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Vom Monogastri<strong>de</strong>n zum Wie<strong>de</strong>rkäuer<br />
Gastrointestinale Entwicklungen bei Milchkälbern<br />
Großtierpraxis 5:12, 33-36 (2004)<br />
Nach einem Vortrag von S.I. Kehoe und A.J. Heinrichs (Dairy and Animal Science Department,<br />
The Pennsylvania State University, University Park, Pennsylvania, USA) anlässlich<br />
Alltech´s 20 th Annual Symposium (23. - 26. Mai, Lexington, USA)<br />
Zu Lebensbeginn ist das Kalb praktisch<br />
monogastrisch. Die Vormägen<br />
entwickeln sich erst in <strong>de</strong>n ersten Lebensmonaten.<br />
Die Verdauungsprozesse<br />
verhalten sich <strong>de</strong>mentsprechend.<br />
Magenenzyme <strong>de</strong>s<br />
Milchkalbes<br />
Magenenzyme sind für die Verdauung<br />
<strong>de</strong>s jungen Wie<strong>de</strong>rkäuers wegen<br />
<strong>de</strong>s noch nicht entwickelten Pansens<br />
wichtig. Es geht zuerst einmal um die<br />
Verdauung <strong>de</strong>s Milchfettes. Die Fähigkeit<br />
von Neugeborenen zur Verdauung<br />
und Nutzung hoher Milchfettkonzentrationen<br />
bei geringen<br />
Konzentrationen an Lipasen im<br />
Darm basiert auf einer Kombination<br />
prägastrischer Esterasen (Huber et al.<br />
1961). Dieser Komplex lipolytischer<br />
Enzyme ermöglicht <strong>de</strong>n überwiegen<strong>de</strong>n<br />
Abbau <strong>de</strong>r Fette im Labmagen,<br />
ähnlich <strong>de</strong>r α-Amylase im Speichel<br />
von Monogastri<strong>de</strong>n. Prägastrische<br />
Esterase setzt sich aus min<strong>de</strong>stens 6<br />
verschie<strong>de</strong>nen Enzymen zusammen.<br />
Obwohl die Bezeichnung “prägastrische<br />
Esterase” gemeinhin zur<br />
Beschreibung von Esterasen benutzt<br />
wird (<strong>de</strong>finiert als Enzyme<br />
mit <strong>de</strong>r Fähigkeit Ester in Lösung<br />
zu hydrolysieren) beinhaltet sie<br />
ebenso Lipasen, die eine spezifischere<br />
Aufgabe in <strong>de</strong>r Verdauung<br />
haben (<strong>de</strong>finiert als spezielle En-<br />
Sie stammen aus <strong>de</strong>m Zungen-Kehl<strong>de</strong>ckel-Bereich<br />
<strong>de</strong>s Maules einschließlich<br />
<strong>de</strong>r Papillae vallatae <strong>de</strong>r<br />
Zunge, <strong>de</strong>m glosso-epiglottischen<br />
Bereich, <strong>de</strong>m pharyngealen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Oesophagus und <strong>de</strong>r Unterkieferspeicheldrüse<br />
(Moreau et al. 1988, Ramsey<br />
et al. 1956).<br />
zyme, die Fettsäuren wasserunlöslicher<br />
Glycerolester hydrolysieren<br />
können). “Prägastrische Esterase”<br />
ist die gängige Bezeichnung für<br />
Enzyme lipolytischer und esterolytischer<br />
Natur, die von Geweben<br />
in <strong>de</strong>r Mundhöhle <strong>de</strong>r Säuger sezerniert<br />
wer<strong>de</strong>n (Nelson et. al.<br />
1960).<br />
GROSSTIERPRAXIS 12/2004 33
PANSENENTWICKLUNG<br />
Die Bildung prägastrischer Esterasen<br />
wird durch das saugen<strong>de</strong> Kalb stimuliert<br />
(Huber et al. 1961, Moreau et al.<br />
1988, Ramsey und Young 1961a).<br />
Während <strong>de</strong>r Milchgerinnung, die<br />
einsetzt, wenn die aufgenommene<br />
Milch <strong>de</strong>n Labmagen erreicht, beginnt<br />
die prägastrische Esterase mit <strong>de</strong>m<br />
Fettabbau (Bondi 1987, Hill et al.<br />
1970). Prägastrische Esterase hydrolysiert<br />
ungefähr 20 % aller Milchfett-<br />
Glycerid-Verbindungen, hauptsächlich<br />
die kurzkettigen Fettsäuren (Bondi,<br />
1987, Hill et al. 1970, Pitas und<br />
Jensen 1970).<br />
34 GROSSTIERPRAXIS 12/2004<br />
verdauung von Fetten vermuten lässt<br />
(Otterby et al. 1964b). Spätere Arbeiten<br />
zeigten, dass <strong>de</strong>r Effekt prägastrischer<br />
Esterase sich vermin<strong>de</strong>rt, sobald diese<br />
das Duo<strong>de</strong>num passiert hat und ohne<br />
die Präsenz von Enzymen <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />
kein Effekt festzustellen<br />
ist (Goo<strong>de</strong>n 1973).<br />
Enzyme, die primär <strong>de</strong>r Koagulation<br />
von Milchprotein dienen, wer<strong>de</strong>n vom<br />
Milchkalb in hohen Konzentrationen<br />
produziert. Chymosin, Pepsin und<br />
Salzsäure koagulieren Milch, halten<br />
Casein und Fett zurück und ermöglichen<br />
<strong>de</strong>n Nährstoffen so eine langsame<br />
Passage in <strong>de</strong>n Dünndarm (Cruywagen<br />
et al. 1990, Guilloteau et al.<br />
Ohne Pankreasenzyme im Dünndarm<br />
ist prägastrische Esterase ohne Wirkung.<br />
Die Präferenz prägastrischer Esterase<br />
zu Glycerid-Verbindungen <strong>de</strong>r Buttersäure<br />
führt in vitro zu 59 % hydrolysierten<br />
Butyrat-Verbindungen im Vergleich<br />
zu 7 % bei höheren Fettsäuren<br />
(Ramsey und Young 1961b). Buttersäure<br />
ist leicht löslich in Wasser und hydrolysiert<br />
beim Durchgang vom Labmagen<br />
zum Dünndarm schneller als<br />
höherkettige Fettsäuren. Der Abbau<br />
von Buttersäure und an<strong>de</strong>ren Fettsäuren<br />
ist bei oraler Verabreichung von<br />
Milch im Vergleich zur Infusion in <strong>de</strong>n<br />
Magen höher, was <strong>de</strong>n Bedarf an prägastrischer<br />
Esterase ver<strong>de</strong>utlicht (Otterby<br />
et al. 1964a, b, Russel et al. 1980). Weniger<br />
gut lösliche Fettsäuren wer<strong>de</strong>n<br />
durch geronnene Partikel gebun<strong>de</strong>n<br />
und wan<strong>de</strong>rn langsam in <strong>de</strong>n Dünndarm<br />
(Otterby et al. 1964a, Ramsey und<br />
Young 1961a). Obwohl die prägastrische<br />
Esterase eine primäre Rolle bei <strong>de</strong>r<br />
Lipolyse im Labmagen spielt, sind Kälber,<br />
<strong>de</strong>nen ausschließlich Milch durch<br />
Infusion in <strong>de</strong>n Labmagen zugeführt<br />
wur<strong>de</strong>, was zu einer Abnahme <strong>de</strong>r Sekretion<br />
von prägastrischer Esterase<br />
führte, immer noch in <strong>de</strong>r Lage, Milchfett<br />
ähnlich <strong>de</strong>r Wirkung einer Pankreaslipase<br />
zu verdauen (Russel et al.<br />
1980). Prägastrische Esterase wur<strong>de</strong> in<br />
<strong>de</strong>n Verdauungssäften <strong>de</strong>s Dünndarms<br />
gefun<strong>de</strong>n, was eine Rolle bei <strong>de</strong>r Darm-<br />
1984, Guilloteau et al. 1983). Chymosin,<br />
früher Rennin genannt, wird in<br />
hohen Konzentrationen im neugeborenen<br />
Kalb und Lamm gefun<strong>de</strong>n und<br />
nimmt mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter und<br />
<strong>de</strong>r Entwöhnung ab (Cybulski und<br />
Andren 1990, Guillioteau et al. 1983,<br />
1984, 1985). Kälber mit einer verlängerten<br />
Säugeperio<strong>de</strong> zeigen eine höhere<br />
Chymosinkonzentration als entwöhnte<br />
Kälber, was <strong>de</strong>utlich macht,<br />
dass das Angebot an Labmagenenzymen<br />
durch die Entwicklung <strong>de</strong>s Pansens<br />
ebenso wie durch die Konzentrationen<br />
<strong>de</strong>r Ration an Caseinen und<br />
Fetten reguliert wird (Cybulski und<br />
Andren 1990, Guilloteau et al. 1985).<br />
Der bovine Labmagen sezerniert min<strong>de</strong>stens<br />
3 Proteasen: Pepsin A, Pepsin<br />
B (auch bekannt als Gastricin o<strong>de</strong>r<br />
Pepsin II) und Chymosin, alle gebil<strong>de</strong>t<br />
als Proenzym von Mukosazellen <strong>de</strong>r<br />
Pylorus und Fundusdrüsen bei einem<br />
zur Aktivität erfor<strong>de</strong>rlichen pH-Wert<br />
von weniger als 4 (Cybulski und Andren<br />
1990). Pepsin A wird nach <strong>de</strong>r<br />
Geburt in hohen Konzentrationen gefun<strong>de</strong>n<br />
und bleibt bei Kälbern und<br />
Lämmern bis ca. Tag 44 (Huber et al.<br />
1961) konstant (Guilloteau et al. 1983,<br />
1984, 1985). Nach <strong>de</strong>r Entwöhnung<br />
steigert das Verhältnis von Pepsin zu<br />
Chymosin <strong>de</strong>n für die Verdauung von<br />
Protein aus fester Nahrung erfor<strong>de</strong>rlichen<br />
Bedarf eher als Casein (Cybulski<br />
und Andren 1990, Guilloteau et al.<br />
1983, 1985). Pepsin A und Chymosin<br />
koagulieren Milch im Labmagen <strong>de</strong>s<br />
jungen Kalbes ausreichend, daher<br />
wird Pepsin B bis zur Entwöhnung<br />
nicht gefun<strong>de</strong>n (Cybulski und Andren<br />
1990). Das Potential <strong>de</strong>r Bauchspeicheldrüse<br />
zur Sekretion von Pepsin,<br />
Trypsin, Chymotrypsin und Amylase<br />
steigt mit zunehmen<strong>de</strong>m Stärke- und<br />
Proteinanteil <strong>de</strong>r Ration (Garnot et al.<br />
1977, Guilloteau et al. 1985). Wir fin<strong>de</strong>n<br />
einen generellen Anstieg mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Alter und zunehmen<strong>de</strong>r<br />
Trockensubstanzaufnahme aus Getrei<strong>de</strong><br />
in <strong>de</strong>r Ration.<br />
Pankreasenzyme<br />
Während <strong>de</strong>r ersten Lebenstage lassen<br />
hohe Konzentrationen an Labmagenenzymen<br />
Kolostrum gerinnen und ermöglichen<br />
Immunglobulinen die Passage<br />
in <strong>de</strong>n Dünndarm. Pankreasenzyme<br />
wer<strong>de</strong>n bei jungen Wie<strong>de</strong>rkäuern<br />
bis zum 2. Lebenstag in niedrigen Konzentrationen<br />
gefun<strong>de</strong>n und ermöglichen<br />
es <strong>de</strong>n Immunglobulinen intakt<br />
zu bleiben. Die Konzentrationen beginnen<br />
nicht vor <strong>de</strong>m 42. Lebenstag zu<br />
steigen (Guilloteau et al. 1983, 1984).<br />
Pankreasamylase ist ein im Dünndarm<br />
zu fin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s glykosidisches Enzym,<br />
welches 5 – 6 % <strong>de</strong>s Gesamtproteins <strong>de</strong>r<br />
menschlichen Pankreassekretion ausmacht<br />
(Lowe 1994). Beim Wie<strong>de</strong>rkäuer<br />
bestehen nur 2 % <strong>de</strong>s Gesamtproteins<br />
<strong>de</strong>s Pankreassekretes aus α-Amylase,<br />
was eine vermin<strong>de</strong>rte intestinale Fahigkeit<br />
zur Stärkehydrolyse bewirkt<br />
(Keller et al. 1958). Pankreasamylase<br />
wird beim Neugeborenen in geringen<br />
Konzentrationen gefun<strong>de</strong>n und steigt<br />
mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter an (Le Huërou<br />
et al. 1992, Guilloteau et al. 1984, Morill<br />
et al. 1970, Huber et al. 1961). Die<br />
Bauspeicheldrüsenflüssigkeit enthält<br />
ebenso zwei Nukleasen, Desoxiyribonuclease<br />
I (DNase) und Ribonuklease<br />
(RNase). RNase wird bei entwöhnten<br />
Kälbern benötigt, um Phosphor aus <strong>de</strong>r<br />
Bakterien RNA zurückzugewinnen<br />
(Lowe 1994).
Im Gegensatz zu an<strong>de</strong>ren Pankreasenzymen<br />
wer<strong>de</strong>n alle Peptidasen als Zymogene<br />
o<strong>de</strong>r Proenzyme sezerniert.<br />
Der Hauptaktivator <strong>de</strong>r Pankreaspeptidasen,<br />
Trypsinogen, wird ebenfalls<br />
als Proenzym sezerniert und durch<br />
Enteropeptidase in die aktive Form<br />
Trypsin gespalten. Trypsin wie<strong>de</strong>rum<br />
spaltet an<strong>de</strong>re Proenzyme wie Chymotrypsinogen,<br />
Procarboxypeptidase<br />
A, Procarboxypeptidase B und Procolipase<br />
in ihre aktiven Formen Chymotrypsin,<br />
Carboxypeptidase A und B<br />
und Colipase (Lowe 1994). In <strong>de</strong>n Pankreassaft<br />
sezerniertes Trypsin ist im<br />
neugeborenen Wie<strong>de</strong>rkäuer in geringer<br />
Menge vorhan<strong>de</strong>n und steigt mit<br />
zunehmen<strong>de</strong>m Alter während <strong>de</strong>r ersten<br />
zwei bis vier Wochen sowohl im<br />
Lamm als auch im Kalb. Chymotrypsin<br />
ist im jungen Tier in höheren<br />
Mengen als Trypsin zu fin<strong>de</strong>n, doch<br />
nimmt das Verhältnis mit zunehmen<strong>de</strong>m<br />
Alter ab (Guilloteau et al. 1983,<br />
1984, Huber et al. 1961).<br />
Pankreaslipasen wie Colipase und<br />
Phospholipase A2 sind zum Zeitpunkt<br />
<strong>de</strong>r Geburt niedrig, steigen danach an<br />
und bleiben konstant (Le Huërou et al.<br />
1992, Guilloteau et al. 1984, Goo<strong>de</strong>n<br />
1973, Huber et al. 1961). Diese Lipasen<br />
sind bei einem pH-Wert von 8,5 äußerst<br />
aktiv und hydrolysieren speziell<br />
Triglyceri<strong>de</strong> und Phospholipi<strong>de</strong>. Guilloteau<br />
et al. (1984) berichteten, dass<br />
von <strong>de</strong>r Geburt bis zum Alter von 3<br />
Wochen das Colipase/Lipase-Verhältnis<br />
höher als 1 ist, was darauf hinweist,<br />
dass die Pankreasaktivität sich<br />
ausschließlich in <strong>de</strong>r Pankreasflüssigkeit<br />
<strong>de</strong>s intestinalen Lumens äußert.<br />
Obwohl Kälber im Alter von 1 – 2<br />
Wochen eine verringerte Fettabsorptionsfähigkeit<br />
aufweisen, wenn Pankreasenzyme<br />
entfernt wer<strong>de</strong>n, verbleibt<br />
<strong>de</strong>nnoch eine lipolytische Aktivität<br />
im intestinalen Lumen (Goo<strong>de</strong>n<br />
1973, Goo<strong>de</strong>n und Lascelles 1973).<br />
Dies ist vermutlich auf die Präsenz<br />
von Enzymen im Bürstensaum <strong>de</strong>r intestinalen<br />
Villi zurückzuführen.<br />
Bürstensaumenzyme<br />
In <strong>de</strong>n Mikrovilli <strong>de</strong>r Enterozyten fin<strong>de</strong>n<br />
sich viele Peptidasen. Die Haupt-<br />
hydrolasen im Bürstensaum sind<br />
Aminopeptidase N und A sowie Dipeptidyl-Peptidase<br />
IV (Le Huërou-Luron<br />
2002). Alle diese Peptidasen sind<br />
dazu bestimmt, spezifische Endaminosäuren<br />
von Protein abzuspalten<br />
(Palmer 1995). Aminopeptidase N hydrolysiert<br />
Pepti<strong>de</strong> schrittweise bis zu<br />
einem bestimmten Punkt, an <strong>de</strong>m Dipeptidyl-Peptidase<br />
IV die Hydrolyse<br />
vollen<strong>de</strong>t (Le Huërou-Luron 2002).<br />
Aminopeptidase A, Aminopeptidase N<br />
und alkalische Phophatase fin<strong>de</strong>n<br />
sich im Kalb bis zum zweiten Lebenstag<br />
in höchster Menge und verringern<br />
sich dann bis zum Lebensalter von einer<br />
Woche. Danach bleiben sie bis zur<br />
Entwöhnung konstant um dann wie<strong>de</strong>r<br />
zu steigen (Le Huërou et al. 1992).<br />
Es gibt vier übergeordnete Disaccharidasen<br />
im Bürstensaum <strong>de</strong>s Dünndarms:<br />
Maltase-Glucoamylase, Sucrase-Isomaltase,<br />
Lactase und Trehalase<br />
(Le Huërou-Luron 2002). Sucrase-Isomaltase<br />
ist bei Rin<strong>de</strong>rn nicht zu<br />
fin<strong>de</strong>n (Huber et al. 1961, Le Huërou et<br />
al. 1992, Le Huërou-Luron 2002).<br />
Maltase-Glucoamylase hydrolysiert<br />
α-1,4-glykosidische Bindungen, wogegen<br />
Isomaltase α-1,6-glykosidische<br />
Bindungen hydrolysiert (Le Huërou-<br />
PANSENENTWICKLUNG<br />
und nimmt bis ungefähr zum Alter von<br />
drei Wochen (Huber et al. 1961) o<strong>de</strong>r<br />
einer Woche (Le Huërou et al. 1992) ab,<br />
um dann bis zum drastischen Rückgang<br />
zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Entwöhnung<br />
konstant zu bleiben. Die Verfütterung<br />
von mit Lactose angereicherten Rationen<br />
erhöht die Lactosekonzentrationen<br />
nicht (Huber et al. 1961).<br />
Jüngere Arbeiten zeigen Verän<strong>de</strong>rungen<br />
in <strong>de</strong>r Sekretion verdauungsför<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r<br />
Enzyme, wenn unterschiedliche<br />
Proteinquellen in<br />
Milchaustauschern eingesetzt wur<strong>de</strong>n.<br />
Unbehan<strong>de</strong>ltes Sojaprotein in<br />
Milchaustauschern verän<strong>de</strong>rt häufig<br />
die intestinale Morphologie durch<br />
die Vermin<strong>de</strong>rung einerseits <strong>de</strong>s absorptiven<br />
Oberflächenbereiches <strong>de</strong>r<br />
intestinalen Villi, an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>r<br />
Konzentrationen an Disaccharidasen<br />
im Bürstensaum (Pe<strong>de</strong>rson und<br />
Sissons 1984). Trypsin- und Chymotrypsinsekretionen<br />
wer<strong>de</strong>n ebenfalls<br />
durch Allergene und Anti-<br />
Trypsin-Faktoren im vom jungen<br />
Kalb aufgenommenen Sojaprotein<br />
gehemmt (Gorrill et al. 1967, Guillo-<br />
Im Bürstensaum <strong>de</strong>s Dünndarms wird<br />
eine Vielzahl von Enzymen gebil<strong>de</strong>t.<br />
Luron 2002). Die Maltasekonzentrationen<br />
sind zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Geburt<br />
gering und steigen zwischen <strong>de</strong>m 7.<br />
und 119. Lebenstag an. Isomaltase<br />
liegt beim Neugeborenen in geringer<br />
Konzentration vor und steigt nach <strong>de</strong>r<br />
Entwöhnung (Le Huërou et al. 1992).<br />
Trehalase ist in <strong>de</strong>r Lage Trehalose zu<br />
hydrolysieren und so freie monomere<br />
Glucose zur Absorption zu produzieren<br />
(Le Huërou-Luron 2002).<br />
Lactase ist das einzige Enzym, das α-<br />
1,4-Glukosidase- und α-1,4-Galaktosidaseaktivitat<br />
zulässt. Es ist sowohl in <strong>de</strong>r<br />
Lage Lactose zu Glucose und Galactose,<br />
aber auch Cellobiose zu zwei Monomeren<br />
von Glucose zu spalten (Le Huërou-<br />
Luron 2002). Die Lactaseaktivität ist<br />
zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Geburt am höchsten<br />
teau et al. 1986, Mir et al. 1991). Sojaprotein<br />
kann in geringer Konzentration<br />
in Milchaustauschern, die an<br />
mehr als 20 Tage alte Kälber verfüttert<br />
wer<strong>de</strong>n, enthalten sein, muss jedoch<br />
behan<strong>de</strong>lt sein, um die Konzentration<br />
potentieller Allergene zu<br />
vermin<strong>de</strong>rn und die Proteinverdaulichkeit<br />
zu erhöhen (Mir et al. 1991).<br />
Die Verdaulichkeit von Milchaustauschern<br />
wird von an<strong>de</strong>ren Zusätzen<br />
beeinflusst, so durch <strong>de</strong>n Einsatz von<br />
hohen Konzentrationen an Stärke<br />
als alternative Energiequelle. Der<br />
Einsatz von Stärke in Milchaustauschern<br />
von präruminieren<strong>de</strong>n Kälbern<br />
ist nicht zu empfehlen, da nur<br />
niedrige Konzentrationen an Pankreasamylase<br />
im Darm vorhan<strong>de</strong>n sind.<br />
GROSSTIERPRAXIS 12/2004 35
PANSENENTWICKLUNG<br />
Stärke enthält 17 – 30 % Amylose<br />
und 70 – 83 % Amylopectin. Amylose<br />
besteht aus Glucoseeinheiten, die in<br />
einem linearen Polymer durch α-1,4<br />
glykosidische Bindung angeordnet<br />
sind, Amylopectin ist durch α-1,6glykosidische<br />
Verknüpfungspunkte<br />
an ein α-1,4-verbun<strong>de</strong>nes Glucosepolymer<br />
geknüpft. Diese Bindungen<br />
müssen zerstört wer<strong>de</strong>n bevor eine<br />
Absorption beginnen kann. Die niedrigen<br />
Konzentrationen an Pankreasamylase<br />
sind nicht in <strong>de</strong>r Lage genügend<br />
Bindungen zu hydrolysieren<br />
um ausreichend Energie für das Kalb<br />
bereitzustellen (Morill et al. 1970).<br />
36 GROSSTIERPRAXIS 12/2004<br />
äquate Pansenentwicklung Die Pansenentwicklung<br />
wird durch flüchtige,<br />
von Mikroben produzierte Fettsäuren<br />
stimuliert, in erster Linie<br />
durch Buttersäure (Beharka et al.<br />
1998, McLeod und Baldwin 2000).<br />
Flüchtige Fettsäuren steigern die<br />
epitheliale Entwicklung (Tamate et<br />
al. 1962). Buttersäure stellt Energie<br />
für die Erhaltung und Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Pansenwand bereit. Diese Entwicklung<br />
beinhaltet die Bildung <strong>de</strong>r<br />
Papillen und die Verdickung <strong>de</strong>r<br />
Pansenwand einschließlich <strong>de</strong>r Kapillarentwicklung<br />
(Weigand et al.<br />
1975). Überschüssige Buttersäure,<br />
die nicht als Energie für <strong>de</strong>n Pansen<br />
benötigt wird, wird in Form von β-<br />
Hydroxybutyrat in die Blutbahn ab-<br />
Stärke hat in Milchaustauschern für<br />
präruminieren<strong>de</strong> Kälber nichts zu suchen.<br />
Ist <strong>de</strong>r Pansen weiter entwickelt,<br />
wird Stärke zum wichtigsten Bestandteil<br />
<strong>de</strong>r Ration. Die Entwicklung<br />
und Verlängerung <strong>de</strong>r Pansenzotten<br />
sind entschei<strong>de</strong>nd für die Umwandlung<br />
eines monogastrischen<br />
Kalbes zu einer ruminieren<strong>de</strong>n Färse<br />
(Church 1988). Ökonomischere Rationen<br />
und reduzierter Arbeitsaufwand<br />
für die Fütterung sind die vorherrschen<strong>de</strong>n<br />
Kräfte bei diesem<br />
Wechsel. Der limitieren<strong>de</strong> Faktor,<br />
Kälber von Milch o<strong>de</strong>r Milchaustauscher<br />
zu entwöhnen, ist die ad-<br />
gegeben. Ungefähr 90 % <strong>de</strong>r im Pansen<br />
produzierten Buttersäure wird<br />
direkt absorbiert (Bergman 1990,<br />
Weigand et al. 1975). Das Wachstum<br />
<strong>de</strong>r Pansenwand und die Entwicklung<br />
<strong>de</strong>r Kapillaren wer<strong>de</strong>n benötigt<br />
um die Fähigkeit dieses Organs zur<br />
Absorption im Pansen produzierter<br />
Energiesubstrate zu steigern. Da die<br />
mikrobiologischen Endprodukte <strong>de</strong>r<br />
Stärke Propion- und Buttersäure<br />
sind, wird die Pansenentwicklung<br />
stark durch die Aufnahme von Getrei<strong>de</strong><br />
und die Verdauung <strong>de</strong>r Stär-<br />
Abb. 1. Länge <strong>de</strong>r Pansenzotten in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Amylasesubstitution<br />
in verschie<strong>de</strong>nen Pansenarealen.<br />
kekomponenten im Getrei<strong>de</strong> bestimmt.<br />
Wird Stärke im Pansen aufgeschlossen,<br />
entstehen flüchtige<br />
Fettsäuren (Greenwood et al. 1997,<br />
Kehbiel et al. 1992, Nocek et al.<br />
1984, Weigand et al. 1975).<br />
Je<strong>de</strong>r Weg, <strong>de</strong>n Prozess <strong>de</strong>r Stärkeverdauung<br />
zu verbessern, sollte einen<br />
schnelleren bakteriellen Abbau <strong>de</strong>r<br />
Stärke zu Propionsäure, zur Absorption<br />
von Energie und Buttersäure zur Stimulierung<br />
<strong>de</strong>r Pansenentwicklung ermöglichen.<br />
Der Zusatz exogener α-Amylase<br />
kann ein Weg sein, die Stärkeverdauung<br />
bei Wie<strong>de</strong>rkäuern zu verbessern.<br />
Alpha-Amylase hydrolysiert α-1,4-glykosidische<br />
Bindungen, ist jedoch nicht<br />
in <strong>de</strong>r Lage α-1,6-Bindungen an <strong>de</strong>n<br />
Verknüpfungspunkten zu hydrolysieren.<br />
Daher leitet α-Amylase <strong>de</strong>n Stärkeabbau<br />
lediglich ein, <strong>de</strong>r Rest wird durch<br />
mikrobielle Verdauung fortgesetzt.<br />
Die Verfasser untersuchten, ob <strong>de</strong>r Zusatz<br />
von Amylase (Amaize, Alltech)<br />
zu Kälberstarter einen Effekt auf die<br />
Pansenentwicklung hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />
Stärkeverdauung im sich entwickeln<strong>de</strong>n<br />
Pansen zeigt. Die Ergebnisse <strong>de</strong>s<br />
Versuches zeigten, dass <strong>de</strong>r Zusatz von<br />
Amylase unter sonst gleichen Fütterungsbedingungen<br />
und Wachstumsparametern<br />
sowohl das Pansenwachstum<br />
(Abb. 1) als auch die auf die Nährstoffabsorption<br />
bezogenen Parameter<br />
verbesserte, jedoch keinen Einfluss auf<br />
die Dicke <strong>de</strong>r Pansenwand hatte.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass<br />
die Enzymsysteme <strong>de</strong>s neugeborenen<br />
Kalbes sehr komplex sind. Schließlich<br />
han<strong>de</strong>lt es sich um ein Tier, das sein Leben<br />
als Monogastri<strong>de</strong> beginnt, um möglichst<br />
bald zum Wie<strong>de</strong>rkäuer zu wer<strong>de</strong>n.<br />
Die Entwicklung <strong>de</strong>s Pansens ist dabei<br />
von beson<strong>de</strong>rer Wichtigkeit.<br />
Ins Ins Deutsche Deutsche übertragen übertragen von von P PP.<br />
P . Jost,<br />
Jost,<br />
Presseck.<br />
Presseck.