09.04.2013 Aufrufe

eXperimenta_2013_03

eXperimenta_2013_03

eXperimenta_2013_03

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bildung, Dichtung und auch Entertainment. Film ist: Entertainment und Zeitgeist. Gute Bilder und<br />

treibende Dialoge oder auch einfach nur Schweigen. Bild statt Gelaber. Bei der Dokumentation<br />

kommt noch ein hohes Gut hinzu: Die Information. Außerdem: Zusammenhänge und Analyse.<br />

<strong>eXperimenta</strong>: In deinem Buch „Ich muss doch meinen Vater lieben, oder?“, interviewst du<br />

die Tochter des KZ Kommandanten Amon Göth. Du hast dich mit Monika Göth in ein Hotel<br />

zurückgezogen, um dieses Buchprojekt zu realisieren. Wie hat sich diese Arbeit mit Monika Göth<br />

für dich angefühlt?<br />

Matthias Kessler: Das war eine Reise ins Innere der SS. Das war derart authentisch, dass<br />

es schmerzte. Das war einzigartig. Das war ein Experiment. Monika fühle ich mich bis heute<br />

verbunden, und ich habe auch endlich akzeptiert, durch sie, dass es Dinge im Leben gibt, für die<br />

KEINE Lösung existiert.<br />

<strong>eXperimenta</strong>: Bereits 1986 beschäftigtest du dich in dem Theaterstück ‚“Das Lachen, das<br />

Bluten und die Zeit“, das am Würzburger Stadttheater uraufgeführt wurde, mit dem KZ<br />

Kommandanten Göth. Hat das einen besonderen Grund, dass dich diese Epoche der<br />

Menschenvernichtung so beschäftigt?<br />

Matthias Kessler: Nein. „Lachen, Bluten, Zeit“ ist ein poetisches Stück über Brutalität. Eine<br />

Allegorie über Macht und Ohnmacht. Macht und Ohnmacht ist der Claim meines Lebens. Und in<br />

dieser Metaebene steckt dann der ganze Rest, der mich interessiert: Wildheit und Wut. Sehnsucht<br />

und Sex.<br />

<strong>eXperimenta</strong>: Was bedeutet für dich das Schreiben?<br />

Matthias Kessler: Alles und nichts. Broterwerb und Verzweiflung. Hunger nach dem Epochalen<br />

und großartiges Scheitern im Kleinen. Am meisten bin ich darauf stolz, wenn ich ein Buch oder<br />

Stück geschafft habe. Das kann mir keiner mehr nehmen. Dann zählt nur noch die Gunst des<br />

Lesers oder des Zuschauers. Außerdem frage ich mich: Geht ein guter Roman oder ein gutes<br />

Stück nur mit gutem Bier? Oder geht das auch mit der Penny-Variante?<br />

<strong>eXperimenta</strong>: Dein letztes Buch „Das Schicksal der Hexe Helena oder Der Teufel soll dich<br />

holen“ beschäftigt sich ebenfalls mit einer Frau in einer „besonderen Lebenslage. Ziehen dich<br />

Frauen, die ein ungewöhnliches Schicksal haben, besonders an?<br />

Matthias Kessler: Das ist der Titel, den der Verleger unbedingt haben wollte. Zielgruppe:<br />

F. Frauen im Fahrwasser der „Wanderhure“ und ihrer Apfelbrüstchen (Originalzitat). Eigentlich<br />

sollte das Buch „Domini canes“ heißen. Die Hunde des Herrn. So wurden die Dominikaner in<br />

Anspielung auf ihre inquisitorische Hetzjagd vom Volk genannt. Also, kein reines Frauenbuch,<br />

sondern ein Buch für historisch Interessierte. Ich habe uralte Akten aus dem Jahr 1485 in Brixen<br />

wieder gefunden und sie fürs Buch verwendet. „Die Helena“ ist eine authentische Figur der<br />

Zeitgeschichte. Im Zentrum stehen aber auch andere: Der Inquisitor Heinrich Kramer. Der Mönch<br />

Regino von Köln und der Journalist Julian. Das Buch ist ein Duell auf zwei Zeit-Ebenen. Es geht<br />

und Gier. Geilheit. Gewissenlosigkeit.<br />

<strong>eXperimenta</strong>: Um was geht es dir in diesem Buch?<br />

Matthias Kessler: Das Buch ist ein Psychogram eines Massenmörders. Eines hochintelligenten<br />

Psychopathen, einem geistigen und tatsächlichen Brandstifter, aus dessen Fundus sich die SS<br />

und die Stasi gleichermaßen bedienten. So ist also dieser Kriminal-Roman ist ein atemloser<br />

Sprung in die Vergangenheit: ein Zeitreise-Essay aus Zitaten, Protokollauszügen, Anek-doten,<br />

Mythen und Bibelgleichnissen. Es beruht auf den authentischen Protokollen des Innsbrucker<br />

Hexenprozesses von 1485, der zum Auslöser der großen Inquisition wurde. Es ist der Dominikaner<br />

Heinrich Institoris (Kramer), der die Inquisition in Tirol initiiert. Er hat von Papst Innozenz VIII. den<br />

Titel des Inquisitors für Oberdeutschland erhalten – und die sogenannte Hexenbulle ‚Summis<br />

März <strong>2013</strong> 31<br />

www.<strong>eXperimenta</strong>.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!