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Strategischer Wandel als identitätsbildender Prozess - Universität St ...

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Grundsteine organisationaler Theoriegebäude<br />

Daraus folgt, dass Systeme nicht <strong>als</strong> dingliche Gegebenheiten angesehen werden<br />

können, sondern sie entstehen und existieren nur in der rekursiven Beziehung zu dem<br />

sie konstituierenden bzw. unterscheidenden Beobachter. Ein System wird etabliert<br />

durch den <strong>Prozess</strong> der Unterscheidung und Grenzziehung zwischen System und Um-<br />

welt und existiert nicht ohne den Beobachter. Dieser Vorgang des „sich-von-der-Um-<br />

welt-differenzierens“ verleiht dem System aber auch erst seine Identität. 303<br />

Betrachtet man eine Beobachtung <strong>als</strong> eine Operation, die eine Unterscheidung einführt<br />

und eine Seite bezeichnet, führt das zu der Frage nach der Unterscheidung selbst.<br />

Wenn Beobachten unterscheiden ist, bleibt die Unterscheidung selbst dabei unbe-<br />

obachtet. Die Unterscheidung ist der blinde Fleck, der in jeder Beobachtung <strong>als</strong> Be-<br />

dingung ihrer Möglichkeit vorausgesetzt ist. Anders ausgedrückt: Der Beobachter ist<br />

der Parasit seines Beobachtens. 304 Auch der Beobachter zweiter Ordnung, der sich auf<br />

das Nichtbeobachtete der Beobachtung erster Ordnung konzentriert, hat seinerseits<br />

keine Möglichkeit, seine eigene Unterscheidungen, die er quasi blind einsetzt, gleich-<br />

zeitig zu beobachten.<br />

Was bedeutet das nun für soziale Systeme und die Beobachtung (latenter) organisatio-<br />

naler <strong>St</strong>rukturen? Für LUHMANN zeigt die Beschäftigung mit latenten <strong>St</strong>rukturen einen<br />

erheblichen epistemologischen Nachholbedarf. Wie kann ein Subjekt die Wahrheit<br />

eines anderen auf wahre Weise <strong>als</strong> unwahr bezeichnen? Das Problem der Beobachtung<br />

latenter <strong>St</strong>rukturen oder impliziten Wissens wird damit zur Frage, wie man Unter-<br />

scheidungen bzw. Differenzschemata beobachten kann. Schließlich verwendet der<br />

Beobachter seine Unterscheidungen, um etwas zu bezeichnen. Sie sind aber im<br />

Moment ihrer operativen Verwendung unbeobachtbar. 305<br />

Um den „blinden Fleck“, die Latenz, das Implizite zu externalisieren, müsste in einem<br />

ersten Schritt die Frage gestellt werden, durch welche Unterscheidungen der Beob-<br />

achter eigentlich beobachtet. Eine solche Beobachtung und der Diskurs darüber kann<br />

nur auf der Ebene der Beobachtung zweiter Ordnung erfolgen. Die Frage nach den<br />

verwendeten Unterscheidungen zielt demnach auf die Beobachtung des Unter-<br />

303 Vgl. Luhmann, 1984, Reckwitz, 1997a.<br />

304 Vgl. Serres, 1981.<br />

305 Vgl. zur Bildung von Unterscheidungen im strategischen Kontext die Definition eines Geschäftsfelds mittels<br />

einer Portfolioanalyse bei Kasper, et al., 1998.

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