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eXperimenta_2013_03

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kontemplativer wintereinbruch<br />

durch die schneefirnis erblickte ich<br />

farn gehäutete faune machte mich<br />

erneut vertraut mit den ansichten<br />

eines alrauns erinnerte die zukunft<br />

die uns blühte und bärlappiche<br />

seit vierhundert millionen jahren<br />

von einer weide löste sich eine<br />

wächte ich hob den kopf in den sich<br />

sträubenden wirbel als wären die<br />

flocken sich bewusst was es bedeutet:<br />

die berührung mit meiner haut<br />

(wie in einer schneekugel kam ich mir vor<br />

und ich wusste nicht – ich weiß nicht wer<br />

seit eh und je sie schüttelt)<br />

die tannen standen in dritteltrauer mit<br />

stolz gesenktem haupt trugen sie die<br />

last zur verhöhnung unserer sünden.<br />

der winter war ein virtuose der konturen<br />

arbeitete uns mit kaltem schnitt heraus<br />

zum relief erstarrten wir vor dem weiß<br />

gerispeten gräberfeld unter der firnis<br />

lag ein vergangenes und zukünftiges<br />

von dem wir wussten: dass es nicht<br />

für immer währen würde.<br />

getaktete herzen<br />

du vermisst den zynismus des schnees<br />

einfach weil er da ist sogar schon vor der zeit<br />

ich ganz er hörte die unaufdringliche<br />

stille so eindrücklich wie sonst nie<br />

du sagst es sei schwer sich anzubieten<br />

ohne sich anzubiedern ich trat gerne<br />

in spuren von denen wir nicht wussten<br />

wem sie gehörten und wohin sie führten<br />

der schnee sagst du sei eine kühle<br />

metapher für den menschen auf dem<br />

weg von der naturgewillten not zur<br />

kruden tugend ich fiel in der schleife<br />

mir zu meinen eignen füßen<br />

am waldrand blickten wir uns an<br />

nahmen reißaus diretissima! durch<br />

querten die schneeuntiefen ohne maß<br />

nur mit dem echolot unserer getakteten herzen.<br />

Christoph Linher *1984, Germanistik- und Philosophiestudium<br />

in Innsbruck. Wohnhaft in Feldkirch/<br />

Österreich. Wissenschaftliche Publikation: „Das isolierte<br />

Individuum. Identität in der apokalyptischen<br />

Einsamkeit“. Arbeitet als Korrektor, Musiker, Schriftsteller.<br />

März <strong>2013</strong> 27<br />

www.<strong>eXperimenta</strong>.de

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