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Konzeptwettbewerb und Know-how-Schutz in der Automobil- und ...

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<strong>Konzeptwettbewerb</strong> <strong>und</strong> <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Automobil</strong>- <strong>und</strong> Zuliefer<strong>in</strong>dustrie<br />

Horst Wildemann ∗<br />

Entwicklungspartnerschaften als Organisationsproblem<br />

In zunehmendem Maße haben große Unternehmen ihre F&E-Kapazitäten<br />

abgebaut <strong>und</strong> benötigen nun die Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungskapazitäten<br />

<strong>der</strong> Zulieferunternehmen. E<strong>in</strong>e Möglichkeit e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit im<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Entwicklungsverb<strong>und</strong> zwischen den <strong>Automobil</strong>herstellern<br />

<strong>und</strong> den Zulieferern besteht <strong>in</strong> dem E<strong>in</strong>gehen von Entwicklungspartnerschaften.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>er Befragung von Experten aus <strong>der</strong> <strong>Automobil</strong>- <strong>und</strong><br />

Zuliefer<strong>in</strong>dustrie sowie <strong>der</strong> Ergebnisse aus mehreren Workshops mit<br />

Unternehmen aus <strong>der</strong> <strong>Automobil</strong><strong>in</strong>dustrie wurden zur Neuorganisation von<br />

Entwicklungspartnerschaften vor allem zwei Problemfel<strong>der</strong> identifiziert:<br />

1. Der Konzentrationsprozess <strong>der</strong> OEM wird auch auf die Unternehmen <strong>der</strong><br />

Zuliefer<strong>in</strong>dustrie Auswirkungen haben. So wird <strong>der</strong> Kostendruck von den<br />

OEM an die Zulieferer weitergegeben. Dies macht auf <strong>der</strong> Zuliefererseite<br />

Maßnahmen notwendig, um auch <strong>in</strong> Zukunft die Profitabilität <strong>der</strong><br />

Unternehmen sicherstellen zu können. Die Zulieferer übernehmen von den<br />

OEM neben materiellen auch immaterielle Wertschöpfungsaktivitäten. Da<br />

die OEM die Verantwortung für gesamte Module <strong>und</strong> Systeme an die<br />

Zulieferanten übertragen, s<strong>in</strong>d diese gezwungen, Projektmanagementkapazitäten<br />

aufzubauen, damit sie wie<strong>der</strong>um ihre Unterlieferanten steuern<br />

können.<br />

2. E<strong>in</strong>e mögliche Ausprägungsform von Entwicklungspartnerschaften<br />

stellen <strong>Konzeptwettbewerb</strong>e dar. Mit dieser Form <strong>der</strong> Zusammenarbeit s<strong>in</strong>d<br />

neue Herausfor<strong>der</strong>ungen verb<strong>und</strong>en. Es besteht noch ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit, <strong>in</strong><br />

∗ Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Horst Wildemann, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit<br />

Schwerpunkt Logistik, Technische Universität München,Leopoldstr. 145,80804 München<br />

Tel.: 089-289 24 000; Fax: 089-289 24 011<br />

E-Mail: wisekretariate@bwl.wiso.tu-muenchen.de<br />

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welcher Form die Entwicklungsleistung <strong>der</strong> Lieferanten vom OEM<br />

f<strong>in</strong>anziell kompensiert werden. Auch ist für die Zulieferer das Problem des<br />

<strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-Abflusses vorhanden.<br />

Der <strong>Konzeptwettbewerb</strong> als Instrument <strong>der</strong> Koord<strong>in</strong>ation<br />

Der <strong>Konzeptwettbewerb</strong> ist e<strong>in</strong>e mögliche Herangehensweise an die<br />

Anbahnung von Geschäftsbeziehungen. In fast allen Bereichen <strong>der</strong><br />

<strong>Konzeptwettbewerb</strong>e, wie zum Beispiel bei <strong>der</strong> Lieferantenauswahl o<strong>der</strong><br />

beim <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong>, sehen die befragten Unternehmen noch offene<br />

Gestaltungsfel<strong>der</strong>. <strong>Automobil</strong>hersteller <strong>und</strong> -zulieferer messen<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dem <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong> e<strong>in</strong>e hohe Bedeutung bei, während<br />

bei den Unternehmen <strong>der</strong> übrigen Branchen die Vergütung <strong>der</strong><br />

Entwicklungsleistung im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> steht. Zudem sehen sich die<br />

Zulieferer primär <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle e<strong>in</strong>es produzierenden Herstellers. Die<br />

Motivation, an e<strong>in</strong>em <strong>Konzeptwettbewerb</strong> teilzunehmen, liegt somit primär<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erlangung e<strong>in</strong>es Serienproduktionsauftrages <strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Entwicklung, die als e<strong>in</strong>e Serviceleistung für den OEM angesehen wird.<br />

Somit unterscheiden sich die Zielsetzungen von produzierenden Zulieferern<br />

erheblich von den Zielsetzungen re<strong>in</strong>er Entwicklungsdienstleister wie<br />

Ingenieurgesellschaften. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sehen die Zulieferer<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kompensation ihrer Entwicklungsleistung e<strong>in</strong> Problem,<br />

da e<strong>in</strong> <strong>Konzeptwettbewerb</strong> nicht zwangsläufig auch e<strong>in</strong>en Auftrag zur<br />

Serienfertigung nach sich zieht. Von <strong>der</strong> Bezahlung <strong>der</strong><br />

Entwicklungsleistung würden auch die OEM profitieren, da die Zulieferer<br />

mehr Ressourcen <strong>in</strong> die Entwicklung stecken würden <strong>und</strong> den OEM somit<br />

ausgereiftere <strong>und</strong> <strong>in</strong>novativere Konzepte anbieten könnten.<br />

Leitl<strong>in</strong>ie: <strong>Konzeptwettbewerb</strong> als Schlüssel für Innovationskraft<br />

Bei <strong>der</strong> meist projektbezogenen Zusammenarbeit im <strong>Konzeptwettbewerb</strong><br />

br<strong>in</strong>gen die Partnerunternehmen jeweils ihr spezielles <strong>Know</strong>-<strong>how</strong> e<strong>in</strong>.<br />

Durch die Zusammenfassung entsteht die Kompetenz für die Lösung<br />

komplexer Aufgaben, die das Leistungsvermögen jedes e<strong>in</strong>zelnen<br />

Unternehmens für sich übersteigen würden. Es entstehen <strong>in</strong>telligente<br />

Netzwerke für jeweils zeitlich begrenzte Projekte.<br />

Der Ideenwettbewerb hat e<strong>in</strong>en neuen Reifegrad erreicht. Die großen<br />

Zulieferer haben ihre Strukturen denen <strong>der</strong> <strong>Automobil</strong><strong>in</strong>dustrie angepasst.<br />

E<strong>in</strong> Unternehmen wie Johnson Controls hat Teams gebildet, die praktisch<br />

an den Plattformen <strong>der</strong> Hersteller ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Im Rahmen <strong>der</strong><br />

Plattform-Teams arbeiten Zulieferer <strong>und</strong> Hersteller bei <strong>der</strong> Konzeption<br />

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neuer Modelle eng zusammen. Der Unterschied gegenüber früher ist, dass<br />

die Partner fast gleich stark s<strong>in</strong>d. Der Hersteller kann es sich nicht<br />

erlauben, dass se<strong>in</strong> Lieferant <strong>und</strong> Entwicklungspartner e<strong>in</strong>fach das Lager<br />

wechselt. Der Zulieferer kann das Lager nicht leichtfüßig verlassen, weil<br />

se<strong>in</strong> <strong>Know</strong>-<strong>how</strong> erst zusammen mit dem des Herstellers Ergebnisse br<strong>in</strong>gt.<br />

Beide s<strong>in</strong>d im eigenen Interesse zur Fairness verpflichtet. Außerdem ist die<br />

Branche so überschaubar, dass e<strong>in</strong> schlechter Leum<strong>und</strong> schnell aufs<br />

Geschäft durchschlagen würde.<br />

Fallstudie <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong>:<br />

Ausgangssituation<br />

In <strong>der</strong> <strong>Automobil</strong><strong>in</strong>dustrie werden zunehmend auch Entwicklungsleistungen<br />

von den OEM an ihre Zulieferer fremdvergeben. Dabei stellen<br />

die Zulieferer immer wie<strong>der</strong> fest, dass ihr <strong>Know</strong>-<strong>how</strong> vom OEM an<br />

Mitwettbewerber abfließt, so kopieren e<strong>in</strong>ige OEM die Angebotsunterlagen<br />

<strong>und</strong> geben diese an an<strong>der</strong>e Zulieferer weiter, ohne dass die Unternehmen<br />

hierfür vom OEM o<strong>der</strong> vom Konkurrenten e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle Kompensation<br />

erhalten.<br />

Das <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fallstudie betrachtete Unternehmen <strong>der</strong> <strong>Automobil</strong>zuliefer<strong>in</strong>dustrie<br />

(1,5 Mrd. Euro Umsatz, 9.000 Mitarbeiter) hatte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Vergangenheit große Probleme, den <strong>Schutz</strong> des eigenen <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>s <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Angebotsphase sowie bei Auftragserlangung vor Abfluss zum K<strong>und</strong>en o<strong>der</strong><br />

Lieferanten sicherzustellen.<br />

Vorgehensweise<br />

Zur Ermittlung <strong>der</strong> Stärken <strong>und</strong> Schwächen des Umgangs mit dem eigenen<br />

<strong>Know</strong>-<strong>how</strong> wurde <strong>in</strong> dem betrachteten Unternehmen e<strong>in</strong> 5-Tage-Audit<br />

durchgeführt. Dabei konnten folgende Defizite identifiziert werden: ke<strong>in</strong>e<br />

systematische Erfassung des eigenen <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>s, ke<strong>in</strong>e Sensibilisierung<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter für die Problematik „<strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong>“, Involvierung<br />

e<strong>in</strong>er großen Mitarbeiteranzahl <strong>in</strong> sensible Projekte, sehr späte Involvierung<br />

<strong>der</strong> Patentabteilungen, ke<strong>in</strong>e systematische Kontrolle von Urheberrechtsverletzungen<br />

durch Wettbewerber <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e systematische Patentrecherche<br />

<strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-Sicherungsmaßnamen bei <strong>der</strong> Angebotsabgabe.<br />

In e<strong>in</strong>em Projektleitfaden wurden die Analyseergebnisse dokumentiert <strong>und</strong><br />

Empfehlungen zur Realisierung präsentiert. Zur Erreichung <strong>der</strong><br />

Zielsetzungen wurde mit Hilfe e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation von GENESIS-<br />

Workshops <strong>und</strong> klassischer Projektarbeit e<strong>in</strong>e regelmäßig stattf<strong>in</strong>dende<br />

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Produktkl<strong>in</strong>ik implementiert, mit <strong>der</strong>en Hilfe nicht nur Patentverletzungen<br />

durch Wettbewerber festgestellt, son<strong>der</strong>n auch systematisch Wettbewerberproblemlösungen<br />

analysiert werden können. Der Aufbau e<strong>in</strong>er eigenen<br />

Wissensdatenbank, <strong>in</strong> <strong>der</strong> das eigene <strong>Know</strong>-<strong>how</strong> <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Sensibilitätsklassen dokumentiert wird, wurde e<strong>in</strong>geleitet.<br />

Die organisatorische Implementierung e<strong>in</strong>es Geheimhaltungsbeauftragten<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>es Patentbeauftragten, die die Mitarbeiter bezüglich <strong>der</strong><br />

Problematiken sensibilisieren <strong>und</strong> bei Fragen Hilfe leisten können, wurde<br />

durchgeführt. Verschiedene <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong>maßnahmen s<strong>in</strong>d def<strong>in</strong>iert<br />

worden. Hierzu gehörten e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche Pflicht des K<strong>und</strong>en zur<br />

Unterzeichnung e<strong>in</strong>er gegenseitigen Geheimhaltungsvere<strong>in</strong>barung, die<br />

Abgabe von Mustern, Än<strong>der</strong>ung von Konstruktionszeichnungen, die<br />

Weiterreichung von 80%-Lösungen <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Open-Data-<br />

Rooms. Die Anzahl e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>ener Mitarbeiter bei sensiblen Projekten<br />

wurde stark reduziert.<br />

Ergebnisse<br />

Durch die umgesetzten Maßnahmen konnte e<strong>in</strong>e signifikante Verr<strong>in</strong>gerung<br />

<strong>der</strong> Anzahl bekannter Fälle <strong>der</strong> Weitergabe von <strong>Know</strong>-<strong>how</strong> durch OEM an<br />

Wettbewerber erreicht <strong>und</strong> verschiedene Verletzungen eigener Patentrechte<br />

durch Wettbewerber aufgedeckt werden. Zudem hat sich durch den E<strong>in</strong>satz<br />

von Maßnahmen, <strong>in</strong> die sowohl das betrachtete Unternehmen als auch die<br />

OEM <strong>in</strong>volviert waren (gegenseitige Geheimhaltungsvere<strong>in</strong>barungen,<br />

gegenseitige Offenlegung von getroffenen <strong>Know</strong>-<strong>how</strong>-<strong>Schutz</strong>maßnahmen),<br />

die persönliche Beziehungsqualität verbessert <strong>und</strong> das gegenseitige<br />

Vertrauen erhöht, was sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erlangung beson<strong>der</strong>s sensibler Aufträge<br />

manifestierte <strong>und</strong> zu Umsatzsteigerungen führte<br />

Fallstudien <strong>und</strong> Literatur unter: www.tcw.de<br />

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