AP Recht - KoLaWiss
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KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 46 von 163 B. Urheberrechtliche und leistungsrechtliche Zulässigkeit der Kopie und Verarbei- tung der Daten Wie in Frage 1 dargestellt, wird der Fall, dass an wissenschaftlichen Primärdaten ein urheber- rechtlicher Schutz entsteht, nur selten eintreten. Wenn überhaupt, kommt ein urheberrechtli- cher Schutz an Datenbankwerken, in denen die Daten eingefügt wurden, in Betracht. Da je- doch die Möglichkeit der Entstehung eines urheberrechtlichen Schutzes nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist, stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Kopie eines Werkes, das ausnahmsweise doch urheberrechtlichen Schutz erlangt hat, zulässig ist. Die gleiche Frage stellt sich für Werke, die einen leistungsrechtlichen Schutz genießen, was, vor allem bei Datenbanken, aber auch bei digitalisierten Röntgenbildern der Fall sein kann. I. Betroffene Nutzungsrechte Im Rahmen der urheber- und leistungsrechtlichen Zulässigkeit einer Kopie stellt sich dabei zunächst die Frage, welche Nutzungsrechte hiervon betroffen sein können. 1. Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG In Betracht kommt zunächst eine Beeinträchtigung des Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG. Der Wortlaut der Norm definiert das Vervielfältigungsrecht als „das Recht, Vervielfäl- tigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in wel- chem Verfahren und in welcher Zahl“. Unter einer Vervielfältigung versteht man dabei „jede körperliche Festlegung eines Werkes, die geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Weise unmittelbar oder mittelbar wahrnehmbar zu machen“ 81 . Die Kopie einer Datei bzw. deren Speicherung auf einem anderen Datenträgerstellt stellt demzufolge eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG dar 82 . Dabei ist die Anzahl der gefertigten Kopien unerheblich, so dass schon die Erstellung einer einzigen Kopie unter den Vervielfältigungsbe- griff des § 16 UrhG fällt 83 . Die Kopie einer urheber- oder leistungsrechtlich geschützten Datei im Rahmen der Langzeitarchivierung stellt demzufolge eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG dar. Gem. § 15 Abs.1 Nr. 1 UrhG steht dieses Recht jedoch ausschließlich dem Ur- heber zu. Das Gleiche gilt für den Datenbankhersteller gem. § 87b Abs. 1 Alt.1 UrhG. Dabei 81 BT-Drucks. IV/270, 47; BGH NJW 1955, 1276; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 16 Rn. 6; Dustmann in Fromm/Nordemann, § 16 Rn. 9; Heerma in Wandtke/Bullinger, § 16 Rn. 2. 82 BGH GRUR 1999, 325, 327; OLG Frankfurt a.M. CR 1997, 275, 276; KG GRUR 2002, 252, 253; Loewenheim in Loewenheim, § 20 Rn. 4, 11; Kroitzsch in Möhring/Niccolini, § 16 Rn. 4; 83 BGHZ 18, 44, 46, Dustmann in Fromm/Nordemann, § 16 Rn. 10; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 16 Rn. 10; Loewenheim in Loewenheim, § 20 Rn. 4. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist
KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 47 von 163 bezieht sich dessen Wortlaut auf den Vervielfältigungsbegriff des § 16 UrhG 84 , so dass es im Ergebnis zunächst keinen Unterschied macht, ob das in Frage stehende Werk eine leistungs- rechtlich geschützte Datenbank i.S.d. § 87a UrhG oder eine urheberrechtlich geschütztes Da- tenbankwerk i.S.d. § 4 Abs. 2 UrhG darstellt. Im Falle der Langzeitarchivierung müsste dem- nach anhand der unter Frage 1 aufgestellten Kriterien geprüft werden, ob ein urheber- oder leistungsrechtlicher Schutz an den Daten bzw. den Datensammlungen oder Lichtbildern ent- standen ist. In einem zweiten Schritt muss sodann festgestellt werden, wer Urheber bzw. Da- tenbankhersteller oder Lichtbildner ist. Sofern dies nicht die Universität oder eine ihrer Ein- richtungen ist, muss zum Zwecke der Archivierung das entsprechende Nutzungsrecht vom Rechteinhaber eingeholt werden, sofern keine gesetzliche Schranke eingreift oder der urhe- berrechtliche bzw. leistungsrechtliche Schutz nicht abgelaufen ist 85 . 2. Bearbeitungsrecht gem. § 23 UrhG Ferner ist hinsichtlich der juristischen Zulässigkeit einer digitalen Langzeitarchivierung ent- scheidend, inwiefern das Verändern der Daten im Rahmen einer Migration oder Dateikonver- tierung urheber- oder leistungsrechtliche Relevanz aufweisen kann. In Betracht kommt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des Bearbeitungsrechts des Urhebers gem. § 23 UrhG 86 . Zwar bedarf gem. § 23 Satz 1 UrhG erst die Veröffentlichung oder Verbreitung eines bearbeiteten Werkes der Einwilligung des Urhebers. Nach Satz 2 ist jedoch bereits für die Herstellung der Bearbeitung oder die Umgestaltung eines Datenbankwerkes die Zustimmung des Urhebers erforderlich. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob das Bearbeitungsrecht nach § 23 UrhG ebenfalls dem Datenbankhersteller zusteht 87 . Dagegen spricht zunächst, dass das Bearbeitungsrecht in § 87b UrhG nicht aufgeführt ist und sich der Schutzumfang nur auf die Nutzung der in der Datenbank enthaltenen Rechte in unveränderter Form richtet 88 . Dafür könnte allerdings sprechen, dass dem Datenbankhersteller im Rahmen einer richtlinienkon- formen Auslegung des § 87b UrhG das Bearbeitungsrecht nach § 23 UrhG deshalb zustehen könnte, weil damit eine wesentliche oder eine systematische und wiederholte unwesentliche Entnahme oder Weiterverwendung verbunden ist 89 . Da die Frage noch nicht durch die Recht- sprechung geklärt worden ist, sollte davon ausgegangen werden, dass bei der Archivierung 84 Dreier in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3; Vogel in Schricker, § 87b Rn. 16; 22, 27; Decker in Möhring/Niccolini, § 87b Rn. 3-5; Thum in Wandtke/Bullinger, § 87b Rn. 34. 85 dazu siehe unten B.II.1. S. 58 ff. 86 Vgl. Euler, AfP 2008, 474, 479. 87 Für ein Bearbeitungsrecht des Datenbankherstellers: Czychowski in Fromm/Nordemann, § 87b Rn. 20; Dreier in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3; a.A. Thum in Wandtke/Bullinger, § 87b Rn. 10. 88 Vogel in Schricker, § 87b Rn. 9 89 Dreier in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist
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bezieht sich dessen Wortlaut auf den Vervielfältigungsbegriff des § 16 UrhG 84 , so dass es im<br />
Ergebnis zunächst keinen Unterschied macht, ob das in Frage stehende Werk eine leistungs-<br />
rechtlich geschützte Datenbank i.S.d. § 87a UrhG oder eine urheberrechtlich geschütztes Da-<br />
tenbankwerk i.S.d. § 4 Abs. 2 UrhG darstellt. Im Falle der Langzeitarchivierung müsste dem-<br />
nach anhand der unter Frage 1 aufgestellten Kriterien geprüft werden, ob ein urheber- oder<br />
leistungsrechtlicher Schutz an den Daten bzw. den Datensammlungen oder Lichtbildern ent-<br />
standen ist. In einem zweiten Schritt muss sodann festgestellt werden, wer Urheber bzw. Da-<br />
tenbankhersteller oder Lichtbildner ist. Sofern dies nicht die Universität oder eine ihrer Ein-<br />
richtungen ist, muss zum Zwecke der Archivierung das entsprechende Nutzungsrecht vom<br />
<strong>Recht</strong>einhaber eingeholt werden, sofern keine gesetzliche Schranke eingreift oder der urhe-<br />
berrechtliche bzw. leistungsrechtliche Schutz nicht abgelaufen ist 85 .<br />
2. Bearbeitungsrecht gem. § 23 UrhG<br />
Ferner ist hinsichtlich der juristischen Zulässigkeit einer digitalen Langzeitarchivierung ent-<br />
scheidend, inwiefern das Verändern der Daten im Rahmen einer Migration oder Dateikonver-<br />
tierung urheber- oder leistungsrechtliche Relevanz aufweisen kann. In Betracht kommt in<br />
diesem Zusammenhang eine Verletzung des Bearbeitungsrechts des Urhebers gem. § 23<br />
UrhG 86 . Zwar bedarf gem. § 23 Satz 1 UrhG erst die Veröffentlichung oder Verbreitung eines<br />
bearbeiteten Werkes der Einwilligung des Urhebers. Nach Satz 2 ist jedoch bereits für die<br />
Herstellung der Bearbeitung oder die Umgestaltung eines Datenbankwerkes die Zustimmung<br />
des Urhebers erforderlich. In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob das Bearbeitungsrecht<br />
nach § 23 UrhG ebenfalls dem Datenbankhersteller zusteht 87 . Dagegen spricht zunächst, dass<br />
das Bearbeitungsrecht in § 87b UrhG nicht aufgeführt ist und sich der Schutzumfang nur auf<br />
die Nutzung der in der Datenbank enthaltenen <strong>Recht</strong>e in unveränderter Form richtet 88 . Dafür<br />
könnte allerdings sprechen, dass dem Datenbankhersteller im Rahmen einer richtlinienkon-<br />
formen Auslegung des § 87b UrhG das Bearbeitungsrecht nach § 23 UrhG deshalb zustehen<br />
könnte, weil damit eine wesentliche oder eine systematische und wiederholte unwesentliche<br />
Entnahme oder Weiterverwendung verbunden ist 89 . Da die Frage noch nicht durch die <strong>Recht</strong>-<br />
sprechung geklärt worden ist, sollte davon ausgegangen werden, dass bei der Archivierung<br />
84<br />
Dreier in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3; Vogel in Schricker, § 87b Rn. 16; 22, 27; Decker in Möhring/Niccolini,<br />
§ 87b Rn. 3-5; Thum in Wandtke/Bullinger, § 87b Rn. 34.<br />
85<br />
dazu siehe unten B.II.1. S. 58 ff.<br />
86<br />
Vgl. Euler, AfP 2008, 474, 479.<br />
87<br />
Für ein Bearbeitungsrecht des Datenbankherstellers: Czychowski in Fromm/Nordemann, § 87b Rn. 20; Dreier<br />
in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3; a.A. Thum in Wandtke/Bullinger, § 87b Rn. 10.<br />
88<br />
Vogel in Schricker, § 87b Rn. 9<br />
89 Dreier in Dreier/Schulze, § 87b Rn. 3.<br />
Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist