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„Zu seiner Zeit ein Wunderzeichen“1 Johannes Reuchlin aus ...

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STEFAN PÄTZOLD: <strong>„Zu</strong> <strong>s<strong>ein</strong>er</strong> <strong>Zeit</strong> <strong>ein</strong> Wunderzeichen“ 45<br />

1519 erschienenen „Illustrium virorum epistolae“, die insgesamt 178 Briefe ver<strong>ein</strong>igen,<br />

von denen 19 <strong>aus</strong> <strong>Reuchlin</strong>s Feder und 159 von s<strong>ein</strong>en Briefpartnern stammen. 61<br />

Und noch <strong>ein</strong> letzter Aspekt ist zu erwähnen: Wenn <strong>Reuchlin</strong>, wie bereits vermerkt,<br />

stolz von sich behauptete, er habe als erster das Griechische nach Deutschland gebracht,<br />

m<strong>ein</strong>te er damit, „s<strong>ein</strong> Wirken sei <strong>ein</strong> Akt der Wiedererweckung des Altertums<br />

gewesen“. 62 <strong>Reuchlin</strong> bezog so indirekt den Renaissance-Begriff auf sich selbst und<br />

war auf diese Weise „<strong>ein</strong> frühes Beispiel des sich <strong>s<strong>ein</strong>er</strong> selbst bewußten Renaissance-<br />

Individuums“. 63<br />

4. <strong>Reuchlin</strong>, die Juden und die Kirche<br />

<strong>Reuchlin</strong>s denkwürdigste Leistung war s<strong>ein</strong> intensives Bemühen um die Bewahrung<br />

der jüdischen Sprache und Literatur. 64 Er wurde dabei allerdings, wie s<strong>ein</strong>e humanistischen<br />

Interessen vermuten lassen, vornehmlich von philologischen und theologischphilosophischen<br />

Motiven geleitet. 65 Persönliche Beziehungen zu Juden hatte er kaum,<br />

sieht man von Kontakten zu s<strong>ein</strong>en Lehrern, wie etwa Jakob ben Jechiel Loans ab, der<br />

<strong>Reuchlin</strong>s Bild von den zeitgenössischen Juden positiv be<strong>ein</strong>flußte. Daher überrascht<br />

es nicht, wenn Hans Peterse feststellt: „Ohne Zweifel ist <strong>Reuchlin</strong> in vielerlei Hinsicht<br />

den traditionellen anti-jüdischen Vorstellungen der christlichen Gesellschaft verhaftet<br />

geblieben“. 66 Denn in der „Tütsch missive“ von 1505 vertrat auch der Gelehrte die<br />

Ansicht, daß die Juden durch ihre Mißachtung Christi Gott gelästert hätten, verstockt<br />

in ihrer Sünde verharrten und deshalb bekehrt werden müßten. „Wie s<strong>ein</strong>e Kirche vertrat<br />

<strong>Reuchlin</strong> die Notwendigkeit, die Juden für das Christentum zu gewinnen. Die Idee,<br />

Juden und Christen <strong>ein</strong>ander in Toleranz gleichzuachten, lag außerhalb s<strong>ein</strong>es und <strong>s<strong>ein</strong>er</strong><br />

<strong>Zeit</strong>genossen Denken“. 67 Freilich lehnte <strong>Reuchlin</strong> schon damals gewaltsame Maßnahmen<br />

ab und riet demgegenüber zum Gebet für die Juden. 68<br />

61 DALL’ASTA, Einleitung (wie Anm. 13) S. 24-27; DÖRNER, <strong>Reuchlin</strong> (wie Anm. 13).<br />

62 RHEIN, <strong>Reuchlin</strong> (Wie Anm. 2) S. 62.<br />

63 Ebenda.<br />

64 S. dazu die Aufsätze in HERZIG/SCHOEPS, Juden (wie Anm. 6), passim.<br />

65 RHEIN, <strong>Reuchlin</strong> (wie Anm. 2) S. 72, formuliert es so: „Die jüdische Kultur war für <strong>Reuchlin</strong> zu-<br />

nächst fast <strong>aus</strong>schließlich Bücherwissen“.<br />

66 PETERSE, Kirche und Theologie (wie Anm. 45) S. 153.<br />

67 LAUFS, <strong>Zeit</strong>enwende (wie Anm. 33) S. 29. – Zum Thema ‚Toleranz’ s. ferner: H<strong>ein</strong>rich LUTZ (Hg.),<br />

Zur Geschichte der Toleranz und Religionsfreiheit (Wege der Forschung 246) 1977; Hans R. GUGGIS-<br />

BERG (Hg.), Religiöse Toleranz. Dokumente zur Geschichte <strong>ein</strong>er Forderung (Neuzeit im Aufbau 4)<br />

1984; Kl<strong>aus</strong> SCHREINER, Gerhard BESIER, Art. Toleranz, in: Otto BRUNNER (Hg.), Geschichtliche<br />

Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 6. 1990, S.<br />

445-605.<br />

68 RHEIN, <strong>Reuchlin</strong> (wie Anm. 2) S. 72f.

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