Schweizer Schule Singapur - SILBERFEDER

Schweizer Schule Singapur - SILBERFEDER Schweizer Schule Singapur - SILBERFEDER

30.09.2012 Aufrufe

… und ausserdem Schweizer Schule Singapur: die Lernoase am Dschungelrand Playgroup neben Palmen Franziska Hidber 26 3 • Juni 2006 In Singapurs öffentlichen Schulen lernen bereits Dreijährige nach strengem Regime Schreiben, Lesen, Rechnen. Die Swiss School indes setzt auf familiäre Atmosphäre, Freispiel, Qualität und ganzheitliches Tun – und fährt damit auf Erfolgskurs. Grün, grün, grün – so präsentiert sich die Landschaft rund um das rotweisse Schulgebäude, angelegt um einen Innenhof. Ein Eisvogel fliegt davon, ein blauer Schmetterling setzt sich auf ein Palmenblatt, die Vögel stimmen an zum Konzert, und im Office bereiten sich die Lehrkräfte auf den Unterricht vor. Englisch und Schweizerdeutsch vermischen sich, der Schulleiter neckt die Sekretärin, eine Lehrerin steht am Kopierer, zwei weitere besprechen den Ablauf, der Ventilator dröhnt und draussen misst das Thermometer 29 schwüle Grad. Ein gewöhnlicher Morgen kurz vor Unterrichtsbeginn an einer ungewöhnlichen Schule an einem ungewöhnlichen Ort. Wer hierher kommt, versteht, weshalb im Prospekt von «Lernoase» die Rede ist: Singapurs Wolkenkratzer, Shoppingzentren, Verkehr und das ganze Business sind weit, weit weg. Umso näher ist der Dschungel. Lernoase ist die Schweizer Schule auch, weil sie das Freispiel hoch gewichtet, ganzheitlich und ab der Vorschule zweisprachig unterrichtet. Und weil sie längstens praktiziert, wovon wir wohl noch lange träumen: Der Frühbereich («Early Childhood Education», Bildung und Erziehung ab zwei Jahren, vgl. Kasten) ist ganz selbstverständlich in die Schule integriert. Das schlägt sich auch in den Begriffen nieder: «Teacher» heissen hier alle Lehrkräfte, egal, ob sie nun bei den «Little Tots», der Playgroup, im Kindergarten, der Vor- oder der Primarschule tätig sind. Ein grosser Raum mit viel Licht und einer Galerie; Bäbiegge, Verkaufsladen, Kleider zum Verkleiden, Werktisch, Maltisch, ein kleiner Bauernhof mit allem Zubehör, Zeichnungen an der Wand – der Blick in die Playgroup eins offenbart Vertrautes. Die erste Freispielphase ist eben beendet, und die Kinder aus vielen verschiedenen Nationen versammeln sich im Stuhlkreis – auf Schweizer Holzstühlen notabene. «Unser Merkmal», lacht Schulleiter Johannes Furrer, «die öffentlichen Schulen haben Mobiliar und Spielzeug aus Plastik.» Wie jeden Tag beginnen sie die «Circle Time» (die geführte Aktivität) mit einem Morgenlied und zählen die Kinder. «Heute werden wir uns aufteilen», sagt Teacher Jo Yap-Ko zu den erwartungsvollen Mädchen und Buben und bildet zwei Gruppen. «Ihr geht zuerst mit Usha in die Pause nach draussen, und wir verzieren das Muttertagsgeschenk», flüstert sie geheimnisvoll und legt Holzkistchen auf den Boden. Sie leuchten in Pink, Blau und Grün; die Kinder haben sie gestern bemalt. Jo Yap-Ko zaubert Pailletten in allen Farben und Formen hervor. «Oh, I like pink!», ruft ein blondes Mädchen; und ein Junge interessiert sich besonders für die grossen, grünen Blätter. Gemeinsam benennen sie die Farben und Sujets. «Das ist wichtig, damit die Kinder ihren Wortschatz erweitern», erklärt die Spielgruppenleiterin, pardon, the teacher. Sie spricht langsam und sehr deutlich. Am grossen Werktisch wählt jedes Kind seine Pailletten aus. Adrien befördert Unmengen an seinen Platz, Jo Yap-Ko greift ein: «Das sind zu viele. Schau, sonst reicht es für die andern nicht mehr. Bitte, leg die Hälfte wieder zurück.» Was Adrien ohne Widerrede tut, wofür er ein «Thank you» erntet. Das soziale Lernen geniesst einen hohen Stellenwert. Keine Aufforderung ohne «please», und nie, nie vergessen die Lehrpersonen das «Thank you». Wie in Schweizer Spielgruppen gilt der Grundsatz nach Maria Montessori: «Hilf mir, es selbst zu tun.» Jo Yap-Ko bestätigt: «Wir helfen, wenn ein Kind Hilfe benötigt – und nur dann.» Das erklärt, weshalb die Kinder so selbstständig und geschickt mit Leim und Pailletten umgehen – konzentriert, emsig, engagiert. Das freie Werken und Malen steht im Vordergrund, doch zu besonderen Anlässen steht schon mal eine gemeinsame Werkarbeit auf dem Programm. Und der Muttertag ist ein wichtiger Tag für die Playgroup-Kids: Am grossen Fest am Strand überreichen sie ihrer «Mom» das Geschenk, dem sie jetzt gerade den letzten Schliff geben, jedes auf seine Art. Adrien hat sein Kontingent schnell verteilt und geleimt, nun zieht es ihn auf die Galerie, zum grossen Rollenspiel. Schon bald ist Geschrei zu hören, Gepolter. Jo Yap-Ko greift ein: «Bitte leiser, wir können sonst hier nicht arbeiten.» Das Early Childhood Education Entwicklungsbereiche: Sinneswahrnehmung, Motorik, Sprache, soziale und emotionale Kompetenz, kognitive Entwicklung, Kreativität. Little Tots Alter: ab 2 Jahren Dauer: 9 bis 12 Uhr (zwei-, drei- oder fünfmal die Woche) Inhalt: vorwiegend Freispiel, Malen, Werken, einfache Lieder und Verse, einfache Themen (zum Beispiel «mein Köper») Leitung: zwei Leiterinnen, eine Assistentin Sprache: Englisch Playgroup Alter: ab 3 Jahren und 4 Monaten Dauer: 8.45 bis 12.30 Uhr Inhalt: vorwiegend Freispiel, freies Werken und Gestalten, pro Tag eine geführte Aktivität von ca. 30 bis 45 Minuten, Sach- und Fantasiethemen, Turnen, Schwimmen, Exkursionen, Feste, Kochen, Backen Leitung: eine ausgebildete Lehrerin, eine Assistentin Sprache: Englisch, eine Viertelstunde Deutsch pro Woche Kindergarten Alter: ab 4½ Jahren Dauer: 8.45 bis 12.30 Uhr Inhalt: vermehrt Sachthemen, vermehrt gemeinsame Aktivitäten (ca. 45 Minuten), ergänzt mit Freispiel, Turnen, Schwimmen, Exkursionen, Festen, Kochen, Backen, Musik, Malen, Werken. Sprache: Englisch, eine Viertelstunde Deutsch pro Woche Leitung: eine ausgebildete Lehrkraft, eine Assistentin Mit ca. 5½ Jahren (entscheidend ist der Stichtag) wechseln die Kinder in die Vorschule, wo sie von zwei Lehrpersonen und zweisprachig auf die Schule vorbereitet werden. In der 1. Klasse wird das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache eingeführt. Mit zunehmendem Alter werden mehr Fächer auf Englisch unterrichtet, um einen reibungslosen Übergang von der 6. Klasse ins englischsprachige United World College zu ermöglichen. 3 • Juni 2006 27

… und ausserdem<br />

<strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Singapur</strong>: die Lernoase am Dschungelrand<br />

Playgroup neben Palmen<br />

Franziska Hidber<br />

26 3 • Juni 2006<br />

In <strong>Singapur</strong>s öffentlichen <strong>Schule</strong>n lernen bereits Dreijährige nach<br />

strengem Regime Schreiben, Lesen, Rechnen. Die Swiss School indes<br />

setzt auf familiäre Atmosphäre, Freispiel, Qualität und ganzheitliches<br />

Tun – und fährt damit auf Erfolgskurs.<br />

Grün, grün, grün – so präsentiert<br />

sich die Landschaft rund um das rotweisse<br />

Schulgebäude, angelegt um einen<br />

Innenhof. Ein Eisvogel fliegt davon, ein<br />

blauer Schmetterling setzt sich auf ein<br />

Palmenblatt, die Vögel stimmen an zum<br />

Konzert, und im Office bereiten sich die<br />

Lehrkräfte auf den Unterricht vor. Englisch<br />

und <strong>Schweizer</strong>deutsch vermischen<br />

sich, der Schulleiter neckt die Sekretärin,<br />

eine Lehrerin steht am Kopierer,<br />

zwei weitere besprechen den Ablauf, der<br />

Ventilator dröhnt und draussen misst<br />

das Thermometer 29 schwüle Grad. Ein<br />

gewöhnlicher Morgen kurz vor Unterrichtsbeginn<br />

an einer ungewöhnlichen<br />

<strong>Schule</strong> an einem ungewöhnlichen Ort.<br />

Wer hierher kommt, versteht, weshalb<br />

im Prospekt von «Lernoase» die Rede<br />

ist: <strong>Singapur</strong>s Wolkenkratzer, Shoppingzentren,<br />

Verkehr und das ganze Business<br />

sind weit, weit weg. Umso näher ist der<br />

Dschungel.<br />

Lernoase ist die <strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong><br />

auch, weil sie das Freispiel hoch gewichtet,<br />

ganzheitlich und ab der Vorschule<br />

zweisprachig unterrichtet. Und weil sie<br />

längstens praktiziert, wovon wir wohl<br />

noch lange träumen: Der Frühbereich<br />

(«Early Childhood Education», Bildung<br />

und Erziehung ab zwei Jahren, vgl.<br />

Kasten) ist ganz selbstverständlich in die<br />

<strong>Schule</strong> integriert. Das schlägt sich auch<br />

in den Begriffen nieder: «Teacher» heissen<br />

hier alle Lehrkräfte, egal, ob sie nun<br />

bei den «Little Tots», der Playgroup, im<br />

Kindergarten, der Vor- oder der Primarschule<br />

tätig sind.<br />

Ein grosser Raum mit viel Licht<br />

und einer Galerie; Bäbiegge, Verkaufsladen,<br />

Kleider zum Verkleiden, Werktisch,<br />

Maltisch, ein kleiner Bauernhof<br />

mit allem Zubehör, Zeichnungen an<br />

der Wand – der Blick in die Playgroup<br />

eins offenbart Vertrautes. Die erste Freispielphase<br />

ist eben beendet, und die<br />

Kinder aus vielen verschiedenen Nationen<br />

versammeln sich im Stuhlkreis<br />

– auf <strong>Schweizer</strong> Holzstühlen notabene.<br />

«Unser Merkmal», lacht Schulleiter Johannes<br />

Furrer, «die öffentlichen <strong>Schule</strong>n<br />

haben Mobiliar und Spielzeug aus<br />

Plastik.» Wie jeden Tag beginnen sie die<br />

«Circle Time» (die geführte Aktivität)<br />

mit einem Morgenlied und zählen die<br />

Kinder. «Heute werden wir uns aufteilen»,<br />

sagt Teacher Jo Yap-Ko zu den<br />

erwartungsvollen Mädchen und Buben<br />

und bildet zwei Gruppen. «Ihr geht zuerst<br />

mit Usha in die Pause nach draussen,<br />

und wir verzieren das Muttertagsgeschenk»,<br />

flüstert sie geheimnisvoll und<br />

legt Holzkistchen auf den Boden. Sie<br />

leuchten in Pink, Blau und Grün; die<br />

Kinder haben sie gestern bemalt.<br />

Jo Yap-Ko zaubert Pailletten in allen<br />

Farben und Formen hervor. «Oh, I like<br />

pink!», ruft ein blondes Mädchen; und<br />

ein Junge interessiert sich besonders für<br />

die grossen, grünen Blätter. Gemeinsam<br />

benennen sie die Farben und Sujets.<br />

«Das ist wichtig, damit die Kinder ihren<br />

Wortschatz erweitern», erklärt die Spielgruppenleiterin,<br />

pardon, the teacher. Sie<br />

spricht langsam und sehr deutlich. Am<br />

grossen Werktisch wählt jedes Kind seine<br />

Pailletten aus. Adrien befördert Unmengen<br />

an seinen Platz, Jo Yap-Ko greift ein:<br />

«Das sind zu viele. Schau, sonst reicht<br />

es für die andern nicht mehr. Bitte, leg<br />

die Hälfte wieder zurück.» Was Adrien<br />

ohne Widerrede tut, wofür er ein «Thank<br />

you» erntet.<br />

Das soziale Lernen geniesst einen<br />

hohen Stellenwert. Keine Aufforderung<br />

ohne «please», und nie, nie vergessen<br />

die Lehrpersonen das «Thank you».<br />

Wie in <strong>Schweizer</strong> Spielgruppen gilt der<br />

Grundsatz nach Maria Montessori: «Hilf<br />

mir, es selbst zu tun.» Jo Yap-Ko bestätigt:<br />

«Wir helfen, wenn ein Kind Hilfe<br />

benötigt – und nur dann.» Das erklärt,<br />

weshalb die Kinder so selbstständig und<br />

geschickt mit Leim und Pailletten umgehen<br />

– konzentriert, emsig, engagiert.<br />

Das freie Werken und Malen steht im<br />

Vordergrund, doch zu besonderen Anlässen<br />

steht schon mal eine gemeinsame<br />

Werkarbeit auf dem Programm. Und<br />

der Muttertag ist ein wichtiger Tag für<br />

die Playgroup-Kids: Am grossen Fest am<br />

Strand überreichen sie ihrer «Mom» das<br />

Geschenk, dem sie jetzt gerade den letzten<br />

Schliff geben, jedes auf seine Art.<br />

Adrien hat sein Kontingent schnell<br />

verteilt und geleimt, nun zieht es ihn<br />

auf die Galerie, zum grossen Rollenspiel.<br />

Schon bald ist Geschrei zu hören, Gepolter.<br />

Jo Yap-Ko greift ein: «Bitte leiser, wir<br />

können sonst hier nicht arbeiten.» Das<br />

Early Childhood Education<br />

Entwicklungsbereiche: Sinneswahrnehmung, Motorik,<br />

Sprache, soziale und emotionale Kompetenz, kognitive<br />

Entwicklung, Kreativität.<br />

Little Tots<br />

Alter: ab 2 Jahren<br />

Dauer: 9 bis 12 Uhr (zwei-, drei- oder fünfmal die Woche)<br />

Inhalt: vorwiegend Freispiel, Malen, Werken, einfache Lieder<br />

und Verse, einfache Themen (zum Beispiel «mein Köper»)<br />

Leitung: zwei Leiterinnen, eine Assistentin<br />

Sprache: Englisch<br />

Playgroup<br />

Alter: ab 3 Jahren und 4 Monaten<br />

Dauer: 8.45 bis 12.30 Uhr<br />

Inhalt: vorwiegend Freispiel, freies Werken und Gestalten,<br />

pro Tag eine geführte Aktivität von ca. 30 bis 45 Minuten,<br />

Sach- und Fantasiethemen, Turnen, Schwimmen, Exkursionen,<br />

Feste, Kochen, Backen<br />

Leitung: eine ausgebildete Lehrerin, eine Assistentin<br />

Sprache: Englisch, eine Viertelstunde Deutsch pro Woche<br />

Kindergarten<br />

Alter: ab 4½ Jahren<br />

Dauer: 8.45 bis 12.30 Uhr<br />

Inhalt: vermehrt Sachthemen, vermehrt gemeinsame Aktivitäten<br />

(ca. 45 Minuten), ergänzt mit Freispiel, Turnen,<br />

Schwimmen, Exkursionen, Festen, Kochen, Backen, Musik,<br />

Malen, Werken.<br />

Sprache: Englisch, eine Viertelstunde Deutsch pro Woche<br />

Leitung: eine ausgebildete Lehrkraft, eine Assistentin<br />

Mit ca. 5½ Jahren (entscheidend ist der Stichtag) wechseln<br />

die Kinder in die Vorschule, wo sie von zwei Lehrpersonen<br />

und zweisprachig auf die <strong>Schule</strong> vorbereitet werden. In der<br />

1. Klasse wird das Lesen und Schreiben in deutscher Sprache<br />

eingeführt. Mit zunehmendem Alter werden mehr Fächer auf<br />

Englisch unterrichtet, um einen reibungslosen Übergang von<br />

der 6. Klasse ins englischsprachige United World College zu<br />

ermöglichen.<br />

3 • Juni 2006 27


… und ausserdem<br />

Wie in <strong>Schweizer</strong><br />

Spielgruppen:<br />

Das Rollenspiel<br />

ist ein Favorit.<br />

28 3 • Juni 2006<br />

fruchtet nur kurz. Sie geht die Treppe<br />

hoch, begibt sich auf Augenhöhe zu<br />

Adrien, der gerade den Buggy samt Bäbi<br />

drin traktiert: «Bist du die Mutter oder<br />

der Vater?» – «Der Vater.» – «Hast du<br />

schon mal einen Vater gesehen, der<br />

sein Baby so brutal spazieren fährt?»<br />

– «Nein.» – «Dann versuch doch, den<br />

Buggy so zu stossen, dass das Baby nicht<br />

geschüttelt wird dabei.» Adrien hält den<br />

Kopf schief, denkt angestrengt nach,<br />

schliesslich willigt er ein: «Okay.»<br />

«Er hat viel Energie», wird Jo Yap-<br />

Ko später erklären. Und: «<strong>Singapur</strong> ist<br />

keine gute Stadt für energievolle Kinder<br />

– nur wenige haben einen Garten, entsprechend<br />

oft sitzen sie vor Computer<br />

und Fernseher. Austoben können sie sich<br />

lediglich auf Spielplätzen oder in öffentlichen<br />

Parks, wobei sie sich dort an viele<br />

Regeln halten müssen.»<br />

Oder in der <strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong>. Denn<br />

sie geht auf den Bewegungsdrang der<br />

Kinder ein: Viele Spieleinheiten finden<br />

draussen statt. Dazu kommen bereits in<br />

der Playgroup Turn- und Schwimmlektionen<br />

(in der eigenen Turnhalle und<br />

im eigenen Pool), Ausflüge und Ex-<br />

Jo Yap-Ko: «Wir helfen den Kindern nur, wenn sie Hilfe brauchen.» Betty Ng: «Vor 30 Jahren hielt man uns für irre!» Fotos: Franziska Hidber<br />

kursionen, und jeden Vormittag gibts<br />

eine halbstündige Pause draussen. Im<br />

Moment sitzen gerade die Kinder der<br />

Playgroup zwei an den kleinen Tischen<br />

im Innenhof, beäugen gegenseitig ihre<br />

Znüni, essen, schwatzen, teilen. David,<br />

der erst seit kurzem da ist, hat das<br />

englische Zauberwort «please» entdeckt,<br />

wofür er von Betty Ng ausgiebig gelobt<br />

wird: «Good boy!»<br />

«In spätestens drei Wochen wird<br />

er sich mit den andern Kindern auf Englisch<br />

unterhalten», schätzt sie. Wenn jemand<br />

eine Prognose stellen kann, dann<br />

sie. Betty Ng gehört quasi zum Inventar<br />

der «Swiss School». Vor 30 Jahren hat<br />

sie begonnen, zu einer Zeit, als alle den<br />

Kopf schüttelten über die «Playgroup».<br />

«Die dachten, wir seien irre», erinnert<br />

sie sich vergnügt. In <strong>Singapur</strong> setzt man<br />

von frühester Kindheit an auf Wettbewerb<br />

– das nahe China lässt grüssen. Verben<br />

büffeln und mathematische Formeln<br />

lernen sind für Kleinkinder nichts Ungewöhnliches,<br />

ebenso wenig wie private<br />

Förderstunden nachmittags. «Da passte<br />

ein Bildungsangebot mit Schwerpunkt<br />

Spiel nicht hinein», weiss Betty.<br />

Inzwischen hat sich das Blatt<br />

gewendet: Einerseits, weil die Eltern verblüfft<br />

sind, welche Fortschritte ihre Kinder<br />

in der Playgroup machen. Und andererseits,<br />

weil ehemalige Schülerinnen<br />

und Schüler der <strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong> sich<br />

in <strong>Singapur</strong>s College bestens behaupten.<br />

So kommt es, dass immer mehr Bildungsverantwortliche<br />

der öffentlichen<br />

<strong>Schule</strong>n einen Augenschein in der Lernoase<br />

nehmen. Johannes Furrer kennt die<br />

Gründe für den Erfolg der <strong>Schule</strong>: «Das<br />

hat mit der Qualität des Unterrichts zu<br />

tun, mit der familiären Atmosphäre und<br />

damit, dass wir dem Alter entsprechende<br />

Inhalte und Erlebnisse bieten.»<br />

In Bettys Playgroup etwa ist jetzt,<br />

kurz nach Ostern, das Thema Ei aktuell.<br />

Nach den Sommerferien kommen sie in<br />

den Kindergarten – dann wird es wieder<br />

Betty sein, die sie an neue Themen<br />

heranführt. «Wenn die Kinder von der<br />

Playgroup in den Kindergarten wechseln,<br />

behalten sie die Lehrerin. Das ha-<br />

ben wir neu so eingeführt, um Konstanz<br />

zu ermöglichen», so Johannes Furrer.<br />

Denn Konstanz ist hier ein rares Gut;<br />

<strong>Singapur</strong> bedeutet für viele Arbeitnehmer<br />

– und deren Familien – lediglich<br />

Zwischenstation. «Wer bei uns unterrichtet,<br />

muss flexibel sein», betont der<br />

Schulleiter. «Es kann sein, dass Anfang<br />

Jahr 16 Kinder in der Gruppe sind und<br />

Ende Jahr noch 10 – oder umgekehrt.»<br />

Betty wendet sich in diesem Moment David<br />

zu. Sie führt ihn zum Tisch, an dem<br />

Kinderhände aus Abfallmaterial Neues<br />

schaffen. Neues schaffen – das gilt auch<br />

für den Schulleiter. In Zukunft will er in<br />

der Vorschule mehr Lernstoff integrieren,<br />

überzeugt, dass Kinder in diesem<br />

Alter auch nach abstrakten Inhalten verlangen:<br />

«Wir müssen sie füttern, wenn<br />

sie hungrig sind.»<br />

In den nächsten Tagen steht ein<br />

Besuch in der <strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong> Thailand<br />

an: Dort ist die Basisstufe bereits realisiert.<br />

Furrer wird die Vor- und Nachteile<br />

mit seinem Team sorgfältig abwägen.<br />

Eines ist jetzt schon klar: «Seine» <strong>Schule</strong>,<br />

die Lernoase am Dschungelrand, soll<br />

ihre Qualität behalten; ob mit oder ohne<br />

Basisstufe. Und ihre familiäre Atmosphäre:<br />

Warteliste hin, Andrang her. Das<br />

jüngste Kind, das für einen Platz bei den<br />

«Little Tots» angemeldet wurde, zählt<br />

gerade sieben Wochen.<br />

<strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Singapur</strong><br />

Die <strong>Schweizer</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Singapur</strong> ist eine offizielle <strong>Schweizer</strong><br />

<strong>Schule</strong> und erhält Subventionen aus Bern. Der Kanton Zug als<br />

Patronatskanton unterstützt die <strong>Schule</strong> finanziell und bei pädagogischen<br />

Anliegen (Qualitätssicherung, jährliche Inspektion,<br />

Weiterbildung). Die restlichen Einnahmen resultieren aus dem<br />

Schulgeld, wobei sich viele Arbeitgeber der Väter beteiligen. Ab<br />

Vorschule wird jede Klasse von einer <strong>Schweizer</strong> Lehrkraft im<br />

Hauptamt unterrichtet. Die <strong>Schule</strong> nimmt in erster Linie Kinder<br />

mit <strong>Schweizer</strong> Nationalität auf, ist aber offen für Kinder aus<br />

anderen Nationen und Kulturen. Multikulturelle Anlässe (das<br />

Chinesische Neujahr wird ebenso gefeiert wie «Santa Claus»)<br />

bereichern denn auch den Schulalltag.<br />

Einloggen:<br />

www.swiss-school.edu.sg<br />

… und ausserdem<br />

3 • 3 Juni 2006 29<br />

• Juni 2006 29

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