info-pdf - Wirtschaftsmagazin
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Manuela Stier, Prof. Dr. Wolfgang Becker und Dr. Leonhard Fopp<br />
Lebenskonzept Unternehmertum –<br />
Motivations- und Erfolgsfaktoren<br />
Prof. Dr. Rico J. Baldegger ı Dr. Hans Bärfuss ı Sabine Bellefeuille-Burri ı Ernesto Bertarelli<br />
Dr. Georges Bindschedler ı Hans-Jürgen Brackmann ı Dr. Bianca Braun ı Maximilian Büsser<br />
Prof. Mariana Christen Jakob ı Dr. Klaus Daniel ı Gottlieb Duttweiler ı Michael Fischbacher<br />
Stefan Ganzoni ı Christa Gebert ı Dr. Nina Geib ı Dr. Pascal Gentinetta ı Dr. Arin Ghasparian<br />
Christian Hafner ı Dr. Frank Halter ı Marc Hamburger ı Markus Hanauer ı Roger Herzig<br />
Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes ı Hildegard Jutz ı Cordula Kaiss-Hess ı Dr. Walter U. Koller<br />
Prisca Koller ı Julia Kotsch ı Peter Kuratli ı Loris Landolt ı Anton Lauber ı Pascale Lehmann<br />
Hanspeter Lebrument ı Christiane Leister ı Roland Lenz ı Monika Löffel-Bösch<br />
Hugo Mathys ı Peter Hermann Maier ı Ruedi Noser ı Klaus Pavel ı Dr. Christian Raubach<br />
Johannes Reck ı Markus Schär ı Rolf G. Schmid ı Jacob Schmidheiny ı Susanne Schroff<br />
Sabina Schumacher ı Johann N. Schneider-Ammann ı Philipp Sieger ı Anita Sigg<br />
Patrick Ulrich ı S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein ı Jürg Weber ı Bernhard Wolf<br />
Moritz Wymann ı Linda Zurkinden-Erismann
Manuela Stier, Prof. Dr. Wolfgang Becker und Dr. Leonhard Fopp<br />
Motivations- und Erfolgsfaktoren<br />
des Unternehmers<br />
Herausgeberin<br />
Manuela Stier<br />
Verlegerin und Chefredaktorin des<br />
«<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>s»<br />
www.wirtschaftsmagazin.ch<br />
Inhaberin der<br />
Stier Communications AG<br />
Agentur für Corporate Identity<br />
Grossächerstrasse 25<br />
CH-8104 Weiningen<br />
manuela.stier@stier.ch<br />
www.stier.ch<br />
Co-Herausgeber<br />
Prof. Dr. Wolfgang Becker<br />
Universität Bamberg<br />
Scio GmbH, Erlangen<br />
www.professorwbecker.de<br />
Dr. oec. Leonhard Fopp<br />
Continuum AG<br />
Stampfenbachstrasse 153<br />
CH-8006 Zürich<br />
www.continuum.ch<br />
ISBN<br />
978-3-033-02491-5<br />
SONDERBAND | 3<br />
Konzept/Redaktion/Gestaltung<br />
Stier Communications AG, Weiningen<br />
www.stier.ch<br />
Fotos<br />
Peter Ruggle, St. Gallen<br />
www.peter-ruggle.ch<br />
Korrektorat<br />
Text Control AG, Zürich<br />
www.textcontrol.ch<br />
Druck<br />
Effingerhof AG, Brugg<br />
www.effingerhof.ch<br />
Auflage<br />
10 000 Expl. deutsch<br />
Zielgruppe<br />
Unternehmerinnen und Unternehmer<br />
Preis<br />
CHF 49.– (inkl. MWST)<br />
zuzüglich Versandkosten<br />
Erscheinungsdatum<br />
Juni 2010<br />
Bestellung<br />
www.wirtschaftsmagazin.ch<br />
Copyright<br />
Weiterverwendung des Inhalts<br />
nur mit schriftlicher Genehmigung der<br />
Herausgeber/Redaktion/Autoren<br />
gestattet.
Manuela Stier<br />
Manuela Stier, Dipl. Public-Relations-Beraterin,<br />
ist Inhaberin und Geschäftsleiterin der<br />
1995 von ihr gegründeten Corporate-Identity-Agentur<br />
Stier Communications AG in<br />
Weiningen. Seit 2006 ist sie auch tätig als<br />
Verlegerin und Chefredaktorin des «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>s»<br />
und seit 2009 als<br />
Mitinitiantin der Initiative Lebenskonzept<br />
Unternehmertum.<br />
Univ.-Professor Dr. Dr. Wolfgang Becker<br />
Wolfgang Becker ist seit 1993 Ordinarius<br />
für Betriebswirtschaftslehre an der<br />
Universität Bamberg und seit 2000<br />
Mitinhaber der Scio GmbH, Erlangen.<br />
Mit seinen Aktivitäten als Wissenschaftler,<br />
Gutachter, Berater und Trainer propagiert<br />
und unterstützt er eine wissenschaftlich<br />
fundierte unternehmerische Führung<br />
in der Wirtschaftspraxis. Dabei stehen<br />
mittelständische Unternehmen, speziell<br />
Familienunternehmen, im Mittelpunkt<br />
seiner Bemühungen.<br />
Dr. oec. Leonhard Fopp<br />
Betriebswirtschafter der Universität<br />
St. Gallen (HSG), Inhaber der Continuum AG<br />
in Zürich, der Spezialistin für Familienunternehmen.<br />
Vertraut mit allen strategischen<br />
Herausforderungen von Unternehmerfamilien<br />
und Familienunternehmen.<br />
Präsident des Family Business Network<br />
(FBN) Deutsche Schweiz und Jurypräsident<br />
für den ASCO-Award «Best Business<br />
Transformation».<br />
Lebenskonzept Unternehmertum – Motivations- und Erfolgsfaktoren<br />
Nur was sicht- und greifbar ist, findet Beachtung<br />
Motivation und Leistungen eines Unternehmers für die Gesellschaft gehen<br />
weit über das hinaus, was das Individuum, etwa als Arbeitnehmer,<br />
Geschäftspartner oder Kunde, von ihm wahrnimmt. Das unvollständige und<br />
teilweise verzerrte Bild zeigt sich in der Medienberichterstattung, die<br />
Negativbeispielen von Unternehmern weit mehr Platz einräumt als<br />
Erfolgsstorys – von denen es nicht wenige gibt. Auch in Lehre und Forschung<br />
gilt der Unternehmer noch weitgehend als unbekanntes Wesen.<br />
Gelehrt werden hauptsächlich Managementtheorien, die Erforschung der<br />
Unternehmerpersönlichkeit jedoch steckt nach wie vor in den Kinderschuhen.<br />
Politiker schieben den Unternehmer je nach ihrer Parteiprägung<br />
in die Ecke von Gut oder Böse. Und schliesslich fehlt es in den Schulen an<br />
geeigneten Projekten, die Jugendliche und junge Erwachsene dazu anspornen,<br />
das Unternehmertum kennen zu lernen.<br />
Mit «Lebenskonzept Unternehmertum – Motivations- und Erfolgsfaktoren<br />
des Unternehmers», dem zweiten Sonderband des «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>s»,<br />
wollen wir aktiv dazu beitragen, dem Unternehmer ein Gesicht zu geben und<br />
ihn für eine breite Öffentlichkeit fassbar zu machen. Die grosse Bereitschaft<br />
von Unternehmern, Wissenschaftlern und Politikern, uns in diesem Vorhaben<br />
zu unterstützen, freut uns sehr.<br />
Im Sonderband gehen unsere Autoren den Fragen nach, welche Persönlichkeitsmerkmale<br />
den Unternehmer ausmachen, welche Verantwortung im<br />
Unternehmertum liegt, was das Unternehmertum als Lebenskonzept bedeutet,<br />
welche Motivation den Unternehmer treibt, wie jungen Leuten die<br />
Leitgedanken näher gebracht werden können, wie es um die Rahmenbedingungen<br />
steht und wieso unternehmerische Kraft und Erfahrung auch<br />
in karitative Projekte einfliessen sollen.<br />
Eines der meistgenannten Ziele von Unternehmern ist, mit ihrem Lebenswerk<br />
etwas in Bewegung setzen und langfristige Werte zu schaffen. Mit<br />
ihrem Beitrag unterstreichen die Autoren diesen Leitgedanken. Wir<br />
danken ihnen ganz herzlich dafür.<br />
Manuela Stier, Prof. Dr. Wolfgang Becker, Dr. Leonhard Fopp<br />
VORWORT | 5
6 | INHALT<br />
VORWORT<br />
FOKUS<br />
INITIATIVE LEBENSKONZEPT<br />
UNTERNEHMERTUM<br />
68 80<br />
WISSENSCHAFT<br />
94<br />
Lebenskonzept Unternehmertum – Motivations- und Erfolgsfaktoren 5<br />
Manuela Stier, Prof. Dr. Wolfgang Becker, Dr. Leonhard Fopp<br />
Das Unternehmertum im Erklärungsnotstand? 10<br />
Manuela Stier, Stier Communications AG/ «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>»<br />
Unternehmertum – gestern, heute, morgen 12<br />
Prof. Dr. Wolfgang Becker und Patrick Ulrich, Universität Bamberg (D)<br />
Gelebtes Unternehmertum 2020 – ein Forderungskatalog 16<br />
Dr. Leonhard Fopp, Continuum AG<br />
Round-Table-Gespräch 20<br />
Optimierte Rahmenbedingungen für das Unternehmertum<br />
Dr. Pascal Gentinetta, Economiesuisse<br />
Christiane Leister, Leister Process Technologies<br />
Ruedi Noser, Noser Group<br />
Unternehmertum – ein Lebenskonzept? 26<br />
Sabine Bellefeuille-Burri, Burri public elements AG<br />
Vom Business Case zur Lebensaufgabe 28<br />
Manuela Stier und Pascale Lehmann, Stier Communications AG<br />
Leitfaden zur selbständigen Prozessgestaltung in der Nachfolge 30<br />
Anita Sigg, ZHAW Winterthur<br />
Das Lebenskonzept Unternehmertum fassbar machen – im Zeitraffer 32<br />
Dr. Walter U. Koller und Prisca Koller, PRO4S und Partner GmbH<br />
Die Qual der Wahl für unternehmerische Studierende: 34<br />
gründen, kaufen oder übernehmen?<br />
Dr. Frank Halter und Philipp Sieger, Universität St. Gallen<br />
Die optimale Unternehmensnachfolge – eine Existenzfrage 38<br />
für das Familienunternehmen<br />
Prof. Dr. Brun-Hagen Hennerkes, Stiftung Familienunternehmen<br />
Wie die Forschung das Unternehmertum unterstützen kann 42<br />
Prof. Dr. Rico J. Baldegger, Hochschule für Wirtschaft Freiburg<br />
Verantwortung als roter Faden 44<br />
Prof. Dr. Mariana Christen Jakob, Hochschule Luzern
PLATIN-SPONSOR<br />
GOLD-SPONSOREN<br />
SACH-SPONSOREN<br />
UNTERNEHMER Manager als typische Unternehmer 46<br />
Rolf G. Schmid, Mammut Sports Group Schweiz<br />
Vorbild Unternehmer – was macht den Unternehmer aus? 48<br />
Johann N. Schneider-Ammann, Ammann Group<br />
Ein Medienunternehmen – Unterstützung für die Wirtschaft 50<br />
Hanspeter Lebrument, Südostschweiz Medien<br />
Nachhaltiges Unternehmertum 52<br />
Loris Landolt, Designfunktion AG<br />
Wie entsteht die unternehmerische Grundhaltung? 54<br />
Christiane Leister, Leister Process Technologies<br />
Firmengründung – die eigene Vision verwirklichen 56<br />
Maximilian Büsser, MB & F SA<br />
Wie definiere ich Erfolg? 58<br />
Dr. Bianca Braun, maxon motor ag<br />
Unternehmen als Familienangelegenheit 60<br />
Bernhard Wolf, Woco Franz Josef Wolf GmbH<br />
Ein Leben als «Multipreneur» 62<br />
Dr. Hans Bärfuss, PDF Tools AG<br />
«Wir fördern bewusst unternehmerisches Handeln» 64<br />
S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein, LGT Group<br />
Dutti – ein Leben für die Kundinnen und die Schweiz 66<br />
Hans Schneeberger, «Migros Magazin»<br />
Nicht selten geht man den immer gleichen Weg, 68<br />
weil man keinen anderen kennt<br />
Michael Fischbacher, Christian Fischbacher Co. AG<br />
Das Feuer weitergeben: Begeisterung und Leidenschaft 70<br />
als Grundlage für eine starke Unternehmenskultur<br />
Markus Hanauer, Spirit Link Medical<br />
«Eigentlich hätte ich mich zurücklehnen können» 72<br />
Moritz Wymann, Suxesiv GmbH<br />
Unternehmerisches Engagement für eine innovative Schweiz 74<br />
Hugo Mathys, Mathys AG<br />
INHALT | 7
8 | INHALT<br />
UNTERNEHMER Träume verwirklichen! 76<br />
Ernesto Bertarelli, Unternehmer und Finanzier<br />
Die Leistungsbereitschaft bei der Jugend wecken 78<br />
Peter Kuratli, Syntax Übersetzungen AG<br />
Familiennachfolge im börsenkotierten Unternehmen: 80<br />
Erfolg erben und weiterführen<br />
Monika Löffel-Bösch, Feintool International Holding AG<br />
In Familienunternehmen ist Feingefühl gefragt 82<br />
Anton Lauber, Schurter AG<br />
Ganzheitliche Verantwortung des Unternehmers im 3. Jahrtausend 84<br />
Klaus Pavel, Consul der föderativen Republik von Brasilien<br />
Zukunft beruht auf Herkunft – wird Unternehmergeist vererbt? 86<br />
Dr. Georges Bindschedler, Kubo Tech AG<br />
Erfolgreiche Unternehmer beherrschen nicht immer 88<br />
ihre Managementprozesse<br />
Dr. Klaus Daniel, Scio GmbH<br />
Auf den Spuren östlicher Meister 90<br />
Roger Herzig, RWD Schlatter AG<br />
Unternehmer Jacob Schmidheiny nimmt Stellung 92<br />
Jacob Schmidheiny, Conzzeta AG<br />
Soziales Unternehmertum 94<br />
Susanne Schroff, ROTRONIC AG<br />
Unternehmertum am Finanzplatz – wo sollte 96<br />
das zukünftige Wachstum herkommen?<br />
Dr. Christian Raubach und Christian Hafner, Wegelin & Co.<br />
Familiäre Werte, Familienunternehmenswerte 98<br />
Stefan Ganzoni, Sigvaris Gruppe<br />
Lust und Last des Unternehmertums – ein Lebenskonzept 100<br />
Peter Hermann Maier, Graf Lambsdorff & Compagnie<br />
Weibliches Unternehmertum … meine persönliche Toolbox 102<br />
Sabina Schumacher, Tecalto AG
NEU- UND<br />
JUNGUNTERNEHMER<br />
STIFTUNGEN<br />
StartZentrum Zürich: Geschäftsideen erfolgreich am Markt umsetzen 104<br />
Marc Hamburger, StartZentrum<br />
Mit 50+ zum Jungunternehmer 108<br />
Markus Schär, NewPlacement GmbH<br />
Unternehmertum und das Streben nach Glück 110<br />
Johannes Reck, GetYourGuide AG<br />
Erfahrungen bei der Unterstützung von Jungunternehmen 112<br />
Cordula Kaiss-Hess, Kamako Beteiligungen AG<br />
Von Wissenschaftlern zu Unternehmern – auf in die Selbständigkeit 114<br />
Dr. Arin Ghasparian und Dr. Nina Geib, Virometix AG<br />
Sind Old-Boys-Netzwerke passé? 116<br />
Jürg Weber, censhare (Schweiz) AG<br />
Das Weingut mit dem Ozean dazwischen 118<br />
Roland Lenz, Weingut Roland und Karin Lenz<br />
Unternehmertum und Philanthropie – Verantwortung für das 120<br />
Geschäft und die Gesellschaft<br />
Linda Zurkinden-Erismann, StiftungsZentrum.ch GmbH<br />
Herausforderung und Chance für die Gebert Stiftung für Kultur 122<br />
Christa Gebert, Gebert Stiftung für Kultur<br />
Unternehmerinnen befreien ihre Familien aus der Armut 124<br />
Hildegard Jutz, Stiftung Offene Hand «Swisshand»<br />
«Herausforderung Unternehmertum» fördert Nachwuchsunternehmer 129<br />
Hans-Jürgen Brackmann, Stiftung der Deutschen Wirtschaft<br />
INHALT | 9
10 | FOKUS MANUELA STIER<br />
Von der Einwegkommunikation zum Dialog<br />
In der Kommunikationslehre hat sich der Begriff für die «für ein<br />
Unternehmen und seine Tätigkeit relevanten Personen oder<br />
Organisationen» nach und nach verändert. Anstelle derjenigen,<br />
die das Unternehmen für ihre Ziele als wichtig erachteten, traten<br />
unter dem Begriff «Anspruchsgruppen», oder neudeutsch<br />
«Stake holder», diejenigen, die am Unternehmen Interesse<br />
haben könnten. Ein erster (theoretischer) Schritt von der<br />
klassischen Innen- zur Aussensicht war erfolgt. Anschliessend<br />
floss die Erkenntnis ein, dass effektive Kommunikation nicht nur<br />
vom Unternehmen ausgehen darf, sondern ein Antwort-, ja sogar<br />
ein Mitspracherecht der Angesprochenen besteht. Diese<br />
grund sätzliche Gesprächsbereitschaft spiegelt sich im Ausdruck<br />
«Dialoggruppen».<br />
Zielgruppe «Breite Öffentlichkeit»<br />
Mit der Gesprächsbereitschaft ist es noch nicht getan. Interessant<br />
ist auch die Definition und Priorisierung der Zielgruppen.<br />
Aussagen wie «Bei uns steht der Kunde im Zentrum» stellen<br />
sofort klar, auf wen das Unternehmen fokussiert. Der Gedanke<br />
ist richtig, denn wie bitte sonst kann ich mein Geschäft zum<br />
Erfolg führen? Auch der Kommunikationsgrundsatz «intern vor<br />
extern» hat sich grösstenteils durchgesetzt – ohne Verankerung<br />
der Botschaften bei den Mitarbeitenden nützt die beste<br />
Kommunikation nichts. In die Primärzielgruppen reihen sich,<br />
auch nachvollziehbar, die Mitarbeitenden, die Lieferanten/<br />
Geschäftspartner und für börsenkotierte Unternehmen die<br />
Aktionäre. Sind die Exponenten des Unternehmens nicht allzu<br />
scheu und traut man den Medien, werden diese ebenfalls als<br />
wichtige Zielgruppe genannt. Meist an letzter Stelle und, etwas<br />
verschämt, steht in vielen Kommunikationskonzepten der<br />
Begriff «Breite Öffentlichkeit», was den etwas unbeholfenen<br />
Umgang mit dieser heterogenen Masse – und die damit verbundene<br />
stiefmütterliche Behandlung – erklärt.<br />
Das Unternehmertum<br />
im Erklärungsnotstand?<br />
DEN UNTERNEHMERN FEHLT ES WEDER AN ARGUMENTEN NOCH AN<br />
TATEN, mit denen sie den Nutzen des Unternehmertums für die Gesellschaft<br />
belegen könnten. Der Austausch über unternehmerische Leistungen mit der Öffentlichkeit<br />
findet jedoch nicht statt. Ein Plädoyer für eine weitreichendere Kommunikation<br />
der unternehmerischen Leitgedanken.<br />
Erklärungsbedarf besteht auf beiden Seiten<br />
Sich ein Bild von jemandem zu machen, den man nicht kennt, ist<br />
schwierig. Das Feiern von Erfolgen, das Besprechen von<br />
Problemen, die Kommunikation unter Gleichgesinnten sind<br />
einfach. «Breite Öffentlichkeit» meint Gesellschaft und damit<br />
uns alle. Was der Mensch nicht kennt, beurteilt er bestenfalls<br />
vorsichtig, sonst eher kritisch. Meinungsbildung entsteht durch<br />
eigene Erfahrung oder Aussagen von Menschen, denen wir<br />
vertrauen. Dazu gehören Familie und Freunde, aber auch<br />
Personen, denen es gelingt, glaubhafte und für die Mehrheit<br />
verständliche Geschichten zu erzählen – beispielsweise in den<br />
Medien.<br />
Der Unternehmer ist kein Geschichtenerzähler<br />
Das Unternehmertum und damit die Unternehmer haben es in<br />
der Vergangenheit grösstenteils versäumt, ihre durchaus<br />
spannenden Geschichten einem grösseren Kreis von potenziell<br />
interessierten Zuhörern zugänglich zu machen. Aus dem<br />
Erfahrungsschatz von Unternehmern könnten viele lernen:<br />
Schüler, junge Erwachsene, Jungunternehmer, Mitarbeitende,<br />
die sich weiterentwickeln möchten, gestandene Manager und<br />
Senioren, die im dritten Lebensabschnitt einer sinnvollen<br />
Beschäftigung nachgehen möchten. Was spricht dagegen, dass<br />
der Unternehmer wie Scheherazade aus der Not eine Tugend<br />
macht und damit Sympathien für das Unternehmertum und<br />
seinen Fortbestand gewinnt?<br />
1001 gute Beispiele<br />
Arbeitnehmende, Lieferanten und Staat erwarten eine Menge<br />
vom Unternehmer: dass er für Sicherheit am Arbeitsplatz, die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen und die Bezahlung der Löhne<br />
besorgt ist; dass er Akquisition betreibt und dadurch sein<br />
© Peter Ruggle
Umfeld mit Aufträgen versorgen kann; dass er innovativ ist und<br />
den Wirtschaftsstandort damit vorantreibt; dass er sein Einkommen<br />
ehrlich deklariert und die Steuern pünktlich bezahlt; und<br />
dass er mit Visionen und Investitionen für den Fortbestand und<br />
damit die Weiterführung aller vorgängig aufgezählten, einenm<br />
Unternehmer vermeintlich zukommenden Pflichten sorgt. All<br />
diese unternehmerischen Leistungen scheinen selbstverständlich<br />
– solange die damit verbundenen Freuden und Nöte des<br />
Unternehmers nur unter seinesgleichen und nicht in der Öffentlichkeit<br />
besprochen werden.<br />
Der Mann von der Strasse wäre erstaunt, wüsste er, welche Leistungen<br />
der Unternehmer für Gesellschaft und Staat zusätzlich<br />
erbringt. Allein, man müsste sie kommunizieren! Wie viele Unternehmer<br />
engagieren sich (in ihrer Freizeit) für unterschiedlichste<br />
Projekte und Initiativen? Liegen Vorstandsposten in wirtschaftlich<br />
oder beruflich orientierten Verbänden noch auf der<br />
Hand, geht die Mitgliedschaft in Service-Clubs mit der Wahrnehmung<br />
gesellschaftlicher Aufgaben schon weiter. Ins Licht der<br />
Öffentlichkeit gerückt werden müsste auch, wie viele Unternehmer<br />
ihre Freizeit und notabene finanzielle Mittel für Stiftungen<br />
einsetzen, die der Gesellschaft im In- und Ausland dienen.<br />
Kommunikation mit der Öffentlichkeit ist Pflicht<br />
Die Mehrzahl der Unternehmer kommt der von den direkten Bezugsgruppen<br />
an sie gestellten Anforderungen unbestritten<br />
nach. Viele nutzen jedoch nicht die Chancen, die sich mit ihrem<br />
unternehmerischen Engagement – und notabene auch der wirtschaftlichen<br />
Kraft und den damit verbundenen medialen Wirkungsmöglichkeiten<br />
– zusätzlich bieten. Das Unternehmertum<br />
Manuela Stier, Dipl. Public-Relations-Beraterin, ist Inhaberin und<br />
Geschäftsleiterin der von ihr gegründeten Corporate-Identity-Agentur<br />
Stier Communications AG in Weiningen.<br />
Stier Communications AG<br />
• Gründung am 1.1.1995<br />
• Corporate Identity für nationale und internationale KMU<br />
• 5 Mitarbeitende<br />
www.stier.ch<br />
«<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>»/Initiative Lebenskonzept Unternehmertum<br />
Seit 2006 ist Manuela Stier auch tätig als Verlegerin und Chefredaktorin<br />
des «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>s» und seit 2009 Mitinitiantin<br />
der Initiative Lebenskonzept Unternehmertum.<br />
www.wirtschaftsmagazin.ch<br />
www.unternehmertumaktiv.com<br />
Manuela Stier Inhaberin Stier Communications AG, Verlegerin «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>», Weiningen ZH,<br />
Mitinitiantin der Initiative Lebenskonzept Unternehmertum<br />
«Als Unternehmerin habe ich die Möglichkeit, neue Ideen<br />
auf eigenes Risiko umzusetzen und dadurch nachhaltige Werte zu<br />
erschaffen.»<br />
hat absolut keinen Erklärungsnotstand, ist aber für die breiter<br />
gefasste Zielgruppe definitiv erklärungsbedürftig. Unternehmer<br />
sind damit gefordert, in der Öffentlichkeit aufzutreten und aufzuzeigen,<br />
wofür sie einstehen und was ihnen wichtig ist.<br />
Liebe Unternehmerin, lieber Unternehmer, treten Sie hervor und<br />
erzählen Sie der breiten Öffentlichkeit Ihre Geschichte! Nutzen<br />
Sie die Medien, um komplexe Wirtschaftsthemen anhand Ihres<br />
Unternehmens einfach zu erklären. Zeigen Sie auf, wie und nach<br />
welchen Prinzipien Sie Ihr Unternehmen führen. Machen Sie<br />
nachvollziehbar, dass Gewinnstreben nichts An rüchiges ist,<br />
sondern letztendlich dem Fortbestand des Unternehmens und<br />
damit der Gesellschaft dient. Tun Sie Gutes, aber reden Sie auch<br />
darüber. Für den Auftritt sind weder Medientraining noch Krawatte<br />
gefragt. Ein sympathischer Auftritt und nachvollziehbare<br />
Argumente eines Unternehmers genügen.<br />
Fazit<br />
• Dialog ist nur möglich, wenn sich die Zielgruppen<br />
kennen oder kennen lernen können.<br />
• Unternehmertum bleibt für die Öffentlichkeit<br />
ein abstrakter Begriff, wenn er nicht durch Beispiele<br />
erklärt wird.<br />
• «Tue Gutes und sprich darüber» gilt als abgedroschen,<br />
hat jedoch nach wie vor seine Gültigkeit.
46 | UNTERNEHMER ROLF G. SCHMID<br />
Manager als typische Unternehmer<br />
ALS CEO DES BERGSPORTAUSRÜSTERS MAMMUT ist Rolf G. Schmid nicht der klassische Unternehmer.<br />
Er führt das Unternehmen jedoch wie sein eigenes. Mit einem Langfristhorizont, Herzblut und der Über zeugung,<br />
dass er als Vorge setzter die Unter nehmenswerte vorleben muss.<br />
Manager oder Unternehmer?<br />
Kann ein Manager überhaupt ein Unternehmer sein? Sind alle<br />
angestellten Geschäftsführer oder CEOs nur Manager und somit<br />
kurzfristige Abzocker, die nur ihre Karriere vor Augen haben?<br />
Oder gibt es auch den Manager, der kein Manager im klassischen<br />
Sinn, sondern vielmehr Unter nehmer ist?<br />
Bin ich ein Manager?<br />
Ich bin angestellt, beziehe einen Lohn und werde am Ende des<br />
Jahres bei Erreichen der gesetzten Ziele zusätzlich mit einem<br />
Bonus für meine Leistung entschädigt. Ich bin nicht am Unternehmen<br />
beteiligt, sitze nicht im Verwaltungsrat der Mammut<br />
Sports Group AG und riskiere mit meinen Entscheidungen auch<br />
nicht mein privates Kapital resp. Vermögen. Gemäss Arbeitsvertrag<br />
habe ich eine 42-Stunden-Woche sowie Anspruch auf<br />
fünf Wochen bezahlte Ferien pro Jahr. Ja, nach geläufiger Definition<br />
bin ich ein klarer, klassischer Angestellter, dem die Aufgabe<br />
zugewiesen wurde, Manager zu sein!<br />
Was habe ich überhaupt in diesem Sonderband Lebenskonzept<br />
Unternehmertum verloren?<br />
Bin ich ein Unternehmer?<br />
Ich hänge mit vollem Herzen an «meinem» Unternehmen, bin<br />
nicht kurzfristig incentiviert und motiviert, fühle mich ein bisschen<br />
als Patron und investiere als Verantwortlicher für «mein»<br />
Unternehmen seit fast 15 Jahren meine ganze Kraft in den langfristigen<br />
Aufbau und Erfolg der Mammut Sports Group AG. Ich<br />
sehe meine Tätigkeit als Lebensaufgabe. Mammut ist ein Teil<br />
von mir, ich bin ein Teil von Mammut und die letzten 15 Jahre<br />
Mammut-Geschichte sind auch die letzten 15 Jahre meiner persönlichen<br />
Geschichte.<br />
Bin ich jetzt ein Manager oder ein Unternehmer?<br />
Alle Manager sind Abzocker und denken kurzfristig<br />
Manager denken nur an ihren persönlichen, kurzfristigen Profit,<br />
da sie ja bereits an den nächsten Schritt ihrer Karriere denken,<br />
an den zukünftigen Job mit mehr Verdienst. Entspricht dieses<br />
Bild der Realität? Darf man, nur weil leider gewisse Manager<br />
dem obigen Klischee entsprechen, alle Manager in diesen Topf<br />
werfen? Wird man dadurch dem Gros der Manager gerecht? Darf<br />
man Unternehmer generell als gute und Manager als schlechte<br />
Chefs und Menschen abstempeln? Sind die einen Abzocker,<br />
während die anderen ihr Vermögen für die Allgemeinheit riskieren?<br />
Ist dies nicht viel zu einfach und ausserdem realitätsfremd?<br />
Leider wird heute allgemein so schwarzweiss argumentiert, und<br />
darum habe ich mich entschieden, meinen Beitrag zum «Lebenskonzept<br />
Unternehmertum» zu leisten.<br />
Neben den Managern und den Unternehmern gibt es noch die<br />
«Angestellten-Unternehmer»<br />
Die heutigen Begriffe und ihre Definitionen von Managern und<br />
Unternehmern genügen meines Erachtens nicht, um eine Vielzahl<br />
erfolgreicher Führungspersönlichkeiten zu bezeichnen. Es<br />
braucht einen neuen Begriff oder eine neue Bezeichnung für<br />
Leute, die leisten und sich verhalten wie Unternehmer, aber<br />
nicht Besitzer «ihrer» Unternehmen sind oder sein können und<br />
sich dadurch klar von der negativ besetzten Bezeichnung<br />
«Manager» absetzen. Diese Leute sind Unternehmer, aber eben<br />
«Angestellte-Unternehmer».<br />
Was zeichnet «Angestellte-Unternehmer» aus?<br />
«Angestellte-Unternehmer» sind langfristig denkende und handelnde<br />
Geschäftsführer im Gegensatz zu klassischen Managern,<br />
die oft kurzfristig optimieren müssen (weil es die Börse oder die<br />
Eigentümer so erwarten) oder wollen (weil der persönliche Profit<br />
im Vordergrund steht). Sie sehen ihre Tätigkeit, ihre Stelle nicht<br />
zeitlich begrenzt, sondern als Lebensaufgabe, als Lebensstelle.<br />
Sie wollen einmal sagen können: «Ich habe mit meinem Team<br />
‹mein› Unternehmen dahin gebracht, wo es heute steht.» Und<br />
sie sind stolz darauf, ein Lebenswerk vollbracht zu haben oder<br />
zu vollbringen.<br />
Angestellte-Unternehmer sind voller Leidenschaft und zeichnen<br />
sich durch eine überproportionale Identifikation mit «ihrem»<br />
Unternehmen aus; sie sind ein Teil des Unternehmens und das<br />
Unternehmen ist ein Teil von ihnen!<br />
Sie sind keine Verwalter, sondern Gestalter und gehen mit den<br />
Ressourcen des Unternehmens so um, wie sie es mit den eigenen<br />
auch tun würden. Sie nehmen eine überdurchschnittlich hohe<br />
Verantwortung wahr im Sinne einer finanziellen Wirtschaftlich-
Rolf G. Schmid CEO Mammut Sports Group Schweiz, Seon<br />
keit, im sozialen Sinne für Mitarbeitende, Partner und die Gesellschaft<br />
sowie im ökologischen Sinn für die Umwelt und die Natur.<br />
Ihre Mitarbeitenden respektive ihr Team und ihre Begleiter suchen<br />
«Angestellte-Unternehmer» nicht nur aufgrund von fachlichen<br />
Qualifikationen aus, sondern auch aufgrund von deren<br />
Einstellung, dass auch sie «ein Leben lang» im Unternehmen<br />
verbleiben und langfristig mitarbeiten wollen, und achten daher<br />
vielmehr auf menschliche Werte und Sozialkompetenz. Eine Unternehmenskultur,<br />
in der arbeiten Spass macht, mit der sich<br />
nicht nur die Chefs, sondern alle Angestellten identifizieren können,<br />
steht im Mittelpunkt ihres Schaffens.<br />
Wo kann ein Manager ein «Angestellter-Unternehmer» sein?<br />
Damit man ein «Angestellter-Unternehmer» sein kann, müssen<br />
auch die Rahmenbedingungen respektive das Umfeld stimmen,<br />
denn wo Aktionäre oder Verwaltungsräte nicht unternehmerisch<br />
denken und handeln, kann auch ein Manager nicht zum «Angestellten-Unternehmer»<br />
werden.<br />
Was heisst das konkret? Die Besitzer und die Vertreter der Besitzer<br />
(Verwaltungsrat) des Unternehmens müssen primär den<br />
langfristigen Erfolg der Firma vor Augen haben und nicht kurzfristigen<br />
Profit suchen, wie dies heute leider bei vielen Aktionären<br />
der Fall ist. Sie müssen wie ein Unternehmer bereit sein, dem<br />
Unternehmen genügend Mittel zur Verfügung zu stellen, um die<br />
künftige Entwicklung zu sichern. Die Besitzer müssen aber dem<br />
«Angestellten-Unternehmer» vor allem auch die Freiheit, die<br />
Verantwortung und insbesondere die Zeit geben, die er braucht,<br />
um unternehmerisch handeln zu können. Im Weiteren muss er<br />
auch die Möglichkeit erhalten, «sein» Unternehmen zu gestalten.<br />
Rolf G. Schmid hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert.<br />
1996 trat er als Leiter des Sportbereichs der Arova Mammut AG in die<br />
Conzzeta-Gruppe ein. Im Jahr 2000 übernahm er als CEO die Leitung<br />
der heutigen Mammut Sports Group AG. Vor seiner Karriere bei dem<br />
Sportartikelhersteller war er in leitenden Positionen in der Pharmaindustrie<br />
sowie in der Uhren- und Tourismusbranche tätig.<br />
Mammut Sports Group AG<br />
• Tätigkeitsbereich: Entwicklung, Herstellung und Vertrieb<br />
von Alpin-, Outdoor- und Snow-Sport-Produkten<br />
• Gründung: 1862 als Seilerei;<br />
seit 1982 Tochtergesellschaft der Conzzeta-Gruppe<br />
• Anzahl Mitarbeitende: 370<br />
www.mammutsportsgroup.com<br />
«Ich bin ‹Angestellter-Unternehmer› bei der Mammut Sports Group AG,<br />
weil hier die Rahmenbedingungen stimmen und ich dadurch die<br />
nötige Befriedigung und Freude im Berufsleben finde.»<br />
Er soll nicht in ein enges Korsett gesteckt werden, um das Unternehmen<br />
nur noch zu «verwalten». Neben dieser Übertragung der<br />
Verantwortung müssen die Besitzer aber auch ein Entschädigungssystem<br />
finden, das es für den «Angestellten-Unternehmer»<br />
interessant macht, Unternehmer und nicht Manager zu<br />
sein, ohne den «Eigentümerprofit» zu haben oder zum klassischen<br />
Manager-Abzocker zu werden.<br />
Mit anderen Worten: Wo keine unternehmerisch denkende<br />
Besitzer sind, kann es auch keinen unternehmerisch agierenden<br />
Unternehmensleiter geben.<br />
Fazit<br />
Neben den reinen Managern und Unternehmern<br />
gibt es noch die «Angestellten-Unternehmer», die sich<br />
ähnlich verhalten wie Unternehmer. Das heisst, sie<br />
sind langfristig orientiert, sehen ihre Stelle als Lebensaufgabe<br />
und haben eine überdurchschnittlich hohe<br />
Identifikation mit «ihrem» Unternehmen. Gleichzeitig<br />
ist ihnen der Unternehmenserfolg wichtiger als ihr<br />
persönlicher Profit.<br />
Damit das möglich ist, braucht es Besitzer, die einerseits<br />
die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen<br />
und dem «Angestellten-Unternehmer» zur Verfügung<br />
stellen und anderseits selber als Unternehmer denken<br />
und agieren sowie die Werte vorleben.
48 | UNTERNEHMER<br />
JOHANN N. SCHNEIDER-AMMANN<br />
Vorbild Unternehmer – was macht<br />
den Unternehmer aus?<br />
ES IST ZWEIFELLOS EIN HOHER ANSPRUCH, ALS UNTERNEHMER AUCH VORBILD ZU SEIN. Weil<br />
erfolgreiches Unternehmertum aber stets Menschenführung und Teamarbeit gleichzeitig bedeutet, liegt es auf<br />
der Hand: Ein Unternehmer muss zwingend ein Vorbild sein. Denn wir wissen es längst: Mitarbeitende erbringen<br />
Höchstleistungen auch für ihren Vorgesetzten.<br />
Die nachfolgenden persönlichen Gedanken zum Thema haben<br />
keinen Anspruch auf systematische Durchdringung und<br />
the matische Vollständigkeit. Was den Unternehmer wirklich<br />
ausmacht, entzieht sich einer abschliessenden rationalen<br />
Umschreibung. Wir bewegen uns in einer Grenzzone, wo neben<br />
belegbaren Fakten auch viele emotionale Momente und<br />
per sönliche Ausprägungen eine wichtige Rolle spielen.<br />
1. Unternehmer sein heisst, für eine Überzeugung<br />
zu handeln und zu kämpfen<br />
Echte Unternehmer sind Überzeugungstäter. Sie handeln nicht<br />
nur mit rationalem Kalkül, sondern lassen dieses mitunter hinter<br />
sich, wenn sie ihre unternehmerische Aufgabe verfolgen. Sie<br />
wollen etwas bewegen, bisherige Grenzen überschreiten, sich<br />
vom Althergebrachten lösen und Neues schaffen. Sie wollen<br />
sich mit anderen Unternehmern im Wettbewerb messen und herausfinden,<br />
wer der Bessere ist. Während der Controller darauf<br />
beharrt, dass zwei und zwei immer vier gibt, will ich als Unternehmer<br />
möglich machen, dass zwei und zwei viereinhalb gibt.<br />
Ich glaube an diese Möglichkeit, weil ich von meiner un -<br />
ternehmerischen Aufgabe überzeugt oder eben fasziniert bin,<br />
weil ich nicht nur einen «Job» mache, sondern eine Mission verfolge.<br />
Für eine Überzeugung handeln heisst auch mit langfristigen Zielen<br />
handeln. Es geht mir darum, ein Unternehmen als Ganzes zu<br />
entwickeln und nicht nur mit einzelnen Massnahmen oder Projekten<br />
kurzfristig den Profit zu maximieren. Ich sehe meine Belohnung<br />
nicht in schönen Quartalsabschlüssen, sondern im<br />
nachhaltigen Mehrwert, den ich für die Aktionäre, die Mitarbeitenden<br />
und die Kunden schaffe. Darin unterscheidet sich der<br />
echte Unternehmer denn auch vom blossen Manager, der einen<br />
«Job» macht und keine Mission verfolgt, der heute eine<br />
Werkzeugmaschinenfabrik führt und morgen Suppenwürfel vermarktet.<br />
2. Unternehmer sein setzt Risikobereitschaft voraus<br />
Wenn ich den unternehmerischen Sprung über das Gewohnte<br />
und Gewöhnliche mache und echte Innovationen realisieren<br />
will, dann muss ich auch Risiken eingehen. Nur wer sich kompetent<br />
und gelassen im Spannungsfeld von Chancen und Risiken<br />
bewegt, an die Chancen glaubt und vor den Risiken keine Angst<br />
hat, kann den Schritt vom Verwalten zum Gestalten vollziehen<br />
und unternehmerisch tätig sein.<br />
Weil Chancen und Risiken immer nahe beieinander liegen und<br />
die einen mit den anderen erkauft werden müssen, nehme ich<br />
dann aber auch ohne schlechtes Gewissen den Gewinn für mein<br />
Unternehmen in Anspruch. Nur wer genügend Gewinne erwirtschaftet,<br />
ist auch in der Lage, Risiken einzugehen.<br />
Die Risikobereitschaft wird dann auf die härteste Probe gestellt,<br />
wenn der Unternehmer zugleich Eigentümer ist und mit seinen<br />
Entscheiden auch sein Vermögen aufs Spiel setzt. Diese ursprünglichste<br />
und reinste Form des Unternehmertums ist im<br />
KMU-Bereich noch weit verbreitet und das einzige Rezept für die<br />
Zukunft.<br />
3. Ein Unternehmer hat immer mit Menschen zu tun<br />
Eine der faszinierendsten Aufgaben des Unternehmers ist<br />
zweifellos die Führung von Menschen, die er zur Wertschöpfung<br />
und zur Verfolgung seiner unternehmerischen Ziele einsetzt.<br />
Gerade heute, wo Technologien und Produktionsanlagen fast<br />
überall und für jedermann zugänglich sind, liegen die unternehmerischen<br />
Erfolgsfaktoren vorab im personellen Bereich. Die<br />
richtige Auswahl, Qualifikation und Motivation der Mitarbeitenden<br />
sowie ihre Integration in einer produktiven Unternehmenskultur<br />
gehören zu den wichtigsten und zugleich schönsten Unternehmeraufgaben.<br />
Die massgebenden persönlichen Werte<br />
und Verhaltensweisen muss ich als Unternehmer selbst bestimmen<br />
und mit meinem Vorbild darstellen.
Johann N. Schneider-Ammann Inhaber Ammann Group, Langenthal<br />
Auch im Aussenverhältnis der Unternehmeraktivität ist die<br />
menschliche Komponente von entscheidender Bedeutung.<br />
Adressaten meiner unternehmerischen Leistungen sind immer<br />
Menschen. Ich will für meine Kunden Mehrwert schaffen. Die<br />
Kunden sind es, die in letzter Instanz über meinen Erfolg entscheiden.<br />
Ich setze mich als Unternehmer ihrem ganz persönlichen<br />
Urteil aus und muss akzeptieren, wenn sie mein objektiv<br />
bestechendes Angebot trotz aller Marketingmassnahmen nicht<br />
akzeptieren. Kunden springen vor allem dann ab, wenn sie die<br />
Aufmerksamkeit des Lieferanten zu verlieren scheinen.<br />
4. Ein Unternehmer trägt Verantwortung<br />
Weil mein unternehmerisches Handeln immer auch Menschen<br />
betrifft, stehe ich in einer besonderen Verantwortung. Ich muss<br />
auf Fragen zu meinem Verhalten und meinen Entscheiden sowie<br />
zu deren Konsequenzen Antworten geben, die den gängigen<br />
ethischen Standards entsprechen und vor allem auch längerfristig<br />
konsistent sind.<br />
Mit anderen Worten: glaubwürdige Antworten. Dabei wächst mit<br />
dem Wirkungskreis meiner unternehmerischen Handlungen<br />
auch die Reichweite meiner Verantwortung. Wenn ich diese gut<br />
wahrnehme, erhalte ich gleichsam als Gegenleistung Vertrauen.<br />
Vertrauen der Kunden, der Mitarbeitenden, der Aktionäre und<br />
der Öffentlichkeit. Ohne genügendes Vertrauenskapital kann<br />
eine Unternehmung keinen nachhaltigen Erfolg erzielen. Es ist<br />
zwar nicht als Aktivum bilanzierbar; aber wenn wir es ver spielen,<br />
dann schlägt sich das umso deutlicher in unserer Bilanz nieder.<br />
5. Unternehmertum und Marktwirtschaft sind zwingend<br />
miteinander verbunden<br />
Echtes Unternehmertum kann sich nur in einer wettbewerbsorientierten<br />
Marktwirtschaft entfalten. In einer zentral gelenkten<br />
Planwirtschaft ist für die Initiative und für den Vorwärtsdrang des<br />
Unternehmers kein Platz. Ohne Markt fehlt dem Unternehmer die<br />
Johann Niklaus Schneider-Ammann führt die Ammann Unternehmungen<br />
mit Sitz in Langenthal BE seit 1989 als Präsident und<br />
Delegierter. Er liess sich an der ETH Zürich zum Elektroingenieur<br />
ausbilden und erwarb an INSEAD in Fontainebleau seinen MBA.<br />
Schneider-Ammann präsidiert den Verband der Schweizer Maschinen-,<br />
Elektro- und Metall-Industrie (Swissmem) und vertritt die FDP seit 1999<br />
im Nationalrat. Die ETH Zürich ernannte ihn 2009 zu ihrem Ehrenrat.<br />
Johann Niklaus Schneider-Ammann ist Vater zweier erwachsener<br />
Kinder.<br />
Ammann ist führender Bauausrüster für Maschinen, Systeme und<br />
Dienstleistungen mit Kernkompetenz im Asphalt und für den weltweiten<br />
Strassenbau. Die 3000 Mitarbeitenden sind in den drei Geschäftsbereichen<br />
Basis, Systeme und Maschinen organisiert.<br />
An acht eigenen Produktionsstandorten stellt Ammann Asphalt- und<br />
Betonmischanlagen mit den dazugehörenden Steuerungen, Verdichtungsmaschinen,<br />
Asphalt-Einbaumaschinen und Kompaktbaggern her.<br />
Weltweit sind über 100 Handelsniederlassungen und Vertriebspartner<br />
direkt für Kunden im Einsatz.<br />
www.ammann-group.ch<br />
Plattform, um sich mit Wettbewerbern zu messen. Umso wichtiger<br />
ist die Feststellung, dass die wettbewerbs orientierte Marktwirtschaft,<br />
welche uns im Westen einen historisch einmaligen<br />
Wohlstand brachte, ohne die Unternehmer nicht funktionieren<br />
kann. Es sind die Unternehmer, welche die ständige Abstimmung<br />
von Angebot und Nachfrage vornehmen, die neue Produkte<br />
und Dienstleistungen auf die Märkte bringen oder anderen<br />
Unternehmern ihre Preisvorteile streitig machen. Ob sie mit ihren<br />
Aktionen Erfolg haben, entscheidet sich auf dem Markt. Der<br />
Unternehmer ist Diener des Markts, dessen Gehorsam belohnt<br />
und dessen Ungehorsam bestraft wird.<br />
6. Die Unternehmer müssen sich für das Unternehmertum<br />
engagieren<br />
Nicht alle, die sich Unternehmer nennen, verstehen sich als<br />
«Diener des Markts». Wir mussten in den vergangenen Jahren<br />
vielmehr erleben, wie sich einzelne Manager zu arroganten<br />
«Herren» aufschwangen und glaubten, sie könnten sich den<br />
Prinzipien von Leistung und Verantwortung entziehen. Sie<br />
fügten dem Unternehmertum enormen Schaden zu und sind von<br />
den echten Unternehmern in die Schranken zu weisen. Die<br />
echten Unternehmer müssen aber auch gegen jene «Kollegen»<br />
antreten, die zur Sicherung ihrer Pfründe mit Wettbewerbsbeschränkungen<br />
die Marktgesetze aushebeln und so dem<br />
Unternehmertum die Plattform nehmen.<br />
Noch gefährlicher als die internen Anfechtungen des Unternehmertums<br />
durch Managerexzesse und Wettbewerbsbeschränkungen<br />
sind seine externen Bedrohungen durch staatliche<br />
Interventionen und Regulierungen sowie durch eine übermässige<br />
Steuerlast. Wenn nämlich der unternehmerische<br />
Freiraum immer mehr eingeschränkt wird und der Fiskus die<br />
Gewinne, also unsere Risikoprämie immer mehr schmälert, dann<br />
geraten grundlegende Elemente des unternehmerischen Anreizsystems<br />
ins Wanken.
54 | UNTERNEHMER<br />
CHRISTIANE LEISTER<br />
Wie entsteht die<br />
unternehmerische Grundhaltung?<br />
DEN UNTERNEHMER PRÄGT EINE BESONDERE HALTUNG: Überzeugung, Bekenntnis und Handeln entsprechend<br />
den Werten, welche er langfristig mit seinem Schaffen bewirken möchte. Diese unternehmerische<br />
Grundhaltung ist nicht per se vorhanden, sie entspringt diversen Wurzeln und unterliegt einer ständigen<br />
Weiterentwicklung.<br />
Zentrale Grundwerte – das Fundament<br />
Unternehmertum ist ein Lebenskonzept, damit langfristig angelegt<br />
und auf Kontinuität bedacht. Dies bedingt eine Grundhaltung,<br />
auch Unternehmertugenden genannt, welche auf einem<br />
zentralen Wertesystem aufbaut. Ziel ist, die unternehmerische<br />
und finanzielle Unabhängigkeit zu bewahren.<br />
Demzufolge denken Unternehmer in Generationen und unterliegen<br />
im Gegensatz zu Managern von börsenkotierten Gesellschaften<br />
nicht dem kurzfristigen Druck des Quartalsendes. Kurzfristig<br />
ausgelegtes Handeln und riskante Finanzakrobatik<br />
gehören ebenfalls nicht in das Verantwortungsbewusstsein eines<br />
Unternehmers.<br />
Unternehmerische Selbständigkeit verbunden mit Eigenverantwortung<br />
und Weitsicht ist ein zentrales Element: die Freiheit<br />
haben, Entscheidungen zu treffen, nach eigenen Vorstellungen<br />
zu gestalten und langfristig ein Lebenswerk zu schaffen. Die<br />
Übereinstimmung persönlicher Ziele mit den Unternehmenszielen<br />
führt zu einer hohen Identifikation mit dem Unternehmen<br />
und entsprechenden Prioritäten in der Lebensführung. Bei<br />
Leister gilt der Leitsatz: «Betriebsinteresse steht vor<br />
Eigen interesse.» Damit wird der Unternehmer zum Vorbild, muss<br />
seine Bekenntnisse glaubwürdig und transparent vor leben, zu<br />
vollem Einsatz für sein Unternehmen bereit sein.<br />
Unternehmertum ist soziale Interaktion und passiert nicht isoliert.<br />
Dies bedingt Haltungen, Werte und Handeln in Übereinstimmung<br />
mit anerkannten gesellschaftlichen Werten – eine<br />
Voraussetzung für langfristigen unternehmerischen Erfolg.<br />
Dabei spielen Wertschätzung, Achtung und Respekt im Umgang<br />
miteinander eine grosse Rolle. Der gesellschaftliche Status des<br />
Unternehmers verpflichtet zu Gemeinsinn und sozialer Verantwortung.<br />
Die Leistung eines Unternehmens für die Gesellschaft<br />
drückt sich nicht nur in werbe- und prestigeträchtigem Sponsoring<br />
aus. Die Verwurzelung am Ort des Unternehmens und die<br />
Verbundenheit mit der lokalen Gemeinschaft führen dazu, dass<br />
der Unternehmer auch in der Öffentlichkeit «auf dem Prüfstand»<br />
steht.<br />
Wie entstehen die unternehmerischen Grundwerte, wie werden<br />
diese vermittelt und weiterentwickelt? Ein zentrales Wertesystem<br />
bildet das Fundament. Es entsteht aus Unternehmenstraditionen,<br />
bewusster Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen<br />
Werten und ständigem Hinterfragen von Verantwortung und Unternehmerrolle.<br />
Unternehmertum liegt auch im Blut<br />
Persönlichkeit und Charaktereigenschaften sind weitere Bausteine<br />
der unternehmerischen Grundhaltung. Woher gewisse<br />
Eigenschaften, Haltungen und Handlungsweisen kommen und<br />
wie weit diese durch Erziehung und gesellschaftliches Umfeld<br />
beeinflusst werden, lässt sich im Einzelnen nicht abgrenzen.<br />
Das erfolgreiche «Prägen» eines Unternehmens bedingt Leistungsmotivation<br />
und Gestaltungswille. Fähigkeiten wie Handeln<br />
aus eigenem Antrieb, Erkennen von Chancen, eigene Potenziale<br />
entwickeln, Grenzen verschieben und sich neu ausrichten<br />
orientieren sich an der Persönlichkeit. Wie ist es sonst erklärbar,<br />
dass es immer wieder erfolgreiche Unternehmer gibt, welche<br />
nicht aus einem unternehmerischen Umfeld kommen?<br />
Ein Unternehmer ist auf sich gestellt und braucht ein starkes<br />
Rückgrat, um die Herausforderungen zu meistern. Er ist nicht<br />
kündbar oder abwählbar. Es gibt für ihn keine goldenen Fallschirme,<br />
Care-Teams oder gesellschaftlichen Auffangnetze. Er<br />
muss vielmehr Risikobereitschaft zeigen, gepaart mit Realitätssinn,<br />
Entscheidungsfreudigkeit und Mut zum Handeln. Eine gewisse<br />
Beharrlichkeit und Durchhaltewille müssen vorhanden<br />
sein, damit bei Hindernissen die langfristigen Ziele und die strategische<br />
Ausrichtung nicht aufgegeben werden.<br />
© Peter Ruggle
Christiane Leister Inhaberin und CEO Leister Process Technologies, Kägiswil<br />
Footprints der Erziehung<br />
Persönlichkeit und Charakter sind nicht nur Veranlagung. Sie<br />
werden auch durch Erziehung und Ausbildung geformt. Zahlreiche<br />
Footprints unserer Erziehung tragen nicht nur zur Lebenstüchtigkeit<br />
bei, sie werden auch in unternehmerischen Werten<br />
und Verhaltensweisen verankert. Fundamentale Grundhaltungen<br />
werden uns bereits im Elternhaus vermittelt. So förderten<br />
meine Eltern Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen und Verantwortung.<br />
Selbstführung und Selbstkontrolle gehören in jedes<br />
Ausbildungsprogramm. Fähigkeiten wie Ausdauer, Disziplin und<br />
emotionale Stärke beim Verarbeiten von Erfolgen und Rückschlägen<br />
sind erlernbar. Vorgelebt wurden in meinem Elternhaus<br />
auch Offenheit, Anstand und Respekt gegenüber anderen<br />
Menschen und Kulturen: wichtige Grundhaltungen in einem international<br />
tätigen Unternehmen.<br />
Vorbilder als Wegweiser<br />
Die unternehmerische Grundhaltung wird auch über die Vorbildfunktion<br />
weitergegeben. Dabei können Vorbilder ausserhalb der<br />
Wirtschaft eine Rolle spielen: die Regeln des Benediktinerordens,<br />
welcher mit einem Werte- und Kontrollsystem eine<br />
Corporate Governance entwickelte, oder die traditionellen Werte<br />
des Schwingsports. Das Schwingermotto «Einigkeit macht<br />
stark» ist auch einer unserer Führungsgrundsätze mit dem Ziel,<br />
den Gemeinsinn zu fördern.<br />
Bei Nachfolgeregelungen sind traditionelle Werte, Bekenntnisse<br />
und Verhaltensweisen des Unternehmers wegweisend. Es wird<br />
eine Unternehmenskultur geprägt, welche wie eine DNA die<br />
Bausteine für Werte und Handlungsgrundsätze des Unternehmens<br />
liefert. Eine systematische Implementierung und Weiterentwicklung<br />
erfolgt in Leitbildern und festgeschriebenen Wertesystemen.<br />
So wurden auf das Management übertragbare<br />
Unternehmertugenden wie Eigenverantwortung, Leistungs- und<br />
Durchhaltewille, Selbstmotivation, Vorbildfunktion und Handeln<br />
aus eigenem Antrieb in die Leister-Führungsgrundsätze<br />
übernommen. Leitsätze unseres Firmengründers wie «Wir lösen<br />
den Konflikt freundeidgenössisch» oder «Nicht ändern, sondern<br />
verbessern» werden heute noch gelebt.<br />
Christiane Leister<br />
Studium: Wirtschaftswissenschaften, Diplom-Volkswirtin<br />
Leister Process Technologies<br />
Gegründet 1949 in Solingen DE<br />
seit 1963 in Kägiswil OW<br />
Tätigkeitsbereiche: Kunststoffschweissgeräte,<br />
Process-Heat-Komponenten, Lasersysteme, Gassensoren, Mikrooptiken<br />
Märkte: Vertriebsnetz in 90 Ländern, 98% Export<br />
Mitarbeitende weltweit:<br />
Leister 500, Sales- & Service-Centers 450<br />
www.leister.com<br />
Zeitgeist und Gesellschaftswerte<br />
Wertesysteme und Handlungen von Unternehmern orientieren<br />
sich an allgemeingültigen gesellschaftlichen Werten. Diese können<br />
je nach Religion, kulturellem und politischem System unterschiedlich<br />
sein und sich im Laufe der Zeit ändern. Entsprechend<br />
folgt auch die unternehmerische Grundhaltung dem Wandel der<br />
zentralen moralischen Auffassungen.<br />
Beispielsweise wird in den USA der erwirtschaftete Unternehmensprofit<br />
höher bewertet als in Europa, wo Mehrwert und<br />
Arbeitsplätzen eine grössere Bedeutung beigemessen wird.<br />
Wurde in der Vergangenheit der Shareholder Value, ein rein<br />
monetär ausgerichteter Wert, hoch gepriesen, so reden wir heute<br />
aufgrund der Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit über<br />
wertbasierte Ansätze des unternehmerischen Handelns. Die<br />
letzte Finanzkrise ist auch eine Krise der Werte und der Ethik.<br />
Neu werden wieder Ehrlichkeit, Integrität und Transparenz als<br />
wichtigste Werte genannt. Die Bezeichnung «der ehrbare Kaufmann»<br />
zu Zeiten der Hanse weist auf den geschichtlichen Stellenwert<br />
von wertorientiertem Handeln hin.<br />
Treibende Kräfte der unternehmerischen Grundhaltung<br />
Unternehmer zu sein, ist letztendlich eine persönliche Herausforderung,<br />
ein Lebenskonzept. Die Firma Leister ist immer «das<br />
Kind» des Unternehmensgründers gewesen, dem dieser entsprechenden<br />
Stellenwert einräumte.<br />
Der Unternehmer hat eine Vision, die ihn begeistert. Diese umzusetzen,<br />
etwas zu bewegen und bleibende Werte zu schaffen,<br />
sind die treibenden Kräfte. Arbeit an sich gilt als Wert, Sinn und<br />
Lebenserfüllung. Motor ist der Wille, die eigenen Fähigkeiten<br />
unter Beweis zu stellen und vorhandene Potenziale weiterzuentwickeln.<br />
Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit sowie<br />
die gesellschaftliche Verantwortung verpflichten dazu, die<br />
unter nehmerische Grundhaltung als Unternehmertugend zu<br />
leben, weiterzuentwickeln und weiterzugeben.
56 | UNTERNEHMER<br />
MAXIMILIAN BÜSSER<br />
Firmengründung – die eigene<br />
Vision verwirklichen<br />
EINE FIRMENGRÜNDUNG KANN NUR DANN ERFOLGREICH SEIN, wenn der Entrepreneur eine klare<br />
persönliche Vision hat, die nicht mit finanziellen Zielen verwechselt werden darf, und wenn dabei folgende<br />
Faktoren beachtet werden: die Branchenkenntnis, ein zuverlässiges Netzwerk, die innere Antriebskraft sowie<br />
ein verantwortungsvoller Umgang mit Risiken.<br />
Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Realisierung<br />
der eigenen Vision durch die Gründung eines eigenen Unternehmens<br />
beginnt mit der entscheidenden Frage, die man sich selbst<br />
ehrlich beantworten muss: Warum entscheide ich mich für den<br />
Weg der Selbständigkeit? Lautet die Antwort auf diese Frage<br />
«Weil ich in meinem Job unglücklich bin» oder «Weil ich hoffe,<br />
auf diese Weise mehr Geld verdienen zu können», so sind dies<br />
definitiv die falschen Motive für eine Firmengründung. Denn bevor<br />
man überhaupt zu mehr finanziellen Mitteln oder «Freizeit»<br />
kommt, bestimmt die Unternehmensgründung das ganze Leben<br />
und den Alltag im höchsten Masse. Insbesondere, wenn man<br />
dabei einen kurzen Atem hat oder auf einen schnellen Profit<br />
hofft, wird man eher unglücklich als glücklich. Man muss sich<br />
dessen bewusst sein, dass man sich dem Weg der Unternehmensgründung<br />
voll und ganz verschreiben muss, da es «ein<br />
bisschen» Entrepreneur nicht gibt. Denn nur, wenn man diesen<br />
Weg wirklich will und sich in letzter Konsequenz für ihn entscheidet,<br />
kann er von Erfolg gekrönt sein. Es ist dabei entscheidend,<br />
dass man bereit ist, das eigene Leben dahingehend umzugestalten,<br />
dass die Firmengründung zum weiteren Lebenskonzept<br />
wird.<br />
Neben einer klaren Vision und innovativen Ideen hängt der<br />
Erfolg der Firmengründung von den folgenden drei meines Erachtens<br />
wichtigsten Faktoren ab:<br />
• innere Antriebskraft bzw. Selbstmotivation<br />
• fundierte Branchenkenntnis<br />
• etabliertes Netzwerk aus zuverlässigen und vertrauenswürdigen<br />
Kooperationspartnern.<br />
Immer, wenn ich nach dem wichtigsten Ratschlag für die Gründung<br />
eines eigenen Unternehmens gefragt werde, rate ich zur<br />
Realisierung der eigenen Vision in der Branche oder dem industriellen<br />
Zweig, in dem man bereits über eine umfangreiche Erfahrung<br />
und fundierte Kenntnisse verfügt. Auf diese Weise bleiben<br />
einem viele Enttäuschungen und Fehler erspart. Im Idealfall<br />
hat man in dieser Branche bereits ein Netzwerk etabliert, auf das<br />
man vertrauen und zurückgreifen kann. Denn es gibt keinen bes-<br />
seren Erfolgsgaranten als zuverlässige Kooperationspartner,<br />
die man bereits kennt und auf die man sich verlassen kann.<br />
Darüber hinaus zeichnet sich ein erfolgreicher Unternehmer dadurch<br />
aus, dass er – wie oben bereits angemerkt – nicht durch<br />
finanzielle Motive, sondern durch innere Kräfte angetrieben ist.<br />
Ein Unternehmer benötigt eine derart starke Eigenmotivation,<br />
dass es nichts bzw. niemanden von «aussen» erfordert, um ihn<br />
anzutreiben. Diese Fähigkeit ist überlebenswichtig, denn nicht<br />
immer erhalten Unternehmer Bestätigung von aussen oder<br />
werden durch Erfolgssträhnen motiviert. Der innere Antrieb und<br />
die Eigenmotivation sind somit wichtige Mechanismen, um<br />
Durststrecken meistern zu können.<br />
Darüber hinaus ist der innere Motivationsmotor bzw. die innere<br />
Antriebskraft deshalb wichtig, weil Unternehmer im Allgemeinen<br />
und Gründer von Jungunternehmen im Besonderen oft auf<br />
sich allein gestellt sind. Im Gegensatz zum Angestelltenverhältnis<br />
hat man als Entrepreneur niemanden, der einem sagt, wie<br />
oder wo es langgeht. Einerseits sind damit eine grosse kreative<br />
Freiheit und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung verbunden.<br />
Andererseits besteht die Gefahr, sich allein gelassen zu<br />
fühlen.<br />
Darüber hinaus muss ein Unternehmer dafür sorgen, dass er<br />
beim Verfolgen seiner persönlichen Ziele seine emotionalen und<br />
rationalen Fähigkeiten permanent in Balance zueinander hält.<br />
Dabei meine ich mit den persönlichen Zielen nicht die monetären<br />
Ziele, sondern seine Vision, die er mit der Gründung des<br />
Unternehmens verwirklichen will. Ein Unternehmen ist gleichzeitig<br />
immer auch ein Wagnis. Auf dem Weg der Verwirklichung<br />
seiner Ziele nimmt der Unternehmer stets verschiedene Risiken<br />
in Kauf. Die Balance zwischen emotionalen und rationalen Fähigkeiten<br />
und die Reflexion des Zustandes dieser Balance sind<br />
eine Art Versicherung gegen das Eingehen unüberlegter oder<br />
überzogener Risiken. Zum Selbst schutz und zur Sicherung der<br />
Überlebensfähigkeit seines Unternehmens, benötigt der Unternehmer<br />
nach jedem Erfolgserlebnis diese Selbstreflexion und<br />
die Wiederherstellung der Balance, bevor er weitere Wagnisse<br />
in Betracht zieht. Denn oft ist man gerade während einer sehr
Maximilian Büsser Inhaber und Chief Creative Officer der MB&F SA, Genf<br />
erfolgreichen Phase eher anfällig, höhere Risiken einzugehen,<br />
als während einer weniger erfolgreichen Periode. Um dem vorzubeugen,<br />
muss man immer wieder die Erreichung der eigenen<br />
Ziele reflektieren und die Balance zwischen den eigenen emotionalen<br />
und rationalen Fähigkeiten überprüfen sowie gegebenenfalls<br />
wiederherstellen.<br />
Ein unternehmerisches Risiko ist dabei per se kein negatives<br />
Phänomen, sondern ein immanenter Bestandteil des Unternehmertums.<br />
Dennoch müssen die Risiken gut überlegt sein,<br />
denn eines muss einem Entrepreneur bewusst sein: Der Ausgang<br />
der Ereignisse betrifft nicht nur ihn allein, sondern auch<br />
seine Mitarbeitenden. Aus diesem Grund ist ein verantwortungsvoller<br />
Umgang mit Risiken in Form eines Balanceaktes<br />
zwischen emotionalen und rationalen Fähigkeiten und Beweggründen<br />
unabdingbar.<br />
Dabei ist meiner Ansicht nach gerade die gesellschaftliche Anerkennung<br />
der Bereitschaft zur Risikoübernahme, die ein<br />
Unternehmer mitbringen muss, ein Indikator dafür, ob eine Gesellschaft<br />
unternehmerfreundlich oder -feindlich ist. Mit anderen<br />
Worten: Die Risikobereitschaft und der Mut müssen in der<br />
Gesellschaft Anerkennung finden. Diese Einstellung ist in den<br />
USA allgegenwärtig und geht oft über die Anerkennung hinaus:<br />
Unternehmer, die Wagnisse auf sich nehmen, sind in den USA<br />
positive Vorbilder, die einen oft dazu inspirieren, eines Tages<br />
eine eigene Firma zu gründen. Dies spürt man oft bereits beim<br />
Einsteigen ins Taxi, wenn ein angestellter Taxifahrer von seinen<br />
Plänen berichtet, eines Tages ein eigenes Taxiunternehmen zu<br />
gründen. In Europa im Allgemeinen und in der Schweiz im<br />
Besonderen ist man dagegen sehr risikoavers und eher stolz<br />
darauf, dass man keine Risikobereitschaft verspürt. Darüber<br />
hinaus herrscht in den USA eine deutlich höhere Fehlerakzeptanz.<br />
Nach dem Motto «Wo gehobelt wird, fallen Späne» werden<br />
einem im Falle eines missglückten Unternehmens die Fehler<br />
MB&F SA (Maximilian Büsser and Friends) ist ein Uhrenhersteller<br />
in Form eines Konzeptlabors, in dem sich ein jedes Jahr wechselnder<br />
Kollektiv von unabhängigen, hochkarätigen Uhrenexperten zur kooperativen<br />
Arbeit zusammenfindet, um radikal innovative «Horological<br />
Machines» zu designen und zu konstruieren. Die Herstellung aller<br />
Uhrenkomponenten erfolgt zu 100% in der Schweiz von etwa 30 unabhängigen<br />
Künstlern und Ingenieuren. Das einzigartige Kooperationskonzept<br />
von MB&F SA wird als Fallstudie im Rahmen der Dissertation<br />
«Komplexität in Kooperationen», die an der Universität St. Gallen von<br />
Julia Kotsch verfasst wird, ausführlich dargestellt.<br />
www.mbandf.com<br />
«Ich bin Unternehmer, weil ich einen unbändigen Wunsch verspürte,<br />
ein Unternehmen zu gründen, in dem ich meine Kreativität vollkommen<br />
frei entfalten kann und welches meinem Leben einen tieferen<br />
Sinn gibt. Ich wollte etwas erschaffen, worauf ich eines Tages stolz<br />
sein kann.»<br />
leichter verziehen, und man erhält eine zweite Chance. Gleichzeitig<br />
muss man jedoch die amerikanische, unternehmerfreundliche<br />
Einstellung zum Teil dahingehend relativieren, dass sie oft<br />
darauf beruht, dass die Menschen nur aus finanziellen Motiven<br />
eigene Unternehmen gründen wollen. Ob dies allein zum Erfolg<br />
führt und ob wir in Europa dies gleichermassen gutheissen,<br />
muss in Frage gestellt werden.<br />
Dennoch erleichtert diese Einstellung insbesondere den ersten<br />
Schritt in die Selbständigkeit enorm. Denn in einer fehlertoleranten<br />
Gesellschaft ist man eher bereit, eine Unternehmensgründung<br />
zu wagen. Es wäre wünschenswert, wenn auch unsere<br />
Gesellschaft die weniger erfolgreichen Gründungen nicht verurteilen<br />
würde, sondern stattdessen den Mut zur Risikoübernahme<br />
anerkennen und Entrepreneure dazu ermutigen würde,<br />
mit einem grösseren Erfahrungsschatz einen zweiten Versuch zu<br />
starten.<br />
Fazit<br />
• Klare persönliche Vision, unermüdliche innere<br />
Antriebskraft, Branchen-Know-how und Netzwerk aus<br />
zuverlässigen Kooperationspartnern sind Garanten<br />
für eine gelungene Firmengründung.<br />
• Anerkennung der Risikobereitschaft und -übernahme<br />
sowie höhere Fehlerakzeptanz bzw. -toleranz sind<br />
zentrale Indikatoren einer unternehmer- freundlichen<br />
Gesellschaft.
60 | UNTERNEHMER<br />
BERNHARD WOLF<br />
Unternehmen als<br />
Familienangelegenheit<br />
ZUM DAUERHAFTEN ERHALT EINES FAMILIENUNTERNEHMENS MUSS NICHT NUR UNTERNEH-<br />
MERISCHE LEISTUNG ERBRACHT WERDEN. Es muss auch ein ausreichender Zusammenhalt innerhalb<br />
der Eigentümerfamilie sichergestellt und dafür Sorge getragen werden, dass diese ein eindeutiges Bekenntnis<br />
zum Familienunternehmen und zu der damit verbundenen unternehmerischen Verantwortung abgibt.<br />
Selbständigkeit und Unternehmertum haben Tradition in der<br />
Familie Wolf. Zur Zeit der politischen Wirren und Instabilitäten<br />
der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts erkennt Karl<br />
Wolf, gelernter Stellmacher und Karosseriebauer, den Wandel in<br />
der damals noch jungen Automobilindustrie weg von der Holz-<br />
hin zur Blechkarosserie. Er zieht sich aus dem Karosseriebau<br />
zurück und gründet ein Unternehmen zur Holzverarbeitung. Die<br />
vier Kinder der Familie werden nach christlichen Werten erzogen:<br />
bereit zu sein, für andere Verantwortung zu übernehmen<br />
und stets dem Ganzen zu dienen. Kein Wunder also, dass alle<br />
mit anpacken, als Franz Josef Wolf 1956 sein eigenes Unternehmen<br />
gründet: Wenn es darauf ankommt, müssen Kräfte und Talente<br />
gebündelt werden. Gemeinsamkeit macht stark, das haben<br />
sie ihre Eltern gelehrt. Innerhalb der Familie, aber auch ausserhalb.<br />
Und so erweitert sich die Betriebsfamilie in 50 Jahren auf<br />
nahezu 5000 Mitarbeitende und zahlreiche Partner auf der<br />
ganzen Welt.<br />
Mittlerweile ist die zweite Generation in die Führung des Unternehmens<br />
eingestiegen. Auch sie gewohnt, von klein auf Verantwortung<br />
im Unternehmen zu tragen, steht sie für die Fort führung<br />
einer gewachsenen und gelebten Unternehmenskultur. Ihre Aufgabe<br />
ist es, aus der Familientradition eine tragfähige Zukunftsvision<br />
zu entwickeln.<br />
Good Governance<br />
Die Geschwister im Familienunternehmen sprechen von gemeinsamem<br />
Denken, Empfinden, Diskutieren und Entscheiden. Dieses<br />
Miteinander mag darin begründet liegen, dass sie als Geschwister<br />
die Kindheit miteinander verbracht haben. Sie haben<br />
erfahren, was es bedeutet, wenn sich das Familienleben von<br />
frühmorgens bis spätabends um die Firma dreht. Sie haben<br />
gemeinsam manche Privilegien genossen, die guten Seiten,<br />
aber auch die vielfältigen Entbehrungen miteinander erlebt. In<br />
einer Unternehmerfamilie gross zu werden, ist kein Zuckerschlecken.<br />
Mit der Unternehmermentalität aufzuwachsen, dass nichts<br />
gut genug ist, man immer noch mehr erreichen kann. Im Alter<br />
von 14 Jahren ist die erste Acht-Stunden-Arbeitsschicht in der<br />
Produktion fällig. Die Ferien sind Arbeitsaufenthalte in den verschiedenen<br />
Werken in verschiedenen Ländern, während die<br />
Schulfreunde in den Urlaub fahren. Schichtbeginn ist um fünf<br />
Uhr früh. Früh wird gelernt, wie man die Produkte des Unternehmens<br />
herstellt. Früh will erfahren werden, wie man sich in verschiedenen<br />
Märkten bewegt und mit verschiedenen Mentalitäten<br />
umgeht.<br />
Vom Vater gefordert und angetrieben werden, das ist die eine<br />
Erfahrung. Erlebtes Vertrauen, das sich aus der gemeinsam verbrachten<br />
Kindheit nährt, die andere. Gedanken, die man sonst<br />
niemandem anvertraut, kann man gemeinsam sortieren. Sosehr<br />
die Geschwister zusammenarbeiten, müssen sie doch ihre Territorien<br />
klar abgrenzen. Je unterschiedlicher die Charaktere, Interessen,<br />
Stärken und Aufgaben im Unternehmen, desto vorteilhafter.<br />
Natürlich gibt es zwischen Geschwistern auch Streit und<br />
unterschiedliche Standpunkte zu verschiedenen Themen. Hinter<br />
verschlossenen Türen «fetzt» man sich auch einmal. Aber dann<br />
wird man sich einig und spricht mit einer Stimme. Zum Wohle<br />
des Unternehmens. Es kommt darauf an, dass man miteinander<br />
auskommt und Entscheidungen gemeinsam treffen kann. Kritik<br />
zu üben, ist notwendig, muss aber nicht verletzen und unter der<br />
Gürtellinie sein.
Bernhard Wolf Geschäftsführer, Woco Franz Josef Wolf GmbH, Bad Soden-Salmünster (D)<br />
Gewachsene Unternehmenskultur<br />
Das Ideal des Patriarchen ist der bedingungslose Einsatz für das<br />
Unternehmen. Gerade bei der Gründung des Unternehmens ist<br />
das essenziell. Patriarchen machen die Unternehmen gross,<br />
erschliessen neue Geschäftsfelder und Auslandsmärkte. Doch<br />
Struktur und Kultur des Unternehmens wachsen nicht immer in<br />
gleicher Weise mit. Gründer, die Jahrzehnte an der Spitze des<br />
Unternehmens stehen, prägen den Geist des Unternehmens mit<br />
vielen ungeschriebenen Regeln und Gesetzen. Die Belegschaft<br />
gerät in Gefahr, sich auf diese Weise zunehmend an der Vergangenheit<br />
zu orientieren.<br />
Bernhard Wolf<br />
Gesellschafter Woco Gruppe, Geschäftsführer Woco Franz Josef Wolf GmbH.<br />
Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen. Projektmanager bei Faurecia SA (F).<br />
Verschiedene geschäftsführende Positionen bei Woco, u.a. in Kanada und den USA.<br />
Geschäftsführer des JV Woco Michelin AVS. Ab 2007 stellvertretender Vorsitzender der<br />
Geschäftsleitung. Seit 2008 eigenes Unternehmen in der Schweiz für Infrastruktur-<br />
Dienstleistungen.<br />
Die Woco Gruppe: CHF 285 Mio. Umsatz, 2600 Mitarbeitende (2009). Kernproduktfelder:<br />
Akustik, Aktuatorik und Polymersysteme in Automobil- und Maschinenbau.<br />
www.wocogroup.com<br />
«Was heisst es, wenn eine Firma vom Vater zusammen mit seinen<br />
vier Kindern geführt wird? Eine ganz normale Familie.»<br />
Nachfolger müssen aber nach vorne schauen. Dazu lieb gewonnene<br />
Strukturen aufbrechen und auch Mitarbeitende mitziehen,<br />
die immer wieder Handlungen damit begründen, der<br />
«Chef», also der Patriarch, habe das so gesagt oder anders<br />
angeordnet. Mitarbeitende müssen heute selbständig denken<br />
und eigenverantwortlich handeln, nicht auf Vorgaben warten.<br />
Offene und regelmässige Kommunikation als wesentlicher Bestandteil<br />
der Unternehmenskultur ist umso wichtiger, je grösser<br />
und internationaler das Unternehmen aufgestellt ist. Wenn sich<br />
über Jahre keiner traut, dem Chef die Meinung zu sagen, hat das<br />
negative Auswirkungen auf die Selbständigkeit der Mitarbeitenden<br />
und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.<br />
Das ist jedoch die zentrale Aufgabe der nachfolgenden<br />
Generation: das Unternehmen ohne Kompromisse, ohne Wenn<br />
und Aber, auf die Zukunft auszurichten. Selbst wenn dies bedeutet,<br />
dass auch in Familienunternehmen andere Führungsmodelle<br />
Einzug halten. Dass nicht nur allein Familienmitglieder an der<br />
Spitze des Unternehmens stehen. Dass auch «Fremde» als Geschäftsführer<br />
die Kräfte verstärken, die notwendig sind, um<br />
neue Herausforderungen zu meistern. Hier besonders muss der<br />
Grundsatz gelten: «Business first», ein eindeutiges Bekenntnis<br />
zum Unternehmen und zu der damit verbundenen unternehmerischen<br />
Ver antwortung. Bereitschaft, den berechtigten Interessen<br />
des Unternehmens den Vorrang vor den Einzelinteressen<br />
der Gesellschafter einzuräumen. Eine gemeinsame Idee, der<br />
man sich unterordnen kann, grösser als das Ego. Damit eröffnen<br />
sich dann viele Gestaltungsspielräume.
64 | UNTERNEHMER<br />
S.D. PRINZ MAX VON UND ZU LIECHTENSTEIN<br />
«Wir fördern bewusst<br />
unternehmerisches Handeln»<br />
IM INTERVIEW MIT DEN HERAUSGEBERN SCHILDERT S.D. PRINZ MAX VON UND ZU LIECHTEN-<br />
STEIN SEINEN BERUFLICHEN WERDEGANG hin zum Chief Executive Officer der familieneigenen LGT<br />
Group, beschreibt die unternehmerischen Werte, die seine Jugend und seine Karriere prägten, und erzählt,<br />
warum er als Chef der Fürstenbank ruhig schlafen kann.<br />
Durchlaucht, Sie sind der zweitälteste Sohn von S.D. Fürst<br />
Hans-Adam II. und I.D. Fürstin Marie von Liechtenstein.<br />
Was war in Ihrer Kindheit im Schloss besonders prägend,<br />
anders als bei anderen Kindern?<br />
Das Versteckenspielen auf Schloss Vaduz war unübertroffen!<br />
Prägend und anders als bei anderen Kindern war, dass drei<br />
Generationen einer grossen internationalen Familie unter einem<br />
Dach gewohnt haben. Es war ein ständiges Kommen und Gehen<br />
vieler unterhaltender und interessanter Gäste und dadurch ein<br />
sehr stimulierendes und offenes Umfeld.<br />
Die Fürstenfamilie war seit je auch eine Unternehmerfamilie.<br />
Inwiefern sind Ihnen schon in Ihrer Jugend<br />
unternehmerische Werte mit auf den Weg gegeben worden?<br />
Während der Mahlzeiten und wenn Gäste zugegen waren, wurde<br />
häufig über Wirtschaft, Politik und Religion gesprochen und natürlich<br />
auch über unsere Familienunternehmen. Da konnte ich<br />
vieles beobachten und lernen. Sehr früh war mir klar, dass mir<br />
die Welt der Unternehmen Spass machen würde.<br />
Welche Unternehmen hält die fürstliche Familie heute?<br />
Da gibt es einige. Teilweise sind sie seit Jahrhunderten im Besitz<br />
der Familie wie die Hofkellerei, teilweise sind es ganz junge<br />
Unternehmen, etwa im Agrar- und Energiebereich. Das bekannteste<br />
und wichtigste Familienunternehmen ist die LGT Group.<br />
Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang?<br />
Ich habe im Jahr 1993 in New York als Analyst für Chemical<br />
Venture Partners angefangen und bin dann der Private-Equity-<br />
Branche bis 2005 treu geblieben. Nach meinem MBA an der<br />
Harvard Business School kam ich 1998 zurück nach Europa, wo<br />
ich nach verschiedenen Zwischenstationen ab 2003 das<br />
Deutschlandbüro von JPMorgan Partners führte. Im letzten<br />
Quartal 2005 ging es dann zur LGT, wo ich im April 2006 die<br />
Verantwortung für das operative Geschäft übernehmen durfte.<br />
War für Sie immer klar, dass Sie dereinst CEO der LGT Group<br />
sein würden, oder gab es zeitweise auch andere Ideen? Vielleicht<br />
den Wunsch, auszubrechen und einen ganz anderen<br />
Weg einzuschlagen?<br />
Ihre Vermutung ist richtig. Nach meinen ersten 19 Jahren in<br />
Liechtenstein war der Drang sehr gross, mehr von der Welt zu<br />
sehen und Unabhängigkeit zu erlangen. Meine Zeit im Ausland<br />
und meine Arbeit in der Private-Equity-Branche haben mir sehr<br />
viel Spass gemacht. Verantwortung im Familiengeschäft zu<br />
übernehmen, war eine Möglichkeit im Hinterkopf, die aber für<br />
mich und auch für meine Familie lange keine hohe Priorität<br />
hatte. Mein Wechsel zur LGT hat sich erst Anfang 2005 konkretisiert.<br />
Inwiefern hat die Familie auf Ihre Berufswahl Einfluss<br />
genommen? Wie muss man sich die Diskussion über Ämter<br />
und Funktionen im Familienkreis vorstellen?<br />
Meine Familie hat keinen grossen Einfluss auf meine Berufswahl<br />
genommen, und bei meinem ersten Job kannten meine Eltern<br />
weder das Unternehmen noch die involvierten Personen. Wie<br />
erwähnt, war ich schon als junger Teenager daran interessiert,
S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein CEO LGT Group<br />
ins Wirtschaftsleben einzusteigen. Meine Eltern waren darüber<br />
nicht unzufrieden und wohl auch einigermassen zuversichtlich,<br />
dass ich meinen Weg machen würde. Generell ist die Familie<br />
eher vorsichtig und pragmatisch, wenn es darum geht, Ämter<br />
und Funktionen im Familienkreis zu vergeben. Das hat auch<br />
damit zu tun, dass es in der Familiengeschichte sowohl erfolgreiche<br />
als auch unglückliche Besetzungen gab.<br />
Welche Werte prägen die LGT Group? Inwiefern unterscheidet<br />
sich die LGT von anderen Privatbanken?<br />
Die meisten Wettbewerber im Private Banking sind Teil von<br />
börsennotierten Unternehmen oder grösseren Partnerschaften.<br />
Als klassisches Familienunternehmen sind wir in der Branche<br />
fast einzigartig.<br />
Die Familienperspektive prägt die LGT in mehrfacher Hinsicht.<br />
Die Stabilität der Eigentümerstruktur erlaubt, das Geschäft mit<br />
langfristiger Perspektive zu führen. Die Verbindung von Eigentum<br />
und operativer Führung in der Familie führt zu grosser Effizienz<br />
in der Governance. Der Schutz und die Wertsteigerung des<br />
eigenen Kapitals liegen uns sehr am Herzen. Wir sind daher in<br />
vielerlei Hinsicht vorsichtiger und haben den Vorteil, nicht dem<br />
kurzfristigen Druck des Kapitalmarktes ausgeliefert zu sein. Wir<br />
agieren sehr risikobewusst – nicht nur bei der Unternehmensfinanzierung,<br />
sondern auch beim Eingehen von operativen und<br />
strategischen Risiken. Um uns trotzdem dynamisch weiterzuentwickeln,<br />
fördern wir bewusst unternehmerisches Denken und<br />
Handeln, auch bei unseren Mitarbeitenden. Ein besonderer<br />
Aspekt der LGT als Familienunternehmen ist, dass die Familie<br />
nicht nur Eigentümer, sondern auch grösster Kunde ist. Wir sind<br />
daher nicht nur am externen Verkauf von Dienstleistungen und<br />
Produkten interessiert, sondern vor allem auch an der langfristigen<br />
Performance unserer Anlagen.<br />
S.D. Prinz Max von und zu Liechtenstein ist der zweitälteste Sohn<br />
des regierenden Fürsten von Liechtenstein und hat einen MBA der<br />
Harvard Business School. Seit 2006 ist er Chief Executive Officer der<br />
familieneigenen LGT Group. Das 1920 gegründete Unternehmen<br />
konzentriert sich auf das Wealth & Asset Management und beschäftigt<br />
rund 1900 Mitarbeitende an 29 Standorten in Europa, Asien und<br />
dem Mittleren Osten. Ende 2009 verwaltete die LGT Group Kundenvermögen<br />
in Höhe von 89 Milliarden Franken.<br />
www.lgt.com<br />
«Die Stabilität der Eigentümerstruktur erlaubt uns bei der LGT Group,<br />
das Geschäft mit langfristiger Perspektive zu führen.»<br />
Wie vermitteln Sie als CEO Ihren Mitarbeitenden<br />
die Familienwerte?<br />
Meine Kollegen im Management und ich versuchen das vorzuleben,<br />
was wir auch von unseren Mitarbeitenden erwarten. Das<br />
ist wichtiger und wirksamer als das geschriebene Wort.<br />
Profitieren auch die Kunden von dem speziellen Spirit<br />
der LGT?<br />
Davon bin ich überzeugt. Durch unseren Fokus auf das Wealth<br />
und Asset Management sind wir ja vor allem eines der grössten<br />
Family Offices der Welt, das unseren Kunden eine hervor ragende<br />
Vermögensverwaltung und direkte Co-Investment-Möglichkeiten<br />
mit der Familie anbieten kann.<br />
Die LGT verwaltet mit dem fürstlichen Portfolio beträchtliche<br />
Vermögenswerte Ihrer Familie und Ihrer Kunden. Wie gehen<br />
Sie mit dieser speziellen Verantwortung um? Gab es während<br />
der Finanzkrise schlaflose Nächte?<br />
Ich habe zum Glück einen recht guten Schlaf. Aber das Jahr 2008<br />
und das erste Quartal 2009 waren sicherlich spannender, als auf<br />
Dauer gut wäre. Ich bin froh, dass wir dank unserer umsichtigen<br />
Politik bei der LGT diese Turbulenzen sehr gut überstanden<br />
haben.<br />
Wie erholen Sie sich ausserhalb des Geschäftsalltags?<br />
Ich verbringe die Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden,<br />
treibe Sport und gehe so oft wie möglich in die Natur. Gerne –<br />
allerdings zu selten – geniesse ich auch ein gutes Buch.
Lebenskonzept Unternehmertum – Motivations- und Erfolgsfaktoren<br />
Zweiter Sonderband des «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>s»<br />
Das von der Stier Communications AG verlegte «<strong>Wirtschaftsmagazin</strong>»<br />
lädt Schweizer Unternehmer dreimal jährlich ein, sich in Fachbeiträgen<br />
und Interviews zu aktuellen Fragen der Unternehmensführung<br />
mit anderen Unternehmern auszutauschen. «Führen durch Vorbild –<br />
Persönlichkeiten im Gespräch» war der erste Sonderband einer Reihe,<br />
die mit diesem Sonderband durch eine weitere praxisorientierte<br />
Publikation fortgesetzt wird.<br />
Weitere Informationen: www.wirtschaftsmagazin.ch<br />
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