein Ablativus temporis bezeichnet einen Zeitpunkt oder einen Zeitraum, indem er Antwort gibt auf<br />
die Frage „Wann?“, „In welchem Zeitraum?“ oder „Nach welchem Zeitraum?“. Er übt die<br />
syntaktische Funktion eines Adverbiales aus.<br />
Prima luce Considius equo admisso ad Caesarem Im Morgengrauen galoppierte Considius zu Caesar.<br />
accurrit.<br />
[Gall.1,22,1]<br />
Caesar ipse Tarraconem paucis diebus pervenit.<br />
[civ.2,21,4]<br />
Diebus decem omni opere effecto exercitus<br />
traducitur.<br />
[Gall.4,18,1]<br />
Caesar selbst gelangte in wenigen Tagen nach<br />
Tarragona.<br />
Nachdem die ganze Brücke nach 10 Tagen fertig<br />
gestellt war, wurde das Heer hinübergeführt.<br />
• Präposition "in" bei Substantiven, die eigentlich keine Zeitbezeichnungen sind?<br />
ohne Attribut: ja mit Attribut: nein<br />
in pueritia in der Kindheit prima pueritia in früher Kindheit<br />
in senectute im Alter summa senectute im hohen Alter<br />
in bello im Krieg bello Persarum im Perserkrieg<br />
Ablativus loci und Lokativ<br />
Ein Ablativus loci bezeichnet einen Aufenthaltsort, indem er Antwort gibt auf die Frage „Wo?“. Er<br />
steht - präpositionslos - bei den meisten Stadtnamen, locus und totus. Syntaktisch fungiert er als<br />
Adverbiale oder Sinnträger.<br />
Adverbiale<br />
Graeci homines deorum honores tribuunt eis viris,<br />
qui tyrannos necaverunt – quae ego vidi Athenis,<br />
quae in aliis urbibus Graeciae.<br />
[Mil.80]<br />
Quintus Titurius Sabinus cum tanta multitudine<br />
hostium nisi aequo loco aut opportunitate aliqua<br />
data legato dimicandum (esse) non existimabat.<br />
[Gall.3,17,7]<br />
Erat Menippus meo iudicio tot? Asi? illis<br />
temporibus disertissimus.<br />
[Brut.315]<br />
Sinnträger<br />
Malo vel cum timore domi esse quam sine timore<br />
Athenis tuis.<br />
[fam.4,7,4]<br />
69<br />
Die Griechen ehren diejenigen wie Götter, die<br />
Tyrannen ermordet haben – das habe ich in Athen<br />
und in anderen Städten Griechenlands gesehen.<br />
Quintus Titurius Sabinus glaubte, dass er gegen<br />
eine solche feindliche Übermacht nur an einem<br />
günstigen Ort oder bei einer günstigen Gelegenheit<br />
kämpfen dürfe.<br />
Menippus war meines Erachtens in ganz Asien<br />
damals der redekundigste.<br />
Ich will sogar mit Angst lieber zu Haue sein als<br />
ohne Furcht in deinem Athen.
• Lokativformen<br />
Bei den Namen von Städten und kleinen Inseln im Singular der a- und o-Deklination blieb im<br />
Lateinischen eine eigene Lokativform erhalten, die in beiden Deklinationen dem Genitiv gleicht<br />
(Romae – in Rom, Corinthi – in Korinth, Cypri – in Zypern). Ebenso blieb der Lokativ in den<br />
Formen domi (zu Hause), ruri (auf dem Land) und humi (auf dem Boden) erhalten.<br />
• Präposition in?<br />
ja nein<br />
in der Regel in folgenden<br />
Spezialfällen:<br />
– locus in der eigentlichen Bedeutung Ort<br />
– Substantive mit dem Attribut totus (tota urbe)<br />
– Namen von Städten und kleinen Inseln (Romae,<br />
Corinthi; Athenis)<br />
– Lokativformen domi, humi, ruri<br />
Ablativ des örtlichen Ausgangspunkts<br />
Ein Ablativ des örtlichen Ausgangspunkts bezeichnet den Ausgangsort einer Bewegung, indem er<br />
Antwort gibt auf die Frage „Von welchem Ort?“. Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Multi iam menses erant et hiems praecipitaverat<br />
neque Brundisio naves legionesque ad Caesarem<br />
veniebant.<br />
[civ.3,25,1]<br />
Cum Tullius rure redierit, mittam eum ad te.<br />
[fam.5,20,9]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
Verben der Bewegung, des Verlassens und Vertreibens wie:<br />
arcere abhalten<br />
cedere weichen<br />
currere eilen<br />
deicere, depellere vertreiben<br />
egredi, excedere verlassen<br />
ire gehen<br />
movere bewegen<br />
proficisci aufbrechen<br />
venire kommen<br />
Schon waren viele Monate vorüber und der Winter<br />
war zu Ende gegangen, aber aus Brindisi kamen<br />
keine Schiffe und Legionen zu Caesar.<br />
Wenn Tullius vom Land zurückgekehrt ist, werde<br />
ich ihn zu dir schicken.<br />
Der örtliche Ausgangspunkt wird meistens durch<br />
die Präposition ab oder ex bezeichnet. Keine<br />
Präposition steht bei Eigennamen von Städten<br />
und kleinen Inseln (Rom?, Del?) sowie bei domo<br />
und rure, wenn diese kein Attribut bei sich haben<br />
(daher: ex Rom? urbe).<br />
Ablativus instrumenti<br />
Ein Ablativus instrumenti bezeichnet ein Mittel im eigentlichen oder übertragenen Sinn, indem er<br />
Antwort gibt auf die Frage „Womit oder wodurch?“. Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Helvetii operis munitione et militum concursu et<br />
telis repulsi hoc conatu destiterunt.<br />
[Gall.1,8,4]<br />
Magnitudo periculi summo timore P. Quinctium<br />
afficit.<br />
[Quinct.6]<br />
70<br />
Die Helvetier ließen von diesem Versuch ab, weil<br />
sie durch die Verteidigungsanlage, durch die<br />
massierten Truppen und Geschosse<br />
zurückgetrieben wurden.<br />
Die Größe der Gefahr versetzt Publius Quinctius in<br />
größte Angst.<br />
• Personen im Ablativus instrumenti<br />
Personen können im - präpositionslosen - Ablativus instrumenti stehen, wenn sie nur als Mittel<br />
aufgefasst werden (Geißeln, Sklaven, Soldaten, Wächter usw.).
Caesar ea legione, quam secum habebat,<br />
militibusque, qui ex provincia convenerant, murum<br />
fossamque perducit.<br />
[Gall.1,8,1]<br />
Caesar ließ durch diese Legion, die er mit sich<br />
führte, und durch die Soldaten, die aus der Provinz<br />
zusammen gekommen waren, einen Erdwall und<br />
einen Graben ziehen.<br />
Ablativus pretii<br />
Ein Ablativus pretii bezeichnet einen absoluten oder relativen Geldwert, indem er Antwort gibt auf<br />
die Frage „Wie teuer?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder einen Sinnträger.<br />
Adverbiale<br />
Ii, qui ab hoste obsidentur, emere aquae sextarium<br />
coguntur min?.<br />
[off.2,56]<br />
Caelius conduxit in Palatino non magno domum.<br />
[Cael.18]<br />
Sinnträger<br />
Modius fuit sestertiis duobus.<br />
[Verr.2,3,174]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Verben des Kaufens und Verkaufens wie:<br />
emere kaufen<br />
vendere verkaufen<br />
venire verkauft werden<br />
conducere mieten<br />
– esse, constare kosten<br />
Diejenigen, die vom Feind belagert werden, werden<br />
gezwungen, einen halben Liter Wasser für eine<br />
Mine (griechische Geldeinheit) zu kaufen.<br />
Caelius hat sich auf dem Palatin günstig ein Haus<br />
gemietet.<br />
Ein Scheffel kostete zwei Sesterzen.<br />
• Geldwert im Ablativus oder Genitivus pretii<br />
Zum Unterschied zwischen Ablativus und Genitivus pretii s. "Geldwert im Genitivus oder Ablativus<br />
pretii?".<br />
Ablativus mensurae<br />
Ein Ablativus mensurae bezeichnet ein Maß, indem er Antwort gibt auf die Frage „Um wie viel?“.<br />
Er verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Qua ex parte est Hibernia insula, dimidio minor, ut<br />
existimatur, quam Britannia.<br />
[Gall.5,13,2]<br />
Omnes sensus hominum multo antecellunt<br />
sensibus bestiarum.<br />
[nat.deor.2,145]<br />
Castra Cleopatrae non longo spatio a Ptolemaei<br />
castris distabant.<br />
[civ.3,103,2]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Adjektive und Adverbien im Komparativ<br />
– Verben mit komparativischer Bedeutung wie:<br />
praestare, superare, antecedere übertreffen<br />
71<br />
Auf dieser Seite liegt Irland, um die Häjfte kleiner,<br />
wie man annimmt, als Britannien.<br />
Alle Sinne der Menschen übertreffen weit die Sinne<br />
der Tiere.<br />
Das Lager Kleopatras war nur ein kurzes Stück von<br />
dem des Ptolemäus entfernt.
– Verben des räumlichen und zeitlichen Abstands wie:<br />
abesse, distare entfernt sein<br />
Ablativus respectus<br />
Ein Ablativus respectus („Ablativus limitationis“) bezeichnet einen Aspekt, indem er Antwort gibt<br />
auf die Frage „In welcher Hinsicht?“. Er verwirklicht ein Adverbiale oder ein Attribut.<br />
Adverbiale<br />
Helvetii reliquos Gallos virtute praecedunt, quod<br />
fere cotidianis proeliis cum Germanis contendunt.<br />
[Gall.1,4]<br />
Attribut<br />
Q. Maximum colere coepi non admodum grandem<br />
natu, sed tamen iam aetate provectum.<br />
[Cato 10]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Verben des Übertreffenns und Beurteilens wie:<br />
excellere, vincere übertreffen<br />
aequare, adaequare gleichkommen<br />
metiri bemessen<br />
iudicare, aestimare beurteilen<br />
– Adjektive und Partizipien<br />
Die Helvetier überragen die übrigen Gallier<br />
hinsichtlich ihrer Tapferkeit, weil sie fast täglich<br />
gegen die Germanen kämpfen.<br />
Ich begann Quintus Maximus nicht als ganz<br />
Hochbetagten zu verehren, aber doch schon im<br />
vorgerückten Alter.<br />
Ablativus modi<br />
Ein Ablativus modi bezeichnet die Art und Weise einer Handlung, indem er Antwort gibt auf die<br />
Frage „Wie?“. Er kann wörtlich oder mit Adverb übersetzt werden und verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Haec omnia summa cura et diligentia recognita et<br />
collata et ab hominibus honestissimis obsignata<br />
sunt.<br />
[Verr.2,2,190]<br />
Deinde L. Flaccus et C. Pomptinus praetores, quod<br />
eorum opera forti fidelique usus essem, merito et<br />
iure laudantur.<br />
[Cat.3,14]<br />
72<br />
All das wurde mit größter Sorgfalt und<br />
Gewissenhaftigkeit geprüft, verglichen und von<br />
sehr ehrenwerten Menschen versiegelt.<br />
Dann wurden die Prätoren Lucius Flaccus und<br />
Gaius Pomptinus ganz zu Recht gelobt, weil ich<br />
mich auf ihre mutige und zuverlässige Mitarbeit<br />
habe verlassen können.
• Präposition cum?<br />
nein bei folgenden Substantiven: möglich bei Substantiv mit<br />
Attribut<br />
iure zu Recht<br />
dolo listig<br />
casu zufällig<br />
sponte freiwillig<br />
silentio in der Stille<br />
vi gewaltsam<br />
iniuria zu Unrecht<br />
fraude betrügerisch<br />
voluntate willentlich<br />
specie unter dem Schein<br />
z.B. maximo gaudio oder<br />
maximo cum gaudio<br />
Ablativ der begleitenden Umstände<br />
ja bei Substantiv ohne Attribut<br />
z.B. cum sapientia<br />
Ein Ablativ der begleitenden Umstände bezeichnet als Adverbiale die Umstände, unter denen eine<br />
Handlung stattfindet. Er steht meistens mit Attribut und häufig mit cum.<br />
Hisce ominibus, Catilina, cum summa rei<br />
publicae salute, cum tua peste ac pernicie,<br />
proficiscere ad impium bellum!<br />
[Cat.1,33]<br />
Unter diesen Vorzeichen, Catilina, zieh aus in den<br />
verbrecherischen Krieg zum höchsten Wohl des<br />
Staates und zu deinem Unglück und Verderben.<br />
Ablativus causae<br />
Ein Ablativus causae bezeichnet einen Grund, indem er Antwort gibt auf die Frage „Warum?" oder<br />
"Worüber?". Der Grund kann ein innerer Beweggrund oder eine äußere Veranlassung sein.<br />
Syntaktisch übernimmt er meistens die Funktion eines Adverbiales, nach Verben der<br />
Gemütsbewegung (z.B. gaudere, dolere) aber - ebenso wie ein quod-Satz - die Funktion eines<br />
Objekts.<br />
Hoc se colle Galli fiducia loci continebant. Auf diesem Hügel hielten sich die Gallier im<br />
[Gall.7,19,2]<br />
His nuntiis litterisque commotus Caesar duas<br />
legiones in citeriore Gallia novas conscripsit.<br />
[Gall.2,1]<br />
Vertrauen auf den Ortsvorteil auf.<br />
Aufgrund dieser Nachrichten und Briefe ließ<br />
Caesar in Gallia citerior zwei neue Legionen<br />
ausheben..<br />
• Erläutertes Partizip Perfekt Passiv bleibt unübersetzt<br />
Häufig erläutert ein Ablativus causae formal ein Partizip Perfekt Passiv (motus, adductus, territus).<br />
Da es meistens weitgehend inhaltsleer ist, kann es gewöhnlich unübersetzt bleiben.<br />
Multo denique die per exploratores Caesar<br />
cognovit Considium timore perterritum, quod non<br />
vidisset, pro viso sibi renuntiasse.<br />
[Gall.1,22,4]<br />
73<br />
Schließlich erfuhr Caesar, als der Tag angebrochen<br />
war, durch Kundschafter, dass ihm Considius aus<br />
Angst als Gesehenes gemeldet habe, was er<br />
überhaupt nicht gesehen hatte.<br />
Appositives Adverbiale im Ablativ<br />
Ein Appositives Adverbiale im Ablativ sieht genau so aus wie eine Apposition, erläutert jedoch,<br />
z.B. durch ein kurzzeitig ausgeübtes Amt, nicht nur ein anderes Substantiv im Ablativ, sondern<br />
auch das Prädikat. Deshalb verwirklicht es ein attributives Adverbiale und wird meistens mit als<br />
übersetzt.
Qui nesciat te pridie Kalendas Ianuarias Lepido et<br />
Tullo consulibus stetisse in comitio cum telo?<br />
[Cat.15]<br />
Wer wüsste nicht, dass du im Konsulatsjahr des<br />
Lepidus und Tullus am Tag vor den Kalenden des<br />
Januar mit einer Waffe auf dem Komitium<br />
gestanden hast?<br />
Ablativus qualitatis<br />
Ein Ablativus qualitatis bezeichnet, stets zusammen mit einem Adjektiv-Attribut, eine Eigenschaft,<br />
indem er Antwort gibt auf die Frage „Von welcher Beschaffenheit?“. Er verwirklicht ein Attribut oder<br />
einen Sinnträger.<br />
Attribut<br />
Mnesarchus hos, quos nos oratores vocaremus,<br />
nihil esse dicebat nisi quosdam operarios lingu?<br />
celeri et exercitat?.<br />
[de orat.1,83]<br />
Sinnträger<br />
Lacedaemonius quidam, cum ad mortem duceretur,<br />
fuit vultu hilari atque laeto.<br />
[Tusc.1,100]<br />
Mnesarchus sagte, dass diejenigen, die wir Redner<br />
nennen würden, nichts als eine Art Handwerker mit<br />
schneller und geübter Zunge seien.<br />
Ein gewisser Spartaner war, obwohl er zur<br />
Hinrichtung gebracht wurde, heiter und fröhlich.<br />
• Eigenschaft im Ablativus und Genitivus qualitatis<br />
Zum Unterschied zwischen Ablativus und Genitivus s. "Eigenschaft im Genitivus oder Ablativus<br />
qualitatis?".<br />
Ablativus comparationis<br />
Ein Ablativus comparationis bezeichnet auf die Frage "Als wer oderwas?" eine Vergleichsgröße. Er<br />
steht als Attribut zu Adjektiven im Komparativ. Seine Bedeutung entspricht der von quam nach<br />
Komparativ (als).<br />
Nihil est virtute amabilius.<br />
Nichts ist liebenswerter als die Tugend.<br />
[Lael.28]<br />
Ablativ als Objekt<br />
Die Objekt-Funktion eines Ablativs ist deutlich schwerer zu erkennen als die eines Akkusativs,<br />
Dativs oder Genitivs. Dies liegt nicht nur daran, dass es den Ablativ im Deutschen nicht gibt (s.<br />
Einleitung zum Ablativ), sondern auch daran, dass selbst das deutsche Äquivalent (häufig eine<br />
Präposition mit Nomen) nicht immer eindeutig als Prädikatsergänzung oder Umstandbestimmung<br />
bestimmt werden kann. Für die Übersetzung sind solche Zweifelsfälle jedoch unerheblich.<br />
Orgetorix: Perfacile esse, cum virtute omnibus<br />
praestarent, totius Galliae imperio potiri.<br />
[Gall.1,2,2]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Deponentien:<br />
uti gebrauchen<br />
frui genießen<br />
fungi ausüben<br />
vesci sich ernähren<br />
potiri sich bemächtigen<br />
74<br />
Orgetorix sagte: Es sei sehr leicht sich der<br />
Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen, da<br />
sie an Tapferkeit alle überträfen.
– afficere<br />
Deutschen transitiven Verben entspricht häufig eine lateinische Umschreibung mit afficere<br />
aliquem aliqua re:<br />
afficere aliquem poena jdn. bestrafen<br />
afficere aliquem exilio jdn. verbannen<br />
afficere aliquem supplicio jdn hinrichten<br />
– Verben des Vollseins und Anfüllens ("Abl. copiae"):<br />
abundare<br />
augere<br />
complere, explere<br />
onerare<br />
Überfluss haben an<br />
überhäufen mit<br />
anfüllen<br />
beladen mit<br />
Der Grenze zwischen (inhaltsleerem) Objekt und<br />
(instrumentalem) Adverbiale ist in diesem Fall<br />
besonders unscharf.<br />
– Verben des Nichthabens, Trennens und Beraubens ("Abl. separativus"):<br />
carere nicht haben<br />
egere nötig haben<br />
se abdicare ein Amt niederlagen<br />
exuere, spoliare, berauben<br />
Eine Präposition muss stehen, wenn der Ablativ<br />
privare, orbare<br />
eine Person bezeichnet, und kann stehen, wenn<br />
desistere ablassen<br />
der Ablativ eine Sache bezeichnet. Immer steht<br />
levare erleichtern um<br />
die Präposition bei den mit dis- und se-<br />
liberare befreien<br />
zusammengesetzten Komposita.<br />
nudare entblößen<br />
solvere lösen<br />
vacare frei sein<br />
– nasci und die Partizipien natus und ortus ("Abl. originis"):<br />
Parente P. Sestius natus est, iudices, homine et<br />
sapiente et sancto et severo.<br />
[Sest.6]<br />
Archias Antiochiae natus est loco nobili.<br />
[Arch.4]<br />
Von einem weisen, erhabenen und strengen Mann,<br />
ihr Richter, als Vater stammt Publius Sestius.<br />
Archias stammt aus Antiochien von einer<br />
vornehmen Familie..<br />
Ablativ-Apposition<br />
Meistens bildet ein Gattungsname, der ein anderes Substantiv im Ablativ erläutert, die Apposition<br />
(Attribut).<br />
Undique loci natura Helvetii continentur: una ex<br />
parte flumine Rheno latissimo atque altissimo,<br />
altera ex parte monte Iura altissimo, terti? lacu<br />
Lemanno et flumine Rhodano.<br />
[Gall.1,2,3]<br />
Von allen Seiten werden die Helvetier durch die<br />
Lage ihres Wohnsitzes eingeengt: auf der einen<br />
Seite durch den sehr breiten und tiefen Rhein, auf<br />
der anderen Seite durch das sehr hohe<br />
Jura-Gebirge und auf der dritten Seite durch den<br />
Genfer See und die Rhone.<br />
Ablativ der Adjektiverläuterung<br />
Bei Adjektiven der Fülle und des Mangels kann ein Substantiv im Ablativ als Attribut stehen.<br />
Animus perturbationibus vacuus homines beatos<br />
efficit.<br />
[Tusc.4,38]<br />
75<br />
Ein von Leidenschaften freier Geist macht die<br />
Menschen glücklich.
• Erläuterte Wörter<br />
– Adjektiven der Fülle und des Mangels wie:<br />
plenus/a/um voll<br />
dignus/a/um würdig<br />
vacuus/a/um leer<br />
liber/era/erum frei<br />
nudus/a/um entblößt<br />
inanis/e leer<br />
orbus/a/um beraubt<br />
inops arm an<br />
76<br />
Wenn der Ablativ eine Person nennt, steht die<br />
Präposition ab, wenn er eine Sache nennt, steht<br />
entweder der bloße Ablativ oder ab/ex.
Das lateinische und das deutsche Adjektiv gleichen sich in ihrer Verwendung. Ein Adjektiv erläutert<br />
meistens ausschließlich sein formales Bezugsnomen (Attribut), es kann aber auch zusätzlich das<br />
Prädikat erläutern (attributives Adverbiale) oder Teil des Prädikats sein (Sinnträger). Adjektive (und<br />
Substantive, aber nicht Partizipien und Gerundiva), die die syntaktische Funktion eines attributiven<br />
Adverbiales ausüben, werden auch "Prädikativa" genannt.<br />
Wie im Deutschen kann auch im Lateinischen ein Adjektiv substantiviert gebraucht werden und<br />
dann alle syntaktischen Funktionen eines Substantivs ausüben. Allerdings ist ein substantiviertes<br />
Adjektiv im Lateinischen schwerer zu erkennen als im Deutschen, da man es nicht groß schreibt<br />
und da es keine Artikel im Lateinischen gibt.<br />
Komparativ<br />
Der Komparativ bezeichnet eine Über- oder Unterlegenheit, wenn eine Vergleichsgröße genannt<br />
ist. Wo kein expliziter Bezug steht, ist er entweder aus dem Kontext leicht zu ergänzen (wörtliche<br />
Übersetzung des Komparativs möglich) oder besteht im gewöhnlichen Maß (Übersetzung des<br />
Komparativs in diesem Fall mit ziemlich oder zu).<br />
Locutus est Diviciacus: Peius victoribus Sequanis<br />
quam Haeduis victis accidisse, propterea quod<br />
Ariovistus, rex Germanorum, in eorum finibus<br />
consedisse.<br />
[Gall.1,31,10]<br />
Locutus est Diviciacus: Caesarem deterrere posse,<br />
ne maior multitudo Germanorum Rhenum<br />
traducatur.<br />
[Gall.1,31,16]<br />
Senectus est natur? loquacior.<br />
[Cato 55]<br />
Es sprach Diviciacus: Schlimmeres sei den<br />
siegreichen Sequanern als den besiegten Häduern<br />
zugestoßen, weil Ariovist, der König der<br />
Germanen, sich in ihrem Gebiet niedergelassen<br />
habe.<br />
Es sprach Diviciacus: Caesar könne verhindern,<br />
dass eine noch größere Menge an Germanen über<br />
den Rhein geführt werde.<br />
Im Alter ist man von Natur aus ziemlich<br />
geschwätzig.<br />
Superlativ<br />
Der Superlativ bezeichnet bei explizitem oder implizitem Vergleich eine Höchststufe (eigentlicher<br />
Superlativ). Ohne Vergleichsgedanke nennt er eine Eigenschaft, die besonders stark ausgeprägt<br />
ist („Elativ“; Übersetzung mit sehr oder bildhaftem Ausdruck).<br />
Apud Helvetios longe nobilissimus fuit et<br />
ditissimus Orgetorix.<br />
[Gall.1,2,1]<br />
Saepibus densissimis interiectis prospectus<br />
impeditus est.<br />
[Gall.2,22,1]<br />
77<br />
Bei den Helvetiern war Orgetorix bei weitem der<br />
vornehmste und reichste.<br />
Da sehr dichter Bewuchs dazwischen lag, wurde<br />
die Sicht behindert.
Übersicht: Adjektiv<br />
ohne bestimmte Sinnrichtung mit bestimmter Sinnrichtung<br />
Adjektiv als Attribut<br />
nennt ausschließlich eine Eigenschaft seines<br />
formalen Bezugsworts<br />
Adjektiv als attributives Adverbiale<br />
(Prädikativum)<br />
Übersetzung mit Adverb oder Präpositionalgefüge<br />
Adjektiv als Sinnträger<br />
im Nominativ und im Akkusativ<br />
Substantiviertes Adjektiv<br />
besonders häufig im Neutrum Plural<br />
Adjektiv als Attribut<br />
Ein Adjektiv, das ausschließlich eine Eigenschaft seines formalen Bezugsworts nennt, verwirklicht<br />
ein Attribut. Gewöhnlich handelt es sich um eine dauernde Eigenschaft.<br />
Attribut<br />
A Te<br />
A te aquila illa argentea praemissa est.<br />
Von dir wurde der berühmte silberne Adler<br />
vorausgeschickt.<br />
[Cat.1,24]<br />
aquila illa<br />
argentea praemissa est.<br />
Adjektiv als attributives Adverbiale („Prädikativum“)<br />
Ein Adjektiv, das zugleich sein formales Bezugswort und das Prädikat erläutert, verwirklicht ein<br />
attributives Adverbiale („Prädikativum“). Im Deutschen wird es meistens mit Adverb oder<br />
Präpositionalgefüge wiedergegeben. Prosaschriftsteller verwenden besonders Adjektive des<br />
körperlichen und geistigen Zustands sowie des Ortes, der Zeit und der Zahl in dieser Weise,<br />
Dichter auch andere Adjektive:<br />
– Adjektiv des körperlichen und geistigen Zustands:<br />
Est hoc Gallicae consuetudinis, uti et viatores<br />
etiam invitos consistere cogant et, quod<br />
quisque eorum de quaque re audierit aut<br />
cognoverit, quaerant.<br />
[Gall.1,5,2]<br />
– Adjektiv des Ortes:<br />
Ipse in colle medio triplicem aciem instruxit; in<br />
summo iugo duas legiones et omnia auxilia<br />
conlocavit.<br />
[Gall.1,24]<br />
78<br />
Dies ist eine Eigentümlichkeit der gallischen<br />
Lebensweise, dass sie Reisende zwingen sogar<br />
gegen ihren Willen anzuhalten und sie fragen,<br />
was ein jeder von ihnen über jede Sache gehört<br />
oder in Erfahrung gebracht hat.<br />
Er selbst richtete auf halber Höhe des Hügels eine<br />
dreifach gestaffelte Schlachtreihe ein. Ganz oben<br />
auf dem Bergrücken stellte er zwei Legionen und<br />
alle Hilfstruppen auf.
– beliebiges Adjektiv (bei Dichtern):<br />
Si quis artem amandi non novit, hoc legat et<br />
lecto carmine doctus amet.<br />
[Ov.ars 1,1f]<br />
Attributives Adverbiale<br />
Galli laeti ad castra pergunt.<br />
Die Gallier zogen freudig zum Lager.<br />
[Gall.3,18,8]<br />
Wenn jemand die Kunst des Liebens nicht kennt,<br />
soll er dies lesen und nach der Lektüre des<br />
Gedichts mit Verstand lieben.<br />
Galli<br />
laeti<br />
ad castra<br />
Adjektiv als Sinnträger<br />
pergunt.<br />
Ein Adjektiv, das zusammen mit einem Hilfs- oder Vollverb ein Prädikat bildet, verwirklicht einen<br />
Sinnträger:<br />
– zusammen mit einem Hilfsverb:<br />
Caesar paucis post diebus fit ab Ubiis certior<br />
Suebos omnes in unum locum copias cogere.<br />
[Gall.6,10,1]<br />
– zusammen mit einem Vollverb:<br />
Graeciae sicut apud nos delubra magnifica<br />
humanis consecrata sunt simulacris, quae<br />
Persae nefaria putaverunt.>/div><br />
[rep.3,14]<br />
Sinnträger<br />
Apud Helvetios longe nobilissimus fuit Orgetorix.<br />
Bei den Helvetiern war Orgetorix der bei weitem<br />
berühmteste.<br />
[Gall.1,2,1]<br />
79<br />
Caesar erhielt wenige Tage später von den Ubiern<br />
die Nachricht, dass die Sueben alle ihre Truppen<br />
an einem Ort zusammenzogen.<br />
Großartige Tempel Griechenlands wurden wie bei<br />
uns Götterbildern mit menschlichem Aussehen<br />
geweiht, was die Perser für gottlos hielten.<br />
Apud Helvetios<br />
Orgetorix<br />
Substantiviertes Adjektiv<br />
longe nobilissimus<br />
fuit<br />
Substantiviert wird ein Adjektiv besonders häufig im Neutrum Plural verwendet. Es kann dann mit<br />
Dinge oder Singular übersetzt werden. Substantiviert kann ein Adjektiv die gleichen syntaktischen<br />
Funktionen wie ein Substantiv ausüben.
Substantiviertes Adjektiv (z.B. als Objekt)<br />
Ariovistus ad postulata Caesaris pauca<br />
respondit.<br />
Ariovist sagte zu den Forderungen Caesars nur<br />
wenig.<br />
[Gall.1,44,1]<br />
Ariovistus<br />
ad postulata Caesaris<br />
pauca<br />
respondit.<br />
• Adjektiv ohne Bezugswort<br />
Ein Adjektiv kann aus zwei Gründen ohne Bezugswort stehen: Entweder ist es substantiviert<br />
gebraucht oder es bezieht sich – als Sinnträger oder als attributives Adverbiale – auf das<br />
inhaltliche Subjekt des Satzes, das lediglich durch die Endung des Prädikats angedeutet ist:<br />
– substantiviertes Adjektiv:<br />
Ille Tarquinius, quem maiores nostri non Jener Tarquinius, den unsere Vorfahren nicht<br />
tulerunt, non crudelis, non impius, sed ertrugen, wurde nicht für grausam und gottlos,<br />
superbus est habitus et dictus.<br />
sondern für hochmütig gehalten und als solcher<br />
[Phil.3,9]<br />
bezeichnet.<br />
– Bezug auf das Subjekt, das lediglich durch die Endung des Prädikats angedeutet ist:<br />
Si tibi non graves sumus, refer ad illa te, quae<br />
ad ipsius orationis laudem splendoremque<br />
pertinent.<br />
[de orat.3,145]<br />
Ego, quod invitus ac necessario facio, neque<br />
diu neque diligenter facere possum.<br />
[S.Rosc.123]<br />
80<br />
Wenn wir dir nicht lästig sind, wende dich jenen<br />
Fragen zu, die Ruhm und Glanz der Rede selbst<br />
betreffen.<br />
Ich kann, was ich nur ungern und<br />
gezwungenermaßen tue, weder lange noch<br />
sorgfältig tun.
Im Lateinischen verwendet man ein Pronomen wie im Deutschen, wenn man die Wiederholung<br />
eines Nomens vermeiden will (Personal-, Possessiv- und manche Demonstrativpronomina), wenn<br />
man ein Nomen erläutern möchte (Relativ- und manche Demonstrativpronomina) oder wenn man<br />
ein Pronomen nicht genau bestimmen kann oder will (Interrogativ- und Indefinitpronomina). Da ein<br />
Pronomen – wie der Name sagt – anstatt eines Nomens steht, sind seine syntaktischen<br />
Funktionen fast so zahlreich wie die eines Substantivs und Adjektivs. Es kann allerdings nie die<br />
Rolle eines attributiven Adverbiales übernehmen.<br />
Personalpronomen<br />
Ein Personalpronomen verweist auf eine Person und wird deshalb nur substantivisch gebraucht.<br />
Da im Lateinischen das Prädikat allein mit seiner Endung das Subjekt bezeichnen kann, steht das<br />
lateinische Personalpronomen viel seltener als das deutsche. Als Subjekt erscheint es nur zur<br />
Betonung oder Kontrastierung mit anderen Personen.<br />
Nos, nos, dico aperte, consules desumus. Wir, wir – ich sage es offen – die Konsuln sind<br />
[Cat.1,3]<br />
Dixi ego idem in senatu caedem te optumatium<br />
contulisse in ante diem V Kalendas Novembris.<br />
[Cat.1,7]<br />
ego;<br />
nos<br />
säumig.<br />
Ich habe im Senat auch vorausgesagt, dass du die<br />
Ermordung der Optimaten auf den 28. Oktober<br />
gelegt habest.<br />
Personalpronomen<br />
1. Person 2. Person 3. Person<br />
tu;<br />
vos<br />
is, ea, id;<br />
ei, eae, ea<br />
nicht reflexiv reflexiv<br />
sui, sibi, se, se;<br />
sui, sibi, se, se<br />
• Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Personalpronomens<br />
Die Form des Personalpronomens der 3. Person hängt im Deutschen und im Lateinischen nicht<br />
nur von Kasus, Numerus und Genus ab, sondern auch vom Verhältnis des Personalpronomens<br />
zum Subjekt:<br />
– Direkte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des Satzes oder dem Subjektsakkusativ<br />
Wenn in einem Haupt- oder Nebensatzes die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person<br />
identisch ist mit dem Subjekt des Satzes, in dem das Personalpronomen steht, muss im<br />
Lateinischen und Deutschen das reflexive Personalpronomen verwendet werden.<br />
Wenn in einem AcI die mit dem Personalpronomen bezeichnete Person identisch ist mit dem<br />
Subjekt, steht im Lateinischen das reflexive Personalpronomen, im deutschen dass-Satz<br />
dagegen das nichtreflexive Personalpronomen.<br />
Ein reflexives Personalpronomen kann in einem AcI auch deshalb stehen, weil ein Pronomen<br />
mit dem Binnensubjekt identisch ist.<br />
Orgetorix per eos, ne causam diceret, se<br />
eripuit.<br />
[Gall.1,4,2]<br />
81<br />
Orgetorix entzog sich durch sie einer Aussage vor<br />
Gericht.
Caesar negat se more et exemplo populi<br />
Romani posse iter ulli per provinciam dare.<br />
[Gall.1,8,3]<br />
Ego, patres conscripti, memoria teneo Q.<br />
Scaevolam augurem cotidie facere omnibus<br />
potestatem conveniendi sui.<br />
[Phil.8,31]<br />
Caesar sagte, er könne aufgrund der traditionellen<br />
Verhaltensweise des römischen Volkes niemandem<br />
die Durchreise durch die Provinz gestatten.<br />
Ich, ihr Senatoren, erinnere mich, dass der Augur<br />
Q. Scaevola allen die Möglichkeit einräumte ihn zu<br />
treffen.<br />
– Direkte Reflexivität bei Identität mit dem logischen Subjekt ("man")<br />
Das reflexive Personalpronomen kann im Lateinischen und Deutschen auch dann verwendet<br />
werden, wenn die vom Personalpronomen bezeichnete Person zwar nicht mit dem<br />
grammatischen Subjekt, aber mit dem sinngemäßen Hauptakteur („logisches Subjekt“)<br />
identisch ist.<br />
Quod sibi petitur, certe alteri non exigitur.<br />
[Q.Rosc.52]<br />
Was man für sich fordert, treibt man sicher nicht für<br />
den anderen ein.<br />
Indirekte Reflexivität bei Identität mit dem Subjekt des innerlich abhängigen übergeordneten<br />
Satzes<br />
Das reflexive Personalpronomen steht im Lateinischen auch dann, wenn ein<br />
Personalpronomen in einem innerlich abhängigen Nebensatz mit dem Subjekt des<br />
übergeordneten Satzes identisch ist.<br />
Cassius constituit, ut ludi absente se fierent<br />
suo nomine.<br />
[Att.15,11,2]<br />
Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit<br />
Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.<br />
Reflexive Pronomina in einem AcI oder innerlich abhängigen Nebensatz können sich also auf den<br />
Subjektsakkusativ bzw. das Subjekt des Nebensatzes oder auf das übergeordnete Subjekt<br />
beziehen. Um Missverständnisse zu vermeiden, steht manchmal anstelle eines indirekt reflexiven<br />
Personalpronomens ipse.<br />
Ariovistus ad Caesarem legatos mittit, uti ex suis<br />
legatis aliquem ad se mitteret.<br />
[Gall.1,47,1]<br />
Caesar centuriones vehementer incusavit: Quid<br />
tandem vererentur aut cur de sua virtute aut de<br />
ipsius diligentia desperarent.<br />
[Gall.1,40,4]<br />
Ariovist schickte Gesandte zu Caesar, damit er<br />
einen seiner (dir.) Legaten zu ihm (ind.) schicke.<br />
Caesar machte den Zenturionen schwere Vorwürfe:<br />
Wovor sie denn Angst hätten oder warum sie an<br />
ihrer Tapferkeit oder seiner Umsicht zweifelten.<br />
• Die Genitive nostrum und vestrum<br />
Die Genitive nostrum und vestrum (Kurzformen für nostrorum und vestrorum) werden dann<br />
verwendet, wenn der Genitiv die semantische Funktion eines Substantivs im Genitiv hat.<br />
Catilina notat et designat oculis ad caedem<br />
unumquemque nostrum.<br />
[Cat.1,2]<br />
Catilina weiht mit seinem Blick einen jeden von<br />
uns dem Tod.<br />
• Is,ea,id als Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens und als<br />
Demonstrativpronomen<br />
Zu is,ea,id in anderen Rollen als der eines Personalpronomens s. die Kapitel Possessivpronomen<br />
und Demonstrativpronomen.<br />
• Reflexive Pronomina in indirekter Rede<br />
Da die Haupt- und Nebensätze der indirekten Rede vom Prädikat des einleitenden Satzes<br />
innerlich abhängig sind, herrscht in ihnen indirekte Reflexivität, d.h. bei Bezug auf das Subjekt des<br />
einleitenden Satzes stehen reflexive Personal- und Possessivpronomina.<br />
direkte<br />
Rede:<br />
82<br />
"Eo minus dubitationis mihi datur, quod<br />
eas res, quas commemoravisti, memoria<br />
teneo."<br />
"Für mich besteht (gerade) deshalb weniger<br />
Zweifel, weil ich diese Ereignisse, die ihr erwähnt<br />
habt, (durchaus) kenne."
indirekte<br />
Rede:<br />
Caesar ita respondit:<br />
Eo sibi minus dubitationis dari, quod<br />
eas res, quas legati Helvetiii<br />
commemorassent, memoria teneret.<br />
[Gall.1,14,1]<br />
Caesar antwortete so:<br />
Für ihn bestehe (gerade) deshalb um so weniger<br />
Zweifel, weil er diese Ereignisse, die die<br />
helvetischen Gesandten erwähnt hätten,<br />
(durchaus) kenne.<br />
Zum Konjunktiv in indirekter Rede s. "Konjunktiv in indirekter Rede" und zum AcI s. "AcI in<br />
indirekter Rede".<br />
Possessivpronomen<br />
Ein Possessivpronomen wird gewöhnlich adjektivisch gebraucht, es kann aber auch wie ein<br />
Adjektiv substantivisch verwendet werden. Es bezeichnet einen Besitzer im eigentlichen oder<br />
übertragenen Sinn.<br />
Sensistine Praeneste meo iussu meis praesidiis,<br />
custodiis, vigiliis esse munitam?<br />
[Cat.1,8].<br />
Suum cuique. Jedem das Seine.<br />
Hast du bemerkt, dass Praeneste auf meinen<br />
Befehl hin von meinen Wachtposten, Aufpassern<br />
und Nachtwachen geschützt wurde?<br />
Possessivpronomen<br />
1. Person 2. Person 3. Person<br />
meus, mea, meum;<br />
noster, nostra, nostrum<br />
tuus, tua, tuum;<br />
vester, vestra, vestrum<br />
nicht reflexiv reflexiv<br />
eius;<br />
eorum, earum, eorum<br />
suus, sua, suum;<br />
suus, sua, suum<br />
• Reflexivität und Nichtreflexivität in der 3. Person des Possessivpronomens<br />
Im Lateinischen muss – anders als im Deutschen – auch beim Possessivpronomen der 3. Person<br />
das Verhältnis des Pronomens zum Subjekt beachtet werden. Es gelten die gleichen Regeln wie<br />
beim Personalpronomen:<br />
– Direkte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des Satzes oder den Subjektsakkusativ<br />
Orgetorix confirmat se suis copiis suoque Orgetorix versicherte, dass er mit seinen Truppen<br />
exercitu illis regnum conciliaturum (esse). und seinem Heer jenen Königreiche verschaffen<br />
[Gall.1,3,7]<br />
werde.<br />
Helvetios in fines suos reverti iussit.<br />
Caesar befahl, dass die Helvetier in ihr Gebiet<br />
[Gall.1,28,3]<br />
zurück zogen.<br />
– Direkte Reflexivität bei Bezug auf das logische Subjekt oder Betonung der Zugehörigkeit<br />
("sein eigener")<br />
Caesar Fabium cum sua legione remittit in<br />
hiberna.<br />
[Gall.5,53,3]<br />
83<br />
Caesar schickte Fabius mit seiner eigenen (also<br />
der des Fabius) Legion ins Winterlager.<br />
– Indirekte Reflexivität bei Bezug auf das Subjekt des innerlich abhängigen<br />
übergeord-neten Satzes<br />
Cassius constituit, ut ludi absente se fierent suo Cassius beschloss, dass trotz seiner Abwesenheit<br />
nomine.<br />
Spiele in seinem Namen stattfinden sollten.<br />
[Att.15,11,2]
• Is,ea,id als Personalpronomen und als Demonstrativpronomen<br />
Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Demonstrativpronomen s. die Kapitel Personalpronomen<br />
und Demonstrativpronomen.<br />
Demonstrativpronomen<br />
Demonstrativpronomina können sowohl substantivisch als auch adjektivisch gebraucht werden.<br />
Quo etiam maiore sunt isti odio supplicioque<br />
digni, qui deorum templis atque delubris sunt<br />
funestos ac nefarios ignes inferre conati.<br />
[Cat.3,22]<br />
Quam diu etiam furor iste tuus nos eludet?<br />
[Cat. 1,1]<br />
Desto größere Verachtung und Bestrafung verdienen<br />
diese Typen, die versucht haben, an die Tempel und<br />
Heiligtümer der Götter ganz unsägliches Feuer zu<br />
legen.<br />
Wie lange denn noch wird uns dieser dein Wahnsinn<br />
zum Narren halten?<br />
Demonstrativpronomen<br />
hic, haec, hoc dieser, mein/unser, folgender<br />
is, ea, id<br />
iste, ista, istud<br />
ille, illa, illud<br />
bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher örtlich oder zeitlich<br />
nahe steht oder liegt.<br />
Da mihi hunc librum! Gib mir dieses Buch!<br />
Diligimus hanc urbem. Wir lieben unsere Stadt.<br />
Caesar haec locutus est: … Caesar sagte Folgendes: …<br />
dieser<br />
hat die gleichen semantischen Funktionen wie hic,haec,hoc. (Zu seinen<br />
Funktionen als nichtreflexives Personalpronomen und Possessivpronomen<br />
der 3. Person s. u.).<br />
Da mihi eum librum! Gib mir dieses Buch!<br />
der da<br />
bezeichnet – häufig mit abwertendem Sinn – eine Person oder Sache, die<br />
dem Angesprochenen örtlich oder zeitlich nahe liegt.<br />
Ista subsellia vacua sunt. Die Bänke in deiner Nähe sind leer.<br />
Iste mihi maledixit. Der Schuft da hat mich beleidigt.<br />
jener, der bekannte<br />
84<br />
bezeichnet eine Person oder Sache, die dem Sprecher fern liegt. Diese<br />
Ferne kann z.B. durch das Alter, den Ruhm, aber auch nur formal durch die<br />
Position des Bezugswortes im vorausgehenden Satz bedingt sein.<br />
Illis temporibus mores maiorum<br />
vigebant.<br />
In jenen Zeiten hatten die Sitten der<br />
Vorfahren große Bedeutung.<br />
Illum Ciceronem in exilium miserunt. Den berühmten Cicero haben sie in<br />
das Exil geschickt.<br />
Hannibal et Scipio praeclari sunt: hic<br />
Romanus, ille Poenus natione.<br />
Hannibal und Scipio sind<br />
weltberühmt: der letzgenannte war<br />
Römer, der erstgenannte Punier.
idem, eadem, idem<br />
ipse, ipsa, ipsum<br />
derselbe<br />
weist auf eine bereits genannte Person oder Sache hin, um eine<br />
gleichartige oder gegensätzliche Aussage hinzuzufügen.<br />
Cicero disertus fuit idemque doctus. Cicero war beredt und zugleich/<br />
auch gebildet<br />
Quidam student rebus obscuris et<br />
eisdem non necessariis.<br />
selbst, persönlich, schon, genau<br />
Manche bemühen sich um<br />
geheimnisvolle, aber unnötige<br />
Dinge.<br />
bezeichnet eine Person oder Sache, die der Sprecher hervorheben möchte.<br />
Ipse dixit. Er hat es selbst/persönlich gesagt.<br />
Ipsa spes homines adiuvat. Schon die Hoffnung hilft den<br />
Menschen.<br />
Ipsos decem dies afuit. Sie ist genau zehn Tage lang<br />
weggewesen.<br />
• Ipse,ipsa,ipsum bei inhaltlicher Identität von Subjekt und Objekt auf das Subjekt<br />
bezogen<br />
Um das Subjekt besonders zu betonen, bezieht sich ipse,ipsa,ipsum manchmal auch dann formal<br />
auf das Subjekt, wenn es nach dem deutschen Sprachgefühl auf das Objekt bezogen sein müsste.<br />
Non potest exercitum is continere imperator, qui<br />
se ipse non continet.<br />
[Manil.38]<br />
Nicht im Griff haben kann sein Heer ein solcher<br />
Feldherr, der sich selbst nicht im Griff hat.<br />
• Is,ea,id als Personalpronomen und als Ersatzform eines nichtreflexiven<br />
Possessivpronomens<br />
Zu is,ea,id als Personalpronomen oder Ersatzform eines nichtreflexiven Possessivpronomens s.<br />
die Kapitel Personalpronomen und Possessivpronomen.<br />
Relativpronomen<br />
Ein Relativpronomen kongruiert in Genus und Numerus wie ein Adjektiv mit einem Bezugswort, ist<br />
in seinem Kasus aber von der Konstruktion des Relativsatzes abhängig. Es knüpft eine Beziehung<br />
zum übergeordneten Satz (s. dazu Der Relativsatz).<br />
Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum<br />
unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam<br />
Celtae.<br />
[Gall.1,1,1]<br />
85<br />
Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt, von<br />
welchen den einen die Belger, den anderen die<br />
Aquitaner und den dritten die Kelten bewohnen.
Relativpronomen<br />
qui, quae, quod welcher, welche, welches,<br />
der, die, das,<br />
wer, was (bei fehlendem Bezugswort)<br />
quicumque, quaecumque, quodcumque wer auch immer, welche auch immer, was auch<br />
immer<br />
quisquis, quidquid (nur im Nom.) jeder,der / alles,was<br />
• Quocum, quacum und quibuscum<br />
Die Präposition cum steht gewöhnlich hinter dem Ablativ des Relativpronomens und wird mit<br />
diesem zusammengeschrieben.<br />
• Relativischer Satzanschluss<br />
Beim „relativischen Satzanschluss“ knüpft das Relativpronomen keine Beziehung zu einem<br />
übergeordneten, sondern zu einem gleichgeordneten Satz. In diesem Fall wird das<br />
Relativpronomen mit Demonstrativ- oder Personalpronomen übersetzt.<br />
Pater Oppianici Cluentium suo testimonio<br />
sublevat. Quod recita!<br />
[Cluent.168]<br />
Der Vater des Oppianicus entlastet den Cluentius<br />
durch sein Zeugnis. Lies es vor!<br />
Häufige relativische Satzanschlüsse:<br />
qua re deshalb quodsi wenn aber/nun/also<br />
quam ob rem deshalb<br />
quae cum ita sint unter diesen<br />
Umstän-den<br />
qua de causa deshalb quibus rebus gestis darauf<br />
quapropter deshalb quibus rebus cognitis auf diese Kunde<br />
Interrogativpronomen<br />
Interrogativpronomina unterscheiden sich bei substantivischem und adjektivischem Gebrauch<br />
teilweise in ihren Formen. Mit ihnen kann am Anfang eines Haupt- oder Nebensatzes eine Person<br />
oder Sache erfragt werden (s. dazu „Der abhängige Fragesatz“).<br />
Quis te ex hac tanta frequentia totque tuis amicis<br />
ac necessariis salutavit?<br />
[Cat.1,16]<br />
Qui locus ingenium patroni requirit aut oratoris<br />
eloquentiam magno opere desiderat?<br />
[S.Rosc.34]<br />
86<br />
Wer von dieser so großen Menge und deinen so<br />
vielen Freunden und Bekannten hat dich gegrüßt?<br />
Welcher Anklagepunkt erfordert (überhaupt) das<br />
Talent eines Anwalts oder verlangt in besonderer<br />
Weise die Fähigkeit eines Redners?
Interrogativpronomen<br />
quis, quid wer, was<br />
qui, quae, quod welcher, welche, welches<br />
uter, utra, utrum wer von beiden<br />
qualis, quale wie beschaffen<br />
quantus, quanta, quantum wie groß<br />
• Quis statt qui für die Frage nach dem Namen<br />
Statt qui wird gewöhnlich quis adjektivisch neben Personenbezeichnungen verwendet, wenn nach<br />
dem Namen einer Person gefragt wird. Bei der Frage nach der Beschaffenheit einer Person steht<br />
erwartungsgemäß qui.<br />
Quis tota Italia veneficus, quis gladiator, quis<br />
latro, quis sicarius, quis parricida inveniri<br />
potest, qui se cum Catilina non familiarissime<br />
vixisse fateatur?<br />
[Cat.2,7]<br />
Welchen Giftmischer kann man in ganz Italien<br />
finden, welchen Gladiator, welchen Räuber,<br />
welchen Halsabschneider oder welchen Mörder,<br />
der nicht offen bekennt, dass er mit Catilina sehr eng<br />
zusammengelebt hat?<br />
Indefinitpronomen<br />
Indefinitpronomina beziehen sich auf eine Einzelperson oder auf eine Gruppe. Wenn sie sich auf<br />
eine Einzelperson beziehen, sind sie entweder deshalb unbestimmt, weil der Sprecher die<br />
gemeinte Person nicht nennen will (Ein gewisser Schüler hat bei dieser Klassenarbeit eine<br />
schlechte Note geschrieben.) oder nicht nennen kann (Irgendein Schüler hat vor meinem<br />
Eintreffen die Tafel bekritzelt.). Auf eine Gruppe bezogen ist entweder „jeder“ oder „keiner“ in der<br />
Gruppe gemeint.<br />
Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen zwischen adjektivischem und substantivischem<br />
Gebrauch der Indefinitpronomina unterschieden:<br />
– adjektivisch<br />
Quis enim umquam litteras ad se ab amico<br />
missas offensione aliqua interposita palam<br />
recitavit?<br />
[Phil.2,7]<br />
– substantivisch<br />
Metuit Antonius, ne suorum aliquis a<br />
Cyda, Lysiade, Curio condemnetur?<br />
[Phil.8,27]<br />
87<br />
Wer hat denn jemals einen Brief, der ihm von<br />
seinem Freund geschickt wurde, öffentlich<br />
vorgelesen, nur weil irgendeine Kränkung zwischen<br />
sie getreten war?<br />
Fürchtet Antonius, dass irgendeiner seiner Leute von<br />
Cydas, Lysiades oder Curius verurteilt wird?
Indefinitpronomen<br />
adjektivisch substantivisch<br />
E i n z e l p e r s o n<br />
ein gewisser, ein jemand, etwas<br />
quidam, quaedam, quoddam quidam, quaedam, quiddam<br />
irgendein irgendjemand<br />
In Sätzen mit bejahtem Sinn: aliqui, aliqua, aliquod aliquis, aliqua, aliquid<br />
In Sätzen mit verneintem<br />
Sinn:<br />
Nach einem Stützwort wie<br />
ne, si, nisi, num, quo,<br />
quando, ubi, cum:<br />
Nach Reflexiv-, Relativ- und<br />
Interrogativpronomen,<br />
Superlativ und Ordnungszahl<br />
als Stützwort:<br />
ullus, ulla, ullum quisquam, quidquam<br />
qui, quae/qua, quod quis, quae/qua, quid<br />
G r u p p e<br />
unusquisque, unaquaeque,<br />
unumquodque<br />
jeder jeder<br />
unusquisque, unaquaeque,<br />
unumquidque<br />
quisque, quaeque, quodque quisque, quaeque, quidque<br />
kein niemand, nichts<br />
nullus, nulla, nullum nemo, nullius, nemini,neminem,<br />
nullo (im Neutrum nur nihil)<br />
• Steigerndes und abschwächendes quidam<br />
Wenn eine Form von quidam zwischen Adjektiv und Substantiv steht, verstärkt diese meistens die<br />
Adjektivbedeutung:<br />
Natur? inest in mentibus nostris insatiabilis<br />
quaedam cupiditas veri videndi.<br />
[Tusc.1,44]<br />
Von Natur aus liegt in unserem Geist eine ganz<br />
unersättliche Begierde, die Wahrheit zu erkennen.<br />
Umgekehrt kann quidam aber auch einen kühnen bildhaften Ausdruck abschwächen:<br />
Est ambulantibus ad hunc modum sermo ille<br />
nobis institutus et a tali quodam ductus exordio:<br />
….<br />
[Tusc.2,10]<br />
Wir führten, während wir spazieren gingen, auf<br />
folgende Weise unser Gespräch und begannen<br />
ungefähr mit folgender Einleitung: …<br />
• Adjektivische Verwendung von nemo vor Personenbezeichnungen<br />
Bei männlichen Personenbezeichnungen, Adjektiven und Zahlwörtern wird nemo, ähnlich wie quis<br />
und quisquam, adjektivisch verwendet:<br />
Metellus, qua iniuria nemo umquam in aliquo<br />
magistratu improbissimus civis adfectus est, ea<br />
me consulem adfecit.<br />
[fam.5,2,7]<br />
88<br />
Metellus hat mich als Konsul so beleidigt, wie der<br />
übelste Bürger in irgendeinem Amt niemals beleidigt<br />
worden ist.<br />
• Nescio quis<br />
Fragepronomina nach nescio leiten meistens keinen abhängigen Fragesatz ein, sondern bilden mit<br />
nescio eine Einheit, die einem Interrogativpronomen oder -adverb gleich kommt. Dabei wird auch<br />
nescio quis wie quis, quisquam und nemo häufig adjektivisch verwendet. Bei Eigennamen hat
nescio quis in der Regel eine abwertende Bedeutung.<br />
Accedit Saxa nescio quis, quem nobis Caesar ex<br />
ultima Celtiberia tribunum plebis dedit.<br />
[Phil.11,12]<br />
Es kommt irgendein Saxa daher, den uns Caesar<br />
aus dem hintersten Keltiberien als Volkstribun<br />
beschert hat.<br />
nescio quis/qui irgendjemand nescio quo modo irgendwie<br />
nescio quid/quod irgendetwas nescio quando irgendwann<br />
• Weitere Indefinitpronomina<br />
Als Indefinitpronomina treten auch die Zusammensetzungen quivis, quaevis, quodvis (jeder<br />
beliebige) und quilibet, quaelibet, quodlibet (jeder beliebige) auf.<br />
89
Präpositionen werden im Deutschen viel häufiger gebraucht als im Lateinischen, um die<br />
semantische Funktion einer Prädikatserläuterung deutlich zu machen. Vor allem der lateinische<br />
Ablativ muss mangels eines entsprechenden Kasus im Deutschen fast immer mit einem<br />
Präpositionalgefüge umschrieben werden. Meistens verwirklicht eine Präposition mit Nomen ein<br />
Adverbiale, seltener einen Sinnträger oder ein Objekt. Im Gegensatz zum Deutschen kann eine<br />
Präposition mit Nomen im Lateinischen nur unter bestimmten Voraussetzungen Attribut sein.<br />
Adverbiale<br />
Helvetii cum proximis civitatibus pacem et<br />
amicitiam confirmaverunt.<br />
Die Helvetier schlossen mit den<br />
Nachbarstämmen einen unverbrüchlichen<br />
Frieden.<br />
[Gall.1,3,1]<br />
Sinnträger<br />
Si Cn. Plancius mihi quaestor imperatori fuisset,<br />
in fili loco fuisset.<br />
Wenn Gnäus Plancius unter meinem Ober-befehl<br />
Quaestor gewesen wäre, hätte ich ihn als<br />
meinen Sohn betrachtet.<br />
[p.red.in sen.35]<br />
Objekt<br />
Crassi libertus tibi de mea sollicitudine macieque<br />
narravit.<br />
Ein Freigelassener des Crassus hat dir von<br />
meiner Unruhe und Magerkeit erzählt.<br />
[Att.3,15,1]<br />
Attribut<br />
Idem cursus ad gloriam Laterensi munitus est.<br />
Die gleiche Straße zum Ruhm wurde dem<br />
Laterensis gebahnt.<br />
[Planc.67]<br />
90<br />
Helvetii<br />
cum proximis civitatibus<br />
pacem et amicitiam<br />
Si Cn. Plancius mihi<br />
quaestor imperatori fuisset,<br />
Crassi libertus<br />
tibi<br />
de mea sollicitudine<br />
macieque<br />
Idem cursus<br />
ad gloriam<br />
confirmaverunt.<br />
in filii loco<br />
fuisset.<br />
narravit.<br />
Laterensi munitus est.<br />
Die eigentliche Bedeutung fast aller Präpositionen ist räumlicher oder zeitlicher Art. Übertragen<br />
können sie aber auch modalen, kausalen und anderen Sinn haben. Wenn Präpositionen mit<br />
Akkusativ und mit Ablativ stehen können, bezeichnen sie mit Akkusativ eine Richtung und mit<br />
Ablativ einen Ort.
ad zu, bei<br />
ad Cannas<br />
bei Cannae<br />
adversus /<br />
adversum<br />
ante vor<br />
ante oculos<br />
vor Augen<br />
Präpositionen, die ausschließlich mit Akkusativ stehen<br />
räumlich zeitlich anderer Sinn<br />
gegenüber, gegen … hin<br />
adversus collem<br />
gegen den Hügel hin<br />
apud bei<br />
apud exercitum<br />
beim Heer<br />
circa /<br />
circum<br />
circiter<br />
um ( … herum)<br />
circa forum<br />
um das Forum herum<br />
contra gegen(über)<br />
contra Galliam<br />
Gallien gegenüber<br />
erga<br />
extra außerhalb<br />
extra munitiones<br />
außerhalb der Befestigung<br />
infra unterhalb<br />
infra oppidum<br />
unterhalb der Stadt<br />
inter zwischen<br />
inter montem et flumen<br />
zwischen Berg und Fluss<br />
intra innerhalb<br />
intra muros<br />
innerhalb der Mauern<br />
iuxta neben<br />
iuxta viam<br />
neben der Straße<br />
ob vor<br />
ob oculos<br />
vor Augen<br />
penes<br />
91<br />
bis<br />
ad id tempus<br />
bis zu der Zeit<br />
ante lucem<br />
vor Tagesanbruch<br />
(ungefähr) um<br />
circiter Idus Septembres<br />
um den 13. Sept.<br />
nach<br />
infra Lycurgum<br />
nach Lycurg<br />
während<br />
inter decem annos<br />
während zehn Jahren<br />
innerhalb<br />
intra paucas horas<br />
innerhalb weniger<br />
Stunden<br />
ungefähr<br />
ad ducentos<br />
ungefähr zweihundert<br />
adversum deos<br />
gegenüber den Göttern<br />
gegen, wider<br />
contra naturam<br />
gegen die Natur<br />
gegen, zum (in freundl.<br />
Sinn)<br />
erga matrem<br />
zur Mutter<br />
über<br />
extra modum<br />
über das Maß<br />
minderwertiger als<br />
infra elephantos<br />
minderwertiger als Eleph.<br />
unter<br />
inter se<br />
untereinander<br />
wegen<br />
ob eam causam<br />
deswegen<br />
in der Gewalt von<br />
penes accusatorem<br />
in der Gewalt des Anklägers
per durch<br />
per provinciam<br />
durch die Provinz<br />
post hinter<br />
post me<br />
hinter mir<br />
praeter vorbei … an<br />
praeter castra<br />
am Lager vorbei<br />
prope nahe bei<br />
propte castra<br />
in der Nähe des Lagers<br />
propter nahe bei<br />
propter Sciliam<br />
nahe bei Sizilien<br />
secundum längs, entlang<br />
secundum flumen<br />
den Fluss entlang<br />
supra oberhalb<br />
supra terram<br />
über der Erde<br />
trans jenseits<br />
trans Rhenum<br />
jenseits des Rheins<br />
ultra jenseits<br />
ultra montes<br />
jenseits der Berge<br />
Präpositionen, die ausschließlich mit Akkusativ stehen<br />
räumlich zeitlich anderer Sinn<br />
lang<br />
per decem dies<br />
zehn Tage lang<br />
nach<br />
post pugnam<br />
nach der Schlacht<br />
nach<br />
secundum comitia<br />
nach den Wahlen<br />
über<br />
ultra biennium<br />
über zwei Jahre hinaus<br />
mittels<br />
per litteras<br />
brieflich<br />
außer, gegen<br />
praeter consuetudinem<br />
gegen die Gewohnheit<br />
wegen<br />
propter te<br />
wegen dir<br />
gemäß<br />
secundum naturam<br />
gemäß der Natur<br />
über<br />
supra modum<br />
über das rechte Maß<br />
über<br />
ultra vires<br />
über seine Kräfte<br />
Präpositionen, die ausschließlich mit Ablativ stehen<br />
räumlich zeitlich anderer Sinn<br />
a / ab / abs von … weg, aus<br />
von<br />
vor<br />
ab urbe<br />
ab ovo<br />
defendere ab aliquo<br />
aus der Stadt<br />
von Anfang an<br />
vor jdm. schützen<br />
coram in Gegenwart von<br />
coram me<br />
in meiner Anwesenheit<br />
cum<br />
bei<br />
mit<br />
cum prima luce<br />
cum amico<br />
bei Tagesanbruch mit dem Freund<br />
de von … herab, über<br />
während<br />
von, wegen<br />
de muro<br />
de tertia vigilia<br />
de pace venire<br />
von der Mauer herab<br />
während der 3.<br />
des Friedens wegen<br />
Nachtwache<br />
kommen<br />
e / ex aus<br />
seit<br />
aus<br />
e manibus<br />
ex eo tempore<br />
ex eadem causa<br />
aus den Händen<br />
seit der Zeit<br />
aus demselben Grund<br />
palam in Gegenwart von<br />
palam publico<br />
92
Präpositionen, die ausschließlich mit Ablativ stehen<br />
räumlich zeitlich anderer Sinn<br />
in Gegenwart des Volkes<br />
prae vor<br />
prae se ferre<br />
vor sich hertragen<br />
pro vor<br />
pro oppido<br />
vor der Stadt<br />
sine<br />
in<br />
– m. Akk. in<br />
in urbem<br />
in die Stadt<br />
– m. Abl. im<br />
in senatu<br />
im Senat<br />
sub<br />
– m. Akk. unter, an den Fuß<br />
sub montem<br />
an den Fuß des Berges<br />
– m. Abl. unter<br />
sub terra<br />
unter der Erde<br />
super<br />
– m. Akk. über, auf<br />
sub tumulum<br />
auf den Hügel<br />
– m. Abl.<br />
Präpositionen, die mit Akkusativ oder mit Ablativ stehen<br />
wegen, vor; angesichts<br />
prae maerore<br />
vor Schmerz<br />
für; anstatt<br />
pro lege<br />
für das Gesetz<br />
ohne<br />
sine causa<br />
ohne Grund<br />
räumlich zeitlich anderer Sinn<br />
für<br />
in futurum<br />
für die Zukunft<br />
im<br />
in pace<br />
im Frieden<br />
um<br />
sub noctem<br />
um die Nachtzeit<br />
in, für<br />
in universum<br />
im allgemeinen<br />
in<br />
in spe esse<br />
hoffen<br />
unter<br />
sub manu esse<br />
zur Hand sein<br />
über, in Betreff<br />
super hac re<br />
über diese Sache<br />
• Nachgestellte Präpositionen<br />
Gemäß ihrem Namen wird die Präposition gewöhnlich ihrem Bezugswort vorangestellt.<br />
Ausnahmen sind:<br />
– cum bei Personal- und Relativpronomen (z. B. vobiscum, quocum)<br />
– causa und gratia, die als (erstarrte) Ablative nur scheinbar Präpositionen sind (z.B. salutis<br />
causa)<br />
93<br />
• Präpositionalattribut<br />
Substantivische Attribute stehen im Lateinischen gewöhnlich im Genitiv (domus patris) oder als<br />
Apposition im gleichen Kasus wie das zu erläuternde Wort (urbs Roma). Präpositionalattribut ist<br />
nur in folgenden Fällen möglich:<br />
– Erläuterung eines Verbalsubstantivs oder Substantivs der Gemütsbewegung:
– Präpositionalattribut zwischen Attribut und zu erläuterndem Substantiv („geschlossener<br />
Ausdruck“):<br />
Monemur a fortissimo viro atque optimo post Wir werden von dem tatkräftigsten und besten<br />
hominum memoriam consule, ut provideamus, Konsul seit Menschengedenken ermahnt, dass<br />
ne citerior Gallia nobis invitis alicui decernatur. wir uns davor in Acht nehmen sollen, dass Gallia<br />
[prov.39]<br />
citerior gegen unseren Willen irgendjemandem<br />
zugesprochen wird.<br />
• In mit Ablativ bei Verben des Stellens, Einfügens und Rechnens<br />
Bei Verben des Setzens, Stellens, Legens, des Einfügens und des Rechnens betonen wir im<br />
Deutschen den Aspekt der Bewegung, indem wir sie mit einer Richtungspräposition verbinden (zu<br />
den Vasen stellen, unter die Besten rechnen). Im Lateinischen wird dagegen durch die Verbindung<br />
der genannten Verben mit in und Ablativ der Endpunkt der Bewegung in den Blick genommen.<br />
Putas necesse esse sicam in consulis corpore te<br />
defigere.<br />
[Cat.1,16]<br />
Du glaubst, dass du einen Dolch in den Körper des<br />
Konsuls hinein stoßen müsstest.<br />
– Verben des Setzens, Stellens und Legens:<br />
ponere setzen, stellen, legen consistere sich stellen<br />
locare, statuere stellen considere sich niederlassen<br />
– Verben des Einfügens:<br />
figere, defigere anheften inscribere schreiben auf<br />
incidere einritzen imprimere einprägen<br />
– Verben des Rechnens:<br />
numerare<br />
habere<br />
rechnen unter<br />
putare<br />
ducere<br />
• A/ab und e/ex<br />
Die Kurzformen a und e stehen nur vor Konsonanten.<br />
94<br />
rechnen unter
Wie im Deutschen gibt es auch im Lateinischen Grundzahlen (eins, zwei, drei), Ordnungszahlen<br />
(der erste, der zweite, der dritte) und Vervielfältigungszahlen (einfach, zweifach, dreifach). Eine<br />
Besonderheit des Lateinischen sind jedoch die Verteilungszahlen (je einer, je zwei, je drei).<br />
Grundzahl („Kardinalzahl“)<br />
Eine Grundzahl erläutert gewöhnlich adjektivisch ein Substantiv hinsichtlich seiner Anzahl, sie<br />
kann aber auch substantivisch gebraucht werden. Von den Grundzahlen sind 1 bis 3, die<br />
Vielfachen von 100 (aber nicht centum selbst) und die Vielfachen von 1000 (aber nicht mille sebst)<br />
deklinierbar.<br />
Attribut<br />
Quaestor Cn. Papirio consuli fuisti abhinc annos<br />
quattuordecim.<br />
Du warst vor 14 Jahren Quaestor des Konsuls<br />
Gnäus Papirius.<br />
[Verr.2,1,34]<br />
Grundzahlen<br />
unus, una, unum ein, eine, ein<br />
duo, duae, duo zwei<br />
95<br />
tres, tria drei<br />
quattuor usw. vier<br />
Cn. Papirio consuli<br />
abh. annos quattuordecim.<br />
Quaestor<br />
• Zusammengesetzte Grundzahlen<br />
Grundzahlen werden einfach zusammengestellt, wobei zuerst die größere steht (z. B. viginti una).<br />
Bis 100 können sie auch mit et verbunden werden, doch steht dann zuerst die kleinere (z. B. una<br />
et viginti).<br />
• Adjektivisches mille und substantivisches milia<br />
Der indeklinable Singular mille steht im Nominativ und manchmal im Akkusativ substantiviert mit<br />
Genitivus totius, in den anderen Kasus wie ein indeklinables Adjektiv bei seinem Bezugswort.<br />
Der deklinable Plural milia, milium dagegen steht gewöhnlich substantiviert mit Genitivus totius,<br />
wenn das Bezugswort unmittelbar folgt. Wenn das Bezugswort nicht unmittelbar folgt und bei<br />
Münz- und Maßsubstantiven kann milia jedoch attributiv verwendet werden.<br />
fuisti
Interea Commius reliquique duces cum omnibus<br />
copiis ad Alesiam perveniunt et non longius mille<br />
passibus ab nostris munitionibus considunt.<br />
[Gall.7,79,1]<br />
Tandem vulneribus defessi et pedem referre et,<br />
quod mons suberat circiter mille passuum, eo se<br />
recipere coeperunt.<br />
[Gall.1,25,5]<br />
Ita iter fecerunt, ut inter novissimum hostium<br />
agmen et nostrum primum non amplius quinis aut<br />
senis milibus passuum interesset.<br />
[Gall.1,15,5]<br />
Unterdessen gelangten Commius und die übrigen<br />
Heerführer mit allen Kriegsscharen nach Alesia und<br />
ließen sich nicht weiter als eine Meile von unseren<br />
Schanzanlagen entfernt nieder.<br />
Endlich waren sie von ihren Wunden erschöpft.<br />
Deshalb begannen sie zurückzuweichen und, weil<br />
ein Berg nur ungefähr eine Meile entfernt lag, sich<br />
dorthin zurückzuziehen.<br />
So zogen sie weiter, dass zwischen der Nachhut<br />
der Feinde und unserere Vorhut nicht mehr als fünf<br />
oder sechs Meilen Abstand war.<br />
Duo milia quingenti milites pugnant. Zweitausendfünfhundert Soldaten kämpfen.<br />
Decem milia talenta Gabinio sunt promissa.<br />
[Rab.Post.21]<br />
10.000 Talente wurden Gabinius versprochen.<br />
Ordnungszahl („Ordinalzahl“)<br />
Eine Ordnungszahl erläutert gewöhnlich wie ein Adjektiv ein Wort hinsichtlich seiner Position in<br />
einer Menge, sie kann aber auch substantiviert gebraucht werden. Ordnungszahlen sind<br />
deklinierbar.<br />
Attribut<br />
Tertiam partem incolunt Celtae.<br />
Den dritten Teil bewohnen die Kelten.<br />
[Gall.1,1,1]<br />
Tertiam partem<br />
Celtae.<br />
primus, a, um<br />
Ordnungszahlen<br />
der erste, die erste, das erste<br />
secundus, a, um der zweite, die zweite, das zweite<br />
tertius, a, um der dritte, die dritte, das dritte<br />
quartus, a, um usw. der vierte, die vierte, das vierte<br />
incolunt<br />
• Zusammengesetzte Ordnungszahlen<br />
Auch Ordnungszahlen werden einfach zusammengestellt, wobei zuerst die größere steht (z. B.<br />
millesimus sescentesimus duodequinquagesimus – der 1648). Bis 100 können auch sie auch mit<br />
et verbunden werden, doch steht dann zuerst die kleinere (z. B. tertio et trigesimo anno - im Alter<br />
von 33 Jahren).<br />
• Jahresangaben mit Ordnungszahlen<br />
Im Lateinischen werden, anders als im Deutschen, Jahresangaben mit Ordnungszahlen gebildet.<br />
Q. Fabius - tertio hic anno ante consul fuerat -<br />
princips in confertos Veientes iit.<br />
[Liv.2,46,4]<br />
96<br />
Quintus Fabius - er war vor zwei Jahren Konsul<br />
gewesen - drang als erster auf die dichtgedrängten<br />
Reihen der Leute von Veji ein.
Macedo Alexander, cum ab ineunte aetate res<br />
maximas gerere coepisset, nonne tertio et<br />
tricesimo anno mortem obiit?<br />
[Phil.5,48]<br />
Potestatem (censoris) minuere, quo minus de<br />
moribus nostris quinto quoque anno iudicare-tur,<br />
nemo conatus est.<br />
[Pis.10]<br />
Starb Alexander aus Makedonien, obwohl er seit<br />
seines Lebens größte Taten vollbracht hatte, nicht<br />
im Alter von 33 Jahren?<br />
Niemand hat gewagt, die Macht des Zensors<br />
einzuschränken, dass er gemäß unserer Tradition<br />
alle vier Jahre beurteilt wird.<br />
Vervielfältigungszahl („Multiplikativzahl“)<br />
Eine Vervielfältigungszahl gibt als Adverbiale die Häufigkeit einer Prädikatshandlung an. Von<br />
Dichtern werden manchmal mit attributiv verwendeten Vervielfältigungszahlen Grundzahlen<br />
gebildet (z.B. ter deni für 30). Vervielfältigungszahlen sind nicht deklinierbar.<br />
Adverbiale<br />
De Valerio Procillo ter sortibus consultum est.<br />
Bezüglich Valerius Procillus wurde dreimal mit<br />
Runen Rat eingeholt.<br />
[Gall.1,53,7]<br />
De Valerio Procillo<br />
ter<br />
sortibus<br />
semel<br />
Vervielfältigungszahlen<br />
einmal<br />
bis zweimal<br />
ter dreimal<br />
quater viermal<br />
quinquies fünfmal<br />
decies; centies; millies zehnmal; hundertmal; tausendmal<br />
Merkspruch:<br />
Semmel biß der Kater. semel bis ter quater<br />
Verteilungszahl („Distributivzahl“)<br />
Eine Verteilungszahl bezeichnet adjektivisch die Größe von gleichen Teilmengen.<br />
Verteilungszahlen sind deklinierbar.<br />
97<br />
consultum est.
Attribut<br />
Caesar singulis legionibus singulos legatos<br />
praefecit.<br />
Caesar gab je einer Legion je einen Legaten als<br />
Befehlshaber.<br />
[Gall.1,52,1]<br />
Caesar<br />
singulis legionibus<br />
singulos legatos<br />
singuli, ae, a<br />
Verteilungszahlen<br />
je einer, je eine, je eines<br />
bini, ae, a je zwei<br />
terni, ae, a je drei<br />
quaterni, ae, a je vier<br />
quini, ae, a je fünf<br />
deni, ae, a; centeni, ae, a je zehn; je hundert<br />
98<br />
praefecit.
Das Adverb erläutert gewöhnlich eine Prädikatshandlung hinsichtlich Raum, Zeit, Art und Weise<br />
oder Intensität. Dabei verwirklicht es ein Adverbiale oder einen Sinnträger. Manche Adverbien<br />
können auch als Attribut zu einem Substantiv treten.<br />
Zu den semantischen Funktionen des Komparativs und Superlativs s. "Das Adjektiv".<br />
Adverbiale<br />
Pythagoras cum Leonte docte et copiose<br />
disseruit quaedam.<br />
Pythagoras erörterte mit Leon gebildet und<br />
wortreich manche Probleme.<br />
[Tusc.5,8]<br />
Sinnträger<br />
Ubi terrarum sumus?<br />
Wo in aller Welt sind wir? [Rab.Post.37]<br />
Attribut<br />
Karthaginem nunc venis paene miles.<br />
Nach Karthago kommst du nun als fast noch<br />
einfacher Soldat.<br />
[rep.6,11]<br />
Pythagoras<br />
cum Leonte<br />
docte et copiose<br />
quaedam.<br />
Karthaginem<br />
nunc<br />
paene miles.<br />
disseruit<br />
Ubi terrarum<br />
sumus?<br />
venis<br />
• Adverbien als Attribut<br />
Adverbien können in der Regel nur dann als Attribut zu einem Substantiv treten, wenn sie lediglich<br />
eine Eigenschaft des Substantivs steigern oder abschwächen. Solche Adverbien sind admodum,<br />
paene, plane und vere.<br />
Superior Africanus, T.Flaminius admodum<br />
adulescentes consules facti tantas res gesserunt,<br />
ut populi Romani imperium auxerint.<br />
[Phil.5,48]<br />
99<br />
Africanus der Ältere und Titus Flaminius haben,<br />
nachdem sie als noch ganz junge Männer Konsuln<br />
geworden waren, so große Taten vollbracht, dass<br />
sie das Reich des römischen Volkes vergrößerten.
100<br />
Als Nebensatz bezeichnet man eine Wortgruppe, die einen Satz im Satz bildet. Syntaktisch lassen<br />
sich die Nebensätze in Gliedsätze und Attributsätze unterteilen: Gliedsätze üben die Funktion<br />
eines Subjekts, Objekts oder Adverbiales aus, Attributsätze die Funktion eines Attributs.<br />
In der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> werden die Nebensätze wie alle anderen Füllungsarten primär nach<br />
ihrer äußeren Erscheinung geordnet. Da das Merkmal eines Nebensatzes sein Verbindungswort<br />
zum Hauptsatz ist, unterscheiden wir zwischen dem abhängigen Fragesatz (eingeleitet durch ein<br />
Fragepronomen oder -adverb bzw. eine Fragepartikel), dem Relativsatz (eingeleitet durch ein<br />
Relativpronomen oder –adverb) und dem Subjunktionalsatz (eingeleitet durch eine Subjunktion).<br />
Abhängige Fragesätze üben meistens die Funktion eines Objekts oder Subjekts aus. Relativsätze<br />
sind dagegen gewöhnlich auf ein Substantiv „bezogen“, so dass sie syntaktisch gewöhnlich als<br />
Attribut fungieren. Subjunktionalsätze erläutern in den meisten Fällen die Umstände der<br />
Prädikatshandlung und verwirklichen somit ein Adverbiale.<br />
Die Satzglieder in Nebensätzen werden in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> "Binnensatzglieder"<br />
genannt, wenn die Abgrenzung gegenüber Satzgliedern des übergeordneten Satzes wichtig ist.
Ein abhängiger Fragesatz (auch „indirekter Fragesatz“) erläutert ein Verb oder ein Nomen durch<br />
den Inhalt einer Frage. Anders als im Deutschen können im Lateinischen nicht nur Verben des<br />
Fragens, sondern – durch Zusammenziehung zweier ursprünglich sebstständiger Sätze – auch<br />
Verben des Wissens und Sagens einen Frageinhalt von sich abhängig machen ("Scio, quid<br />
feceris." ist entstanden aus "Quid fecisti? Scio."). Abhängige Fragesätze sind innerlich abhängig,<br />
sie stehen also immer im Konjunktiv und folgen gewöhnlich - unter Beachtung der Nachzeitigkeit -<br />
der Consecutio temporum (Ausnahmen s. u).<br />
In einem abhängigen Fragesatz wird ein Sachverhalt als Ganzes („abhängige Satzfrage“) oder<br />
unter einem bestimmten Gesichtspunkt („abhängige Wortfrage“) vorgetragen:<br />
– abhängige Satzfrage:<br />
Quaero a vobis, num istam legem L.Lucullus<br />
consul tulerit.<br />
[Cluent.137]<br />
– abhängige Wortfrage:<br />
De Caesare ipso si quaereres, quidnam egisset<br />
in urbe et in toga, leges multas responderet se<br />
et praeclara tulisse<br />
[Phil.1,18]<br />
-ne<br />
ob<br />
Ich frage euch, ob der Konsul Lucius Lukullus<br />
dieses Gesetz eingebracht hat.<br />
Wenn du Caesar persönlich fragen würdest, was er<br />
denn in Rom als Politiker getan habe, würde er<br />
antworten, dass er viele herausragende Gesetze<br />
eingebracht habe.<br />
Interrogativpartikel: Abhängige Satzfragen<br />
num nonne (nach quaerere)<br />
an non<br />
(nach Ausdrücken des<br />
Nichtwissens und<br />
Zweifelns)<br />
si (nach Verben des<br />
Erwartens und<br />
Versuchens)<br />
an<br />
utrum … an …<br />
-ne … an …<br />
… an …<br />
ob nicht<br />
ob … oder<br />
Interrogativpronomina und -adverbien: Abhängige Wortfragen<br />
quis, quid wer quot wie viele<br />
qui, quae, quod welcher ubi wo<br />
uter, utra, utrum wer von beiden cur warum<br />
101<br />
quantus, a, um wie groß ut<br />
qualis, e wie beschaffen qu?<br />
quando wann quomodo<br />
Ein abhängiger Fragesatz verwirklicht als Erläuterung eines Prädikats ein Objekt oder Subjekt und<br />
als Erläuterung eines Nomens ein Attribut.<br />
wie
Objekt<br />
Nemo nostrum ignorat, quid proxima nocte<br />
egeris.<br />
Jeder von uns weiß, was du in der letzten Nacht<br />
getrieben hast.<br />
[Cat.1,1]<br />
Attribut<br />
Etiam poetae quaestionem attulerunt, quo<br />
different ab oratoribus.<br />
Sogar Dichter haben die Frage aufgeworfen,<br />
wodurch sie sich von Rednern unterschieden.<br />
[orat.66]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Ausdruck des Fragens (z.B. quaerere, quaestio, dubium est)<br />
– Ausdruck des Wissens (z.B. scire, nescire)<br />
– Ausdruck des Sagens (z.B. declarare, docere)<br />
– interest und refert<br />
Nemo nostrum<br />
quid proxima nocte egeris.<br />
Etiam poetae<br />
quaestionem<br />
quo different ab oratoribus.<br />
ignorat,<br />
attulerunt,<br />
• Abhängige Fragesätze, die nicht der Consecutio temporum folgen<br />
Dubitativer, potentialer und irrealer Sinn einer abhängigen Frage setzt sich in der Form durch,<br />
dass das Tempus nicht der Consecutio temporum , sondern den Regeln des Coniunctivus<br />
dubitativus, potentialis und irrealis folgt.<br />
Quaero a te, cur C. Cornelium non defenderem.<br />
[Vatin.5]<br />
Ich frage dich, warum ich Gaius Cornelius nicht<br />
hätte verteidigen sollen.<br />
• Interrogative Verschränkung<br />
Ein Interrogativsatz kann im Lateinischen – wie ein Relativsatz (relativische Verschränkung) – so<br />
mit einem untergeordneten AcI, einer Partizipialkonstruktion oder einem Nebensatz (meist einem<br />
Finalsatz) verschränkt werden, dass das untergeordnete Gefüge den Kasus des<br />
Interrogativpronomens bestimmt. Bei Verschränkung mit einem AcI empfiehlt sich eine<br />
von-Umschreibung oder eine Parenthese, bei Verschränkung mit einer Partizipialkonstruktion kann<br />
man diese in der Übersetzung zum Hauptsatz machen und den lateinischen Hauptsatz in der<br />
Übersetzung zu einem Nebensatz:<br />
– Interrogativpronomen als Teil eines AcI:<br />
Quem nostrum ignorare arbitraris, quid proxima<br />
nocte egeris?<br />
[Cat.1,1]<br />
– Interrogativpronomen als Teil einer Partizipialkonstruktion:<br />
Quibus rebus gestis, quo hoste superato<br />
contionem donandi ausus es?<br />
[Verr.2,3,185]<br />
– Interrogativpronomen als Teil eines Finalsatzes:<br />
M. Fonteium vos cum Gallis iugulare mavultis?<br />
Quid ut secuti esse videamini?<br />
[Font.32]<br />
102<br />
a) von-Umschreibung:<br />
Von wem von uns glaubst du, dass er nicht weiß,<br />
was du in der letzten Nacht getan hast?<br />
b) Parenthese:<br />
Wer von uns, glaubst du, weiß nicht, was …<br />
Welche Taten hattest du vollbracht, welchen<br />
Staatsfeind besiegt, dass du es wagtest, eine<br />
Volksversammlung einzuberufen, um Geschenke<br />
zu verteilen?<br />
Wollt ihr zusammen mit den Galliern Markus<br />
Fonteius lieber die Kehle durchschneiden? Damit<br />
ihr was erreicht zu haben scheint?
• Si nach Verben des Wartens und Versuchens<br />
Nach Verben des Wartens und Versuchens hat si die Bedeutung ob. Ein solcher Nebensatz steht<br />
immer im Konjunktiv, ist somit semantisch ein abhängiger Fragesatz und syntaktisch ein Objekt.<br />
Helvetii, si perrumpere possent, conati sunt.<br />
[Gall.1,8,4]<br />
Die Helvetier erprobten, ob sie durchbrechen<br />
könnten.<br />
• Nescio quis verwendet wie ein Indefinitpronomen<br />
Fragepronomina nach nescio leiten meistens keinen abhängigen Fragesatz ein, sondern bilden mit<br />
nescio eine Einheit, die einem Interrogativpronomen oder -adverb gleich kommt. S. dazu "Nescio<br />
quis".<br />
• Abhängiger Fragesatz als Korrelat zu einem substantivischen Pronomen<br />
Manchmal verweist ein substantivsches Pronomen (id, hoc, illud) auf einen abhängigen Fragesatz.<br />
Iam hoc considerate, cuius modi accusatores in<br />
tanto iudicio simus habituri.<br />
[div. in Caec.49]<br />
103<br />
Erwägt nun diesen Punkt, welche Ankläger wir in<br />
diesem so bedeutenden Prozess haben werden.
Ein Relativsatz ist ein Nebensatz, der durch ein Relativpronomen oder -adverb eingeleitet wird und<br />
dessen Bezugswort im übergeordneten Satz erläutert.<br />
Nach den Relativsatz einleitenden Wörtern und, falls vorhanden, ihren Korrelaten im<br />
übergeordneten Satz lassen sich folgende Relativsatzarten unterscheiden:<br />
- allgemeiner Relativsatz (qui, quae, quod; quicumque, quaecumque, quodcumque)<br />
- modaler Relativsatz (qualis, quale; qualiscumque, qualecumque)<br />
- lokaler Relativsatz (ubi; ubicumque)<br />
Eine Besonderheit des Lateinischen sind die verallgemeinernden Relativpronomina und<br />
–adverbien (quicumque, qualiscumque, ubicumque). Sie betonen, besonders bei fehlendem<br />
Bezugswort, die Unbestimmtheit des Relativpronomens oder –adverbs.<br />
Paradoxerweise gibt es auch Relativsätze, denen ein konkreter Bezug fehlt. Damit sind nicht die<br />
"freien Relativsätze" gemeint, zu denen sich leicht ein Bezugswort im übergeordneten Satz denken<br />
lässt, sondern z.B. die "weiterführenden Relativsätze" der deutschen Grammatik (Das Wasser<br />
floss immer schlechter ab, was zu einer Überschwemmung führte.). Solche Relativsätze heißen in<br />
der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> "absolute Relativsätze".<br />
Allgemeiner Relativsatz<br />
Ein allgemeiner Relativsatz ist ein Nebensatz, den ein einfaches oder verallgemeinerndes<br />
Relativpronomen oder -adverb einleitet.<br />
qui, quae, quod<br />
welcher, welche, welches,<br />
der, die, das,<br />
wer, was (bei fehlendem Bezugswort)<br />
104<br />
Relativpronomina: Allgemeiner Relativsatz<br />
e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />
quicumque, quaecumque, quodcumque<br />
wer, welche, was auch immer<br />
quisquis, quidquid (nur in diesen Formen)<br />
jeder,der / alles, was<br />
quoquo modo (nur in dieser Form)<br />
wie auch immer<br />
Gewöhnlich fungiert der Relativsatz als Attribut zu einem Bezugswort im übergeordneten Satz.<br />
Wenn er jedoch zugleich dessen Prädikat erläutert (in finalem, konsekutivem, kausalem oder<br />
konzessivem Sinn), übt er die Funktion eines attributiven Adverbiales aus. Falls im<br />
übergeordneten Satz kein Bezugswort steht, aber hinzuzudenken ist („freier Relativsatz“),<br />
übernimmt der allgemeine Relativsatz die Rolle eines Subjekts oder Objekts.
Attribut<br />
Boios, qui trans Rhenum incoluerant et in agrum<br />
Noricum transierant, socios sibi adsciscunt.<br />
Die Boier, die jenseits des Rheins gewohnt<br />
hatten, gewannen sie als Verbündete.<br />
[Gall.1,5,4]<br />
Attributives Adverbiale<br />
Mihi tribunorum plebis potestas pestifera videtur,<br />
quippe quae in seditione et ad seditionem nata<br />
sit.<br />
Mir erscheint die Amtsgewalt der Volkstribunen<br />
verderblich, die ja im Aufruhr und für den Aufruhr<br />
geschaffen wurde.<br />
[leg.3,19]<br />
Subjekt<br />
Qui sensum verae gloriae cepit, nihil cum hac<br />
gloria comparandum putat.<br />
Wer Geschmack an wahrem Ruhm gefunden<br />
hat, hält nichts für vergleichbar mit diesem<br />
Ruhm. [Phil.5,49]<br />
• Konjunktiv im Relativsatz<br />
Konjunktiv im Relativsatz kann folgende Gründe haben:<br />
– Indirekte Rede (s. dazu "Konjunktiv in indirekter Rede")<br />
Caesar respondit, eo minus dubitationis sibi dari,<br />
quod eas res, quas commemoravis-set,<br />
memoria teneret.<br />
[Gall.1,14,1]<br />
Boios, qui trans Rhenum<br />
incoluerant ... transierant<br />
socios<br />
sibi adsciscunt.<br />
Mihi<br />
tribunorum plebis potestas<br />
quippe quae in seditione et<br />
ad seditionem nata sit.<br />
Qui sensum verae gloriae<br />
cepit,<br />
pestifera<br />
videtur,<br />
nihil cum hac gloria<br />
compar. putat.<br />
Caesar antwortete, dass ihm umso weniger Anlass<br />
zum Zweifel gegeben werde, als er diese<br />
Angelegenheiten, die er (Divico) erwähnt habe,<br />
kenne.<br />
– Attractio modi (s. dazu „Indikativische Übersetzung lateinischer Nebensatz-Konjunktive")<br />
Hortensi memoria fuit tanta, ut, quae secum<br />
commentatus esset, ea sine scripto iisdem<br />
verbis redderet, quibus cogitavis-set.<br />
[Brut.301]<br />
– Bezeichnung finalen Sinns:<br />
Helvetii legatos ad Caesarem mittunt, qui<br />
dicerent, sibi esse in animo sine ullo maleficio<br />
iter per provinciam facere.[Gall.1,7,3]<br />
– Bezeichnung konsekutiven Sinns:<br />
Hic, hic sunt in nostro numero, patres conscripti,<br />
qui de nostro omnium interitu cogitent!<br />
[Cat.1,9]<br />
105<br />
Das Gedächtnis des Hortensius war so gut, dass er<br />
das, was er sich ausgedacht hatte, ohne<br />
schriftliche Gedächtnisstütze mit denselben Worten<br />
vortragen konnte, mit denen er es sich<br />
ausgedacht hatte.<br />
Die Helvetier schickten Gesandte zu Caesar,<br />
die sagen sollten, / damit sie sagten,<br />
dass sie vorhätten, ohne Verbrechen ihren Weg<br />
durch die Provinz zu nehmen.<br />
Hier, hier in unserem Kreis, ihr Senatoren, gibt es<br />
Leute, die an die Vernichtung von uns allen<br />
denken!
Möglicher Indikator im übergeordneten Satz für einen konsekutiven Sinn des Relativsatzes ist<br />
z.B. tam, talis, tantus, ein Ausdruck des Vorhandenseins (z.B. sunt, qui; nemo est, qui; nihil est,<br />
quod oder ein Ausdruck des Würdig- oder Geeignetseins dignus, qui; indignus, qui; aptus, qui;<br />
idoneus, qui).<br />
– Bezeichnung kausalen Sinns:<br />
Ferrei sumus, patres conscripti, qui quicquam<br />
Antonio negemus.<br />
[Phil.8,25]<br />
Wir sind stahlhart, Senatoren,<br />
die wir ja Antonius irgendetwas abschlagen. /<br />
da wir Antonius irgendetwas abschlagen.<br />
Um den kausalen Sinn zu signalisieren, steht in einem kausalen Relativsatz manchmal eine<br />
Kausalpartikel vor dem Relativpronomen (ut / utpote qui, quippe qui, praesertim qui)<br />
– Bezeichnung konzessiven Sinns:<br />
Ego, qui sero ac leviter Graecas litteras<br />
attigissem, tamen, cum pro consule in Ciliciam<br />
proficiscens venissem Athenas, compluris ibi<br />
dies sum commoratus.<br />
[de orat.1,82]<br />
Obwohl ich erst spät und nur oberflächlich mit der<br />
griechischen Bildung in Berührung gekommen bin,<br />
habe ich mich doch, als ich – in der Funktion eines<br />
Prokonsuls unterwegs nach Kilikien – nach Athen<br />
gekommen war, mehrere Tage lang dort<br />
aufgehalten.<br />
Möglicher Indikator im übergeordneten Satz für einen konzessiven Sinn des Relativsatzes ist<br />
tamen.<br />
• Indikativ nach verallgemeinerndem Relativpronomen<br />
Im Deutschen wird die Unbestimmtheit eines lateinischen verallgemeinernden Relativpronomens<br />
zusätzlich durch Konjunktiv oder das Modalverb mögen wiedergegeben, im Lateinischen steht der<br />
Indikativ:<br />
Ergo is, quisquis est, qui moderatione et constanti?<br />
quietus animo est, is est sapiens.<br />
[Tus.4,37]<br />
Also ist derjenige, wer auch immer es sein mag,<br />
der in Bescheidenheit und Standhaftigkeit innerlich<br />
ruhig ist, weise.<br />
• Bezugswort vor, nach oder im Relativsatz<br />
Die Position des Bezugswortes eines Relativsatzes kann ganz verschieden sein:<br />
– Bezugswort vor dem Relativsatz (Normalfall)<br />
Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum<br />
unam incolunt Belgae.<br />
[Gall.1,1,1]<br />
Gallien ist – grob gesehen – in drei Teile geteilt,<br />
von welchen den einen die Belger bewohnen.<br />
– Bezugswort nach dem Relativsatz (häufig bei Demonstrativpronomen als Bezugswort)<br />
Caesar, quorum per fines Helvetii ierant, iis, ut<br />
reducerent, imperat.<br />
[Gall.1,28,1]<br />
– Bezugswort im Relativsatz,<br />
wenn der Relativsatz vorausgeht:<br />
Quae pars civitatis Helvetiae insignem<br />
calamitatem populo Romano intulerat, ea<br />
princeps poenas persolvit.<br />
[Gall.1,12,6]<br />
106<br />
Caesar befahl den Stämmen, durch deren Gebiete<br />
die Helvetier gezogen waren, sie zurückzuführen.<br />
Der helvetische Stammesteil, der dem römischen<br />
Volk eine berühmte Niederlage beigebracht hatte,<br />
büßte als erster.
wenn das Bezugswort ein Superlativ ist:<br />
Agamemno cum devovisset Dianae, quod in<br />
suo regno pulcherrimum natum esset illo<br />
anno, immolavit Iphigeniam.<br />
[off.3,95]<br />
Da Agamemnon Diana das Schönste gelobt<br />
hatte, was in seinem Reich in jenem Jahr<br />
geboren worden sei, opferte er Iphigenie.<br />
wenn das Bezugswort eine Apposition zu einem Wort im übergeordneten Satz wäre:<br />
Fines Santonum non longe a Tolosatium finibus<br />
absunt, quae civitas est in provincia.<br />
[Gall.1,10,1]<br />
wenn der Relativsatz eine Begründung enthält:<br />
Copiam sententiarum et verborum, quae vestra<br />
prudentia est, perspexistis.<br />
[Cael.45]<br />
Das Gebiet der Santonen ist nicht weit vom Gebiet<br />
der Tolosaten entfernt, ein Stamm, der in der<br />
Provinz lebt.<br />
Den Reichtum an Gedanken und an Worten habt<br />
ihr bei eurer Klugheit sicher erkannt.<br />
– Bezugswort vor und im Relativsatz (zur besonderen Betonung des Bezugswortes)<br />
Helvetii diem dicunt, qua die ad ripam Rhodani<br />
omnes conveniant.<br />
[Gall.1,6,4]<br />
Die Helvetier vereinbarten einen Termin, an dem<br />
sie alle am Ufer der Rhone zusammen kommen<br />
sollten.<br />
• Relativische Verschränkung<br />
Ein Relativsatz kann im Lateinischen so mit einem untergeordneten AcI, einer<br />
Partizipialkonstruktion oder einem beliebigen Nebensatz verschränkt werden, dass das<br />
untergeordnete Gefüge den Kasus des Relativpronomens bestimmt. Dies wird im Fall eines<br />
Nebensatzes dann zu einem Übersetzungsproblem, wenn die vom Relativpronomen gemeinte<br />
Person im verkürzten Relativsatz gar keine Rolle mehr spielt.<br />
Im Fall eines AcI oder einer Partizipialkonstruktion kann die relativische Verschränkung durch eine<br />
Umschreibung, eine Parenthese oder ein Adverb wiedergegeben werden:<br />
– Relativpronomen als Teil eines AcI:<br />
In eos, quos speramus nobis profuturos, non<br />
dubitamus officia conferre.<br />
[off.1,48]<br />
– Relativpronomen als Teil einer Partizipialkonstruktion:<br />
Non sunt ea bona habenda, quibus abundantem<br />
licet esse miserrimum.<br />
[Tusc.5,44]<br />
Wir zögern nicht auf diejenigen,<br />
von denen wir hoffen, dass sie uns nützen werden,<br />
/<br />
die – wie wir hoffen – uns nützen werden, /<br />
die uns hoffentlich nützen werden,<br />
Aufgaben zu übertragen.<br />
Man darf diese Dinge nicht für Güter halten, die<br />
man im Überfluss besitzen und dennoch höchst<br />
unglücklich sein kann.<br />
Im Fall eines Nebensatzes besteht für die Übersetzung ein großer Unterschied zwischen<br />
semantisch nicht notwendigen und semantisch notwendigen Relativsätzen (besonders nach einem<br />
vorausgehenden Pronomen): Semantisch nicht notwendige lassen sich wie relativische<br />
Satzanschlüsse behandelt, semantisch notwendige können jedoch nicht vom Vorsatz abgetrennt<br />
werden und müssen deshalb häufig ganz frei übersetzt werden:<br />
– Relativpronomen als Teil eines semantisch nicht notwendigen Relativsatzes:<br />
Errare malo cum Platone, quem tu quanti facias<br />
scio.<br />
[Tusc.1,39]<br />
107<br />
Ich will lieber mit Platon irren. Wie hoch du diesen<br />
schätzt, weiß ich.
– Relativpronomen als Teil eines semantisch notwendigen Relativsatzes:<br />
Iis etiam Antonius praemia postulat, quibus ut<br />
ignoscatur si postulet, impudentissimus<br />
iudicetur.<br />
[Phil.8,25]<br />
Antonius fordert auch für diejenigen Belohnungen,<br />
für die er keine Begnadigung fordern kann, ohne<br />
als äußerst unverschämt eingeschätzt zu werden.<br />
Lokaler Relativsatz<br />
Ein lokaler Relativsatz erläutert eine Ortsangabe (z. B. locus, fines, ibi, inde, eo) im<br />
übergeordneten Satz. Selten kommt es vor, dass das Bezugswort lediglich hinzuzudenken ist<br />
("Freier Relativsatz").<br />
ubi<br />
wo<br />
unde<br />
von wo<br />
quo<br />
wohin<br />
Relativadverbien: Lokaler Relativsatz<br />
e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />
ubicumque<br />
wo auch immer<br />
undecumque<br />
von wo auch immer<br />
quocumque<br />
wohin auch immer<br />
Wenn ein Bezugswort im übergeordneten Satz steht, verwirklicht der lokale Relativsatz ein Attribut.<br />
Wenn kein Bezugswort im übergeordneten Satz steht, hängt die syntaktische Funktion des lokalen<br />
Relativsatzes vom übergeordneten Verb ab: Als Ergänzung zu einem transitiven Verb fungiert er<br />
als Objekt, als Erläuterung zu einem intransitiven Verb als Adverbiale.<br />
Attribut zu einem Nomen<br />
Is locus, ubi Helvetii constiterunt, ex calamitate<br />
populi R. nomen excipiet.<br />
Dieser Ort, wo die Helvetier halt gemacht haben,<br />
wird von einer Niederlage des römischen Volkes<br />
seinen Namen erhalten.<br />
[Gall.1,137]<br />
Attribut zu einem Adverb<br />
Ibi erunt Helvetii, ubi eos constituerit.<br />
Die Helvetier werden dort leben, wo Caesar sie<br />
ansiedelt.<br />
[vgl. Gall.1,13,2]<br />
108<br />
Is locus,<br />
ubi Helvetii constiterunt,<br />
ex calamitate<br />
populi Romani<br />
nomen<br />
Ibi<br />
ubi eos Caesar constituerit.<br />
Helvetii,<br />
capiet.<br />
erunt
Objekt (Ergänzung eines transitiven Verbs)<br />
Habes, ubi ostentes tuam illam praeclaram<br />
patientiam famis.<br />
Du hast einen Ort, wo du dein weltberühmtes<br />
Aushalten von Hunger zeigen kannst .<br />
[Cat.1,26]<br />
Adverbiale (Erläuterung eines intransitiven<br />
Verbs)<br />
Ibis tandem aliquando, quo te iam pridem ista tua<br />
cupiditas effr. rapiebat.<br />
Du wirst endlich einmal dorthin gehen, wohin<br />
dich schon lange diese deine zügellose Lust zog.<br />
[Cat.1,25]<br />
ubi ostentes ... famis.<br />
tandem aliquando,<br />
quo te iam pridem tua ista<br />
cupiditas ... rapiebat.<br />
Vergleichender Relativsatz<br />
Habes,<br />
Ein vergleichender Relativsatz erläutert, anders als der allgemeine Relativsatz, nur einen<br />
bestimmten Aspekt des Bezugswortes im übergeordneten Satz. Welcher Gesichtspunkt im<br />
Relativsatz näher betrachtet wird, kann man am entsprechenden Korrelat erkennen: Talis und tam<br />
weisen auf eine Erläuterung der Beschaffenheit hin, tantus lässt einen Größenvergleich erwarten,<br />
tot und toties zielen auf die Häufigkeit und tantopere zieht eine Beschreibung der Intensität nach<br />
sich.<br />
talis, tale<br />
so beschaffen<br />
Relativpronomina und -adverbien: Vergleichender Relativsatz<br />
Korrelat e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />
tam (bei Adj. o. Adv.)<br />
so<br />
non tam<br />
nicht so sehr<br />
tantus, a, um<br />
so groß<br />
tot<br />
so viele<br />
totiens, toties<br />
so oft<br />
tantum<br />
so viel<br />
tantopere<br />
so sehr<br />
eo<br />
desto<br />
qualis, quale<br />
wie<br />
quam<br />
wie<br />
quam<br />
als vielmehr<br />
quantus, a, um<br />
wie<br />
quot<br />
wie<br />
quotie(n)s<br />
wie<br />
quantum<br />
wie<br />
quantopere<br />
wie<br />
quo<br />
je, um so<br />
109<br />
qualiscumque, qualecumque<br />
wie auch immer<br />
Ibis<br />
quantuscumque, quantacumque, quantumcumque<br />
wie groß auch immer<br />
quotquot, quotcumque<br />
wie viele auch immer
tanto<br />
desto<br />
Relativpronomina und -adverbien: Vergleichender Relativsatz<br />
Korrelat e i n f a c h v e r a l l g e m e i n e r n d<br />
quanto<br />
je, um so<br />
Ein vergleichender Relativsatz verwirklicht ein Attribut zu einem Korrelat, das seinerseits als<br />
Attribut oder Adverbiale fungiert.<br />
Attribut zu einem Attribut<br />
Princeps philosophiae affirmabat, qualis homo<br />
ipse esset, talem eius esse orationem.<br />
Der bedeutendste Philosoph versicherte, dass<br />
die Redeweise eines Menschen so beschaffen<br />
sei wie er selbst. [Tusc.5,47]<br />
Attribut zu einem Adverbiale<br />
Quantopere eorum animi magnitudinem<br />
admiratus est, tantopere arrogantiam<br />
reprehendit.<br />
Wie sehr er (Caesar) auch ihren Mut<br />
bewunderte, so sehr tadelte er ihre Anmaßung.<br />
[Gall.7,52,3]<br />
Princeps philosophiae<br />
qualis homo ipse esset,<br />
talem eius esse orationem.<br />
Quantopere ... admir. est,<br />
tantopere<br />
affirmabat,<br />
arrogantiam reprehendit.<br />
• Vergleichender Relativsatz und Vergleichssatz<br />
Ein vergleichender Relativsatz erläutert exakt den Aspekt (Beschaffenheit, Größe, Häufigkeit oder<br />
Intensität), auf den im übergeordneten Satz durch ein bedeutungsvolles Korrelat hingewiesen wird.<br />
Ein Vergleichssatz erläutert dagegen nicht einen bestimmten Aspekt des Bezugswortes, sondern<br />
das Bezugswort selbst. Zwar kann auch im übergeordneten Satz eines Vergleichssatzes ein<br />
Korrelat stehen (ita/sic -so), aber dabei handelt es sich nur um ein bedeutungsleeres präparatives<br />
Adverb .<br />
Formal unterscheiden sich beide Nebensatzarten dadurch, dass der vergleichende Relativsatz von<br />
einem Relativpronomen oder -adverb eingeleitet wird, der Vergleichssatz dagegen von einer<br />
Subjunktion:<br />
– vergleichender Relativsatz (erläutert einen Aspekt - tanta - des Bezugswortes)<br />
Est tanta in te auctoritas, quanta<br />
debet in homine nobilissimo.<br />
[Phil.13,15]<br />
– Vergleichssatz (erläutert das Bezugswort - sustulisti - selbst)<br />
Ut neminem patricium Manlium Marcum vocari<br />
licet, sic tu nomen dictatoris funditus sustulisti.<br />
[Phil.1,32]<br />
110<br />
Du (Lepidus) genießest ein so großes Ansehen, wie es bei<br />
einem Hochadligen sein muss.<br />
Wie sich kein patrizischer Manlier "Marcus" nennen<br />
darf, so hast du den Namen "Diktator" ganzlich<br />
getilgt.<br />
• Atque/ac und quam nach Ausdrücken der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit<br />
Ähnlich wie ein vergleichendes Relativpronomen oder -adverb leiten atque/ac und quam die<br />
Erläuterung eines bestimmten Aspekts ein, auf den im übergeordneten Satz durch einen Ausdruck<br />
der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit (quam nur danach) hingewiesen wird. Auch diese<br />
Nebensätze haben die syntaktische Funktion eines Attributs.
Neque vero Brutum similiter, atque ipse eram,<br />
commotum esse vidi.<br />
[Phil.1,9]<br />
Quid de vestro iure et religione contra, quam<br />
proposueram, disputo?<br />
[dom.122)<br />
Tum Liscus proponit: Esse nonnullos, qui privatim<br />
plus possint quam ipsi magistratus.<br />
[Gall.1,17,1]<br />
Aber ich sah, dass Brutus durchaus nicht in<br />
ähnlicher Weise erschüttert war, wie ich selbst es<br />
war.<br />
Warum spreche ich anders, als ich angekündigt<br />
hatte, über eure Satzung und euren Kult?<br />
Da sagte Liscus: Es gebe einige, die als<br />
Privatpersonen mehr Einfluss hätten als selbst die<br />
Beamten.<br />
Ausdrücke der Gleichheit, Ähnlichkeit oder Verschiedenheit:<br />
- Gleichheit:<br />
idem (derselbe), aequus (gleich), aeque (gleich), par (gleich), pariter (gleich) - atque/ac (wie)<br />
- Ähnlichkeit:<br />
similis (ähnlich), similiter (ähnlich) - atque/ac (wie)<br />
- Verschiedenheit:<br />
alius (ein anderer), aliter (anders), contrarius (entgegengesetzt), contra - atque/ac/quam (als /<br />
zum);<br />
Adjektive und Adverbien im Komparativ - quam (als)<br />
(Nach komparativischen Verben hat quam ebenfalls die Bedeutung als, leitet jedoch keinen<br />
ver-gleichenden Relativsatz ein.)<br />
Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen das gleiche Prädikat nicht gern wiederholt, so dass<br />
statt eines vollständigen vergleichenden Relativsatzes häufig nur ein Vergleich steht:<br />
Hi (dei) coluntur aeque atque illi.<br />
[nat.deor.3,45]<br />
Diese (Götter) werden gleich wie jene verehrt.<br />
• Quam beim Superlativ: möglichst<br />
Bei einem Adjektiv oder Adverb im Komparativ bedeutet quam möglichst. Gewöhnlich ist der<br />
Superlativ, der durch den quam-Satz erläutert wird, in den quam-Satz hineingezogen, so dass<br />
dieser frei übersetzt werden muss. Syntaktisch verwirklicht ein quam-Satz mit hineingezogenem<br />
Superlativ ein Adverbiale. Statt eines vollständigen quam-Satzes mit Prädikat steht häufig nur<br />
quam bei Superlativ.<br />
Caesar, quam maximis potest itineribus, in Galliam<br />
ulteriorem contendit.<br />
[Gall.1,7,1]<br />
Prospicere debemus, ut liberorum pueritia quam<br />
firmissimo praesidio munita sit.<br />
[Verr.2,1,153]<br />
111<br />
Caesar begab sich, so schnell er konnte, nach<br />
Gallia ulterior.<br />
Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugendzeit der<br />
Kinder durch einen möglichst starken Schutz<br />
gesichert ist.<br />
Absoluter Relativsatz<br />
Ein absoluter Relativsatz ist ein Relativsatz, der sich nur inhaltlich auf den übergeordneten Satz<br />
bezieht (deshalb wird er auch "Satzapposition" genannt"), syntaktisch jedoch unabhängig von ihm<br />
ist. Er hat kein – auch kein sinngemäß zu ergänzendes – Bezugswort im übergeordneten Satz und<br />
verwirklicht ein Adverbiale.
Adverbiale<br />
Sapientes soli - quod est proprium divitiarum -<br />
contenti sunt suis rebus.<br />
Nur die Weisen sind - was sonst ein<br />
Kennzeichen von Reichtum ist - mit ihrem Hab<br />
und Gut zufrieden.<br />
[parad. 52]<br />
Sapientes<br />
soli<br />
- quod est proprium<br />
divitiarum -<br />
contenti sunt<br />
suis rebus<br />
• Arten des absoluten Relativsatzes<br />
Bei den absoluten Relativsätzen kann man folgende Arten unterscheiden:<br />
– einschränkendes quod (mit Konjunktiv) und quantum (mit Indikativ)<br />
Ein einschränkender Relativsatz schränkt die Aussage des übergeordneten Satzes ein. Er wird<br />
mit quod eingeleitet und steht im Konjunktiv, der im Deutschen jedoch nicht wiedergegeben<br />
wird. Alternativ kann quantum mit Indikativ stehen:<br />
Epicurus se unus, quod sciam, sapientem<br />
profiteri ausus est.<br />
[fin.2,7].<br />
Quae nemo adhuc docuerat, ea, quantum<br />
potui, feci ut essent nota nostris.<br />
[ac.1,8]<br />
Epikur wagte als einziger, soweit ich weiß, sich<br />
weise zu nennen.<br />
Ich habe daran gearbeitet, so gut ich konnte, dass<br />
diese Themen, die niemand zuvor gelehrt hatte,<br />
unseren Landsleuten bekannt wurden.<br />
– Satzapposition mit quod, id quod und quae res<br />
Wenn sich das Relativpronomen nicht auf ein Bezugswort im übergeordneten Satz, sondern auf<br />
diesen im Ganzen bezieht, bildet der Relativsatz eine Satzapposition ("weiterführender<br />
Relativsatz"):<br />
Si tu, quod te iam dudum hortor, exieris,<br />
exhaurietur ex urbe tuorum comitum magna et<br />
perniciosa sentina rei publicae.<br />
[Cat.1,12]<br />
Wenn du, wozu ich dich schon lange auffordere,<br />
Rom verlässt, werden deine Gefährten, der große<br />
und verderbliche Abschaum des Staates,<br />
abgeschöpft werden.<br />
– Vorausgehender quod-Satz ohne Bezugswort: was das anbelangt, dass / wenn<br />
Wenn quod ohne Bezugswort am Satzanfang steht, greift es häufig einen Gedanken auf. Es<br />
kann dann mit was das anbelangt, dass … oder mit wenn … übersetzt werden und der<br />
übergeordnete Satz lässt sich mit so wisse anschließen. Ob quod in diesem Fall noch als<br />
Relativpronomen oder schon als Subjunktion zur Einleitung eines Kausalsatzes des Inhalts zu<br />
verstehen ist, lässt sich nicht entscheiden.<br />
Caesar legatis Helvetiis respondet: Num<br />
recentium iniuriam memoriam deponere posse?<br />
Quod sua victoria tam insolenter gloriarentur,<br />
eodem pertinere.<br />
[Gall.1,14,4]<br />
112<br />
Caesar antwortete den helvetischen Gesandten:<br />
Ob er etwa die Erinnerung an ihre jüngstes Unrecht<br />
ablegen könne Wenn sie mit ihrem (früheren) Sieg<br />
so unverschämt prahlten, gehöre das zur gleichen<br />
Zumutung.
Der Begriff "Sub-junktion" verweist mit seinen lateinischen Bestandteilen darauf, dass eine<br />
Subjunktion einen Teilsatz mit einem anderen Teilsatz durch Unterordnung verbindet. Ähnlich<br />
sollen auch die Bezeichnungen "Nebensatz" und "Binnensatzglieder" auf die syntaktische<br />
Eingebundenheit in einen übergeordneten Satz hinweisen. Alle diese Begriffe zeugen jedoch<br />
lediglich von einer syntaktischen Hierarchie - der inhaltliche Schwerpunkt eines Satzes liegt häufig<br />
gerade im Subjunktionalsatz.<br />
Meistens nennen Subjunktionalsätze Umstände der Prädikatshandlung und verwirklichen somit ein<br />
Adverbiale. Es gibt jedoch unter ihnen eine Gruppe, die häufig auch die syntaktische Funktion<br />
eines Objekts, Subjekts oder Attributs ausüben kann. Wenn Kausalsätze, Finalsätze,<br />
Konsekutivsätze und quin-Sätze nicht einen Umstand zur Prädikatshandlung bezeichnen (weil,<br />
damit, so dass, ohne dass), sondern den Inhalt der Prädikatshandlung nennen (dass-Sätze), sind<br />
sie syntaktisch nicht Adverbiale, sondern Objekte, Subjekte oder Attribute. Dieser Unterschied ist<br />
in der <strong>Wachstafelngrammatik</strong> dadurch berücksichtigt, dass innerhalb des Kausalsatzes<br />
differenziert wird zwischen dem Kausalsatz des Grundes (Adverbiale) und Kausalsatz des<br />
erklärenden Inhalts (Objekt, Subjekt oder Attribut), innerhalb des Finalsatzes zwischen Finalsatz<br />
der Absicht (Adverbiale) und Finalsatz des begehrten, befürchteten und verhinderten Inhalts<br />
(Objekt, Subjekt oder Attribut) sowie innerhalb des Konsekutivsatzes zwischen Konsekutivsatz der<br />
Folge (Adverbiale) und Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts (Objekt, Subjekt oder Attribut).<br />
Kausalsatz<br />
Ein Kausalsatz erläutert ein Prädikat durch einen Grund (weil) oder einen erklärenden Inhalt<br />
(dass).<br />
Kausalsatz des Grundes (Adverbiale)<br />
Ein Kausalsatz des Grundes bezeichnet einen realen oder lediglich hypothetischen und<br />
abgelehnten Grund für eine Prädikatshandlung.<br />
– realer Grund:<br />
Quia natura mutari non potest, idcirco verae<br />
amicitiae sempiternae sunt.<br />
[Lael.32]<br />
– lediglich hypothetischer und abgelehnter Grund:<br />
Acta Caesaris servanda censeo, non quo<br />
probem, sed quia rationem habendam maxime<br />
arbitror pacis atque otii.<br />
[Phil.1,16]<br />
113<br />
Weil sich unsere Wesensart nicht verändert,<br />
deshalb dauern wahre Freundschaften ewig.<br />
Ich bin der Meinung, dass die Anordnungen<br />
Caesars eingehalten werden sollten – nicht als ob<br />
ich sie gut fände, sondern weil ich glaube, dass wir<br />
auf Frieden und Ruhe größte Rücksicht nehmen<br />
sollten.
Subjunktionen: Kausalsatz des Grundes<br />
quod [quod causale] weil Indikativ<br />
quia weil<br />
quoniam da ja<br />
quandoquidem da ja nun einmal<br />
siquidem da doch<br />
(praesertim/quippe/utpote) cum [causale] (zumal) da Konjunktiv<br />
non quo / non quod nicht als ob<br />
Der Kausalsatz des Grundes verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Adverbiale<br />
Horum omnium fortissimi sunt Belgae propterea,<br />
quod a cultu atque humanitate provinciae<br />
longissime absunt.<br />
Die tapfersten von diesen allen sind die Belger<br />
deswegen, weil sie von der Kultur und Zuvilisation<br />
der Provinz am weitesten entfernt sind.<br />
[Gall.1,1,3]<br />
Belgae<br />
propterea,<br />
quod a cultu ... absunt.<br />
Horum ... sunt<br />
• Mögliche Kausalsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />
propterea/ideo/idcirca deswegen eo minus um so weniger<br />
eo magis um so mehr ob eam rem deswegen<br />
eo ipso gerade deswegen<br />
Kausalsatz des erklärenden Inhalts (Objekt oder Subjekt)<br />
Ein Kausalsatz des erklärenden Inhalts erläutert eine – eventuell um ein Adverb erweiterte –<br />
Prädikatshandlung durch eine Tatsache.<br />
Subjunktion: Kausalsatz des erklärenden Inhalts<br />
quod [faktisches quod] dass Indikativ<br />
Der Kausalsatz des erklärenden Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />
Subjekt<br />
Accidit perincommode, quod Quintum fratrem<br />
nusquam vidisti.<br />
Es war sehr bedauerlich, dass du meinen Bruder<br />
Quintus nirgends gesehen hast.<br />
[Att.1,17,2]<br />
114<br />
perincommode<br />
quod Quintum fratrem<br />
nusquam vidisti.<br />
Accidit
• Erläuterte Wörter<br />
– unpersönliches accidit/evenit/fit + beurteilendes Adverb:<br />
Bene accidit, quod Es trifft sich gut, dass<br />
ades.<br />
du da bist.<br />
– Verben des Hinzukommens und Übergehens:<br />
Accessit etiam, quod<br />
pars equitatus<br />
Usipe-tum se in fines<br />
Sugam-brorum<br />
receperat.<br />
[Gal.4.16.2]<br />
Hinzu kam noch, dass<br />
sich ein Teil der<br />
Reite-rei der Usipeter<br />
ins Gebiet der<br />
Sugambrer<br />
zurückgezogen hatte.<br />
Nach Verben des Hinzukommens und<br />
Überge-hens kann auch ein Konsekutivsatz des<br />
sich ergebenden Inhalts stehen (ut), obwohl<br />
diese Nebensätze nicht wirklich eine Folge des<br />
überge-ordneten Satzes bezeichnen.<br />
– Verben des Gefühls sowie des Dankens, Lobens und Tadelns wie:<br />
gaudere, laetari sich freuen Nach Verben des Gefühls bezeichnet der<br />
lugere, dolere trauern<br />
quod-Satz ein Ereignis objektiver Art, ein AcI<br />
indignari empört sein<br />
dagegen ein subjektiv wahrgenommenes und<br />
aegre/graviter/moleste ärgerlich sein empfun-denes Ereignis. Meistens ist dieser<br />
ferre<br />
Unterschied kaum erkennbar (bei Cicero<br />
mirari sich wundern überwiegt der AcI).<br />
admirari bewundern<br />
gratias agere Dank sagen<br />
gratiam habere dankbar sein<br />
gratiam referre Dank abstatten<br />
laudare loben<br />
reprehendere tadeln<br />
accusare anklagen aber:arguere mit AcI<br />
• Konjunktiv im Kausalsatz des erklärenden Inhalts<br />
Konjunktiv steht dann im Kausalsatz des erklärenden Inhalts, wenn die Erklärung stark subjektiven<br />
Charakter hat:<br />
Theophrastus naturam accusavit, quod hominibus<br />
tam exiguam vitam dedisset.<br />
[Tusc.3,69]<br />
Theophrast klagte die Natur an, dass sie den<br />
Menschen ein so kurzes Leben gegeben habe.<br />
• Kausalsatz des erklärenden Inhalts mit präparativem Pronomen oder Explikativsatz?<br />
Wenn ein Pronomen Mittlerfunktion zwischen einem Verb, das gewöhnlich durch quod-Satz<br />
erläutert wird, und dem quod Satz hat, liegt ein Kausalsatz des erklärenden Inhalts mit<br />
präparativem Pronomen ("uneigentlicher Explikativsatz") vor.<br />
Illud imprimis mihi laetanmodo iure esse video,<br />
quod mihi causa talis oblata est, in qua oratio<br />
deesse nemini possit.<br />
[Manil.3]<br />
Ich erkenne, dass ich mich mit gutem Grund<br />
besonders darüber freuen muss, dass mir ein Fall<br />
angetragen wurde, bei dem niemandem der<br />
Redestoff ausgehen kann.<br />
Wenn der quod-Satz nach einem Pronomen aus syntaktischen oder semantischen Gründen<br />
jedoch nicht als Subjekt oder Objekt des Prädikats (oder Binnenprädikats) verstanden werden<br />
kann, handelt es sich um einen Explikativsatz.<br />
– Beispiel 1: Der quod-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu differre sein, da in diesem Satz<br />
Galli Subjekt ist und differre in der Bedeutung sich unterscheiden intransitiv gebraucht wird<br />
(syntaktischer Grund):<br />
Galli hoc ab reliquis differunt, quod suos<br />
li-beros palam ad se adire non patiuntur.<br />
[de orat.3,150]<br />
115<br />
Die Gallier unterscheiden sich von den anderen<br />
Menschen dadurch, dass sie nicht erlauben, dass<br />
ihre Kinder in der Öffentlichkeit auf sie zugehen.
– Beispiel 2: Der quod-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu probo sein, da probare sonst durch<br />
AcI erläutert wird (semantischer Grund):<br />
Minime vero illud probo, quod dicitis initia<br />
proponi necesse esse apta et accomodata<br />
naturae, quorum ex selectione virtus possit<br />
exsistere.<br />
[fin.1,4,46]<br />
Keinesfalls aber billige ich jenes, nämlich dass<br />
ihr sagt, man müsse sich naturgemäße<br />
Vorstufen vorstellen, aus deren Wahl die Tugend<br />
hervorgehen könne.<br />
Finalsatz<br />
Ein Finalsatz nennt eine Absicht (damit; um zu) oder einen begehrten Inhalt (dass).<br />
• Verneinung im Lateinischen bei der Subjunktion und im Deutschen beim Pronomen oder<br />
Adverb<br />
Im negativen Finalsatz wird im Lateinischen die Subjunktion verneint, im Deutschen dagegen das<br />
Pronomen oder Adverb:<br />
Decrevit quondam senatus, uti L. Opimius consul<br />
videret, nequid res publica detrimenti caperet.<br />
[Cat.1,4]<br />
Einst hat der Senat beschlossen, dass der Kon-sul<br />
L. Opimius dafür sorgen möge, dass der Staat<br />
keinen Schaden nehme.<br />
Häufige Verbindungen mit ne:<br />
ne quis dass/damit niemand ne quando dass/damit nicht einmal<br />
ne quid dass/damit nichts ne umquam dass/damit niemals<br />
ne usquam dass/damit nirgends necubi dass/damit nirgendwo<br />
Finalsatz der Absicht (Adverbiale)<br />
Ein Finalsatz der Absicht nennt die Absicht einer Prädikatshandlung.<br />
ut [finale] damit / um zu<br />
ne damit nicht<br />
ut … neque/neve/neu damit … und damit nicht<br />
Subjunktionen: Finalsatz der Absicht<br />
ne … neve damit nicht … und damit nicht<br />
quo (vor Komparativ) damit desto<br />
116<br />
Der Finalsatz der Absicht verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Konjunktiv<br />
(innerlich abhängig)
Adverbiale<br />
Helvetii frumentum omne comburunt, ut<br />
paratiores ad omnia pericula subeunda essent.<br />
Die Helvetier verbrannten alles Getreide, damit<br />
sie umso entschlossener wären alle Gefahren<br />
auf sich zu nehmen.<br />
[Gall.1,5,3]<br />
Helvetii<br />
frumentum omne<br />
ut paratiores ad omnia<br />
pericula subeunda essent.<br />
comburunt,<br />
• Übersetzung mit um zu<br />
Bei gleichem Subjekt im übergeordneten Satz und im ut-Satz wird im Deutschen ein erweiterter<br />
Infinitiv (um zu) für die Übersetzung des ut-Satzes bevorzugt:<br />
Helvetii frumentum omne comburunt, ut paratiores<br />
ad omnia pericula subeunda essent.<br />
[Gall.1,5,3]<br />
Die Helvetier verbrannten alles Getreide, um umso<br />
entschlossener alle Gefahren auf sich zu nehmen.<br />
Finalsatz des begehrten Inhalts („Abhängiger Begehrsatz“, Objekt, Subjekt)<br />
Ein Finalsatz des begehrten Inhalts nennt den Inhalt des durch das Prädikat bezeichneten<br />
Begehrens.<br />
ut dass, zu-Infinitiv<br />
(keine Subjunktion) dass, zu-Infinitiv<br />
Subjunktionen: Finalsatz des begehrten Inhalts<br />
ne dass nicht, nicht mit zu-Infinitiv<br />
Der Finalsatz des begehrten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />
Objekt<br />
Orgetorix persuadet Castico Catamantaloedis<br />
filio Sequano, ut regnum in civitate sua<br />
occuparet.<br />
Orgetorix überredete den Sequaner Casticus,<br />
den Sohn des Catamantaloedes, dass er die<br />
Herrschaft in seinem Stamm an sich reiße.<br />
[Gall.1,3,4]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
Orgetorix<br />
Castico, Catamantaloedis<br />
filio, Sequano,<br />
ut regnum in civitate sua<br />
occuparet.<br />
Konjunktiv<br />
(innerlich abhängig)<br />
persuadet<br />
– Verben des Forderns, Bittens und Wünschens wie:<br />
hortari, monere (dazu) ermahnen<br />
postulare, flagitare fordern<br />
imperare, edicere befehlen aber: iubere mit AcI<br />
optare wünschen aber: velle und cupere mit Infinitiv bzw. AcI<br />
rogare, petere bitten<br />
117
– Verben des Veranlassens, Beschließens und Bewirkens wie:<br />
adducere, impellere veranlassen<br />
Soll eine Wirkung als unbeabsichtigt bezeichnet<br />
werden, steht nach diesen Verben ut [consecu-<br />
facere, efficere bewirken<br />
tivum]. Der Unterschied zum ut [finale] ist jedoch<br />
nur in negativen Sätzen erkennbar (ut non statt<br />
ne).<br />
– Verben des Strebens und Sorgens:<br />
id agere danach streben<br />
(id) studere sich darum bemühen<br />
curare, laborare sich bemühen<br />
– Verben des Sagens und videre, wenn sie ein Begehren bezeichnen:<br />
censere dafür stimmen in der Bedeutung der Ansicht sein mit AcI<br />
concedere erlauben in der Bedeutung zugeben mit AcI<br />
contendere sich bemühen in der Bedeutung behaupten mit AcI<br />
decernere, statuere,<br />
constituere<br />
beschließen<br />
ut-Satz nur bei Subjektswechsel, bei<br />
Subjekts-gleichheit dagegen bloßer Infinitiv.<br />
dicere verlangen in der Bedeutung meinen, sagen mit AcI<br />
monere mahnen; warnen in der Bedeutung daran erinnern mit AcI<br />
videre dafür sorgen in der Bedeutung sehen mit AcI<br />
• Finalsatz des begehrten Inhalts ohne Subjunktion<br />
Nach Verben des Bittens, Aufforderns und Wünschens sowie nach necesse est und oportet fehlt<br />
häufig die Subjunktion ut:<br />
Caesar consolatus rogat, finem orandi faciat Caesar tröstete ihn (den Diviciacus) und bat ihn<br />
[Gall.1,20,5]<br />
Bene laudata virtus voluptatis aditus intercludat,<br />
necesse est.<br />
[fin.2,118]<br />
das Bitten zu beenden.<br />
Tugend, auf die eine gute Lobesrede gehalten<br />
wurde, muss die Zugänge zur Lust verschließen.<br />
• Finalsatz des begehrten Inhalts nach präparativem Pronomen<br />
Manchmal verweist ein substantivisches Pronomen auf einen Finalsatz des begehrten Inhalts:<br />
Hoc te primum rogo, ne contrahas ac demittas<br />
animum.<br />
[ad Q.fr.1,1,4]<br />
Darum bitte ich dich besonders, dass du dich nicht<br />
verkriechst und den Mut sinken lässt.<br />
Dieser Fall liegt auch bei den Ausdrücken id studere, ut und id agere, ut vor.<br />
118<br />
Finalsatz des befürchteten Inhalts (Objekt, Subjekt)<br />
Ein Finalsatz des befürchteten Inhalts ergänzt einen Ausdruck des Fürchtens dadurch, dass er<br />
den Gegenstand der Furcht nennt. Während ne im Finalsatz der Absicht dass nicht bedeutet, ist<br />
es im Finalsatz des befürchteten Inhalts mit dass zu übersetzen, da dieser aus einem verneinten<br />
selbstständigen Wunschsatz entstanden sind.<br />
Subjunktionen: Finalsatz des befürchteten Inhalts<br />
ne dass, zu-Infinitiv Konjunktiv<br />
(innerlich abhängig)<br />
ne non / (selten: ) ut dass nicht
Der Finalsatz des befürchteten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />
Subjekt<br />
Si te interfici iussero, erit verendum mihi, ne non<br />
hoc potius omnes boni serius a me quam<br />
quisquam crudelius factum esse dicat.<br />
Wenn ich befehle, dass du getötet wirst, werde<br />
ich fürchten müssen, dass eher irgendjemand<br />
sagt dies sei von mir zu grau- sam angeordnet<br />
worden, als dass alle Guten sagen. dies sei von<br />
mir zu spät angeordnet worden.<br />
[Cat.1,5]<br />
Si te, Catilina, interfici<br />
iussero,<br />
mihi<br />
ne non hoc potius omnes<br />
boni serius a me ... dicat.<br />
• Erläuterte Wörter<br />
Ein Finalsatz des befürchteten Inhalts steht nach Verben und Ausdrücken des Fürchtens<br />
(Subjunktion ne) wie:<br />
- timere, metuere fürchten<br />
- periculum est es besteht die Gefahr<br />
erit verendum,<br />
• Finalsatz des befürchteten Inhalts nach präparativem Pronomen<br />
Manchmal verweist ein substantivisches Pronomen auf einen Finalsatz des befürchteten Inhalts<br />
("uneigentlicher Explikativsatz"):<br />
Illud timeo, ne mihi sit invidiosum aliquando, quod<br />
illum emiserim potius quam eiecerim.<br />
[Cat.2,15]<br />
Davor habe ich Angst, dass mir einmal hasserfüllt<br />
vorgeworfen wird, dass ich jenen nur hinausgeschickt<br />
statt hinausgeworfen habe.<br />
Finalsatz des verhinderten Inhalts (Objekt, Subjekt)<br />
Ein Finalsatz des verhinderten Inhalts ergänzt einen Ausdruck des Hinderns, Fehlens oder<br />
Widerstehens dadurch, dass er das Verhinderte, Fehlende oder Widerstehende nennt. Wie im<br />
Finalsatz des befürchteten Inhalts bedeutet ne im Finalsatz des verhinderten Inhalts dass.<br />
Außerdem kann die Subjunktion quominus stehen und nach verneintem Prädikat auch quin, das<br />
aus dem selbstständigen Fragewort warum nicht? zur Subjunktion wurde.<br />
Subjunktionen: Finalsatz des verhinderten Inhalts<br />
ne dass, zu-Infinitiv<br />
quominus dass, zu-Infinitiv<br />
quin<br />
(nur nach verneinten Verben des Hinderns und<br />
unpersönlichen Ausdrücken des Fehlens<br />
möglich)<br />
dass, zu-Infinitiv<br />
Der Finalsatz des verhinderten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder Subjekt.<br />
119<br />
Konjunktiv<br />
(innerlich abhängig)
Objekt<br />
Non deterret sapientem mors, quominus in omne<br />
tempus rei publicae suisque consulat.<br />
Einen Weisen wird der Tod nicht daran hindern,<br />
dass er sich die ganze Lebenszeit lang um den<br />
Staat und seine Angehörigen kümmert.<br />
[Tusc.1,91]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– Verben des Hinderns wie:<br />
impedire hindern<br />
deterrere abschrecken<br />
prohibere abhalten<br />
interdicere, ne (s.u.) verbieten<br />
– unpersönliche Ausdrücke des Fehlens wie:<br />
non multum abest, es fehlt nicht viel<br />
quin<br />
daran<br />
paulum abest, quin es fehlt nur wenig<br />
daran<br />
– Verben des Widerstehens wie:<br />
obstare im Wege stehen<br />
ob-/resistere sich widersetzen<br />
recusare sich weigern<br />
cavere, ne (s. u.) sich davor in Acht<br />
nehmen<br />
sapientem<br />
mors<br />
quominus in omne tempus<br />
rei publicae suis. consulat.<br />
Non deterret<br />
Ohne Verneinung stehen die unpersönlichen<br />
Ausdrücke des Fehlens mit ut.<br />
• interdicere und cavere nur mit ne<br />
Nach interdicere und cavere kann ein verhinderter Inhalt im Lateinischen nur mit der Subjunktion<br />
ne (nicht quominus und quin) angeführt werden.<br />
Intermisso equitatu Caesar iter Haeduorum<br />
mora-tur atque impedit interdicitque omnibus,<br />
nequemquam interficiant.<br />
[Gall.7,40,4]<br />
Cavendum est, praesertim si ipse aedfices, ne<br />
extra modum sumptu et magnificentia prodeas.<br />
[off.1,140]<br />
120<br />
Caesar ließ seine Reiterei vorrücken und<br />
verzö-gerte und behinderte dadurch das<br />
Weitermar-schieren der Häduer. Allen seinen<br />
Leuten verbot er irgendjemanden zu töten.<br />
Man muss sich davor in Acht nehmen, beson-ders<br />
wenn man selbst Bauherr ist, dass man hinsichtlich<br />
Kosten und Großartigkeit den Rahmen sprengt.<br />
Konsekutivsatz<br />
Ein Konsekutivsatz nennt eine Folge (so dass oder nur dass) oder einen sich ergebenden Inhalt<br />
(dass).
Konsekutivsatz der Folge (Adverbiale)<br />
Ein Konsekutivsatz bezeichnet als Adverbiale eine – häufig nicht geplante – sich ergebende Folge.<br />
Subjunktionen: Konsekutivsatz der Folge<br />
ut [consecutivum] (so) dass<br />
ut non dass nicht<br />
quam ut (nach Komparativ) als dass<br />
Der Konsekutivsatz der Folge verwirklicht ein Adverbiale.<br />
Adverbiale<br />
Mons altissimus impendebat, ut facile perpauci<br />
prohibere possent.<br />
Ein sehr hohes Gebirge ragte darüber (über den<br />
Auswanderungsweg), so dass ganz wenige<br />
Leute ihn leicht sperren konnten.<br />
[Gall.1,6,1]<br />
Mons altissimus<br />
ut facile perpauci prohibere<br />
possent.<br />
Konjunktiv<br />
impendebat,<br />
• Tempus<br />
Im Konsekutivsatz kann von der Consecutio temporum abgewichen werden, wenn eine Folge als<br />
überzeitliche Tatsache dargestellt werden soll.<br />
Verres Siciliam ita perdidit, ut ea restitui in<br />
antiquum statum nullo modo possit.<br />
[Verr.1,12]<br />
• Bloßes quam nach potius und prius<br />
Nach potius und prius kann ut fehlen.<br />
„Depugna“ inquis „potius quam servias!“<br />
[Att.7,7,7]<br />
Verres hat Sizilien derartig ruiniert, dass eine<br />
Wie-derherstellung des alten Zustands umnöglich<br />
ist.<br />
Kämpfe lieber um die Entscheidung, als dass du<br />
dich (Caesar) unterwirfst!<br />
• Mögliche Konsekutivsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />
talis, tale so beschaffen tam (vor Adjektiven) so<br />
tantus/a/um so groß adeo / tantopere so sehr<br />
ita / sic (vor Verben) so<br />
121<br />
• "Ohne dass" (quin)<br />
Nach verneintem übergeordnetem Satz kann ut non häufig mit ohne dass übersetzt werden.<br />
Eigentlich bezeichnet ein solchere Nebensatz jedoch keine Folge, sondern eine Art und Weise.<br />
Die Subjunktion quin in der Bedeutung ohne dass ist deshalb in der Wachstafengrammatik nicht<br />
dem Konsekutivsatz, sondern dem Modalsatz zugeordnet.<br />
Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts (Subjekt)<br />
Ein Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts erläutert eine Prädikatshandlung durch Angabe<br />
einer Wirkung.
Subjunktionen: Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts<br />
ut [consecutivum] dass<br />
ut non dass nicht<br />
Der Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts verwirklicht ein Subjekt.<br />
Subjekt<br />
His rebus fiebat, ut Helvetii minus late vagarentur<br />
et minus facile finitimis bellum inferre possent.<br />
So kam es, dass die Helvetier weniger weit<br />
umherschweifen und weniger leicht die<br />
Nachbarn angreifen konnten.<br />
[Gall.1,2,4]<br />
His rebus<br />
ut Helvetii minus late<br />
vagarentur et ... possent.<br />
Konjunktiv<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– unpersönliche Ausdrücke des Geschehens und Übrigbleibens wie:<br />
accidit, evenit, fit es ereignet sich aber: bene/male/ accidit/evenit/fit, quod<br />
contingit es gelingt<br />
accedit es kommt hinzu<br />
relinquitur, restat es bleibt noch übrig<br />
est es ist der Fall<br />
– Verben des Bewirkens wie:<br />
facere, efficere bewirken<br />
committere verschulden<br />
fiebat,<br />
Nach Verben des Hinzukommens kann auch ein<br />
Kausalsatz des erklärenden Inhalts stehen<br />
(quod), da Nebensätze nach Verben des<br />
Hinzukommens nicht wirklich eine Folge des<br />
übergeordneten Satzes bezeichnen.<br />
Soll eine Wirkung als beabsichtigt bezeichnet<br />
werden, steht nach diesen Verben ut finale. Der<br />
Unterschied zum ut consecutivum ist jedoch nur<br />
in negativen Sätzen erkennbar.<br />
– unpersönliche Ausdrücke des logisch Folgens:<br />
sequitur, efficitur es folgt daraus auch sequi/efficere mit AcI möglich<br />
• Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts mit präparativem Pronomen oder<br />
Explikativsatz?<br />
Wenn ein Pronomen lediglich Mittlerfunktion zwischen einem Verb, das gewöhnlich durch<br />
konsekutiven ut-Satz erläutert wird, und dem ut-Satz hat, liegt ein Konsekutivsatz des sich<br />
ergebenden Inhalts mit präparativem Pronomen vor.<br />
Ex quo efficitur illud, ut is agnoscat deum, qui,<br />
unde ortus sit, quasi recordetur ac noscat.<br />
[leg.1,25]<br />
122<br />
Daraus schließt man dies, dass derjenige Gott<br />
erkennt, der sich sozusagen erinnert, woher er<br />
stammt.<br />
Wenn der ut-Satz nach einem Pronomen aus syntaktischen oder semantischen Gründen jedoch<br />
nicht als Subjekt des übergeordneten Verbs verstanden werden kann, handelt es sich um einen<br />
Explikativsatz.
– Beispiel 1: Der ut-Satz kann kein Subjekt oder Objekt zu esse sein, da in diesem Satz libertas<br />
Subjekt ist und esse grundsätzlich ohne Objekt steht (syntaktischer Grund):<br />
Libertas non in eo est, ut iusto utamur domino,<br />
sed ut nullo.<br />
[rep.2,43]<br />
Freiheit besteht nicht darin, einen gerechten Herrn<br />
zu haben, sondern darin, überhaupt keinen Herrn<br />
zu haben.<br />
– Beispiel 2: Der ut-Satz kann kein Subjekt zu apparet sein, da apparere sonst durch AcI erläutert<br />
wird (semantischer Grund):<br />
Hoc apparet in bestiis, volucribus nantibus<br />
agrestibus, ut se ipsae diligant.<br />
[Lael.81]<br />
Dies ist offenbar bei den Tieren, den Vögeln,<br />
Fischen und Landtieren, nämlich dass sie sich<br />
selbst lieben.<br />
Explikativsatz (Attribut)<br />
Ein Explikativsatz erläutert, anders als der Kausal-, Final- und Konsekutivsatz, kein Prädikat (oder<br />
Binnenprädikat), sondern ein substantivisches Pronomen im Neutrum oder ein - eventuell durch<br />
ein Pronomen bestimmtes - Substantiv. Deshalb hat ein Explikativsatz ausschließlich die<br />
syntaktische Funktion eines Attributs und seine Subjunktionen quod und ut können häufig mit<br />
nämlich dass übersetzt werden. Die semantische Funktion eines Explikativsatzes lässt sich nicht<br />
näher bestimmen, da die erläuterten Pronomina im Neutrum inhaltsleer bzw. die erläuterten<br />
Substantive ganz verschieden sind.<br />
Subjunktion: Explikativsatz<br />
quod (nämlich) dass Indikativ<br />
ut (nämlich) dass Konjunktiv<br />
Attribut (zu einem Pron.)<br />
Galli hoc ab reliquis differunt, quod suos liberos<br />
palam ad se adire non patiuntur.<br />
Die Gallier unterscheiden sich von den übrigen<br />
Völkern dadurch, dass sie ihren Kindern nicht<br />
erlauben, in der Öffentlichkeit zu ihnen zu<br />
kommen.<br />
[Gall.6,18,3]<br />
Attribut (zu einem Pron. bei einem<br />
Substantiv)<br />
Caesar suum in Ariovistum beneficium<br />
commemoravit, quod rex appellatus esset.<br />
Caesar erinnerte an seine Wohltat gegenüber<br />
Ariovist, nämlich dass er den Titel König erhalten<br />
habe. [Gall.1,43,4]<br />
123<br />
Galli<br />
ab reliquis<br />
hoc<br />
quod ... non patiantur.<br />
Caesar<br />
suum in Ariovist. beneficium,<br />
quod rex appellatus esset.<br />
differunt,<br />
commemoravit,
Attribut (zu einem Substantiv)<br />
Consuetudo Lusitanorum est, ut sine utribus ad<br />
exercitum non eant.<br />
Bei den Lusitanern besteht die Gewohnheit, nur<br />
mit Lederschläuchen zum Heer zu gehen.<br />
[civ.1,48,7]<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– substantivisches Pronomen im Neutrum:<br />
id<br />
dies<br />
illud<br />
hoc<br />
eo deshalb<br />
ex/in eo daraus/darin<br />
Consuetudo Lusitanorum<br />
ut sine utribus ... non eant.<br />
– Substantiv (häufig im Nominativ neben est):<br />
vitium<br />
mos<br />
Wenn auf ein Substantiv mit est ein erläuterndes<br />
munus<br />
quod oder ut folgt, fungiert est als Vollverb (es gibt)<br />
consuetudo<br />
tempus<br />
• Quod- und ut-Sätze nach Demonstrativpronomina<br />
Quod- und ut-Sätze nach einem Demonstrativpronomen erläutern entweder nur dieses<br />
Demonstrativpronomen oder eigentlich das Prädikat. Im ersten Fall liegt ein Explikativsatz vor, im<br />
zweiten ein Kausal-, Final- oder Konsekutivsatz mit präparativem Pronomen. Im Deutschen ist der<br />
Unterschied kaum erkennbar, da alle diese Sätze mit dass übersetzt werden können. Eine<br />
Übersetzung mit nämlich dass ist allerdings nur bei einem Explikativsatz sinnvoll. Syntaktisch<br />
liegen im ersten Fall Ergänzungen zu Prädikatsverben vor, im zweiten Fall Attribute zu Nomina.<br />
quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
Ein quin-Satz des unbezweifelten Inhalts erläutert verneinte Ausdrücke des Zweifelns dadurch,<br />
dass er einen unbezweifelten Inhalt nennt. Zu quin nach verneinten Verben des Hinderns und<br />
Fehlens s. "Finalsatz des verhinderten Inhalts", zu quin nach beliebigen übergeordneten Verben s.<br />
"Konsekutivsatz der Folge".<br />
quin<br />
(nach verneinten Ausdrücken des Zweifelns)<br />
Subjunktionen: quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
dass, zu-Infinitiv<br />
Der quin-Satz des unbezweifelten Inhalts verwirklicht ein Objekt oder ein Subjekt.<br />
124<br />
est,<br />
Konjunktiv
Objekt<br />
In criminibus Verris non dubito, quin offensionem<br />
neglegentiae vitare atque effugere non possim.<br />
Bei den Verbrechen des Verres bezweifle ich<br />
nicht, dass ich dem Vorwurf der<br />
Unvollständigkeit nicht entkommen kann.<br />
[Verr.2,1,103]<br />
In criminibus Verris<br />
quin offensionem ...<br />
effugere non possim.<br />
non dubito,<br />
• Erläuterte Wörter<br />
– verneinte Verben und Ausdrücke des Zweifelns wie:<br />
non dubitare nicht daran zweifeln Ohne Verneinung steht dubitare in der<br />
Bedeutung zweifeln mit abhängigem Fragesatz.<br />
dubium non est es besteht kein Zweifel<br />
Konzessivsatz<br />
Ein Konzessivsatz bezeichnet als Adverbiale einen Einwand zur Prädikatshandlung, der auf der<br />
Realität oder einer bloßen Annahme (zum coni. potentialis und coni. irrelalis s. Tempora im<br />
Konjunktiv) basiert:<br />
– Einwand, der auf der Realität basiert:<br />
Quotienscumque me petisti, per me tibi obstiti,<br />
quamquam videbam perniciem meam cum<br />
magna calamitate rei publicae esse coniunctam.<br />
[Cat.1,11]<br />
Immer wenn du mich angegriffen hast, habe ich dir<br />
aus eigener Kraft Widerstand geleistet, obwohl ich<br />
sah, dass mein Verderben mit großem Unheil für<br />
den Staat verbunden wäre..<br />
– Einwand, der auf einer für möglich gehaltenen Annahme basiert (coni. potentialis):<br />
Haec si tecum, ita, ut dixi, patria loquatur, nonne<br />
impetrare debeat, etiamsi vim adhibere non<br />
possit?<br />
[Cat.1,19]<br />
Wenn Rom so, wie ich gesprochen habe, mit dir<br />
spräche, müsste es etwa nicht Gehör finden, auch<br />
wenn es keine Staatsgewalt anwenden könnte?<br />
– Einwand, der auf einer für unmöglich gehaltenen Annahme basiert (coni. irrealis):<br />
Tuis opibus et consulatu tuo, mi Brute, etiamsi<br />
timidi essemus, tamen omnem timorem<br />
abiceremus.<br />
[fam.11,21,4]<br />
Bezüglich deiner Streitmacht und deinem Konsulat<br />
würden wir, mein Brutus, selbst wenn wir ängstlich<br />
wären, dennoch alle Furcht ablegen.<br />
Subjunktionen: Konzessivsatz<br />
quamquam obwohl Indikativ<br />
125<br />
cum [concessivum] obwohl<br />
ut [concessivum] wenn auch<br />
quamvis wie sehr auch<br />
licet (nur mit Konjunktiv Präsens oder Perfekt) mag auch<br />
Konjunktiv<br />
etsi, tametsi, etiamsi wenn auch Indikativ oder Konjunktiv
Adverbiale<br />
Superiora scelera, quamquam ferenda non<br />
fuerunt, tamen tuli.<br />
Die früheren Verbrechen habe ich, obwohl sie<br />
unerträglich waren, dennoch ertragen.<br />
[Cat.1,18]<br />
Superiora scelera<br />
quamquam ... non fuerunt,<br />
tamen tuli.<br />
• Mögliche Konzessivsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />
tamen/attamen dennoch nihilo minus nichtsdestoweniger<br />
• Quamquam im Hauptsatz („quamquam correctivum“)<br />
Wenn quamquam einen Hauptsatz einleitet, dient es zur Einschränkung oder Berichtigung einer<br />
vorausgehenden Aussage.<br />
Quaero: Quid facturi fuistis? Quamquam, quid<br />
facturi fueritis, dubitem, cum videam, quid feceritis?<br />
[Ligar.24]<br />
Ich frage: Was wolltet ihr tun? Indessen – soll ich<br />
noch Zweifel hegen; was ihr tun wolltet, da ich doch<br />
sehe, was ihr getan habt?<br />
Adversativsatz<br />
Ein Adversativsatz bezeichnet als Adverbiale einen Gegensatz zum Prädikat.<br />
Subjunktionen: Adversativsatz<br />
cum [adversativum] während (dagegen) Konjunktiv<br />
Adverbiale<br />
Solus homo particeps est rationis, cum cetera<br />
animalia omnia sint experta.<br />
Allein der Mensch besitzt Vernunft, während alle<br />
übrigen Lebewesen daran keinen Anteil haben.<br />
[leg.1,22]<br />
126<br />
Temporalsatz<br />
Solus<br />
homo<br />
cum cetera animalia omnia<br />
sint experta.<br />
particeps est<br />
rationis,<br />
Ein Temporalsatz präzisiert als Adverbiale die Zeit der Ausführung einer Prädikatshandlung, indem<br />
er eine gleich-, vor- oder nachzeitige Handlung nennt. Dabei kann die zeitliche Erläuterung<br />
verschieden charakterisiert sein:
– allgemein (Wann findet die Handlung statt?):<br />
Bis consul fuerat P.Africanus et duos terrores<br />
huius imperii, Carthaginem Numantiamque,<br />
deleverat, cum accusavit L. Cottam<br />
[Mur.58]<br />
– Häufigkeit (Wie oft findet die Handlung statt?):<br />
Gubernatores cum delphinos se in portum<br />
conicientes viderunt, tempestatem significari<br />
putant.<br />
[div.2,145]<br />
– Dauer (Wie lang findet die Handlung statt?):<br />
Dum spiro, spero.<br />
[vgl. Att.9,10,3]<br />
– Beginn (Seit wann findet die Handlung statt?):<br />
Ipse, cum primum per anni tempus potuit, ad<br />
exercitum contendit.<br />
[Gall.3,9,2]<br />
Plane relegatus mihi videor, postquam in<br />
Formiano sum.<br />
[Att.2,11,1]<br />
– Ende (Bis wann findet die Handlung statt?):<br />
Nostri finem sequendi non fecerunt, quoad<br />
equites praecipites Britannos egerunt.<br />
[Gall.5,17,3]<br />
cum<br />
P.Africanus war zweimal Konsul gewesen und hatte<br />
zwei Schrecken unseres Reiches, Karthago und<br />
Numantia, zerstört, als er L. Cotta anklagte.<br />
Immer wenn Schiffsführer sehen, wie Delphine<br />
dem Hafen zuschwimmen, glauben sie, dass Sturm<br />
angezeigt werde.<br />
Ich hoffe, solange ich lebe.<br />
Er selbst begab sich, sobald die Jahreszeit es<br />
gestattete, zum Heer.<br />
Geradezu wie ein Verbannter komme ich mir vor,<br />
seitdem ich auf meinem Formianum bin.<br />
Unsere Leute brachen die Verfolgung nicht ab, bis<br />
unsere Reiter die Britannier ins Verderben trieben.<br />
Subjunktionen: Temporalsatz<br />
[historicum] als<br />
Erläuterung durch eine gleichzeitige oder vorzeitige<br />
Handlung.<br />
[temporale] als, wenn, wo<br />
Erläuterung durch eine einmalige Handlung.<br />
[iterativum] so oft, immer wenn<br />
alternativ: ubi, ut quisque, simulac, simulatque<br />
Erläuterung durch eine sich wiederholende Handlung.<br />
[inversum] als plötzlich<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />
erläuterte Handlung abbricht.<br />
cum (primum) sobald als<br />
alternativ: ubi /ut (primum), simul, simulac, simulatque<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />
erläuterte Handlung auslöst.<br />
127<br />
dum während<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche zur<br />
erläuterten Handlung parallel verläuft.<br />
Konjunktiv<br />
Indikativ<br />
Indikativ<br />
Indikativ<br />
Indikativ<br />
Indikativ Präsens
Subjunktionen: Temporalsatz<br />
solange als<br />
alternativ: quamdiu, donec<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche zur<br />
erläuterten Handlung exakt parallel verläuft.<br />
bis<br />
alternativ: donec, quoad<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche die<br />
erläuterte Handlung beendet.<br />
postquam nachdem<br />
Erläuterung durch eine vorzeitige Handlung<br />
priusquam /<br />
antequam<br />
seit(dem)<br />
alternativ: ut<br />
Erläuterung durch eine Handlung, welche mit der<br />
erläuterten Handlung begann.<br />
bevor<br />
Erläuterung durch eine nachzeitige oder vorzeitige<br />
Handlung (nachzeitig bei positiver erläuterter<br />
Handlung, vorzeitig bei negierter erläuterter<br />
Handlung).<br />
Adverbiale<br />
Caesari cum id nuntiatum esset eos per<br />
provinciam nostram iter facere conari, maturat ab<br />
urbe proficisci.<br />
Als Caesar dies gemeldet wurde, dass sie durch<br />
unsere Provinz ihren Weg zu nehmen<br />
versuchten, brach er eilig von Rom auf.<br />
[Gall.1,7,1]<br />
Caesari cum id nuntiatum<br />
esset eos ...facere conari,<br />
ab urbe proficisci.<br />
Indikativ<br />
Indikativ oder<br />
Konjunktiv<br />
Indikativ Perfekt<br />
Indikativ<br />
Indikativ oder<br />
Konjunktiv<br />
maturat<br />
• Konjunktiv im dum- und priusquam/antequam-Satz<br />
Konjunktiv steht im dum- und im priusquam/antequam-Satz nur – abgesehen von innerlich<br />
abhängigen Sätzen – bei finalem oder potentialem Nebensinn:<br />
antequam mit potentialem Nebensinn:<br />
Navalis hostis ante adesse potest, quam quisquam<br />
venturum esse suspicari queat.<br />
[rep.2,6]<br />
priusquam mit potentialem Nebensinn:<br />
Caesar, priusquam se hostes ex terrore et fuga<br />
reciperent, in fines Suessionum exercitum duxit.<br />
[Gall.2,12,1]<br />
dum mit finalem Nebensinn:<br />
Caesar, dum reliquae naves eo convenirent, ad<br />
horam nonam exspectavit,<br />
[Gall.4,23,4]<br />
Ein Feind zur See kann eher da sein, als<br />
irgendjemand Verdacht schöpfen könnte, dass er<br />
kommen wird.<br />
Caesar führte sein Heer in das Gebiet der<br />
Suessionen, bevor sich die Feinde nach ihrem<br />
Schrecken und ihrer Flucht erholten.<br />
Caesar wartete bis zur neunten Stunde, damit die<br />
übrigen Schiffe bis dahin dort einträfen.<br />
• Mögliche Temporalsatz-Korrelate im übergeordneten Satz<br />
tum damals eo anno in diesem Jahr<br />
eo tempore zu der Zeit<br />
128
• Beachtung des Zeitverhältnisses im Lateinischen und im Deutschen<br />
Bei der Darlegung vergangener Ereignisse wird im Lateinischen das Zeitverhältnis gewöhnlich<br />
genau beachtet, im Deutschen dagegen nicht:<br />
Vercingetorix cum ad suos redisset, proditionis<br />
insimulatus est.<br />
[Gall.7,20,1]<br />
Als Vercingetorix zu seinem Stamm zurückkehrte,<br />
wurde er des Verrats angeklagt.<br />
Lediglich bei den Verben des Sagens und Fragens wird auch im Lateinischen das Zeitverhältnis<br />
vernachlässigt.<br />
Cum ab Africano quidam vetus adsectator non<br />
impetraret, uti se praefectum in Africam duceret,<br />
"Noli", inquit, "mirari, si tu hoc a me non impetras.<br />
[Verr.2,2,29]<br />
Als ein alter Anhänger von (Scipio) Africanus nicht<br />
erwirken konnte, dass er ihn als Präfekten nach<br />
Afrika mitnahm, sagte Africanus: "Wundere dich<br />
nicht, wenn du dies nicht von mir erwirken kannst."<br />
Konditionalsatz<br />
Ein Konditionalsatz nennt als Adverbiale eine Bedingung für das Eintreten der Handlung des<br />
übergeordneten Satzes. Dabei kann im Deutschen durch die Wahl des Modus signalisiert werden,<br />
für wie wahrscheinlich man die Erfüllung der Bedingung hält: Bei Indikativ verzichtet der Sprecher<br />
auf eine Stellungnahme, bei Konjunktiv II beurteilt er die Erfüllung der Bedingung als möglich<br />
(potentialer Fall) oder unmöglich (irrealer Fall). Im Lateinischen kann zusätzlich durch die Wahl<br />
des Tempus zwischen potentialem Fall (Konjunktiv Präsens/Perfekt und Konjunktiv Imperfekt) und<br />
irrealem Fall (Konjunktiv Imperfekt und Konjunktiv Plusquamperfekt) unterschieden werden. Somit<br />
ergeben sich im Lateinischen folgende Möglichkeiten:<br />
– Sprecher nimmt nicht Stellung zur Erfüllung der Bedingung (indefiniter Fall):<br />
Si pace frui volumus, bellum gerendum est.<br />
[Phil.7,19]<br />
Wenn wir Frieden genießen wollen, müssen wir<br />
Krieg führen.<br />
– Sprecher kennzeichnet die Bedingung als erfüllbar [Coniunctivus potentialis]:<br />
Quam multa ioca solent esse in epistulis, quae<br />
prolata si sint, inepta videantur.<br />
[Phil.2,7]<br />
Wie viele witzige Bemerkungen sind gewöhnlich in<br />
Briefen, die, wenn sie veröffentlicht würden,<br />
unpassend erscheinen dürften.<br />
– Sprecher kennzeichnet die Bedingung als unerfüllbar [Coniunctivus irrealis]:<br />
Itaque, patres conscripti, si Ser. Sulpicio casus<br />
mortem attulisset, mortem eius non<br />
monumento, sed luctu publico esse ornandam<br />
putarem.<br />
[Phil.9,5]<br />
129<br />
Deshalb würde ich, Senatoren, wenn ein Zufall den<br />
Servius Sulpicius dahingerafft hätte, nicht glauben,<br />
dass sein Tod mit einem Denkmal, sondern<br />
lediglich durch Staatstrauer geehrt werden müsse.
Subjunktionen: Konditionalsatz<br />
si wenn<br />
nisi wenn nicht<br />
quodsi / quod si wenn nur<br />
si …, si minus wenn …, wenn nicht<br />
sin wenn aber<br />
nisi forte<br />
(Korrektur – häufig ironisch – einer Aussage)<br />
es müsste denn sein,<br />
dass<br />
sive … sive … / seu … seu … sei es dass … oder dass<br />
Adverbiale<br />
Convincam, si negas.<br />
Ich werde dich überführen, wenn du leugnest.<br />
[Cat.1,8]<br />
si negas.<br />
Indikativ oder Konjunktiv<br />
Convincam,<br />
• Modi und Tempora<br />
Modi und Tempora hängen davon ab, wie der Sprecher die Bedingung hinsichtlich ihrer<br />
Erfüllbarkeit (indefiniter, potentialer oder irrealer Fall) und zeitlichen Dimension (Gegenwart oder<br />
Vergangenheit) kennzeichnet (s.dazu die Übersicht "Konjunktiv"):<br />
- indefiniter Fall:<br />
Indikativ<br />
- potentialer Fall:<br />
Konjunktiv Präsens oder Perfekt für Gegenwart, Konjunktiv Imperfekt für Vergangenheit (fast<br />
nur für man)<br />
- irrealer Fall:<br />
Konjunktiv Imperfekt für Gegenwart, Konjunktiv Plusquamperfekt für Vergangenheit<br />
• Nisi und si non<br />
Während nisi den ganzen Bedingungssatz verneint, verneint non nach si ein Wort im<br />
Bedingungssatz.<br />
Nisi Pirustae ita fecerint, sese bello civitatem<br />
persecuturum demonstrat.<br />
[Gall.7,1,8]<br />
Dubitas, Catilina, si emori non potes, abire?<br />
[Cat.1,20]<br />
Wenn sich die Pirusten nicht so verhielten, werde er,<br />
darauf wies er hin, ihren Stamm mit Krieg<br />
überziehen.<br />
Zögerst du, Catilina, wenn du schon nicht aus dem<br />
Leben scheiden kannst, wenigstens (aus Rom)<br />
wegzugehen?<br />
• Si in der Bedeutung ob<br />
Nach Verben des Wartens und Versuchens übernimmt ein si-Satz die Funktion eines Subjekts<br />
oder Objekts. Si wird in diesem Fall mit ob übersetzt.<br />
Helvetii conati, si perrumpere possent, telis<br />
repulsi hoc conatu destiterunt.<br />
[Gall.1,8,4]<br />
130<br />
Nachdem die Helvetier versucht hatten, ob sie<br />
durchbrechen könnten, ließen sie von diesem<br />
Versuch ab, weil sie mit Wurfgeschossen daran<br />
gehindert wurden.
Abhängiger Wunschsatz<br />
Der abhängige Wunschsatz bezeichnet als Adverbiale einen Wunsch, für dessen Verwirklichung<br />
die Handlung des übergeordneten Satzes hingenommen wird.<br />
Subjunktionen: Abhängiger Wunschsatz<br />
dum wenn nur<br />
modo wenn nur<br />
dummodo wenn nur<br />
Adverbiale<br />
Multi omnia honesta neglegunt, dummodo<br />
potentiam consequantur<br />
Viele missachten alles Ehrenvolle, wenn sie nur<br />
Macht erlangen.<br />
[off.3,82]<br />
Multi<br />
omnia honesta<br />
dummodo potentiam<br />
consequantur.<br />
Konjunktiv<br />
• "Wenn nur"<br />
Im Gegensatz zu Konditionalsätzen, die auch mit wenn nur (si modo) beginnen können,<br />
bezeichnet der abhängige Wunschsatz keine Bedingung für die Verwirklichung der<br />
übergeordneten Handlung, sondern einen Wunsch.<br />
Vergleichssatz<br />
neglegunt,<br />
Ein Vergleichssatz erläutert als Adverbiale den übergeordneten Satz hinsichtlich der Art und<br />
Weise. Dabei kann die Vergleichsgröße ganz real oder lediglich hypothetisch sein (ähnlich wie im<br />
Kausalsatz des Grundes):<br />
– reale Vergleichsgröße (wie):<br />
Ut sementem feceris, ita metes.<br />
[de orat.2,261]<br />
– hypothetische Vergleichsgröße (als ob)<br />
Gellius quasi mea culpa bona perdiderit, ita est<br />
mihi inimicus.<br />
[Sest.111]<br />
131<br />
Wie man sät, so wird man ernten.<br />
Gellius verhält sich so feindselig gegen mich, als<br />
ob er durch meine Schuld sein Hab und Gut<br />
verloren hätte.
Subjunktionen: Vergleichssatz<br />
ut wie<br />
utcumque wie auch immer<br />
quasi,<br />
velut/ut/ac si<br />
tamquam (si),<br />
Adverbiale<br />
Ut sementem feceris, ita metes.<br />
Wie man sät, so wird man ernten.<br />
[de orat.2,261]<br />
als ob<br />
Indikativ<br />
Konjunktiv<br />
Ut sementem feceris,<br />
ita metes.<br />
• Mögliche präparative Adverbien im übergeordneten Satz<br />
ita / sic (vor Verben) so item ebenso<br />
sicut sowie<br />
• Modi und Tempora im hypothetischen Vergleichssatz<br />
Eine lediglich angenommene vergleichbare Handlung steht im Konjunktiv und folgt im Lateinischen<br />
der Consecutio temporum. Im Deutschen steht dagegen in solchen Sätzen stets Konjunktiv II, um<br />
den hypothetischen Charakter solcher Vergleichssätze zu betonen.<br />
Stultissimum est in luctu capillum sibi evellere,<br />
quasi calvitio maeror levetur.<br />
[Tusc.3,62]<br />
Sehr törricht ist es in Trauer sich das Haar<br />
auszureißen, als ob durch eine Glatze die Trauer<br />
aufgehoben würde.<br />
• Ut im Vergleichssatz<br />
Ut kann im Vergleichssatz ganz verschiedene Bedeutungen haben:<br />
– ut …, ita/sic …<br />
Diese Korrelation bedeutet beim Vergleich von Ähnlichem wie …, so …, beim Vergleich von<br />
Gegensätzlichem jedoch zwar …, aber …:<br />
Ut magistratibus leges, sic populo magistratus<br />
praesunt<br />
[leg.3,2]<br />
Ut reliquorum imperatorum res adversae<br />
auctoritatem minuunt, sic Vercingetorigis ex<br />
contrario dignitas incommodo accepto in dies<br />
augebatur.<br />
[Gall.7,30,3]<br />
– ut quisque (mit Superlativ) …, ita (mit Superlativ) …<br />
Deutsch: je (mit Komparativ) …, desto (mit Komparativ…:<br />
Ut quaeque res est turpissima, sic maxime et<br />
maturissime vindicanda est.<br />
[Caecin.7]<br />
132<br />
Wie die Gesetze den Beamten, so sind die Beamte<br />
dem Volk vorgesetzt.<br />
Zwar vermindert Unglück das Ansehen der übrigen<br />
Feldherren, aber die Würde des Vercingetorix<br />
wurde umgekehrt nach dem Erleiden der<br />
Niederlage täglich vermehrt.<br />
Je schändlicher eine Sache ist, desto härter und<br />
frühzeitiger muss sie bestraft werden.<br />
• Vergleich statt Vergleichssatz<br />
Wie im Deutschen wird auch im Lateinischen das gleiche Prädikat nicht gern wiederholt, so dass<br />
statt eines vollständigen Vergleichssatzes häufig nur ein Vergleich steht:
Qui canem et felem ut deos colunt, superstitione<br />
conflictantur.<br />
[leg.1,32]<br />
Leute, die Hund und Katze wie Götter verehren,<br />
werden vom Aberglauben heimgesucht.<br />
Modalsatz<br />
Ein Modalsatz erläutert als Adverbiale die Art und Weise einer Prädikatshandlung. Diese<br />
Beschreibung kann verschieden erfolgen:<br />
– genauere Erläuterung der Art und Weise (wobei, indem):<br />
Bis improbus fuisti, cum et remisisti, quod non<br />
oportebat, et accepisti, quod non licebat.<br />
[Verr.2,5,59]<br />
Du hast dich gleich zweimal gewissenlos<br />
verhalt-en, indem du zurückschicktest, was sich<br />
nicht gehörte, und annahmst, was nicht erlaubt war.<br />
– Hinweis auf eine gerade nicht mit der Prädikatshandlung stattfindende Handlung (ohne dass):<br />
Treveri nullum tempus intermiserunt, quin trans<br />
Rhenum legatos mitterent<br />
[Gall.5,55,1]<br />
Die Treverer ließen keine Zeit vergehen, ohne<br />
Gesandte über den Rhein zu schicken.<br />
Subjunktionen: Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts<br />
ut [consecutivum] dass<br />
ut non dass nicht<br />
Adverbiale<br />
De te, Catilina, cum tacent, clamant.<br />
Indem sie bei dir, Catilina, schweigen, machen<br />
sie eine klare Aussage. [Cat.1,21]<br />
133<br />
Konjunktiv<br />
De te, Catilina,<br />
cum tacent, clamant.
134<br />
Übersichten
Satzglieder-Füllungsarten<br />
Substantiv im Nominativ Pronomen im Nominativ Substantiviertes Adjektiv im Nominativ (substantiviertes) Zahlwort im Nominativ<br />
Substantiviertes Partizip im Nominativ (substantiviertes) Gerundivum der Eigenschaft im Nominativ Infinitiv als Verbalsubstantiv und AcI<br />
Abhängiger Fragesatz Allgemeiner Relativsatz Kausalsatz des erklärenden Inhalts Finalsatz des begehrten Inhalts, des befürchteten Inhalts und<br />
des verhinderten Inhalts Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
Substantiv ("Prädikativum")<br />
Adjektiv als attributives Adverbiale ("Prädikativum")<br />
Ordnungszahl<br />
prädikatives Partizip im Participium coniunctum<br />
Allgemeiner Relativsatz mit Konjunktiv<br />
Substantiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ als Objekt Pronomen im Akkusativ, Dativ, Genitiv und Ablativ<br />
Substantiviertes Adjektiv im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ (substantiviertes) Zahlwort im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ<br />
Präposition mit Nomen<br />
Substantiviertes Partizip im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Gerundium im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ (substantiviertes)<br />
Gerundivum der Eigenschaft im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Infinitiv als Verbalsubstantiv, AcI und Infinitiv im NcI AcP und AcNd<br />
Abhängiger Fragesatz Allgemeiner Relativsatz Kausalsatz des erklärenden Inhalts, Finalsatz des begehrten Inhalts, des befürchteten Inhalts<br />
und des verhinderten Inhalts quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
Präposition mit Nomen Substantiv im Genitiv, Dativ und Akkusativ oder Ablativ<br />
Pronomen im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ<br />
Gerundium im Genitiv, Dativ, Akkusativ oder Ablativ Gerundivum der dominanten Handlung mit seinem Bezugswort<br />
Partizip im Ablativ mit seinem Bezugswort (Ablativus absolutus) Supina auf -um<br />
135<br />
Kausalsatz des Grundes, Finalsatz der Absicht, Konsekutivsatz der<br />
Folge, Konzessivsatz, Adversativsatz, Temporalsatz,<br />
Konditionalsatz, Abhängiger Wunschsatz, Vergleichssatz, Modalsatz<br />
Finites Verb (eventuell mit Sinnträger)<br />
Infinitivus historicus
Attribut-Füllungsarten<br />
Adjektiv als Attribut (KNG-Kongruenz) Pronomen (KNG-Kongruenz) Substantiv als Genitiv-, Dativ-, Akkusativ- oder Ablativ-Apposition<br />
(K-Kongruenz) Substantiv, Substantiviertes Adjektiv oder Pronomen im Genitiv oder (selten) Ablativ<br />
Präposition mit Nomen (selten) Adverb (selten)<br />
Gerundivum der Eigenschaft (KNG-Kongruenz) attributives Partizip im Participium coniunctum (KNG-Kongruenz)<br />
Grundzahl, Ordnungszahl und Verteilungszahl (KNG-Kongruenz) Gerundium oder substantiviertes Partizip im Genitiv<br />
Gerundivum der dominanten Handlung mit seinem Bezugswort im Genitiv Supinum auf -u (selten)<br />
Allgemeiner, Lokaler und Vergleichender Relativsatz (NG-Kongruenz) Explikativsatz<br />
Hinweis:<br />
Wenn das Prädikat aus einem Form- und Sinnträger besteht, kann ein Attribut auch Teil des Sinnträgers sein.<br />
136
wachstafelngrammatik.de<br />
Möglichkeit<br />
Einräumung<br />
(C. concessivus)<br />
Zweifel<br />
(C. dubitativus)<br />
Unwille<br />
(C. indignationis)<br />
Wunsch<br />
(C. optativus)<br />
Aufforderung<br />
die erfüllbar gedacht ist<br />
(C. potentialis)<br />
die unerfüllbar gedacht ist<br />
(C. irrealis)<br />
Indirekte Rede (C obliquus, in indirekter Rede an der Stelle eines<br />
Imperativs der direkten Rede)<br />
Indirekte Rede<br />
(C. obliquus)<br />
Möglichkeit<br />
Nebensinn eines<br />
Relativsatzes<br />
ohne erkennbare<br />
semantische<br />
Funktion<br />
(Übersetzung mit<br />
Indikativ)<br />
Präs. Imp. Perf. Plus.<br />
137<br />
Konjunktiv<br />
Konjunktiv im Hauptsatz<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
der Gegenwart x x Erres/Erraveris, si hoc dicas/dixeris. Du würdest dich irren, wenn du dies behaupten würdest.<br />
der Vergangenheit x Illos canes venaticos diceres. Man hätte jene Leute Spürhunde nennen können.<br />
der Gegenwart x Lacerares animalia, si leo esses. Du würdest Tiere zerfleischen, wenn du ein Löwe wärst.<br />
der Vergangenheit x C. necatus non esset, nisi dictator fuisset. Caesar wäre nicht ermordet worden, wenn er kein ...<br />
der Gegenwart x Omnia possideat, non possidet aera Minos. Mag er auch alles besitzen, die Luft besitzt M. nicht.<br />
der Vergangenheit x Negaverit, nocens tamen est. Auch wenn er geleugnet hat - schuldig ist er doch.<br />
der Gegenwart x Quid faciam? Was soll ich tun?<br />
der Vergangenheit x Quid facerem? Was hätte ich tun sollen?<br />
x x x x Tu dubites de possessione detrahere? Du zögerst, etwas von deinem Besitz abzugeben?<br />
der erfüllbar gedacht ist<br />
der Gegenwart<br />
der Vergangenheit<br />
x<br />
x<br />
Utinam dives sim!<br />
Utinam tacuerit!<br />
O wenn ich doch reich wäre!<br />
O wenn er doch nur geschwiegen hätte!<br />
der unerfüllbar gedacht ist<br />
der Gegenwart<br />
der Vergangenheit<br />
x<br />
x<br />
Utinam avis essem!<br />
Utinam avis natus essem!<br />
Wäre ich doch ein Vogel!<br />
Wäre ich doch als Vogel zur Welt gekommen!<br />
an die 1. Person (C. hortativus) x Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus! Lasst uns also fröhlich sein, solange wir noch jung sind!<br />
an die 2. oder 3. Person (C. iussivus) x Vir prior accedat, vir verba rogantia dicat! Der Mann soll den ersten Schritt machen und werben!<br />
Verbot an die 2. Person (C. prohibitivus) x Ne clamaveritis! Schreit nicht!<br />
Tempora folgen<br />
der<br />
Consecutio<br />
temporum<br />
Caesar legatos ad Ariovistum cum his<br />
mandatis mittit: Obsides, quos haberet, ab<br />
Haeduis redderet.<br />
Caesar schickte Gesandte zu Ariovist mit folgenden<br />
Aufträgen: Er solle die Geiseln, die er von den<br />
Häduern habe, zurückgeben.<br />
Konjunktiv im Nebensatz<br />
in allen Nebensätzen der indirekten Rede<br />
abhängiger Fragesatz<br />
Tempora folgen<br />
der<br />
Reprehendebat eum, quod tempus perderet.<br />
Quaerit, quis clamat.<br />
Er tadelte ihn, weil er Zeit vergeude.<br />
Er fragt, wer schreie.<br />
Finalsätze jeder Art<br />
quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
Consecutio<br />
temporum<br />
Peto a te, ut me visites.<br />
Non dubito, quin id scias.<br />
Ich bitte dich darum, dass du mich besuchst.<br />
Ich zweifle nicht daran, dass du dies weißt.<br />
die erfüllbar gedacht ist der Gegenwart x Erres/Erraveris, si hoc dicas/dixeris Du würdest dich irren, wenn du dies behaupten würdest.<br />
(C. potentialis)<br />
der Vergangenheit x Tanta fuit gravitas, ut eum facile ducem diceres. ..., dass man ihn leicht als Anf. hätte bezeichnen können.<br />
die unerfüllbar gedacht ist der Gegenwart x Lacerares animalia, si leo esses. Du würdest Tiere zerfleischen, wenn du ein Löwe wärst.<br />
(C. irrealis)<br />
der Vergangenheit x Vaesar necatus non esset, nisi dictator fuisset. ..., wenn er kein Diktator gewesen wäre.<br />
final<br />
kausal<br />
konzessiv<br />
Tempora folgen<br />
der<br />
Consecutio<br />
Misit servum, qui epistulam traderet.<br />
Adiuva nos, qui te adiuvimus.<br />
Quis Vergilium non amat, quem numquam viderit?<br />
..., damit er einen Brief überbringe.<br />
Hilf uns, da wir dir doch geholfen haben.<br />
Wer liebt nicht V., obwohl er ihn niemals gesehen hat?<br />
konsekutiv temporum Non is sum, qui mortis periculo terrear. Ich bin nicht derjenige, der von Todesangst erschreckt w.<br />
ut consecutivum (Ausnahme: In Ita vivamus, ut laudemur. Lasst uns so leben, dass wir gelobt werden.<br />
Konjunktiv bei<br />
Subjunktionen<br />
wie z.B.:<br />
cum historicum<br />
cum causale<br />
cum concessivum<br />
cum adversativum<br />
Sätzen mit<br />
konsekutivem Sinn<br />
ist<br />
nach NT auch<br />
Cum ver appeteret, Hannibal castra movit.<br />
Haec cum dixisset, silentium secutum esset.<br />
Vincere cum possis, interdum cede sodali!<br />
Cum gaudeas, maestus sum.<br />
Als das Frühjahr kam, brach Hannibal das Lager ab.<br />
Weil du dies gesagt hattest, folgte Schweigen.<br />
Auch wenn du Sieger sein kannst, lass bisweilen ...<br />
Während du im Glück schwelgst, bin ich traurig.<br />
Attractio modi<br />
(Modusangleichung)<br />
quin<br />
in Infinitivkonstruktion<br />
in konjunkt. Nebensatz<br />
Präsens<br />
oder Perfekt<br />
möglich.)<br />
Non potes cuncta amittere, quin desperes.<br />
Regis est eorum, quibus praesit, utilitatis servire.<br />
Nemo inventus est, qui, quod haberet, satis esset.<br />
Du kannst nicht alles verlieren ohne zu verzweifeln.<br />
Ein König soll denjenigen nützen, denen er vorsteht.<br />
Niemand fand sich, dem genug war, was er hatte.
Genitiv<br />
semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />
Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />
als Attribut<br />
Bezeichnung eines Besitzers Genitivus possesoris x x esse; beliebige Substantive Vestes matris pulchrae sunt Die Kleidunsstücke der Mutter sind schön.<br />
Bezeichnung einer Eigenschaft<br />
Bezeichnung einer empfindenden<br />
Person<br />
Bezeichnung einer betroffenen<br />
Person oder Sache<br />
Bezeichnung einer Gesamtheit<br />
Spezifizierung eines allgemeinen<br />
Begriffs<br />
Bezeichnung einer Eigentümlichkeit<br />
Bezeichnung eines ideellen<br />
Werts<br />
Genitivus qualitatis x x esse; beliebige Substantive Homines ordinis senatorii venerunt. Es kamen Leute aus dem Senatorenstand.<br />
Genitivus subiectivus x Handlung oder Empfindung Amor Ciceronis erga Atticum notus est. Die Sympathie Ciceros zu Atticus ist bekannt.<br />
Genitivus obiectivus x<br />
Genitivus totius x<br />
Handlung oder Empfindung; be-<br />
gierig, kundig eingedenk<br />
Menge oder Maß, Fragepronomen,<br />
Ordnungszahlen, Superlative<br />
Cupido pecuniae multos perdit. Die Begierde nach Geld richtet viele zugrunde.<br />
Nemo nostrum nihil scit. Niemand von uns weiß nichts.<br />
Genitivus definitivus x genus und causa Nomen Caesaris perclarum est. Der Name Caesar ist in aller Munde.<br />
Genitiv-Apposition x<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />
als Sinnträger, Objekt und Adverbiale<br />
Genitivus proprietatis x esse Consulis est civibus providere<br />
Genitivus pretii x x<br />
Genitiv als Objekt x<br />
appositives Adverbiale x<br />
138<br />
esse; facere, aestimare, ducere und<br />
putare<br />
besonders Verben des Erinnerns,<br />
Vergessens u. der Gerichtssprache<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch zeitlich befristete Ämter)<br />
Domus urbis Romae magnae sunt. Die Häuser der Stadt Rom sind groß.<br />
Es ist Aufgabe eines Konsuls für die Mitbürger<br />
zu sorgen.<br />
Nonullos libros magni aestimamus. Manche Bücher schätzen wir sehr.<br />
Maiorum nostrorum saepe meminimus Wir erinnern uns oft an unsere Vorfahren<br />
Officia Ciceronis consulis erant multa.<br />
Die Pflichten Ciceros waren zur Zeit seines<br />
Konsulats zahlreich.
semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />
Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />
Dativ<br />
als Objekt<br />
Dativ als Objekt x Dono tibi anulum. Ich schenke dir einen Ring.<br />
als Prädikatssinnträger, Adverbiale und Attribut<br />
Bezeichnung eines 'Besitzers' Dativus possessivus x esse Mercatoribus nullus erat aditus ad Nervios.<br />
Bezeichnung des Zwecks<br />
einer Handlung<br />
Bezeichnung einer tätigen<br />
Person<br />
Bezeichnung einer bevorteilten<br />
Person oder Sache<br />
Bezeichnung innerer Beteiligung<br />
der 1. oder 2. Person<br />
Dativus finalis x x esse Auxilio venite! Kommt zu Hilfe!<br />
Die Kaufleute hatten keinen Zugang zu den<br />
Nerviern<br />
Dativus auctoris x Agricolae ager arandus est. Das Feld muss vom Bauer gepflügt werden.<br />
Dativus commodi x Non scholae, sed vitae discimus.<br />
Dativus ethicus x Tu mihi istius audaciam defendis?<br />
appositives<br />
Adverbiale<br />
Dativ-Apposition x<br />
x<br />
139<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch zeitlich befristete Ämter)<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />
Quamdiu mihi consuli designato, Catilina,<br />
insidiatus es?<br />
Wir lernen nicht für die Schule, sondern für das<br />
Leben.<br />
Du verteidigst mir die Frechheit von diesem<br />
Kerl da?<br />
Wie oft hast du mir als designiertem Konsul,<br />
Catilina, aufgelauert?<br />
Oppido Gergoviae Vercingetorix praeerat. Vercingetorix stand der Stadt Gergovia vor.
Akkusativ<br />
semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />
Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />
Bezeichnung eines Ziels<br />
Bezeichnung eines räumlichen<br />
oder zeitlichen Intervalls<br />
als Objekt<br />
Akkusativ als Objekt x Arborem videmus. Wir sehen einen Baum.<br />
Gleichsetzungsakkusativ<br />
Akkusativ der Richtung<br />
Akkusativ der räuml.<br />
u. zeitl. Erstreckung<br />
Appositives Adverbiale<br />
Akkusativ der Beziehung<br />
Akkusativ-Apposition x<br />
als Sinnträger, Adverbiale und Attribut<br />
x putare, vocare usw. Puto te sapientem. Ich halte dich für weise.<br />
x Verben der Bewegung Romam eamus! Lasst uns nach Rom gehen!<br />
x Graeci Troiam decem annos obsederunt.<br />
x<br />
140<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch zeitlich befristete Ämter)<br />
x Cynthia, verba levis!<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />
Quotiens me consulem interficere conatus<br />
es?<br />
Postridie Caesar ad oppidum Noviodunum<br />
contendit.<br />
Die Griechen belagerten Troja zehn Jahre<br />
lang.<br />
Wie oft hast du versucht, mich als Konsul zu<br />
töten?<br />
Cynthia, unzuverlässig hinsichtlich ihrer<br />
Aussagen!<br />
Am nächsten Tag eilte Cäsar zur Stadt<br />
Noviodunum.
Ablativ<br />
semantische Funktion Bezeichnung syntaktische Funktion erläuterte Wörter Beispielsätze<br />
Sitr S O Adv Att lateinisch deutsch<br />
Bezeichnung eines Zeitpunkts<br />
oder Zeitraums<br />
Bezeichnung eines Aufenthaltsorts<br />
Bezeichnung des Ausgangspunkts<br />
einer Bewegung<br />
Bezeichnung eines Mittels im<br />
eigentlichen oder übertr. Sinn<br />
Bezeichnung eines Geldwerts<br />
Ablativus temporis x<br />
als Adverbiale<br />
Homines Verbigeni pagi prima nocte e<br />
castris<br />
Helvetiorum egressi sunt.<br />
Mitglieder des verbigenischen Stammes flohen<br />
bei Anbruch der Nacht aus dem Lager der Helvetier.<br />
Ablativus loci x Athenis versamur. Wir halten uns in Athen auf.<br />
Ablativ des örtlichen<br />
Ausgangspunkts<br />
x Hannibal puer Carthagine discessit. Hannibal verließ als Junge Karthago.<br />
Ablativus instrumenti x Achilles sagitta vulneratus est. Achill wurde von einem Pfeil verwundet.<br />
Ablativus pretii x x<br />
Bezeichnung eines Maßes Ablativus mensurae x x<br />
Bezeichnung eines Aspekts Ablativus respectus x<br />
Bezeichnung der Art und<br />
Weise einer Handlung<br />
Bezeichnung von Begleitumständen<br />
esse, Verben des Kaufens und Verkaufens<br />
Verben des Übertreffens, Adjektive<br />
und Adverbien im Komparativ<br />
Hunc librum parvo emi. Dieses Buch habe ich billg gekauft.<br />
Proelium equestre paucis ante diebus<br />
adversum erat factum.<br />
Erant equitum VI milia et totidem numero<br />
pedites.<br />
Ablativus modi x Victor magna voluptate triumphavit.<br />
Ablativ der begleitenden<br />
Umstände<br />
x Victor magno clamore triumphavit.<br />
Das Reitergefecht vor wenigen Tagen war<br />
unglücklich verlaufen.<br />
Es waren 6000 Reiter vorhanden und ebenso<br />
viele Fußsoldaten.<br />
Der Sieger zog mit großem Vergnügen als<br />
Triumphator ein.<br />
Der Sieger zog unter großem Jubel als Triumphator<br />
ein.<br />
Bezeichnung eines Grundes Ablativus causae x häufig bei motus, adductus Romani triumpho gavisi sunt. Die Römer freuten sich über den Triumphzug.<br />
Bezeichnung einer Eigenschaft<br />
Bezeichnung einer Vergleichsgröße<br />
appositives Adverbiale x<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch zeitlich befristete Ämter)<br />
als Prädikatssinnträger, Objekt und Attribut<br />
M. Minucio et A. Sempronio consulibus<br />
magna vis frumenti ex Sicilia advecta est.<br />
Ablativus qualitatis x x Bono animo sumus. Wir sind zuversichtlich.<br />
Ablativus comparationis<br />
Ablativ als Objekt x<br />
Ablativ-Apposition x<br />
Ablativ der Adjektiv-<br />
Erläuterung<br />
x<br />
x<br />
141<br />
Adjektive und Adverbien im Komparativ<br />
besonders bei Deponent., Verben d.<br />
Vollseins u. Nichthabens ("Abl.sep.")<br />
besonders Eigennamen (erläutert<br />
durch Gattungsnamen wie "Fluss")<br />
besonders bei Adjektiven der Fülle<br />
und des Freiseins<br />
Helvetii nihilo minus id facere conantur.<br />
Unter den Konsuln M Minucius und A. Sempronius<br />
wurde viel Getreide aus Sizilien herbeigeschafft<br />
Die Helvetier versuchen um nichts weniger dies zu<br />
tun.<br />
In hac solitudine careo colloquio. In dieser Einsamkeit habe ich keine Unterhaltung.<br />
Pars Galliae initium capit a flumine Rhodano. Ein Teil Galliens beginnt an dem Fluss Rhone.<br />
Laude dignus es. Du bist eines Lobes würdig.
Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />
Finalsatz der Absicht ut finale<br />
ut<br />
ut mit Konjunktiv<br />
damit,<br />
um zu (bei Subjektsgleichheit)<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
Do, ut des. Ich gebe, damit du gibst.<br />
Finalsatz des begehrten Inhalts ut finale dass Optamus, ut cantetis. Wir wünschen, dass ihr singt.<br />
Finalsatz des befürchteten Inhalts ut finale dass nicht Timeo, ut hoc sustineas. Ich fürchte, dass du das nicht aushältst.<br />
Konsekutivsatz der Folge ut consecutivum<br />
so dass<br />
dass<br />
Nemo tam prudens est, ut omnia sciat. Niemand ist so klug, dass er alles weiß.<br />
Konsekutivsatz des sich ergebenden Inhalts ut consecutivum dass Saepe accidit, ut erremus. Oft kommt es vor, dass wir uns täuschen.<br />
Explikativsatz dass Est consuetudo, ut mane salutemus.<br />
Konzessivsatz ut concessivum auch wenn Ut desint vires, tamen est laudanda voluntas.<br />
Temporalsatz ut temporale<br />
Vergleichssatz ut comparativum<br />
sobald,<br />
sobald als<br />
wie,<br />
zwar (bei folgendem ita<br />
möglich)<br />
142<br />
ut mit Indikativ<br />
Ut donum tibi dedimus, profecti sumus.<br />
Es besteht der Brauch, dass wir uns morgens<br />
grüßen.<br />
Auch wenn die Kräfte fehlen, muss doch der Wille<br />
gelobt werden.<br />
Sobald wir das Geschenk überreicht hatten, sind wir<br />
aufgebrochen.<br />
Ut sementem feceris, ita metes. Wie man sät, so wird man ernten.
Finalsatz der Absicht<br />
Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />
damit nicht,<br />
um nicht zu<br />
Finalsatz des begehrten Inhalts dass nicht<br />
ne<br />
ne als Subjunktion mit Konjunktiv<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
Haec dicis, ne desperem. Dies sagst du, damit ich nicht verzweifle.<br />
Videant consules, ne quid detrimenti res<br />
publica capiat.<br />
Die Konsuln sollen darauf achten, dass der Staat<br />
kleinen Schaden nimmt.<br />
Finalsatz des befürchteten Inhalts dass Timeo, ne hostes veniant. Ich fürchte, dass Feinde kommen.<br />
Finalsatz des verhinderten Inhalts dass Impedit ira animum, ne possit cernere verum. Zorn hindert uns, die Wahrheit zu sehen.<br />
Verbot<br />
(Verneinung eines Imperativs)<br />
Verbot<br />
(zusammen mit dem Coniunctivus<br />
prohibitivus)<br />
Verbot<br />
(Verneinung eines Coniunctivus iussivus)<br />
Verbot<br />
(Verneinung eines Coniunctivus hortativus<br />
Wunschsatz<br />
(Verneinung eines Coniunctivus optativus)<br />
143<br />
ne als Verneinung einer Aufforderung oder eines Wunsches im Hauptsatz<br />
nicht Hic tu fallaci nimium ne crede lucernae!<br />
nicht Ne clamaveritis! Schreit nicht!<br />
Hier vertraue du nicht allzu sehr der trügerischen<br />
Öllampe!<br />
nicht Alter alteri ne invideat! Der eine soll den anderen nicht beneiden!<br />
nicht Ne mentiamur! Lasst uns nicht lügen!<br />
nicht Ne rideam! Hoffentlich muss ich nicht lachen!
Kausalsatz des Grundes<br />
Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />
weil,<br />
da<br />
quod<br />
quod als Subjunktion mit Indikativ<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
Belgae fortissimi sunt, quod a provincia longissime<br />
absunt.<br />
Die Belger sind die tapfersten, weil sie von der<br />
Provinz am weitesten entfernt sind.<br />
Kausalsatz des erklärenden Inhalts faktisches quod dass Laudo, quod miseros adiuvisti. Ich lobe, dass du den Armen geholfen hast.<br />
Explikativsatz dass Vitium est, quod quidam omnia reprehendunt. Es gibt den Fehler, dass manche alles tadeln.<br />
allgemeiner Relativsatz Relativpronomen<br />
absoluter Relativsatz<br />
beliebiger Satz<br />
direkter oder indirekter Fragesatz<br />
"aufgreifendes"<br />
quod<br />
relativischer<br />
Satzanschluss<br />
Interrogativpronomen<br />
das,<br />
welches<br />
quod als Pronomen<br />
Templum, quod, vidimus, pulchrum est. Der Tempel, den wir gesehen haben, ist schön.<br />
was das anbelangt, dass Quod nonnulli semper gloriantur, nihil dico.<br />
Was das anbelangt, dass manche Leute ständig<br />
angeben, sage ich nichts dazu.<br />
dieses Vides animal. Quod accedit. Du siehst ein Tier. Dieses kommt näher.<br />
welches?,<br />
was?<br />
144<br />
Principio, quod amare velis, reperire labora.<br />
Bemühe dich zunächst einmal darum<br />
herauszufinden,<br />
was du lieben willst.
quin-Satz des unbezweifelten Inhalts<br />
(nach vorausgehender Verneinung)<br />
Finalsatz des verhinderten Inhalts<br />
(nach vorausgehender Verneinung)<br />
Modalsatz<br />
(nach vorausgehender Verneinung)<br />
Satzart Fachbegriff Übersetzung<br />
145<br />
quin<br />
quin mit Konjunktiv<br />
dass Non dubito, quin Caesar Gallos vicit.<br />
dass Non recuso, quin criminibus respondeam.<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
Ich zweifle nicht daran, dass Caesar die<br />
Gallier besiegt hat.<br />
Ich weigere mich nicht, auf die Anschuldigungen<br />
zu antworten.<br />
ohne dass Nullum intercedebat tempus, quin dimicaretur. Es verging keine Zeit, ohne dass gekämpft wurde.
Nebensatz / Semantische Funktion Fachbegriff Übersetzung<br />
Temporalsatz cum historicum<br />
als,<br />
nachdem<br />
cum<br />
cum als Subjunktion mit Konjunktiv<br />
Caesar, cum Rubiconem transisset, hostis<br />
iudicatus est.<br />
Beispielsätze<br />
lateinisch deutsch<br />
Als Cäsar den Rubico überschritt, wurde er zum<br />
Staatsfeind erklärt.<br />
Kausalsatz des Grundes cum causale weil Cum peritus sis, me adiuvare potes. Da du erfahren bist, kannst du mir helfen.<br />
Adversativsatz cum adversativum während (dagegen) Flilia sedula est, cum filius piger sit. Die Tochter ist fleißig, während der Sohn faul ist.<br />
Konzessivsatz cum concessivum obwohl Qui non vetat peccare, cum possit, iubet.<br />
Temporalsatz cum temporale als<br />
cum als Subjunktion mit Indikativ<br />
Cum Augustus imperio Romano praeerat,<br />
Christus natus est.<br />
Wer nicht verbietet schlecht zu handeln, obwohl er es<br />
verbieten kann, fordert dazu auf.<br />
Als Augustus das Römische Reich regierte,<br />
wurde Christus geboren.<br />
Temporalsatz (cum primum) sobald als Cum primum te vidi, gavisus sum. Sobald ich dich sah, freute ich mich.<br />
Temporalsatz cum iterativum<br />
Temporalsatz cum inversum als plötzlich De te locuti sumus, cum ipse venisti.<br />
wenn,<br />
sooft<br />
Cum tui recordor, gaudeo. Sooft ich an dich denke, freue ich mich.<br />
Wir unterhielten uns gerade über dich, als du<br />
plötzlich selbst gekommen bist..<br />
Modalsatz cum explicativum indem Cum tacent, clamant. Indem sie schweigen, schreien sie.<br />
cum als Präposition mit Ablativ<br />
Bezeichnung eines Begleiters mit Cum Marco ambulo. Ich gehe mit Markus spazieren.<br />
Bezeichnung einer Art und Weise<br />
Bezeichnung der begleitenden Umstände<br />
mit,<br />
(Adverb)<br />
mit,<br />
unter<br />
146<br />
Haec omnia summa cura recognita sunt. All das wurde mit größter Sorgfalt geprüft.<br />
Magno cum clamore victor salutatus est. Unter großem Geschrei wurde der Sieger begrüßt.