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Grundlagen der Quantenmechanik und Statistik - Institut für ...

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<strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Quantenmechanik</strong> <strong>und</strong> <strong>Statistik</strong><br />

Teil I: <strong>Quantenmechanik</strong><br />

Vorlesungen an <strong>der</strong> Ruhruniversität Bochum<br />

K.–U. Riemann


1. Einführung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1.1 Historische Ausgangssituation 1<br />

Lord Kelvins dunkle Wolken<br />

1.2 Korpuskeleigenschaft des Lichts 2<br />

1.3 Welleneigenschaften <strong>der</strong> Materie 3<br />

1.4 Welle–Teilchen–Dualismus <strong>und</strong> Komplementarität 4<br />

Positivismus <strong>und</strong> Realismus<br />

1.5 Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>der</strong> Wellenbeschreibung 6<br />

Dispersionsgleichung<br />

Phasen– <strong>und</strong> Gruppengeschwindigkeit<br />

Unschärfeprodukt<br />

1.6 Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsrechnung 9<br />

Kolmogorovsches Axiomensystem<br />

Diskrete <strong>und</strong> kontinuierliche Zufallsvariablen<br />

Mittelwerte, Momente, Varianz<br />

2. Die Schrödingergleichung<br />

2.1 Entwicklung <strong>der</strong> Wellengleichung 12<br />

Das Korrespondenzprinzip<br />

2.2 Formale Eigenschaften <strong>der</strong> Schrödingergleichung 14<br />

2.3 Die Kontinuitätsgleichung 15<br />

Die Teilchen–Stromdichte<br />

2.4 Erwartungswerte <strong>und</strong> Operatoren 18<br />

Der Impulsoperator<br />

Der Hamiltonoperator<br />

Der Drehimpulsoperator<br />

Hermitesche Operatoren<br />

Hilbertraum <strong>und</strong> Dualraum, bra– <strong>und</strong> ket–Vektoren<br />

2.5 Das Theorem von Ehrenfest 22<br />

i


2.6 Die Heisenbergsche Unschärferelation 25<br />

Die Orts–Impuls–Unschärfe<br />

Die allgemeine Unschärferelation<br />

Die Drehimpuls–Unschärfe<br />

Heisenbergs Gedankenexperiment<br />

Die Energie–Zeit–Unschärfe<br />

3. Spezielle Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

3.1 Entwicklung nach Eigenfunktionen des Hamiltonoperators 33<br />

Die stationäre Schrödingergleichung<br />

Das Eigenwertproblen Hermitescher Operatoren<br />

Vollständigkeit<br />

Diskretes <strong>und</strong> kontinuierliches Spektrum<br />

3.2 Der harmonische Oszillator 37<br />

Konstruktion <strong>der</strong> Eigenwerte <strong>und</strong> Eigenfunktionen<br />

Interpretation <strong>und</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> klassischen Mechanik<br />

Auswahlregeln<br />

3.3 Die Potentialmulde: Diskretes <strong>und</strong> kontinuierliches Spektrum 48<br />

Durchlässikeit <strong>und</strong> Reflexion<br />

Ausstrahlungsbedingung<br />

3.4 Das eindimensionale Kastenpotential 52<br />

3.5 Potentialbarriere <strong>und</strong> Tunneleffekt 58<br />

3.6 Kugelsymmetrische Potentiale im dreidimensionalen Raum 59<br />

Separation <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

Kugelflächenfunktionen <strong>und</strong> Drehimpuls–Eigenfunktionen<br />

Die Quantenzahlen l <strong>und</strong> m, Richtungsquantelung<br />

Effektives Potential <strong>und</strong> radiale Schrödingergleichung<br />

3.7 Das Wasserstoffatom 67<br />

Haupt– <strong>und</strong> Neben–Quantenzahlen, Entartung<br />

Interpretation <strong>und</strong> Vergleich mit <strong>der</strong> klassischen Mechanik<br />

Selbskonsistenz, das Problem <strong>der</strong> Selbstenergie<br />

4. Mehrteilchensysteme<br />

4.1 Die Schrödingergleichung 74<br />

ii


4.2 Identische Teilchen <strong>und</strong> Spin 75<br />

Die Ununterscheidbarkeit identischer Teilchen<br />

Symmetrische <strong>und</strong> antisymmetrische Wellenfunktionen<br />

Bosonen <strong>und</strong> Fermionen, Pauliprinzip<br />

4.3 Atombau <strong>und</strong> periodisches System <strong>der</strong> Elemente 78<br />

Das Schalenmodell, s–, p–, d– <strong>und</strong> f–Zustände<br />

Hauptgruppen, Nebengruppen, Lanthanoide <strong>und</strong> Aktinoide<br />

4.4 Die Bildung von Molekülen 81<br />

Heteropolare <strong>und</strong> homöopolare Bindung<br />

Das Wasserstoffmolekül, Austauschkraft<br />

5. Die Interpretation <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong><br />

5.1 Der Formalismus 84<br />

Zustandsvektoren <strong>und</strong> Operatoren, Kommutatoren<br />

Darstellungen <strong>und</strong> Bil<strong>der</strong><br />

Heisenbergbild <strong>und</strong> Heisenberggleichung<br />

Eigenwerte <strong>und</strong> Eigenvektoren, Spektrum<br />

Entwicklung nach Eigenvektoren<br />

Bornsche Interpretation<br />

5.2 Meßprozeß <strong>und</strong> Zustandsvektor 87<br />

Die Reproduzierbarkeit <strong>der</strong> Messung<br />

Meßwerte <strong>und</strong> Eigenwerte<br />

Das Problem <strong>der</strong> Entartung<br />

Kommensurable <strong>und</strong> inkommensurable Observable<br />

Die Reduktion des Zustandsvektors<br />

5.3 Das Einstein-Podolsky-Rosen (EPR)–Paradoxon 90<br />

Vollständigkeit einer Theorie<br />

Physikalische Realität<br />

Die störungsfreie Messung<br />

Bohms Version des EPR–Experiments<br />

Die Originalversion des EPR–Experiments<br />

Positivismus <strong>und</strong> Realismus<br />

5.4 Schrödinger <strong>und</strong> seine Katze 94<br />

Korrespondenz zur klassischen Mechanik<br />

Erwartungskatalog <strong>und</strong> Ensembleinterpretation<br />

Empirischer Standpunkt <strong>und</strong> Vollständigkeitspostulat<br />

Der berühmte “burleske Fall”<br />

iii


5.5 Verborgene Parameter <strong>und</strong> Bohms Interpretation 95<br />

Vergleich mit <strong>der</strong> Hamilton–Jakobi–Theorie<br />

Das Quantenpotential<br />

de Broglies Führungswellen<br />

Quantenpotential <strong>und</strong> Kenntnisstand<br />

5.6 Lokalität <strong>und</strong> Bellsche Ungleichung 97<br />

Das Problem <strong>der</strong> Lokalität <strong>und</strong> Separabilität<br />

Konsequenzen des EPR–Experiments<br />

Die Bellsche Ungleichung<br />

<strong>Quantenmechanik</strong> <strong>und</strong> Verschränkung<br />

Literaturhinweise 100<br />

iv


1 Einführung<br />

1.1 Historische Ausgangssituation<br />

Nach<br />

• Kepler, Galilei <strong>und</strong> Newton... (Materie)<br />

• Huygens... (Licht)<br />

• Faraday, Maxwell (Feldbegriff, Elektrodynamik)<br />

• Boltzmann...(Brücke von <strong>der</strong> mikroskopischen zur makroskopischen Physik)<br />

hielt man gegen Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts die Physik im wesentlichen <strong>für</strong> abgeschlossen:<br />

künftige Probleme sah man nur noch in <strong>der</strong> Auswertung bekannter<br />

Gr<strong>und</strong>gesetze unter komplexen Bedingungen.<br />

Allerdings sah Lord Kelvin (* William Thomson 1824) “Zwei kleine dunkle<br />

Wolken” am Horizont.<br />

– Das negative Ergebnis des Versuches von Michelson <strong>und</strong> Morley <strong>und</strong><br />

– die “Ultraviolettkatastrophe” des Rayleigh–Jeansschen Strahlungsgesetzes<br />

u(ν, T ) ∼ ν 2 T.<br />

Diese kleinen dunklen Wolken am Horizont lösten sich nicht auf, son<strong>der</strong>n führten<br />

zu heftigen Gewittern, die die Gr<strong>und</strong>pfosten <strong>der</strong> klassischen Physik erschütterten.<br />

Der negative Ausgang des Michelson–Morley–Experiments führte zur Relativitätstheorie,<br />

die unsere angeborene Anschauung von Raum <strong>und</strong> Zeit ad absurdum<br />

führt (vgl. Raum <strong>und</strong> Zeit bei Newton!).<br />

Noch tiefgreifen<strong>der</strong> erwies sich die Umwälzung durch die zweite dunkle Wolke, die<br />

zur Quantentheorie führte. Die Diskussion um ihre erkenntnistheoretische <strong>und</strong><br />

naturphilosophische Implikation ist bis heute nicht abgeschlossen, die Gr<strong>und</strong>problematik<br />

ist ungeklärt.<br />

Neben <strong>der</strong> erwähnten Ultraviolettkatastrophe gab es weitere experimentelle Erfahrungen,<br />

die zu Gr<strong>und</strong>pfeilern <strong>der</strong> Quantentheorie wurden:<br />

1


• Die spezifische Wärme fester Körper cv ist nach <strong>der</strong> klassischen Theorie<br />

konstant (Dulong–Petitsches Gesetz). Experimentell findet man jedoch,<br />

daß cv <strong>für</strong> T → 0 gegen 0 geht.<br />

• Beim Photoeffekt lassen sich auch bei (fast) beliebig gesteigerter Intensität<br />

nur oberhalb einer Grenzfrequenz Elektronen aus einem Metall auslösen.<br />

• Im Gegensatz zur klassischen Erwartung aus dem Rutherfordschen Atommodell<br />

sind Atome im Gr<strong>und</strong>zustand stabil. “Angeregte” Atome senden<br />

kein kontinuierliches Spektrum, son<strong>der</strong>n diskrete Linienstrahlung aus. Sie<br />

können Energie nur in diskreten “Quanten” aufnehmen (Franck – Hertz).<br />

1.2 Korpuskeleigenschaft des Lichts<br />

Ein Teil dieser seltsamen Resultate (Photoeffekt [Einstein] <strong>und</strong> Hohlraumstrahlung<br />

[Planck]), ließ sich nur verstehen <strong>und</strong> dann sogar quantitativ richtig beschreiben,<br />

wenn man Huygens Erkenntnis <strong>der</strong> Wellennatur des Lichts zumindest<br />

teilweise wie<strong>der</strong> aufgab <strong>und</strong> durch ein Konzept von Teilchen, sogenannten Photonen<br />

(Einstein 1905), mit einer Energie<br />

ersetzte. Dabei ist<br />

E = hν = ¯hω (1)<br />

h = 6.626 · 10 −34 Js bzw. ¯h = h<br />

2π = 1.055 · 10−34 Js (2)<br />

die selbe Konstante, die Planck 1900 <strong>für</strong> sein halbempirisches Strahlungsgesetz 1<br />

u(ν, T ) = 8πν2<br />

c 2<br />

hν<br />

e hν<br />

kT − 1<br />

eingeführt hatte. Durch die Verbindung einer Welleneigenschaft, <strong>der</strong> Frequenz ν,<br />

mit einer Teilchenenergie E trägt (1) bereits den Keim des berühmten “Welle–<br />

Teilchen–Dualismus” in sich. Über E = mc 2 können wir dem Photon eine<br />

Masse m = hν/c 2 zuordnen. Damit erhält das Photon einen Teilchen–Impuls<br />

p = mc = hν<br />

c<br />

= h<br />

λ<br />

(3)<br />

= ¯hk , (4)<br />

<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Welleneigenschaft, <strong>der</strong> Wellenlänge λ bzw. <strong>der</strong> Wellenzahl<br />

1 Beachte, daß (3) <strong>für</strong> kleine ν in das Rayleigh–Jeansschen Strahlungsgesetz u → 8πk<br />

übergeht. Statt <strong>der</strong> UV–Katastrophe erhält man <strong>für</strong> große ν die Formel u → 8πhν3<br />

c2 Form bereits Wien (1896) angegeben hatte!<br />

2<br />

c2 ν2T hν − e kT , <strong>der</strong>en


k = 2π<br />

λ<br />

verknüpft ist. Die Verknüpfung erfolgt in beiden Formeln (1) <strong>und</strong> (4) durch das<br />

Plancksche Wirkungsquantum h (bzw. ¯h). Die experimentelle Bestätigung<br />

von Gleichung (4) ergibt sich aus <strong>der</strong> Streuung von Photonen (Röntgenstrahlen)<br />

an Elektronen (Compton–Effekt, 1923).<br />

1.3 Welleneigenschaften <strong>der</strong> Materie<br />

Nicht alle unverstandenen Erfahrungen ließen sich auf Photonen zurückführen.<br />

Zur Erklärung <strong>der</strong> Atomspektren führten Bohr (1913) <strong>und</strong> Sommerfeld (1916)<br />

die Quantenbedingung<br />

<br />

(5)<br />

pdq = nh (6)<br />

<strong>für</strong> periodische Systeme ein. Hierauf fußt die “alte Quantentheorie”, auf die wir<br />

hier nicht näher eingehen. Mit <strong>der</strong> Bedingung (6) ist im “Bohrschen Atommodell”<br />

nur ein diskreter Satz von Elektronenbahnen mit “Energieniveaus” En<br />

erlaubt. Die Spektren erklären sich dann aus <strong>der</strong> Frequenzbedingung<br />

En − Em = hνnm. (7)<br />

Einen wesentlich radikaleren Schritt vollzog de Broglie (Dissertation 1923/24),<br />

indem er die Beziehungen<br />

<strong>und</strong><br />

ν = E/h bzw. E = ¯hω (8)<br />

λ = h/p bzw. p = ¯hk, (9)<br />

die Einstein <strong>für</strong> Photonen postuliert hatte, auf materielle Teilchen wie Elektronen<br />

<strong>und</strong> Protonen übertrug <strong>und</strong> die Vorstellung von Materiewellen entwickelte.<br />

Im Rahmen dieses Wellenbildes läßt sich die Quantenbedingung (6) anschaulich<br />

über stehende Elektronenwellen deuten:<br />

n =<br />

dx<br />

λ<br />

<br />

1<br />

=<br />

h<br />

pdq − +<br />

3


Der Nachweis <strong>der</strong> Wellennatur von Materie gelang Davisson <strong>und</strong> Germer (1927)<br />

durch Interferenzerscheinungen bei <strong>der</strong> Reflexion von Elektronen an Kristallen.<br />

Die Tatsache, daß die Wellennatur <strong>der</strong> Materie länger verborgen blieb als die<br />

des Lichts, liegt an <strong>der</strong> kleinen Wellenlänge, die dem großen Impuls materieller<br />

Teilchen (m0 = 0) entspricht.<br />

1.4 Welle–Teilchen–Dualismus <strong>und</strong> Komplementarität<br />

Sowohl die Materie als auch das Licht zeigen also je nach den experimentellen<br />

Bedingungen entwe<strong>der</strong> Teilchen– o<strong>der</strong> Wellencharakter. Diese komplementären<br />

Beschreibungen sind we<strong>der</strong> in unserer Anschauung noch im Experiment simultan<br />

realisierbar: Je<strong>der</strong> Versuch, den einen Aspekt deutlich herauszuarbeiten, zerstört<br />

den an<strong>der</strong>en <strong>und</strong> umgekehrt. Wir wollen das kurz an einem Doppelspaltexperiment<br />

erläutern: Ein Licht– o<strong>der</strong> Materiestrom falle auf eine Blende B mit Doppelspalt<br />

D1, D2<br />

Auf einem Schirm S hinter <strong>der</strong> Blende beobachten wir die Intensität als Interferenzmuster.<br />

Dieses Interferenzmuster spiegelt die Wellennatur unseres einfallenden<br />

Stromes wie<strong>der</strong>.<br />

Vom Teilchenbild her geht ein Teil <strong>der</strong> Partikel durch D1 <strong>und</strong> ein an<strong>der</strong>er Teil<br />

durch D2. Das Interferenzmuster wird auch dann beobachtet, wenn <strong>der</strong> Teilchenstrom<br />

so reduziert wird, daß nur “selten” jeweils ein Teilchen auf den Schirm<br />

trifft. Eine Wechselwirkung verschiedener Teilchen ist dann ausgeschlossen <strong>und</strong><br />

es liegt nahe, jeweils zu untersuchen, durch welchen <strong>der</strong> beiden Spalte D1 o<strong>der</strong> D2<br />

die Teilchen gehen. Aber je<strong>der</strong> Versuch, eine Entscheidung zwischen D1 o<strong>der</strong> D2<br />

zu treffen zerstört das Interferenzmuster! Beobachte ich also den Teilchenaspekt,<br />

verliert sich <strong>der</strong> Wellenaspekt <strong>und</strong> umgekehrt (Komplementaritätsprinzip).<br />

Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist, daß diese Komplementarität nicht auf einer<br />

speziellen Struktur bestimmter Elementarteilchen wie Elektronen o<strong>der</strong> Photonen<br />

beruht, son<strong>der</strong>n ein allgemeines Prinzip darstellt, dem jede physikalische Beobachtung<br />

unterliegt. Mit <strong>der</strong> Betonung des Wortes “Beobachtung” deuten wir bereits<br />

4<br />

B<br />

D 1<br />

D 2<br />

S


hier das (scheinbar) subjektive Element an, das die Quantentheorie in die Physik<br />

gebracht hat: Wir begnügen uns mit <strong>der</strong> mathematischen Beschreibung von<br />

Phänomenen, die wir bei bestimmten Experimenten mit Elektronen o<strong>der</strong> Photonen<br />

beobachten, müssen aber auf Aussagen über das Elektron o<strong>der</strong> Photon (o<strong>der</strong><br />

Stück Kreide?!) an sich verzichten! Genau hier liegt <strong>der</strong> Kern des immer noch<br />

nicht ganz ausgeräumten Gegensatzes zwischen<br />

– POSITIVISMUS (Kopenhagener Schule, Bohr, Heisenberg) <strong>und</strong><br />

– REALISMUS (de Broglie, Schrödinger, Einstein: Än<strong>der</strong>t sich das Weltall,<br />

wenn eine Maus es anschaut?)<br />

Das Komplementaritätsprinzip, das die simultane Bestimmung von Wellen– <strong>und</strong><br />

Teilchenaspekten verbietet, ist eng mit <strong>der</strong> berühmten Unschärferelation verknüpft:<br />

Ich kann nicht gleichzeitig den Teilchenort x <strong>und</strong> die Wellenlänge λ (genau)<br />

messen. Wegen <strong>der</strong> de Broglieschen Beziehung (9) heißt das aber, daß<br />

nicht gleichzeitig <strong>der</strong> Ort <strong>und</strong> <strong>der</strong> Impuls eines Teilchens genau angegeben werden<br />

können. Genau die werden aber als Anfangsbedingungen in <strong>der</strong> klassischen<br />

Mechanik benötigt. Damit bricht also das deterministische Weltbild <strong>der</strong> klassischen<br />

Mechanik gr<strong>und</strong>sätzlich zusammen!<br />

Was bleibt im Teilchenbild, wenn wir den Ort eines Teilchens nicht mehr genau<br />

angeben können? Eine mehr o<strong>der</strong> weniger diffuse Information über die Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

des Teilchens. [Ebenso entspricht <strong>der</strong> Unkenntnis über den<br />

genauen Impuls eine Wahrscheinlichkeitsverteilung aller möglichen Impulse.]<br />

Wenn wir ins Wellenbild wechseln, so liegt es nahe, die Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

eines Teilchens mit <strong>der</strong> Intensität, also dem Amplitudenquadrat <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Welle zu identifizieren. Die Wahrscheinlichkeitsinterpretation <strong>der</strong> Wellenamplitude<br />

löst auch den Wi<strong>der</strong>spruch zwischen kontinuierlichem Welleneinfall<br />

<strong>und</strong> diskreter Registrierung von Ereignissen auf dem Schirm bei geringer Intensität.<br />

In dieser Wahrscheinlichkeitsinterpretation selbst sind sich zwar die Positivisten<br />

(Kopenhagen) <strong>und</strong> Realisten einig, ihr Hintergr<strong>und</strong> ist aber umstritten: Ist es<br />

wirklich sinnlos nach dem Ort <strong>und</strong> dem Impuls eines Teilchens zu fragen o<strong>der</strong> ist<br />

die Natur nur zu “schamhaft”, uns beide Größen preiszugeben? Sind wir vielleicht<br />

beim Experimentieren (notwendigerweise) so grob, daß wir die komplementäre<br />

Information zerstören? Natürlich kennen wir auch sonst die Störung eines Systems<br />

durch eine Messung, aber innerhalb <strong>der</strong> Gültigkeit <strong>der</strong> klassischen Physik läßt sich<br />

diese Störung im Prinzip beliebig klein machen (o<strong>der</strong> sogar wegrechnen).<br />

In <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> müssen wir uns dagegen prinzipiell mit einer gewissen<br />

Unkenntnis <strong>und</strong> entsprechenden Wahrscheinlichkeiten begnügen. Für die Positivisten<br />

ist die Physik mit diesen Wahrscheinlichkeiten vollständig beschrieben.<br />

Die Realisten möchten dagegen an einer an sich deterministischen Welt festhalten<br />

(Einstein: Gott würfelt nicht!), akzeptieren dabei aber, daß diese deterministi-<br />

5


sche Welt <strong>für</strong> uns nicht vollständig erfaßbar ist.<br />

Wir werden auf diese <strong>und</strong> ähnliche Fragen noch verschiedentlich zurückkommen,<br />

wenn wir uns in diesem Semester mit <strong>Quantenmechanik</strong> befassen. Damit meinen<br />

wir konkret, daß wir dem Teilchenbild <strong>der</strong> klassischen Mechanik ein Wellenbild<br />

<strong>der</strong> Materie gegenüberstellen, das im Rahmen eines Wahrscheinlichkeitskonzeptes<br />

zu interpretieren ist.<br />

Bevor wir im nächsten Kapitel dieses Programms konkretisieren, stellen wir zunächst<br />

elementares Rüstzeug zur Beschreibung von Wellen <strong>und</strong> zur Beschreibung von<br />

Wahrscheinlichkeiten zusammen.<br />

1.5 Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>der</strong> Wellenbeschreibung<br />

Wir betrachten ebene harmonische Wellen <strong>der</strong> Form<br />

bzw.<br />

(a) ψ = cos ϕ, (b) ψ = sin ϕ (10)<br />

(a) ψ = e iϕ , (b) ψ = e −iϕ<br />

(11)<br />

o<strong>der</strong> einer Linearkombination von (a) <strong>und</strong> (b). (Auf die formal o<strong>der</strong> inhaltlich<br />

begründete komplexe Schreibweise wollen wir hier nicht elaborieren.) Über die<br />

Phase<br />

ϕ = kx − ωt bzw. ϕ = k · r − ωt (12)<br />

hängt ψ periodisch von <strong>der</strong> Zeit t <strong>und</strong> vom Ort x (eindimensional) bzw. r (dreidimensional)<br />

ab. ω = 2πν ist die Frequenz <strong>und</strong> k = 2π/λ die Wellenzahl (bzw. k<br />

<strong>der</strong> Wellenvektor) <strong>der</strong> Welle. Punkte x = (ϕ0 + ωt)/k konstanter Phase ϕ0 (z. B.<br />

Wellenberge) bewegen sich mit <strong>der</strong> Phasengeschwindigkeit<br />

vp = ω/k. (13)<br />

Für Licht im Vakuum haben wir bekanntlich vp = c. Licht in Materie hat eine<br />

an<strong>der</strong>e Phasengeschwindigkeit, das Verhältnis c/vp = n wird Brechungsindex<br />

genannt. (Beachte: n < 1 ist nicht verboten!) Än<strong>der</strong>t sich <strong>der</strong> Berechnungindex<br />

bzw. die Phasengeschwindigkeit mit <strong>der</strong> Frequenz bzw. <strong>der</strong> Wellenlänge, spricht<br />

man von Dispersion. Die Beziehung<br />

ω = ω(k), (14)<br />

6


welche die Ausbreitung <strong>der</strong> Welle kontrolliert, wird daher allgemein Dispersionsgleichung<br />

genannt. Sind k o<strong>der</strong> ω dabei komplex, so sind die Wellen räumlich<br />

o<strong>der</strong> zeitlich gedämpft.<br />

Für die konkrete Anschrift einer ebenen Welle bevorzugen wir die Form (11a).<br />

Der Einfachheit halber beschränkten wir uns außerdem soweit als möglich auf<br />

den eindimensionalen Fall (12a). Mit einer (komplexen) Amplitude A schreiben<br />

wir also eine ebene Welle in <strong>der</strong> Form<br />

ψ(x, t) = Ae i(kx−ωt)<br />

(15)<br />

an. Eine solche ebene Welle ist zeitlich wie räumlich unendlich ausgedehnt, ein<br />

langweiliges, strukturloses Phänomen ohne jeden Informationsfluß. Um interessantere<br />

Phänomene wie Licht-Bil<strong>der</strong>, Geräusche <strong>und</strong> Musik darzustellen, benötigen<br />

wir Wellenpakete, die durch Überlagerung verschiedener ebener Wellen entstehen:<br />

<br />

ψ(x, t) = A(k)e i[kx−ω(k)t] dk. (16)<br />

Daß wir mit solchen Überlagerungen räumlich <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zeitlich eng begrenzte<br />

Strukturen erzeugen können (Lichtblitz, Knall), wissen wir aus zahlreichen Erfahrungen.<br />

Wir wollen uns dazu aber auch rechnerisch ein konkretes Beispiel ansehen<br />

<strong>und</strong> betrachten eine Gaußverteilung<br />

A(k) = e − k2l 2<br />

2<br />

<strong>der</strong> Amplituden mit einer Breite ∆k ∼ 1/l um k = 0. Dann hat die Welle zur<br />

Zeit t = 0 die räumliche Struktur<br />

<br />

ψ(x, 0) =<br />

e − k2l 2<br />

2 +ikx x2<br />

−<br />

dk = e 2l2 <br />

x2<br />

−<br />

= e 2l2 <br />

x2<br />

−<br />

= e 2l2 <br />

e −<br />

k 2 l 2<br />

e −<br />

<br />

√2<br />

kl<br />

−i x<br />

2 √<br />

2l dk<br />

e − k2l 2<br />

√<br />

2π x2<br />

−<br />

2 dk = e 2l<br />

l<br />

2<br />

2<br />

x2<br />

−ikx−<br />

2l2 <br />

dk<br />

Dies ist wie<strong>der</strong> eine Gaußverteilung, <strong>und</strong> zwar um x = 0 mit einer Breite ∆x ∼ l.<br />

Je schmaler wir also die k-Verteilung wählen, um so breiter wird die x-Verteilung<br />

<strong>und</strong> umgekehrt; <strong>und</strong> daß das Produkt<br />

7


∆k · ∆x ∼ 1 (17)<br />

an die Unschärferelation erinnert, ist gewiß kein Zufall: Man kann nicht gleichzeitig<br />

den Ort <strong>und</strong> die Wellenlänge eines Wellenpakets scharf angeben. (Für an<strong>der</strong>e<br />

Verteilungen als Gaußglocken wird das Unschärfeprodukt sogar noch größer.)<br />

Ebensowenig läßt sich die Zeit <strong>und</strong> die Frequenz eines Wellenpakets simultan<br />

angeben, denn wir erhalten ein entsprechendes Unschärfeprodukt<br />

∆ω∆t ∼ 1 (18)<br />

(o<strong>der</strong> noch größer): Ein Ton mit sauber definierter Tonhöhe muß lange andauern,<br />

ein Ton zu kurzer Dauer ist kein Ton mehr, son<strong>der</strong>n ein Knall.<br />

Wenn das Medium dispersionsfrei ist, wenn also die Phasengeschwindigkeit vp =<br />

ω/k konstant ist, breitet sich unser Wellenpaket (16) unverzerrt mit konstanter<br />

Geschwindigkeit vp aus. Denn wir erhalten mit ξ = x − vpt aus (16)<br />

<br />

ψ(x, t) = A(k)e ikξ dk = ψ(ξ, 0) = ψ(x − vpt, 0).<br />

In einem Medium mit Dispersion dagegen breiten sich die verschiedenen Komponenten<br />

des Wellenpakets verschieden schnell aus <strong>und</strong> das Paket “zerläuft”<br />

allmählich. Wenn jedoch die k–Verteilung hinreichend eng um die Wellenzahl<br />

k0 liegt, erfolgt dieses Zerlaufen sehr langsam <strong>und</strong> wir können vorher noch sinnvoll<br />

nach <strong>der</strong> Ausbreitung des Wellenpakets fragen. Nehmen wir also an, daß<br />

A(k0 + κ) = a(κ) nur <strong>für</strong> kleine κ von Null verschieden ist. Dann folgt aus (16)<br />

ψ(x, t) = e i(k0x−ω0t)<br />

<br />

a(κ)e iκ<br />

<br />

x− ∂ω<br />

<br />

∂k | t<br />

k0 dκ<br />

= e i(k0x−ω0t)<br />

<br />

f x − ∂ω<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

∂k<br />

<br />

t mit ω0 = ω(k0).<br />

Die Welle läßt sich also als ebene Trägerwelle<br />

mit einem Modulations–Faktor<br />

beschreiben:<br />

e i(k0x−ω0t)<br />

<br />

f x − ∂ω<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

∂k<br />

8<br />

k0<br />

k0<br />

t


1.0<br />

0.5<br />

0.0<br />

−0.5<br />

f e i(k 0 x−ωt)<br />

−1.0<br />

−3.0 −2.0 −1.0 0.0 1.0 2.0 3.0<br />

Während die Trägerwelle die Phasengeschwindigkeit ω0/k0 aufweist, bewegt sich<br />

<strong>der</strong> Modulationsfaktor — also <strong>der</strong> Bereich, in dem die Welle eine merkliche Amplitude<br />

aufweist — mit <strong>der</strong> Gruppengeschwindigkeit<br />

vg = ∂ω<br />

∂k<br />

x<br />

(19)<br />

durch den Raum. Im Gegensatz zu <strong>der</strong> strukturlosen, langweiligen Trägerwelle<br />

beinhaltet <strong>der</strong> Modulationsfaktor f die gesamte interessante Information o<strong>der</strong> das<br />

Signal. vg wird daher auch Signalgeschwindigkeit genannt. Sie ist eine physikalisch<br />

signifikante Größe <strong>und</strong> kann — im Gegensatz zu vp — nie die Lichtgeschwindigkeit<br />

überschreiten.<br />

1.6 Gr<strong>und</strong>begriffe <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsrechnung<br />

Wir ordnen irgendwelchen möglichen Ereignissen A Wahrscheinlichkeiten p(A) zu<br />

<strong>und</strong> verstehen darunter die relative Häufigkeit<br />

p(A) = lim<br />

n→∞<br />

nA<br />

, (20)<br />

n<br />

mit <strong>der</strong> das Ereignis A bei vielen (n → ∞) unabhängigen Versuchen unter gleichen<br />

Bedingungen auftritt (Beispiel: p (3 Augen) = 1/6 beim Würfeln). Die intuitive<br />

Anschauung faßt man mathematisch im Kolmogorovschen Axiomensystem<br />

2 zusammen, aus dem man Rechenregeln wie<br />

p(A ∨ B) = p(A) + p(B) − p(A ∧ B) (21)<br />

p(¬A) = 1 − p(A) (22)<br />

2 Ereignisse A ⊂ Ω, p(A) : P(Ω) → R mit (i) p(A) ≥ 0, (ii) p(A ∪· B) = p(A) +<br />

p(B) <strong>und</strong> (iii) p(Ω) = 1.<br />

9


ableitet. Solche Rechenregeln benutzt man auch, um Wahrscheinlichkeiten <strong>für</strong><br />

Ereignisse zu formulieren, die man nicht durch die relative Häufigkeit bei vielen<br />

Versuchen ermitteln kann. (Beispiel: p <strong>für</strong> den GAU eines Atomkraftwerkes).<br />

Ereignisse A <strong>und</strong> B sind nicht notwendigerweise unabhängig voneinan<strong>der</strong>. Man<br />

nennt<br />

p(A ∧ B)<br />

p(A|B) :=<br />

p(B)<br />

(23)<br />

die “bedingte Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> A, wenn B vorliegt”. Sind A <strong>und</strong> B unabhängig,<br />

ist p(A|B) = p(A), also gilt<br />

p(A ∧ B) = p(A)p(B). (24)<br />

Bestehen die (Elementar–)Ereignisse Ai darin, daß eine Variable x die Werte<br />

xi annimmt, nennt man x eine Zufallsvariable. Ist <strong>der</strong> Satz xi möglicher Werte<br />

abzählbar, sprechen wir von einer diskreten Zufallsvariable. Da<strong>für</strong> gilt<br />

<br />

p(xi) = 1. (25)<br />

i<br />

Ist die Zufallsvariable kontinuierlich, müssen wir differentielle Wahrscheinlichkeiten<br />

p(x)dx mit<br />

<br />

p(x)dx = 1 (26)<br />

betrachten. Abweichend von <strong>der</strong> Bezeichnung in <strong>der</strong> Mathematik ist es in <strong>der</strong><br />

Physik üblich, p(x) als Verteilungsfunktion zu bezeichnen. Wir werden nicht immer<br />

sauber zwischen <strong>der</strong> Anschrift (25) <strong>und</strong> (26) unterscheiden <strong>und</strong> daher beide<br />

Ausdrücke ggf. sinngemäß umdeuten. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> den Mischfall,<br />

in dem eine Zufallsvariable bestimmte diskrete <strong>und</strong> bestimmte kontinuierliche<br />

Werte annehmen kann (Beispiel: Energie eines Atoms). Wollen wir die jeweils<br />

sinngemäße Interpretation betonen, schreiben wir auch<br />

<br />

p(x)dx = 1. (27)<br />

Natürlich kann eine Zufallsvariable auch mehrdimensional sein. Dabei denken wir<br />

z. B. an den Ort r <strong>und</strong> verstehen (25)–(27) dann entsprechend als<br />

Mit <strong>der</strong> Verteilungfunktion definieren wir Mittelwerte<br />

<br />

p(r)d 3 r = 1 usw. (28)<br />

10


Die speziellen Mittelwerte<br />

¯f = 〈f(x)〉 = <br />

f(x)p(x)dx. (29)<br />

〈x n 〉 = <br />

x n p(x)dx (30)<br />

heißen auch “Momente” <strong>der</strong> Verteilungsfunktion. Neben dem ersten Moment –<br />

〈x〉, das den Mittelwert <strong>der</strong> Zufallsvariable angibt, ist insbeson<strong>der</strong>e das zweite<br />

Moment 〈x 2 〉 von Bedeutung. Mit ihm erhält man die Varianz<br />

(∆x) 2 = 〈(x − 〈x〉) 2 〉 = 〈x 2 〉 − 〈x〉 2 , (31)<br />

welche die “Breite” <strong>der</strong> Verteilung repräsentiert.<br />

Wie im Abschnitt 1.4 andiskutiert, wollen wir im folgenden das Amplitudenquadrat<br />

von Materiewellen als Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Teilchens interpretieren.<br />

Da wir unsere Wellen komplex ausschreiben wollen <strong>und</strong> p ≥ 0 gelten<br />

muß, heißt das präzise, daß wir eine Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

p(r, t) = ψ ∗ (r, t)ψ(r, t) (32)<br />

postulieren. Gemäß (28) muß die Wellenamplitude also die Nebenbedingung<br />

<br />

ψ ∗ (r, t)ψ(r, t)d 3 r = 1 (33)<br />

erfüllen. Irgendwelche Ortsfunktionen f(r) haben dann nach (29) den Mittelwert<br />

<br />

¯f(t) =<br />

ψ ∗ (r, t)f(r)ψ(r, t)d 3 r. (34)<br />

11


2 Die Schrödingergleichung<br />

2.1 Entwicklung <strong>der</strong> Wellengleichung<br />

Gemäß unserer Vorbesprechung möchten wir nun eine Wellengleichung aufstellen,<br />

welche die Ausbreitung <strong>der</strong> Materiewellen beschreibt. Dabei sollten wir uns<br />

von vornherein klar darüber sein, daß wir die Wellengleichung nicht “herleiten”<br />

können – ebensowenig wie irgendeine an<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>gleichung <strong>der</strong> Physik.<br />

Vielmehr geht es darum, die Gr<strong>und</strong>postulate durch mehr o<strong>der</strong> weniger plausible<br />

Ansätze zu erfüllen. Diese Ansätze werden dann im Laufe <strong>der</strong> Zeit durch Vergleich<br />

von Theorie <strong>und</strong> Experiment erhärtet o<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>legt.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>gleichung <strong>für</strong> Materiewellen tappen wir beson<strong>der</strong>s im Dunkeln,<br />

da wir <strong>der</strong> Wellenfunktion selbst keine direkte physikalische Bedeutung zumessen<br />

3 . Wir wissen lediglich, daß Interferenz auftreten kann. Darum schließen<br />

wir auf ein Superpositionsprinzip <strong>und</strong> for<strong>der</strong>n eine lineare Gleichung.<br />

Weiter wollen wir uns vom Korrespondenzprinzip (Bohr 1923) leiten lassen, nach<br />

dem zwischen klassischen <strong>und</strong> quantenmechanischen Größen eine enge Entsprechung<br />

mit mehr o<strong>der</strong> weniger analogen Beziehungen besteht. (Eine solche Korrespondenz<br />

wird sich allerdings weitgehend erst nachträglich überprüfen lassen).<br />

Schließlich müssen wir bei <strong>der</strong> Formulierung einer Wellengleichung natürlich die<br />

gr<strong>und</strong>legenden Beziehungen (8),(9)<br />

im Auge behalten.<br />

E = ¯hω <strong>und</strong> p = ¯hk<br />

Die uns am meisten vertraute Wellengleichung <strong>der</strong> Form<br />

mit konstantem γ ist nicht geeignet:<br />

∂2ψ ∂t2 = γ ∂2ψ ∂x2 – im Gegensatz zur klassischen Mechanik kann die Lösung nicht durch Anfangsbedingungen<br />

festgelegt werden, da die Gleichung zweiter Ordnung in<br />

<strong>der</strong> Zeit ist<br />

– Der Lösungsansatz e i(kx−ωt) führt auf die Dispersionsgleichung<br />

3 Darum lassen wir auch von vornherein komplexe Wellenfunktionen zu!<br />

12


γ = ω 2 /k 2 = E 2 /p 2<br />

eines dispersionsfreien Mediums mit einer Wellengeschwindigkeit √ γ = E/p, die<br />

von den Anfangsbedingungen abhängt <strong>und</strong> nicht mit <strong>der</strong> Teilchengeschwindigkeit<br />

übereinstimmt.<br />

Nach dem Korrespondenzprinzip erwarten wir, daß die Gruppengeschwindigkeit<br />

vg <strong>der</strong> klassischen Teilchengeschwindigkeit entspricht. Für ein kräftefreies Teilchen<br />

im konstanten Potential V0 gilt E = p 2 /2m + V0. Das entspricht einer Dispersionsbeziehung<br />

¯hω = ¯h2<br />

Die Gruppengeschwindigkeit<br />

2m k2 + ¯hω0 mit ω0 = V0<br />

¯h<br />

vg = ∂ω<br />

∂k<br />

¯h p<br />

= k =<br />

m m<br />

. (35)<br />

(36)<br />

stimmt damit tatsächlich mit <strong>der</strong> Teilchengeschwindigkeit überein. Eine entsprechende<br />

Differentialgleichung, die mit dem Ansatz ψ ∼ e i(kx−ωt) übereinstimmt,<br />

erhalten wir durch die Übersetzung<br />

k → 1<br />

i<br />

∂<br />

∂x<br />

p → ¯h<br />

i<br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

∂<br />

∂x<br />

<strong>und</strong> ω → i ∂<br />

∂t<br />

<strong>und</strong> E → i¯h ∂<br />

∂t<br />

o<strong>der</strong> (37)<br />

(38)<br />

¯h2 ∂<br />

= −<br />

2m<br />

2ψ ∂x2 + V0ψ (39)<br />

Diese Gleichung ist — wie gewünscht — erster Ordnung <strong>und</strong> führt <strong>für</strong> freie Teilchen<br />

auf die erwartete Gruppengeschwindigkeit. Es erhebt sich allerdings die Frage,<br />

wie man sie auf Teilchen in einem konservativem Kraftfeld überträgt. Wenn<br />

wir V0 durch V (x) ersetzen, können wir (35) nicht mehr als Dispersionsgleichung<br />

interpretieren. Tatsächlich können wir ja im Kraftfeld auch keine ebenen Wellen<br />

ψ ∼ e i(kx−ωt) mehr als Lösung erwarten, denn festes k entspricht einem konstanten<br />

Impuls p = ¯hk. Aber auch wenn k keine direkte Bedeutung als Wellenzahl<br />

mehr hat, können wir versuchen, an <strong>der</strong> Übersetzungsvorschrift (38) festzuhalten.<br />

Korrespondierend zu <strong>der</strong> klassischen Beziehung<br />

E = H(p, x) = p2<br />

+ V (x)<br />

2m<br />

13


verallgemeinern wir daher (39) zur eindimensionalen Schrödingergleichung<br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

= − ¯h2<br />

2m<br />

∂2ψ + V (x). (40)<br />

∂x2 Die weitere Verallgemeinerung auf drei Raumdimensionen ist fast trivial: Statt<br />

(40) gehen wir von <strong>der</strong> Übersetzungsvorschrift<br />

p → ¯h<br />

∂<br />

∇ <strong>und</strong> E → i¯h<br />

i ∂t<br />

(41)<br />

aus, wobei <strong>der</strong> Nabla–Operator ∇ die Gradientenbildung bezeichnet. Mit dem<br />

Laplace–Operator ∆ = ∇ 2 erhalten wir dann die dreidimensionale Schrödingergleichung<br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

¯h2<br />

= − ∆ψ + V (r)ψ . (42)<br />

2m<br />

Dies ist die gesuchte Wellengleichung, die Schrödinger 1926 vorgeschlagen <strong>und</strong><br />

die sich in jahrzehntelanger Erfahrung bewährt hat. Bevor wir uns mit dieser<br />

Feststellung zufrieden geben dürfen, müssen wir aber noch zwei wichtige Postulate<br />

nachweisen:<br />

1. Die Erhaltung <strong>der</strong> Nebenbedingung (33) <strong>und</strong><br />

2. <strong>der</strong> Bezug zur klassischen Bewegungsgleichung.<br />

Diese Nachweise werden wir in den Abschnitten 2.3 <strong>und</strong> 2.5 führen. Zuvor wollen<br />

wir uns noch mit einigen formalen Aspekten befassen.<br />

2.2 Formale Eigenschaften <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

Im Gegensatz zu den Gr<strong>und</strong>gleichungen <strong>der</strong> klassischen Physik ist die Schrödingergleichung<br />

(42) <strong>und</strong> damit die ψ–Funktion wesentlich komplex. Bisher kannten<br />

wir komplexe Anschriften (wie etwa e iϕ = cos ϕ + i sin ϕ o<strong>der</strong> Z = R + iωL)<br />

lediglich als bequeme Zusammenfassung von Beziehungen, in denen Real– <strong>und</strong><br />

Imaginärteil ihre eigene physikalische Bedeutung haben. Die Wellenfunktion ist<br />

dagegen von vornherein komplex, ohne daß Re(ψ) o<strong>der</strong> Im(ψ) eine selbständige<br />

Bedeutung hätten: Eine physikalische Bedeutung hat erst die reelle Größe<br />

p = ψ ∗ ψ.<br />

In <strong>der</strong> Theorie kann ψ auch völlig äquivalent durch ψ ∗ ersetzt werden. ψ ∗ aber<br />

erfüllt nicht die Schrödingergleichung (42), son<strong>der</strong>n die natürlich ebenso äquivalente<br />

konjugiert–komplexe Schrödingergleichung<br />

14


i¯h ∂ψ∗<br />

∂t<br />

= + ¯h2<br />

2m ∆ψ∗ − V (r)ψ ∗ . (43)<br />

An<strong>der</strong>s als wir es sonst von Wellengleichungen gewöhnt sind, sind (mit ϕ =<br />

k · r−ωt) also nicht die vier Funktionen (10a,b) <strong>und</strong> (11a,b) Lösungen <strong>der</strong> kräftefreien<br />

Schrödingergleichung, son<strong>der</strong>n allein <strong>der</strong> Ansatz (11a), von dem wir bei <strong>der</strong><br />

Konstruktion ausgegangen sind. (Der äquivalente Ansatz (11b) führt eben zur<br />

konjugiert–komplexen Schrödingergleichung).<br />

Ohne die imaginäre Einheit i vor <strong>der</strong> Zeitableitung wäre die Schrödingergleichung<br />

als “parabolische Differentialgleichung” ja auch keine Wellengleichung, son<strong>der</strong>n<br />

eine Diffusionsgleichung, <strong>der</strong>en Typ vielleicht von <strong>der</strong> Wärmeleitungsgleichung<br />

∂T<br />

∂t<br />

= κ∆T + f(T )<br />

am ehesten vertraut ist. Mit <strong>der</strong> Diffusionsgleichung hat die Schrödingergleichung<br />

daher gemein, daß ihre Lösung durch Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0 festgelegt<br />

ist. Während jedoch die Diffusionsgleichungen zu exponentiell abklingenden<br />

Lösungen ∼ e −t/τ “neigen”, sind <strong>für</strong> die Schrödingergleichung (wegen des i vor<br />

<strong>der</strong> Zeitableitung) oszillierende Lösungen ∼ e −iωt typisch.<br />

Diese Oszillationen von ψ darf man sich freilich ebensowenig als physikalische<br />

Realität vorstellen wie ψ selbst. Hängt ihre Frequenz ω doch von <strong>der</strong> willkürlichen<br />

Wahl des Potential–Nullpunkts ab. In Übereinstimmung damit ist <strong>der</strong> gesamte<br />

Phasenfaktor e −iωt <strong>der</strong> Beobachtung nicht zugänglich, er fällt ja bei <strong>der</strong> Bildung<br />

von ψ ∗ ψ auch heraus! [Beobachtbar sind einzig Phasendifferenzen (Interferenz!);<br />

diese hängen allerdings auch nicht vom Potential–Nullpunkt ab.]<br />

Ebenso wenig — <strong>und</strong> das ist vielen Leuten nicht hinreichend bewußt! — besitzt<br />

die Wellenlänge λ = 2π¯h/p eine Bedeutung, die man dem Teilchen selbst zuordnen<br />

kann. Denn <strong>der</strong> Impuls hängt ja wesentlich von <strong>der</strong> speziellen Wahl des<br />

Bezugssystems ab. Wenn wir in Interferenzexperimenten eine bestimmte Wellenlänge<br />

beobachten, so bezieht sich diese Beobachtung auf ein System, in dem<br />

das Beugungsgitter <strong>und</strong> <strong>der</strong> Schirm ruhen. In diesem System (<strong>und</strong> erst hier!) sind<br />

Impuls <strong>und</strong> Wellenlänge eindeutig festgelegt. Wir nutzen diese Überlegung, um<br />

erneut darauf hinzuweisen, daß wir mit <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> nicht ein Teilchen,<br />

son<strong>der</strong>n die mögliche Beobachtung eines Teilchens beschreiben. Diese hängt z. B.<br />

vom Teilchen <strong>und</strong> vom Beugungsgitter ab.<br />

2.3 Die Kontinuitätsgleichung<br />

Wir hatten bereits darauf hingewiesen, daß die Wahrscheinlichkeitsinterpretation<br />

(32)<br />

15


p(r, t) = ψ ∗ (r, t)ψ(r, t)<br />

<strong>der</strong> Wellenamplitude verlangt, daß die Normierung (33)<br />

<br />

p(r, t)d 3 <br />

r =<br />

ψ ∗ (r, t)ψ(r, t)d 2 r = 1<br />

im Laufe <strong>der</strong> Zeit erhalten bleibt. Dazu rechnen wir unter Verwendung <strong>der</strong> Schrödingergleichungen<br />

(42) <strong>und</strong> (43)<br />

∂p<br />

∂t<br />

∂ψ<br />

= ψ∗<br />

∂t<br />

= 1<br />

<br />

i¯h<br />

+ ψ ∂ψ∗<br />

∂t<br />

− ¯h2<br />

2m ψ∗ ∆ψ + V ψψ ∗ + ¯h2<br />

2m ψ∆ψ∗ − V ψψ ∗<br />

= i¯h<br />

2m {ψ∗ ∇ · ∇ψ − ψ∇ · ∇ψ ∗ }<br />

= i¯h<br />

2m ∇ · {ψ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ } − i¯h<br />

2m {∇ψ∗ · ∇ψ − ∇ψ · ∇ψ ∗ } .<br />

Die letzte Klammer verschwindet <strong>und</strong> wir erhalten die Kontinuitätsgleichung<br />

∂p<br />

∂t<br />

+ div S = 0 mit (44)<br />

p(r, t) = ψ ∗ ψ <strong>und</strong> S(r, t) = ¯h<br />

2im {ψ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ } .<br />

Die Form <strong>der</strong> Kontinuitätsgleichung stellt die postulierte Erhaltung <strong>der</strong> Normierung<br />

sofort sicher. Denn nach dem Gaußschen Satz gilt<br />

<br />

d<br />

dt<br />

pd 3 r =<br />

<br />

∂p<br />

∂t d3 <br />

r = −<br />

div Sd 3 <br />

r = −<br />

<br />

S · do = 0.<br />

Das Oberflächenintegral verschwindet, da ψ <strong>für</strong> r → ∞ hinreichend stark gegen<br />

Null gehen muss, damit die Normierung überhaupt existiert.<br />

Aus <strong>der</strong> Kontinuitätsgleichung folgern wir weiter, daß S(r, t) eine Wahrscheinlichkeitsstrom-Dichte<br />

beschreibt. Dabei überzeugt man sich leicht, daß S(r, t) —<br />

wie es <strong>für</strong> physikalisch interpretierbare Größen sein muss — tatsächlich reell ist,<br />

denn es gilt nach (44)<br />

S(r, t) = Re[ ¯h<br />

im ψ∗ ∇ψ]. (45)<br />

16


Wir können uns die zeitliche Entwicklung <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsverteilung also<br />

bildhaft als Strömung einer Flüssigkeit vorstellen. Diese Strömung besitzt we<strong>der</strong><br />

Quellen noch Senken, <strong>und</strong> das garantiert die Erhaltung <strong>der</strong> Normierung.<br />

Wenn wir unsere Beobachtung an hinreichend vielen (N → ∞) unabhängigen<br />

Teilchen durchführen, erwarten wir aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit<br />

im Abschnitt 1.6 (vgl. Gleichung (20)) im Volumenelement d 3 r<br />

n(r, t) d 3 r = Np(r, t) d 3 r = Nψ ∗ (r, t)ψ(r, t) d 3 r (46)<br />

Teilchen anzutreffen. n(r, t) wird dabei als Teilchendichte bezeichnet. Entsprechend<br />

wird dann<br />

j(r, t) = NS(r, t) = ¯hN<br />

2im {ψ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ } (47)<br />

die Teilchenstrom–Dichte <strong>und</strong> die Kontinuitätsgleichung erhält die vertraute<br />

Form<br />

∂n<br />

+ div j = 0.<br />

∂t<br />

(48)<br />

Ebenso kann man durch<br />

ϱm = mn(r, t) <strong>und</strong> ϱe = en(r, t) (49)<br />

eine Massendichte ϱm <strong>und</strong> eine elektrische Ladungsdichte ϱe einführen. Diesen<br />

Dichten entspricht dann die Massenstromdichte bzw. elektrische Stromdichte<br />

<strong>und</strong> es gelten entsprechende Kontinuitätsgleichungen<br />

jm = mj bzw. je = ej, (50)<br />

∂ϱm,e<br />

∂t + div jm,e = 0. (51)<br />

Um die Anschrift solcher Größen noch bequemer zu gestalten, kann man die<br />

entsprechenden Faktoren N, m bzw. e natürlich auch direkt in die Wellenfunktion<br />

aufnehmen. So ist es insbeson<strong>der</strong>e weit verbreitet, statt mit ψ direkt mit<br />

mit <strong>der</strong> Normierung<br />

Ψ(r, t) = √ Nψ(r, t) (52)<br />

17


zu arbeiten. Dann erhält man die Teilchendichte<br />

<strong>und</strong> die Teilchenstrom–Dichte<br />

<br />

ΨΨ ∗ d 3 r = N (53)<br />

n(r, t) = Ψ ∗ Ψ (54)<br />

j(r, t) = ¯h<br />

2im {Ψ∗ ∇Ψ − Ψ∇Ψ ∗ } . (55)<br />

Wegen dieser trivialen Umrechnungen werden wir uns — wie viele Lehrbücher —<br />

im folgenden auch gelegentlich einer bequemen, weniger präzisen Ausdrucksweise<br />

bedienen <strong>und</strong> ψ ∗ ψ kurz als Teilchendichte <strong>und</strong> S = ¯h<br />

2im (ψ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ ) kurz als<br />

Stromdichte bezeichnen.<br />

Wichtig ist dabei lediglich, daß wir uns <strong>der</strong> präzisen Bedeutung bewußt bleiben:<br />

Die Interpretation einer Teilchen– <strong>und</strong> einer Stromdichte setzt viele unabhängige<br />

Teilchen voraus. Wir sollten uns daher hüten, uns ein einzelnes Teilchen – etwa<br />

das Elektron im H–Atom – als ausgeschmierte Wolke mit einer Dichteverteilung,<br />

die durch ψ ∗ ψ beschrieben wird, vorzustellen. Diese gr<strong>und</strong>falsche Vorstellung wird<br />

lei<strong>der</strong> in manchen Schulbüchern <strong>der</strong> Physik durch entsprechende Bil<strong>der</strong> suggestiv<br />

unterstützt.<br />

2.4 Erwartungswerte <strong>und</strong> Operatoren<br />

Während wir die Dynamik klassischer Systeme deterministisch beschreiben, müssen<br />

wir uns in <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> mit einer Angabe <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

begnügen. Wir können daher nicht mehr den Zahlwert dynamischer Variablen<br />

präzise angeben. Um trotzdem die Terminologie <strong>und</strong> anschauliche Vorstellung<br />

soweit wie möglich beibehalten zu können, vergleichen wir den klassischen<br />

Wert einer Variablen f mit ihrem quantenmechanischen Erwartungswert ¯ f o<strong>der</strong><br />

〈f〉. Darunter verstehen wir den in Gl. (34) definierten Mittelwert<br />

<br />

¯f = 〈f〉 =<br />

ψ ∗ (r, t)f(r)ψ(r, t)d 3 r.<br />

Nun sind dynamische Variable aber im allgemeinem nicht allein Funktionen des<br />

Ortes, son<strong>der</strong>n Funktionen von Ort <strong>und</strong> Impuls (Beispiel: E = p 2 /2m + V (r)).<br />

Wie definieren o<strong>der</strong> berechnen wir sinnvoll den Erwartungswert des Impulses?<br />

Für freie Teilchen mit vorgegebenem Impuls p hatten wir den Zusammenhang<br />

p = ¯hk zwischen Impuls <strong>und</strong> Wellenzahl postuliert. Aus <strong>der</strong> Anschrift<br />

18


e i(k·r−ωt)<br />

einer ebenen Welle erhalten wir die Wellenzahl durch Gradientenbildung, −i∇ →<br />

k. Dem entspricht das (rückwärts gelesene) Ersetzungsschema<br />

¯h<br />

∇ → p (56)<br />

i<br />

von Gl. (41). Wir können die beiden Pfeilrichtungen in (41) <strong>und</strong> (56) zu einer<br />

Äquivalenz zusammenfassen, indem wir den Impulsoperator<br />

ˆp = ¯h<br />

∇ (57)<br />

i<br />

einführen. Damit liegt es nahe, den Erwartungswert des Impulses durch<br />

<br />

¯p = 〈ˆp〉 =<br />

ψ ∗ ˆpψd 3 r = ¯h<br />

i<br />

<br />

ψ ∗ ∇ψd 3 r (58)<br />

anzugeben. Für eine ebene Welle 4 ∼ e i(k·r−ωt) mit scharf definiertem Impuls<br />

p = ¯hk stimmt dieser Erwartungswert nach Konstruktion mit dem Impuls überein.<br />

Allgemein stellen wir uns vor, daß wir durch die Differentiation in (58) die<br />

Impulse bilden, die bestimmten Anteilen <strong>der</strong> Wellenfunktion entsprechen, <strong>und</strong><br />

anschließend durch die Integration entsprechend gewichten 5 . Zur Stützung dieser<br />

Argumentation zeigen wir, daß Gl. (58) tatsächlich eine reelle Größe definiert.<br />

Mit<br />

folgt nämlich<br />

¯p ∗ = − ¯h<br />

i<br />

<br />

ψ∇ψ ∗ d 3 r (59)<br />

¯p ∗ <br />

− ¯p = i¯h (ψ ∗ ∇ψ + ψ∇ψ ∗ )d 3 r (60)<br />

<br />

= i¯h<br />

∇(ψ ∗ ψ)d 3 r = 0.<br />

Ausgehend von (57) können wir auch einen Operator<br />

ˆp 2 = −¯h 2 ∇ 2 = −¯h 2 ∆<br />

4 Auf die Frage <strong>der</strong> Normierung ebener Wellen gehen wir später ein. Im Augenblick denken<br />

wir an fast unendlich ausgedehnte Wellenpakete mit fast scharf definiertem Impuls.<br />

5 Eine saubere Begründung läßt sich über eine Fouriertransformation <strong>der</strong> Wellenfunktion<br />

gewinnen. Wir verzichten jedoch darauf.<br />

19


ilden. Auch er führt zu reellen Erwartungswerten, denn es gilt<br />

¯p 2 − ¯ p2∗ = −¯h 2<br />

<br />

(ψ ∗ ∆ψ − ψ∆ψ ∗ )d 3 r<br />

= −¯h 2<br />

<br />

∇ · {ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ }d 3 r = 0<br />

(vgl. Rechnung zu Gl.(44) o<strong>der</strong> den Greenschen Satz 6 ). Damit können wir insbeson<strong>der</strong>e<br />

den Hamiltonoperator<br />

bilden.<br />

ˆH = ˆp2<br />

2m + V (r) = −¯h2 ∆<br />

+ V (r) (61)<br />

2m<br />

Allgemeiner läßt sich zeigen, daß nicht nur ˆp <strong>und</strong> ˆp 2 son<strong>der</strong>n alle Potenzen ˆp n zu<br />

reellen Erwartungswerten führen. Das ist kein Zufall, son<strong>der</strong>n es beruht darauf,<br />

daß <strong>der</strong> Operator ˆp selbstadjungiert o<strong>der</strong> hermitesch ist 7 . Über die Potenzreihe<br />

läßt sich diese Eigenschaft schließlich auf alle analytischen Funktionen g(ˆp)<br />

übertragen.<br />

Generell verstehen wir unter einem Operator  eine mathematische Vorschrift,<br />

die aus einer (Wellen–)Funktion ψ eine an<strong>der</strong>e Funktion ϕ erzeugt:<br />

ϕ(r, t) = Âψ(r, t).<br />

Eine triviale Operation in diesem Sinne ist die Multiplikation mit einer Funktion<br />

f(r). Ist f(r) reell, so erhalten wir reelle Erwartungswerte ¯ f, <strong>und</strong> f repräsentiert<br />

einen hermiteschen Operator ˆ f. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Ortsoperator ˆr = r selbst ist<br />

hermitesch. Korrespondierend zu irgendwelchen dynamischen Variablen A(r, p)<br />

<strong>der</strong> klassischen Mechanik können wir nun quantenmechanische Operatoren<br />

 = A(r, ˆp) (62)<br />

bilden, die nach den selben Rechenregeln gebildet werden (Korrespondenzprinzip).<br />

Als Beispiel erwähnen wir den Drehimpulsoperator<br />

ˆ<br />

¯h<br />

l = r × ˆp = r × ∇. (63)<br />

i<br />

Den quantenmechanischen Operatoren ordnen wir Erwartungswerte<br />

6 <br />

V (u∆v − v∆u)d3r = <br />

∂V (u∇v − v∇u)d2S 7Man beachte, daß ∇ ohne den Vorfaktor i (vgl. (57)) diese Eigenschaft nicht besitzt!<br />

20


Ā = 〈 Â〉 =<br />

ψ ∗ Âψd 3 r (64)<br />

zu, die in gewisser Weise den Zahlwert <strong>der</strong> klassischen Variable A repräsentieren.<br />

Dieses allgemeine Konzept macht allerdings nur Sinn, wenn Ā immer reell ist.<br />

Und Operatoren, die diese Bedingung <strong>für</strong> alle Wellenfunktionen ψ erfüllen, heißen<br />

hermitesch. Diese Eigenschaft besitzen zwar alle reellen ˆ f = f(r) <strong>und</strong> ˆg = g(ˆp),<br />

aber lei<strong>der</strong> nicht beliebige Funktionen8 <strong>der</strong> Form (62). Ob das nach (61) gebildete<br />

 hermitesch wird, kann darüber hinaus von <strong>der</strong> Koordinatenwahl abhängen.<br />

Hier liegt <strong>der</strong> tiefere Gr<strong>und</strong> da<strong>für</strong>, daß wir beim Übergang zur Quantemechanik<br />

im allgemeinen keinen Gebrauch von generalisierte Koordinaten machen.<br />

Wir schränken unser Konzept <strong>der</strong> Operatoren also wie folgt ein: Ausgehend von<br />

dynamischen Variablen A(r, p) o<strong>der</strong> Observablen <strong>der</strong> klassischen Mechanik bilden<br />

wir korrespondierende quantenmechanische Operatoren  nach Gl.(62), sofern<br />

diese Operatoren zu reellen Erwartungswerten (64) führen (also sofern die<br />

Operatoren hermitesch sind). Das ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong><br />

– alle reellen Funktionen f(r)<br />

– alle reellen Funktionen g(ˆp)<br />

– den Hamiltonoperator H = ˆp 2 /2m + V (r) (vgl. (61)) <strong>und</strong><br />

– den Drehimpulsoperator ˆ l = r × ˆp (vgl. (63)) erfüllt.<br />

Nachdem wir hiermit gr<strong>und</strong>sätzlich (<strong>und</strong> vorläufig) erklärt haben, was wir unter<br />

Operatoren <strong>und</strong> ihren Erwartungswerten verstehen, werden wir im folgenden auch<br />

die Kennzeichnung von Operatoren durch das Dach ˆ weglassen <strong>und</strong> beispielsweise<br />

unter p = −i¯h∇ einen Operator <strong>und</strong> unter ¯p = 〈p〉 seinen Erwartungswert<br />

verstehen.<br />

Um die Anschrift noch bequemer zu gestalten, führen wir die abkürzende Schreibweise<br />

ein. Offenbar gilt dann<br />

<br />

ϕ ∗ (r, t)χ(r, t)d 3 r = 〈ϕ|χ〉 (65)<br />

〈χ|ϕ〉 = 〈ϕ|χ〉 ∗ . (66)<br />

8 Es gilt beispielsweise <strong>für</strong> das äußere Produkt (63), nicht aber <strong>für</strong> das innere Produkt<br />

r · p. Das innere Produkt hermitescher Operatoren ist nur hermitesch, wenn die Operatoren<br />

vertauschbar sind.<br />

21


Die Schreibweise soll einmal an die Verwendung von eckigen Klammern zur Kennzeichnung<br />

von Mittelwerten erinnern. Gleichzeitig aber lehnt sie sich an die (veraltete)<br />

Schreibweise (a, b) <strong>für</strong> das innere Produkt a · b von Vektoren an. Die<br />

(quadratintegrablen) Funktionen |ϕ〉 = ϕ(r, t) spannen nämlich in <strong>der</strong> Tat einen<br />

linearen Raum H, den Hilbertraum, auf, in dem durch (65) ein Skalarprodukt<br />

definiert werden kann. Die Dimension von H ist abzählbar unendlich.<br />

Die Schreibweise (65) geht auf Dirac zurück. Er prägte – ausgehend von einer<br />

Aufspaltung des Wortes “bracket” – auch die Bezeichnungen bra–Vektor <strong>für</strong> 〈ϕ|<br />

<strong>und</strong> ket–Vektor <strong>für</strong> |χ〉. Damit unterscheidet er den Hilbertraum H von seinem<br />

Dualraum H + , <strong>der</strong> von den bra–Vektoren aufgespannt wird.<br />

Mit <strong>der</strong> neuen Schreibweise erhalten Erwartungswerte die suggestive Form<br />

〈A〉 = 〈ψ|A|ψ〉 o<strong>der</strong> 〈ψ|Aψ〉 (67)<br />

Repräsentiert A eine physikalische Observable, so muß 〈A〉 immer reell o<strong>der</strong> A<br />

hermitesch sein. Setzt man ψ = χ + λϕ, so folgt aus (67)<br />

〈A〉 = 〈χ|A|χ〉 + λ〈χ|Aϕ〉 + λ ∗ 〈ϕ|Aχ〉 + |λ| 2 〈ϕ|A|ϕ〉<br />

Ist A hermitesch, so sind die linke Seite sowie <strong>der</strong> erste <strong>und</strong> letzte Term <strong>der</strong><br />

rechten Seite reell. Also muß auch<br />

λ〈χ|Aϕ〉 + λ ∗ 〈ϕ|Aχ〉 = λ〈χ|Aϕ〉 + λ ∗ 〈Aχ|ϕ〉 ∗<br />

reell sein. Das kann aber nur <strong>für</strong> beliebige λ stimmen, wenn<br />

〈χ|Aϕ〉 = 〈Aχ|ϕ〉 (68)<br />

gilt. Umgekehrt garantiert (68) wegen (66) auch sofort reelle Erwartungswerte.<br />

Es ist daher üblich, hermitesche Operatoren durch die Beziehung (68) zu definieren.<br />

Wir erwähnen dies nicht allein <strong>der</strong> Vollständigkeit halber, son<strong>der</strong>n weil wir<br />

gelegentlich von <strong>der</strong> bequemen “Schieberegel” (68) <strong>für</strong> hermitesche Operatoren<br />

Gebrauch machen möchten.<br />

2.5 Das Theorem von Ehrenfest<br />

Wir fragen nach <strong>der</strong> Bewegung des Schwerpunkts eines Wellenpaketes (Vorsicht!)<br />

o<strong>der</strong> präziser nach <strong>der</strong> zeitlichen Entwicklung des Erwartungwertes ¯r(t) bzw.<br />

seiner x–Komponente<br />

22


¯x = 〈ψ|x|ψ〉 =<br />

ψ ∗ xψd 3 r<br />

Unter Benutzung <strong>der</strong> Schrödingergleichung erhalten wir<br />

= −¯h<br />

<br />

2im<br />

d¯x<br />

dt =<br />

<br />

ψ ∗ x ∂ψ ∂ψ∗<br />

+<br />

∂t ∂t xψ<br />

<br />

d 3 r = 1 −¯h<br />

i¯h<br />

2 <br />

2m<br />

(ψ ∗ x∆ψ − ∆ψ ∗ xψ) d 3 r<br />

∇ · {ψ ∗ x∇ψ − ∇ψ ∗ xψ}d 3 r + ¯h<br />

<br />

{∇(ψ<br />

2im<br />

∗ x) · ∇ψ − ∇ψ ∗ · ∇(xψ)}d 3 r<br />

Das erste Integral verschwindet nach dem Gaußschen Satz, im zweiten Integral<br />

differenzieren wir die Klammern ( ) aus. Mit (58)–(60) folgt dann<br />

d¯x<br />

dt<br />

¯h<br />

=<br />

2im ex<br />

<br />

· (ψ ∗ ∇ψ − ψ∇ψ ∗ )d 3 r<br />

= 1<br />

2m ex · (¯p + ¯p ∗ ) = 1<br />

m ex · ¯p = ¯px<br />

m .<br />

Eine entsprechende Beziehung erhält man natürlich auch <strong>für</strong> die übrigen Komponenten,<br />

es gilt also<br />

d 1<br />

〈r〉 = 〈p〉. (69)<br />

dt m<br />

Diese “klassische” Beziehung zwischen den Erwartungswerten r <strong>und</strong> p bestätigt<br />

eindrucksvoll das Konzept des Impulsoperators aus dem vorigen Abschnitt. Die<br />

entsprechende Beziehung <strong>für</strong> d¯p/dt, die wir nun schon ahnen, ergibt sich fast noch<br />

einfacher: Aus [vgl. (58)]<br />

¯px = 〈ψ|px|ψ〉 = ¯h<br />

<br />

i<br />

∗ ∂ψ<br />

ψ<br />

∂x d3r berechnen wir mit <strong>der</strong> Schrödingergleichung [vgl. (42) <strong>und</strong> (43)]<br />

d¯px<br />

dt<br />

= ¯h<br />

<br />

1<br />

−<br />

i i¯h<br />

¯h2<br />

<br />

2m<br />

<br />

ψ ∗ ∆ ∂ψ<br />

∂x<br />

<br />

¯h<br />

=<br />

i<br />

<br />

<br />

∗ ∂ ∂ψ ∂ψ∗ ∂ψ<br />

ψ + d<br />

∂x ∂t ∂t ∂x<br />

3 r<br />

<br />

∂ψ<br />

− ∆ψ∗ d<br />

∂x<br />

3 <br />

r +<br />

<br />

∗ ∂<br />

ψ<br />

∂x V ψ − ψ∗V ∂ψ<br />

<br />

d<br />

∂x<br />

3 <br />

r .<br />

23


Das erste Integral verschwindet nach dem Greenschen Satz [vgl. die ähnliche<br />

Rechnung vor (61)], im zweiten differenzieren wir aus <strong>und</strong> erhalten<br />

d¯px<br />

dt<br />

1<br />

=<br />

i2 <br />

∗ ∂V<br />

ψ<br />

∂x ψd3r = − ∂V<br />

∂x<br />

o<strong>der</strong> verallgemeinert auf alle Impulskomponenten<br />

Damit lassen sich die klassischen Beziehungen<br />

d<br />

〈p〉 = −〈∇V (r)〉. (70)<br />

dt<br />

˙r = p/m <strong>und</strong> ˙p = −∇V<br />

<strong>für</strong> ein Teilchen im konservativem Kraftfeld also in eindrucksvoll enger Analogie<br />

auf die quantenmechanischen Erwartungswerte übertragen. Diese Form <strong>der</strong> Korrespondenz<br />

zwischen klassischer– <strong>und</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> wird als Theorem von<br />

Ehrenfest (1927) bezeichnet.<br />

Trotz <strong>der</strong> engen Analogie besteht ein wichtiger Unterschied zur klassischen Bewegungsgleichung<br />

eines Teilchens. Wenn wir nämlich versuchsweise 〈r〉 mit dem<br />

Teilchenort r identifizieren, erhalten wir klassisch<br />

m〈¨r〉 = −∇V (〈r〉).<br />

Dies ist aber im allgemeinem verschieden von <strong>der</strong> quantenmechanischen Beziehung<br />

m〈¨r〉 = −〈∇V (r)〉, (71)<br />

die aus (69) <strong>und</strong> (70) folgt. Im Gegensatz zum klassischen Teilchen tastet das<br />

“quantenmechanische Teilchen” also das Potential <strong>der</strong> gesamten Nachbarschaft<br />

ab (Feynman).<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ist (71) aber identisch mit <strong>der</strong> Newtonschen Bewegungsgleichung<br />

<strong>für</strong> den Schwerpunkt eines klassischen Viel–Teilchen–Systems, wenn man<br />

unter 〈 〉 die gewichtete Summation über alle Massenpunkte versteht. Hierdurch<br />

erhält das anschauliche Bild einer ausgeschmierten Wolke <strong>der</strong> Dichte ψ ∗ ψ, die<br />

ein “quantenmechanisches Teilchen” repräsentiert, eine wesentliche Stütze. (Wir<br />

halten trotzdem an <strong>der</strong> Ablehnung dieses Bildes fest, da es in an<strong>der</strong>en Punkten<br />

völlig versagt!)<br />

24


Abschließend sei darauf hingewiesen, daß — abgesehen von einfachen Spezialfällen<br />

— auch in <strong>der</strong> klassischen Mechanik <strong>der</strong> Schwerpunktsatz nicht ausreicht, um die<br />

Bewegung des Schwerpunkts eines Systems zu berechnen.<br />

2.6 Die Heisenbergsche Unschärferelation<br />

Wir haben bereits mehrfach erwähnt, daß die <strong>Quantenmechanik</strong> es prinzipiell<br />

nicht erlaubt, die nötigen Anfangsbedingungen <strong>für</strong> eine klassische Beschreibung<br />

präzise anzugeben. Dies folgt mathematisch aus <strong>der</strong> berühmten Unschärferelation,<br />

die wir nun herleiten <strong>und</strong> diskutieren wollen.<br />

Wir beginnen mit einer “elementaren” Herleitung <strong>für</strong> ein eindimensionales Wellenpaket<br />

ψ(x). In Anlehnung an das klassische Lehrbuch von Messiah 9 bilden wir<br />

<strong>für</strong> λ ∈ R die Hilfsfunktion<br />

<strong>und</strong> rechnen<br />

<br />

I(λ) =<br />

x 2 ψ ∗ <br />

ψdx + λ<br />

<br />

I(λ) =<br />

<br />

<br />

xψ + λ ∂ψ<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

∂x <br />

x<br />

2<br />

dx ≥ 0 (72)<br />

<br />

<br />

∗ ∂ψ ∂ψ∗<br />

ψ + ψ dx + λ<br />

∂x ∂x<br />

2<br />

∗ ∂ψ ∂ψ<br />

∂x ∂x dx.<br />

Wenn wir (. . .) = ∂[ψ ∗ ψ]/∂x beachten <strong>und</strong> die beiden letzten Integrale partiell<br />

integrieren, folgt<br />

I(λ) =<br />

<br />

ψ ∗ x 2 <br />

ψdx − λ<br />

wobei wir den Operator<br />

ψ ∗ ψdx − λ 2<br />

<br />

k = 1<br />

i<br />

∂<br />

∂x<br />

∗ ∂2<br />

ψ<br />

∂x2 ψdx = 〈x2 〉 − λ + λ 2 〈k 2 〉,<br />

(73)<br />

eingeführt haben. I(λ) beschreibt eine nach oben geöffnete Parabel, I(λ) ≥ 0<br />

muß insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> den Scheitelpunkt λs gelten. Aus dI/dλ = 0 erhalten wir<br />

also<br />

λs = 1<br />

2〈k 2 〉<br />

<strong>und</strong> I(λs) = 〈x 2 〉 − 1<br />

2〈k2 1<br />

+<br />

〉 4〈k2 ≥ 0 ,<br />

〉<br />

9 A. Messiah, <strong>Quantenmechanik</strong>, Bd. I, Abschnitt 4.2.2<br />

25


〈x 2 〉〈k 2 〉 ≥ 1<br />

. (74)<br />

4<br />

Damit haben wir die Beziehung (17), die wir an einem Beispiel abgelesen haben,<br />

verallgemeinert <strong>und</strong> präzisiert 10 . Das Gleichheitszeichen gilt genau dann, wenn<br />

<strong>der</strong> Integrand in Gl. (72) identisch verschwindet, also <strong>für</strong> Gaußsche Wellenfunktionen<br />

Mit px = ¯hk geht (74) in<br />

ψ ∼ exp −x2<br />

2λ .<br />

〈x 2 〉〈p 2 ¯h2<br />

x 〉 ≥<br />

4<br />

über. Ein Teilchen kann also nicht exakt am Ort x = 0 ruhen (px = 0). Dieser<br />

Wi<strong>der</strong>spruch ergibt sich aber auch <strong>für</strong> jede an<strong>der</strong>e exakt formulierte Anfangsbedingung,<br />

denn wir brauchen ja nur x durch ∆x = x − x0 <strong>und</strong> p durch ∆p = p − p0<br />

zu ersetzen (Wechsel des Bezugssystems). So erhalten wir endlich die Heisenbergsche<br />

Unschärferelation<br />

〈∆x 2 〉〈∆p 2 ¯h2<br />

x 〉 ≥ . (75)<br />

4<br />

Bevor wir die Unschärferelation weiter diskutieren, wollen wir unsere Herleitung<br />

auf beliebige Observable A <strong>und</strong> B verallgemeinern. Das wird uns zugleich einen<br />

völlig neuen Geschichtspunkt liefern. In Anlehnung an Gl. (72) bilden wir dazu<br />

die Hilfsfunktion<br />

<br />

I(λ) = |Aψ − iλBψ| 2 dτ ≥ 0, (76)<br />

wobei A <strong>und</strong> B hermitesche Operatoren repräsentiern <strong>und</strong> dτ <strong>für</strong> dx o<strong>der</strong> d 3 r<br />

steht. Wenn wir nun dem Rechengang auf <strong>der</strong> vorigen Seite folgen, haben wir<br />

lediglich zu beachten, daß wir die partiellen Integrationen in die Verschiebung<br />

hermitescher Operatoren übersetzen müssen. Damit erhalten wir<br />

ten.<br />

<br />

I(λ) =<br />

ψ ∗ (A + iλB)(A − iλB)ψdτ = 〈A 2 〉 + λ 2 〈B 2 〉 − iλ〈(AB − BA)〉 .<br />

10 Der Faktor 1/4 gegenüber Gl.(17) kommt daher, daß wir mit ψ ∗ ψ <strong>und</strong> nicht mit ψ gewich-<br />

26


Wir bestimmen wie<strong>der</strong> den Scheitelpunkt<br />

λs = i<br />

<strong>der</strong> Parabel I(λ) <strong>und</strong> folgern aus I(λs) ≥ 0<br />

〈A 2 〉〈B 2 〉 ≥<br />

〈AB − BA〉<br />

〈B 2 〉<br />

AB − BA<br />

Hiermit ist die formale Rechnung schon abgeschlossen. Wie oben können wir A<br />

durch ∆A = A − Ā <strong>und</strong> B durch ∆B = B − ¯ B ersetzen <strong>und</strong> erhalten mit dem<br />

Kommutator<br />

die allgemeine Unschärferelation<br />

2i<br />

2<br />

.<br />

[A, B] = AB − BA (77)<br />

〈(∆A) 2 〉〈(∆B) 2 〉 ≥<br />

[A, B]<br />

2i<br />

2<br />

. (78)<br />

Sie sagt also beispielsweise aus, daß zwischen x <strong>und</strong> px deshalb eine Unschärferelation<br />

besteht, weil x <strong>und</strong> px nicht vertauschbar sind. Es gilt nämlich<br />

∂<br />

(xψ) − x∂ψ<br />

∂x ∂x<br />

<br />

∂<br />

, x =<br />

∂x ∂ ∂<br />

x − x<br />

∂x ∂x<br />

= ψ o<strong>der</strong><br />

[px, x] = pxx − xpx = ¯h<br />

i<br />

= 1 also<br />

. (79)<br />

Neben dieser neuen Interpretation haben wir damit eine wesentliche Verallgemeinerung<br />

<strong>der</strong> Unschärferelation erhalten: Eine Unschärferelation besteht zwischen<br />

allen Observablen, <strong>der</strong>en Operatoren nicht vertauschbar sind, <strong>und</strong> Gl. (78) sagt<br />

uns, wie die Unschärferelation in jedem Fall genau aussieht.<br />

Ein wichtiges Beispiel hierzu ist die Unschärferelation zwischen den verschiedenen<br />

Komponenten des Drehimpulses (vgl. (63)) l = r × p. Mit<br />

lx = ypz − zpy <strong>und</strong><br />

27


folgt nämlich<br />

Wegen<br />

ly = zpx − xpz<br />

[lx, ly] = lxly − lylx<br />

= (ypz − zpy)(zpx − xpz) − (zpx − xpz)(ypz − zpy)<br />

= ypx[pz, z] + xpy[z, pz] = − (xpy − ypx)[pz, z].<br />

lz = xpy − ypx <strong>und</strong> [pz, z] = −i¯h<br />

[vgl. (79)] folgt daraus die wichtige Vertauschungsrelation<br />

[lx, ly] = i¯hlz<br />

(80)<br />

<strong>und</strong> natürlich die entsprechenden durch zyklische Vertauschung gewonnenen Relationen.<br />

Gemäß Gl.(78) bedeutet das aber, daß die drei Komponenten des Drehimpulses<br />

nicht präzise angegeben werden können, denn es besteht die Unschärferelation<br />

〈∆l 2 x 〉〈∆l2 ¯h2<br />

y 〉 ≥<br />

4 〈lz〉 2 , (81)<br />

o<strong>der</strong> — wie wir etwas weniger präzise schreiben können —<br />

δlx · δly ≥ ¯h<br />

2 |〈lz〉|. (82)<br />

Wir führen die “unscharfen Werte” eines Observablenpaares also darauf zurück,<br />

daß ihre Operatoren “nicht vertauschbar” sind. Das typische Beispiel – <strong>und</strong> den<br />

Ausgangspunkt aller weiterer Rechnungen – liefern die Operatoren x <strong>und</strong> ∂/∂x<br />

mit dem Kommutator<br />

<br />

∂<br />

, x = 1.<br />

∂x<br />

Die entsprechende Unschärfe können wir uns direkt an <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

p(x) veranschaulichen: Eine gut lokalisierbare Verteilung (Skizza a) entspricht<br />

einem steilen Peak mit großen Gradienten ∂/∂x, während eine flache Verteilung<br />

mit kleinen Gradienten (Skizze b) den Ort nur sehr ungenau festlegt:<br />

28


p(x)<br />

δx<br />

a)<br />

x<br />

p(x)<br />

Die Orts–Impuls–Unschärfe ist also die natürlichste Sache <strong>der</strong> Welt, wenn man<br />

akzeptiert, daß <strong>der</strong> Impuls durch den Gradienten repräsentiert wird. Das aber<br />

entspricht gerade <strong>der</strong> Wellenbeschreibung, die uns von den Interferenzbeobachtungen<br />

aufgedrängt wurde. Die Rückführung <strong>der</strong> Unschärferelation auf die Nicht–<br />

Vertauschbarkeit von Operatoren ist damit nur eine abstrakte Formulierung <strong>der</strong><br />

Unvereinbarkeit von Begriffen, die dem Teilchenbild (Ort) <strong>und</strong> dem Wellenbild<br />

(Wellenzahl) entlehnt sind.<br />

Für die physikalische Interpretation ist ein Gedankenexperiment wichtig, das Heisenberg<br />

(mit Hilfestellung Bohrs) 1927 angegeben hat: Wir wollen die Ortsbestimmung<br />

eines Teilchens (z. B. Elektrons) konkret mit einem Mikroskop durchführen.<br />

Dann erhalten wir eine minimale Ortsunschärfe<br />

δx ∼ λ<br />

sin ε ,<br />

die dem Auflösungsvermögen des Mikroskops entspricht. Dabei ist λ die Wellenlänge<br />

des verwendeten Lichts <strong>und</strong> sin ε die numerische Apertur (d. h. <strong>der</strong> Sinus<br />

des halben Öffnungswinkels). Nun besteht aber das Licht aus Photonen mit<br />

einem Impuls<br />

p = ¯hk = h/λ.<br />

Wenn ein Photon von Teilchen gestreut wird — <strong>und</strong> nur dadurch entsteht ja das<br />

29<br />

ε<br />

δx<br />

b)<br />

x


Bild im Mikroskop — überträgt es einen Teil seines Impulses (Compton–Effekt).<br />

Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Streuung erhält das Teilchen nun eine Impulsunschärfe<br />

δpx ∼ p sin ε = h<br />

sin ε.<br />

λ<br />

Unsere Kenntnis über das Teilchen ist also durch ein minimales Unschärfeprodukt<br />

eingeschränkt.<br />

δx · δpx ∼ h<br />

Mit diesem Gedankenexperiment lieferte <strong>der</strong> Positivist Heisenberg im Gr<strong>und</strong>e<br />

seinen dem Realismus verschworenen Gegnern hervorragende Munition: Ist es<br />

nicht doch so, daß das Teilchen “eigentlich” einen scharfen Ort <strong>und</strong> scharfen<br />

Impuls hat, <strong>und</strong> daß die Unschärfe “nur” auf <strong>der</strong> Störung durch die Beobachtung<br />

beruht?<br />

Diese “Störung” läßt sich allerdings nicht durch eine Re–Interpretation <strong>der</strong> Meßresultate<br />

“wegrechnen”: δpx ist eine wirkliche “Unschärfe”, <strong>der</strong> übertragene Impuls<br />

läßt sich nicht angeben, da die Abbildung im Mikroskop tatsächlich ein<br />

divergentes Lichtbündel voraussetzt (worauf Bohr hingewiesen hat). Und da <strong>der</strong><br />

Impulsübertrag prinzipiell nicht berechenbar ist, ist es <strong>für</strong> den Physiker wie<strong>der</strong><br />

prinzipiell unentscheidbar, ob die Positivisten o<strong>der</strong> die Realisten recht haben: Wir<br />

können nur unsere Beobachtung beschreiben.<br />

Mir scheint noch ein an<strong>der</strong>er Aspekt <strong>der</strong> mikroskopischen Ortsbestimmung wichtig:<br />

Wir hatten die Unschärferelation in den bisherigen Diskussionen auf den<br />

Welle–Teilchen–Dualismus zurückgeführt. In Heisenbergs Gedankenexperiment<br />

spielt <strong>der</strong> Wellenaspekt des beobachteten Teilchens jedoch nirgendwo eine Rolle.<br />

Der Welle–Teilchen–Dualismus wird hier auf das Photon verlagert (Auflösungsvermögen<br />

<strong>und</strong> Wellenlänge einerseits, Comptoneffekt an<strong>der</strong>seits). Darin liegt<br />

erneut eine Bestätigung <strong>der</strong> Aussage, daß die Quantemechanik nicht ein Teilchen<br />

an sich son<strong>der</strong>n die prinzipielle Möglichkeit seiner Beobachtung beschreibt.<br />

Später (im Abschnitt 5.6) werden wir sogar sehen, daß die Unschärfe auch bei<br />

einer völlig störungsfreien Messung unvermeidlich ist.<br />

Wenn wir noch einmal auf die Begründung <strong>der</strong> Unschärfe durch den Welle–<br />

Teilchen–Dualismus zurückkommen, so gilt in völliger Analogie zur Unschärfe<br />

δx·δk ≥ 1/2 eine Unschärfe δt·δω ≥ 1/2. Mit ¯hω = E folgt daraus die Energie–<br />

Zeit–Unschärfe<br />

δE · δt ≥ ¯h<br />

. (83)<br />

2<br />

30


Wir wollen uns das direkt an <strong>der</strong> Wellenfunktion veranschaulichen: Ist die Energie<br />

E <strong>und</strong> damit ω = E/¯h präzise vorgegeben, haben wir eine Wellenfunktion<br />

ψ(r, t) = ϕ(r)e −iωt .<br />

Ihre ”Zeitabhängigkeit” e −iωt ist nicht beobachtbar, denn die Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

ψ ∗ (r, t)ψ(r, t) = |ϕ(r)| 2<br />

hängt gar nicht von <strong>der</strong> Zeit ab. Die Wellenfunktion, die <strong>der</strong> präzisen Vorgabe<br />

<strong>der</strong> Energie (δE = 0) entspricht, beschreibt also einen stationären Zustand, <strong>der</strong><br />

unendlich lange dauert (δt = ∞).<br />

Zur Zeitabhängigkeit eines Zustandes mit unscharfer Energie betrachten wir eine<br />

Wellenfunktion<br />

ψ(r, t) = ϕ1(r)e −iω1t + ϕ2(r)e −iω2t<br />

<strong>und</strong> rechnen<br />

ψ ∗ ψ = |ϕ1| 2 + |ϕ2| 2 + 2Re <br />

ϕ ∗ <br />

i(ω1−ω2)t<br />

1ϕ2e<br />

Der letzte Term zeigt also eine zeitliche Schwebung mit <strong>der</strong> Periodendauer<br />

τ =<br />

2π<br />

|ω1 − ω2| =<br />

h<br />

|E1 − E2| .<br />

Um die Energiedifferenz ∆E = |E1 − E2| aufzulösen (d. h. um die Schwebung zu<br />

beobchten), muß man also die Messung mindestens über Zeiten ∆t ∼ τ = h/∆E<br />

ausdehnen.<br />

Alternativ können wir die Energie–Zeit–Unschärfe erhalten, indem wir die Ortsunschärfe<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Geschwindigkeit auf den Zeitpunkt <strong>der</strong> Beobachtungung<br />

übertragen: Wir fragen etwa, wann ein Teilchen die Marke x = x0 passiert <strong>und</strong><br />

schätzen ab<br />

δt = δx<br />

v<br />

m<br />

= δx =⇒<br />

p<br />

δt p<br />

¯h<br />

δp = δxδp ≥<br />

m 2 .<br />

Mit pδp/m = δ(p 2 /2m) = δE folgt daraus (83).<br />

31


Wenn diese Diskussion auch die völlige Analogie <strong>der</strong> Energie–Zeit– <strong>und</strong> Orts–<br />

Impuls–Unschärferelation deutlich gemacht hat, so kommt diesen Relationen doch<br />

eine ganz unterschiedliche Rolle im Rahmen <strong>der</strong> formalen Theorie zu:<br />

Ort x <strong>und</strong> Impuls p sind (gleichberechtigte 11 ) Observable, die in <strong>der</strong> Theorie durch<br />

Operatoren repräsentiert werden. Die Unschärfe beruht darauf, daß <strong>der</strong> Orts– <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Impulsoperator nicht vertauschbar sind.<br />

Dagegen wird die Zeit t in <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> nicht durch einen Operator<br />

repräsentiert son<strong>der</strong>n spielt die Rolle eines Parameters. Diese Unsymmetrie, die<br />

auch vom Gesichtspunkt <strong>der</strong> Relativität als Defizit erscheint, hat Schrödinger bei<br />

<strong>der</strong> Aufstellung <strong>der</strong> Wellengleichung vergeblich zu vermeiden versucht.<br />

11 Auch das “Ungleichgewicht” p ∼ d/dx läßt sich durch einen Wechsel <strong>der</strong> “Darstellung”<br />

beseitigen: In <strong>der</strong> “Impulsdarstellung” (Fouriertransformation) gilt x ∼ d/dp.<br />

32


3 Spezielle Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

Die Schrödingergleichung ist eine partielle Differentialgleichung, die nicht allgemein<br />

in geschlossener Form gelöst werden kann. Wenn wir uns in diesem Kapitel<br />

mit ihrer Lösung <strong>für</strong> einige ausgewählte Probleme befassen, so wollen wir damit<br />

in erster Linie generelle Zusammenhänge aufzeigen o<strong>der</strong> verdeutlichen. Gleichzeitig<br />

lernen wir so einige Lösungsmethoden <strong>und</strong> wichtige “Schulbeispiele” kennen,<br />

ohne dabei jedoch “Vollständigkeit” anzustreben.<br />

3.1 Entwicklung nach Eigenfunktionen des Hamiltonoperators<br />

Wir setzen voraus, daß die Hamiltonfunktion nicht explizit von <strong>der</strong> Zeit abhängt,<br />

so daß klassisch <strong>der</strong> Energiesatz H(x, p) = E gilt. Dann können wir nach partikulären<br />

Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung fragen, die dem Separationsansatz<br />

genügen. Mit<br />

folgt<br />

o<strong>der</strong><br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

ψ(r, t) = g(t)ϕ(r) (84)<br />

¯h2<br />

= Hψ = − ∆ψ + V (r)ψ<br />

2m<br />

i¯hϕ(r) dg<br />

dt<br />

i¯h dg<br />

g dt<br />

= g(t)Hϕ(r)<br />

= 1<br />

ϕ Hϕ.<br />

Nun hängt die linke Seite nur von t, die rechte nur von r ab. Also sind beide gleich<br />

einer Konstanten Eν. Dabei soll <strong>der</strong> Index ν andeuten, daß wir im allgemeinen nur<br />

<strong>für</strong> bestimmte Werte von E sinnvolle Lösungen finden werden. Die Abhängigkeit<br />

<strong>der</strong> Lösung von dieser Konstanten kennzeichnen wir ebenfalls durch den Index ν<br />

<strong>und</strong> erhalten dgν/dt = −iEν/¯hgν o<strong>der</strong><br />

Eν<br />

−i<br />

gν(t) = e ¯h t . (85)<br />

33


gν ist also — wie nicht an<strong>der</strong>s zu erwarten — <strong>der</strong> zeitabhängige Phasenfaktor,<br />

<strong>der</strong> im Wellenbild die vorgegebene Energie Eν repräsentiert. Die zugehörige Ortsfunktion<br />

ϕν(r) ist Lösung <strong>der</strong> stationären Schrödingergleichung<br />

<br />

− ¯h2<br />

<br />

∆ + V (r)<br />

2m<br />

ϕν(r) = Eνϕν(r)<br />

o<strong>der</strong> H|ϕν〉 = Eν|ϕν〉. (86)<br />

Gl. (86) ist vom Typ eines Eigenwertproblems, wir nennen Eν einen Eigenwert <strong>und</strong><br />

ϕν(r) eine Eigenfunktion (bzw. |ϕν〉 einen Eigenvektor) des Hamiltonoperators.<br />

Im Hinblick auf eine mögliche Entwicklung <strong>der</strong> allgemeinen Lösung nach solchen<br />

Eigenfunktionen wollen wir zeigen, daß die Eigenfunktionen zu verschiedenen<br />

Eigenwerten orthogonal sind. Dazu gehen wir von <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

¯h<br />

∆ϕ = [V (r) − E]ϕ<br />

2m<br />

aus <strong>und</strong> bilden 12 unter Verwendung des Greenschen Satzes [vgl. die Rechnung zu<br />

Gl. (61)]<br />

also<br />

0 = ¯h2<br />

<br />

(ϕν∆ϕµ − ϕµ∆ϕν)d<br />

2m<br />

3 r<br />

<br />

= (ϕνV ϕµ − ϕµV ϕν)d 3 <br />

r − ϕν(Eµ − Eν)ϕνd 3 <br />

r<br />

= (Eν − Eµ) ϕνϕµd 3 r = (Eν − Eµ)〈ϕν|ϕµ〉,<br />

〈ϕν|ϕµ〉 = 0 <strong>für</strong> Eν = Eµ. (87)<br />

Der Greensche Satz (die partielle Integration), auf dem unser Beweis beruht,<br />

drückt im Gr<strong>und</strong>e nur aus, daß <strong>der</strong> Hamiltonoperator hermitesch ist. Tatsächlich<br />

erhalten wir direkt aus <strong>der</strong> Eigenwertgleichung (86) eines beliebigen hermiteschen<br />

Operators H unter Ausnutzung <strong>der</strong> “Schieberegel” (68)<br />

0 = 〈Hϕν|ϕµ〉 − 〈ϕν|Hϕµ〉 = (E ∗ ν<br />

Diese kurze, elegante Rechnung zeigt<br />

− Eµ)〈ϕν|ϕµ〉.<br />

12 Im Gegensatz zur zeitabhängigen Schrödingergleichung ist die stationäre Schrödingergleichung<br />

nicht komplex <strong>und</strong> wir können reelle Eigenfunktionen wählen.<br />

34


1. <strong>für</strong> ν = µ, daß alle Eigenwerte hermitescher Operatoren reell sind <strong>und</strong><br />

2. <strong>für</strong> ν = µ, daß Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten hermitescher<br />

Operatoren orthogonal sind.<br />

Die Entwicklung nach den Eigenfunktionen des Hamiltonoperators, die wir hier<br />

besprechen wollen, stellt tatsächlich nur einen Spezialfall <strong>der</strong> allgemeineren Entwicklung<br />

nach den Eigenfunktionen irgendeines hermiteschen Operators dar. Wir<br />

werden hierauf bei Bedarf zurückkommen, gehen aber nun nicht weiter darauf<br />

ein.<br />

Wegen <strong>der</strong> Linearität <strong>der</strong> Schrödingergleichung sind beliebige Linearkombinationen<br />

unserer partikulären Lösungen gν(t)ϕν(r) ebenfalls Lösungen. Wir können<br />

nun umgekehrt fragen, ob jede Lösung ψ(r, t) <strong>der</strong> Schrödingergleichung in <strong>der</strong><br />

Form<br />

ψ(r, t) = <br />

ν<br />

Eν<br />

−i<br />

cνe ¯h t ϕν(r) (88)<br />

nach den Eigenfunktionen ϕν(r) des Hamiltonoperators entwickelt werden kann.<br />

Dies ist die Frage nach <strong>der</strong> Vollständigkeit 13 des Funktionssystems {ϕν}. Die<br />

Vollständigkeit ist mathematisch meistens schwierig nachzuweisen, tatsächlich<br />

aber nur in “pathologischen” Fällen verletzt — vorausgesetzt, man hat tatsächlich<br />

alle Eigenwerte <strong>und</strong> die entsprechenden Eigenfunktionen gef<strong>und</strong>en. Wir werden<br />

daher die Vollständigkeit stets voraussetzen <strong>und</strong> davon ausgehen, daß die Entwicklung<br />

(88) immer möglich ist.<br />

Aus <strong>der</strong> Orthogonalität folgt darüber hinaus, daß die Entwicklung sogar eindeutig<br />

<strong>und</strong> sehr einfach zu berechnen ist. Wir können die Eigenfunktionen nämlich so<br />

normieren, daß<br />

〈ϕν|ϕµ〉 = δνµ<br />

gilt. Schreiben wir (88) nun in <strong>der</strong> Form<br />

|ψt=0〉 = <br />

cµ|ϕµ〉<br />

<strong>und</strong> multiplizieren mit 〈ϕν|, so folgt wegen (89)<br />

µ<br />

(89)<br />

13 Zur Veranschaulichung nicht vollständiger Systeme denke man an eine “Basis” aus m Vektoren<br />

im n-dimensionalen Vektorraum (m < n) o<strong>der</strong> an Potenzreihen, in denen bestimmte<br />

Potenzen nicht erlaubt sind.<br />

35


cν = 〈ϕν|ψt=0〉<br />

<br />

(90)<br />

= ϕ ∗ ν (r)ψ(r, 0)d3r. Wir wollen diesen formalen Abschnitt mit dem Hinweis auf zwei Schwierigkeiten<br />

abschließen:<br />

Wir haben bisher stillschweigend vorausgesetzt, daß die Eigenwerte Eν <strong>und</strong> Eµ<br />

<strong>für</strong> ν = µ tatsächlich verschieden sind, o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt, daß zu einem Eigenwert<br />

nicht mehrere linear unabhängige Eigenfunktionen existieren. Wenn das<br />

nicht erfüllt ist, spricht man von Entartung: Der Eigenwert Eν heißt k–fach entartet,<br />

wenn k linear unabhängige Eigenfunktionen zu Eν existieren. Die formale<br />

Schwierigkeit <strong>der</strong> Entartung liegt darin, daß entartete Eigenfunktionen nicht mehr<br />

automatisch orthogonal untereinan<strong>der</strong> sind. Man kann jedoch stets orthogonale<br />

Eigenfunktionen finden <strong>und</strong> damit die Gültigkeit von (89) <strong>und</strong> (90) sicherstellen.<br />

Eine zweite stillschweigende Voraussetzung ging davon aus, daß wir nur diskrete<br />

Eigenwerte Eν haben. Auch das ist nicht immer erfüllt, im Gegenteil, das<br />

“Spektrum” möglicher Eigenwerte weist typischerweise einen diskreten <strong>und</strong> einen<br />

kontinuierlichen Anteil auf. Die entsprechende Interpretation von Gl. (88) liegt<br />

auf <strong>der</strong> Hand: Wir ersetzen die Summation im kontinuierlichen Anteil durch eine<br />

Integration:<br />

ψ(r, t) = <br />

Eν t<br />

−<br />

cνe ¯h ϕν(r)dν. (91)<br />

Was aber sollen wir in Gl. (89) unter dem Kroneckersymbol δνµ im kontinuierlichen<br />

Teil des Spektrums verstehen? Durch geeignete Grenzübergänge läßt sich<br />

erreichen, daß man die kontinuierlichen Eigenfunktionen durch<br />

〈ϕν|ϕµ〉 = δ(ν − µ) (92)<br />

“normieren” kann. Die Singularität <strong>der</strong> δ–Funktion <strong>für</strong> ν = µ deutet aber schon<br />

an, daß wir hier eigentlich vor einer ernsteren Schwierigkeit stehen: Unsere Eigenfunktionen<br />

sind nicht mehr im üblichen Sinn normierbar <strong>und</strong> wir verlassen den<br />

Hilbertraum.<br />

Wir werden diese Schwierigkeit nicht systematisch mit mathematischen Mitteln<br />

beheben. Wir werden aber notgedrungen bei kontinuierlichen Spektren mit ihr<br />

konfrontiert <strong>und</strong> werden sie dort intuitiv durch die physikalische Interpretation<br />

entschärfen.<br />

36


3.2 Der harmonische Oszillator<br />

Wir beginnen mit einem einfachen, wegen seiner gr<strong>und</strong>legenden Bedeutung <strong>für</strong><br />

zahlreiche physikalische Modelle aber beson<strong>der</strong>s wichtigen Schulbeispiel <strong>und</strong> untersuchen<br />

den eindimensionalen harmonischen Oszillator mit <strong>der</strong> Hamiltonfunktion<br />

H = p2 kF<br />

+<br />

2m 2 x2 = p2 mω2<br />

+<br />

2m 2 x2 , (93)<br />

wobei kF die Fe<strong>der</strong>konstante <strong>und</strong> ω = (kF /m) 1/2 die klassische Frequenz bezeichnet.<br />

Die stationäre Schrödingergleichung Hϕ = Eϕ lautet dann<br />

− ¯h2 d<br />

2m<br />

2 <br />

2 ϕ mω<br />

+<br />

dx2 2 x2 <br />

− E ϕ = 0. (94)<br />

Die lästigen Vorfaktoren können wir durch eine Transformation<br />

auf eine dimensionslose Ortskoordinate ξ wegschaffen:<br />

Wählen wir nun<br />

so folgt<br />

¯h 2<br />

2mx 2 0<br />

¯h 2<br />

mx 2 0<br />

¯hω<br />

2<br />

Gehen wir schließlich noch durch<br />

x = x0ξ (95)<br />

d2ϕ dξ2 + Eϕ − mω2x2 0<br />

ξ<br />

2<br />

2 ϕ = 0.<br />

= mω 2 x 2 0 o<strong>der</strong> x 2 0<br />

d2 <br />

ϕ<br />

+ E −<br />

dξ2 ¯hω<br />

2 ξ2<br />

<br />

ϕ = 0.<br />

E = λ ¯hω<br />

2<br />

¯h<br />

= , (96)<br />

mω<br />

zu einem dimensionslosen Energiewert λ über, so erhält die Schrödingergleichung<br />

des harmonischen Oszillators die übersichtliche Gestalt<br />

37<br />

(97)


hϕ =<br />

<br />

ξ 2 − d2<br />

dξ2 <br />

ϕ = λϕ. (98)<br />

Bevor wir dieses Eigenwertproblem explizit lösen, merken wir an, daß alle Eigenwerte<br />

positiv sind. Für λ ≤ 0 wäre nämlich ϕ ′′ immer ≥ 0, ϕ also konvex zur<br />

x–Achse:<br />

ϕ<br />

ξ<br />

ϕ<br />

Eine solche Wellenfunktion ist aber sicher nicht normierbar. Der formale Beweis<br />

folgt aus <strong>der</strong> kleinen Rechnung<br />

<br />

(λ − ξ 2 )ϕ 2 <br />

dξ = −<br />

ξ<br />

ϕϕ ′′ <br />

dξ = +<br />

ϕ ′2 dξ > 0,<br />

die zeigt, daß <strong>der</strong> Integrand links nicht negativ definit sein kann.<br />

Daß negative λ ausgeschlossen sind, entspricht auch unserer klassischen Erwartung.<br />

Denn E = p 2 /2m+kx 2 /2 ist nach Konstruktion immer ≥ 0. Darüber hinaus<br />

verbietet die <strong>Quantenmechanik</strong> aber auch E = 0 (warum?).<br />

Für λ > 0 erhalten wir ein Intervall ξ 2 < λ, in dem ϕ(ξ) konkav zur Achse<br />

ist. Damit können wir uns normierbare Wellenfunktionen <strong>für</strong> bestimmte Werte<br />

von λ vorstellen. Dies wird durch die numerischen Ergebnisse auf <strong>der</strong> folgenden<br />

Seite bestätigt: Integrieren wir Gl. (98) <strong>für</strong> wachsende λ > 0, so erhalten wir <strong>für</strong><br />

λ = 1 genau den zentralen konkaven Bogen, <strong>der</strong> notwendig ist, um die konvexen<br />

Flanken zu verbinden. Für größere λ finden wir weitere akzeptable Lösungen mit<br />

Nullstellen im konkaven Bereich.<br />

Aus <strong>der</strong> Diskussion dieser Ergebnisse erwarten wir im Einklang mit systematischen<br />

Überlegung ein diskretes Spektrum<br />

0 < λ0 < λ1 < λ2 < . . . ,<br />

wobei die Eigenfunktion ϕn(ξ) zu λn genau n Nullstellen hat.<br />

38<br />

ϕ<br />

ξ


Numerische Lösungen von Gl. (98) <strong>für</strong> verschiedene λ. Im Bereich ξ 2 < λ ist y konkav zur<br />

Achse, außerhalb konvex. Die Rechnungen gehen von <strong>der</strong> Randbedingung ϕ(−∞) = 0 aus.<br />

Wenn auch ϕ(+∞) = 0 wird, ist λ Eigenwert.<br />

Nach diesen Vorüberlegungen wollen die Eigenwerte <strong>und</strong> Eigenfunktionen systematisch<br />

konstruieren. Dazu nehmen wir an, die Funktion y(ξ) erfülle bereits die<br />

Gleichung (98)<br />

y ′′ = (ξ 2 − λ)y<br />

mit den erfor<strong>der</strong>lichen Randbedingungen y(−∞) = y(∞) = 0, sei also (nicht<br />

normierte) Eigenfunktion zum Eigenwert λ. Dann bilden wir die Hilfsfunktion<br />

<br />

ˆy = ξ − d<br />

<br />

y = ξy − y<br />

dξ<br />

′ .<br />

Offenbar “erbt” ˆy die Randbedingungen von y. Um zu sehen, welche Differentialgleichung<br />

ˆy erfüllt, rechnen wir<br />

39


ˆy ′ = y + ξy ′ − y ′′ = ξy ′ + (λ + 1 − ξ 2 )y <strong>und</strong><br />

ˆy ′′ = ξy ′′ + y ′ + (λ + 1 − ξ 2 )y ′ − 2ξy<br />

= (λ + 2 − ξ 2 )y ′ − 2ξy + ξ(ξ 2 − λ)y<br />

= (λ + 2 − ξ 2 )(y ′ − ξy) = (ξ 2 − λ − 2)ˆy.<br />

Ist also y(ξ) Eigenfunktion zum Eigenwert λ, so ist ˆy(ξ) Eigenfunktion zum Eigenwert<br />

λ + 2.<br />

Mit dem Operator<br />

A − = ξ − d<br />

dξ<br />

können wir uns also ausgehend von einer Eigenfunktion ym(ξ) zum Eigenwertλm<br />

durch die Rekursion<br />

(99)<br />

yn+1 = A − yn = ξyn − y ′<br />

n , λn+1 = λn + 2 (100)<br />

eine unendliche Folge von Eigenfunktionen yn <strong>und</strong> Eigenwerten λn mit n > m<br />

konstruieren. Die definitive Übersicht über alle Eigenfunktionen <strong>und</strong> insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Startlösung y0 erhalten wir, wenn wir neben A− auch den “adjungierten”<br />

Operator (vgl. S. 41)<br />

A + = ξ + d<br />

(101)<br />

dξ<br />

definieren. Er führt — bis auf einen unwesentlichen Faktor (s. u.) — von yn auf<br />

yn−1, also von λn auf λn−2. Um das zu sehen, kann man die obige Rechnung mit<br />

geän<strong>der</strong>tem Vorzeichen wie<strong>der</strong>holen. Eleganter <strong>und</strong> wesentlich informativer ist es<br />

jedoch, das Produkt<br />

A + A − = ξ 2 + 1 − d2<br />

= 1 + h (102)<br />

dξ2 zu bilden. Wenden wir diese Operatorgleichung auf yn an <strong>und</strong> berücksichtigen<br />

A − yn = yn+1, λn+1 = λn + 2 sowie hyn = λnyn, so folgt<br />

A + yn+1 = A + A − yn = (1 + h)yn = (λn + 1)yn<br />

yn−1 =<br />

1<br />

λn−1 + 1 A+ yn =<br />

40<br />

1<br />

o<strong>der</strong><br />

λn − 1 A+ yn. (103)


Und nun kommt <strong>der</strong> entscheidende Punkt: Mit Gl. (103) können wir uns ausgehend<br />

von einem beliebigen Eigenwert auf unserer “Leiter” “herunterhangeln”<br />

<strong>und</strong> immer kleinere Eigenwerte erzeugen. Da aber alle Eigenwerte positiv sein<br />

müssen, muß die Leiter (103) auf einer “untersten Sprosse” y0 enden — o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s<br />

ausgedrückt: A + y0 muß verschwinden. Daraus folgt die Differentialgleichung<br />

y ′ 0<br />

= −ξy0<br />

mit <strong>der</strong> (abgesehen von <strong>der</strong> Normierung) eindeutigen Lösung<br />

y0 = e −ξ2 /2 .<br />

Durch Einsetzen in (98) erhalten wir den zugehörigen Eigenwert λ0 = 1. Damit<br />

können wir alle Eigenfunktionen <strong>und</strong> Eigenwerte explizit angeben:<br />

<strong>und</strong><br />

λn = 2n + 1 o<strong>der</strong> En = (n + 1<br />

)¯hω (104)<br />

2<br />

y0 = e −ξ2 /2<br />

y1 = ξy0 − y ′ 0 = 2ξe−ξ2 /2<br />

y2 = ξy1 − y ′ 1 = (4ξ 2 − 2)e −ξ2 /2<br />

.<br />

yn+1 = ξyn − y ′ n . (105)<br />

Durch Induktion verifiziert man leicht, daß alle Eigenfunktionen die Form<br />

yn(ξ) = Hn(ξ)e −ξ2 /2<br />

(106)<br />

haben, wobei Hn(ξ) ein Polynom n-ten Grades in ξ (das Hermitesche Polynom)<br />

ist. yn hat entsprechend unserer Vorüberlegung genau n Nullstellen.<br />

Um nach den yn entwickeln zu können, müssen wir noch ihre Normierung berechnen.<br />

Die nötige Vorarbeit dazu haben wir bereits geleistet, es ist nämlich<br />

〈yn|yn〉 = 〈A − yn−1|A − yn−1〉 = 〈yn−1|A + A − |yn−1〉.<br />

Der letzte Schritt besagt, daß A + zu A − “adjungiert” ist <strong>und</strong> folgt aus <strong>der</strong> partiellen<br />

Integration<br />

<br />

dyn−1<br />

dξ yndξ<br />

<br />

= −<br />

41<br />

dyn<br />

yn−1<br />

dξ dξ.


Berücksichtigen wir nun noch A + A − = 1+h (vgl. (102)) <strong>und</strong> hyn−1 = λn−1yn−1 =<br />

(2n − 1)yn−1, so erhalten wir<br />

Mit dem Gr<strong>und</strong>integral<br />

folgt schließlich explizit<br />

〈yn|yn〉 = 2n〈yn−1|yn−1〉 o<strong>der</strong> 〈yn|yn〉 = 2 n n!〈y0|y0〉.<br />

<br />

〈y0|y0〉 =<br />

e −ξ2<br />

dξ = √ π<br />

〈yn|yn〉 = 2 n n! √ π. (107)<br />

Wenn wir es wünschen, können wir damit auch normierte Eigenfunktionen<br />

ϕn(ξ) =<br />

bilden, <strong>für</strong> die 〈ϕn|ϕm〉 = δnm gilt.<br />

1<br />

√ 2 n n!π 1/2 yn(ξ) (108)<br />

Die Eigenwerte <strong>und</strong> Eigenfunktionen sind in <strong>der</strong> folgenden Abbildung wie<strong>der</strong>gegeben.<br />

Eigenwerte <strong>und</strong> Eigenfunktionen des eindimensionalen<br />

harmonischen Oszillators. Die Parabel<br />

kennzeichnet das Potential u(ξ) = ξ 2 , das “Innere”<br />

<strong>der</strong> Parabel repräsentiert den klassisch erlaubten<br />

Bereich E ≥ V bzw. λ > ξ 2 . Die Eigenlösungen<br />

ϕn konzentrieren sich wesentlich<br />

auf diesen erlaubten Bereich, dringen aber etwas<br />

in den “verbotenen” Bereich ein <strong>und</strong> klingen<br />

dort exponentiell ab. Genau auf <strong>der</strong> Grenze<br />

V = E bzw. u = λ haben sie einen Wendepunkt.<br />

Wie sind diese Eigenfunktionen physikalisch zu interpretieren? Auf den allerersten<br />

flüchtigen Blick scheinen die entsprechenden Wellenfunktionen<br />

42


ψn(ξ, t) = ϕn(ξ)e −iωnt<br />

eine Zeitabhängigkeit zu zeigen, die <strong>der</strong> Frequenz<br />

ωn = En<br />

¯h<br />

= (n + 1<br />

2 )ω<br />

entspricht. Aber das ist natürlich nicht richtig, unsere Eigenfunktionen beschreiben<br />

ja nach Konstruktion(!) stationäre Zustände, bei denen<br />

gar nicht von <strong>der</strong> Zeit abhängt.<br />

Die erste Eigenfunktion<br />

|ψn(ξ, t)| 2 = ϕ 2 n (ξ)<br />

ψ0(x, t) = ϕ0(x)e −iω0t = π −1/4 e −ξ 2 /2 e − i<br />

2 ωt<br />

entspricht gerade einem Gaussschen Wellenpaket mit minimalem Unschärfeprodukt<br />

[vgl.(74)], <strong>und</strong> wir können diese Lösung tatsächlich “verstehen”, wenn wir<br />

von <strong>der</strong> klassischen Vorstellung eines Teilchens ausgehen, das “unten im Potentialtopf”<br />

ruht: x = 0, p = 0, E = p 2 /2m + kF x 2 /2 = 0. Nun wissen wir ja bereits,<br />

daß sich diese klassische Vorstellung nicht mit <strong>der</strong> Unschärferelation<br />

〈x 2 〉〈p 2 〉 ≥ ¯h2<br />

4<br />

verträgt. “Bestenfalls” können wir – eben mit einem Gaussschen Paket – ein<br />

Gleichheitszeichen erreichen <strong>und</strong> erhalten damit eine Energie<br />

E = kF<br />

2 〈x2 〉 + 1<br />

2m 〈p2 〉 = kF<br />

2 〈x2 〉 + ¯h2<br />

8m<br />

1<br />

〈x2 〉 .<br />

Diese Energie wird sowohl <strong>für</strong> große als auch <strong>für</strong> kleine 〈x 2 〉 groß. Für das Minimum<br />

rechnen wir<br />

Damit folgt<br />

dE<br />

d〈x2 kF<br />

=<br />

〉 2<br />

¯h2<br />

−<br />

8m<br />

1<br />

〈x 2 〉 2 = 0 o<strong>der</strong> 〈x2 〉 = ¯h<br />

2 √ mk .<br />

43


E = ¯h<br />

<br />

kF<br />

4 m<br />

<br />

¯h kF<br />

+<br />

4 m<br />

= ¯hω<br />

2<br />

= E0.<br />

Der Zustand |ψ0〉 mit <strong>der</strong> Energie E0 stellt also die “beste” mit <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong><br />

verträgliche Annäherung an den klassischen harmonischen Oszillator dar,<br />

<strong>der</strong> nicht schwingt. Wir erhalten ein anschauliches Bild dieses Zustandes, wenn<br />

wir das im Potentialtopf ruhende Teilchen durch ein ausgeschmiertes Wellenpaket<br />

ersetzen.<br />

Die Vorsicht, mit <strong>der</strong> wir diesem Bild begegnen müssen, wird aber schon durch die<br />

“höheren” Eigenfunktionen deutlich. Hier ist nämlich <strong>der</strong> harmonische Oszillator<br />

mit einer höheren Energie En = (n+ 1<br />

)¯hω “angeregt”, sollte also schwingen. Aber<br />

2<br />

〈ψn|ψn〉 hängt gar nicht von <strong>der</strong> Zeit ab; was ist eine “stationäre Oszillation”?<br />

In <strong>der</strong> Abbildung auf <strong>der</strong> folgenden Seite ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

wn(ξ) = ψ∗ nψn = ϕ2 n <strong>für</strong> verschiedene n aufgetragen.<br />

Wir vergleichen wn(ξ) mit <strong>der</strong> mittleren Aufenthaltswahrscheinlichkeit w kl eines<br />

klassischen Teilchens <strong>der</strong> selben Energie im Potentialtopf des harmonischen Oszillators.<br />

Da jede Phase während einer Schwingung zweimal durchlaufen wird,<br />

gilt offenbar<br />

o<strong>der</strong> wegen dx/dt = v<br />

w kl (x)dx = 2 dt<br />

T<br />

w kl (x) = ω<br />

πv =<br />

= ω<br />

π dt<br />

ω<br />

π .<br />

2 (E − V ) m<br />

Übersetzen wir dies in unsere dimensionslose Darstellung [vgl. die Gleichungen<br />

(95) bis 97)], so erhalten erhalten wir die mittlere Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

w kl<br />

n (ξ) =<br />

1<br />

π √ , (109)<br />

λn − ξ2 eines klassischen Oszillators <strong>der</strong> Energie En = λn¯hω/2 = (n + 1<br />

2 ¯hω.<br />

Diese Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist in <strong>der</strong> Figur auf <strong>der</strong> folgenden Seite ebenfalls<br />

eingezeichnet. Für n = 0 <strong>und</strong> n = 1 zeigen die klassischen <strong>und</strong> quantenmechanischen<br />

Erwartungen noch wenig Ähnlichkeit. Mit wachsendem n fällt jedoch<br />

eine eigentümliche Entsprechung ins Auge: Offenbar oszilliert (nicht zeitlich, son<strong>der</strong>n<br />

örtlich!) die quantenmechanische Wahrscheinlichkeit wn um den klassischen<br />

Mittelwert wkl n . Für diese Oszillationen gibt es keine klassische Erklärung. Sie<br />

repräsentieren gerade die wellenmechanische Beson<strong>der</strong>heit <strong>und</strong> entsprechen dem<br />

Interferenzmuster hinter einem Doppelspalt.<br />

44


Aufenthaltswahrscheinlichkeit wn(ξ) des harmonischen Oszillators <strong>für</strong> verschiedene<br />

Energieeigenzustände n. Die konvexen Bögen repräsentieren die mittlere Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

wkl n (ξ) [vgl. Gl. (109)] klassischer Oszillatoren <strong>der</strong> selben<br />

Energie.<br />

45


Ist also <strong>der</strong> quantenmechanische Erwartungswert generell ein Zeitmittel? Nein,<br />

das ist er keineswegs, aber die Energieeigenfunktionen haben schon etwas mit<br />

einem Zeitmittel zu tun. Wenn wir nämlich die Energie eines Oszillators exakt<br />

kennen, wissen wir wegen <strong>der</strong> Energie–Zeit–Unschärfe gar nichts mehr über den<br />

Zeitpunkt des Nulldurchgangs, also die Phase. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

ψ ∗ nψn entspricht klassisch also <strong>der</strong> Aufenthaltswahrscheinlichkeit von isoenergetischen<br />

Oszillatoren beliebiger Phase, o<strong>der</strong> eben dem Zeitmittel.<br />

Kann unser quantenmechanischer Formalismus denn vielleicht die Dynamik, also<br />

die harmonische Schwingung, des harmonischen Oszillators gar nicht beschreiben?<br />

Zunächst einmal sehen wir an <strong>der</strong> Ehrenfest–Beziehung<br />

m〈¨x〉 = −〈 dV<br />

dx 〉 = kF 〈x〉 , (110)<br />

daß <strong>der</strong> Erwartungswert 〈x〉 des harmonischen Oszillators exakt die klassische<br />

Beziehung<br />

<br />

〈x〉 = a cos ωt + b sin ωt, ω = kF /m (111)<br />

erfüllt. [Das ist kein Wi<strong>der</strong>spruch zu den stationären Zuständen |ψn〉, denn <strong>für</strong><br />

die gilt<br />

(also a = b = 0), da alle ϕ 2 n<br />

〈x〉n = 〈ψn|x|ψn〉 = 0<br />

symmetrische Funktionen von x sind.]<br />

Also oszilliert <strong>der</strong> Oszillator auch quantenmechanisch genau mit <strong>der</strong> Frequenz<br />

ω. Eine solche Oszillation wird aber von den einzelnen Energieeigenfunktionen<br />

nicht beschrieben. Wir erhalten sie vielmehr erst dann, wenn wir verschiedene<br />

Eigenfunktionen gemäß<br />

ψ(ξ, t) = cnϕn(ξ)e −iωnt , ωn = (n + 1<br />

)ω (112)<br />

2<br />

überlagern. Dann sieht man sofort, daß die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

ψ ∗ ψ = <br />

c ∗ ncmϕn(ξ)ϕm(ξ)e i(n−m)ωt<br />

n,m<br />

<strong>und</strong> mit ihr alle Erwartungswerte<br />

〈A〉 = <br />

n,m<br />

c ∗ i(n−m)ωt<br />

ncm〈ϕn|A|ϕm〉e 46<br />

(113)


periodische Funktionen <strong>der</strong> Zeit mit <strong>der</strong> Periodendauer T = 2π/ω sind. Speziell<br />

zum Mittelwert 〈ξ〉 berechnen wir die “Matrixelemente”<br />

〈ϕn|ξ|ϕm〉 = 1<br />

2 〈ϕn|<br />

<br />

ξ + d<br />

<br />

d<br />

+ ξ − |ϕm〉<br />

dξ dξ<br />

= 1<br />

2 〈ϕn|(A + + A − )|ϕm〉<br />

= αn〈ϕn|ϕm−1〉 + βn〈ϕn|ϕm+1〉<br />

= αnδn,m−1 + βnδn,m+1 (114)<br />

(die Berechnung von αn <strong>und</strong> βn schenken wir uns) <strong>und</strong> erhalten<br />

〈ξ〉 = <br />

= <br />

c<br />

n,m<br />

∗ ncm(αnδn,m−1 + βnδn,m+1)e i(n−m)ωt<br />

n<br />

c ∗ n<br />

<br />

αncn+1e iωt + βncm−1e −iωt<br />

.<br />

〈ξ〉 wird also in Übereinstimmung mit (111) immer eine rein harmonische Funktion<br />

von ωt. Wenn wir also irgendein Wellenpaket im Potentialtopf des harmonischen<br />

Oszillators betrachten, so wird dessen “Schwerpunkt” — <strong>der</strong> Erwartungswert<br />

〈ξ〉 — rein harmonisch oszillieren, während sich die Form periodisch mit<br />

2π/ω — aber nicht rein harmonisch — verän<strong>der</strong>t. Lediglich das spezielle Gaußsche<br />

Wellenpaket, das ϕ0 entspricht, kann ohne Formverän<strong>der</strong>ung im Potentialtopf<br />

oszillieren (Übungen). Diese spezielle Lösung hat es vielen Physikern schwer<br />

gemacht, sich von <strong>der</strong> Vorstellung zu lösen, daß das Minimalpaket “wirklich” das<br />

Teilchen repräsentiert.<br />

Eine zeitlich oszillierende Wahrscheinlichkeitsdichte ψ ∗ ψ entspricht aber keiner<br />

exakt vorgegebenen Energie. Zu einer Beobachtung <strong>der</strong> Oszillation gehört nämlich<br />

eine Meßzeit δt < 1/ω, <strong>und</strong> die ist mit einer Energieunschärfe ∆E ∼ ¯h/δt > ¯hω<br />

verb<strong>und</strong>en. Zur Darstellung eines solchen Energiebereiches brauchen wir aber<br />

mehrere Energieeigenfunktionen. Eine scharfe Messung <strong>der</strong> Energie mit ∆E ≪ ¯hω<br />

erfor<strong>der</strong>t dagegen eine Meßzeit ∆t ≥ ¯h/∆E = 1/ω, also eine Beobachtung über<br />

viele Perioden. Und bei dieser Beobachtung sehen wir eben nur noch die über alle<br />

Phasen gemittelte Aufenthaltswahrscheinlichkeit des harmonischen Oszillators.<br />

Wir sind es aus <strong>der</strong> Atomphysik gewohnt, nur die stationären Zustände als relevante<br />

Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung zu betrachten: Nicht stationäre Lösungen<br />

sind viel zu “kurzlebig“, um uns genauer zu interessieren. Da es sich dabei<br />

meist um geladene Teilchen handelt, wird in nicht stationären Zuständen<br />

tatsächlich Energie abgestrahlt. Nichtstationarität wird daher als Übergang von<br />

einem stationären Zustand in einen an<strong>der</strong>en stationären Zustand beschrieben.<br />

47


Wenden wir diese Begriffe auf den harmonischen Oszillator an, beschreiben wir<br />

also die Schwingung durch Übergänge zwischen benachbarten Energieniveaus.<br />

Gl.(114) wird dann in <strong>der</strong> Sprechweise <strong>der</strong> Atomphysik als Auswahlregel ∆n = ±1<br />

interpretiert. Trägt <strong>der</strong> Oszillator eine elektrische Ladung, so strahlt er elektromagnetische<br />

Wellen <strong>der</strong> Frequenz ω ab. Die Auswahlregel ∆n = ±1 o<strong>der</strong> ∆E = ±¯hω<br />

läßt sich dann in die Aussage übersetzen, daß die ausgesandte (o<strong>der</strong> absorbierte)<br />

Strahlung in Photonen <strong>der</strong> Energie ¯hω gequantelt ist.<br />

3.3 Die Potentialmulde: Diskretes <strong>und</strong> kontinuierliches<br />

Spektrum<br />

Der harmonische Oszillator ist ein Modell <strong>für</strong> viele physikalische Systeme, in einer<br />

Hinsicht ist er aber immer unrealistisch: Bei hinreichend großem Abstand vom<br />

“Zentrum” wird schließlich jede Kraft verschwinden. Ein anziehendes Kraftzentrum<br />

wird daher i. a. durch eine Potentialmulde (Potentialtopf) mit V (±∞) = 0<br />

beschrieben:<br />

V(x)<br />

a b<br />

Ein klassisches Teilchen mit einer Energie E < 0 wird sich dann zwischen zwei<br />

Umkehrpunkten a <strong>und</strong> b bewegen <strong>und</strong> sich dabei qualitativ ähnlich wie <strong>der</strong> harmonische<br />

Oszillator verhalten. Eine entsprechende Analogie erwarten wir auch<br />

quantenmechanisch: Die stationäre Schrödingergleichung<br />

− ¯h2<br />

2m<br />

E


ϕn → Cn±e −κn|x| mit κn =<br />

<br />

−2mEn<br />

¯h 2 . (116)<br />

Für endlich tiefe Potentialtöpfe erwarten wir nun höchstens endlich viele Eigenwerte<br />

14 (siehe Skizze).<br />

E<br />

Ein entscheiden<strong>der</strong> Unterschied zum harmonischen Oszillator liegt darin, daß wir<br />

uns mit dieser Analogie auf geb<strong>und</strong>ene Zustände mit E < 0 beschränken müssen.<br />

Dem entsprechen klassisch oszillatorische Bahnen, die nicht aus <strong>der</strong> Potentialmulde<br />

herausführen. Für E ≥ 0 können jedoch die Teilchen über die Potentialmulde<br />

“hinweglaufen”. Die “stationäre” — was heißt das in dem Fall? — Schrödingergleichung<br />

(115) besitzt dann Lösungen, die statt (116) das asymptotische Verhalten<br />

ϕE>0 → αe ikx + βe −ikx , k =<br />

ϕ<br />

E 0<br />

E 1<br />

E 2<br />

<br />

2mE<br />

¯h 2<br />

x<br />

(117)<br />

<strong>für</strong> x → ±∞ zeigen. Das sind natürlich genau die ebenen Wellen, die uns zur<br />

kräftefreien Schrödingergleichung geführt hatten <strong>und</strong> die ausdrücken, daß <strong>der</strong><br />

Impuls p = ¯hk konstant bleibt.<br />

Dieser im Gr<strong>und</strong>e nicht unerwarteter Sachverhalt führt zu einer unangenehmen<br />

mathematischen Schwierigkeit: Funktionen mit dem asymptotischen Verhalten<br />

(117) sind nicht normierbar <strong>und</strong> damit keine Eigenfunktionen im bisherigen strengen<br />

Sinn. Wir benötigen sie aber, um allgemeinere Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

— z. B. Wellenpakete — darzustellen: Der diskrete Satz normierbarer<br />

Eigenfunktionen ist nicht vollständig!<br />

Mathematisch kann man nun die “Eigenfunktionen” <strong>für</strong> E > 0 durch geeignete<br />

Grenzprozesse aus normierbaren Eigenfunktionen darstellen. Beispielsweise kann<br />

man das Potential V (x) durch<br />

14 Wir entnehmen alle diese Aussagen <strong>der</strong> elementaren Anschauung <strong>und</strong> verzichten auf die<br />

mathematischen Beweise.<br />

49


VA(x) =<br />

<br />

V (x) <strong>für</strong> |x| < A<br />

∞ <strong>für</strong> |x| > A<br />

−A A<br />

ersetzen <strong>und</strong> den Grenzübergang A → ∞ betrachten. Für jedes endliche A erhält<br />

man dann ein vollständiges diskretes Spektrum. Mit wachsendem A rücken die<br />

Eigenwerte Eν > 0 jedoch immer dichter zusammen <strong>und</strong> in <strong>der</strong> Grenze A = ∞<br />

erhalten wir ein kontinuierliches Spektrum: Alle Energiewerte E ≥ 0 werden<br />

Eigenwerte.<br />

Mathematisch benötigt man nun das Konzept <strong>der</strong> “Distributionen”, um den Hilbertraum<br />

<strong>für</strong> solche Grenzprozesse zu vervollständigen. Wir verzichten auf die<br />

mathematische Rechtfertigung <strong>und</strong> interpretieren die freien Zustände E ≥ 0 physikalisch:<br />

Wenn ein Teilchen nicht mehr geb<strong>und</strong>en ist, so kann es sich irgendwo im<br />

gesamten Raum aufhalten, die Aufenthaltswahrscheinlichkeit in jedem endlichen<br />

Teilinterval <strong>und</strong> damit die Wahrscheinlichkeitsdichte wird also Null. Wir können<br />

aber immer noch nach einer ortsabhängigen Intensität ψ ∗ ψ fragen, wenn wir nicht<br />

von einem Teilchen, son<strong>der</strong>n von einem Strom von Teilchen bestimmter Energie,<br />

welcher den ganzen Raum erfüllt, ausgehen. Dies entspricht genau <strong>der</strong> experimentellen<br />

Situation bei den Interferenzexperimenten <strong>und</strong> führt uns zur Einführung<br />

einer nicht normierbaren Wellenfunktion<br />

Φk(x) = √ ne ikx<br />

V<br />

x<br />

(118)<br />

freier Teilchen. Nach Gl. (55) gehört zu dieser Wellenfunktion eine Stromdichte<br />

j = ¯h<br />

<br />

2im<br />

Φ ∗ k<br />

d<br />

dx Φk<br />

d<br />

− Φk<br />

dx Φ∗ k<br />

<br />

= ¯h 2ik<br />

n o<strong>der</strong><br />

2im<br />

j = ¯hk p<br />

n =<br />

m m n = nvkl. (119)<br />

Gl. (118) beschreibt also einen Strom von Teilchen <strong>der</strong> Dichte n, die mit <strong>der</strong><br />

Geschwindigkeit vkl = p/m strömen. Entsprechend beschreibt<br />

Φ−k(x) = √ ne −ikx<br />

eine Welle o<strong>der</strong> einen Teilchenstrom in negativer x–Richtung o<strong>der</strong> allgemeiner<br />

50<br />

(120)


Φk(r) = √ ne ik·r<br />

eine Welle o<strong>der</strong> einen Strom in k–Richtung.<br />

(121)<br />

Mit Φ ∗ kΦk = n = const. verstehen wir auch sofort, warum Φk nicht normierbar sein<br />

kann: ein unendlich ausgedehnter Strom von Teilchen konstanter Dichte enthält<br />

nun einmal unendlich viele Teilchen! Abschließend bleibt lediglich zu erwähnen,<br />

daß wir bei einer präzisen Diskussion — wie bereits früher betont — die Begriffe<br />

“Teilchendichte” <strong>und</strong> “Stromdichte” genauer durch “Wahrscheinlichkeits–Dichte”<br />

<strong>und</strong> “Wahrscheinlichkeits–Stromdichte” ersetzen sollten.<br />

Nach dieser physikalischen Erklärung können wir nun also Funktionen, die sich<br />

im Unendlichen wie<br />

ϕk(x) = e ikx<br />

(122)<br />

verhalten, als Eigenfunktionen 15 zulassen: sie beschreiben uns einen Teilchenstrom<br />

<strong>der</strong> Dichte 1 <strong>und</strong> <strong>der</strong> Geschwindigkeit vkl = p/m = ¯hk/m.<br />

Wenn wir nun auf die asymptotische Form (117) <strong>der</strong> Energie–Eigenfunktionen<br />

zurückkommen, so haben wir die Freiheit, zwei willkürliche Konstanten α <strong>und</strong><br />

β festzulegen. Diese Konstanten bestimmen die Intensität einer vor– <strong>und</strong> einer<br />

rücklaufenden Welle. Um hier Eindeutigkeit zu erzielen, wollen wir gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

die folgende Verfügung treffen. (Dabei denken wir nicht nur an Potentialmulden,<br />

son<strong>der</strong>n auch an Berge <strong>und</strong> allgemeine Störungen.)<br />

Wir nehmen an, daß von links (x = −∞) eine ebene Welle ϕe = exp(ikx) einläuft<br />

(“Ursache”). Diese Welle repräsentiert einen Teilchenstrom <strong>der</strong> Dichte 1 <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Stromdichte je = ¯hk/m in positiver x–Richtung. Als “Wirkung” erscheint weit<br />

hinter <strong>der</strong> Potentialstörung (x → +∞) eine auslaufende Welle ϕa = d exp(ikx).<br />

Aus <strong>der</strong> Analogie zur Optik, wo das verän<strong>der</strong>liche Potential einem verän<strong>der</strong>lichen<br />

Brechungsindex entspricht, schließen wir, daß wir links (x → −∞) außerdem eine<br />

reflektierte Welle ϕr = r exp(−ikx) zulassen müssen — auch wenn dies im klaren<br />

Wi<strong>der</strong>spruch zur klassischen Mechanik steht. Wir suchen also <strong>für</strong> E > 0 diejenige<br />

Lösung <strong>der</strong> stationären Schrödingergleichung (115), welche die asymptotische<br />

Darstellung<br />

ϕ → e ikx + re −ikx<br />

ϕ → de ikx<br />

(x → −∞)<br />

(x → +∞), k =<br />

<br />

2mE<br />

¯h 2<br />

(123)<br />

15 Für freie Teilchen sind dies gemeinsame Eigenfunktionen des Impuls– <strong>und</strong> Hamiltonopera-<br />

tors.<br />

51


esitzt. Gl. (123) wird auch als Ausstrahlungsbedingung bezeichnet. (Die Bedeutung<br />

dieser Bedingung wird in <strong>der</strong> dreidimensionalen Verallgemeinerung noch<br />

transparenter.) Aus den Stromdichten ja = d ∗ d¯hk/m <strong>und</strong> jr = −r ∗ r¯hk/m <strong>der</strong><br />

auslaufenden <strong>und</strong> <strong>der</strong> reflektierten Teilchen ergeben sich dann die Koeffizienten<br />

D(E) = ja<br />

<strong>der</strong> Durchlässigkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Reflexion.<br />

je<br />

= d ∗ d <strong>und</strong> R(E) = |jr|<br />

3.4 Das eindimensionale Kastenpotential<br />

je<br />

= r ∗ r (124)<br />

Wir wollen das allgemeine Konzept des vorigen Abschnitts an einem Beispiel<br />

verdeutlichen <strong>und</strong> wählen dazu — da die Fälle, in denen die Schrödingergleichung<br />

elementar lösbar ist, rar sind — das einfache Kastenpotential<br />

V (x) =<br />

−a<br />

<br />

V0 <strong>für</strong> |x| ≤ a<br />

0 <strong>für</strong> |x| > a .<br />

V<br />

V 0<br />

a<br />

x<br />

(125)<br />

In klassischer Beschreibung ist das Teilchen also <strong>für</strong> |x| = a überall kräftefrei <strong>und</strong><br />

erfährt nur bei x = ±a eine (unendlich) starke Kraft.<br />

Mit<br />

ɛ = 2mE<br />

¯h 2 <strong>und</strong> u(x) = 2m<br />

2 V (x)<br />

¯h<br />

lautet die stationäre Schrödingergleichung<br />

52


d2ϕ + [ɛ − u(x)]ϕ = 0. (126)<br />

dx2 Wir setzen (bis auf weiteres) u0 = 2mV0/¯h 2 < 0 voraus <strong>und</strong> interessieren uns<br />

zunächst <strong>für</strong> die diskreten Eigenwerte ɛn < 0 mit normierbaren Eigenfunktionen<br />

ϕn.<br />

Aus Gl. (126) entnehmen wir nun die allgemeine Lösung<br />

außerhalb <strong>und</strong><br />

ϕ =<br />

<br />

αe κx (x < −a)<br />

βe −κx (x > a)<br />

<br />

mit κ = √ −ɛ (127)<br />

ϕ = γ cos(kx) + δ sin(kx) (|x| ≤ a) mit k = √ ɛ − u0 (128)<br />

innerhalb des Potentialtopfes. Zur Bestimmung <strong>der</strong> vier Unbekannten α, β, γ, δ<br />

haben wir nun fünf Bedingungen, nämlich<br />

– die Stetigkeit 16 von ϕ bei x = ±a<br />

– die Stetigkeit von ϕ ′ bei x = ±a <strong>und</strong><br />

– die (willkürliche) Normierung von ϕ.<br />

Dies ist i. a. eine Bedingung zuviel; daher werden wir nur <strong>für</strong> bestimmte Werte<br />

von E — eben die Eigenwerte En — Lösungen finden.<br />

Die eigentliche Rechnung können wir durch folgende Überlegung abkürzen: Aufgr<strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Symmetrie des Problems erwarten wir, daß die Aufenthaltswahrscheinlichkeit<br />

ϕ 2 nur von |x| abhängt. Das bedeutet aber, daß wir entwe<strong>der</strong> symmetrische<br />

Eigenfunktionen<br />

ϕ = e −κ|x| <strong>für</strong> |x| > a <strong>und</strong> ϕ = γ cos(kx) <strong>für</strong> |x| ≤ a (129)<br />

o<strong>der</strong> antisymmetrische Eigenfunktionen<br />

ϕ = sign(x)e −κ|x| <strong>für</strong> |x| ≥ a <strong>und</strong> ϕ = δ sin(kx) <strong>für</strong> |x| ≤ a (130)<br />

16 Die Stetigkeit von ϕ <strong>und</strong> ϕ ′ läßt sich ebensowenig wie ϕ selbst physikalisch interpretieren<br />

<strong>und</strong> begründen. Wir folgern sie mathematisch aus <strong>der</strong> Beschränkheit von ϕ ′′ .<br />

53


erhalten. Über die Normierung haben wir mit dem Vorfaktor 1 vor <strong>der</strong> Exponentialfunktion<br />

bereits verfügt. Daher stehen uns zur Bestimmung <strong>der</strong> einen Konstante<br />

γ bzw. δ nun die zwei Stetigkeitsbedingungen bei x = +a zur Verfügung.<br />

Betrachten wir zunächst die symmetrischen Eigenfunktionen. Für sie erhalten wir<br />

e −κa = γ cos(ka) <strong>und</strong> − κe −κa = −kγ sin(ka).<br />

Diese beiden Gleichungen können im allgemeinen nur <strong>für</strong> bestimmte Werte von<br />

κ(ɛ) <strong>und</strong> k(ɛ) erfüllt sein. Eliminieren wir nämlich γ, so erhalten wir (nach Erweiterung<br />

mit a) die Bedingung<br />

ka tan(ka) = κa. (131)<br />

Entsprechend erhalten wir <strong>für</strong> die antisymmetrischen Eigenfunktionen die beiden<br />

Gleichungen<br />

e −κa = δ sin(ka) <strong>und</strong> − κe −κa = kδ cos(ka),<br />

die auf die Bedingung<br />

führen.<br />

−ka cot(ka) = κa (132)<br />

Wir können die Auswertung <strong>der</strong> verschiedenen Bedingungen (131) <strong>und</strong> (132) zusammenfassen,<br />

wenn wir berücksichtigen,<br />

– daß tan x <strong>und</strong> cot x mit π periodisch sind <strong>und</strong><br />

– daß tan(x − π/2) = − cot x gilt.<br />

Damit lassen sich sowohl (131) als auch (132) in <strong>der</strong> Form<br />

<br />

κa = ka tan<br />

ka − m π<br />

2<br />

<br />

, m = 0, 1, 2, . . . (133)<br />

schreiben, wobei m alle natürlichen Zahlen einschlielich 0 durchläuft, wenn wir<br />

das Argument des Tangens auf das Intervall [0, π/2] beschränken. Die Eigenwerte<br />

erhalten wir graphisch, indem wir (133) mit dem Kreisbogen<br />

κ 2 + k 2 = −u0 o<strong>der</strong> a 2 κ 2 + a 2 k 2 = R 2 mit R 2 = a 2 |u0| = 2ma2<br />

¯h 2 |V0|<br />

vergleichen (siehe die folgende Abbildung).<br />

54


Graphische Lösung <strong>der</strong> Eigenwertgleichung<br />

(133): κa als Funktion<br />

von ka wird mit dem Kreisbogen<br />

a 2 κ 2 +a 2 k 2 = R 2 = −a 2 u0 verglichen.<br />

(Die Abbildung bezieht sich<br />

speziell auf R = 5, also a 2 u0 =<br />

−25.)<br />

Für kleine Werte von R erhalten wir genau einen Eigenwert. Lassen wir R nun<br />

anwachsen, so entsteht jeweils ein zusätzlicher Eigenwert, wenn R die Grenze<br />

mπ/2 überschreitet. Wir erhalten so eine endliche Anzahl<br />

⎡<br />

<br />

2R<br />

N = 1 + = 1 + ⎣<br />

π<br />

2<br />

<br />

2ma<br />

π<br />

2<br />

¯h 2 ⎤<br />

|V0| ⎦ (134)<br />

von Eigenwerten, die von V0a 2 abhängt. Diese Zahl können wir aus <strong>der</strong> wellenmechanischen<br />

Anschauung “verstehen”: Teilchen im Potentialtopf haben einen<br />

maximalen Impuls<br />

p0 =<br />

Dem entspricht eine minimale Wellenlänge<br />

λ0 = 2π¯h<br />

Damit können wir (134) auch in <strong>der</strong> Form<br />

p0<br />

<br />

2m|V0|.<br />

= 2π¯h<br />

<br />

2m|V0| .<br />

<br />

4a<br />

N = 1 +<br />

λ0<br />

(135)<br />

schreiben: Die Zahl <strong>der</strong> Eigenwerte ist gleich eins plus die Anzahl <strong>der</strong> Halbwellen<br />

(λ0/2), die in <strong>der</strong> Topfbreite (2a) “passen”. Die “zusätzliche” eins ergibt sich<br />

daraus, daß die Welle noch ein Stück (mit exponentieller Dämpfung) in den “verbotenen”<br />

Bereich außerhalb des Potentialtopfes eindringt (vgl. die Figur auf <strong>der</strong><br />

nächsten Seite).<br />

55


Eigenwerte <strong>und</strong> –funktionen im Kastenpotential <strong>für</strong> a 2 u0 = −20 <strong>und</strong> a 2 u0 = −25.<br />

Bei festem a erhalten wir nur <strong>für</strong> V0 → −∞ (unendlich tiefer Potentialtopf)<br />

unendlich viele Eigenwerte<br />

akn = n π<br />

2<br />

o<strong>der</strong> ɛn − u0 =<br />

Hierzu gehören die Eigenfunktionen<br />

<br />

nπ 2<br />

, n = 1, 2, 3, . . . (136)<br />

2a<br />

ϕ2m = sin(k2mx) bzw. ϕ2m+1 = cos(k2m+1x) (137)<br />

mit Nullstellen am Rand des Potentialtopfes: Mit −V0 gehen auch −E <strong>und</strong> κ<br />

gegen ∞, die Welle kann dann nicht mehr in die unendlich hohe Potentialwand<br />

eindringen.<br />

Kehren wir nun zu endlichen Potentialwerten V0 zurück <strong>und</strong> betrachten die freien<br />

Teilchen mit E > 0. Entsprechend Gl. (123) setzen wir nun 17<br />

ϕ =<br />

<br />

e ikx + re −ikx (x < −a)<br />

de ikx (x > a)<br />

<br />

mit k = √ ɛ (138)<br />

<strong>für</strong> das Potential außerhalb des Potentialtopfes an. Im Potentialtopf (|x| ≤ a) gilt<br />

dagegen<br />

ϕ = ãe ik0x + ˜ be −ik0x mit k0 = √ ɛ − u0. (139)<br />

17 Zur anschaulichen Interpretation ist es nützlich, das entsprechende optische Problem zu<br />

diskutieren. Der Bereich |x| < a entspricht dann einem Bereich mit verän<strong>der</strong>tem Brechungsindex.<br />

56


Die vier unbekannten Koeffizienten r, d, ã, ˜ b müssen wir nun aus <strong>der</strong> Stetigkeit<br />

von ϕ <strong>und</strong> ϕ ′ bei x = a <strong>und</strong> x = −a bestimmen, also aus 18<br />

ãe ik0a + ˜ be −ik0a = de ika<br />

k0(ãe ik0a − ˜ be −ik0a ) = kde ika<br />

ãe −ik0a + ˜ be ik0a = e −ika + re ika<br />

k0(ãe −ik0a − ˜ be ik0a ) = k(e −ika − re ika ). (140)<br />

Wir schenken uns nicht nur die langwierige Lösung dieser Gleichungen, son<strong>der</strong>n<br />

verzichten auch auf die wenig erhellende Anschrift <strong>der</strong> Ergebnisse (vgl. Süßmann<br />

S. 50/51, Gleichungen (28, 29) mit L = 2a <strong>und</strong> kK = k0). Wichtig sind uns nur<br />

die folgenden beiden Feststellungen:<br />

1. Wir haben vier lineare Gleichungen zur Bestimmung <strong>der</strong> vier Koeffizienten<br />

r, d, a <strong>und</strong> b. Im Gegensatz zum Fall E < 0 ist unser Gleichungssystem <strong>für</strong><br />

E > 0 also nicht überbestimmt. Darum gibt es nicht nur <strong>für</strong> bestimmte E<br />

Lösungen, son<strong>der</strong>n wir erhalten ein kontinuierliches Spektrum.<br />

2. Nach <strong>der</strong> klassischen Mechanik sollten alle Teilchen über die Potentialmulde<br />

weglaufen. Dem entspricht D = d ∗ d = 1 <strong>und</strong> R = r ∗ r = 0. Setzen wir jedoch<br />

r = 0, so folgt mit z = e ik0a aus den beiden letzten Gleichungen (140)<br />

ã<br />

z + ˜bz = k0<br />

<br />

ã<br />

k z − ˜ <br />

bz .<br />

Nach den ersten beiden Gleichungen (140) gilt außerdem<br />

ãz + ˜ b<br />

z<br />

= k0<br />

k<br />

<br />

ãz − ˜ <br />

b<br />

.<br />

z<br />

Diese beiden linearen homogenen Gleichungen besitzen aber nur <strong>für</strong> z 2 =<br />

1/z 2 o<strong>der</strong> z 4 = 1 nicht–triviale Lösungen ã <strong>und</strong> ˜ b. Wir schließen daraus,<br />

daß — abgesehen von “Resonanzen” e ik0a = ±1 <strong>und</strong> ±i o<strong>der</strong> k0a = nπ/2<br />

— immer ein gewisser Bruchteil von Teilchen an <strong>der</strong> Potentialmulde reflektiert<br />

wird. [Ist die Resonanzbedingung erfüllt, so entspricht die Breite des<br />

Potentialtopfes gerade einer ganzen Zahl von halben Wellenlängen. Dabei<br />

löschen sich die bei x = +a <strong>und</strong> bei x = −a reflektierten Wellen durch<br />

Interferenz.]<br />

18 Da das Problem durch die Randbedingungen nicht mehr symmetrisch ist, ist es rechnerisch<br />

günstiger, den Potentialtopf in den Bereich (0, 2a) zu legen.<br />

57


3.5 Potentialbarriere <strong>und</strong> Tunneleffekt<br />

Wir haben bisher von einer Potentialmulde gesprochen, unsere Diskussion <strong>der</strong><br />

“Streuung” (E > 0) gilt aber ohne jede Än<strong>der</strong>ung genauso <strong>für</strong> einen Potentialberg<br />

V0 > 0 — vorausgesetzt, es gilt E > V0, so daß k0 in Gl. (139) reell ist. Noch<br />

viel interessanter ist jedoch <strong>der</strong> Fall E < V0, <strong>der</strong> klassisch eine <strong>und</strong>urchdringliche<br />

Potentialbarriere darstellt, an <strong>der</strong> alle Teilchen reflektiert werden.<br />

−a<br />

V<br />

E<br />

0 a x<br />

Statt <strong>der</strong> Gl. (139) erhalten wir nun im “verbotenem” Bereich |x| < a<br />

ϕ = ãe −κ0x + ˜ be κ0x mit κ0 = √ u0 − ɛ. (141)<br />

Aber auch nun können wir auf dieselbe Rechnung zurückgreifen, wenn wir nur<br />

k0 durch iκ0 ersetzen (k0 <strong>und</strong> κ0 sind jeweils reell). Auch in diesem Fall erhalten<br />

wir also eine endliche Wahrscheinlichkeit D = d ∗ d da<strong>für</strong>, daß das Teilchen die<br />

Barriere durchdringt: Das Teilchen gräbt sich bildlich durch den Potentialberg,<br />

man spricht vom Tunnel–Effekt. Führt man die Rechnung explizit aus, so erhält<br />

man den Durchlaßkoeffizienten<br />

D(E) = d ∗ d =<br />

g(E) =<br />

<br />

<br />

1 +<br />

<br />

2<br />

−1<br />

V0 g(E)<br />

4E|V0 − E|<br />

sin 2 (2k0a) (E > V0)<br />

sinh 2 (2κ0a) (E < V0) .<br />

mit (142)<br />

Für hohe <strong>und</strong> breite Potentialbarrieren, die schwer zu durchtunneln sind, gilt<br />

g(E) ≈ 1<br />

4 e4κ0a , <strong>und</strong> die Tunnelwahrscheinlichkeit wird<br />

D(E) = 16E(V0 − E)<br />

V 2 e<br />

0<br />

−4κ0a 2<br />

mit κ0 = 2m<br />

¯h 2 (V0 − E). (143)<br />

58


Der bestimmende Exponent geht also mit <strong>der</strong> Breite des Potentialberges <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Wurzel aus <strong>der</strong> “Fehlenergie” V0 − E. Den Exponentialfaktor verstehen wir aus<br />

<strong>der</strong> Struktur von Gl. (141): Wir erwarten eine Lösung, die im verbotenem Bereich<br />

von links nach rechts exponentiell abklingt, d. h. es muß<br />

ϕ(a) ∼ e −2κ0a ϕ(−a)<br />

gelten. Da die Aufenthaltswahrscheinlichkeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Strom mit ϕ ∗ ϕ geht, folgt<br />

hier<strong>für</strong> <strong>der</strong> Faktor exp(−4κ0a).<br />

Wir erwähnen abschließend, daß <strong>der</strong> dominierende Exponentialfaktor <strong>für</strong> ortsabhängige<br />

Potentiale annähernd (“WBK–Näherung”) in<br />

D(E) ∼ e<br />

<br />

x1 −2 κ(x)dx<br />

x 0<br />

mit κ(x) =<br />

<br />

2m<br />

2 (V (x) − E) (144)<br />

¯h<br />

übergeht. Dabei sind x0 <strong>und</strong> x1 die Grenzen des klassisch verbotenen Bereichs.<br />

Als Beispiele <strong>für</strong> Phänomene, die auf dem Tunnel–Effekt beruhen, nennen wir den<br />

α–Zerfall <strong>und</strong> die Elektronen–Feldemission aus Metallen. Ein optisches Analogon<br />

läßt sich bei <strong>der</strong> Totalreflexion an Schichten endlicher Dicke finden.<br />

3.6 Kugelsymmetrische Potentiale im dreidimensionalen<br />

Raum<br />

Bisher haben wir nur eindimensionale Lösungen <strong>der</strong> Schrödingergleichung diskutiert.<br />

Wir befassen uns nun mit <strong>der</strong> dreidimensionalen stationären Schrödingengleichung<br />

mit isotropem Hamiltonoperator<br />

H = p2<br />

+ V (r). (145)<br />

2m<br />

Dabei beschränken wir uns auf die Diskussion geb<strong>und</strong>ener Zustände 19 E < 0. Dies<br />

setzt natürlich attraktive Potentiale V (r) voraus. Wir nehmen darüber hinaus an,<br />

daß das Potential <strong>für</strong> r → ∞ verschwindet <strong>und</strong> gehen von<br />

aus.<br />

V (r) < V (∞) = 0<br />

19 Die freien Zustände E > 0 werden in <strong>der</strong> Streutheorie behandelt. Diese sprengt schon allein<br />

wegen ihres Umfangs den Rahmen unserer Darstellung.<br />

59


Das kugelsymmetrische Potential legt es nun nahe, die stationäre Schrödingergleichung<br />

− ¯h2<br />

∆χ + V (r)χ = Eχ (146)<br />

2m<br />

in sphärischen Polarkoordinaten r, ϑ, ϕ anzuschreiben. Dazu benötigen wir die<br />

Darstellung<br />

∆ = 1<br />

r<br />

∂ 2<br />

r +<br />

∂r2 1<br />

r 2 sin ϑ<br />

∂ ∂<br />

sin ϑ<br />

∂ϑ ∂ϑ +<br />

1<br />

r 2 sin 2 ϑ<br />

∂2 ∂ϕ2 des Laplaceoperators, die wir einer Formelsammlung entnehmen. Wenn wir zur<br />

bequemen Anschrift noch<br />

µ = cos ϑ<br />

einführen, erhalten wir so die Schrödingergleichung<br />

− ¯h2<br />

2m<br />

1<br />

r<br />

∂ 2<br />

¯h2<br />

rχ −<br />

∂r2 2mr2 <br />

∂<br />

∂µ (1 − µ2 ) ∂χ 1<br />

+<br />

∂µ 1 − µ 2<br />

[V (r) − E]χ = 0.<br />

Zur Lösung versuchen wir einen Separationsansatz<br />

<strong>und</strong> erhalten<br />

−u<br />

∂<br />

∂µ (1 − µ2 ) ∂Y<br />

∂µ<br />

∂2χ ∂ϕ2 <br />

+ (147)<br />

rχ(r, ϑ, ϕ) = u(r)Y (ϑ, ϕ) (148)<br />

1<br />

+<br />

1 − µ 2<br />

∂2Y ∂ϕ2 <br />

= r 2 Y<br />

<br />

u ′′ + 2m<br />

<br />

2 (E − V )u<br />

¯h<br />

Nach Division durch uY hängt die linke Seite nur von den Winkeln <strong>und</strong> die<br />

rechte nur von r ab. Beide sind also gleich einer Konstante λ. Damit zerfällt die<br />

Schrödingergleichung in eine radiale Gleichung<br />

<strong>und</strong> eine Gleichung<br />

d2u 2m<br />

λ<br />

+<br />

dr2 2 (E − V )u − u = 0 (149)<br />

¯h r2 60<br />

.


∂<br />

∂µ (1 − µ2 ) ∂Y<br />

∂µ<br />

+ 1<br />

1 − µ 2<br />

∂2Y + λY = 0. (150)<br />

∂ϕ2 Wir stellen die radiale Gleichung zunächst zurück. Gl.(150) läßt sich durch eine<br />

weitere Separation<br />

behandeln:<br />

Φ(1 − µ 2 )<br />

Y (ϑ, ϕ) = P (µ)Φ(ϕ)<br />

d<br />

dµ (1 − µ2 ) dP<br />

dµ<br />

+ λP<br />

<br />

= −P d2Φ .<br />

dϕ2 Nach Division durch P Φ hängt nun die linke Seite nur von µ, die rechte nur von<br />

ϕ ab. Beide sind also konstant, die Konstante nennen wir m 2 :<br />

d<br />

dµ (1 − µ2 ) dP<br />

dµ +<br />

<br />

λ − m2<br />

1 − µ 2<br />

<br />

P = 0 (151)<br />

Gleichung (152) können wir sogleich lösen:<br />

d 2 Φ<br />

dϕ 2 + m2 Φ = 0. (152)<br />

Φm(ϕ) = e imϕ . (153)<br />

Dabei verlangt die Eindeutigkeit Φ(ϕ + 2π) = Φ(ϕ), daß m ganzzahlig ist: m =<br />

0, ±1, ±2 . . .<br />

Die Untersuchung <strong>der</strong> Gl. (151) ist wesentlich aufwendiger. Es stellt sich heraus,<br />

daß reguläre Lösungen nur <strong>für</strong><br />

λ = l(l + 1) (154)<br />

existieren, wobei l eine ganze Zahl ≥ |m| ist. Die regulären Lösungen P m<br />

l (µ)<br />

heißen Legendre– o<strong>der</strong> Kugel–Funktionen. Zusammengefaßt erhalten wir also<br />

Winkelfunktionen<br />

Ylm(ϑ, ϕ) = clmP m<br />

l (cos ϑ)e imϕ<br />

mit l = 0, 1, 2, 3 . . .<br />

<strong>und</strong> m = −l, −l+1, . . . , l−1, l.<br />

61<br />

(155)


Dabei sind clm geeignete Normierungsfaktoren, die durch<br />

<br />

Y ∗<br />

lmYl ′ m ′ sin ϑdϑdϕ = δll ′δmm ′<br />

definiert sind. Die Ylm sind als Kugelflächen–Funktionen bekannt, in niedrigster<br />

Ordnung erhält man<br />

Y0 0 = (4π) −1/2 , Y1 0 =<br />

1/2<br />

1/2<br />

3<br />

3<br />

cos ϑ, Y1 ±1 = sin ϑ e<br />

4π<br />

8π<br />

±iϕ .<br />

Bevor wir uns nun die radiale Gleichung (149) ansehen, wollen wir versuchen,<br />

den Winkelanteil physikalisch zu interpretieren. Dazu gehen wir noch einmal zur<br />

Problemstellung mit dem Hamiltonoperator (145) zurück <strong>und</strong> erinnern uns an<br />

das Zentralkraftproblem <strong>der</strong> klassischen Mechanik.<br />

Dort hatten wir ausgenutzt, daß <strong>der</strong> Drehimpuls<br />

L = r × p<br />

konstant ist <strong>und</strong> hatten die Bewegung in <strong>der</strong> Ebene senkrecht zu L untersucht.<br />

Dabei erhielten wir radial ein eindimensionales Bewegungsproblem mit einem<br />

effektiven Potential ˜ V = V +L 2 /2mr 2 . Wir erkennen dies koordinatenunabhängig<br />

aus<br />

L 2 = L · (r × p) = r · (p × L) = r · [p × (r × p]<br />

Es gilt also p 2 = L 2 /r 2 + p 2 r <strong>und</strong><br />

= r · [p 2 r − p · r p] = p 2 r 2 − (p · r) 2 .<br />

H = p2r L2<br />

+ + V (r). (156)<br />

2m 2mr2 Das liefert in radialer Richtung eine eindimensionale Bewegungsgleichung, mit<br />

einem “zusätzlichen Potential” L 2 /2mr 2 <strong>für</strong> die Fliehkraft.<br />

Quantenmechanisch ist die obige Rechnung nun nicht ohne weiteres gültig, weil<br />

die Reihenfolge <strong>der</strong> Operatoren r, p <strong>und</strong> L beachtet werden muß. Unter sorgfältiger<br />

Beachtung <strong>der</strong> entsprechenden Vertauschungsrelationen (s. Messiah Bd. I,<br />

Abschn. 9.1.1) o<strong>der</strong> durch direktes Ausmultiplizieren von L 2 = L 2 x + L2 y + L2 z läßt<br />

sich aber zeigen, daß Gl. (156) als quantenmechanische Operatorgleichung mit<br />

dem Drehimpuls [vgl. (63)]<br />

62


L = r × p = ¯h<br />

r × ∇ (157)<br />

i<br />

gilt, wenn man den “radialen Impuls” durch den Operator<br />

definiert 20 . In dem Term<br />

p 2 r<br />

2m<br />

pr = ¯h 1 ∂<br />

r (158)<br />

i r ∂r<br />

= − ¯h2<br />

2m<br />

1<br />

r<br />

∂ 2<br />

r<br />

∂r2 erkennen wir nun in <strong>der</strong> Tat den ersten Term von Gl. (147). Durch Vergleich des<br />

zweiten Terms folgern wir dann<br />

L 2 = −¯h 2<br />

<br />

∂<br />

∂µ (1 − µ2 ) ∂ 1<br />

+<br />

∂µ 1 − µ 2<br />

∂2 ∂ϕ2 <br />

, (159)<br />

ein Ergebnis, das man auch direkt aus Gl. (157) durch Einführung von Polarkoordinaten<br />

<strong>und</strong> Ausmultiplizieren (siehe Schiff S. 74/75) erhalten kann. Die Kugelflächenfunktionen<br />

Ylm sind also Eigenfunktionen des Drehimpuls–Quadrats [vgl.<br />

Gln. (150, 154)]:<br />

L 2 Ylm(ϑ, ϕ) = l(l + 1)¯h 2 Ylm(ϑ, ϕ). (160)<br />

Um die Eigenwerte l(l +1)¯h 2 besser zu verstehen, gehen wir nun vom Drehimpuls<br />

L selbst aus <strong>und</strong> betrachten seine z–Komponente<br />

Lz = xpy − ypx = ¯h<br />

i<br />

Führen wir nun ebene Polarkoordinaten<br />

x = ρ cos ϕ =⇒ ∂x<br />

∂ϕ<br />

y = ρ sin ϕ =⇒ ∂y<br />

∂ϕ<br />

<br />

x ∂<br />

<br />

∂<br />

− y .<br />

∂y ∂x<br />

= −ρ sin ϕ = −y<br />

= ρ cos ϕ = x<br />

20 Messiah (Bd. I, Abschn. 9.1.1, Fußnote 2) weist darauf hin, daß pr hermitesch ist, aber<br />

aufgr<strong>und</strong> Normierungsschwierigkeiten keine Observable repräsentiert. Wir schließen uns diesem<br />

formalen Argument nicht an, da auch <strong>der</strong> kartesische Impuls entsprechende Schwierigkeiten mit<br />

sich bringt (vgl. Übungen SS 2006, Blatt 6, Aufg. 2).<br />

63


ein, so folgt<br />

Lz = ¯h<br />

i<br />

Beim Eigenwertproblem von Lz<br />

∂y<br />

∂ϕ<br />

∂ ∂x<br />

+<br />

∂y ∂ϕ<br />

LzΦ = ¯h ∂Φ<br />

i ∂ϕ<br />

<br />

∂<br />

∂x<br />

= m¯hΦ<br />

= ¯h<br />

i<br />

werden wir nun genau auf die Separationslösungen (153)<br />

Φm(ϕ) = e imϕ<br />

(m = 0, ±1, ±2 . . .)<br />

∂<br />

. (161)<br />

∂ϕ<br />

geführt. Die Kugelflächenfunktionen Ylm sind also auch Eigenfunktionen <strong>der</strong> z–<br />

Komponente Lz des Drehimpulses:<br />

LzYlm(ϑ, ϕ) = m¯hYlm(ϑ, ϕ). (162)<br />

L 2 <strong>und</strong> Lz besitzen also ein gemeinsames System von Eigenfunktionen. In diesen<br />

Eigenfunktionen tritt <strong>der</strong> Drehimpuls Lz gequantelt in Vielfachen von ¯h auf. Dabei<br />

ist zu beachten, daß diese Quantelung <strong>für</strong> jede beliebige Richtung <strong>der</strong> z–Achse gilt.<br />

Wir können uns L also nicht mehr als festen “Pfeil” <strong>der</strong> Länge L, <strong>und</strong> Lz nicht<br />

mehr als seine Projektion L cos ϑ vorstellen.<br />

In <strong>der</strong> klassischen Mechanik hatten wir die z–Achse in die Richtung des konstanten<br />

Drehimpulses gelegt, d. h. wir hatten Lx = 0, Ly = 0, Lz = L. Wenn wir<br />

dieses Konzept so gut wie möglich zu übernehmen versuchen, gehen wir von<br />

〈Lz〉 = l¯h (163)<br />

aus. Die entsprechende klassische Festlegung Lx = Ly = 0 können wir nun<br />

aber nicht erfüllen, denn zwischen den Drehimpulskomponenten besteht eine<br />

Unschärferelation [vgl. Gl. (81)]<br />

〈L 2 x〉〈L 2 y〉 ≥ ¯h2<br />

4 〈Lz〉 2 .<br />

Nehmen wir nun aus Symmetriegründen 〈L2 x 〉 = 〈L2y 〉 an <strong>und</strong> rechnen mit <strong>der</strong><br />

minimalen Unschärfe, so folgt<br />

〈L 2 x = 〈L 2 y〉 = ¯h<br />

2 〈Lz〉 = l<br />

2 ¯h2 .<br />

64


Damit erhalten wir <strong>für</strong> das Drehimpulsquadrat den Erwartungswert<br />

〈L 2 〉 = 〈L 2 x〉 + 〈L 2 y〉 + 〈L 2 z〉 = l¯h 2 + l 2 ¯h 2<br />

o<strong>der</strong><br />

〈L 2 〉 = l(l + 1)¯h 2 . (164)<br />

Das macht uns den Eigenwert l(l + 1)¯h 2 des Operators L 2 verständlich: In den<br />

Eigenfunktionen erscheint die z–Komponente des Drehimpulses in Vielfachen von<br />

¯h gequantelt. Versuchen wir, die z–Achse in die Richtung des Drehimpulses zu<br />

legen (Lz → l¯h), so können Lx <strong>und</strong> Ly aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Unschärferelation doch nicht<br />

exakt verschwinden. Die minimale Unschärfe führt dann dazu, daß L 2 nicht den<br />

Eigenwert l 2 ¯h 2 , son<strong>der</strong>n den größeren Eigenwert l(l + 1)¯h 2 erhält.<br />

Wählen wir bei festem L eine an<strong>der</strong>e Richtung als z–Achse, so werden wir bei<br />

einer Messung wie<strong>der</strong> nur gequantelte Werte m¯h <strong>für</strong> Lz finden. Hieraus wird die<br />

Einschränkung −l ≤ m ≤ l unmittelbar verständlich. Wir dürfen uns damit den<br />

Drehimpuls nicht mehr als Vektorpfeil, son<strong>der</strong>n als Kegelmantel veranschaulichen:<br />

mh<br />

z<br />

l(l+1)h<br />

Die (2l + 1) “Einstellmöglichkeiten” m = −l, . . . , m = +l des Drehimpulses bei<br />

festem L werden auch als “Richtungsquantelung” bezeichnet.<br />

Fassen wir also zusammen: Die Separationslösung <strong>der</strong> Schrödingergleichung hat<br />

uns auf Winkelfunktionen (Kugelflächenfunktionen) Ylm(ϑ, ϕ) geführt, die sich als<br />

Drehimpuls–Eigenfunktionen — genauer: als gemeinsame Eigenfunktionen <strong>der</strong><br />

Operatoren Lz (Eigenwert m¯h) <strong>und</strong> L 2 (Eigenwert l(l + 1)¯h 2 ) — herausstellen.<br />

Damit kommen wir nun zur radialen Gleichung (vgl. (149))<br />

− ¯h2<br />

2m<br />

d2 <br />

u<br />

+ V (r) +<br />

dr2 65<br />

l(l + 1)¯h2<br />

2mr2 <br />

u = Eu. (165)


Diese Gleichung können wir als eindimensionale Schrödingergleichung mit dem<br />

effektiven Potential<br />

˜V (r) = V (r) +<br />

l(l + 1)¯h2<br />

2mr 2<br />

interpretieren — in völliger Analogie zur klassischen Mechanik. Das Fliehkraftpotential<br />

l(l + 1)¯h 2 /2mr 2 hängt von <strong>der</strong> Quantenzahl l, die den Betrag des Drehimpulses<br />

angibt, nicht aber von <strong>der</strong> Quantenzahl m, die seine Richtung angibt,<br />

ab 21 . Dementsprechend sind alle Eigenwerte von Gl. (165) (2l + 1)– fach entartet.<br />

Hierin zeigt sich die Isotropie des Problems. Stört man diese Isotropie, indem<br />

man z. B. ein Magnetfeld anlegt, das eine Raumrichtung auszeichnet, wird diese<br />

Entartung aufgehoben. m heißt darum auch magnetische Quantenzahl.<br />

In allen praktisch interessanten Fällen dominiert das Fliehkraftpotential <strong>für</strong> l = 0<br />

<strong>und</strong> r → 0 gegenüber V (r):<br />

V<br />

∼<br />

V(r)<br />

V(r)<br />

Das resultierende Minimum des Potentials ermöglicht klassische Bahnen, die den<br />

Planetenbahnen entsprechen. Solche klassischen Bahnen sind natürlich <strong>für</strong> alle<br />

E < 0 möglich. Quantenmechanisch finden wir dagegen nur <strong>für</strong> bestimmte Energien<br />

Eνl stationäre Zustände. Das ergibt sich in Analogie zum eindimensionalen<br />

Fall aus folgen<strong>der</strong> Überlegung:<br />

Da das Fliehkraftpotential <strong>für</strong> kleine Abstände dominiert, erhalten wir <strong>für</strong> r → 0<br />

die Differentialgleichung<br />

mit <strong>der</strong> allgemeinen Lösung<br />

u ′′ =<br />

l(l + 1)<br />

r2 u<br />

21 Man vermeide Verwechselungen <strong>der</strong> Masse m <strong>und</strong> <strong>der</strong> Quantenzahl m!<br />

66<br />

r


u → alr l+1 + Alr −l<br />

Für r → ∞ dominiert dagegen <strong>der</strong> Term Eu <strong>und</strong> wir haben<br />

also<br />

Die Normierung 22<br />

<br />

u ′′ = κ 2 u mit κ 2 = − 2mE<br />

¯h 2<br />

u → ble −κr + Ble +κr<br />

χ 2 d 3 ∞<br />

r = 4π<br />

0<br />

u<br />

r<br />

2<br />

r 2 dr = 4π<br />

(r → 0). (166)<br />

> 0,<br />

(r → ∞). (167)<br />

∞<br />

0<br />

u 2 dr = 1 (168)<br />

verlangt nun, daß Al <strong>und</strong> Bl verschwinden. Diese Konstanten sind aber nicht<br />

unabhängig wählbar. Starte ich z. B. eine numerische Integration mit al = 0 <strong>und</strong><br />

Al = 0, so werden sich bl <strong>und</strong> Bl aus <strong>der</strong> Rechnung ergeben. Nur <strong>für</strong> bestimmte<br />

Werte Enl <strong>der</strong> Energie wird dabei Bl = 0 werden. Wir erwarten also radiale<br />

Eigenfunktionen unl(r), die von zwei diskreten Quantenzahlen l <strong>und</strong> n abhängen.<br />

Insgesamt sind die stationären Wellenfunktionen<br />

χnlm(r, ϑ, ϕ) = 1<br />

r unl(r)Ylm(ϑ, ϕ)<br />

des Separationsansatzes (148) also durch die drei Quantenzahlen n, l <strong>und</strong> m charakterisiert.<br />

Diese Anzahl ist auch aus den drei Raumrichtungen zu erwarten.<br />

3.7 Das Wasserstoffatom<br />

Als spezielles Beispiel eines kugelsymmetrischen Potentials betrachten wir nun<br />

das Coulombpotential<br />

V (r) = − e2<br />

4πε0r<br />

22 Beachte, daß damit nicht χ, son<strong>der</strong>n u = χr <strong>der</strong> eindimensionalen Wellenfunktion entspricht.<br />

Damit wird die Interpretation von Gl. (165) als eindimensionale Schrödingergleichung<br />

perfekt.<br />

67


<strong>und</strong> kommen damit zur Theorie des Elektronenzustandes im Wasserstoffatom 23 .<br />

Zur bequemen Rechnung machen wir die Schrödingergleichung [vgl. Gl. (165)]<br />

durch<br />

mit dem Bohrschen Radius<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Rydberg–Energie<br />

d2 <br />

u 2m me2<br />

+<br />

dr2 2 E +<br />

¯h 4πε0¯h 2<br />

2 l(l + 1)<br />

−<br />

r r2 <br />

u = 0<br />

r = a0x <strong>und</strong> E = −Rκ 2<br />

a0 =<br />

R = ¯h2<br />

2ma 2 0<br />

dimensionslos <strong>und</strong> erhalten<br />

(169)<br />

4πε0¯h 2<br />

me 2 = 5.29 · 10−11 m (170)<br />

= 1<br />

2 mc2<br />

<br />

2 2<br />

e<br />

= 13.6 eV (171)<br />

4πε0¯hc<br />

d2 <br />

u 2<br />

+<br />

dx2 x − κ2 −<br />

l(l + 1)<br />

x2 <br />

u = 0. (172)<br />

Nun wissen wir bereits aus <strong>der</strong> allgemeinen Diskussion, daß u <strong>für</strong> kleine x wie<br />

x l+1 , <strong>für</strong> große x wie e −κx gehen muß. Die spezielle Struktur von Gl. (172) legt es<br />

nun nahe, direkt durch den Produktansatz<br />

u = x l+1 e −κx<br />

nach den einfachsten Eigenfunktionen zu suchen. Bilden wir nämlich<br />

u ′′ = <br />

x l+1 ′′<br />

e −κx + 2 <br />

x l+1 ′ <br />

e −κx′ ′ <br />

l+1<br />

+ x e −κx ′′<br />

= l(l + 1)<br />

x2 u −<br />

2(l + 1)<br />

κu + κ<br />

x<br />

2 u,<br />

(173)<br />

so heben sich die Terme mit l(l + 1)/x 2 <strong>und</strong> mit κ 2 in Gl. (172) sofort weg. Durch<br />

die spezielle Wahl (l+1)κ = 1 bilanziert sich aber auch <strong>der</strong> 2/x–Term. Wir finden<br />

mit dem Ansatz (173) also tatsächlich Eigenfunktionen zu den Eigenwerten<br />

23 Wir vernachlässigen das Massenverhältnis m/mp <strong>und</strong> betrachten den Kern als ortsfest bei<br />

r = 0.<br />

68


κl1 = 1<br />

l + 1<br />

o<strong>der</strong> El1 = − R<br />

. (174)<br />

(l + 1) 2<br />

Nun existiert zu gegebenem l aber nicht nur ein Eigenwert κl1. Man kann durch<br />

den Ansatz<br />

u = ϱx l+1 e −κx<br />

systematisch nach weiteren Eigenfunktionen suchen <strong>und</strong> findet <strong>für</strong> bestimmte κlν<br />

Polynome ϱlν (Laguerresche Polynome) (ν − 1)–ten Grades. Diese Polynome werden<br />

aber zunehmend komplizierter <strong>und</strong> sollen hier nicht mehr untersucht werden.<br />

Wir notieren nur noch das Ergebnis<br />

κlν = 1<br />

l + ν<br />

o<strong>der</strong> Elν = − R<br />

(l + ν) 2<br />

mit ν = 1, 2, 3, . . .<br />

<strong>für</strong> sämtliche Energie–Eigenwerte Elν zu gegebenem Drehimpuls l. Alle Eigenwerte<br />

sind also von <strong>der</strong> Form<br />

κn = 1<br />

n o<strong>der</strong> En = − R<br />

, (175)<br />

n2 wobei n eine natürliche Zahl ist. Es ist üblich, von Gl. (175) auszugehen <strong>und</strong><br />

n als Hauptquantenzahl zu bezeichnen. Läßt man dann n die Werte 1, 2, 3, . . .<br />

durchlaufen, so trägt man <strong>der</strong> Bedingung n = l + ν (l = 0, 1, 2, . . . <strong>und</strong> ν =<br />

1, 2, 3, . . .) durch die Bedingung<br />

l = 0, 1, . . . , n − 1<br />

Rechnung. Zu je<strong>der</strong> Hauptquantenzahl n gibt es also n Drehimpulsquantenzahlen<br />

l. Berücksichtigt man weiter, daß zu jedem l die (2l + 1) magnetischen Quantenzahlen<br />

m = −l, −l + 1, . . . , l − 1, l<br />

gehören, so findet man, daß <strong>der</strong> Eigenwert En<br />

n−1 <br />

l=0<br />

(2l + 1) = n<br />

1 + [2(n−1)+1]<br />

2<br />

= n 2<br />

(176)<br />

–fach entartet ist. In <strong>der</strong> Atomphysik ist es (aus historischen Gründen) üblich, den<br />

Wert <strong>der</strong> Drehimpulsquantenzahl durch kleine lateinische Buchstaben s, p, d, f, . . .<br />

zu kennzeichnen <strong>und</strong> hinter die Hauptquantenzahl zu stellen. Damit ergibt sich<br />

das folgende Termschema des Wasserstoffs:<br />

69


Termschema des Wasserstoffs<br />

Nach dieser allgemeinen Übersicht kehren wir zu den speziellen Eigenfunktionen<br />

(173) zurück. Wenn wir von <strong>der</strong> Hauptquantenzahl n — also von einer vorgegebenen<br />

Energie — ausgehen, repräsentieren diese Eigenfunktionen die Zustände mit<br />

maximalen Drehimpuls l = n−1. Die klassische Entsprechung dieser Zustände<br />

sind Kreisbahnen mit<br />

pr = 0 <strong>und</strong> T = L2<br />

.<br />

2mr2 Wir wollen das durch eine kleine Rechnung bestätigen <strong>und</strong> schreiben Gl. (173)<br />

wegen l = n−1 in <strong>der</strong> Form<br />

Diese Eigenfunktionen haben ein Maximum bei<br />

ũn n−1 = x n x<br />

−<br />

e n . (177)<br />

xn = n 2 bzw. rn = n 2 a0 (178)<br />

<strong>und</strong> repräsentieren Wahrscheinlichkeitsdichten wn ∼ ũ2 n n−1 , die sich mit wachsendem<br />

n immer enger um xn bzw. rn konzentrieren. In <strong>der</strong> folgenden Figur zeigen<br />

wir das <strong>für</strong> die relativen Wahrscheinlichkeiten wn rel(x) = wn(x)/wn(xn):<br />

70


Relative radiale Wahrscheinlichkeitsverteilungen<br />

22<br />

wn rel(x) = ũ2 n n−1 (x)<br />

ũ 2 n n−1 (xn)<br />

des Wasserstoff–Elektrons in den<br />

Zuständen unl mit maximalem Drehimpuls<br />

l = n−1. (x = r/a0, xn = n 2 ).<br />

Wir können diese Aussage präzisieren, indem wir von <strong>der</strong> Formel<br />

∞<br />

0<br />

x m e −αx dx = 1<br />

α m+1<br />

∞<br />

0<br />

y m e −y dy = m!<br />

α m+1<br />

ausgehen <strong>und</strong> (mit <strong>der</strong> Abkürzung ũ = ũn n−1) die Normierung<br />

sowie die Momente<br />

〈ũ|ũ〉 =<br />

〈ũ|x k |ũ〉 =<br />

∞<br />

0<br />

∞<br />

0<br />

x 2n e<br />

x 2n+k e<br />

− 2<br />

− 2<br />

n x dx =<br />

n x dx =<br />

berechnen. Daraus folgen die Erwartungswerte 24<br />

Speziell <strong>für</strong> k = 1 erhalten wir<br />

〈x k 〉 = 〈ũ|xk |ũ〉<br />

〈ũ|ũ〉 =<br />

<br />

〈x〉 = n n + 1<br />

<br />

2<br />

<br />

n 2n+1<br />

(2n)!<br />

2<br />

<br />

n 2n+k+1<br />

(2n + k)!<br />

2<br />

<br />

n k (2n + k)!<br />

. (179)<br />

2 (2n)!<br />

<br />

o<strong>der</strong> 〈r〉 = n<br />

n + 1<br />

2<br />

<br />

a0,<br />

also einen “mittleren” Radius, <strong>der</strong> knapp über dem Maximum xn = n 2 bzw.<br />

rn = n 2 a0 (vgl. (178) liegt. Aus dem quadratischen Mittel<br />

24 Vgl. Gl. (168) <strong>und</strong> die Fußnote 20. Man beachte, daß in <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> radialen Wahrscheinlichkeit<br />

bereits die Kugeloberfläche berücksictigt ist.<br />

71


erechnen wir<br />

Die Streuung<br />

〈x 2 〉 = n 2 <br />

(n + 1) n + 1<br />

<br />

2<br />

∆x 2 = 〈x 2 〉 − 〈x〉 2 = n 2<br />

<br />

∆r<br />

〈r〉<br />

= ∆x<br />

〈x〉 =<br />

n + 1<br />

<br />

1 〈x〉2<br />

=<br />

2 2 2n + 1 .<br />

1<br />

√ 2n + 1<br />

fällt also mit wachsen<strong>der</strong> Quantenzahl n. Für sehr große n (große Energie) wird<br />

man das Elektron daher nur in <strong>der</strong> engsten Nachbarschaft einer Kugelschale von<br />

Radius rn = n 2 a0 antreffen. Daß es sich darüber hinaus um die engste Nachbarschaft<br />

von Kreisbahnen handelt, erkennt man erst an den zugehörigen Kugelfunktionen<br />

Ylm(ϑ, ϕ). Wenn wir — <strong>für</strong> große n <strong>und</strong> damit <strong>für</strong> große l = n − 1 — die<br />

Polarachse unseres Koordinatensystems “so gut wie möglich” in Drehimpulsrichtung<br />

legen wollen, müssen wir l = m wählen <strong>und</strong> finden tatsächlich Winkelanteile<br />

Yll ∼ sin l ϑ<br />

<strong>der</strong> Eigenfunktion, die die Konzentration um einen Kreisring in <strong>der</strong> Äquatorialebene<br />

bestätigen. An<strong>der</strong>e magnetische Quantenzahlen m beschreiben lediglich<br />

an<strong>der</strong>e Orientierungen <strong>der</strong> Polarachse.<br />

Wir folgern weiter (ohne das explizit zu beweisen), daß kleinere Drehimpulse<br />

l < n − 1 schließlich den Elipsenbahnen des Keplerproblems entsprechen.<br />

Kein klassisches Analogon besitzt <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>zustand<br />

u1 0(r) ∼ re −r/a0 bzw. χ1 0 0(r) ∼ e −r/a0 (180)<br />

des Elektrons im Wasserstoffatom mit <strong>der</strong> “Nullpunktsenergie” E1 = −R =<br />

−13.6 eV. Er entspricht einem Elektron ohne Drehimpuls, das sich aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Coulombattraktion im Kern aufhalten “möchte”, daran aber durch die Orts–<br />

Impuls–Unschärfe gehin<strong>der</strong>t wird. Tatsächlich wird die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

w1(r) ∼ χ 2 1 0 0 = e −2r/a0<br />

am Kernort r = 0 am größten. Der Gr<strong>und</strong>zustand des Wasserstoffatoms entspricht<br />

also ganz dem klassisch ebenfalls nicht verständlichen Gr<strong>und</strong>zustand des<br />

harmonischen Oszillators.<br />

72


Wir schließen die Behandlung des Wasserstoffatoms mit einem neuen Gesichtspunkt<br />

zur korrekten Interpretation <strong>der</strong> Wellenfunktionen. Es liegt ja so nahe (wie<br />

das in vielen Büchern durch Abbildungen implizit suggeriert wird), ψ ∗ ψ bzw.<br />

χ ∗ χ als Dichteverteilung eines ausgeschmierten Elektrons zu interpretieren. Diese<br />

Interpretation hat darüber hinaus zunächst den Vorteil, daß sie erklärt, warum<br />

stationäre Zustände nicht strahlen. Nimmt man diese Interpretation aber ernst,so<br />

muß man im Potential die Raumladungsdichte ϱe = −e|χ| 2 berücksichtigen <strong>und</strong><br />

erhält<br />

Die stationäre Schrödingergleichung<br />

V (r) = − e2<br />

′ 2<br />

e2 |χ(r )|<br />

+<br />

4πε0r 4π |r − r ′ | d3r ′ .<br />

¯h 2<br />

′ 2<br />

e2 |χ(r )|<br />

∆χ +<br />

2m 4πε0 |r − r ′ | d3r − 1<br />

<br />

χ = Eχ<br />

r<br />

wird damit eine sehr verwickelte nicht–lineare Integro–Differentialgleichung. Sie<br />

ist aber nicht nur schwierig zu lösen, son<strong>der</strong>n nach Ausweis <strong>der</strong> Erfahrung falsch!<br />

Der Term<br />

e 2<br />

4πε0<br />

|χ(r ′ )| 2<br />

|r − r ′ | d3 r,<br />

<strong>der</strong> eine “Selbst–Wechselwirkung” des Elektrons darstellt, würde eine innere elektrostatische<br />

Abstoßung <strong>der</strong> ausgeschmierten “Elektronenwolke” bewirken, die we<strong>der</strong><br />

im Wasserstoffatom noch in irgendeinem an<strong>der</strong>en Experiment beobachtet<br />

wird. Wir hüten uns also davor, das Elektron im Wasserstoffatom (<strong>und</strong> an<strong>der</strong>swo)<br />

als Ladungswolke mit einer charakteristischen Ausdehnung a0 zu beschreiben.<br />

73


4 Mehrteilchensysteme<br />

4.1 Die Schrödingergleichung<br />

Wir haben bisher nur die <strong>Quantenmechanik</strong> eines Teilchens mit einer Hamiltonfunktion<br />

H(r1, p1) betrachtet. Diesem Teilchen hatten wir eine Wellenfunktion<br />

|1〉 = ψ(r1, t)<br />

zugeordnet, <strong>der</strong>en Absolutquadrat ψ ∗ ψ die Wahrscheinlichkeitsdichte angab, das<br />

Teilchen 1 am Ort r1 zu finden. ψ genügte <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

H(r1, p1)ψ = i¯h ∂ψ<br />

∂t ,<br />

wobei H den Hamiltonoperator bezeichnet, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Hamiltonfunktion hervorgeht,<br />

indem <strong>der</strong> Impuls durch den Impulsoperator<br />

ersetzt wird.<br />

p1 = ¯h<br />

i ∇1 = ¯h<br />

i<br />

Es liegt nahe <strong>und</strong> hat sich bewährt, dieses Konzept wie folgt auf Systeme von n<br />

Teilchen zu übertragen:<br />

Wir führen eine Wellenfunktion<br />

d<br />

dr1<br />

|1, . . . , n〉 = ψ(r1, . . . , rn, t) (181)<br />

ein, <strong>der</strong>en Absolutquadrat ψ ∗ ψ die Wahrscheinlichkeitsdichte angibt, Teilchen 1<br />

bei r1, Teilchen 2 bei r2, . . . <strong>und</strong> Teilchen n bei rn zu finden. Das heißt genauer:<br />

dW = |ψ(r1, . . . , rn, t)| 2 d 3 r1 . . . d 3 rn<br />

(182)<br />

ist die Wahrscheinlichkeit, das System <strong>der</strong> Teilchen 1, . . . , n im Volumenelement<br />

d 3 r1 . . . d 3 rn des 3n–dimensionalen Konfigurationsraums anzutreffen.<br />

Aus <strong>der</strong> klassischen Hamiltonfunktion<br />

H(r1, . . . , rn, p1, . . . , pn) =<br />

n<br />

ν=1<br />

p 2 ν<br />

2mν<br />

+ V (r1, . . . , rn) (183)<br />

bilden wir den Hamiltonoperator H, indem wir die Impulse durch die Impulsoperatoren<br />

74


pν = ¯h<br />

i ∇ν = ¯h<br />

i<br />

ersetzen. Dann genügt die Wellenfunktion <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

o<strong>der</strong> explizit<br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

d<br />

drν<br />

(184)<br />

i¯h ∂<br />

|1, . . . n〉 = H|1, . . . , n〉, (185)<br />

∂t<br />

= −<br />

n ¯h 2<br />

∆νψ + V (r1, . . . , rn)ψ. (186)<br />

2mν<br />

ν=1<br />

Wie bisher können wir durch den Separationsansatz<br />

E<br />

−i<br />

ψ(r1, . . . , rn, t) = ϕ(r1, . . . , rn)e ¯h t<br />

(187)<br />

zu stationären Zuständen ϕ übergehen, die <strong>der</strong> stationären Schrödingergleichung<br />

−<br />

n ¯h 2<br />

∆νϕ + V (r1, . . . , rn)ϕ = Eϕ. (188)<br />

2mν<br />

ν=1<br />

genügen. Im Gegensatz zum Einteilchenproblem wollen wir dieses Konzept aber<br />

nicht mehr durch explizite Lösungsbeispiele illustrieren, da schon das klassische<br />

Mehrteilchenproblem nicht mehr analytisch lösbar ist 25 . Stattdessen wollen wir<br />

einige prinzipielle Aspekte ansprechen, die kein klassisches Analogon besitzen <strong>und</strong><br />

<strong>für</strong> die Atomphysik bedeutsam sind.<br />

4.2 Identische Teilchen <strong>und</strong> Spin<br />

Wir betrachten zwei identische Teilchen 1,2 mit dem symmetrischen Hamiltonoperator<br />

H = 1<br />

2m (p2 1 + p2 2 ) + V (r1) + V (r2) + U(|r1 − r2|). (189)<br />

Eine Lösung <strong>der</strong> Schrödingergleichung, die etwa aus <strong>der</strong> Anfangsbedingung<br />

ψ12(t = 0) = ψa(r1, 0)ψb(r2, 0)<br />

25 Eine Separation in Relativ– <strong>und</strong> Schwerpunktskoordinaten ist auch quantenmechanisch<br />

möglich. Dementspreched ist auch das quantenmechanische Zweiteilchenproblem ohne äußere<br />

Kräfte auf das Einteilchenproblem zurückzuführen.<br />

75


(unkorrelierte Anfangszustände) hervorgehe, sei<br />

ψ12 = ψab(r1, r2, t).<br />

Wollen wir |ψ12| 2 nach Gl.(182) als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretieren, so<br />

müssen wir uns fragen, wie wir die Teilchen 1 <strong>und</strong> 2 unterscheiden wollen. Denn<br />

die <strong>Quantenmechanik</strong> beschreibt nicht die Dinge an sich, son<strong>der</strong>n unsere Beobachtung.<br />

In <strong>der</strong> klassischen Physik ist dies kein Problem, denn wir können die<br />

Teilchen einfach unterscheiden, indem wir<br />

a) die Teilchen durch Marken (z. B. Farbe, Zeichen), welche die Dynamik nicht<br />

beeinflussen, kennzeichnen o<strong>der</strong><br />

b) die Teilchen identifizieren, indem wir ihre Bahn verfolgen.<br />

Für identische mikroskopische Objekte kennen wir keine Marken, die eine solche<br />

Kennzeichnung erlauben. In <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> gibt es auch keine wohldefinierten<br />

Bahnen, die wir verfolgen können, insbeson<strong>der</strong>e dann nicht, wenn sich<br />

die Wellenfunktionen <strong>der</strong> Teilchen überlappen. Wir können die Wahrscheinlichkeit,<br />

am Ort r1 Teilchen 1 <strong>und</strong> am Ort r2 Teilchen 2 anzutreffen also gar nicht<br />

im Experiment überprüfen, da die Unterscheidung <strong>der</strong> Teilchen 1 <strong>und</strong> 2 nicht <strong>der</strong><br />

Beobachtung zugänglich ist: Wir können nur die Wahrscheinlichkeit angeben, daß<br />

sowohl bei r1 als auch bei r2 ein Teilchendetektor anspricht.<br />

Da also die <strong>Quantenmechanik</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich nur die (potentielle) Beobachtung<br />

beschreibt, müssen wir neben ψ12 auch<br />

ψ21 = ψab(r2, r1, t)<br />

als gleichberechtigte Wellenfunktion zulassen. Aus <strong>der</strong> Symmetrie von H folgt,<br />

daß ψ21 auch <strong>der</strong> selben Schrödingergleichung genügt 26 .<br />

Darüber hinaus müssen wir dann auch Linearkombinationen<br />

ψ(r1, r2, t) = αψ12 + βψ21<br />

in Betracht ziehen. Verlangen wir nun, daß sich die Wahrscheinlichkeitsdichte ψ ∗ ψ<br />

bei einer Vertauschung nicht än<strong>der</strong>t, so folgt<br />

also<br />

|ψ(r1, r2, t)| 2 = |ψ(r2, r1, t)| 2 ,<br />

ψ(r1, r2, t) = cψ(r2, r1, t)<br />

26 Entsprechend existieren auch alle Eigenfunktionen doppelt: Man spricht von Austauschent-<br />

artung.<br />

76


mit c ∗ c = 1. Bei zwei Vertauschungen än<strong>der</strong>t sich natürlich gar nichts, also gilt<br />

c 2 = 1 o<strong>der</strong> c = ±1. Den beiden möglichen Vorzeichen entsprechen die beiden<br />

einzigen Möglichkeiten<br />

ψsym ∼ ψ12 + ψ21 <strong>und</strong><br />

ψasy ∼ ψ12 − ψ21. (190)<br />

Wellenfunktionen identischer Teilchen sind also entwe<strong>der</strong> symmetrisch o<strong>der</strong> antisymmetrisch.<br />

An dieser Stelle müssen wir auf den Spin eines Teilchens zu sprechen kommen,<br />

den die relativistische Diracgleichung postuliert <strong>und</strong> <strong>der</strong> beispielsweise durch<br />

ein Magnetfeld beobachtbar ist. Der Spin s ist eine vektorielle Observable ohne<br />

klassisches Analogon, die quantenmechanisch den selben Rechenregeln folgt wie<br />

Drehimpulse 27 (Übungen). Auch <strong>der</strong> Spin ist gequantelt, kann im Gegensatz zu<br />

Bahndrehimpulsen aber nicht nur ganzzahlige, son<strong>der</strong>n auch halbzahlige Vielfache<br />

von ¯h annehmen.<br />

Es hat sich nun als wichtig erwiesen, zwei Gruppen von Teilchen gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

zu unterscheiden, nämlich<br />

• Fermionen mit halbzahligem Spin <strong>und</strong><br />

• Bosonen mit ganzzahligem Spin.<br />

Zu den Fermionen zählen insbeson<strong>der</strong>e Elektronen, Protonen, Neutronen (Spin<br />

1)<br />

sowie alle Atomkerne, Atome <strong>und</strong> Moleküle, die aus einer ungeraden Anzahl<br />

2<br />

(z. B. He3) elementarer Fermionen zusammengesetzt sind.<br />

Dagegen gehören bestimmte Elementarteilchen wie Pionen <strong>und</strong> Photonen sowie<br />

alle zusammengesetzten Teilchen mit gera<strong>der</strong> Fermionenanzahl (z. B. He4) zu den<br />

Bosonen.<br />

Für spinbehaftete Teilchen stellt die Richtung von s nun eine Observable dar, die<br />

in <strong>der</strong> ψ–Funktion durch eine zusätzliche (diskrete) Variable berücksichtigt werden<br />

muß. Statt ψ(r1, r2, t) müssen wir also Zustandsfunktionen ˆ ψ(r1, s1, r2, s2, t)<br />

betrachten. Für die so komplettierten Wellenfunktionen gilt nun nach Ausweis<br />

<strong>der</strong> Erfahrung<br />

• Fermionen werden durch antisymmetrische Wellenfunktionen ˆ ψ <strong>und</strong><br />

27 Man stellt sich den Spin daher auch gern als inneren Drehimpuls durch eine Rotation<br />

des Teilchens vor. Diese Vorstellung kann allerdings das Wesen des Spins nicht erfassen (siehe<br />

Übungen).<br />

77


• Bosonen werden durch symmetrische Wellenfunktionen ˆ ψ beschrieben.<br />

Läßt man den Spin in <strong>der</strong> Anschrift <strong>der</strong> ψ–Funktion weg, muß man Fallunterscheidungen<br />

je nach Ausrichtung <strong>der</strong> Spins treffen. Insbeson<strong>der</strong>e gilt <strong>für</strong> die “elementaren”<br />

Fermionen mit Spin 1<br />

2 :<br />

–Teilchen mit paralellem Spin haben antisymmetrische <strong>und</strong> Spin 1<br />

2 –Teilchen<br />

Spin 1<br />

2<br />

mit antiparalellem Spin haben symmetrische Wellenfunktionen ψ.<br />

Aus <strong>der</strong> (Anti–)Symmetrie ergibt sich <strong>für</strong> Fermionen eine Folgerung großer Tragweite:<br />

Haben zwei gleiche Fermionen den selben Spin s <strong>und</strong> werden sie durch die<br />

selbe Wellenfunktion ψ0 beschrieben, so wird<br />

ψ(r1, r2, t) = ψ0(r1, t)ψ0(r2, t) − ψ0(r2, t)ψ0(r1, t) = 0.<br />

Für die stationären Zustände folgt daraus das Pauli–Prinzip<br />

• Zwei gleiche Fermionen können nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen<br />

<strong>und</strong> den selben Spin haben.<br />

An<strong>der</strong>s ausgedrückt: Charakterisieren wir die stationären Zustände, die ein Fermion<br />

annehmen kann, durch einen Satz von Quantenzahlen (etwa n, l, m <strong>und</strong><br />

sz), so können diese Zustände nur die Besetzungszahlen 0 o<strong>der</strong> 1 aufweisen.<br />

Ein analoges Prinzip <strong>für</strong> Bosonen gibt es nicht, Bosonenzustände können beliebige<br />

Besetzungszahlen 0, 1, 2, . . . annehmen.<br />

4.3 Atombau <strong>und</strong> periodisches System <strong>der</strong> Elemente<br />

Wir betrachten nun Atomkerne höherer Ladungszahl, die zur Neutralisation mehrere<br />

Hüllenelektronen benötigen. Um ein Ordnungsschema in dieses komplexe<br />

Problem zu bringen, denken wir uns solche Atome (im Gr<strong>und</strong>zustand) schrittweise<br />

aufgebaut: Wir denken uns k − 1 Elektronen bereits mehr o<strong>der</strong> weniger kugelsymmetrisch<br />

um den Kern verteilt <strong>und</strong> fragen nach den möglichen Zuständen des<br />

k–ten Elektrons. Damit können wir an die generelle Diskussion des kugelsymmetrischen<br />

Potentials (Abschnitt 3.5) anknüpfen <strong>und</strong> führen die Quantenzahlen n, l<br />

<strong>und</strong> m ein. Außerdem müssen wir <strong>für</strong> die Elektronen mit dem Spin 1 noch die<br />

2<br />

beiden Spinrichtungen sz = 1<br />

2 <strong>und</strong> sz = − 1<br />

unterscheiden (Richtungquantelung<br />

2<br />

<strong>der</strong> Drehimpulse).<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Hauptquantenzahl n denken wir uns die Atomelektronen in<br />

Schalen angeordnet. Innerhalb je<strong>der</strong> Schale stehen uns dann die Quantenzahlen<br />

l = 0, . . . , n − 1 , m = −l, . . . , l <strong>und</strong> sz = ± 1<br />

2<br />

78


zur Verfügung.<br />

Für die erste Schale n = 1 liegen l = 0 <strong>und</strong> m = 0 fest, es gibt also <strong>für</strong> n = 1<br />

genau zwei verschiedene Elektronenzustände mit sz = +1/2 <strong>und</strong> sz = −1/2.<br />

Da nach dem Pauliprinzip je<strong>der</strong> Zustand höchstens einfach besetzt ist, kann die<br />

erste Schale höchstens zwei Elektronen “aufnehmen”: Sie ist beim Element 2He<br />

abgeschlossen.<br />

Benötigen wir also mehr als zwei Elektronen, um die Kernladung zu kompensieren,<br />

müssen wir die zweite Schale auffüllen. Hier können (l, m) die Dupel (1,1),<br />

(1,0), (1,–1) <strong>und</strong> (0,0) annehmen. Mit den beiden Spinrichtungen gibt das 8 mögliche<br />

Zustände in <strong>der</strong> zweiten Schale, die nach dem Pauliprinzip wie<strong>der</strong> höchsten<br />

einfach besetzt werden können. Beim Element 10Ne ist neben <strong>der</strong> ersten also auch<br />

die zweite Schale abgeschlossen.<br />

Generell hatten wir beim Wasserstoff ausgerechnet, daß es zu je<strong>der</strong> Hauptquantenzahl<br />

n einen Satz von n 2 verschiedenen Nebenquantenzahlen gibt. Unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> beiden Spinrichtungen kann die n–te Schale also maximal 2n 2 Elektronen<br />

aufnehmen. Die dritte Schale kann demnach 18 Elektronen aufnehmen <strong>und</strong><br />

wäre beim Element 28Ni abgeschlossen.<br />

Tatsächlich bleibt aber nicht alles so schön wasserstoffähnlich, weil die Elektronen<br />

untereinan<strong>der</strong> wechselwirken. Dadurch wird nicht nur die Entartung des Wasserstoffs<br />

(Enl hängt hier nicht von l ab) aufgehoben, son<strong>der</strong>n es kann sogar<br />

Enl > En+1 0<br />

werden. Das Atom zieht es dann vor, eine “neue” Schale (n+1) zu beginnen, ehe<br />

die “alte” (n) abgeschlossen ist.<br />

Der Gr<strong>und</strong> hier<strong>für</strong> ist sogar aus <strong>der</strong> klassischen Mechanik verständlich: Bei niedrigem<br />

Drehimpuls hält sich das Elektron weitgehend in Kernnähe auf (vgl. den<br />

Gr<strong>und</strong>zustand des Wassestoffs) <strong>und</strong> “sieht” die übrigen Elektronen nicht. Elektronen<br />

mit großem l dagegen halten sich überwiegend in großer Entfernung (vgl.<br />

die “Kreisbahnen” beim Wasserstoff <strong>für</strong> l = n − 1) auf, wo <strong>der</strong> Kern durch die<br />

übrigen Elektronen weitgehend abgeschirmt ist.<br />

Darum werden in <strong>der</strong> Schale n = 3 zunächst nur die acht s– (l = 0) <strong>und</strong> p–<br />

Zustände (l = 1) aufgefüllt, <strong>und</strong> das ist beim Element 18Ar erreicht. Danach<br />

werden zunächst die beiden s–Zustände <strong>der</strong> vierten Schale besetzt (19K <strong>und</strong> 20Ca)<br />

<strong>und</strong> dann erst die zehn d–Zustände (l = 2) <strong>der</strong> dritten Schale aufgefüllt.<br />

Das Element 30Zn hat also eine voll besetzte dritte Schale <strong>und</strong> — wie 20Ca —<br />

zwei s–Elektronen in <strong>der</strong> vierten Schale. Bei 31Ga wird nun ein drittes Elektron<br />

in die vierte Schale aufgenommen, <strong>und</strong> bei 36Kr sind die energetisch günstigen<br />

s– <strong>und</strong> p–Zustände <strong>der</strong> vierten Schale besetzt. In ähnlicher Weise geht es weiter,<br />

79


die Details sind in <strong>der</strong> folgenden Tabelle zusammengefaßt, die angibt, in welchem<br />

Zustand das letzte (o<strong>der</strong> vorletzte 28 ) Elektron eingebaut wird.<br />

1 2 3 4 5 6 7<br />

s 1H 2He 3Li 4Be 11Na 12Mg 19K 20Ca 37Rb 38Sr 55Cs 56Ba 87Fr 88Ra<br />

5B 6C 13Al 14Si 31Ga 32Ge 49In 50Sn 81Tl 82Pb<br />

p 7N 8O 15P 16S 33As 34Se 51Sb 52Te 83Bi 84Po<br />

9F 10Ne 17Cl 18A 35Br 36Kr 53J 54Xe 85At 86Rn<br />

21Sc 22Ti 39Y 40Zr 57La 72Hf 89Ac 104<br />

23V 24Cr 41Nb 42Mo 73Ta 74W . . .<br />

d 25Mn 26Fe 43Tc 44Ru 75Re 76Os<br />

27Co 28Ni 45Rh 46Pd 77Ir 78Pt<br />

29Cu 30Zn 47Ag 48Cd 79Au 80Hg<br />

58Ce 59Pr 90Th 91Pa<br />

60Nd 61Pm 92U 93Np<br />

62Sm 63Eu 94Pu 95Am<br />

f 64Gd 65Tb 96Cm 97Bk<br />

66Dy 67Ho 98Cf 99E<br />

68Er 69Tm 100 101<br />

70Y 71Lu 102 103<br />

Da die chemischen Eigenschaften eines Elements wesentlich durch die Elektronen<br />

<strong>der</strong> äußersten Schale bestimmt sind, kommt man so zu einer gewissen Periodizität<br />

<strong>der</strong> chemischen Eigenschaften, z. B.:<br />

- Ist die äußerste Schale — o<strong>der</strong> ihre energetisch beson<strong>der</strong>s günstigen s– <strong>und</strong><br />

p–Zustände — gerade abgeschlossen, ist das Atom beson<strong>der</strong>s stabil, d. h.<br />

chemisch träge: Wir haben Edelgase (2He, 10Ne, 18A, 36Kr, . . . ).<br />

- Fehlen nur wenige Elektronen an einer solchen Edelgaskonfiguration, nimmt<br />

das Atom bei Reaktionen “gern” Elektronen auf (Halogene <strong>und</strong> Chalkogene).<br />

- Ist dagegen die äußerste Schale nur mit wenigen Elektronen besetzt, werden<br />

diese in Reaktionen leicht abgegeben (Alkali– <strong>und</strong> Erdalkali–Metalle).<br />

Die Quasi–Periodizität demonstriert man im Periodischen System <strong>der</strong> Elemente<br />

mit<br />

- Hauptgruppen, in denen nur s– <strong>und</strong> p–Zustände eine Rolle spielen<br />

- Nebengruppen, in denen die d–Zustände aufgefüllt werden <strong>und</strong><br />

- den Lanthanoiden <strong>und</strong> Aktinoiden, in denen schließlich die f–Zustände aufgefüllt<br />

werden.<br />

28 Bei konkurrierenden Zuständen kommt es gelegentlich zu kleinen Verschiebungen. Beispielsweise<br />

besitzen Cu, Ag <strong>und</strong> Au nur ein s–Elektron in <strong>der</strong> äußersten Schale, so daß bei Zn, Cd<br />

<strong>und</strong> Hg nicht ein d– son<strong>der</strong>n das fehlende s–Elektron eingebaut wird.<br />

80


4.4 Die Bildung von Molekülen<br />

Ein 17Cl–Atom hat gerade noch Platz <strong>für</strong> ein Elektron frei, um die energetisch<br />

günstige 18A–Konfiguration auszunutzen. Ein 19K–Atom dagegen hat <strong>für</strong> diese<br />

Konfiguration gerade ein Elektron zuviel <strong>und</strong> muß eine neue — energetisch viel<br />

ungünstigere — Schale “anbrechen”. Bringt man daher ein K– <strong>und</strong> ein Cl–Atom<br />

zusammen, so ist es energetisch günstig, wenn das K–Atom ein Elektron an das Cl<br />

abgibt. Freilich bleiben die Atome dabei nicht elektrisch neutral, son<strong>der</strong>n werden<br />

zu K + – <strong>und</strong> Cl − –Ionen. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> elektrostatischen Anziehung werden diese<br />

Ionen also aneinan<strong>der</strong> “gekettet”: K <strong>und</strong> Cl gehen eine heteropolare o<strong>der</strong> Ionen–<br />

Bindung ein <strong>und</strong> bilden ein KCl–Molekül — o<strong>der</strong> genauer: Viele K + – <strong>und</strong> Cl − –<br />

Ionen bilden ein Ionengitter.<br />

Diese einfache Ionenbindung ist jedoch nicht <strong>der</strong> Regelfall. Schließen sich insbeson<strong>der</strong>e<br />

zwei gleiche Atome zu einem Molekül (Beispielsweise H2) zusammen, so<br />

erwarten wir schon aus Symmetriegründen keine elektrische Aufladung <strong>der</strong> beiden<br />

Reaktionspartner: Die Bindung ist nun homöopolar 29 (man spricht auch von<br />

Atombindung).<br />

Die homöopolare Bindung ist rein klassisch nicht zu verstehen <strong>und</strong> quantenmechanisch<br />

schwierig zu beschreiben. Wir begnügen uns daher mit einer skizzenhaften<br />

Erläuterung <strong>der</strong> Bildung des H2–Moleküls. Dazu betrachten wir zwei räumlich<br />

fixierte Wasserstoffkerne (A) <strong>und</strong> (B) im Abstand a <strong>und</strong> notieren den Hamiltonoperator<br />

H = − ¯h2<br />

2m (∆1 + ∆2) − e2<br />

4πε0<br />

1<br />

r1A<br />

+ 1<br />

r2B<br />

+ 1<br />

r1B<br />

+ 1<br />

−<br />

r2A<br />

1<br />

r12<br />

des Systems <strong>der</strong> beiden Elektronen (1) <strong>und</strong> (2) (siehe Skizze).<br />

r 1A<br />

1<br />

r 2A<br />

r 12<br />

r 1B<br />

A B<br />

a<br />

2<br />

r 2B<br />

− 1<br />

<br />

a<br />

(191)<br />

Bei hinreichend großem Abstand (a ≫ a0) <strong>der</strong> Kerne sind die vier letzten Terme<br />

zu vernachlässigen <strong>und</strong> H ist die Hamiltonfunktion zweier ungestörter H–Atome.<br />

Der Gr<strong>und</strong>zustand des Systems ist dann durch<br />

29 In <strong>der</strong> Chemie gibt es stufenlose Übergänge zwischen diesen Haupt–Bindungsarten.<br />

81


ϕ1(r1, r2) = χA(r1)χB(r2) (192)<br />

gegeben, wobei χA(r1) = χ1 0 0(r1A) <strong>und</strong> χB(r2) = χ1 0 0(r2B) den jeweiligen<br />

Gr<strong>und</strong>zustand <strong>der</strong> beiden Wasserstoffatome bezeichnen. Machen wir a kleiner,<br />

kommen die “Störglie<strong>der</strong>” allmählich ins Spiel. Dabei wird (192) aber zunächst<br />

noch eine brauchbare Näherung bleiben. Allerdings müssen wir wegen <strong>der</strong> Ununterscheidbarkeit<br />

<strong>der</strong> Elektronen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Symmetrie des Hamiltonoperators<br />

ϕ2(r1, r2) = χA(r2)χB(r1) (193)<br />

als gleichwertige Näherung betrachten. Da die Elektronen Fermionen mit Spin<br />

1 sind, müssen wir aus (192) <strong>und</strong> (193) symmetrische o<strong>der</strong> antisymmetrische<br />

2<br />

Wellenfunktionen<br />

ϕ± = ϕ1 ± ϕ2<br />

(194)<br />

bilden, je nachdem <strong>der</strong> Spin antiparallel o<strong>der</strong> parallel ausgerichtet ist. Mit dieser —<br />

allein aus dem Gr<strong>und</strong>zustand des Wasserstoff–Atoms konstruierten — Näherung<br />

<strong>für</strong> die Wellenfunktion berechnen wir die Näherung<br />

E± = 〈ϕ±|H|ϕ±〉<br />

〈ϕ±|ϕ±〉<br />

<strong>für</strong> die Energie des Systems <strong>der</strong> beiden Elektronen <strong>und</strong> erhalten unter Ausnutzung<br />

<strong>der</strong> Symmetrie<br />

E± = 〈ϕ1|H|ϕ1〉 ± 〈ϕ1|H|ϕ2〉<br />

. (195)<br />

1 + 〈ϕ1|ϕ2〉<br />

Dabei geht 〈ϕ1|H|ϕ1〉 <strong>für</strong> große Abstände a in die Energie E1 = −2R <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>zustände<br />

<strong>der</strong> Wasserstoffatome über. Den entscheidenden Beitrag <strong>der</strong> Wechselwirkung<br />

beschreibt das Austauschintegral 〈ϕ1|H|ϕ2〉.<br />

Mit <strong>der</strong> Näherung (195) kann man E± in Abhängigkeit von a explizit berechnen<br />

<strong>und</strong> findet E± → ∞ <strong>für</strong> a → 0 <strong>und</strong> E± → −2R <strong>für</strong> a → ∞. Aber während E− (antisymmetrische<br />

Wellenfunktion, paralleler Spin) dabei monoton fällt, durchläuft<br />

E+ (symmetrische Wellenfunktion, antiparalleler Spin) dabei ein Minimum bei<br />

am ≈ 8 · 10 −11 m:<br />

82


−2R<br />

E<br />

E − (↑↑)<br />

a m<br />

E + (↑↓)<br />

Da −dE/da als Kraft auf die beiden Atome 30 wirkt, bleiben die beiden Atome bei<br />

antiparallelem Elektronenspin im Abstand am stabil beieinan<strong>der</strong>: Ein H2–Molekül<br />

ist gebildet.<br />

Die Bindung ist nur bei antiparallelem Spin möglich, da hier die beiden Elektronen<br />

einen gemeinsamen Ortszustand besetzen <strong>und</strong> sich in <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Kerne<br />

“konzentrieren” können. Dabei überwiegt die Anziehung zwischen Elektronen<br />

<strong>und</strong> Kernen die gegenseitige Abstoßung <strong>der</strong> Elektronen <strong>und</strong> hält das Molekül<br />

zusammen.<br />

Da die effektive Kraft, die die beiden Atome bindet, entscheidend auf dem Elektronenaustausch<br />

beruht, wird sie auch Austauschkraft genannt. Dieser gebräuchliche<br />

Name führt allerdings leicht zu einem Mißverständnis. Die Austauschkraft<br />

beruht nämlich keineswegs auf einer neuen mystischen “Quantenkraft”, die wir<br />

klassisch nicht verstehen, son<strong>der</strong>n einzig auf <strong>der</strong> wohlvertrauten Coulombwechselwirkung.<br />

Diese Wechselwirkung wird allerdings – <strong>und</strong> hier kommt die <strong>Quantenmechanik</strong><br />

ins Spiel – durch den Austauscheffekt bzw. das Pauliprinzip so modifiziert,<br />

daß sie ein Potentialminimum bildet <strong>und</strong> so die Bindung <strong>der</strong> beiden Atome<br />

ermöglicht.<br />

30 Wegen <strong>der</strong> großen Massen brauchen wir diese nicht quantenmechanisch zu beschreiben.<br />

83<br />

a


5 Die Interpretation <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong><br />

Wir beenden die Analyse spezieller Probleme <strong>und</strong> wenden uns wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Diskussion <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> zu. Dazu stellen wir<br />

zunächst noch einmal die Gr<strong>und</strong>züge des Formalismus zusammen <strong>und</strong> bringen<br />

einige Ergänzungen an.<br />

5.1 Der Formalismus<br />

Die quantenmechanischen Systeme – o<strong>der</strong> besser: Unsere Erwartungen bei ihrer<br />

Beobachtung – werden durch Zustandsvektoren (Zustandsfunktionen)<br />

|ψ〉 = ψ(r, t), (196)<br />

beschrieben. Das Absolutquadrat ψ ∗ ψ gibt nach Born die Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

an, das System bei r zu finden. Dynamische Variable A(r, p) <strong>und</strong> sonstige<br />

Observable (z. B. Spin) werden durch quantenmechanische Operatoren, die auf<br />

|ψ〉 wirken, repräsentiert. Speziell dem Impuls eines Teilchens ist <strong>der</strong> Operator<br />

zugeordnet.<br />

p = ¯h<br />

∇ (197)<br />

i<br />

In <strong>der</strong> klassischen Mechanik läßt sich <strong>der</strong> Wert A(t) = A(r(t), p(t)) einer dynamischen<br />

Variablen im Prinzip präzise berechnen. Dagegen lassen sich zu den<br />

quantenmechanischen Observablen A im allgemeinen “nur” Erwartungswerte<br />

〈A〉 = 〈ψ|A|ψ〉 (198)<br />

angeben. Die For<strong>der</strong>ung reeller Erwartungswerte wird durch hermitesche Operatoren<br />

sichergestellt. Der entscheidende Unterschied zur klassischen Mechanik ist<br />

darin begründet, daß Operatoren im allgemeinen nicht vertauschbar sind, daß<br />

also <strong>der</strong> Kommutator<br />

[A, B] = AB − BA (199)<br />

nicht verschwindet. Aus Gl.(197) folgen die speziellen Kommutatoren<br />

[pi, xj] = ¯h ∂xj<br />

i ∂xi<br />

84<br />

= ¯h<br />

i δij. (200)


Man kann statt von Gl.(197) direkt von den Vertauschungsrelationen (200) ausgehen<br />

<strong>und</strong> die ganze <strong>Quantenmechanik</strong> algebraisch aufbauen. Gl.(197) ist dann nur<br />

eine spezielle Darstellung, die Ortsdarstellung. Statt r kann man beispielsweise<br />

auch p als Variable benutzen <strong>und</strong> eine Zustandsfunktion ˜ ψ(p, t) definieren. Den<br />

Vertauschungsregeln (200) entsprechend wird dann <strong>der</strong> Ort durch den Operator<br />

r = i¯h d<br />

dp<br />

repräsentiert. Diese äquivalente Darstellung wird Impulsdarstellung 31 genannt.<br />

Die zeitliche Entwicklung des Zustandsvektors folgt <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

i¯h ∂<br />

|ψ〉 = H|ψ〉 , (201)<br />

∂t<br />

wobei H den Hamiltonoperator bezeichnet. (Diese Gleichung gilt in je<strong>der</strong> Darstellung,<br />

aber nicht in jedem Bild, s. u.). Für den Erwartungswert 〈A〉 erhält man<br />

damit<br />

d<br />

dt 〈A〉 = 〈ψ|A| ˙ ψ〉 + 〈 ˙ ψ|A|ψ〉<br />

= 1<br />

1<br />

〈ψ|AH|ψ〉 −<br />

i¯h i¯h 〈ψ|HA|ψ〉<br />

= 1<br />

〈ψ|(AH − HA)|ψ〉<br />

i¯h<br />

o<strong>der</strong> – in Verallgemeinerung <strong>der</strong> Ehrenfest-Beziehungen (69, 70) –<br />

d 1<br />

〈A〉 = 〈[A, H]〉. (202)<br />

dt i¯h<br />

Dieses Ergebnis läßt sich auch an<strong>der</strong>s interpretieren: Statt die Zustände als Funktionen<br />

<strong>der</strong> Zeit zu betrachten (Schrödingerbild) <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

zu berechnen, können wir die Zustände festhalten <strong>und</strong> den Operatoren eine<br />

eigene Zeitabhängigkeit zubilligen (Heisenbergbild). Dieses alternative Bild<br />

lehnt sich also im Gr<strong>und</strong>e noch enger an die klassische Mechanik an. Die Operatoren<br />

AH des Heisenbergbildes genügen dann <strong>der</strong> Heisenberggleichung<br />

d<br />

dt AH = 1<br />

i¯h [AH, H] . (203)<br />

31 Orts– <strong>und</strong> Impulsdarstellung gehen durch eine Fouriertransformation auseinan<strong>der</strong> hervor.<br />

85


Man beachte, daß die Gl. (201) <strong>und</strong> (203) zu verschiedenen Bil<strong>der</strong>n gehören <strong>und</strong><br />

nicht nebeneinan<strong>der</strong> benutzt werden dürfen. Um daran zu erinnern, haben wir<br />

die Operatoren AH des Heisenbergbildes durch den Index H gekennzeichnet 32 .<br />

Erfüllt <strong>der</strong> Zustandsvektor |u〉 die Gleichung<br />

A|u〉 = a|u〉, (204)<br />

so heißt |u〉 Eigenvektor (Eigenfunktion) <strong>und</strong> a Eigenwert des Operators A. Die<br />

Eigenwerte hermitescher Operatoren sind reell <strong>und</strong> die Eigenfunktionen zu verschiedenen<br />

Eigenwerten sind orthogonal. Die Gesamtheit {aν} <strong>der</strong> Eigenwerte<br />

nennt man das Spektrum des Operators A. Wir übergehen hier die formalen<br />

Schwierigkeiten, die mit kontinuierlichen Spektren verb<strong>und</strong>en sind <strong>und</strong> <strong>und</strong> setzen<br />

voraus, daß A ein diskretes Spektrum <strong>und</strong> ein vollständiges System normierter<br />

Eigenvektoren mit<br />

〈uν|uµ〉 = δνµ<br />

besitzt. Dann läßt sich je<strong>der</strong> beliebige Zustandsvektor in <strong>der</strong> Form<br />

(205)<br />

|ψ〉 = <br />

cν|uν〉 (206)<br />

ν<br />

nach den Eigenvektoren von A entwickeln. (Als Beispiel hatten wir die Entwicklung<br />

nach den Eigenfunktionen des Hamiltonoperators kennengelernt.) Damit<br />

erhält man den Erwartungswert<br />

o<strong>der</strong> wegen (204) <strong>und</strong> (205)<br />

Entsprechende Beziehungen<br />

〈A〉 = 〈ψ|A|ψ〉 = <br />

c<br />

ν,µ<br />

∗ νcµ〈uν|A|uµ〉 〈A〉 = <br />

c ∗ νcµaµ〈uν|uµ〉 = <br />

c ∗ νcνaν.<br />

ν,µ<br />

〈A n 〉 = <br />

c ∗ νcνa n ν <strong>und</strong> 〈f(A)〉 = <br />

c ∗ νcνf(aν) (207)<br />

ν<br />

gelten dann auch <strong>für</strong> alle Potenzen von A <strong>und</strong> schließlich <strong>für</strong> alle hinreichend<br />

gutartigen Funktionen f(A). Daraus läßt sich zeigen 33 :<br />

32 Der Hamiltonoperator stimmt in beiden Bil<strong>der</strong>n überein.<br />

33 siehe z.B. Messiah, Bd. 1, Abschnitt 5.2.3.<br />

86<br />

ν<br />

ν


- Die einzigen Werte, die eine Observable A annehmen kann, sind die Eigenwerte<br />

aν des Operators A.<br />

- Die Wahrscheinlichkeit w(aν), daß die Observable A den Wert aν annimmt,<br />

ist durch<br />

(208)<br />

gegeben.<br />

w(aν) = c ∗ ν cν<br />

Die Interpretation des Absolutquadrats <strong>der</strong> Entwicklungskoeffizienten cν als Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>für</strong> die Realisierung des speziellen Wertes aν <strong>der</strong> Observablen A geht<br />

ebenfalls auf Born zurück.<br />

5.2 Meßprozeß <strong>und</strong> Zustandsvektor<br />

Der soweit skizzierte Formalismus <strong>und</strong> seine Interpretation weisen noch einen<br />

entscheidenden Mangel auf: Um zu unseren Erwartungswerten <strong>und</strong> Wahrscheinlichkeiten<br />

zu kommen, müssen wir den Zustandsvektor kennen. Der aber läßt<br />

sich nur dann aus <strong>der</strong> Schrödingergleichung 34 berechnen, wenn wir den Anfangszustand<br />

|ψ〉t=0 spezifizieren können. Wie aber sollen wir einen Zustandsvektor<br />

festlegen, dem wir gar keine unmittelbare physikalische Bedeutung zubilligen?<br />

Jede physikalische Information muß natürlich letztlich aus Messungen gewonnen<br />

werden, <strong>und</strong> wir beantworten die oben gestellte Frage aus einer Gr<strong>und</strong>annahme<br />

über ideale Messungen:<br />

• Wird eine ideale Messung “unmittelbar” wie<strong>der</strong>holt, so liefert sie mit Sicherheit<br />

das selbe Resultat.<br />

Diese Gr<strong>und</strong>annahme ist es wert, ein wenig darüber nachzudenken. Die <strong>Quantenmechanik</strong><br />

liefert uns ja häufig nur Wahrscheinlichkeitsaussagen. Im allgemeinen<br />

können wir ein Meßergebnis also nicht präzise vorhersagen. Ein Meßprozeß<br />

ist aber kein Würfelspiel mit unverbindlichem Ergebnis: Habe ich drei Augen<br />

gewürfelt, ist das <strong>für</strong> das Ergebnis einer Wie<strong>der</strong>holung des Wurfs ohne jeden Belang.<br />

Das Ergebnis einer Messung soll dagegen reproduzierbar sein, ein Vergleich<br />

mit dem Würfelspiel würde <strong>der</strong> Experimentalphysik – <strong>und</strong> letztlich <strong>der</strong> gesamten<br />

Naturwissenschaft – den Boden entziehen. Habe ich also den Wert a einer Observablen<br />

A gemessen, so soll dieser Wert verbindlich sein. Ich sage, die Observable<br />

A hat den Wert a, <strong>und</strong> das heißt: Für eine erneute Messung von A läßt sich<br />

<strong>der</strong> Wert a vorhersagen. Die erneute Messung muß natürlich so “unmittelbar”<br />

erfolgen, daß die Dynamik des Systems den Zustand noch nicht verän<strong>der</strong>t hat.<br />

34 Wir bleiben wie wir es gewohnt sind im Schrödingerbild.<br />

87


Wir kommen damit zur Ermittlung des Zustandsvektors |u〉t=0 aus einer Messung:<br />

Habe ich zur Zeit t = 0 den Wert ak einer Observablen A gemessen, so weiß ich,<br />

daß eine unmittelbar folgende identische Messung mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit 1<br />

wie<strong>der</strong> ak liefern würde. Aus Gl.(208) folgern wir w(ak) = c ∗ k ck = 1 <strong>und</strong> w(aν) =<br />

c ∗ ν cν = 0 <strong>für</strong> ν = k o<strong>der</strong> – abgesehen von einem belanglosen Phasenfaktor –<br />

|ψ〉t=0 = |uk〉. (209)<br />

Diesen Schluß können wir natürlich nur ziehen, wenn <strong>der</strong> Meßwert ak tatsächlich<br />

nur mit einem Eigenvektor |u〉k verträglich ist, wenn also <strong>der</strong> Eigenwert ak einfach<br />

ist. Das Problem <strong>der</strong> Entartung wird damit zu einem physikalischen Problem.<br />

Wenn wir etwa beim Wasserstoffatom die Energie En messen, so können wir<br />

noch nicht auf den Zustand schließen, da n 2 verschiedene Eigenfunktionen χnlm<br />

zum Eigenwert En gehören. An diesem Beispiel wird aber auch schon deutlich,<br />

wie diese Schwierigkeit zu beheben ist: Außer <strong>der</strong> Energie E müssen wir auch das<br />

Drehimpulsquadrat L 2 <strong>und</strong> die Drehimpulskomponente Lz bestimmen.<br />

Voraussetzung da<strong>für</strong>, daß zwei Operatoren A <strong>und</strong> B (etwa E <strong>und</strong> L 2 im obigen<br />

Beispiel) gemeinsame Eigenvektoren |u〉 besitzen, ist, daß A <strong>und</strong> B vertauschbar<br />

sind. Denn aus<br />

folgt ja sofort<br />

A|u〉 = a|u〉 <strong>und</strong> B|u〉 = b|u〉<br />

AB|u〉 = ab|u〉 = BA|u〉 .<br />

Umgekehrt können Observable, <strong>der</strong>en Operatoren vertauschbar sind, gleichzeitig<br />

scharf gemessen werden, sie sind kommensurabel. Darüber hinaus kann man<br />

zeigen, daß sich aus den Eigenvektoren vertauschbarer Operatoren immer eine<br />

gemeinsame Basis auswählen läßt.<br />

Damit ist auch das Problem <strong>der</strong> Entartung gelöst: Ich muß so viele kommensurable<br />

Observablen A, B, . . . messen, bis <strong>der</strong> Zustand (<strong>der</strong> gemeinsame Eigenvektor)<br />

|u〉 eindeutig festliegt, die Entartung also aufgehoben ist. Wir halten also fest:<br />

• Der Anfangszustand |ψ〉t=0 läßt sich durch eine geeignete Folge von Messungen<br />

kommensurabler Observablen eindeutig festlegen.<br />

Messungen kommensurabler Observablen heißen auch verträglich. Dagegen sind<br />

Messungen von Observablen A <strong>und</strong> B nicht verträglich, wenn die Operatoren A<br />

<strong>und</strong> B nicht vertauschbar sind. Zwischen A <strong>und</strong> B besteht nämlich dann eine<br />

Unschärfebeziehung [vgl. Gl. (78)]<br />

88


〈∆A 2 〉〈∆B 2 2 1<br />

〉 ≥ [A, B] ,<br />

2i<br />

die es verbietet, A <strong>und</strong> B gleichzeitig scharf zu messen.<br />

Und wenn ich trotzdem messe? Darf ich dann die Meßwerte nicht mehr ernst<br />

nehmen? Nehmen wir an, ich habe zuerst A (Ergebnis a) <strong>und</strong> dann B (Ergebnis<br />

b) gemessen. Nach unserer Gr<strong>und</strong>annahme über (ideale) Messungen müssen wir<br />

dann auf jeden Fall das Ergebnis b als verbindlich ansehen. Nach <strong>der</strong> Unschärfebeziehung<br />

muß dann aber <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Observablen A wie<strong>der</strong> gänzlich unbestimmt<br />

sein: Das Meßergebnis a <strong>der</strong> ersten Messung wird also durch eine nicht verträgliche<br />

zweite Messung bedeutungslos – so bedeutungslos wie die Augenzahl beim<br />

Würfeln!<br />

In den meisten Fällen können wir uns diese befremdliche Tatsache mit <strong>der</strong> Störung<br />

durch den Meßprozeß erklären. Bringen wir beispielsweise im Heisenbergschen<br />

Gedankenexperiment <strong>der</strong> optischen Ortsbestimmung (vgl. Abschnitt 2.6) ein ruhendes<br />

Teilchen unter das Mikroskop, so kennen wir dessen Impuls p = 0 (1.<br />

Messung). Zur genauen Ortsbestimmung (2. Messung) müssen wir anschließend<br />

das Teilchen aber mit hochenergetischen Photonen beschießen, <strong>und</strong> dieser Beschuß<br />

macht das Ergebnis <strong>der</strong> vorherigen Impulsmessung bedeutungslos (Comptoneffekt).<br />

Allerding gibt es auch Fälle, in denen nicht so einfach zu verstehen<br />

ist, warum eine unverträgliche zweite Messung die erste Messung ungültig macht<br />

(siehe Abschnitt 5.3).<br />

Die Bestimmung des Zustandsvektors durch Messungen hat eine bedeutsame<br />

Konsequenz: Der Zustandsvektor wird durch den Meßprozeß im allgemeinen geän<strong>der</strong>t.<br />

Normalerweise wird |ψ〉 nämlich keineswegs als Eigenfunktion |uk〉 vorliegen.<br />

Vielmehr wird sich |ψ〉 nach <strong>der</strong> Festlegung <strong>der</strong> Anfangsbedingungen durch frühere<br />

Messungen gemäß <strong>der</strong> Schrödingergleichung entwickeln <strong>und</strong> zum Meßzeitpunkt<br />

t0 − 0 in <strong>der</strong> allgemeinen Form (vgl. (206))<br />

|ψ〉t=t0−0 = <br />

cν|uν〉<br />

vorliegen. Messe ich also zum Zeitpunkt t = t0 die Observable A, so ist das Ergebnis<br />

nicht von vornherein determiniert, son<strong>der</strong>n kann mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit<br />

c ∗ ν cν jeden Wert aν annehmen. Nach <strong>der</strong> Messung (t = t0 + 0) steht das Ergebnis<br />

ar aber fest <strong>und</strong> soll verbindlich, also reproduzierbar sein. Daraus folgt wie oben,<br />

daß nach <strong>der</strong> Messung <strong>der</strong> Zustandsvektor<br />

vorliegt.<br />

ν<br />

|ψ〉t=t0+0 = |ur〉.<br />

Mit dem Meßprozeß ist also notwendigerweise eine spontane Än<strong>der</strong>ung<br />

89


|ψ〉t=t0−0 = <br />

cν|uν〉 −→ |ψ〉t=t0+0 = |ur〉 (210)<br />

ν<br />

des Zustandsvektors verb<strong>und</strong>en. Diese Än<strong>der</strong>ung wird als Reduktion des Zustandsvektors<br />

bezeichnet. Da hierbei aus <strong>der</strong> Summe <strong>der</strong> |uν〉 ein Eigenvektor |ur〉 “herausgefiltert”<br />

wird, spricht man auch von einem Filterprozeß.<br />

Dieser Filterprozeß wird keineswegs durch die Schrödingergleichung beschrieben,<br />

er wird vielmehr ad hoc durchgeführt, sobald das Ergebnis ar <strong>der</strong> Messung feststeht.<br />

Natürlich liegt es wie<strong>der</strong> nahe, diese unberechenbare Zustandsän<strong>der</strong>ung auf<br />

die Wechselwirkung mit dem Meßgerät zurückzuführen. Wir werden jedoch sehen,<br />

daß eine solche Interpretation in manchen Fällen problematisch ist.<br />

Wir können dem Problem ausweichen, wenn wir uns konsequent auf unsere Interpretation<br />

<strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> beziehen: |ψ〉 beschreibt nicht ein physikalisches<br />

System an sich, son<strong>der</strong>n unsere Information über das System. Und diese Information<br />

än<strong>der</strong>t sich spontan durch einen Meßprozeß, genauer: durch die Kenntnisnahme<br />

des Meßresultats. Natürlich bringen wir genau damit den philosophischen<br />

Streit zwischen Positivisten <strong>und</strong> Realisten auf den Punkt: “Än<strong>der</strong>t sich das<br />

Weltall, wenn eine Maus es anschaut?” (Einstein).<br />

Nebenbei sei bemerkt, daß die Zustandsreduktion auch ein zweites Problem <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Naturphilosophie tangiert: Sie ist nicht zeitumkehrinvariant.<br />

5.3 Das Einstein-Podolsky-Rosen–Paradoxon<br />

Die positivistische Interpretation <strong>der</strong> Kopenhagener Schule ist letztlich unangreifbar,<br />

da sie sich von vornherein auf Aussagen über die Beobachtung beschränkt.<br />

Und die Aussagen <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> über die Beobachtung sind nach unserem<br />

heutigen Wissenstand uneingeschränkt richtig. Trotzdem ist diese Interpretation<br />

unbefriedigend: Die Beobachtung hängt eben doch davon ab, ob eine Maus<br />

die Welt anschaut o<strong>der</strong> nicht. Dabei sind die meisten Menschen einschließlich<br />

<strong>der</strong> Theoretiker, solange sie nicht gerade die <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong><br />

diskutieren, überzeugt, daß es unabhängig von <strong>der</strong> Beobachtung eine objektive<br />

Realität gibt.<br />

Einstein, <strong>der</strong> sich nie mit dem Kopenhagener Positivismus anfre<strong>und</strong>en konnte,<br />

war deshalb überzeugt, daß die <strong>Quantenmechanik</strong> zwar richtig aber nicht<br />

vollständig ist. Unmittelbar nach seiner Emigration veröffentlichte er zusammen<br />

mit seinen Mitarbeitern Podolsky <strong>und</strong> Rosen eine Arbeit 35 unter dem Titel<br />

“Can Quantum–Mechanical Description of Physical Reality Be Consi<strong>der</strong>ed Complete?”,<br />

in <strong>der</strong> er seine Überzeugung an einem berühmt gewordenen Paradoxon<br />

demonstrierte.<br />

35 A. Einstein, B. Podolsky and N. Rosen, Phys. Rev. 47, 777 (1935)<br />

90


Die Arbeit tangiert natürlich die Grenzen zur Philosophie <strong>und</strong> beginnt deshalb<br />

mit begrifflichen Klarstellungen. Einstein, Podolsky <strong>und</strong> Rosen – im folgenden<br />

kurz EPR genannt – wi<strong>der</strong>stehen dabei <strong>der</strong> gefährlichen Versuchung, den Begriff<br />

<strong>der</strong> Vollständigkeit definieren zu wollen. Vielmehr begnügen sie sich mit <strong>der</strong><br />

Formulierung einer notwendigen Bedingung <strong>für</strong> die Vollständigkeit einer physikalischen<br />

Theorie:<br />

• Every element of the physical reality must have a counterpart in the physical<br />

theory.<br />

Akzeptiert man diese Bedingung, bleibt zu klären, was unter einem Element <strong>der</strong><br />

physikalischen Realität zu verstehen ist. Auch hier verzichten ERP auf eine umfassende<br />

Definition <strong>und</strong> begnügen sich mit einem konstruktiven Kriterium:<br />

• If, without in any way disturbing a system, we can predict with certainty (i.e.<br />

with probability equal to unity) the value of a physical quantity, then there<br />

exists an element of physical reality corresponding to this physical quantity.<br />

Man beachte, daß dieses Kriterium gezielt bei <strong>der</strong> Interpretation <strong>der</strong> Unschärfe<br />

durch die Störung bei einer Messung ansetzt! Und genau in <strong>der</strong> Konstruktion<br />

einer strungsfreien Messung inkommensurabler Größen liegt auch <strong>der</strong> Kern des<br />

EPR Gedankenexperiments (s.u.).<br />

Angewendet auf physikalische Observable, <strong>der</strong>en Operatoren nicht vertauschen,<br />

folgern EPR:<br />

entwe<strong>der</strong>: ”The quantum–mechanical desription of reality given by the wave<br />

function is not complete”<br />

o<strong>der</strong>: ”When the operators corresponding to two physical quantities do not commute<br />

the two quantities cannot have simultaneous reality,”<br />

also kurz: Entwe<strong>der</strong> ist die <strong>Quantenmechanik</strong> unvollständig o<strong>der</strong> konjugierte Observable<br />

wie x <strong>und</strong> p besitzen keine simultane Realität.<br />

Das konkrete Gedankenexperiment von EPR ist in dem Kasten auf <strong>der</strong> folgenden<br />

Seite dargestellt. Wir beziehen uns hier auf eine einfachere Variante, die auf Bohm<br />

zurückgeht36 . Bohm betrachtet zwei Spin 1<br />

2 –Teilchen, die aus dem Zerfall eines<br />

Teilchens mit Spin 0 hervorgehen. Da <strong>der</strong> Gesamtspin 0 erhalten bleibt, ist <strong>der</strong><br />

Spin <strong>der</strong> Teilchen 1 <strong>und</strong> 2 immer antiparallel. Messe ich also am Teilchen 1 die<br />

Spinkomponente s1ν <strong>und</strong> finde aν (= ±¯h/2), so weiß ich mit Sicherheit, daß ich<br />

bei Teilchen 2 die Spinkomponente s2ν = −aν finden werde.<br />

36 D. Bohm, Quantum Theory (Sec. 22.16), Prantice–Hall Inc., Englewood Cliffs (N.J.) 1951.<br />

91


Die Originalversion des EPR–Gedankenexperiments<br />

Zwei (eindimensionale) Teilchen wechselwirken<br />

im Zeitintervall [0, T ] <strong>und</strong> werden<br />

zu einem späteren Zeitpunkt t > T<br />

durch eine Wellenfunktion ψ(x1, x2) beschrieben.<br />

Diese Wellenfunktion können<br />

wir in <strong>der</strong> Form<br />

ψ(x1, x2) = <br />

ϕν(x2)uν(x1) bzw.<br />

ψ(x1, x2) = <br />

χµ(x2)vµ(x1)<br />

ν<br />

µ<br />

nach den Eigenfunktionen uν eines Operators<br />

A bzw. vµ eines Operators B des<br />

Teilchens 1 entwickeln. Die Entwicklungen<br />

sind verschieden, wenn A <strong>und</strong> B nicht vertauschen.<br />

Und nun führen wir eine Messung<br />

am Teilchen 1 durch, ohne das Teilchen<br />

2 auf irgendeine Weise zu stören; die<br />

Teilchen stehen ja nicht mehr miteinan<strong>der</strong><br />

in Wechselwirkung! Für die daraus folgende<br />

Reduktion <strong>der</strong> Wellenfunktion können<br />

wir zwei Fälle unterscheiden:<br />

1. Wir messen die Observable A, finden<br />

das Resultat ak <strong>und</strong> erhalten die neue<br />

Wellenfunktion ϕk(x2)uk(x1).<br />

2. Wir messen die Observable B, finden<br />

das Resultat br <strong>und</strong> erhalten die neue Wellenfunktion<br />

χr(x2)vr(x1).<br />

Wir müssen dem Teilchen 2 <strong>für</strong> sich allein<br />

betrachtet also je nach <strong>der</strong> Messung am<br />

Teilchen 1 zwei verschiedene Wellenfunktionen<br />

ϕk(x2) <strong>und</strong> χr(x2)<br />

zubilligen. Das Paradoxon wird komplett,<br />

wenn man annimmt (s. u.), daß ϕk(x2)<br />

<strong>und</strong> χr(x2) Eigenfunktionen nicht vertauschbarer<br />

Operatoren P <strong>und</strong> Q des<br />

Teilchens 2 sind. Dann können wir uns<br />

nämlich durch eine Messung am Teilchen<br />

1, also ohne das Teilchen 2 auf irgendeine<br />

Weise zu stören, entwe<strong>der</strong> den scharfen<br />

Wert p von P o<strong>der</strong> den scharfen Wert<br />

q von Q beschaffen. P <strong>und</strong> Q sollten also<br />

nach dem EPR–Realitätskriterium simultane<br />

Elemente <strong>der</strong> Realität sein.<br />

92<br />

Allerdings sind sie nicht – we<strong>der</strong> direkt<br />

noch auf dem Umweg über Teilchen 1 –<br />

simultan meßbar. Daraus schließen EPR,<br />

daß die <strong>Quantenmechanik</strong> unvollständig<br />

ist.<br />

Zur Bestätigung <strong>der</strong> entscheidenden Arbeitshypothese,<br />

daß ϕk(x2) <strong>und</strong> χr(x2)<br />

tatsächlich Eigenfunktionen nicht vertauschbarer<br />

Operatoren sein können, gehen<br />

EPR von <strong>der</strong> speziellen Wellenfunktion<br />

ψ(x1, x2) = 2π¯hδ(x1 − x2 + x0) =<br />

∞<br />

−∞<br />

e i<br />

¯h (x1−x2+x0)p dp .<br />

aus. Sie beschreibt ein System von zwei<br />

Teilchen mit scharfer Relativkoordinate<br />

x2−x1 = x0. Dementsprechend ist <strong>der</strong> Relativimpuls<br />

völlig unbestimmt, während<br />

<strong>der</strong> Gesamtimpuls (= 0, s. u.) wie<strong>der</strong> bekannt<br />

ist.<br />

Ist nun A <strong>der</strong> Impuls des Teilchens 1, so<br />

erhält man die Eigenfunktionen up(x1) =<br />

e i<br />

¯h x1p zum Eigenwert p. Das liefert die<br />

Entwicklung<br />

<br />

ψ(x1, x2) = ϕp(x2)up(x1)dp mit<br />

i −<br />

ϕp(x2) = e ¯h (x2−x0)p .<br />

Die Entwicklungskoeffizienten ϕp(x2) sind<br />

aber gerade die Eigenfunktionen des Impulsoperators<br />

P = −i¯h∂/∂x2 des Teilchens<br />

2 zum Eigenwert −p. Daher haben<br />

wir einen scharfen Gesamtimpuls p +<br />

(−p) = 0.<br />

Ist an<strong>der</strong>erseit B <strong>der</strong> Ort des Teilchens<br />

1, so erhält man die Eigenfunktionen<br />

vx(x1) = δ(x1 − x) zum Eigenwert x. Daraus<br />

folgt die Entwicklung<br />

<br />

ψ(x1, x2) = χx(x2)vx(x1)dx mit<br />

χx(x2) = 2π¯hδ(x − x2 + x0).<br />

Die Entwicklungskoeffizienten χx(x2) sind<br />

also die Eigenfunktionen des Ortsoperators<br />

Q = x2 des Teilchens 2 zum Eigenwert<br />

x + x0.


Da sich <strong>der</strong> Experimentator nach dem Zerfall, also zu einer Zeit, wo er das Teilchen<br />

2 in keiner Weise stört, frei entscheiden kann, welche Spinkomponente des<br />

Teilchens 1 er mißt, schließt er mit EPR, daß sämtliche Spinkomponenten des<br />

Teilchens 2 wohldefiniert vorliegen müssen: Die Information darüber ist ja offenbar<br />

in dem separierten Teilchen 1 “gespeichert”. Alle Spinkomponenten des<br />

Teilchens 2 sind also Elemente <strong>der</strong> physikalischen Realität im Sinne des oben<br />

formulierten EPR–Kriteriums.<br />

Da <strong>der</strong> Spin den Rechenregeln des Drehimpulses folgt, gestattet die <strong>Quantenmechanik</strong><br />

aber jeweils nur die Festlegung einer Spinkomponente, <strong>und</strong> EPR schließen<br />

folglich, daß die <strong>Quantenmechanik</strong> nicht vollständig ist. Dieses Paradoxon wirft<br />

bis heute ernsthafte Probleme auf, <strong>und</strong> B. d’ Espagnat bemerkt: “Kein Theoretiker,<br />

<strong>für</strong> den die Physik mehr ist als <strong>der</strong> Vorwand zu einem schönen Formalismus,<br />

kann sich unserer Ansicht nach nicht davon betroffen fühlen.”<br />

Bohrs Antwort zu EPR erschien postwendend unter dem selben Titel 37 . Im Gegensatz<br />

zu <strong>der</strong> kompakten <strong>und</strong> einleuchtend erscheinenden Darstellung von EPR<br />

macht Bohr es dem Leser jedoch nicht ganz leicht, die klare Entgegnung zum<br />

Kern des Paradoxons zu erkennen. Er wie<strong>der</strong>holt die Kopenhagener Positionen<br />

<strong>und</strong> versucht, diese Interpretation durch eine detaillierte <strong>und</strong> spitzfindige Diskussion<br />

verschiedener Experimente zu verdeutlichen.<br />

Die eigentliche Kritik Bohrs setzt beim EPR–Kriterium <strong>für</strong> physikalische Realität<br />

ein. Bohr billigt nämlich inkommensurablen Observablen keine simultane<br />

Realität zu, da sie nicht simultan beobachtbar sind (Positivismus!).<br />

Es ist also nicht nur überflüssig (Feynman) nach dem Ort <strong>und</strong> dem Impuls eines<br />

Teilchens zu fragen, son<strong>der</strong>n sinnlos, da Ort <strong>und</strong> Impuls keine a priori Realität zukommt.<br />

Sie werden vielmehr erst durch den Meßprozeß realisiert, <strong>und</strong> die Aussage<br />

“Der Experimentator hätte ja auch die komplementäre Variable messen können”,<br />

ist eben kein Meßprozeß. (Daß einem präzise vorhersagbaren Phänomen nicht<br />

notwendigerweise eine von den Beobachtungsbedingungen unabhängige a priori–<br />

Existenz zukommt, mag man sich am Schatten klarmachen!)<br />

Ein Gedicht ist lediglich eine mehr o<strong>der</strong> weniger unregelmäßige Verteilung von<br />

Druckerschwärze auf weißem Papier, solange kein Bewußtsein das Zeichenmuster<br />

aufnimmt, interpretiert <strong>und</strong> damit zum Gedicht macht. Und ebenso wird eine<br />

Meßgröße erst durch den Meßvorgang (einschließlich <strong>der</strong> Kenntnisnahme des Resultats)<br />

“verwirklicht”. Da es aber keinen Meßvorgang gibt, <strong>der</strong> x <strong>und</strong> p (o<strong>der</strong><br />

sämtliche Spinkomponenten) simultan “verwirklicht”, kommt ihnen auch keine<br />

simultane Realität zu. Diese positivistische Geisteshaltung, die zu Beginn des<br />

zwanzigsten Jahrhun<strong>der</strong>ts “in Mode kam”, wird schön durch ein Gedicht Christian<br />

Morgensterns 38 dokumentiert:<br />

37 N. Bohr, Phys. Rev. 48, 696 (1935)<br />

38 1867–1914; aus Palma Kunkel (1916).<br />

93


Tief im dunklen Walde steht er,<br />

<strong>und</strong> auf ihm mit schwarzer Farbe,<br />

daß des Wandrers Geist nicht darbe:<br />

Drei<strong>und</strong>zwanzig Kilometer.<br />

Der Meilenstein<br />

Ja, noch weiter vorgestellt:<br />

Was wohl ist er ungesehen?<br />

ein uns völlig fremd Geschehen.<br />

Erst das Auge schafft die Welt.<br />

5.4 Schrödinger <strong>und</strong> seine Katze<br />

Seltsam ist <strong>und</strong> schier zum Lachen,<br />

daß es diesen Text nicht gibt,<br />

wenn es keinem Blick beliebt,<br />

ihn durch sich zu Text zu machen.<br />

Auch Schrödinger war Anhänger des Realismus. Ihm hatte anfänglich eine<br />

reine Wellentheorie <strong>der</strong> Materie vorgeschwebt, in <strong>der</strong> Teilchen durch Wellenpakete<br />

repräsentiert sind. Von dieser Lieblingsvorstellung mußte er jedoch abrücken,<br />

da außer beim harmonischen Oszillator alle Wellenpakete im Laufe <strong>der</strong> Zeit auseinan<strong>der</strong>laufen.<br />

Im Jahr 1935 – kurz nach EPR – publizierte er einen Aufsatz 39<br />

“Über die gegenwärtige Situation in <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong>”, in dem die gesamte<br />

Problematik scharfsinnig analysiert <strong>und</strong> ausgezeichnet dargestellt ist.<br />

Schrödinger weist zunächst darauf hin, daß die <strong>Quantenmechanik</strong> mit Begriffen<br />

arbeitet, die dem klassischen Modell (Ort, Impuls, . . . ; Bohrs Korrespondenzprinzip!)<br />

ohne Modifikation entnommen sind. Sie verwendet aber stets nur genau<br />

eine Hälfte des klassischen Variablensatzes 40 <strong>und</strong> bringt so statistische Aussagen<br />

ins Spiel. Die ψ–Funktion repräsentiert daher einen Erwartungskatalog. Dabei<br />

kann die <strong>Quantenmechanik</strong> aber nicht einfach als Theorie eines klassischen Ensembles<br />

verstanden werden. Denn damit ließe sich we<strong>der</strong> verstehen, warum etwa<br />

<strong>der</strong> Drehimpuls von jedem Koordinatenursprung aus gequantelt erscheint noch<br />

ließe sich eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit im klassisch verbotenen Bereich erklären.<br />

Einen empirischen Standpunkt lehnt Schrödinger nicht gr<strong>und</strong>sätzlich ab, verwahrt<br />

sich aber dagegen, ihn “als Diktator zur Hilfe zu rufen in den Nöten physikalischer<br />

Methodik”. Damit ist <strong>der</strong> Vollständigkeitsanspruch Kopenhagens angesprochen.<br />

Er geht auch bereits auf EPR ein <strong>und</strong> bettet die Diskussion in eine<br />

sorgfältige Analyse von Meßprozeß <strong>und</strong> maximaler Kenntnis. Die Zustandsreduktion<br />

– nach Schrödinger <strong>der</strong> interessanteste Punkt <strong>der</strong> Theorie – wird als<br />

geän<strong>der</strong>ter Erwartungskatalog interpretiert.<br />

Was die Arbeit jedoch berühmt gemacht hat, ist die Konstruktion eines “burlesken<br />

Falles”, <strong>der</strong> ein neues Paradoxon aufzeigt: Schrödingers Katze.<br />

39 E.Schrödinger, Die Naturwissenschaften 23, 807 <strong>und</strong> 844 (1935).<br />

40 Man beachte dabei die Analogie <strong>und</strong> den Unterschied zur Hamilton–Jakobi–Theorie.<br />

94


Eine Katze wird in einen <strong>und</strong>urchsichtigen Kasten gesperrt, in dem ein radioaktives<br />

Präparat über einen Geigerzähler einen Hammermechanismus auslösen kann,<br />

<strong>der</strong> eine Ampulle mit Blausäure zerschlägt. Nach einer St<strong>und</strong>e sei die Katze mit<br />

<strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit 1<br />

2 vergiftet.<br />

Die <strong>Quantenmechanik</strong> beschreibt das System mit einem Zustandsvektor, <strong>der</strong> die<br />

Wahrscheinlichkeit 1 korrekt angibt. Erst nach Öffnen des Deckels (Messung!)<br />

2<br />

wird <strong>der</strong> Zustand reduziert <strong>und</strong> beschreibt die lebendige o<strong>der</strong> die tote Katze.<br />

Kann diese Beschreibung vollständig sein? Ist die Katze nicht auch vor dem Öffnen<br />

des Deckels entwe<strong>der</strong> lebendig o<strong>der</strong> tot? Ein ganz konsequenter Kopenhagener<br />

muß diese Frage als sinnlos ablehnen. Allen weniger konsequenten Menschen<br />

bleibt nur <strong>der</strong> Ausweg über eine Ensemble–Interpretation. Die aber ist (s. o.) <strong>für</strong><br />

die mikroskopischen Quantensysteme zumindest zweifelhaft.<br />

5.5 Verborgene Parameter <strong>und</strong> Bohms Interpretation<br />

Die statistische Interpretation <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> ist mit einem deterministischen<br />

Weltbild vereinbar, wenn man annimmt, daß alle “Zufälligkeiten” auf<br />

den zufälligen Konstellationen verborgener Parameter beruhen. Solche verborgenen<br />

Parameter benutzt ja auch die klassische <strong>Statistik</strong>, etwa die Koordinaten<br />

<strong>und</strong> Impulse sämtlicher Moleküle in <strong>der</strong> kinetischen Gastheorie. Entsprechende<br />

Bestrebungen in <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> wurden jedoch zunächst aufgegeben, als<br />

von Neumann 1932 bewiesen hatte 41 , daß eine deterministische Beschreibung<br />

mit irgendwie gearteten verborgenen Parametern gr<strong>und</strong>sätzlich mit <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong><br />

unvereinbar ist. Interessanterweise wird dieser Beweis we<strong>der</strong> von EPR<br />

<strong>und</strong> Schrödinger noch von Bohr erwähnt. Aus heutiger Sicht ist <strong>der</strong> Beweis<br />

nicht zwingend, da die Voraussetzungen zu eng gefaßt sind (Bell 1966).<br />

Auch Bohm ging nicht auf von Neumanns Satz ein, als er 1952 unter dem Titel<br />

”A suggested interpretation of the quantum theory in terms of hidden variables”<br />

eine deterministische Interpretation <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong> entwarf 42 . Dazu ging<br />

er von <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

i¯h ∂ψ<br />

∂t<br />

aus <strong>und</strong> formte sie über den Phasenansatz<br />

¯h2<br />

= − ∆ψ + V (x)ψ (211)<br />

2m<br />

ψ(x, t) = ρ 1<br />

<br />

i<br />

2 (x, t) exp S(x, t)<br />

¯h<br />

(212)<br />

41 J. von Neumann, Mathematische <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong>, Springer, Berlin 1932<br />

42 D. Bohm, Phys. Rev. 85, 166 (1952).<br />

95


in das gekoppelte Gleichungssystem<br />

∂S<br />

∂t<br />

+ (∇S)2<br />

2m<br />

<br />

∂ρ<br />

+ ∇ · ρ<br />

∂t ∇S<br />

<br />

m<br />

¯h2<br />

+ V −<br />

4mρ2 <br />

ρ∆ρ − 1<br />

2 (∇ρ)2<br />

<br />

= 0 (213)<br />

= 0 (214)<br />

<strong>für</strong> die beiden reellen Funktionen S <strong>und</strong> ρ um. Dabei ist ρ = ψ ∗ ψ die quantenmechanische<br />

Wahrscheinlichkeitsdichte.<br />

Für ¯h → 0 geht Gl.(214) in die Hamiltonsche partielle Differentialgleichung 43 <strong>der</strong><br />

klassischen Mechanik über, wobei S = Ldt die Wirkungsfunktion ist. Mit<br />

p = ∇S bzw. v = ∇S<br />

m<br />

erkennt man dazu in Gl.(213) die Kontinuitätsgleichung.<br />

Bohms Idee bestand nun darin, diese klassische Beschreibung auch <strong>für</strong> ¯h = 0<br />

beizubehalten. Dazu ergänzte er das klassische Potential V (x) durch das “Quantenpotential”<br />

U(x, t) = − ¯h2<br />

4mρ2 <br />

ρ∆ρ − 1<br />

2 (∇ρ)2<br />

<br />

. (215)<br />

Dieses Quantenpotential ist im allgemeinen eine rasch verän<strong>der</strong>liche Funktion<br />

des Ortes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zeit. Daraus resultieren starke, schwer überschaubare “Quantenkräfte”,<br />

die <strong>für</strong> sämtliche Quanteneffekte verantwortlich sind. ρ o<strong>der</strong> die ψ–<br />

Funktion wirkt also wie ein Feld <strong>der</strong> klassischen Physik, welches das Teilchen<br />

“führt”. Eine ähnliche Idee hatte de Broglie bereits 1928 entwickelt, sie aber<br />

nach anfänglichen Schwierigkeiten nicht weiter verfolgt.<br />

In dieser Interpretation wird mit jedem quantenmechanischen Teilchen ein klassisches<br />

Teilchen assoziiert, das exakt definierte <strong>und</strong> kontinuierlich variierende Orts<strong>und</strong><br />

Impulswerte besitzt, die uns nur nicht bekannt sind (verborgene Parameter!).<br />

Die ψ–Funktion spielt eine doppelte Rolle: Sie wirkt einerseits auf dieses Teilchen<br />

wie ein Feld <strong>der</strong> klassischen Physik. An<strong>der</strong>erseits repräsentiert sie ein statistisches<br />

Ensemble mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeitsdichte ρ = |ψ| 2 , das unsere Unkenntnis wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />

Die <strong>Statistik</strong> ist also nicht a priori inhärent, son<strong>der</strong>n stellt nur eine<br />

praktische Notwendigkeit dar, da wir die Anfangsorte <strong>und</strong> Anfangsgeschwindigkeiten<br />

nicht kennen.<br />

43 Dieser Zusammenhang ist nicht neu <strong>und</strong> wurde verschiedentlich genutzt, um die klassische<br />

Mechanik mit <strong>der</strong> geometrischen Optik zu vergleichen.<br />

96


Bohm diskutiert eine Reihe von Beispielen, an denen er seine Interpretation illustriert.<br />

So ist in stationären Zuständen das Teilchen tatsächlich in Ruhe, da sich<br />

die klassische Kraft <strong>und</strong> die Quantenkraft gegenseitig aufheben. Beim Tunneleffekt<br />

ermöglichen die starken Schwankungen des Quantenpotentials, das Barriere–<br />

“Gebirge” in engen “Schluchten” <strong>und</strong> “Kanälen” zu durchqueren. Diese Beispiele<br />

machen deutlich, daß alle Quanteneffekte mit Bohms Interpretation verträglich<br />

sind. Das ist auch nicht verwun<strong>der</strong>lich, da die Interpretation ja auf <strong>der</strong> Schrödingergleichung<br />

basiert. Gerade hier liegt aber auch ihre Schwäche: Diese Interpretation<br />

ist prinzipiell nicht beweisbar <strong>und</strong> damit aus Kopenhagener Sicht überflüssig:<br />

Liefert sie doch kein Ergebnis, das von <strong>der</strong> üblichen <strong>Quantenmechanik</strong> abweicht.<br />

Immerhin zeigt sie – <strong>und</strong> allein das ist verdienstvoll genug – daß entgegen dem<br />

Kopenhagener Verbot deterministische Interpretationen möglich sind. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e wurde sie auch in den 1990er Jahren neu aufgegriffen <strong>und</strong> erlebte<br />

eine kleine Renaissance.<br />

Wer aber in Bohms Interpretation die wahre realistische Lösung <strong>der</strong> quantenmechanischen<br />

Gr<strong>und</strong>probleme sehen möchte, dem sei doch ein bitterer Wermutstropfen<br />

in den süßen Wein gegossen: Man kommt ja nicht umhin, in <strong>der</strong> ψ–<br />

Funktion auch den Erwartungskatalog Schrödingers zu sehen, <strong>der</strong> den subjektiven<br />

Kenntnisstand wi<strong>der</strong>spiegelt: Daß dieser Kenntnisstand nun das Kraftfeld<br />

modifizieren soll, dem das Teilchen ausgesetzt ist, scheint doch wie<strong>der</strong> ins Reich<br />

<strong>der</strong> Magie zu führen.<br />

5.6 Lokalität <strong>und</strong> Bellsche Ungleichung<br />

Daß im EPR–Experiment die Messung am Teilchen 1 das Teilchen 2 in keiner<br />

Weise stört, wird aus <strong>der</strong> räumlichen Trennung gefolgert. Die anhaltende Diskussion<br />

des EPR-Paradoxons brachte daher in den folgenden Jahrzehnten die<br />

Gesichtspunkte <strong>der</strong>“Lokalität” <strong>und</strong> “Separabilität” ins Spiel: Sind räumlich getrennte,“nicht<br />

mehr wechselwirkende” Systeme wirklich völlig unabhängig voneinan<strong>der</strong><br />

<strong>und</strong> können separat betrachtet werden?<br />

Einstein wies mit Recht darauf hin, daß die Annahme <strong>der</strong> Separabilität räumlich<br />

getrennter Systeme eine notwendige Voraussetzung ist, überhaupt Physik zu<br />

betreiben <strong>und</strong> Naturgesetze zu formulieren. An<strong>der</strong>erseits ist die deterministische<br />

Bohmsche Interpretation sicherlich nicht lokal (Bell 1966): Die ψ–Funktion als<br />

“Feld” <strong>der</strong> Quantenkraft verschwindet nicht, wenn <strong>der</strong> Abstand <strong>der</strong> Teilchen groß<br />

wird. Und auch <strong>der</strong> Doppelspaltversuch, bei dem das Elektron “weiß”, ob <strong>der</strong> “an<strong>der</strong>e”<br />

Spalt geöffnet ist, legt eine Nicht–Lokalität physikalischer Erscheinungen<br />

nahe.<br />

Bell 44 entwickelte nun einen Gedanken, <strong>der</strong> die Frage nach <strong>der</strong> Lokalität <strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />

Separabilität experimentell entscheidbar macht. Dieser Gedanke geht von <strong>der</strong><br />

44 J. Bell, Physics 1,195 (1965)<br />

97


Bohmschen Version des EPR–Versuchs (Abschnitt 5.3) aus: Die beiden EPR–<br />

Teilchen seien Spin 1 –Teilchen, die aus dem Zerfall eines Teilchens mit Spin 0<br />

2<br />

hervorgehen. Wie im Abschnitt 5.3 besprochen, kann <strong>der</strong> Experimentator nach<br />

dem Zerfall, also zu einer Zeit, wo er das Teilchen 2 in keiner Weise stört, durch<br />

eine entsprechende Messung am Teilchen 1 frei entscheiden, welche Spinkomponente<br />

des Teilchens 2 er bestimmen möchte. Er schließt also mit EPR, daß<br />

sämtliche Spinkomponenten des Teilchens 2 wohldefiniert vorliegen müssen.<br />

Wir nehmen daher an, daß beide Teilchen einen wohldefinierten vektoriellen<br />

Spin 45 besitzen <strong>und</strong> untersuchen die x–y–Komponenten des Spins von Teilchen<br />

1 mit einem Analysator A1. Der Analysator wird in <strong>der</strong> Stellung α das Teilchen<br />

1 nur durchlassen, wenn s1α = +¯h/2 ist. Wir fragen nun mit Bell nach den<br />

Wahrscheinlichkeiten<br />

w(α1, α2, . . . |γ1, γ2, . . .) (216)<br />

da<strong>für</strong>, daß Teilchen 1 bei den Stellungen α1, α2, . . . von A1 durchgelassen wird,<br />

bei den Stellungen γ1, γ2, . . . dagegen nicht. Offenbar gilt <strong>für</strong> jedes β<br />

w(α|γ) = w(α|β, γ) + w(α, β|γ) ,<br />

denn in <strong>der</strong> Stellung β wird das Teilchen entwe<strong>der</strong> durchgelassen o<strong>der</strong> nicht.<br />

Außerdem gilt selbstverständlich<br />

w(α|β, γ) ≤ w(α|β) <strong>und</strong> w(α, β|γ) ≤ w(β|γ) .<br />

Daraus folgt bereits die berühmte Bellsche Ungleichung<br />

w(α|γ) ≤ w(α|β) + w(β|γ) . (217)<br />

Diese Ungleichung basiert wohlgemerkt auf <strong>der</strong> Annahme, daß die Teilchen einen<br />

wohldefinierten Spin besitzen, <strong>der</strong> unabhängig vom Experimentator <strong>und</strong> vom Rest<br />

<strong>der</strong> Welt festliegt. Vom empiristischen Standpunkt <strong>der</strong> Quantentheorie macht es<br />

nämlich überhaupt keinen Sinn, nach den Wahrscheinlichkeiten (216) zu fragen,<br />

da nur eine Messung mit genau einer Stellung des Analysators wirklich ausgeführt<br />

werden kann – mit einer entscheidenden Ausnahme:<br />

Die zwei–argumentigen Wahrscheinlichkeiten <strong>der</strong> Bellschen Ungleichung (217)<br />

lassen sich auch quantenmechanisch definieren. w(α|β) ist nämlich wegen <strong>der</strong><br />

antiparallelen Spins die Wahrscheinlichkeit da<strong>für</strong>, daß<br />

45 Dabei muß ich allerdings zugeben, daß ich mir einen Vektor, dessen Komponenten in jedem<br />

Koordinatensystem nur zwei diskrete Werte annehmen können, schwer vorstellen kann.<br />

98


- bei <strong>der</strong> Stellung α des Analysators A1 <strong>für</strong> Teilchen 1 <strong>und</strong><br />

- bei <strong>der</strong> Stellung β des Analysators A2 <strong>für</strong> Teilchen 2<br />

(siehe Skizze) beide Detektoren D1 <strong>und</strong> D2 ansprechen.<br />

D 1<br />

α<br />

A 1<br />

1<br />

Diese Wahrscheinlichkeit läßt sich quantenmechanisch berechnen <strong>und</strong> wird<br />

2<br />

A 2<br />

β<br />

D 2<br />

w(α|β) = 1 α − β<br />

sin2 . (218)<br />

2 2<br />

Wählt man speziell α = 0, β = π/4 <strong>und</strong> γ = π/2, so wird<br />

<strong>und</strong><br />

w(α|γ) = 1 π<br />

sin2<br />

2 4<br />

w(α|β) + w(β|γ) = 2 · 1 π<br />

sin2<br />

2 8<br />

= 0.25<br />

= 0.146 . . . .<br />

• Die <strong>Quantenmechanik</strong> verletzt also die Bellsche Ungleichung!<br />

Damit wird die EPR–Behauptung wohldefinierter Eigenschaften <strong>der</strong> separierten<br />

Teilchen nicht mehr lediglich ein Argument gegen die Vollständigkeit <strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n ein Argument gegen ihre Gültigkeit!<br />

Die Frage <strong>Quantenmechanik</strong> o<strong>der</strong> EPR–Aussage ist damit zu einer experimentell<br />

prüfbaren Frage geworden. Entsprechende Experimente sind in den vergangenen<br />

Jahrzehnten mehrfach durchgeführt worden <strong>und</strong> haben die Gültigkeit von (218)<br />

bestätigt <strong>und</strong> (217) wi<strong>der</strong>legt. Die EPR-Teilchen 1 <strong>und</strong> 2 können also trotz ihrer<br />

räumlichen Trennung nicht separiert geshen werden, ihre Zustände bleiben<br />

“verschränkt”.<br />

99


Literaturhinweise<br />

1. <strong>Quantenmechanik</strong> allgemein<br />

Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung dieser Vorlesung habe ich insbeson<strong>der</strong>e folgende Lehrbücher<br />

benutzt:<br />

a) A. Messiah: <strong>Quantenmechanik</strong>, Bd. 1, Walter de Gruyter, Berlin <strong>und</strong><br />

New York 1976<br />

b) L. Schiff: Quantum Mechanics, 3. Aufl., McGraw–Hill, New York 1968<br />

c) E. Fick: Einführung in die <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> <strong>der</strong> Quantentheorie, 2. Aufl.,<br />

AVG, Frankfurt 1972<br />

d) S.A. Davydov: <strong>Quantenmechanik</strong>, VEB Deutscher Verlag <strong>der</strong> Wissenschaften,<br />

Berlin 1978<br />

e) G. Süssmann: Einführung in die <strong>Quantenmechanik</strong>, <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong> I, BI<br />

Mannheim Band 9/9a<br />

Diese Aufstellung <strong>der</strong> Quellen ist nicht als spezielle Empfehlung zu verstehen.<br />

Je nach persönlichem Geschmack eignen sich alle üblichen Lehrbücher<br />

<strong>der</strong> <strong>Quantenmechanik</strong>, in Ergänzung zum Skriptum einzelne Probleme nachzulesen<br />

o<strong>der</strong> zu vertiefen. Erwähnen möchte ich speziell<br />

f) Th. Fließbach: Lehrbuch zur Theoretische Physik III, Spektrum Akad.<br />

Verlag, Heidelberg-Berlin 2000 (4. Auflage 2005)<br />

g) Gernot Münster: Quantentheorie, Walter de Gruyter Berlin - New York<br />

2006<br />

All diese Lehrbcher gehen natürlich im Umfang wesentlich über den Inhalt<br />

dieser <strong>Gr<strong>und</strong>lagen</strong>-Vorlesung hinaus.<br />

2. Zur Interpretation <strong>der</strong> Quantentheorie<br />

a) F. Selleri: Die Debatte um die Quantentheorie, Vieweg 1983<br />

b) K. Baumann & R. U. Sexl: Die Deutungen <strong>der</strong> Quantentheorie, Vieweg<br />

1984 (Nach einer knappen Darstellung <strong>der</strong> Problematik enthält dieses<br />

Buch 12 historisch wie inhaltlich bedeutsame Originalarbeiten.)<br />

3. Ergänzende Literatur<br />

Daneben empfehle ich, zum besseren Verständnis des physikalischen Hintergr<strong>und</strong>s<br />

einzelne Kapitel in den ausgezeichneten Feynman Lectures nachzulesen:<br />

100


Feynman/Leighton/Sands: Vorlesungen über Physik, Bd. 1 <strong>und</strong> 2, R. Oldenbourg<br />

Verlag München<br />

Schließlich sei noch auf ein popularwissenschaftliches Buch hingewiesen, das<br />

ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die übliche Kopenhagener Deutung<br />

darstellt <strong>und</strong> eine F<strong>und</strong>grube historischer Anmerkungen enthält:<br />

J. A. e Silva & G. Lochak: Wellen <strong>und</strong> Teilchen – Einführung in die <strong>Quantenmechanik</strong>,<br />

Fischer 6239 (1974)<br />

101

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