AP Recht - KoLaWiss
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KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 24 von 163 schützt sind. Entscheidend ist also, ob wissenschaftliche Primärdaten unter den Werkbegriff des § 2 UrhG fallen und damit einen urheberrechtlichen Schutz gem. § 1 UrhG genießen. 1. Werkeigenschaft gem. § 2 I Nr. 1 UrhG Zunächst könnte es sich bei den verkörperten Daten um Sprachwerke i.S.d. § 2 I Nr. 1 UrhG handeln. Unter einem Sprachwerk versteht man dabei solche Werke, bei denen der gedankli- che Gehalt mit Mitteln der Sprache ausgedrückt wird, die also der Informationsvermittlung dienen 5 . Bei wissenschaftlichen Primärdaten handelt es sich um Daten, die bei einer Datener- hebung unmittelbar gewonnen werden 6 . Es kann sich dabei also beispielsweise um Werte ei- ner medizinischen Untersuchung, Messergebnisse, allgemeine Ergebnisse oder auch statisti- sche Werte handeln, die im Rahmen einer Befragung gewonnen werden. Unabhängig davon, auf welche Weise oder für welchen Zweck die Daten gewonnen werden, dienen sie doch der Informationsvermittlung, da hier ein gedanklicher Inhalt mit Mitteln der Sprache ausgedrückt wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass es sich bei den Daten oftmals um mathematische Zeichen (wie beispielsweise bei dem Ausdruck eines EKG) oder Zahlen handelt (wie zum Beispiel bei statistischen Werten oder bei den Ergebnissen von medizinischen Messungen), da auch diese ein Sprachwerk i.S.d. § 2 I Nr.1 UrhG darstellen können 7 . Damit könnten wissen- schaftliche Primärdaten grundsätzlich ein Sprachwerk i.S.d. § 2 I Nr. 1 UrhG darstellen. Die verkörperten Daten genießen allerdings nur dann urheberrechtlichen Schutz, wenn sie gem. § 2 II UrhG eine persönliche geistige Schöpfung darstellen 8 . Darunter versteht man solche Leis- tungen, die auf einer menschlich-gestalterischen Tätigkeit des Urhebers beruhen 9 . Die Daten müssten also durch ihre Form oder ihren Inhalt den individuellen Geist des Urhebers ausdrü- cken 10 . Ob eine solche gestalterische Tätigkeit bei wissenschaftlichen Primärdaten vorliegt, erscheint indes fraglich. Eine gestalterische Leistung läge dann vor, wenn die einzelnen Daten ihre Gestalt jeweils dem Tun desjenigen, der sie erhebt, verdanken würden 11 . Die Tatsache, 5 BGH GRUR 1959, 251- Einheitsfahrschein; Ahlberg in Möhring/Niccolini (Hrsg.), Urheberrechtsgesetz, 2.Aufl. 2000, § 2 Rn.3; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 78; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, § 2 Rn. 54; Schulze in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 81. 6 Wikipedia abrufbar unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4rdaten . 7 RGZ 121, 357, 358 – Rechentabellen; BGH GRUR 1959, 251; OLG Karlsruhe GRUR 1983, 300, 306 - Inkasso-Programm; A. Nordemann in Loewenheim (Hrsg.), Handbuch des Urheberrechts, 2003, § 9 Rn. 6; Loewenheim in Schricker, § 7 Rn. 79; Ahlberg in Möhring/Niccolini, § 2 Rn. 3; Schulze in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 81. 8 Ahlberg in Möhring/Niccolini, § 2 Rn. 43; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 12; Schulze in Dreier/Schulze; § 2 Rn. 16. 9 Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 17; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, § 2 Rn. 21; Loewenheim in Schricker (Hrsg.), Urheberrecht, 3. Auflage 2006, § 2 Rn. 11. 10 BGHZ 9, 262, 268; Ahlberg in Möhring/Niccolini, § 2 Rn. 53; Loeweheim in Schricker, § 2 Rn. 18; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, § 2 Rn. 24; Schulze in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 23. 11 Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 19; Bullinger in Wandtke/Bullinger (Hrsg.), Praxiskommentar zum Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 2 Rn. 15; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 12. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist
KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 25 von 163 dass zur Erlangung der Daten regelmäßig Apparate, wie beispielsweise Messinstrumente zu Hilfe genommen werden, steht dabei einer persönlichen geistigen Schöpfung allein noch nicht entgegen, da diese Instrumente und Maschinen regelmäßig von einem Menschen eingestellt und bedient werden 12 . Jedoch verdanken die einzelnen Daten ihre Gestalt nicht dem Tun des- jenigen, der sie erhebt. Vielmehr würden diese Daten bei jeder Person entstehen, die die ent- sprechende Messung oder den entsprechenden Versuch vornimmt, aus dem die Daten als Er- gebnis hervorgehen, und sie auf einem Datenträger oder in analoger Form festhält. Demzufol- ge drücken die verkörperten Daten gerade nicht den individuellen Geist desjenigen aus, der sie durch Versuche oder Experimente erlangt hat. Vielmehr sind die Daten von vornherein vorgegeben und müssen lediglich festgestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn zur Erlan- gung der Daten eine neuartige Methode eingesetzt wurde, die bis dahin unbekannt war. Dann würden die Daten zwar mit Hilfe dieser Methode gewonnen werden. Die Gestalt der einzel- nen Daten würde jedoch auch davon nicht beeinflusst werden. Vielmehr würde das neuartige Verfahren lediglich die Gewinnung der Daten ermöglichen, nicht jedoch ihre Gestalt bestim- men. Damit ist eine persönliche geistige Schöpfung bei wissenschaftlichen Primärdaten grundsätzlich abzulehnen, so dass das einzelne Datum an sich keinen urheberrechtlichen Schutz nach §§ 1, 2 I Nr. 1 UrhG genießen. 2. Werkeigenschaft gem. § 2 I Nr. 5 UrhG Gem. § 2 Abs. 1 Nr.5 gehören zu den urheberrechtlich geschützten Werken Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden. Unter die zu archivierenden Daten würden im Bereich der medizinischen Fakultät auch Röntgenbilder fal- len. Diese könnten gem. § 2 I Nr. 5 UrhG urheberrechtlich geschützt sein. Danach sind Licht- bildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden, urhe- berrechtlich geschützt. Unter einem Lichtbildwerk versteht man dabei jedes Bild für dessen Herstellung strahlungsempfindliche Schichten chemisch oder physikalisch durch Strahlung in einer Weise verändert wurden, dass eine Abbildung entsteht und das Bild eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 2 II UrhG darstellt 13 . Selbst wenn man jedoch Röntgenbilder unter „ähnliche“ Werke i.S.d. § 2 I Nr. 5 UrhG fassen würde, so ist auch hier wieder fraglich, ob die Röntgenbilder eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 2 II UrhG darstellen. Ein men- schliches Schaffen kann dabei grundsätzlich bejaht werden, da der Radiologe bzw. die Person, 12 Bullinger in Wandtke/Bullinger, § 2 Rn. 16; Dreier in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 8; A. Nordemann in Fromm/Nordemann, § 2 Rn. 21; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 13; Ahlberg in Möhring/Niccolini, § 2 Rn. 51. 13 BGHZ 37, 1, 6; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 233; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 175; Schulze in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 199. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist
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Hilfe genommen werden, steht dabei einer persönlichen geistigen Schöpfung allein noch nicht<br />
entgegen, da diese Instrumente und Maschinen regelmäßig von einem Menschen eingestellt<br />
und bedient werden 12 . Jedoch verdanken die einzelnen Daten ihre Gestalt nicht dem Tun des-<br />
jenigen, der sie erhebt. Vielmehr würden diese Daten bei jeder Person entstehen, die die ent-<br />
sprechende Messung oder den entsprechenden Versuch vornimmt, aus dem die Daten als Er-<br />
gebnis hervorgehen, und sie auf einem Datenträger oder in analoger Form festhält. Demzufol-<br />
ge drücken die verkörperten Daten gerade nicht den individuellen Geist desjenigen aus, der<br />
sie durch Versuche oder Experimente erlangt hat. Vielmehr sind die Daten von vornherein<br />
vorgegeben und müssen lediglich festgestellt werden. Dies gilt auch dann, wenn zur Erlan-<br />
gung der Daten eine neuartige Methode eingesetzt wurde, die bis dahin unbekannt war. Dann<br />
würden die Daten zwar mit Hilfe dieser Methode gewonnen werden. Die Gestalt der einzel-<br />
nen Daten würde jedoch auch davon nicht beeinflusst werden. Vielmehr würde das neuartige<br />
Verfahren lediglich die Gewinnung der Daten ermöglichen, nicht jedoch ihre Gestalt bestim-<br />
men. Damit ist eine persönliche geistige Schöpfung bei wissenschaftlichen Primärdaten<br />
grundsätzlich abzulehnen, so dass das einzelne Datum an sich keinen urheberrechtlichen<br />
Schutz nach §§ 1, 2 I Nr. 1 UrhG genießen.<br />
2. Werkeigenschaft gem. § 2 I Nr. 5 UrhG<br />
Gem. § 2 Abs. 1 Nr.5 gehören zu den urheberrechtlich geschützten Werken Lichtbildwerke<br />
einschließlich der Werke, die die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden. Unter die zu<br />
archivierenden Daten würden im Bereich der medizinischen Fakultät auch Röntgenbilder fal-<br />
len. Diese könnten gem. § 2 I Nr. 5 UrhG urheberrechtlich geschützt sein. Danach sind Licht-<br />
bildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden, urhe-<br />
berrechtlich geschützt. Unter einem Lichtbildwerk versteht man dabei jedes Bild für dessen<br />
Herstellung strahlungsempfindliche Schichten chemisch oder physikalisch durch Strahlung in<br />
einer Weise verändert wurden, dass eine Abbildung entsteht und das Bild eine persönliche<br />
geistige Schöpfung i.S.d. § 2 II UrhG darstellt 13 . Selbst wenn man jedoch Röntgenbilder unter<br />
„ähnliche“ Werke i.S.d. § 2 I Nr. 5 UrhG fassen würde, so ist auch hier wieder fraglich, ob die<br />
Röntgenbilder eine persönliche geistige Schöpfung i.S.d. § 2 II UrhG darstellen. Ein men-<br />
schliches Schaffen kann dabei grundsätzlich bejaht werden, da der Radiologe bzw. die Person,<br />
12 Bullinger in Wandtke/Bullinger, § 2 Rn. 16; Dreier in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 8; A. Nordemann in<br />
Fromm/Nordemann, § 2 Rn. 21; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 13; Ahlberg in Möhring/Niccolini, § 2 Rn.<br />
51.<br />
13 BGHZ 37, 1, 6; Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, § 2 Rn. 233; Loewenheim in Schricker, § 2 Rn. 175;<br />
Schulze in Dreier/Schulze, § 2 Rn. 199.<br />
Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist