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„Zu seiner Zeit ein Wunderzeichen“1 Johannes Reuchlin aus ...

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50<br />

STEFAN PÄTZOLD: <strong>„Zu</strong> <strong>s<strong>ein</strong>er</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>ein</strong> Wunderzeichen“<br />

merkungen, mit wüsten Beschimpfungen und abwertenden Wortspielen, die k<strong>ein</strong>en<br />

Zweifel daran ließen, was er von ihnen hielt. Besonders die „Defensio […] contra calumniatores<br />

suos Colonienses“ strotzt vor solchen Herabsetzungen und Diffamierungen.<br />

„Die Verteidigung gegen s<strong>ein</strong>e Verleumder“, so schrieb deshalb Winfried Trusen,<br />

„wurde selbst zur weit stärkeren, durch nichts zu rechtfertigenden Verleumdung“: 92 So<br />

ersetzte <strong>Reuchlin</strong> beispielsweise die gängige lat<strong>ein</strong>ische Bezeichnung ‚praedicatores’<br />

(Predigermönche) für die Dominikaner durch das Wort ‚paedicatores’ (Knabenschänder),<br />

und die Kölner Doktores der Theologie bedachte <strong>Reuchlin</strong> in <strong>ein</strong>em Brief des<br />

Jahres 1512 mit der Wortneuschöpfung ‚doctorculi’ (Doktorärsche). 93<br />

Trotz der heftig geführten Aus<strong>ein</strong>andersetzung mit den Theologen, der Inquisition<br />

und höchsten Vertretern der Kirche fiel <strong>Reuchlin</strong> nicht vom christlichen Glauben ab.<br />

„Er blieb zeitlebens <strong>ein</strong> treuer Sohn der römisch-katholischen Kirche“. 94 Und nicht nur<br />

das: „Kurz vor s<strong>ein</strong>em Tode ließ <strong>Reuchlin</strong> sich zum Priester weihen und wurde Mitglied<br />

<strong>ein</strong>er marianischen Bruderschaft“, der Stuttgarter „Salve Regina“-Fraternität. 95 In<br />

ihrem Bruderschaftsbuch ist er unter den ‚sacerdotes’ aufgeführt. Zuvor war er bereits<br />

– noch als Laie – Mitglied <strong>ein</strong>er Gebetsverbrüderung des Dominikanerordens gewesen;<br />

1516 hatte er sich in <strong>ein</strong>e vergleichbare Gem<strong>ein</strong>schaft des Augustinerordens aufnehmen<br />

lassen, freilich ohne die Mönchsgelübde abzulegen. 96 So wundert es nicht, daß<br />

sich <strong>Reuchlin</strong> dem Reformator Luther gegenüber, der in dem Humanisten <strong>ein</strong>en<br />

Schicksalsgenossen vermutete, distanziert verhielt. 97 Darüber kam es sogar zum Bruch<br />

mit s<strong>ein</strong>em Neffen Philipp Melanchthon: <strong>Reuchlin</strong> weigerte sich, Melanchthon, dem<br />

Wittenberger Griechischprofessor und Lutheranhänger, s<strong>ein</strong>e griechischen und hebräischen<br />

Handschriften zu überlassen. Der ‚Phorcensis’ vermachte sie vielmehr <strong>s<strong>ein</strong>er</strong><br />

Heimatstadt. „Das reformatorische Anliegen ist ihm immer fremd geblieben“. 98<br />

Resümee:<br />

92<br />

Matthias DALL’ASTA, Ars Maledicendi. Etymologie, Satire und Polemik in den Schriften <strong>Johannes</strong><br />

<strong>Reuchlin</strong>s, in: Stefan PÄTZOLD (Hg.), Neue Beiträge zur Stadtgeschichte III (Pforzheimer Geschichtsblätter<br />

11) 2003, S. 61.<br />

93<br />

DALL’ASTA, Ars (wie Anm. 92) S. 67.<br />

94<br />

LAUFS, <strong>Zeit</strong>enwende (wie Anm. 33) S. 29.<br />

95<br />

PETERSE, Kirche und Theologie (wie Anm. 45) S. 162.<br />

96<br />

Hansmartin DECKER-HAUFF, B<strong>aus</strong>t<strong>ein</strong>e zur <strong>Reuchlin</strong>-Biographie, in: KREBS/KLING/RHEIN, <strong>Reuchlin</strong><br />

(wie Anm. 2) S. 101, LAUFS, <strong>Zeit</strong>enwende (wie Anm. 33) S. 29.<br />

97<br />

PETERSE, Kirche und Theologie (wie Anm. 45) S. 160.<br />

98<br />

PETERSE, Kirche und Theologie (wie Anm. 45) S. 161.

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