AP Recht - KoLaWiss

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KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 118 von 163 II. Anwendbarkeit des NDSG Ferner ist zunächst zu prüfen, ob das NDSG in diesen Fällen ebenfalls Anwendung findet und sich aus seinen Vorschriften das Erfordernis einer Einverständniserklärung des Probanden ergibt bzw. ob diese von den Anforderungen, die das BDSG stellt, abweichen. Gem. § 2 Abs. 1 S.1 NDSG ist der Anwendungsbereich des NDSG eröffnet, wenn personen- bezogene Daten durch Behörden und sonstige öffentliche Stellen des Landes, der Gemeinden und Landkreise, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Ans- talten und Stiftungen des öffentlichen Rechts verarbeitet werden. Daten verarbeitende Stelle ist jede Stelle, die personenbezogene Daten selbst verarbeitet oder verarbeiten lässt. Im vor- liegenden Fall wäre somit die Universität Göttingen die Daten verarbeitende Stelle. Diese ist eine Stiftung öffentlichen Rechts und fällt folglich gem. § 2 Abs.1 S.1 Nr. 3 Alt. 3 NDSG in den Anwendungsbereich des NDSG. Personenbezogene Daten definiert das Gesetz dabei in § 3 Abs. 1 NDSG als „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse von bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Personen“. Sofern solche vorliegen, dürfen sie gem. § 4 Abs.1 NDSG nur „erhoben, verarbei- tet oder genutzt werden, wenn das NDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat“. Sofern es sich bei den Daten um personenbe- zogene Daten handelt, wird deren Archivierung also zunächst durch das NDSG beschränkt, so dass sie nur dann archiviert werden dürfen, wenn das NDSG dieses erlaubt. Im Rahmen von medizinischen Forschungsvorhaben fallen Daten an, die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse der Probanden enthalten und somit personenbezogene Daten im Sinne des § 3 Abs. 1 NDSG sind 263 . Demzufolge erfordert die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung dieser Daten gem. § 4 Abs. 1 NDSG die Einwilligung des Betroffenen, soweit das NDSG oder eine andere Rechtsvorschrift die Nutzung der Daten nicht ausdrücklich erlaubt oder anordnet 264 . Das NDSG definiert „Erheben“ dabei in § 3 Abs. 2 Nr.1 als „das Beschaffen von Daten über die Betroffenen“. Im Rahmen der Langzeitarchivierung ist vor allem die „Verarbeitung“ per- sonenbezogener Daten von Bedeutung, die das Gesetz in § 3 Abs. 2 S.1 NDSG als das „Erhe- ben, Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren, Löschen und Nutzen personenbezogener Daten definiert“. Sofern der Langzeitarchivierungsverbund also auch Daten aus medizini- 263 Schirmer in Roßnagel, 7.12 Rn. 25; zum Grundrecht des Patienten auf informationelle Selbstbestimmung siehe BVerfG NJW 1984, 419; vgl. auch Dammann in Simitis, § 3 Rn. 5. 264 Zu den Erlaubnistatbeständen des NDSG siehe ausführlich Frage 11. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

KoLaWiss-Gutachten AP 4: Recht Seite 119 von 163 schen Forschungsvorhaben archiviert, bringt dies zunächst eine Speicherung mit sich. Darü- ber hinaus werden die Daten von der Forschungsstelle an den Langzeitarchivierungsverbund und von diesem gegebenenfalls an Fremdforscher übermittelt. Damit werden die personenbe- zogenen Daten im Rahmen der Langzeitarchivierung im Sinne des § 3 Abs. 2 S.1 NDSG ver- arbeitet. Eine solche Verarbeitung bedarf demnach gem. § 4 Abs. 1 NDSG aus datenschutz- rechtlicher Sicht einer Einwilligung des Betroffenen, es sei denn, dass das NDSG oder eine andere Rechtsvorschrift die Verarbeitung der Daten erlauben würde. III. Zwischenergebnis zu A. In den vorliegenden Fällen können also sowohl das BDSG als auch das NDSG einschlägig sein. Zwar haben beide Vorschriften unterschiedliche Adressaten, da das BDSG vorliegend auf den LZA als nicht-öffentliche Stelle Anwendung findet, das NDSG hingegen auf die Uni- versität und die sonstigen beteiligten Stellen des Landes Niedersachsen. Da im Fokus der Fra- ge jedoch die Wirksamkeit der Zustimmung des Betroffenen (unabhängig aufgrund welcher Norm) steht, sind bei der Prüfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen beide Vorschriften zu berücksichtigen. Ob eine derartige Vorschrift existiert, kann jedoch dahingestellt bleiben, wenn die Verarbeitung ohne Einwilligung des Patienten noch aus anderen Gründen unzulässig wäre. Zu beachten ist dabei, dass der Arzt, der den Probanden behandelt bzw. untersucht, der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. Diese wird zum einen aus § 203 StGB hergeleitet, zum anderen auf das Persönlichkeitsrecht des Patienten gestützt 265 . Die ärztliche Schweigepflicht umfasst dabei neben der Privatsphäre des Kranken auch dessen Krankendaten. Der Zweck der Schweigepflicht wird außerdem mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten begründet 266 . Auch wenn es sich bei den Probanden nicht zwangsläufig um einen Kranken handelt, besteht demzufolge die ärztliche Schweigepflicht auch im Verhältnis des Arztes zu einem nicht erkrankten Probanden, da auch in diesem Fall ein vergleichbares Vertrauensver- hältnis besteht. Somit erfolgt das Bedürfnis einer Einwilligung sowohl aus den öffentlich- rechtlichen Vorschriften des NDSG als auch aus dem privatrechtlichen Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Eine Einwilligung ist damit selbst dann erforderlich, wenn die Datenverar- beitung nach dem NDSG ausnahmsweise zulässig wäre. Etwas anderes kann lediglich hin- sichtlich anonymisierter Daten gelten 267 . Da eine Anonymisierung jedoch nicht immer mög- lich ist, sollte grundsätzlich von dem Bedürfnis einer Einwilligung ausgegangen werden. Nur 265 Deutsch, AcP 192 (1992), 162 ff; Schirmer in Roßnagel, Handbuch des Datenschutzrechts, 2003, 7.12 Rn. 22; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 69 Rn. 15. 266 Schirmer in Roßnagel, 7.12 Rm. 23; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 69 Rn. 8, 16 267 Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 70 Rn. 8. Prof. Dr. Gerald Spindler/Dipl.-Jur. Tobias Hillegeist

<strong>KoLaWiss</strong>-Gutachten <strong>AP</strong> 4: <strong>Recht</strong> Seite 119 von 163<br />

schen Forschungsvorhaben archiviert, bringt dies zunächst eine Speicherung mit sich. Darü-<br />

ber hinaus werden die Daten von der Forschungsstelle an den Langzeitarchivierungsverbund<br />

und von diesem gegebenenfalls an Fremdforscher übermittelt. Damit werden die personenbe-<br />

zogenen Daten im Rahmen der Langzeitarchivierung im Sinne des § 3 Abs. 2 S.1 NDSG ver-<br />

arbeitet. Eine solche Verarbeitung bedarf demnach gem. § 4 Abs. 1 NDSG aus datenschutz-<br />

rechtlicher Sicht einer Einwilligung des Betroffenen, es sei denn, dass das NDSG oder eine<br />

andere <strong>Recht</strong>svorschrift die Verarbeitung der Daten erlauben würde.<br />

III. Zwischenergebnis zu A.<br />

In den vorliegenden Fällen können also sowohl das BDSG als auch das NDSG einschlägig<br />

sein. Zwar haben beide Vorschriften unterschiedliche Adressaten, da das BDSG vorliegend<br />

auf den LZA als nicht-öffentliche Stelle Anwendung findet, das NDSG hingegen auf die Uni-<br />

versität und die sonstigen beteiligten Stellen des Landes Niedersachsen. Da im Fokus der Fra-<br />

ge jedoch die Wirksamkeit der Zustimmung des Betroffenen (unabhängig aufgrund welcher<br />

Norm) steht, sind bei der Prüfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen beide Vorschriften zu<br />

berücksichtigen. Ob eine derartige Vorschrift existiert, kann jedoch dahingestellt bleiben,<br />

wenn die Verarbeitung ohne Einwilligung des Patienten noch aus anderen Gründen unzulässig<br />

wäre. Zu beachten ist dabei, dass der Arzt, der den Probanden behandelt bzw. untersucht, der<br />

ärztlichen Schweigepflicht unterliegt. Diese wird zum einen aus § 203 StGB hergeleitet, zum<br />

anderen auf das Persönlichkeitsrecht des Patienten gestützt 265 . Die ärztliche Schweigepflicht<br />

umfasst dabei neben der Privatsphäre des Kranken auch dessen Krankendaten. Der Zweck der<br />

Schweigepflicht wird außerdem mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten<br />

begründet 266 . Auch wenn es sich bei den Probanden nicht zwangsläufig um einen Kranken<br />

handelt, besteht demzufolge die ärztliche Schweigepflicht auch im Verhältnis des Arztes zu<br />

einem nicht erkrankten Probanden, da auch in diesem Fall ein vergleichbares Vertrauensver-<br />

hältnis besteht. Somit erfolgt das Bedürfnis einer Einwilligung sowohl aus den öffentlich-<br />

rechtlichen Vorschriften des NDSG als auch aus dem privatrechtlichen Verhältnis zwischen<br />

Arzt und Patient. Eine Einwilligung ist damit selbst dann erforderlich, wenn die Datenverar-<br />

beitung nach dem NDSG ausnahmsweise zulässig wäre. Etwas anderes kann lediglich hin-<br />

sichtlich anonymisierter Daten gelten 267 . Da eine Anonymisierung jedoch nicht immer mög-<br />

lich ist, sollte grundsätzlich von dem Bedürfnis einer Einwilligung ausgegangen werden. Nur<br />

265<br />

Deutsch, AcP 192 (1992), 162 ff; Schirmer in Roßnagel, Handbuch des Datenschutzrechts, 2003, 7.12 Rn.<br />

22; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 69 Rn. 15.<br />

266<br />

Schirmer in Roßnagel, 7.12 Rm. 23; Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 69 Rn. 8, 16<br />

267<br />

Ulsenheimer in Laufs/Uhlenbruck, § 70 Rn. 8.<br />

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