AP Recht - KoLaWiss

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05.04.2013 Aufrufe

KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 138 von 163 Daten in einem Langzeitarchiv nur dann zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene in die Verarbeitung eingewilligt hat. II. Zulässigkeit der Archivierung aufgrund der Erlaubnisnorm des § 67c SGB X Als Erlaubnisnorm könnte in diesen Fällen § 67 c SGB X greifen. Die Zulässigkeit der Spei- cherung könne sich dabei entweder aus § 67c Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X ergeben. 1. Zulässigkeit nach § 67c Abs. 1 SGB X Das Speichern, Verändern oder Nutzen der Sozialdaten wäre gem. § 67c Abs. 1 SGB X zu- lässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Dabei ist zu beachten, dass Adressat der Norm die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ist, die bei der Erhebung der Daten Leistungen erbracht hat. Die Archivierung fällt aber nicht zwangsläufig in deren gesetzliche Aufgaben. Des Wei- teren müsste die Speicherung gem. § 67 Abs. 1 SGB X auch zu dem Zweck erfolgen, zu dem sie erhoben wurden. Zweck der Erhebung von Daten durch die gesetzlichen Krankenversiche- rungen wird jedoch in der Regel nicht die Archivierung dieser Daten und Zugänglichmachung für Fremdforscher sein. Damit scheidet eine Zulässigkeit nach § 67c Abs. 1 SGB X aus. 2. Zulässigkeit nach § 67c Abs. 2 SGB X Als Erlaubnisnorm käme außerdem § 67 Abs. 2 SGB X in Betracht. Danach dürfen Sozialda- ten von der Stelle, die diese erhoben hat, für andere Zwecke nur gespeichert, verändert oder genutzt werden, wenn die Daten für die Erfüllung von Aufgaben nach anderen Rechtsvor- schriften des SGB X als denjenigen, für die sie erhoben wurden, erforderlich sind, der Betrof- fene im Einzelfall eingewilligt hat oder es zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erforderlich ist und die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 vorliegen. Zum einen ist jedoch keine andere Rechtsvor- schrift aus dem SGB X ersichtlich, zu deren Erfüllung es der Speicherung der Sozialdaten in einem Langzeitarchiv bedarf. Zum anderen ist die Langzeitarchivierung auch nicht zur Durch- führung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im So- zialleistungsbereich erforderlich. Somit blieb auch hier nur die Möglichkeit einer Einwilli- gung durch den Betroffenen. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 139 von 163 3. Zwischenergebnis zu II Die Zulässigkeit der Speicherung von Sozialdaten, die im Rahmen von wissenschaftlichen Forschungsprojekten anfallen, ist somit nicht vom Tatbestand des § 67c SGBX gedeckt. Eine andere Rechtsvorschrift, die die Speicherung erlaubt, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Demzu- folge wäre auch im Rahmen des SGB X die Speicherung der Daten nur zulässig, wenn eine Einwilligung vorliegt. 4. Anforderungen an eine Einwilligung gem. § 67b SGB X Wie bereits oben festgestellt, ist die Einholung einer Einwilligung beim Betroffenen schon aufgrund der Vorschriften des BDSG und des NDSG anzuraten. Damit stellt sich jedoch die Frage, ob an die Wirksamkeit einer Einwilligung im Rahmen des § 67b SGB X strengere An- forderungen zu stellen sind, als im Rahmen des BDSG bzw. des NDSG. Die Voraussetzungen einer wirksamen Einwilligung sind dabei in § 67b Abs. 2 SGB X geregelt. Danach ist der Be- troffene auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung sowie auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung des Betroffenen ist gem. § 67b Abs. 2 S. 2 SGB X nur wirksam, wenn sie auf dessen freier Entscheidung beruht. Schließlich bedürfen die Einwilligung und der Hinweis gem. Satz 3 der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, so ist die Einwilligungserklä- rung gem. Satz 4 im äußeren Erscheinungsbild der Erklärung hervorzuheben. Demnach erge- ben sich hinsichtlich der Anforderungen an die Einwilligungen im Rahmen des SGB X keine strengeren Anforderungen als im Rahmen des BDSG oder NDSG. Sofern also eine nach den Vorschriften des BDSG oder NDSG wirksame Einwilligung 322 des Betroffenen vorliegt, ist die Speicherung auch gem. § 67b Abs.1 SGB X zulässig, sofern dieser im Einzelfall Anwen- dung finden sollte. 5. Zwischenergebnis Demzufolge kann die Archivierung medizinischer Forschungsdaten auch durch die Vorschrif- ten des SGB X rechtliche Einschränkungen erfahren. Auch im Hinblick auf diese Vorschriften ist dem LZA zur Einholung einer Einwilligung zu raten. Zwar sieht auch das SGB X Erlaub- nistatbestände in § 67c vor. Zum einen stellt sich auch hier wieder zum einen ein beweisrech- tliches Problem. Zum anderen werden die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67c SGB X in den meisten Fällen nicht vorliegen, in denen das SGB X einschlägig ist. 322 Siehe dazu Frage 9 S.125. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

<strong>KoLaWiss</strong>-Gutachten <strong>AP</strong> 4: <strong>Recht</strong> Seite 138 von 163<br />

Daten in einem Langzeitarchiv nur dann zulässig, wenn eine <strong>Recht</strong>svorschrift dies erlaubt<br />

oder der Betroffene in die Verarbeitung eingewilligt hat.<br />

II. Zulässigkeit der Archivierung aufgrund der Erlaubnisnorm des § 67c SGB<br />

X<br />

Als Erlaubnisnorm könnte in diesen Fällen § 67 c SGB X greifen. Die Zulässigkeit der Spei-<br />

cherung könne sich dabei entweder aus § 67c Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X ergeben.<br />

1. Zulässigkeit nach § 67c Abs. 1 SGB X<br />

Das Speichern, Verändern oder Nutzen der Sozialdaten wäre gem. § 67c Abs. 1 SGB X zu-<br />

lässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden<br />

gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt,<br />

für die die Daten erhoben worden sind. Dabei ist zu beachten, dass Adressat der Norm die<br />

jeweilige gesetzliche Krankenkasse ist, die bei der Erhebung der Daten Leistungen erbracht<br />

hat. Die Archivierung fällt aber nicht zwangsläufig in deren gesetzliche Aufgaben. Des Wei-<br />

teren müsste die Speicherung gem. § 67 Abs. 1 SGB X auch zu dem Zweck erfolgen, zu dem<br />

sie erhoben wurden. Zweck der Erhebung von Daten durch die gesetzlichen Krankenversiche-<br />

rungen wird jedoch in der Regel nicht die Archivierung dieser Daten und Zugänglichmachung<br />

für Fremdforscher sein. Damit scheidet eine Zulässigkeit nach § 67c Abs. 1 SGB X aus.<br />

2. Zulässigkeit nach § 67c Abs. 2 SGB X<br />

Als Erlaubnisnorm käme außerdem § 67 Abs. 2 SGB X in Betracht. Danach dürfen Sozialda-<br />

ten von der Stelle, die diese erhoben hat, für andere Zwecke nur gespeichert, verändert oder<br />

genutzt werden, wenn die Daten für die Erfüllung von Aufgaben nach anderen <strong>Recht</strong>svor-<br />

schriften des SGB X als denjenigen, für die sie erhoben wurden, erforderlich sind, der Betrof-<br />

fene im Einzelfall eingewilligt hat oder es zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens der<br />

wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erforderlich ist und die<br />

Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 vorliegen. Zum einen ist jedoch keine andere <strong>Recht</strong>svor-<br />

schrift aus dem SGB X ersichtlich, zu deren Erfüllung es der Speicherung der Sozialdaten in<br />

einem Langzeitarchiv bedarf. Zum anderen ist die Langzeitarchivierung auch nicht zur Durch-<br />

führung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im So-<br />

zialleistungsbereich erforderlich. Somit blieb auch hier nur die Möglichkeit einer Einwilli-<br />

gung durch den Betroffenen.<br />

Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

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